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Spiegelwelten

von

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Prolog

Wusstest du das die Welt hinter dem Spiegel lebt? Wusstest du das dort alles verkehrtherum ist? Und wusstest du das die Wesen genau die andere Seite der Seele wiederspiegeln? Nein. Das ist auch verständlich. Diese Geheimniss wird nur wenigen außerwählten zu Teil. Nur solche die die Gabe des Sehens besitzen, oder solche deren andere Seite den Spiegel verlassen hat. Ja die Spiegelwesen können ihre Welt verlassen. Stell dir mal vor du guckst in einen Spiegel und siehst nichts. Nicht absolut nichts. Das ist der Augenblick in dem dein jetziger Körper zu schwinden beginnt zu verschwinden und hinter den Spiegel gezogen wird. Deine Dunkel Hälfte macht es sich dann hier in dieser Welt gemütlich und stellt dein ganzes Leben auf den Kopf während du hinter dem Spiegel schreist. Woher ich das weiß? Ich bin ein Wanderer oder Transfer, nenn mich wie du willst. Jemand der zwischen den Welten also der Welt hinter dem Spiegel und der Realität hin und her wandern kann. Außerdem besitze ich die Gabe. Ich kann in einen Spiegel sehen und die Welt dahinter. Wenn du glaubst deine Spiegelbilder machen immer das was du machst dann hast du dich aber geschnitten. Die denken nicht daran. Vielleicht sieht es so aus aber in Wirklichkeit sind sie ganz schön gemein. Sie lachen uns aus und schneiden Grimassen. Alles außer mein Spiegelbild. Ich habe nämlich keins. Normalerweise sterben Menschen die kein Spiegelbild besitzen. Tötet man den Spiegler eines anderen löst sich sein Körper auf und er wird unwiderruflich aus den Gedächnisnen aller Leute gelöscht. Zurück bleibt ein Schatten, ein grauer schlier auf allen spiegelnden Oberflächen den man nur manchmal zu Gesicht bekommt. Verlorene, Verdammte, Vergessene, Wesen ohne namen Form und Gestallt, ohne Identität. Aber ein Spiegler kann seinen Menschen umbringen um dessen Platz einzunehmen. Zurück bleibt eine Kopie des Spieglers als Spieglung. Mittlerweile habe ich das Gefühl das sie es sich zur Aufgabe gemacht haben.

Und noch etwas ist komisch. Nicht nur das ich keine Spiegelung habe und besondere Fähigkeiten. Nein, ich schinde auch nicht. Etwas ist da auf der anderen Seite, und es ist auch hier. Warum kann ich mich nicht erinnern. Es ist alles dunkel in meinem Kopf, wie in einem Tunnel ohne Ausgang. Wieso besitze ich keine Spiegelung? Was ist es das mich sucht, mich bedroht und nach mir greift. Eine Dunkelheit hat sich über der Stadt ausgebreitet. Die Spiegler verlassen zuhauf ihre Welt. Etwas regt sich. Alle spiegelnden Flächen haben einen dunklen glanz angenommen. Türknäufe und Glasscheiben, Glühbirnen, Schaufenster, Taschenspiegel, Handys, Pfützen. Selbst Edelsteine. Etwa regt sich in den Schatten und wir sind darauf vorbereitet. Wir werden nicht riskieren das es zu einer Inversion kommt. Wir. Das sind „The Mirror of War“ . Kreja, Eras, Zernial, Mirwa, Nerie, Celest und Shanes. Und ich.

Jetzt wollt ihr sicher wissen wer ich bin. Ich bin Yura.

Yura de la Bocha und das ist meine Geschichte.

Silbersichel

Die Frau mit dem irren Grinsen schielt mich aus ihren pechschwarzen Augen an. „Du bist es“, grient sie und lacht irr. Ich starre sie an. Blass irrer Blick, schwarze Augen ,ohne Zweifel ein Spiegelwesen. Langsam hole ich das kleine Glasfläschen raus. Die Innenwände sind Pech schwarz. Kein Wunder im Moment halten sich dort zwei Männer ein Kind und eine alte Greisin auf. Fünf Aufträge in einer Nacht. Langsam häufen sich die Auftäge. In letzer Zeit sind ungewöhnlich viele Spiegelwesen in unserer Welt, was mehr Aufträge bedeutet aber auch mehr Mitwisser. Mittlerweile beginnt die Organisation „The Mirrow of war“ die Gedächnisse der Betroffenen zu löschen. Ich konzentriere ich wieder auf die Frau. Sie zischt und springt auf mich zu. „Oro tu. Meowa exzentria!“, murmelt ich und öffne die Flasche. Augenblicklich entsteh ein Strudel an der Öffnung der die wildkreischende Frau in die Flasche zieht. Schnell verkorke ich sie und stecke sie wieder in die Tasche. „Gut gemacht!“ ich drehe mich um. Natürlich habe ich Shanes Präsens schon gespürt, aber ich konzentriere mich nunmal auf meine Arbeit ehe ich mich neuen Besuchern zuwende. Shane ist ein Lekta, so nennen wir Menschen deren Spiegelbilder auch die gute Seite ihrer Seele wiederspiegeln. Außerdem sind die Menschen dann mit ihrem Spiegler verbunden. Shane kann sogar mit seiner Spiegelhälfte Kommunizieren, so wie alle Lekta eigentlich. Manchmal beneide ich ihn darum. Ich habe nie ein Spiegelbild gehabt.

Ich nicke und streiche mir eine schwarze Haarsträhne wieder hinter die Ohren. „Das war die letze für heute.“, sage ich und klopfe auf die Tasche mit der Flasche. „Ich mach mich gleich noch auf hinter den Spiegel und lass sie frei. Du kannst dann ihre Besitzer auf der anderen Seite in Empfang nehmen.“ Die Flasche zittert wütend in meine Tasche und ich umschließe sie mit der Hand. Shane nickt. „In Ordnung. Ich schätze du bleibst noch etwas länger in der Spiegelwelt. Kannst dann ja direkt mal herausfinden warum in letzer Zeit die Spiegelwesen so durchdrehen.“, sagt er und wir gehen weiter die Straße runter.

Im Hauptquatier angekommen werden wir direkt von Eras beschlagnahmt. Eras ist die Chefin der Organisation und sie verwaltet die Siegelflaschen mit den Spiegelwesen. Heute werden eine Menge Menschen den Weg wieder zurück finden. Daher muss viel organisiert werden und Eras schnatter wie verrückt. Ich höre ihr auf den einen Ohr zu. Jedesmal das Selbe. Ich schau in den großen Wandspiegel, den mit dem eisernen Rahmen. Obwohl ich keine Spiegelung besitze weiß ich wie ich aussehe. Auf Fotos bin ich nämlich zu sehen. Ich habe schwarze sehr lange Haare, bin sehr blass und an meiner linken Schläfe rankt sich ein Rankentatoo entlang. Die silbernen Augen, die ich immer mit blauen Kontaktlinsen verdecke. Eigentlich sehe ich auch aus wie ein Spiegelwesen, bis auf die Augen. Vor allem mit dem Umhang dem braunem Lederwams, den Stiefeln, dem Dolch aus Glas. „Yura? Hörst du mir überhaupt zu?“ Ich nicke und meine: „Du erzählst mir das jedesmal!“ Eras ist beleidigt und tritt vom Spiegel zurück. Ich nehme die letzen Fläschchen und spüre ein erwartungsvolle kribbeln auf der Haut. Es ist als würde ich unter Strom stehen so als ob mein Körper wüsste was ihn erwartet. Ich hole tief Luft und schreite durch das Glas.

