Opposites attract von -Kuraiko ================================================================================ Kapitel 8: ein Scherbenmeer namens Freundschaft ----------------------------------------------- „Was ist heute los mit dir? Du bist so unkonzentriert?“ Es war Dienstag Nachmittag, die Schule war für heute überstanden und die Präsentation des Projekts war schon wieder etwas näher gerückt. Der Blauhaarige warf mir einen besorgten Blick zu. In der Hand hielt er meine Karteikarten, die ich für den Vortrag morgen benutzen wollte. Kaito hatte sich glücklicherweise dazu bereit erklärt mit mir noch ein wenig für das Projekt morgen zu lernen. Eigentlich ging es nur darum, das ich den Inhalt der Karteikarten endlich behielt und auch auf Englisch wiedergeben konnte. Doch es war wie verhext, ich konnte mich einfach nicht konzentrieren. Immer wieder versank ich in meinen Gedanken und seine Stimme rückte in den Hintergrund. „Ach, ich weiß auch nicht. Ich kann mich irgendwie nicht konzentrieren.“, antwortete ich murrend. Ich musste das Referat bis morgen gut halten können, das war mir sehr wohl bewusst. Außerdem wusste ich, das nicht nur ich die Note für den Vortrag bekommen würde. „Woran liegt's? Kopfschmerzen?“, hakte er nach. Ich schüttelte nur den Kopf. Mir ging es gut, nur das ich mich eben nicht konzentrieren konnte. „Nein nein, mir geht’s gut.“ Ich warf dem Blauhaarigen ein schiefes Lächeln zu. „Aber man sieht dir an, das du irgendwas hast, Mei-chan.“ Wir saßen nebeneinander auf dem Sofa in seinem Zimmer, weshalb es ein Leichtes für ihn war mich zu sich zu ziehen. Ich verdrehte nur kurz die Augen. Dieser Spitzname verfolgte mich jetzt schon seit dem Kindergarten und ich mochte ihn nicht besonders. Irgendwie passte mein Name und ein Chan nicht zusammen. Dennoch lehnte ich mich an seine Schulter, seufzte und sah zur gegenüberliegenden Wand. Er meinte es ja nur gut. „Ich hab dir doch von gestern Nachmittag erzählt, richtig?“, begann ich. „Hat es irgendwas mit Barbie zu tun?“ „Wir haben doch eben auf dem Nachhauseweg Tsuyoshi gesehen. Er sah schon wieder so besoffen und aggressiv aus.“ Ich strich mir eine der braunen Strähnen aus dem Gesicht. „Und er war auf dem Weg Richtung Schule.“ Dienstags nach der Schule fand in der Sporthalle noch das Cheerleadertraining statt. Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gefühl als ich diesen Brutalo in Richtung Schulgelände gehen sah. Einerseits wusste ich, das das Lilys Problem war und nicht meins, aber trotz allem machte ich mir Sorgen. Seit sie letzten Samstag so aufgelöst vor meiner Tür aufgetaucht war, war es wie verflucht. Wir hatten uns vorher nie besonders verstanden und jetzt zerbrach ich mir schon den Kopf über anderer Leute Probleme. Während ich eigentlich für Englisch lernen sollte, malte ich mir die schlimmsten Geschichten aus und wurde noch ganz verrückt hier herum zu sitzen. „Scheint als hättet ihr euer Kriegsbeil wohl wirklich begraben.“ Mit einem leichten Lächeln sah er zu mir runter und streichelte beruhigen über meinen Oberarm. „Aber ich denke nicht, das er ihr etwas tut. Überleg mal, der Trainer ist bei der Gruppe, ihre Freundinnen sind da und zu dieser Uhrzeit ist die Straße auch noch gut belebt. Morgen wirst du feststellen, das du dir deinen hübschen Kopf ganz umsonst zerbrochen hast.