Das Vermächtnis des Kain von astala7 (Vergessene Magie) ================================================================================ Kapitel 20: Erschütterung ------------------------- 2.November 1993, 06:24 Uhr Gringotts Luca war müde. Die Kämpfe der letzten Nacht saßen ihm noch immer in den Knochen und heute war es auch nicht besser gewesen. Nach der Besprechung hatte er sich vergewissert, dass seine Vampire alle gut versorgt waren. Dann war er wieder zu Thorok gegangen, um ihm beim Erstellen der Verträge über die Schulter zu schauen. Stundenlang hatten sie diskutiert. Als er endlich in seiner Kammer und allein war – da hatten die Stimmen wieder zu ihm gesprochen. Es war dumm von ihm, geglaubt zu haben, mit Sariels Tod wäre es vorbei. Sobald er die Augen schloss, sah er wieder das viele Blut, hörte er die Schreie längst vergangener Opfer. Ihrer Opfer. Zum Glück gab es Arbeit, die ihn ablenken konnte. Vor dem Vampir auf dem Schreibtisch lag ein halbes Dutzend versiegelter Briefe und gerade schrieb er den siebten. Sie alle waren mit geringfügig verschiedenem Inhalt an unterschiedliche Vampirfürsten in Europa und dem nahen Osten gerichtet. Er brauchte so viel Unterstützung wie möglich. Wenn es nach Thorok ging, würde hier bald ein Wirtschaftskrieg losbrechen und Luca wollte so wenig Kredite wie möglich aufnehmen. Luca warf einen Blick durch das Fenster des kahlen Zimmers, das ihm in der Bank zur Verfügung gestellt worden war. Der Himmel färbte sich langsam rosafarben. Zeit, schlafen zu gehen. Müde versiegelte der Vampir den letzten Brief. Gerade stand er auf und wollte zu dem Bett hinüber gehen, das nicht viel mehr war als eine harte Gefängnispritsche – da wurde mit einem mal die Tür aufgerissen. Trotz beginnender Trägheit wirbelte Luca herum. Jenande stand im Türrahmen, die Hände in die Hüften gestemmt und ein gefährliches Glitzern in den Augen. „Hast du etwa geglaubt, ich ließe dich davon kommen?“, fragte sie angriffslustig. „Nein,“, erwiderte er kühl. „ehrlich gesagt wundert es mich, dass du erst jetzt kommst.“ „Um genau zu sein bin ich ein wenig zu früh. Hätte gerne dein Gesicht gesehen, wenn ich die Vorhänge aufziehe!“, meinte sie mit einem Kopfnicken in Richtung aufgehender Sonne. „Tu mir den Gefallen und mach's kurz“, sagte er zähneknirschend. „Was willst du?“ „Das weißt du verdammt genau!“, fuhr sie ihn an. „Glaubst du, ich hätte vergessen, dass du meine Mädchen und mich im Stich lassen wolltest?“ „Ach,“, machte der Vampir. „das...“ „Ach, das!?“, wiederholte sie schrill. Ihr silbernes Haar begann zu kokeln und sie zog eine Fratze, die überhaupt nichts mehr gemein hatte mit der wunderschönen Veelakönigin. „Reg dich ab. Ich habe den Befehl zurück genommen, oder etwa nicht?“ „Und das viel zu spät! Nur wegen dir habe ich so viele Verluste, obwohl die Mission eigentlich narrensicher sein sollte!“ „Ein Angriff auf Askaban ist nie narrensicher. Wenn du das geglaubt hast, kann ich dir auch nicht mehr helfen.“ Luca bekam allmählich schlechte Laune. Er war müde, verdammt! „Wenn Harry dich nicht dazu überredet hätte-“ „Hat er aber. Und allein, dass ich mich habe überreden lassen, sollte für dich Beweis genug sein, dass mir meine Verbündeten nicht gleichgültig sind.“ „Von wegen! Vampire sind so.... Aaargh!“ Sie raufte sich die Haare. „Immer nur auf ihren eigenen Vorteil aus! Dir ist es doch scheißegal, was aus uns allen wird! Hauptsache, du und deine Vampire, ihr kommt gut bei weg!“ „Selbstverständlich. Als Anführer meiner Rasse muss ich so denken“ gab er zurück. „Die Werwölfe und Veela sind kurzzeitige Verbündete. Die Kobolde sogar noch weniger, sie sind nur Geschäftspartner. Eine politische Revolution bringt uns allen etwas, aber es ist Zusammenarbeit nötig, um sie zu erreichen. Aber du kannst nicht von mir verlangen, dass ich euch zum Sieg verhelfe und dafür meine eigene Art zerstöre.“ „Das erwarte ich doch auch gar nicht! Ich will nur, dass du dasselbe verdammte Risiko eingehst wie wir alle!“ „Warum sollte ich, wenn die Vampire es mit ihren Fähigkeiten genauso gut vermeiden können? Das wäre unnötiges Risiko.“ „Man nennt es Hilfsbereitschaft.“ Luca beachtete sie nicht und machte sich daran, die Vorhänge zuzuziehen und am Rahmen festzukleben, da die Sonne langsam aufstieg. „Nie davon gehört.“ Jenande schnaubte vor Wut. „Das wirst du bereuen!“, fauchte sie. „Ich schwöre dir, das wirst du bereuen!“ * 2.November 1993, 08:05 Uhr Gringottsverließ 016 „Verlies 016!