„Yura! Yura de la Bocha, wirst du wohl aufwachen.“, müde hebe ich den Kopf von der Tischplatte. Wo bin ich? Ich sehe viele Gesichter die mich anstarren, und eines ist ganz nah. Das ovale Gesicht mit den dünnen Brillengläsern in schwarzer Fassung. Links und rechts sind drei rote Strasssteine angebracht die wie ein Funkenschweif aussehen. Dahinter funkelnde grüne Augen die mich ärgerlich anstarren. Eine spitze Nase ein hartes Kinn. Irgendwie sind alle Züge an diesem Gesicht, hart und scharf. Das strähnige rote Haar ist zu einem Pferdeschanz gebunden und an den Schläfen sieht man schon graue Haare. Die Jahre verschonen niemanden und ich hab gehört Stress macht alt.

„Wären sie jetzt so freundlich und würden an die Tafel gehen um die Aufgabe zu lösen?“, gifftete die Mathelehrerin. Ich erhebe mich. Gausche Algorithmus, dafür müsste ich noch nicht mal ihre Gedanken lesen um den zu können. Ich bemerke wie Damien zu mir rüber sieht. Er wirkte leicht besorgt. In letzer Zeit ist er mir häufiger aufgefallen, dass er oft zu mir rüber sieht oder sich in meiner Nähe aufhält. Ich ignoriere das. Eigentlich ignoriere ich alle, seit damals.

Ich habe keine Erinnerungen seit ich ungefähr 8 Jahre alt bin. Das letze woran ich mich erinner ist, dass ich aus dem Spiegel im Lagerhaus gekommen bin und zu Boden fiel. Irgendwann hat Eras mich gefunden. Sie dachte eigentlich ich sei Tod, aber ich war es nicht. Menschen ohne Spiegelbild sterben. Menschen ohne Spiegler sterben. Spiegler töten Menschen. Das waren die ersten Lektionen die ich erteilt bekommen habe. Die Kreide kratz über die Tafel währen meine Gedanken kreisen.

Als ich auf den Schulhof hinaustrete schlägt mir ein kühler Wind in das Gesicht. Hastig trete ich von der Tür weg. Glasscheiben spiegeln. Ich habe kein Spiegelbild. Allen denen das bis jetzt aufgefallen ist habe ich das Gedächniss gelöscht. Ich darf nicht auffallen.

„Hey, Yura.“

Ich drehe mich nicht um. Ich weiß wer das ist. Es ist Damien. Im Laufen schultert er die Schultasche und kommt schlitternd neben mir zum stehen. Er sieht mich an aber ich schaue nicht auf. Ich weiß wie er aussieht. Die Kurzen braunen Haare zerzaust vom Wind, die dunkelblauen Augen mit den grünen Strichen. Ich habe ihn mir oft angesehen, wenn er an der Tafel stand, oder in der Pause, wenn ich mal wieder verbotender Weise auf dem Schuldach saß. Aber irgendwann habe ich damit aufgehört. Ich habe einfach aufgehört. Vielleicht hast du das bemerkt. Und hast deshalb angefangen dich für mich zu interessieren. Das Mädchen das keine Erinnerungen hat und dennoch alles zu wissen scheint. Das Mädchen das immer in schwarz rumläuft, selten in rot, lila, oder grün. Das Mädchen das genau weiß was man hinter seinem Rücken über es erzählt, aber schweigend an allen vorbei geht. Das Mädchen, das keine Freunde hat, Außenseiter, Looser.
 

„Hey Yura. Ich..“ Damien geht neben mir her durch den Nieselregen der langsam eingesetzt hat. „Ich wollte fragen ob ich dich nach Hause begleiten kann?“ Er kling selbstsicher wie eh und jeh, aber ich weiß das er unsicher ist. Ich kann seine Gedanken lesen, aber ich tue es nicht. Nur ein ungefähres Gefühlsraster dringt in mein Bewusstsein. Mir wird bewusst das er auf eine Antwort wartet. „Das ist doch in eine komplett andere Richtung“, gebe ich von mir. Eigentlich ist er mir sympatisch, aber ich bin gefährlich. Meine Aufgabe trennt mich von den Menschen.

„Das macht mir nichts. Ich begleite dich trotzdem. Ich meine… wenn du nichts dagegen hast.“

Jetzt muss ich doch nach oben sehen. Ich schaue kurz in seine Augen, sehe dann aber woanders hin.

„Wenn du willst.“, murmle ich.

„Echt?“

Ich nicke. Schweigend gehen wir weiter, aber das Schweigen ist nicht unangenehm. Es ist ein angenehmes Vertrautes Schweigen. Obwohl wir uns gar nicht kennen… Es macht mich etwas nervös. Ich bin nicht jemand der emonotiale Bindungen eingeht. Ich versuche ihm die kalte Schulter zu zeigen, mich abzukapseln. Er versucht ein Gespräch anzufangen aber ich schweige.
 

Es gibt verschiedene Dinge die ich über mich weiß. Zum einen bin ich sehr schlank, schwarzhaarig, eine Mischung aus Zierlichkeit und Muskeln. Und ich habe dieses Rankentatoo im Gesicht, das ich in der Schulzeit aber immer abdecke. Ich weiß das von Fotos wie gesagt.

Ich weiß das ich keine gute Gesprächspartnerin. Ich bin eher, verschlossen. Irgendwann schien er es aufzugeben und gib ebenfalls schweigend neben mir her. Irgendwann kamen wir am Waisenhaus an. Ja ich Leben in einem Waisenhaus. Seit ich acht Jahre bin. Keine Erinnerungen wie gesagt. Mein Leben ist Ereignisslos und leer. Aber das ist ok. Damien verabschiedet sich und ich sehe zu wie er im Nieselregen verschwindet.

»Ich könnte einen Freund haben.«

Das ist das einzige was mir durch den Kopf schießt als ich mich umdrehe und das Haus betrete.
 

„Ok.“ Eras klatscht in die Hände. Die Besprechung ist vorbei und die Jagd beginnt. „Ziehst du wieder allein los?“ Das war Kreja. Der große muskulöse Mann begut sich über den Tisch als er mich prüfend mussterte. „Du solltest wirklich nicht immer allein gehen. Du weist. Die Spiegelwesen reagieren auf dich.“ Ich nicke. Natürlich weis ich das.