“ Und plötzlich war es da, dieses merkwürdige Gefühl das etwas nicht stimmte. Meine Alarmglocken schrillten, doch ich wusste nicht warum. Ich lag in den Armen meines besten Kumpels, der sich alle Mühe gab mich wieder etwas aufzumuntern. Woher kam also plötzlich dieses Unwohlsein? Da ich dieses Gefühl als kompletten Quatsch abstempelte, schob ich es schnell wieder bei Seite und dachte nicht weiter darüber nach. Ich schloss die Augen und genoss es, einfach mal einen Moment faul chillen zu können. „Mmmh, vermutlich hast du Recht.“, antwortete ich dann. „Und dann wirst du feststellen, das du lieber ein wenig mehr für dein Referat gelernt hättest.“, neckte Kaito mich. Ich kam nicht dazu etwas darauf zu antworten, da just in diesem Moment die Tür geöffnet wurde. Der Vater des Blauhaarigen war gerade von der Arbeit gekommen und hatte mal nach uns sehen wollen. Er blieb stehen, als er zwei Schritte in den Raum gegangen war und grinste uns wissend an. „Oh, störe ich gerade?“ „Was für ne Frage Dad!“, vorwurfsvoll über die Frage blickte Kaito seinen Vater an. „Wir haben gerade was für mein Referat in Englisch gelernt.“, erklärte ich. „Ah, für Englisch gelernt..?“, wiederholte sein Vater, warf uns einem Blick zu und zog eine Augenbraue hoch. „Okay und gerade chillen wir etwas.“, räumte ich mit einem schiefen Grinsen ein. Ich wusste ja wie er drauf war und hatte mich schon längst mit den ständigen Sprüchen und Anspielungen abgefunden. Viele glaubten eben nicht, das ein Junge und ein Mädchen einfach nur beste Freunde sein konnten und dabei nicht den Hauch eines Hintergedankens hatten. „Dann will ich euch mal nicht beim Lernen stören.“ Immer noch grinsend verließ er den Raum wieder. Ich setzte mich wieder normal hin und schnappte mir die Karteikarten. „So, jetzt aber weiter im Text.“, verlangte ich. „Frag mich doch noch mal ab. Ich muss das morgen können.“ So lernten wir noch eine Dreiviertelstunde und endlich konnte ich behaupten, den Text auf den Karten auswendig runterbeten zu können. Das Referat konnte also kommen. „Na endlich.“, freute ich mich und stand vom Sofa auf. Vom langen Sitzen war ich ganz eingerostet und streckte mich erstmal. „Also wenn du's morgen nicht hinbekommst, dann weiß ich's nicht.“ Auch der Blauhaarige war aufgestanden. „Sag mal, hast du noch was vor? Wenn nicht, dann komm doch mit ins Kino. Heute läuft n Horrorfilm in 3D, den ich mir eigentlich ansehen wollte.“, wollte er dann wissen. Kurz überlegte ich, dann nickte ich begeistert. Ich liebte die meisten Horrorfilme, hatte jetzt eh nichts mehr zu tun und sah folglich keinen Grund der dagegen gesprochen hätte. „Wann ist denn die nächste Vorstellung?“, wollte ich wissen. Kaito blickte auf die Uhr bevor er antwortete. „In etwa einer Stunde wieder. Wenn wir gleich losgehen, kommen wir genau richtig beim Kino an.