“ Der kleine Wagen stoppte abrupt und Jenande unterdrückte ein Würgen. Langsam entwickelte sie eine gehörige Abneigung gegen die unterirdischen Gänge von Gringotts, die Dunkelheit und vor allem diese Höllengefährte. Mit griesgrämiger Miene stieg der Kobold mit der Laterne aus. Jenande hatte den Eindruck, dass er genau ihre Laune ausstrahlte. Luca hatte sie halb wahnsinnig gemacht, aber sie bemühte sich, ihre Gefühle zu unterdrücken. Jetzt gab es wichtigeres. Der Kobold holte die mit Eisenzacken gespickten Ketten hervor und wandte sich dem Drachen zu, der vor dem riesigen Tor des Verlieses hockte. Sie konnte von ihm nur eine vernarbte Schnauze und zwei blinde Augen erkennen, bevor er sich winselnd vor dem rasselnden Geräusch der Ketten in den Schatten zurückzog. Die Veela schluckte und wandte sich Solom zu. Der Junge saß noch immer unbewegt auf seinem Platz im Wagen. Hände und Füße waren mit magischen, leicht durchsichtigen goldenen Koboldbannen gefesselt. Er konnte nur sehr kleine Schritte machen und folgte Jenande widerstandslos und mit glasigen Augen, als sie ihn zum Eingang des Verlieses führte. „Haben Sie sich ein Passwort ausgesucht?“, fragte der Kobold mit neutraler Stimme. „Ja“, erwiderte sie und holte auch gleich den Schlüssel hervor. „Ich verzichte außerdem auf eine Magieüberprüfung und den Bluttest. Ich werde vielleicht nicht die Einzige sein, die hierher kommt.“ Solche Sicherheitsmaßnahmen waren Standard bei Verliesen, die nur zwei Ziffern hatten. „Wie Sie wünschen“, schnarrte der kleine Mann. Jenande trat vor. Sie spürte noch den heißen Atem des Drachen in ihrem Rücken, da erfasste sie auch schon die Magie. Uralte Koboldmagie schlang ihre Ausläufer wie Tentakeln um den Körper der Veela und schnürte ihr fast die Luft ab. Eine schneidende Stimme fragte nach dem Passwort, doch Jenande wusste, dass die Magie so manipuliert worden war, dass das erste Wort, was sie jetzt sagte, als neues Passwort akzeptiert werden würde. „Gomora“, sagte sie so klar und deutlich wie sie konnte. Niemandem außer Solom und vielleicht noch Harry war dieser Name geläufig, obwohl die Geschwister immer jeden berichtigt hatten. Die beiden waren für alle immer nur Sodom und Gomorrha gewesen. Jenande war dieser Umstand auch erst wieder eingefallen, als sie sich ein Passwort hatte überlegen müssen. Die Magie gab sie frei und Jenande schob erleichtert den kleinen, silbernen Schlüssel ins Schloss. Knarrend öffnete sie die Türen und führte Solom hinein. Thorok hatte nicht zu viel versprochen, was die Sicherheit betraf. Der Raum war vollkommen leer. Hier war nichts, was sich als Waffe gebrauchen ließe. Doch die schweren Eisenketten an der gegenüberliegenden Wand verliehen dem Raum die reizende Aura eines Kerkers. Jenande schluckte erneut, als sie diese Vorrichtungen sah und wandte sich noch einmal zu Solom um. Sie hatte bereits stundenlang mit ihm geredet, ohne eine Antwort zu erhalten, aber vielleicht hatte sie diesmal mehr Erfolg. „Hör zu, Sodom“, hastig verbesserte sie sich, „Solom, wir müssen das nicht tun. Wir können sofort umkehren und du kannst zu deinen Freunden zurück. Harry Potter hat sich besonders dafür eingesetzt, dass wir dich befreien. Und dieser Werwolfsjunge, Cale, hat auch mehrfach nach dir gefragt. Sag mir einfach, dass du hier raus, dass du in dein Leben zurück willst und wir kehren sofort um.“ Doch Solom sagte nichts. Er stand nur da und starrte durch Jenande hindurch. Seine Hände jedoch waren angespannt zu Fäusten geballt. Sein Blick war nicht traurig. Auch nicht vollkommen teilnahmslos. Er war einfach nur kalt und ablehnend. Verschlossen. Jenande winkte mit der Hand und der Kobold trat heran, um Soloms Hände an die Eisen zu ketten. Sie waren lang genug, damit er sich auf den Boden legen konnte, aber weil auch seine Füße an die Wand gefesselt waren, blieb ihm trotzdem nur wenig Bewegungsfreiheit. Solom ließ alles widerstandslos über sich ergehen. Als die Türen sich wieder hinter ihr schlossen, seufzte Jenande laut. Warum nur hatte Gomora sie verlassen müssen? * 2. November 1993, 09:45 Uhr Malfoy Manor „AAAAAAAAAAAARRRRRRRRGH!“ Narzissa Malfoy zuckte zusammen, als der Dunkle Lord erneut aufschrie. Ihre Bewegungen wurden immer fahriger. „Jetzt tu doch was!“, rief ihr Mann, „Die Blutung wird immer stärker!“ „Sei still!“, fuhr sie ihn seinerseits an. „Es ist ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt.“ Zum zehnten Mal an diesem Tag hob sie den Zauberstab und sprach einen beruhigenden und schmerzhemmenden Zauber auf den Dunklen Lord. Es schien nicht viel zu bringen. Kein Wunder. Wenn sie so aussehen würde wie er, würde sie auch wie am Spieß schreien. Oder, nein, wahrscheinlich wäre sie längst tot. Immerhin, dieser verdammte Vampir hatte ihm seine Messer durch die Handgelenke gerammt und sie senkrecht nach unten gezogen, um sämtliche Muskeln zwischen Elle und Speiche zu durchtrennen. Die Augen des Lords waren blutig zerschrammt und aus seinem Brustkorb stachen nur halb so viele abgebrochene Rippen hervor, wie ein Mensch eigentlich besitzen sollte. Narzissa arbeitete jetzt schon mehr als vierundzwanzig Stunden und war noch immer nicht über das Stadium der Ersten Hilfe hinausgekommen. „Es hilft nichts, er muss in ein Krankenhaus! Aus irgendeinem Grund funktioniert der Spruch nicht. Ich kann die Wunde nicht schließen, wenn ein Organ fehlt, aber ich weiß nicht welches...