„Also ziehst du wieder allein los?“

„Natürlich. Keine Angst ich pass auf mich auf.“

„mir gefällt das trotzdem nicht. Es wird Zeit das du dir einen Partner suchst.“

Ich schüttel nur wortlos den Kopf. Immer das selbe.

„Yura!“

Ich schüttel nur den Kopf und streife meine Kaputze über. Dann verschwinde ich durch die Tür. Ich hebe meinen Blick zum Mond. Wenn ir jetzt jemand in die augen sehen würde, würde er die Silbernen Reflexe sehen. Jeder Jäger hat eine Silberne Mondsichel in seinem Augen.

Wie eine Katze.
 

Ich presse mich an die Wand. Ich kann es spühren. Ein Spiegler ist auf dem Weg hierher. Und er ist schnell. Ich werfe einen flüchtigen Blick in die Gasse. 10 Sekunden, maximal. Meine Hand liegt um den gläsernen Dolch. Das Fläschen ist schon in meiner Tasche. Aber ich werde diesen erst schwächen müssen. Ich hebe den Kopf. Ich kann einen keuchenden Atem hören, das trommeln von Füßen. Jemand rennt die Gasse hinunter und offensichtlich hat er panische Angst. Ich kann das irre keckern des Spieglers hören. Offensichtlich verfolgt er seinen Menschen. Ich lasse den menschen an mir vorbei rennen. Dann springe ich in die Gasse. Der Aufprall des Spieglers reist mich fast von den Füßen. Aber mein Körper reagiert für mich. Blitzschnell mache ich mich klein und lasse ihn über mich hinweg rollen. Ich höre ein erschrecktes keuchen. Der Mensch hat die Sackgasse gefunden. Ich habe keine Zeit um mich um ihn zu kümmern. Die Bestie vor mir beansprucht meine volle Aufmerksamkeit. Ich gehe in die Hocke und schaue in das verzehrte Gesicht. Erstaunlicher weise kommt es mir bekannt vor. Ich ziehe den Gläsernen Dolch doch zuspät. Das Monster war schneller. Flammender Schmerz rast durch meinen Arm als die Klauenhand mich trifft und mit den Dolch aus der Hand schlägt. Ich höre das leise klingen als das Glas auf der Straße aufkommt und wegrutscht. Mein Arm blutet. Die Kratzspuren verlaufen von meinem Handgelenk über meinen kompletten Unterarm. Ich beiße die Zähen zusammen und mühe mich mehr schlecht als recht mit der Kreatur ab. Ich treffe sie zwar einige Male aber ernstahft schwächen kann ich sie nicht.

„Duck dich!“

»Diese Stimme… das ist doch…“

Ich ducke mich und im selben Moment rast der gläserne Dolch durch die Luft und fliegt mit einem dumpfen Geräusch in den Magen meines Gegners. Ich höre einen Schmerzerfüllten Laut hinter mir und einen Körper der in die Knie sackt. Aber ich habe keine Zeit dafür. Die Kreatur wird sich schnell wieder erholen. Ich ziehe das Fläschen. Die Beschwörungsformel kommt aus meinem Mund und der Spiegler verschwindet im Gefäß. Ich verkorke es und wende mich der zusammen gesunkenen Gestallt um die sich den Magen hält. Das Mondlich lässt ihn noch bleicher erscheinen und ich kann deutlich das rote Blut erkennen das über seine Hände rinnt. Als ich näher trete schießt sein Kopf in die Höhe und ich erstarre. Durch die dunkle Nacht blitzen mir zwei Silbersicheln entgegen.

„Yura?“

Damien starrt mich fassungslos an, ehe er das Bewusstsein verliert.

Die Prüfung

Ich weiß nicht wie ich es mit Damien zurück zum Hauptquatier geschafft hab. Aber ich konnte ihn nicht auf der Straße lassen. Der Idiot hatte ja keine Ahnung gehabt, dass alles was man einem Spiegler zufügte auch dem Menschen schadete. Meine Kleider sind Blutgetränkt als ich die Lagerhalle betrete. Meins uns seins. Ich vermute mehr von seinem Blut. Ich kann die entsetzen Mienen der anderen sehen und wünsche mir einmal mehr ich könnte mich selbst im Spiegel sehen. Aber das einzige was ich sehe ist Damien der in der Luft zu schweben scheint und dessen Blut auf den Boden tropft. Ich reiße mich von dem Anblick los und lege ihn möglichst behutsam auf den Tisch.

„Wir müssen ihn heilen.“, sage ich und schaue zu Eras die mit großen Schritten den Raum durchquert und nach Damiens Handgelenk greift. Sie fühlt seinen Puls und greift dann nach ihrem Dolch. Als sie ihm die Kleidung aufschlitzt wird mir übel. Die Wunde ist nicht groß und es ist nur ein kleiner sauberer Schritt, aber mit jedem Herzschlag spuckt sie Blut. Verdammt, so viel Blut. Die anderen versammeln sich um den Tisch. Eras scharfer Blick trifft mich. „Wie konnte das passieren?“, fragt sie und dreht sich zu mir um. Ich schüttel den Kopf. „Ich werde ihn erst heilen. Dann kannst du mich ausfragen, oder bestrafen, oder wonach auch immer dir der Sinn steht.“

„Und was ist mit deinem Arm passiert?“

„Erst er.“

Wiederwillig tritt Eras beiseite und lässt mich an Damiens provisorisches Krankenbett. Schweiß perlt von seiner Stirn und seine Lieder zittern. Ich streiche ihm das Haar aus dem Gesicht. „Idiot.“ Eigentlich hatte ich nichts sagen wollen, aber diese Worte waren einfach selbstständig. Er scheint auf meine Stimme zu reagieren, jedenfalls brabbelt er etwas unverständliches und dreht den Kopf zu mir.

Ich ziehe meine Handschuhe aus. Der eine ist eh hinüber. Dann presse ich meine Hände auf seine Bauchdecke. Er stöhnt und bäumt sich unter mir auf ehe er wieder erschlafft. Die Worte der Heilung, kommen erst leise über meine Lippen, dann aber wird das Lied immer lauter. Ich kann sie spüren. Die Kraft in mir. Wie ein leuchtender Energieball pulsiert sie unter meinem Brustbein, fließt durch meine Venen wie goldener Honig bis zu meinen Händen. Das Leuchten zeigt das die Verbindung besteht. Die Kraft die aus mir herausfließt fließt in Damien und heilt ihn. Ich nehme die anderen um mich herum nur noch als Schatten war. Es ist als würde die Welt sich zusammen ziehen und sich auf mich, Damien und die Wunde beschränken. Ich spüre wie der Blutfluss weniger wird. Ein gutes Zeichen, aber ich höre nicht auf bis alles verschwunden ist. Dann erst löse ich die Hände von seiner Bauchdecke, beende mein Lied. Das Blut auf seiner glatten Haut stammt von mir.

