Baby, it's cold outside von FreeWolf (Ein Adventskalender) ================================================================================ Kapitel 4: 4. Dezember - Nachtwache ----------------------------------- 4. Dezember - Nachtwache „Es gab diese alte Geschichte, von einer eisigen Königin, die alles und jeden in ihren Bann zog....“, die Stimme des ältesten im Schlafsaals hallt durch den Raum, der Atem der versammelten Jungen verhallt in der angespannten Stille. Der junge Rotschopf legt den Kopf auf seine Arme, die auf dem hölzernen Fensterbrett ruhen, und blickt hinaus in die weite Dunkelheit der Nacht. Die Geschichte zieht beinahe sang- und klanglos an ihm vorüber. Er kennt sie bereits, wie er alle Geschichten kennt. Er lebt bereits zu lange hier. Eine Kerze ist neben ihm entzündet und lässt das feuerrote Haar kupfern glänzen, während der goldene Schein der Kerze die vielen Silbersprenkel in seinen Augen zum Leuchten bringt. Er ist müde. Vom anstrengenden Training, von der dicken Suppe, die die Köchin ihnen immer zum Abendessen vorsetzt. Sie ist sehr fürsorglich, achtet immer darauf, dass jeder Teller mindestens zweimal gefüllt wird. Seine Lider fühlen sich an, als zögen kleine Gewichte sie nach unten, und immer, wenn sie ihm zufallen, folgt auch sein Kopf dem Beispiel. Bis er wieder nach oben schreckt, weil es im Winter immer unerträglich kalt ist im Schlafsaal. Auch wenn die dicken Betten schön warm halten, am Fenster lässt es sich nicht aushalten. Die Nacht draußen vor dem Fenster macht es nicht besser, scheint das Licht heraus in das Nichts der Dunkelheit ziehen zu wollen. Darum sitzt er auch hier, und hält die Kerze fest. Das Licht darf nicht von ihnen allen weggebracht werden. Besonders nicht im Winter, wenn der winzige Schein den Morgen und den Abend beleuchtet und die Eisblumen, die am Fenster blühen, zum Glitzern bringt. Die Lichtfläche, durchbrochen von den Schatten-Pendanten der Querstreben im Fenster, scheint einen eigenen, vorgezeichneten Weg zu bilden. Sie zieht scheinbar unendlich weit ins Dunkel hinein – manchmal sieht er, wie die Wölfe den Weg kreuzen und kurz anhalten, als könnten sie sich allein an der Anwesenheit des Lichts aufwärmen. Das Licht der Kerze flackert in unsichtbarer Zugluft, und er hält schützend die Hände davor. Lange Schatten fließen greifend über sein Gesicht, ohne etwas zu fassen zu bekommen, auch nicht die beiden langen Haarsträhnen, welche immer aufmüpfig in sein Gesichtsfeld fallen. Der kleine Rotschopf hat den Blick auf die Kerze gerichtet, völlig versunken in seiner einsamen Nachtwache. Die Geschichte ist inzwischen vorbei, der Großteil der Jungen schläft oder tuschelt noch ein wenig unter den Laken. Das eine oder andere Kind schluchzt leise. Das sind die Neuankömmlinge. „Was machst du da?“, hört er plötzlich eine Stimme seitlich hinter ihm sagen, und er kommt nicht mehr dazu, den Kopf zu drehen. Der kleine Neuankömmling von vorgestern hat sich bereits an ihn gekuschelt, das Kissen an sich gedrückt, als wäre es ein viel geliebtes Kuscheltier. Wobei.. wahrscheinlich sind die verschlissenen Kissen hier so etwas Ähnliches, denn niemand hat Stofftiere. Hier gibt es nur Hanteln, Gewichte.. und natürlich Beyblades, für die besonders begabten. Er darf auch schon damit spielen. „Ich passe auf das Licht auf“, erwidert der kleine Rotschopf mit dem bedächtigen Ernst eines Kindes, welches sich große Aufgaben erledigen sieht. „Warum machst du das?“, die Stimme des Kleinen – er muss kleinwüchsig sein, er muss Yuriy noch nicht einmal zur Hüfte reichen – klingt schon beinahe schläfrig. Manchmal brauchen die Jüngsten einfach eine Umarmung in der ersten Zeit. Später härten sie alle ab. Der kleine Rotschopf blickt kurz hinüber zu Boris, der sich unter seinen Decken vergraben hat und zufrieden schnarcht. Seine Füße sind am Bettende sichtbar; so schläft er immer. Yuriy weist nach vorne, hin zum Lichtweg: „Ich glaube, da könnte es hinaus gehen“ Er hat diesen Gedanken noch nie preisgegeben. Der Kleine richtet sich etwas auf, um überhaupt über das Fensterbrett hinwegsehen zu können. „Dann wache ich jetzt mit dir!“, meint er entschlossen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)