“ „Soll das ein verdammter Scherz sein!?“, schrie Lucius. „Was glaubst du sagen wir denen im Krankenhaus!?“ Narzissa kniff die Lippen zusammen. Rasch überprüfte sie, ob der Dunkle Lord irgendetwas anderes außer Schmerz wahrnahm – der Zauber sagte nein. Also flüsterte sie: „Dann wird er sterben. Und ehrlich gesagt, nach all dem Ärger, den er uns eingebrockt hat, fände ich diese Alternative gar nicht mal so übel.“ Lucius zögerte. Er musste an seinen Sohn denken. Die Befreiungsaktion hatte sie mehr Leute gekostet, als sie dazugewonnen hatten. Wenn das so weiter ging, würde vielleicht auch Draco schon bald das Dunkle Mal tragen müssen. „Du bist.... so tot!“, brachte der Dunkle Lord knurrend hervor. Seine glasigen Augen ließen nicht erkennen, ob er im Fieberwahn mit einer fiktiven Person sprach oder Narzissas Worte vernommen hatte. Trotzdem lief Lucius ein eisiger Schauer über den Rücken. „Dieser Vampir... Er meinte, er würde einen Knoten in die Eingeweide machen. Sieh mal nach, ob der Spruch deswegen nicht funktioniert. Vielleicht können wir ihn dann retten.“ Narzissa gehorchte widerwillig – und schüttelte ungläubig den Kopf. „Diesen Typen will ich wirklich nicht zum Feind haben.“ Lucius wusste, dass sie nicht von Voldemort sprach. * 2.November 1993, 21:46 Uhr Gringotts „Also?“ Harry verschränkte herausfordernd die Arme. Er stand mit Cale und Jasmin in einem der Warteräume der Gringotts Bank. Der Werwolf hatte den einzigen Stuhl in dem ansonsten leeren Raum erobert und sah zwischen den beiden Vampiren hin und her. Jasmin warf theatralisch die Arme in die Luft. „Wenn's denn unbedingt sein muss: Ich, Jasmina Giselle de Santino, gebe dich, Harry James Potter, hier und heute vor Zeugen frei. Bist du jetzt zufrieden?“ Harry war sehr zufrieden. Sogar so zufrieden, dass er breit grinste. „Dein zweiter Vorname ist echt Giselle?“ Jasmin schnaufte wütend. „Mach dich bloß nicht lustig darüber! Du hast einen absoluten Aller-Welts-Namen.“ Harry prustete los. „Trotzdem – Giselle?“ „Hör auf damit,“ fuhr ihn Jasmin an, „hör auf zu lachen!“ Doch Harry lachte nur weiter und hielt sich bereits den Bauch. „Hey, es funktioniert!“, meinte Cale da. „Er muss dir nicht mehr gehorchen.“ „Super.“ Jasmin tippte vorsichtig auf die grünen Schuppen der Schlange, die um ihren Hals lag. „Würdest du dann bitte diesem Vieh sagen, dass es mich in Ruhe lassen kann?“ Noch immer grinsend rief Harry Gomorrha zurück, die es sich nun wieder um seinen eigenen Hals bequem machte. „Ich denke, jetzt steht deinem Beitrittsantrag nichts mehr im Wege. Willkommen bei den Zwielichtigen“, sagte Harry mit einem ehrlichen Lächeln und streckte dem Mädchen seine Hand entgegen. In den letzten Tagen hatte er ihre Gesellschaft schätzen gelernt und immerhin wäre er ohne sie nie rechtzeitig zur Schlacht gekommen. Dann hätte Luca die Vampire vielleicht viel früher abgezogen und Sirius wäre von den Todessern umgebracht worden. Damit waren sie zumindest wieder quitt. Jasmin beäugte Harrys Hand ungefähr eine Minute lang misstrauisch – was vielleicht daran lag, dass Sodoms kleiner Kopf aus dem Ärmel hervor lugte und eine gespaltene Zunge hervorschnellen ließ. Schließlich aber überwand sie sich doch und schüttelte Harrys Hand – ungefähr eine Sekunde lang, bevor sie hastig wieder losließ und sie an ihrer Hose abwischte. „Hoffentlich sehe ich diese Biester nie wieder“, murmelte sie, bevor sie aus dem Raum rauschte. Harry und Cale zuckten mit den Schultern und grinsten sich an. Dann jedoch wurde der Werwolf wieder ernst: „Hast du schon von den neuen Beschlüssen gehört?“ Harry nickte. Auch aus seinem Gesicht war jede Heiterkeit gewichen. „Ja, hab ich. Sirius hat es mir erzählt – nachdem ich nach unserem etwa einstündigen Streit lange genug Luft geholt habe, um ihn zu Wort kommen zu lassen.“ Auf Cales fragenden Blick hin zuckte er nochmals mit den Achseln. „Er hat mir verschwiegen, dass der Angriff schon Halloween geplant war und wollte mich komplett außen vor lassen. Das hab ich ihm wirklich übel genommen. Ich hoffe nur, er hat das eingesehen, aber sicher bin ich mir nicht. Naja, auf jeden Fall habe ich so erfahren, dass sie Solom eingesperrt haben. Schon wieder.“ „Das mit seiner Schwester ist schrecklich. Ich kann es mir immer noch nicht so richtig vorstellen. Im ersten Moment ist sie noch da und man redet und scherzt mit ihr – und dann nichts mehr.“ „Solom muss total am Ende sein. Ich meine, ich habe gesehen wie er ausgerastet ist und ich hatte wirklich kurz Angst vor ihm. Aber ich glaube trotzdem nicht, dass es richtig ist, ihn einzusperren.“ Cale überlegte kurz. „Wir können ihn doch besuchen. Wenn er wieder er selbst ist, darf er doch raus, oder?