„Na guck mal einer an. Unsere Yura scheint einen Verehrer zu haben.“ Zernial deutet auf eine Beule in Damiens Hose. Ich beiße mir auf die Lippen. „Ein netter neben Effekt, nicht wahr?“, fragt Mirwa und lehnt sich an ihn. Grinsend legt er ihr einen schweren Arm um die Schultern. Im Licht des Mondes das in die schwachbeleuchtete Halle fällt blitzen seine Augen silbern. Wie bei mir, obwohl es nur auffällt wenn ich Kontaktlinsen trage, wie bei Eras, Kreija und allen anderen.

Wie bei Damien. „Also was war los.“, Eras tritt neben den Tisch und betrachtet die Sauerrei auf dem Fußboden. Sie greift nach meinem Arm und ich beiße die Zähne zusammen. Wahrscheinlich drückt sie absichtlich so fest. Sie macht sich Sorgen. Sie betrachtet die vier Krallenspuren die meinen Arm hinauf laufen. Sie beginnen schon zu verheilen. Ich schildere kurz meinen Kampf mit dem Spiegler und wie Damien sich selbst außer Gefecht gesetzt hat.

„Er besitzt den silberenen Blick.“, schließe ich und schaue in die Runde. Alle sehen mich an, dann wanderen ihre Blicke zu Damien der jetzt friedlich schläft. Eras knetet ihre Lippe zwischen Daumen und Zeigefinger. Sie überlegt. Ich schaue zu Damien. Er wird überleben. Allerdings ist die Frage wie lange. Ich stelle das Fläschen mit meinen gesammelten Spieglern auf den Tisch. „Sein Spiegler ist hier drin.
 

Als Damien die Augen aufschlägt bin ich auf dem Dach. Ich schaue in den Himmel als ich Schritte hinter mir höre. Ohne mich umzuwenden weiß ich das es Celest ist. Niemand bewegt sich so leichtfüßig wie sie. Es sieht immer aus als ob sie tanzen würde, nur das ihr Tanz gefährlich ist, was sie um so anziehender macht für jedes männliche Wesen in ihrer Umgebung. Sie setzt sich neben mich. „Er ist aufgewacht.“, teilt sie mir mit und als ich weiterhin schwiege fährt sie fort. „Er hat nach dir gefragt. Eras hat sich mit ihm unterhalten. Ihm alles erklärt, das meiste zumindest.“ Sie schaut mich an und ich schaue zurück.

„Er will dich sehen.“

Ich wende meinen Blick wieder den Sternen zu. „Weißt du was ich glaube? Du magst ihn. Sehr sogar. Doch du zeigst ja allen die kalte Schulter, hällst uns alle auf Abstand. Warum? Ich spühre das da viel mehr ist, unter der Oberfläche. Du verbirgst etwas?“

„Und du hast es dir zur Aufgabe gemacht den Büchsenöffner zu spielen oder was?“

„Nein. Nur manchmal frage ich mich wirklich was in deinem Kopf vorgeht.“

„Vieles in letzer Zeit.“

„Und was genau?“

Ich seufze. Genau auf die Art von Gespräch habe ich keine Lust, aber ich antworte trotzdem. Zumindest einen Teil kann ich ja sagen. „Die Spiegelwelt hat sich verändert. Sie war zwar schon immer gefährlich, aber jetzt strahlt sie eine Bedrohlichkeit aus die mir Fremd ist. Etwas lauert jetzt in den Schatten. Etwas das ich nicht definieren kann.“ Ich schaue sie an. „Das einzige was ich weiß ist das etwas kommen wird. Etwas oder jemand und nicht nur die Welt jenseits des Spiegels ist in Gefahr.“

Celest schweigt und auch ich sehe zum Himmel. Eine Weile sagt niemand etwas während wir beide unseren düsteren Gedanken nachhängen. Schließlich sieht sie mich an.

„Du weißt du kannst dich auf uns verlassen Yura. Egal was kommt.“ Sie stößt einen tiefen Seufzer aus. „Ist wohl keine gute Zeit einen neuen Jäger auszubilden.“

Ich fahre herum und starre sie an.

„WAS?“

„Na was hast du denn gedacht? Das wir seinen Spiegler einfach zurück schicken und sein Gedächtnis löschen? Nag komm schon Yura. Er ist einer von uns und wir können jede Hand gebrauchen.“

„Aber nicht Damien…“

„Und warum nicht?“

„Weil… er ist nichts für diesen Job. Ich kenne ihn aus der Schule.. er….“

„Er hat seine Wahl getroffen.“

Jetzt springe ich auf. „Wo gehst du hin?“, höre ich Celest rufen als ich auf die Wendeltreppe zumaschiere. „Ich gehe ihm Vernunft einprügeln.“ Celest sagt etwas Unverständliches aber ich glaube die Worte „erste Liebe“ und „hoffnungslos“ zu hören.
 

Als ich durch die Tür trete die zur Halle führt sehe ich Damien auf dem Tisch sitzen. Er hat die Hände verschränkt und starrt auf den Boden. Er trägt kein Oberteil. Als ich aus den Schatten trete sieht er auf. Ich weiß nur zu gut das der große Spiegel sich in meinem Rücken befindet, aber er schaut gar nicht hin. Er sieht nur mich an. Dann lächelt er. „Da bist du ja endlich. Es gibt ja viele unglaubliche Sachen die ich bis jetzt gehört hab, aber ich würde sie mir gerne nochmal von dir bestätigen lassen.“

Ich sehe ihn an. Er wirkt so entspannt auf dem Tisch. Irgendjemand hat das Blut aufgewischt und dort wo der Stich war ist nur noch eine helle Linie zu sehen. Auch sie wird verschwinden. Er folgt meinem Blick und legt die Hand darauf.

„Habe ich dir meine Rettung zu verdanken?“

Ich nicke nur. Die Blicke aller anderen im Raum sind auf uns beide gerichtet. Schließlich räuspert sich Eras. In der Stille klingt das Geräusch wie fallende Kieselsteine. „Also ich denke wir haben noch genug zu tun. Die Nacht ist noch nicht vorbei. Außerdem denke ich die beiden brauchen etwas Zeit für sich allein. Also Jäger, los geht’s.“ Die anderen erheben sich murrend. Stühle scharben, Umhänge rascheln. Mein Blick bleibt die ganze Zeit auf Damien gerichtet. Schließlich höre ich wie die Tür geöffnet und nach einiger Zeit wieder geschlossen wird. Ich wende den Blick ab. auf einem Tisch stehen feinsäuberlich die Fläschchen aufgereiht. Mehr Arbeit für mich. Unruhig tiergere ich durch den Raum. Ich weiß nicht wo ich anfangen soll. Am liebsten würde ich ihn anschreien, aber die Vernunft in mir, sagt dass dazu keinerlei Grund besteht. Schließlich geht es mich nicht an was er um 11 Uhr nachts auf der Straße gemacht hat. Also beiße ich mir auf die Lippen während ich spühre wie sein Blick mir durch den Raum folgt.