“ Dagegen hatte ich nichts einzuwenden. Wir schlüpften also in Winterjacke und Schuhe, denn mittlerweile war es wirklich kalt geworden, und verließen dann die Wohnung. An der Haustür angekommen, stellten wir fest, das es in Strömen regnete. Somit lief der Blauhaarige noch mal hoch auf die zweite Etage um einen Regenschirm zu holen. Mit einem Schirm bewaffnet, ließ sich der Weg zum Kino eigentlich ganz gut aushalten. Zwar ärgerte es mich, das der Schirm so verdammt klein war, doch irgendwie kamen wir trocken beim Kino an. Der Hinweg war irgendwie merkwürdig gewesen. Zwar redeten wir wie sonst auch, doch benahm der Blauhaarige sich seltsam. Andere hätten es vielleicht nicht bemerkt, doch ich fand, das er seltsam nervös wirkte. Sein merkwürdiges Verhalten irritierte mich, doch ich beschloss noch nicht weiter nachzuhaken. Wenn er gleich immer noch so komisch drauf war, würde ich es allerdings. Der Film war ziemlich gut gemacht. Immer wieder beinhaltete er Schockeffekte, da man dank der 3D-Brille oft das Gefühl hatte, das da gerade ein Fleischermesser, eine Pistolenkugel und sonstiger Kram auf einen zugeflogen kam. Doch auch der beste Film konnte einen nicht wirklich begeistern, wenn man sich Sorgen um seine Freunde macht. Hoffentlich hatte Tsuyoshi heute nicht wirklich die Sporthalle aufgesucht und wieso benahm Kaito sich so merkwürdig? Die Hand auf meiner verstörte mich ein wenig, doch als ich fragend in seine Richtung sah, sah er gespannt dem Film zu. Scheinbar ein Versehen. Der Blauhaarige war ganz von dem Kinofilm gefesselt. Als der Mörder tot und der Film zuende war, wurde die Leinwand wieder dunkel und das Licht im Raum ging an. Wir erhoben uns von unseren Plätzen, streckten uns und verließen in einer Menschenmenge den Saal. „Das die Opfer auch immer gleich dumm sein müssen. Ich meine, wer ist so blöd sich erst von seiner Gruppe zu trennen und dann auch noch seine Waffe fallen zu lassen?“, plauderte ich drauf los, während wir die Treppen des Kinos hinuntergingen. „Tja, das scheint wohl ein Muss zu sein. Genau so wie die Tatsache, das man auf den Bösewicht einschlagen kann wie man will, und er erstaunlich resistent gegen alles ist.“, stimmte Kaito mir zu. „Die Effekte waren echt cool. Teilweise habe ich mich echt erschrocken.“ Ich hatte gar nicht so genau darauf geachtet, wohin wir eigentlich gegangen waren, während wir uns unterhielten. Doch als ich die Umgebung musterte, bemerkte ich, das der Blauhaarige in die falsche Richtung lief. „Wo willst du eigentlich hin? Nachhause geht’s in die entgegengesetzte Richtung.“, stellte ich fest. Mittlerweile hatten wir einen Spielplatz erreicht, der um diese Uhrzeit natürlich schon wie ausgestorben war. Inzwischen war es stockfinster. Nur die Straßenlaternen spendeten ein wenig Licht. Wie gut, das es aufgehört hatte zu regnen. Mein Kumpel betrat den Spielplatz und setzte sich auf die Tischtennisplatte, welche überdacht und folglich trocken war. Ich folgte ihm irritiert und setzte mich neben ihn. Die Steinplatte war unangenehm kalt. „Ich muss mit dir reden, Meiko.“, begann er ungewohnt zögerlich. Ich kuschelte mich mehr in meine Jacke, denn mir war kalt. „Ich hab schon gemerkt das du die ganze Zeit über so merkwürdig drauf bist. Was ist es?“ Aufmerksam sah ich ihn an. Hatte ich mich vorhin also doch nicht getäuscht. Wenn der Blauhaarige mit jemandem über seine Probleme sprach, dann musste es wohl etwas ernstes sein. Natürlich wusste er, das ich ihm jederzeit helfen würde. Da war sie wieder. Noch bevor er zu Reden begann, schrie diese Stimme in meinem Kopf, das mir das Thema ganz und gar nicht gefallen würde. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht wie ich anfangen soll.“, unschlüssig blickte mein Kumpel mich an. Ich zog eine Augenbraue hoch. „Na schieß schon los, sonst kann ich dir nicht helfen.