“ Harry nickte begeistert. „Ja, lass uns das am besten gleich machen!“ Beide Jungs standen auf und machten sich auf den Weg. Eine Freundin mochten sie verloren haben – doch sie waren fest entschlossen, nicht auch noch einen zweiten zu verlieren. * 10. November 1993, 12:33 Uhr Grimmaulsplatz 12 „Das wird jetzt euer neues Zuhause sein.“ Cale sah sich staunend um. Remus lächelte und legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter, woraufhin dieser den Blick von den rot und golden gestrichenen Wänden abwandte und ihn angrinste. „He, macht mal schneller da vorne!“, rief eine Stimme von hinten und die beiden Werwölfe beeilten sich, Platz zu machen. Sie zogen sich in den anschließenden Salon zurück, in dessen Kamin bereits ein Feuer brannte. Gemütliche, rote Samtsessel waren überall verteilt und an der Seite führte eine Treppe ins nächste Stockwerk. „Das sieht wunderbar aus“, seufzte Cale. Er war bisher schon in vielen Quartieren des Zwielichts gewesen und es hatte ihn etwas verunsichert, als er gehört hatte, dass die Zwielichtigen sich so bald wie möglich eine eigene Bleibe suchen sollten, und zwar eine dauerhafte. In diesem Haus würde er vielleicht den Rest seines Lebens verbringen, zumindest aber die Zeit bis zu seiner Volljährigkeit. Er hatte überhaupt kein Problem damit. „Ja, wir haben die ganze letzte Woche daran geschuftet“, meinte Remus schmunzelnd. „Grimmauldplatz war ja ein düsterer Ort, von schwarzer Magie nur so durchtränkt.“ „Das ist Grimmauldplatz!?“ Vor ein paar Monaten hatte Cale zusammen mit Harry und den Veela-Geschwistern Sirius geholfen, dieses Haus etwas auszumisten. Cale konnte sich nicht mehr an viel erinnern, weil er ziemlich am Anfang von einer bärbeißigen Tabakdose verschluckt worden war. Aber er wusste noch, dass die Aktion recht blutig geendet hatte, weil der Hauself Solom als inzestuösen Bastard betitelt hatte. „Ich habe es, ganz ehrlich, nicht wiedererkannt“, gab Cale zu. „Na ja, ein bisschen Farbe an den Wänden, die dämonischen Fresken in Löwen verwandelt, die harten Lehnstühle in weiche Sessel umfunktioniert und schon ist es ganz wohnlich“, meinte Remus schulterzuckend. „Ganz wohnlich ist ja wohl untertrieben!“, schwärmte Cale. Remus lächelte traurig. Dieser Junge war offensichtlich noch nie in Hogwarts gewesen. „Leider musst du dir dein Zimmer mit fünf anderen Werwölfen teilen. Damit wird es ziemlich eng, erst recht wenn morgens alle ins Badezimmer stürzen. Aber ihr habt es da immer noch besser als die Vampire.“. Remus deutete hinter sich in den Flur. Einige Werwölfe waren gerade damit beschäftigt, ein gutes Dutzend Särge in das ursprüngliche Elternschlafzimmer zu verfrachten. Man war auf diese altmodischen Schlafstellen umgestiegen, weil sie einfach platzsparender waren und in dem Haus so viele Leute wie möglich unterkommen mussten. Die Särge würden auf alten Bücherregalen übereinander abgelegt werden. „Wir versuchen so viele Zwielichtige wie möglich auf privaten Grundstücken zu verteilen, deren Besitz rein auf dem Papier zu Gringotts übergegangen ist. Ich nehme nicht an, dass die Leute hier drin wie Gefangene leben wollen, aber sie sollen zumindest einen sicheren Rückzugsort haben und stärkere Schutzzauber als die der Blacks findet man in keinem Privathaus. Die Vampire brauchen diesen Schutz am meisten, weil sie tagsüber hilflos sind. Wir werden insgesamt dreißig hier unterbringen. Zu Vollmond können die Särge magisch verkleinert und beiseite geräumt werden, sodass der gleiche Raum für die Werwolfsverwandlungen benutzt werden kann. Ich würde dir allerdings empfehlen, lieber den Portschlüssel zu benutzen, den ich morgen herbringen werde. Er bringt uns in einen Wald in Wales, wo sich viele von unseren Leuten treffen.“ Cale nickte dankbar. Vollmond war zwar noch eine ganze Weile hin, aber es war ein gutes Gefühl, sich wenigstens einigermaßen vorbereitet zu wissen. „Das mache ich“, meinte er. „Ich werde meine Sachen dann hoch bringen.“ „Mach das – aber halt dich von Regulus' altem Zimmer fern – das neben deinem. Da wohnen jetzt die Mädels drin und die meisten von ihnen sind Veela.“ Cale winkte noch einmal, bevor er die Treppe hoch ging. Auf halber Strecke fiel ihm eine Reihe von Löwenköpfen auf, die an der Wand hingen. Ein seltsamer Schmuck, wie er fand, zudem stand unter jedem von ihnen ein Name. 'Kreacher' lautete der letzte. Jetzt fiel ihm auch wieder ein, was Solom mit dem Hauselfen getan hatte... „Huch – hilfst du mir mal bitte?“ Cale drehte sich um und sah in das blasse Gesicht einer jungen Frau mit gewelltem, schwarzen Haar und leuchtenden Augen. Sie kämpfte sich auf der schmalen Treppe mit einem fast zwei Meter langen Sarg ab. „Oh, ähm, klar“, machte er und fasste an einem Ende an. „Der ist ja so leicht“, meinte er überrascht, während er rückwärts die Treppe hoch ging. Die Frau erwiderte nichts. Ihr Gesicht zierte ein merkwürdiges kleines Lächeln, als wüsste sie Dinge, von denen Normalsterbliche keine Ahnung hätten. Cale schnupperte unauffällig. Sie konnte keine Veela sein, die hatten nie schwarze Haare. Aber nach Werwolf roch sie definitiv auch nicht. Seltsam. „Wem gehört denn der, äh...