„Es ist also war.“

„Was ist war?“

„Das was die Frau gesagt hat, diese Eras. Du besitzt kein Spiegelbild.“

Ich drehe mich um. Mein Blick streift das Glas das außer Damien einen leeren Raum zeigt. „Sieht ganz so aus.“, gebe ich von mir.

„Wieso ist das so? Und vor allem seit wann?“

„Seit ich denken kann. Nein warte, das stimmt so nicht. Seit meine Erinnerungen beginnen trifft es wohl eher. Ich kann mich bis ich 8 Jahre alt bin zurück erinnern, danach nichts mehr.“

„Wieso ist das noch niemandem aufgefallen?“

„Weil sich alle denen es aufgefallen ist nicht mehr daran erinnern können.“

Er schwiegt und kaut anscheinend auf seiner Zunge herum. Ich öffne seufzend meinen Umhang und lege ihn über einen Stuhl. Der Gläsernde Dolch an meiner Hüfte blitzt leicht auf. Ich muss mir noch überlegen wie ich das ganze Blut wieder aus dem Mantel bekomme, aber das hat später auch noch Zeit.

„Und deine Augen….“

Ich lache leise. „Eras hat dir wohl alles erzählt.“, sage ich und nehme die Kontaktlinsen heraus. Seine Gesichtszüge bleiben angespannt aber ich weiß, dass er es gruselig findet. Meine Ähnlichkeit mit dem Ding, das ihn angegriffen hat.

Er reißt sich von dem Anblick los und springt vom Tisch. Als er durch den Raum zu mir kommt mustere ich seinen Körper. Dann steht er vor mir. „Und das Ding das mich angegriffen hat? Eras meinte es wäre ein Spiegler. Was ist das?“

Ich sehe ihn an. „Die Spiegler sind deine andere Hälfte. Eigentlich sind sie dein Spiegelbild. Die Welt hinter dem Spiegel spiegelt immer genau das Gegenteil von den Dingen in dieser Welt wieder. Wenn du zum Beispiel hier ein ganz tolles Haus hast, kann es schon mal sein das du auf der anderen Seite eine zerstörte Ruine findest. Oder hier eine nette alte Dame, die auf der anderen Seite eine böse Hexe ist.“ Damien nickt nachdenklich. „Und warum ist mein Spiegelbild noch da, ich meine du hast du meinen Spiegler getötet oder?“ Ich schüttele den Kopf. Allein der Gedanke…. „Wenn du den Spiegler eines Menschen tötest, tötest du den Menschen damit auch. Alles was du dem Spiegler zufügst, fügst du auch dem Menschen zu. Aber alles was dem menschen zugefügt wird, wird nicht dem Spiegler zugefügt, was die ganze Sache ziemlich kompliziert macht. Du hast im Moment ein Spiegelbild, weil das sozusagen das Echo des Spiegler ist, damit du nichts merkst, aber das wird bald verschwinden, vorausgesetzt wir lassen den Spiegler nicht in seine Welt zurück. Was aber so schnell nicht passieren wird wie ich vermute.“

Damien nickt. „Eras meinte ich hätte die Silbersicheln in meinen Augen und wäre wie du…“ Ich unterbreche ihn mit einem Kopfschütteln. „Niemand ist wie ich. Du bist wie die anderen. Du hast ein Spiegelbild, einen Spiegler mit dem du dich nach Ansicht der anderen, verbinden sollst und du hast eine normale Augenfarbe. Die Silbersicheln siehst du wenn deine oder die Augen der anderen, oder auch meine, vom Mondlicht beschienen wird. Frag mich nicht wieso. Ich weiß es nämlich auch nicht.“ Ich sehe ihn an. „Aber ich bitte dich, dich nicht mit deinem Spiegler zu verbinden. Unsere Kämpfe sind gefährlich und wir können jederzeit getötet werden. Und im Moment… ich weiß auch nicht was da grade im Gang ist. Aber etwas großes Steht bevor und es wird sicher kein Zuckerschlecken werden. Es ist zu gefährlich für einen Neuling.“ Damien starrt mich an als ob ich ihm ins Gesicht geschlagen hätte. „Ich halte dich nicht für schwach“, beeile ich mich zu sagen, aber er hat sich schon abgewendet.

„Ich habe das Spiegelwesen auch besiegt.“

„Ja und was ist dann passiert? Du hast dich selber fast umgebracht!“

„Weil ich es nicht wusste.“, fährt er mich an und wirbelt zu mir herum. „Außerdem bist du auch dabei und du bist jünger als ich.“ Ich schaue zu Boden. „Bei mir ist das was anderes. Ich bin das schon seit ich denken kann. Ich hab Erfahrung.“ Plötzlich spüre ich wie seine Hände ich um meine Oberarme schließen und er mich gegen den Spiegel drückt. „Dann teil sie mit mir. Bring mir bei zu kämpfen. Lass uns Gemeinsam kämpfen.“ Sein Blick bohrt sich in meine Augen. Ich habe noch nie solche Augen gesehen. Seine dunkelblauen Augen scheinen mir irgendwie endlos. Erst jetzt bemerke ich die hellen Sprenkel die sich kranzförmig um seine Pupille verteilen. Und er strahlt einen Kraft aus, eine Entschlossenheit, die etwas beängstigend aber auch beruhigend ist. Man kann sich auf ihn verlassen. Ich zucke mit den Schultern. „Es wird eh deine Entscheidung sein…“, murmel ich. Er lässt mich los und streicht sich durch sein Haar.

„Aber du wärst nicht glücklich wenn ich mich dafür entscheide oder?“

„Nein.“

„Weil ich schwach bin?“

„Das habe ich nie behauptet.“

„Weshalb dann?“

Ich schweige aber in meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken.

»Weil ich nicht will das du verletzt wirst….«

Ich zucke mit den Schultern. „Das tut jetzt nichts zur Sache.“ Ich schaue auf die große Wand Uhr. „Die anderen kommen bald wieder. Dann können wir die Zeremonie durchführen.“
 

Natürlich lassen die anderen nicht lange auf sich warten. Eine nützliche Eigenschaft von und Jägern ist es das wir ein nahezu perferktionistisches Timing haben. Wir haben es einfach im Gefühl, wann eine bestimmte Uhrzeit ist und wann wir irgendwo auftauchen müssen. Manchmal ganz schön praktisch, manchmal auch nicht. Damien hatte die Zeit des wartens damit überbrückt, vom Spiegel zum Tisch, zum Fenster zur Tür und wieder zurück zu tigern und mich damit halb wahnsinnig zu machen. Um nicht durch zudrehen und um vorallem, um meinen Drang ihm die Idee aus dem Kopf zu prügeln zu unterdrücken, beschäftige ich mich mit meinem Dolch. Unsere gläsernen Waffen sind nämlich die einzigen die die Spiegelwesen verletzen können. Und doch. Ich kann nicht verhindern das meinen Blicke ihm durch den Raum folgen. Er wirkt auf mich wie ein eingesperrtes Tier, etwas wütend, unruhig und etwas ängstlich. Als die ersten schließlich eintreffen wirft er ihnen einen kurzen Blick zu, dann verschwindet er Richtung Treppe die zum Dach führt. Kreja sieht mich fragend an, doch Mirwa lächelt wissend. Eras betritt den Raum und sieht sich um. „Wo ist unser Neuzugang?“, fragt sie mich und ich brauche zwei Anläufe ehe ich antworten kann: „Auf dem Dach. Ich gehe ihn holen.“ Damit springe ich vom Tisch und gehe zur Treppe. Sie scheint ziemlich endlos während sich in meiner Brust die Gefühle streiten. Dann stehe ich auf dem Dach. Damien steht an der Dachkannte und schaut in den Himmel. Aber er hat mich gehört denn er fragt ohne mich anzusehen: „Sie sind da, oder? Ich meine jetzt sind alle da.“ Ich nicke ehe mir einfällt das er mir den Rücken zuwendet. „Ja sie sind da.“ Ich muss tief Luft holen. „Wie entscheidest du dich?“