“ Er seufzte, bevor er dann zu reden begann. „Wir kennen uns jetzt bestimmt schon eine halbe Ewigkeit. Seit dem Kindergarten, wenn ich mich recht erinnere. Ich weiß sogar noch, wie wir uns damals immer um die Lego-Ritter gestritten haben.“ Jetzt war ich verwirrt. Wieso erzählte er mir das? „Ja, du warst damals ne ziemliche Heulsuse für nen Jungen.“, grinste ich ihn an. „Und du schon immer ein ziemlich ungewöhnliches Mädchen.“ Mit einem hilflosen Lächeln blickte mein Kumpel mich an. In meinem Kopf schrillten die Alarmglocken. Mein Herz begann zu rasen, ich spürte Panik in mir aufsteigen. „Weißt du, ich mag dich. Sehr sogar, auch wenn ich mich nie getraut habe, es dir zu sagen.“ Ich spürte, wie er meine Hände in seine nahm. Doch das alles rauschte an mir vorbei. Jedes Wort traf mich wie ein Fausthieb. Natürlich mochte ich ihn auch, aber doch nur rein freundschaftlich! Ich war wie gelähmt. Das war doch jetzt nur ein schlechter Traum! Vor mir saß mein bester Freund, von dem ich immer geglaubt hatte, das er genau das gleiche auch über mich dachte. Wir waren beste Freunde, mehr nicht! „Seit wann?“, hörte ich meine eigene Stimme fragen. Ich fand, das sie merkwürdig fremd klang. „Schon so lange.“ Die Bedeutung seiner Worte rauschte an mir vorbei. Nein! Bitte lass gleich den Wecker klingeln und mich aufwachen. Er kam meinem Gesicht immer näher, ich hatte immer noch das Gefühl in einem Alptraum der besonders miesen Sorte zu sein. Ich spürte seine Lippen auf meinen, Schockstarre...ich konnte das einfach nicht glauben. In diesem Moment zersprang meine kleine Welt in tausend kleine Scherben. Ich hatte Angst meinen Freund zu verlieren, wusste das nichts mehr so wie vorher sein würde. Diese Erkenntnis war schmerzhafter als ein Schlag ins Gesicht. Etwas Nasses lief meine Wangen runter. Tränen. Wann hatte ich das letzte Mal geweint? Endlich kam wieder Leben in meinen Körper. Ich konnte mich aus der Starre befreien. Ehe ich noch recht merkte, was ich eigentlich tat, hatte ich ausgeholt und ihm eine Ohrfeige verpasst. „Idiot! Warum hast du...?!“, hörte ich mich selbst schreien. Meine Stimme klang schrill, ungewöhnlich mädchenhaft. Kaito starrte mich an, er sah so verletzt aus. Es brach mir einfach das Herz, aber ich fühlte mich so überrumpelt und empfand wirklich nur Freundschaft für ihn. Meine Füße machten sich selbstständig, brachten mich dazu fluchtartig den Spielplatz zu verlassen und die nächste Straße entlang zu rennen. Ich war so geschockt und verzweifelt über sein Geständnis, das sich mein logisches Denken abgeschaltet hatte. Komplett verheult lief ich die Straße entlang. Wohin wollte ich jetzt eigentlich? Ob Gakupo mir zuhören würde? Sicherlich. Aber Kaito und er waren ebenfalls sehr gute Freunde, sodass mich plötzlich der Verdacht beschlich, das der Lilahaarige mehr wissen könnte als ich es bis eben getan hatte. Okay, wohin dann? Zu Len und Rin? Nein, die waren einfach noch zu jung um das zu verstehen. Zu Gumi? Auch nicht gut, da diese heute bei den Geschwistern übernachten wollte. Nachhause? Ebenfalls nicht gut, da ich mich nicht allein in meinem Zimmer vergraben wollte. Während meine Gedanken sich überschlugen, überließ ich es einfach meinen Füßen, wo sie mich hintragen würden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)