“ Er scheute sich ein wenig, das Wort auszusprechen. Särge gehörten für ihn in Gruselromane, nichts ins Schlafzimmer. „Oh, das ist meiner“, erwiderte sie lächelnd. „Ich will mir einen Platz am Fenster sichern.“ Cale sah von dem Sarg zu der Frau und wieder zurück. „Da ist gar keiner drin?!“ „Natürlich nicht.“ Wieder dieses seltsame Lächeln. Cale verstand die Welt nicht mehr. Er wusste, dass heute Abend der große Coup stattfinden sollte. Deswegen sollten noch so schnell wie möglich alle zur Verfügung stehenden Quartiere belegt werden und deswegen wurden die Vampire, die für Grimmauldplatz eingetragen waren, eben rasch mal verladen und tagsüber noch hergebracht. Aber warum sollte man einen leeren Sarg bei ihnen platzieren? War diese Frau vielleicht irgend so eine Art Gruftie, die es mochte, unter Vampiren zu schlafen? Cale schnupperte noch einmal. Das magische Haus verwirrte seine Sinne. Er wurde einfach nicht schlau aus dieser Mischung. „Ähm, Entschuldigung. Ich habe mich gar nicht vorgestellt. Ich bin Cale“, sagte er in der Hoffnung, eine Antwort zu erhalten, als sie vor dem Schlafzimmer angekommen waren. „Sehr erfreut“, meinte die Frau, machte aber nicht den Eindruck, dem irgendetwas hinzufügen zu wollen. Gemeinsam trugen sie den Sarg ins Zimmer und hievten ihn ins mittlere Regal, vor das Fenster. „Und... Und wer bist du? Zu welcher Gruppe gehörst du?“, wagte er sich schließlich zu fragen. „Mein Name ist Marie. Und ich bin ein Vampir“, antwortete sie mit einem noch immer freundlichen, aber irgendwie auch abwesenden Lächeln. Cale sah von ihr zu dem Fenster, durch das strahlender Sonnenschein auf ihr Gesicht fiel. „Kauf ich dir nicht ab.“ Die junge Frau zuckte nur mit den Schultern und kehrte den schmalen Weg zwischen den Sargregalen zur Tür zurück. Ratlos kratzte sich der Werwolf am Kopf. Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht... * I M M O B I L I E N M A R K T B R I C H T Z U S A M M E N Die Nachfrage nach Immobilien, speziell nach bereits gut durch viele Zauber geschützten Häuser, war in den vergangenen Tagen bereits ungewöhnlich hoch. Heute Abend jedoch kam es zu einem explosionsartigen Verkauf an Immobilien und leer stehenden Grundstücksflächen überall in Großbritannien verteilt. Die, oftmals privaten, Eigentümer gaben an, ganz überraschend gute Angebote für ihre Grundstücke bekommen zu haben, für die sich sonst nie jemand interessierte. 237 Befragte geben an, die Verträge um genau 18:30 zum vereinbarten Termin unterzeichnet zu haben. Abnehmer sind hunderte von Kobolden, die im Auftrag der Gringotts Zaubererbank handelten. Gringotts ist nach einem Erlass von 1586 als derzeit einziges souveränes Staatsunternehmen bevollmächtigt, jederzeit Grund und Boden englischer Bürger zu erwerben, um das Bankgebäude ober- oder unterirdisch auszubauen. Was die Bank allerdings mit Grundstücken in Wales und Irland will, bleibt ein Rätsel. Ein Zufall jedoch scheint angesichts der plötzlichen und ungewöhnlichen Käufe ausgeschlossen. „Die geschäftlichen Angelegenheiten der Bank gehen keinen Menschen etwas an“, sagte ein offizieller Koboldsprecher abweisend auf die Nachfragen der Reporter hin. „Gringotts hat schon immer mit Immobilien gehandelt. Die Geschäftsführung sieht hierin einen großen Wirtschaftszweig im Aufschwung, alles weitere überlassen Sie uns.“ Das die enorme Nachfrage an Immobilien die Preise für innerstädtische Zaubererwohnungen und Mieten in schwindelerregende Höhen treibt, scheint die Bank nicht weiter zu stören. Minister Fudge jedoch versichert: „Es besteht keinerlei Gefahr für eine Inflation! Sollen die Kobolde doch das bisschen wertloses Ackerland haben, viel können sie ohnehin nicht damit anfangen. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass solche Massenkäufe auch auf anderen Gebieten folgen werden.“ Abendausgabe des Tagespropheten 10. November 1993 * 24. November 1993, 16:25 Uhr Hogwarts Remus stöhnte leise und öffnete mühsam blinzelnd die Augen. Er hätte es lieber nicht getan, denn er musste feststellen, dass er sich am falschen Ende von fünf Zauberstäben befand. Und das trug nicht gerade zur Linderung seiner Kopfschmerzen bei. Der Werwolf nahm sich zwei Sekunden für eine kurze Bestandsaufnahme. Was war passiert? Er hatte einen Ausflug in die Winkelgasse gemacht. Einer seiner neuen pelzigen Freunde hatte dort einen Laden eröffnet, in dem Werwölfe ein und aus gingen und der damit auch eine wichtige Informations- und Weitergabequelle war. Gut, wo war er dann? Nun, das ließ sich leicht erklären. Dumbledores Büro hätte er unter hunderten wiedererkannt. Warum war er hier? Keine Ahnung. Er wüsste nichts, was er Dumbledore, McGonogall, Kingsley, Mad-Eye und Arthur Weasley getan hatte. Langsam hob Remus die Hände, den Blick nicht von den Zauberstäben nehmend und richtete sich so gut er konnte in eine sitzende Position auf – zum Glück hatte er die Wand im Rücken. „Was wollt ihr von mir?