„Du willst immer noch das ich ablehne?“

„Ja.“

Er schweigt. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus.

„Aber dann bist du unglücklich oder?“

Die Worte platzen einfach aus meinem Mund. „Warum willst du dich in den Kampf stürzen? Ich habe dich immer für halbwegs normal gehalten. Warum kannst du nicht akzeptieren das ich anders bin, das wir anders sind?“

„Du bist immer noch ein Mensch. Also bist du nicht anders.“

„Das ist nicht erwiesen.“

Das hatte ich eigentlich garnicht sagen wollen. Aber es stimmte. Eras und die anderen und auch ich hegen seit einiger Zeit den Verdacht, dass ich nicht menschlich bin. Zumindest nicht vollständig.

Damien schweigt, dann dreht er sich endlich zu mir um.

„Weißt du warum ich das will? Ich will nicht für den Kampf, zu euch stoßen. Aber wenn ich es tue kann ich verhindern, dass Menschen ihr Leben verlieren. Ich kann endlich etwas tun und nicht nur hilflos dabei zusehen wie jeden Tag in der Zeitung mehr Schreckensnachrichten von der angeblichen Mörderbande auftauchen. Zusehen wie die Welt die wir kennen aus den Fugen gerät , schwankt und zerbricht. Ich bin dann kein Opfer irgendwelcher magischen Fügungen oder der Launen des Schicksals.“ Er schwiegt eine Weile, ehe er fortfährt: „Außerdem… Ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll, aber als ich da eben unten auf dem Tisch aufgewacht bin hat es sich angefühlt als würde ich dort hingehören. So als würde ich nach Hause kommen. Nein eigentlich schon vorher. Als ich mit dir zusammen gekämpft habe. Mein Körper wusste was ich tun musste ohne, dass ich es wusste. Ich glaube es ist tief in mir drin, dieses „Wissen“. Auf irgendeine Weise sind wir gleich, Yura. Und nicht nur wir sondern auch ich und die anderen da unten. Verstehst du das?“

Ich nicke. Ja ich verstehe und ich weiß das es stimmt. Und doch. Ein Teil von mir sieht bereits den Jäger in ihm, ein andere immer noch den Jungen aus meiner Klasse. „Ich verstehe dich sehr gut. Denn es geht uns allen so.“, erwieder ich leise. „Und doch… Du hast keine Ahnung auf was du dich einlässt.“

Damien nickt. „Ich weiß“, sagt er leise, „Aber ich glaube ich kann das. Und ich denke ihr werdet mir helfen. Ihr alle. Du?“ Das letze Wort klingt wie eine Frage. Ich sehe ihn an. Wieder blitzen die Silbersicheln in seinen Augen auf. Ich hole tief Luft. Die Entscheidung ist gefallen. Ich nicke wieder. „Ja auch ich werde dir helfen. Es wird nicht leicht, aber… du kriegst das hin. So wie wir alle.“ Damien lächelt. Ein strahlendes Lächeln in der Dunkelheit. „Also was hat es mit dieser Zeremonie auf sich?“
 

Eras ist in der Zwischenzeit nicht untätig geblieben und hat alles vorbereitet. Damiens Spiegler wurde von den anderen abgesondert in eine Flasche gesteckt. Die Tische wurden an den Rand der Lagerhalle gebracht und auf dem Boden ist ein großes Siegel zu sehen. Man hat es mit schwarzer Tinte aufgemalt und die sieben Zeichen der Bannung in den Boden geritzt. Ator ist der Atem, der Atem des Lebens, oder auch der Atem, der alle auf der Welt verbindet, weil wir ihn alle Teilen, Tamor ist der Tod. Im Tod sind wir uns alle gleich. Yiri ist das Licht und Jamu ist die Dunkelheit. Diese beiden Gegenspieler können ohne den jeweils anderen nicht exestieren und stehe auch für das Gleichgewicht zwischen der Spiegelwelt und unserer Welt. Sie stehen auch für die beiden Seiten in jedem Menschen, also für Seele und Spiegler, Engel und Teufel. Wie man es auch immer nennt. Dann ist da noch Trundja, die Flamme des Kampfes. Das Zeichen von Trundja findet man auf jedem Dolch oder jeder Waffe die wir benutzen. Auch auf den kleinen Glasflaschen. Trundja ist eine Art Beschützer für uns. Emeja repräsentiert die Gemeinschaft, Mirror of War alle erweckten und unerweckten Jäger, alle Gefallenen und alle ungeborenen, Zukünftigen und Vergangenen Jäger. Wir teilen dasselbe Schicksal und sind untereinander vernetzt.

Und schließlich Sonea, der Wunsch oder der Traum. Durch unsere Erweckung ändert sich unser Schicksal und unser Zukunft wird neu geschrieben, die Vergangenheit verworfen. Sonea steht für das was wir zurück lassen, das was wir niemals erhalten werden. Aber es steht auch für das was wir erhalten werden, was wir uns erträumen, wünschen, gutes wie schlechtes. Ein Wunsch ist im Leben eines Jägers besonders wichtig, denn er erhält das Herz am leben, er ist der Grund warum wir kämpfen, denn er erinnert uns daran für was wir kämpfen. Er ist das Licht, dass uns vor der Dunkelheit bewahrt ob wir ihn kennen oder nicht. Jeder braucht etwas wofür er kämpfen kann, denn wer für nichts kämpft, wird von allem besiegt und stirb im endeffekt für garnichts.
 

Eras blickt zu Damien und lächelt aufmunternd. Die anderen nehmen im Kreis Aufstellung um das Siegel auf dem Boden während Damien in die Mitte geführt wird. Das Ritaul ist nicht ganz ungefährlich. Damien wird den Spiegler in seinen Körper aufnehmen müssen. Danach werde wir seinen Körper schwächen du dem Spiegler so keinen Handlungsspielraum lassen, mit Damiens Körper zu machen was er will. Außerdem wird es den Überlebensinstinkt des Spieglers aktivieren und ihn kooperationsbereiter machen, was Damien wiederum die Chance gibt ihn in seinem Geist zu bezwingen und sich mit ihm zu verbinden. Danach sind gute und schlechte Seite in ihm vereint und der Spiegler kann ihm nicht mehr gefährlich werden. Danach sollte die Heilung seines Körpers auch kein Problem mehr für ihn darstellen.
 