“, fragte er wachsam. „Was wir von dir wollen?“, höhnte Mad-Eye mit wild rollendem Auge. „Sag du es uns, du Verräter!“ „Immer mit der Ruhe“, sagte Dumbledore ruhig, aber ohne sein gewöhnliches Funkeln in den Augen. Er bedeutete den anderen, die Zauberstäbe zu senken, was diese nur widerwillig taten. „Wir haben dich in letzter Zeit vermisst, Remus“, sagte der Schulleiter traurig. „Deine Kündigung letzte Woche kam reichlich spät. Und du bist zu keinem der Ordenstreffen gekommen.“ Ach ja, die Ordenstreffen. Der Phönixpatronus war vor vier Wochen, kurz nach Halloween zum ersten Mal bei ihm eingetroffen. Der Orden des Phönix war erstmals seit Voldemorts Verschwinden wieder einberufen worden, doch weder er noch Sirius waren hingegangen. Sie hatten einfach zu viel zu tun und wussten nicht, wie sie das alles erklären sollten. Als schließlich offensichtlich wurde, dass Sirius ihn mit der ganzen Arbeit mit den Werwölfen und der Quartiersuche einfach dringender brauchte, hatte Remus auch seinen Job als Lehrer in Hogwarts gekündigt und sich voll und ganz dem Rudel verschrieben. Nicht ohne schlechtes Gewissen, das musste er zugeben. Immerhin hatte Dumbledore so viel für ihn getan und er ließ ihn mitten im Schuljahr ohne Begründung im Stich. Aber war das ein Grund, ihn mit dem Zauberstab zu bedrohen? Offenbar ja. „Wir haben schon befürchtet, dir und Sirius wäre etwas zugestoßen“, meinte der alte Mann weiter und Remus biss sich schuldbewusst auf die Lippen. „Du kannst dir also unser Erstaunen denken, als Arthur heute morgen Bescheid gab, dass er dich putzmunter in der Winkelgasse spazieren sah“, fuhr ihn Mad-Eye an. „Hast du uns irgendetwas zu sagen, mein Junge?“ Remus war nicht dumm. Blitzschnell überdachte er seine Situation – wie viel wusste der Orden? Sie wussten nicht, dass Voldemort zurück war. Der war nämlich geradezu entzückt darüber, dass die Welt den dunklen Kreaturen die Schuld an Askaban gab und verhielt sich auffallend unauffällig. Wahrscheinlich verdaute er aber auch erst einmal seine Niederlage. Doch früher oder später würde er wieder zuschlagen. Der Orden wusste nicht, dass die Zwielichtigen sich formierten. Von aller Herren Länder stürmten Werwölfe nach Großbritannien, dem ersten Land, in dem ihre Rasse jemals einen Aufstand geplant hatte. Inzwischen waren es fast 3000, alle in der Kampfausbildung begriffen und fest unter Sirius' – nein, unter Canis Majoris' Führung. Mit ihm, Remus, als rechter Hand. Luca hatte den Briefwechsel mit ausländischen Vampirfürsten bereits begonnen, leider aber bisher keine Antwort erhalten. Dafür waren seine englischen Freunde noch begeisterter auf seiner Seite und die Dunklen waren alle entweder tot oder zu ihnen übergelaufen. Die Veela und Kobolde arbeiteten fleißig daran, das Ministerium zu unterwandern und zu korrumpieren. Sie wurden entweder mit Geld oder, nicht sehr ehrenhaft aber für die schamlosen Veela durchaus alltäglich, mit Sex bestochen. Letzteres bestand für gewöhnlich aus einem gut gezielten Hypnosezauber, aber das wussten die Politiker ja nicht. Der Orden wusste nicht, dass die Zwielichtigen sich auf eine Übernahme vorbereiteten, die die Zaubererwelt schlichtweg aus den Angeln heben würde. Aber sie waren im Begriff, es herauszufinden. Zitternd hob Arthur Weasley abermals seinen Zauberstab. Er zielte direkt auf Remus' Herz. „Sagt schon, was habt ihr mit Harry gemacht?“ „Harry?“, brachte der Werwolf hervor. „Was wir mit Harry gemacht haben!?“ „Jetzt stell dich nicht dümmer als du bist!“, raunzte Mad-Eye. Dann sprach Kingsley – der Gerüchten zufolge Remus' Lehrstelle übernommen hatte - und lieferte dem verwirrten Werwolf endlich die gewünschte Erklärung – auch wenn sie ihm nicht passte. „Das war doch die ganze Zeit über euer Vorhaben, nicht wahr? Die Sache mit Peter Pettigrew... Das war alles nur Show. Es war Black, der die Potters damals verraten hat – und du warst sein Komplize.“ „Moment mal! Was soll das-“ „Nachdem ihr Harry diese wunderbare Geschichte aufgetischt und ihn verwandelt habt, habt ihr Peter aus dem Weg geräumt, der sich bis dahin vor euch versteckt hielt. Aber ihn in Askaban zu wissen war euch nicht genug. Alle Beweise mussten vernichtet werden, also seid ihr hin um ihn zu töten. Die Razzia war nur ein Vorwand, um die dunklen Kreaturen auf eure Seite zu holen. Warum sonst hättet ihr die Todesser befreien sollen?“ „Ihr habt da etwas vollkommen falsch verstanden! Ich bin-“ „Du bist ein Todesser. Genau wie Black. Ihr haltet Harry bei euch fest, der vollkommen ahnungslos ist. Wie konntet ihr nur? Wie konntet ihr das den Potters nur antun?“ „Jetzt reicht's aber!“, fuhr Remus auf und seine Augen schienen vor Wut Funken zu sprühen. „Ich bin kein Todesser, genauso wenig wie Sirius! Wie könnt ihr das nur denken – schon wieder!? Was für einen Grund hätte ich denn?“ „Du bist ein Werwolf“, sagte Mad Eye schlicht. „Die Verlockung muss doch groß für dich sein. Ihr wollt Du-weißt-schon-wer zurückholen und deswegen bereitet ihr alles für seine Ankunft vor.“ „So ein Unsinn!“ „Und was war dann dieser Finanzcrash vor zwei Wochen?“, fragte McGonogall. „Das Ministerium hat ein Gesetz erlassen, das es ihm erlaubte, uns alle abzuschlachten!“, wehrte sich Remus. „Was hätten wir denn tun sollen? Wir haben so viele Grundstücke wie möglich gekauft, auf denen sie uns nichts anhaben können.“ „Ja, und zufällig alle im selben Augenblick, sodass der komplette Finanzmarkt fast zusammengebrochen wäre“, konterte Arthur. Das war natürlich ein Trick der Kobolde gewesen. Sie hatten geschickt ihre eigene Teilhaberschaft verborgen und eine ganze Menge Geld gescheffelt. Im Resultat war das Ministerium extrem geschwächt. Es stand auch bereits unter Erpressung: Wenn die Auroren trotzdem gegen die Zwielichtigen vorgehen würden, die auf ihren kleinen, gesetzlosen Inseln lebten, würden die Kobolde das gesamte Staatsvermögen einfrieren. Außerdem hatten sie öffentlich machen müssen, dass keinem Zwielichtigen, der auf so einem Grundstück lebte, ein Haar gekrümmt werden durfte. Von dieser Drohung wusste nur der Minister Fudge und der war inzwischen nur noch so ein kleines Häufchen Elend, dass er garantiert nichts verriet. Nicht einmal an Dumbledore. „Ich schlage vor, ihr beruhigt euch alle erst einmal“, sagte Remus leise und gefasst. „Hier liegt ein gewaltiges Missverständnis vor. Sirius und ich haben ganz bestimmt nicht vor, Ihr-wisst-schon-wen zurückzuholen!“ „Dann nenn uns doch mal einen guten Grund, warum wir das glauben sollten“, forderte der Ex-Auror mit wild rotierendem Auge. Sorry, Sirius, dachte Remus, als er für einen Augenblick die Augen schloss. „Weil er schon längst wieder zurück ist.“ Totenstille. Dumbledore wandte sich ab und murmelte Worte in seinen Bart, die sehr nach „Ich habe es geahnt.“ klangen. „Harry ist putzmunter und wohlauf – was er garantiert nicht[i/] wäre, wenn eure Theorie stimmen würde, oder?“, setzte der Werwolf hinzu. „Wenn das wirklich so ist – bei Merlin, Remus, warum habt ihr dann nichts gesagt?“, wollte McGonogall wissen. „Nun,“, sagte Remus zögernd. „in einem Punkt habt ihr leider recht. Ich habe die Seiten gewechselt...“ Mad-Eye stürmte nach vorn und packte den Mann am Kragen. „Du mieser, kleiner...!“ „Nicht so, wie ihr jetzt denkt!“, erwehrte sich Remus mit noch immer erhobenen Händen. „Ich arbeite nicht für Ihr-wisst-schon-wen!“ „Für wen arbeitest du dann?“, wollte der Schulleiter wissen. „Remus, was ist hier los?“ „Ich erklär's euch – ich sag euch alles was ich kann – mir würde es nur leichter fallen, wenn ich nicht dabei ersticken würde.“ Grimmig ließ Mad-Eye Moody ihn los und Remus klopfte sich imaginären Staub von den Kleidern. „Ihr-wisst-schon-wer kehrte bereits vor ein paar Monaten zurück. Kurz nachdem Harry zum ersten Mal wieder hier aufgetaucht ist. Eine Vampirin namens Sariel und ihre Verbündeten haben ihn gefunden und zurückgebracht in der Hoffnung, sich endlich von der Unterdrückung des Ministeriums zu befreien.“ „Unterdrückung des Ministeriums?“, fuhr ihn Arthur an. „Jetzt redest du auch schon wie ein Todesser bei seinen Hetzreden!“ „Ihr könnt nicht leugnen, dass sie unterdrückt werden“, sagte Remus traurig. „Die Vampire. Und die Werwölfe. Im Grunde war es nur eine Frage der Zeit, bis so etwas passiert. Ihr-wisst-schon-wer ist nicht das eigentliche Problem, sondern der große Andrang, den er in unteren Bevölkerungsschichten findet. Da sollte man sich doch mal fragen, was diese Regierung falsch gemacht hat, dass sich so viele dem nächstbesten Revolutionär an den Kragen werfen.“ „Ach, das ist dein dunkler Meister jetzt also für dich? Ein Revolutionär?“ „Es wäre freundlich, wenn ihr mich ausreden lassen würdet“, bat Remus mit einem warnenden Unterton. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis Ihr-wisst-schon-wer angreifen würde. Es würde zwangsläufig zum Krieg kommen. Aber zu der Zeit saßen einige unserer Leute noch in Askaban und wenn das mit Ihr-wisst-schon-wem bekannt würde, würden die dort drin keine fünf Minuten mehr leben. Alle würden natürlich sofort wieder die dunklen Kreaturen verdächtigen, sich auf seine Seite geschlagen zu haben.“ „Wie es dann ja auch gekommen ist“, murrte Kingsley. „Jedenfalls habe ich deswegen Sirius versprochen, nichts zu sagen, als er mich darum bat. Wir wollten sie das Rettungsteam da erst herausholen lassen.