Damien ist nervös. Er weiß nicht was passieren wird. Und ich weiß es nur weil ich schon seit dem ersten Mal dabei gewesen bin. Mehrmals habe ich das Ritual durchgeführt, aber nicht alle waren erfolgreich. Es kann auch sein das der Spiegler trotzdem die Kontrolle über den Körper erlang und dann müssen wir ihn töten. Denn im Gegenzug über die Erlangung der Kontrolle wird das Bewusstsein des Menschen ausgelöscht. Ich bete das es bei Damien nicht so sein wird. Das wir ihn nicht töten müssen, oder er wahnsinnig wird.

Ich beobachte seine Regungen ganz genau, lasse mich auf seine Gefühle ein. Sein Herz schlägt schnell und er wirkt noch unruhiger als vorher. Eras beobachtet ihn auch mit Raubtieragen, dann greif sie zu dem Fläschen und reicht es Damien. „Du wirst den Inhalt trinken müssen. Danach werden wir deinen Körper schwächen, während du mit dem Spiegler ringst.“, erklärt sie ihm grob. Wahrscheinlich will sie ihn nicht noch mehr beunruhigen. Damien nickt. Sein Blick schweift zu mir. Wieder die Silbersicheln. Er umschließt das Fläschen fester und entkorkt es. Dann setzt er die Flasche an die Lippen. Ich kann spüren wie sich alle um mich herum automatisch anspannen. Ich sehe wie Damien schluckt und das Gesicht verzieht. Fast augenblicklich verändert er sich. Er wird aschfahl und seine Augen werden schwarz. Im selben Moment wo seine Muskeln unkontrolliert zu zucken beginnen und ein irres Lachen über seine Lippen kommt, stürze ich anch vorne und ramme meinem Dolch so tief es geht in seine Magengrube. Der Spiegler starrt mich entsetzt aus Damiens Augen an wärend mir sein Blut mal wieder über die Hände ringt.

„Kämpfe.“

Ich sehe wie seine Augen flackern und dann klappt der Spiegler vor mir zusammen. Die Blutlache um seinen Körper wird größer während Damien stöhnend um sein überleben ringt. Ich trete schweigend zurück, obwohl ich den Blick abwenden und laufen will. Aber es ist meinen Aufgabe Damien zu erlösen, falls…

Aber daran will ich nicht denken.
 

Es vergehen ein einhalb Stunden. Damiens Blut füllt nach und nach das gesamte Siegel aus. Ein riesiger Siebenzackieger Stern fein säuberlich mit Blut gefüllt. Es übertrit das Siegel nicht. Damien liegt mittlerweile nur noch zusammen gesunken in dem Siegel. Nur an seinem zucken kann ich erkennen es noch kämpft. Eras die neben mir steht sieht mich an.

„Ich glaube er schafft es nicht…“

Dieser Worte gehen mir durch Mark und Bein. Ich habe sie gefürchtet und doch wusste ich das es wahrscheinlich so ist. Ich schaue zu Damiens eingesunkener gestallt in seinem Blut. Ich schlucke. Protestieren hat keinen Sinn. Ich weiß es. Und doch.

In dem Moment verändert sich etwas. Damiens Atem wird kräftiger. Das Blut bewegt sich vom Rand des siegel zurück auf seinen Körper zu.

„Er schafft es!“

„Er schafft es tatsächlich.“

„unglaublich.“

Überall um mich herum werden Stimmen laut während ich nur die Augen für Damien der sich jetzt stöhnend aufrichtet. Das Blut ist verschwunden und dort wo ich ihn verletzt habe ist nur noch ein roter Strich zu sehen. Seien Augen sind wieder normal aber er zittert und sieht verwirrt aus. Ich nehme den Umhang von Eras entgegen und betrete das Siegel. Ich nähere mich ihm langsam. Seien Augen such und finden mich. Ich sehe das er mich erkennt. Ich werfe ihm den Umhang über und reiche ihm die Hand. „Etjen nerva ocomulon.“,sage ich.

Willkommen im Mirror of War.
 

„Yura. Yura. Yura, Mensch jetzt warte doch.“ Ich stöhne entnervt denke aber nicht daran stehen zu bleiben. Es sind genau zwei Wochen seit Damiens Eintritt in den Circel vergangen und bereits jetzt fängt es an zu nerven das er mir ständig hinterher läuft. Als er mich keuchend einholt habe ich schon das Schulgelände verlassen.

„Man was soll das denn?“

„Das selbe könnte ich dich fragen. Das ist jetzt schon das fünfte mal in Folge, dass du dich auf dem Pausenhof auf eine Schlägerrei einlässt. Und es ist bereits das siebte mal das du Nachsitzen musst. Innnerhalb von zwei Wochen. Wenn du nicht endlich lernst deine neuen Kräfte und Gefühle zu kontrollieren werden wir dich irgendwann aus dem Verkehr ziehen.“ Die Antwort ist schärfer ausgefallen als sie sollte aber es stimmt. Nicht nur in der Schule fällt Damien in letzter Zeit unangenehm auf. Nein auch im Privaten Leben. Normalerweise müssten sich seine Gefühlsausbrüche schon wieder eingependelt haben, aber bei ihm dauert es offensichtlich viel länger. Damien kratzt sich verlegen am Kopf. „Tut mir leid.“, sagt er und schaut mich wieder aus seinen umwerfenden Augen an.

Ich reiße mich zusammen. Ich hab mich noch nie klein kriegen lassen. „Geh einfach zum Training.“, sage ich und schaue ihn an. „Und keine Schlägereien mehr. Haben wir uns verstanden? Du musst wirklich lernen dich zu kontrollieren. Bedenke der Spiegler ist jetzt in dir, also haben wir nichts mehr worauf wir äußere Gewalt ausüben können. Du musst ihn bezwingen. Jeden Tag aufs neue.“ Damien stönt auf: „Du solltest dich mal reden hören Yura. Du klingst schon wie Eras. Hast du eine Ahnung wie schwierig das ist. Der Typ ist nicht grade sehr kooperativ. Manchmal wünsche ich hätte garkeinen.“

Ich bleibe aprupt stehen. Das meint er nicht so, oder? Hat er eine Ahnung wie es ist keinen zu haben? Auch Damien scheint es zu dämmern was er da grade gesagt hat und er wird blass. „Nein, Yura warte. So war das nicht gemeint. Ich wollte nicht… ich meinte nur.“

„Nein habe ich nicht!“, fauche ich, drehe mich um und renne davon. Er kann nicht mit mir schritthalten. Und das Loch in meiner Brust pulsiert und schmerzt.

Ich bin anders!

Danke für die Erinnerung.
 

Ich habe mich oft gefragt wie es wohl ist zu fliegen. Hoch über den Himmel, mit kraftvollen Flügelschlägen das Leid der Welt einfach hinter sich zu lassen. Darum habe ich Vögel immer beneidet. Sie sind an keinen Ort gebunden, bei ihnen fällt es nicht so auf wenn sie nirgendwo hingehören und sie wechseln ihren Aufenthaltsort ständig. Während der Wind an meinem Gesicht vorbeistreichelt und an meinen Haaren zerrt bewege ich meinen Oberkörper und die Beine vor und zurück. An meinem Lieblingsort kann ich fast fliegen.

Als ich aufsah hatte ich gemerkt das meine Füße mich unbewusst hierhin getragen hatten. Mein Lieblingsort ist geheim, nur ich kenne ihn. Hier verstecke ich mich, kann allein sein und nachdenken. Es ist einer der phantasievollsten, magischsten und wohl auch gefährlichsten Orte meiner Stadt.

Unsere Stadt ist in Stadtteile oder Bezirke unterteilt. Es gibt den Parkbezirk, den Restaurantbezirk, Wohnbezirk, Arbeitsbezirk, Touristenbezirk, den Banken-und Wirtschaftsbezirk und noch viele mehr. Und es gibt den „Alten Bezirk.“ Ein ehemaliges Wohviertel, mit Appartmendtblocks und kleinen Häusern. Durch eines der seltenen Erdbeben sind sie alle allerdings leer, verlassen, einsturzgefährdet und baufällig. Sie alle haben große Risse in den Wänden, leere und zerbrochene Fenster, die wie zerstörte Augen auf leere zerborstene Straßen schauen. Hier und da beginnt schon langsam Gestrüpp das Viertel zurück zu erobern und genau hier ist mein Lieblingsplatz.

Komisch oder. Aber irgendwie habt ihr doch sowas schon erwartet. Passt zu mir.

Wie dem auch sei. Auf einem der alten vernarbten und rissigen Appartmentblöcke, hoch oben auf dem Dach war mal ein Spielplatz für die Kinder die dort gelebt haben. Ich weiß nicht welches Genie diesen Spielplatz gebaut hat, wobei Genie ironisch gemeint ist, aber diese Person hatte entweder etwas gegen Kinder oder war einfach nur bescheuert. Auf dem Dach gibt es eine Schaukel, einen leeren Sandkasten und ein verrostetes Karussell. Wie dem auch sei. Ob ihrs glaubt oder nicht. Die Schaukel ist am gefährlichsten. Es ist das absolut höchste Schaukelgerüst das ich je gesehen hab, mit dem entsprechend langer Schaukelkette. Den ganzen Spielplatz umgibt eine etwa hüfthohe Mauer, die mal nebenbei bemerkt, kein Hindernis für spielende Kinder ist.

Die Schaukel hat ein gut erhaltenes Edelstahlgerüst und eine lange Schaukelkette mit einem Schaukelsitz aus Hartgummi. Ein schönes Kinderspielzeug. Sie hat nur eine Schwachstelle.

Sie steht zu nah am Rand des Hauses. Schon bei mittlerer Höhe schnellt man mitsamt dem Schaukelsitz über die Mauerbegrenzung und schwebt über dem Abgrund. Besonders hilfreich ist dabei auch, das sie auf einer erhöhten Position steht. Manchmal frage ich mich ob hier schon Kinder während des schaukelns einfach abgestürzt sind. Was sie wohl gedacht haben als sie durch die Luft flogen?

Ich nehme mehr Schwung und schieße wieder über die Mauerkannte. Ich kann die zerlöcherte Straße sehen, hier und da ein bisschen Grün. Leere Fenster, Flaschen Müll und eine streunende Katze. Dann schwinge ich zurück über die Mauer. Und wieder nach vorne. Hin und her. Hin und her.

Ich weiß das es Zeit wird für das Training, bzw für meinen Tripp in die andere Welt aber ich wiederstehe dem Drang pünktlich zu sein und schaukle einfach weiter.

Hin und her. Hin und her.

Das gleiten hat etwas hypnotisierendes. Fast wie fliegen. In der Luft fühle ich mich frei.
 

Im Endeffekt habe ich eine dreiviertel Stunde Verspätung. Aber ich werde nicht getadelt. Als ich die Lagerhalle betrete sehe ich Damien und Zernial in einem Zweikampf ohne Waffen einander umkreisen. Beide sind verschwitzt und höchstkonzentriert. Ich geselle mich zu den anderen und schaue den beiden zu. Im Spiegel werden ihre Bewegungen reflektiert. Ich bin wie immer nicht zu sehen.

Der Zweikampf dauert noch eine ganze Weile. Damien hat vielleicht nicht so viel Erfahrung aber er lernt schnell und ist stark. Immer wieder gehen sie aufeinander los. Stoßen wie Schlangen zu, umkreisen sich wie Wölfe, aber schließlich ist es doch Damien der mit beiden Schultern auf der Mathe landet. Anerkennedes Klatschen kommt aus unserer Ecke und auch ich stimme mit ein. Das Damien nicht ausrastete weil er verloren hat so wie die letzen Stunden zeigt das er sich langsam in den Griff bekommt. Während er sich von Zernial aufhelfen lässt sehe ich zu Eras. „Ich hau gleich ab.“, sage ich und richte meinen Umhang. Dann prüfe ich meinen Gläsernen Dolch.

„Wo gehst du hin?“

Ich denke ich muss nicht erklären wer das fragte. Jeder wusste aus unserer Truppe wo ich hingehen wollte oder sollte. Alle außer einem. Damien!
 

„Ich gehe hinter den Spiegel“, erklärte ich ohne mich umzudrehen und trat auf den großen Spiegel zu der in die Wand der Lagerhalle eingelassen war.

„Kann ich mitkommen?“

Ich schwieg aber Eras antwortete für mich: „Das ist keine gute Idee Damien. Du bist noch recht neu und die Welt hinter dem Spiegel ist doppelt so gefährlich wie unsere. Du bist noch nicht vorbereitet genug.“

„Aber wann anders?“

„Wir werden sehen.“, sagt Eras und ich wende mich dem Spiegel zu. Meine Finger gleiten durch das kühle Glas. Ich schließe die Augen und atme tief aus. Als ich die Augen wieder öffne ist es tiefste Nacht.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  -Violet-
2011-11-22T19:21:56+00:00 22.11.2011 20:21
Hört sich schon gut an. Besonders die Idee...
Und Damien scheint süß zu sein, aber nicht so süß wie Michael Pitt xD
Und beschreib ein bisschen mehr Yuras Gefühle :)
Von:  Drachenelfe
2011-11-16T08:11:21+00:00 16.11.2011 09:11
Ich muss schon sagen, es ist interessant aber kleine Rechtschreibfehler sind schon drin. Mach weiter so!

Von:  Drachenelfe
2011-11-16T07:14:22+00:00 16.11.2011 08:14
Das hört sich schon mal interessant an!
Jetzt das nächste Kapi!


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