“ Wohlweislich verschwieg er, dass er selbst an der Aktion beteiligt gewesen war. Dafür könnte man ihn selbst nach Askaban schicken – wenn es noch eines gegeben hätte. „Aber die Sache lief schief. Ihr-wisst-schon-wer tauchte zeitgleich mit seinen Leuten auf, um die gefangenen Todesser zu befreien – zweifellos kein Zufall. Es kam zum Gefecht, in dessen Ausgang Ihr-wisst-schon-wer auch Sariel tötete. Anscheinend mochte er die Vampire nicht besonders und sah die Chance, sich dieser Verbündeten, die leicht eine Gefahr für ihn werden konnten, wenn sie so viele seiner Geheimnisse wussten, zu entledigen. Damit hat er allerdings deutlich gemacht, dass man ihm nicht trauen kann. Keine dunkle Kreatur, die etwas Verstand hat, wird sich jetzt noch auf seine Seite stellen. Es steht eigentlich nur noch in Frage, ob sie sich über die Reste eines Kampfes zwischen Ihr-wisst-schon-wem und dem Ministerium hermachen wollen, oder ob sie das Chaos der Revolution nutzen wollen, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen, wie es ursprünglich geplant war. In jedem Fall werden sie den ersten Schritt Ihr-wisst-schon-wers abwarten. Der wiederum hat es nicht auf eine politische Übernahme abgesehen. Das Ministerium ist schwach und das weiß er auch. Deswegen wird er zu seiner alten Terror-Taktik zurückkehren und einzelne Leute angreifen, die ihm gefährlich werden können. Solange keiner von ihm weiß, wird er damit auch wunderbar zurechtkommen.“ „Und das willst du zulassen?“, stieß McGonogall entsetzt hervor. „Wieso hast du uns nicht gewarnt?“ „Was hätte das geändert?“, überlegte Remus laut. „Dann hättet ihr überall eine schreckliche Nachricht verbreitet, die Britanniens verblendetes Volk nicht hören will. Ihr-wisst-schon-wers Rückkehr wäre geleugnet und ihr als Lügner hingestellt worden – womit der Orden noch geschwächter wäre, als er ohnehin schon ist. Glaubt mir, ich weiß, dass das Ministerium in dieser Richtung manipuliert werden wird. Wenn nicht von den Vampiren, dann von den Todessern. Solange ihr still haltet, kann Ihr-wisst-schon-wer nur vereinzelte Leute angreifen und muss es wie Unfälle aussehen lassen. Wenn auf einmal nur berühmte Widerstandskämpfer sterben, wäre das verdächtig. Aber wenn ihr seine Rückkehr verkündet, seid ihr ein zu großes Risiko. Sirius und ich kämpfen auf der Seite der magischen Kreaturen. Aber wir halten uns an die Regeln. Erst müssen wir einen Weg finden, Ihr-wisst-schon-wer auszuschalten, oder er muss in die Offensive gehen. Erst dann werden wir angreifen. Ich erzähle euch dass jetzt auch nur, weil ihr es früher oder später sowieso rausgekriegt und euch in Gefahr begeben hättet. Also entweder ihr bleibt still und versucht zu retten, was zu retten ist – oder ihr posaunt Ihr-wisst-schon-wers Rückkehr in die Welt hinaus, auf dass euch niemand glaubt. Wenn ihr Letzteres macht – wovon ich irgendwie überzeugt bin – dann solltet ihr auch wissen, dass die Zwielichtigen zuweilen auch Menschen Asyl gewähren. Dieser Krieg hat ab sofort drei Seiten. Ihr seid gerne willkommen, uns zu helfen – aber umgekehrt werden wir es nicht tun. Wenn ihr mit uns kämpfen wollt, dann zu unseren Bedingungen – und die werden nicht ganz einfach sein, dass kann ich euch sagen.“ „Erstaunlich, dass du dich traust als Unterhändler aufzutreten, obwohl du absolut in unserer Gewalt bist“, murrte Kingsley. „Ich denke, es gibt nur einen Weg, herauszufinden, ob er die Wahrheit sagt“, meinte Dumbledore da. „Remus, hast du eine Möglichkeit, mit Harry in Kontakt zu treten?“ Remus zögerte, nickte dann aber. Unter anderem war er heute in der Winkelgasse gewesen, um im Auftrag von Sirius ein spezielles Weihnachtsgeschenk für Harry zu besorgen. Es war James' Hälfte des Zweiwegspiegels, der nach dessen Tod und Sirius' Verhaftung an Remus als Zweitbegünstigten des Testaments gegangen war. Sirius besaß immer noch seinen Teil und Remus hatte seinen eigenen aus seinem Verlies in Gringotts geholt. Es würde zwar die schöne Überraschung verderben, aber ihm blieb wohl momentan keine andere Wahl. Unter den misstrauischen Blicken der Ordensmitglieder holte Remus den Spiegel aus seiner Tasche und sprach das Passwort extra so leise, dass niemand es hören konnte. Etwa eine Minute später erschien Sirius' Gesicht in dem Glas. „Remus, was soll das, ich-“ „Keine Zeit“, schnitt er seinem Freund das Wort ab. „Ich bin in Hogwarts. Der Orden hat mich erwischt und will mit Harry sprechen, sonst erklären sie mich zum Todesser.“ Sirius' Gesicht wurde sofort ernst. „Harry besucht gerade seinen Freund. Das könnte eine Weile dauern.“ Remus nickte, als der Spiegel wieder weiß wurde. „Er holt ihn“, sagte er nur an die Zauberer gewandt. „Dann werden wir warten“, bestimmte Mad Eye, den Zauberstab immer noch in der Hand. Remus seufzte leise. In was war er da nur wieder hinein geraten? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)