Instinkt von -Lexi- ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Instinkt GD liebte es nach anstrengenden Tagen die letzten Stunden des Tages feiernd zu verbringen. Er liebte es, sich unter hunderten von Menschen zu drängen und mit ihnen zum Takt der aus der mit Bass übertönten Musik zu tanzen. Er liebte es, wie der eiskalte Alkohol seine Kehle hinab rann und der Rauch seiner Zigarette in seinem Mund herumwirbelte, um ihn dann durch die Nasenlöcher auszupusten. Er genoss das Gefühl, inmitten von Menschenmassen zu tanzen, ohne dass es Fans oder Groupies waren, die ihn überrannten und Freiraum nahmen. Er genoss es, wie hübsche junge Frauen, die ihn scheinbar dank seines tief ins Gesicht gezogenen Baseballcapes nicht erkannten, ihn anmachten und wussten, ihre Reize einzusetzen, um für den einen Abend zu erobern. Er genoss die von Neid erfüllten Blicke, Männer die ihn für seine hübschen Tanzpartnerinnen beneideten, und Frauen, die gern an der Stelle der Tänzerinnen wären. Er liebte das Spiel mit dem Feuer und den Nervenkitzel. Der Rapper wusste nicht, wie spät es war, seine Gedanken waren von Alkohol und Zigaretten vernebelt und er sah einzig und allein die sich vor ihm räkelnde junge Frau. Sie sah ihn durch ihre mascaraschweren Wimpern an, die Augen glasig und doch verführerisch, das lange lockige Haar nach hinten geworfen und die Hände in seinen Nacken gelegt. Die Brünette beugte sich zurück, schlang ihr Bein um seine Hüften und presste sein Gesicht an ihren Hals. Sie seufzte überrascht auf, als er ihren Hals zärtlich küsste und mit seinen perfekten weißen Zähnen ihre Haut neckend biss. Er kannte ihren Namen nicht, er legte auch keinen Wert darauf, diesen zu wissen. Ihm war egal, mit wem er tanzte und seinen Spaß hatte, denn nur darum ging es. Er wollte nicht auf solche Dinge verzichten, weil er ein Star war. Er wollte dasselbe erleben, wie es die Gleichaltrigen auch taten. Er war jung und abenteuerlustig. Noch bevor das nächste Lied erklang, presste sie ihre Lippen auf seine und zwinkerte ihm lasziv zu, bevor sie in der Menge verschwand. Das nächste, woran er sich erinnerte waren die Gesichter von drei jungen Männern, die ihn hasserfüllt ansahen. G-Dragon ging an ihnen vorbei, als der erste ihn schubste und gegen die Wand stieß. Ji Yong ließ den Kopf kreisen, wischte sich das verschüttete Getränk von der Hose, ehe er die nächsten Hände spürte, die ihn gegen die Wand stoßen wollten. Wütend stieß er einen der jungen Männer zurück und ging dann durch die Hintertür hinaus. Er hatte keine Lust auf Ärger, hatte die Nacht nicht alleine verbringen wollen, sein Vorhaben wurde jedoch zunichte gemacht, als die Tür vom Hinterausgang erst geöffnet und dann zugeschlagen wurde. GD rollte mit den Augen, drehte sich genervt um und beobachtete die drei. Der größte von ihnen, die Haare verklebt vom Gel, stand am nahesten bei ihm, die Hände zu Fäusten geballt, an ihm gelehnt stand ein ebenso junger Mann, die Haare kurzgeschoren. Am weitesten entfernt sah sich der Jüngste unsicher um, die Arme vor der Brust verschränkt, ihm schien die Situation unangenehm zu sein. „Du hast die Schwester von unserem Kumpel extrem angemacht“, sprach der Größte, zeigte auf den abseits stehenden jungen Mann und hob provokant die Faust. GD sah die beiden gelangweilt an, roch die starke Alkoholfahne. Der andere knirschte wütend mit den Zähnen. „Hältst dich wohl für was Besseres, was? Ich glaube wir sollten dir ein paar Manieren beibringen, Arschloch.“ Auch hier bemerkte er, trotz seines eigenen, den hohen Alkoholpegel. Ji Yong lachte nur, schüttelte den Kopf. „Ihr glaubt wohl nicht, dass ich mich mit euch Kindern schlage. Seid wohl bei ihr abgeblitzt, huh? Die Kleine scheint Geschmack zu haben.“ Dann traf ihn unerwartet der erste Faustschlag im Gesicht. Sein weißes Cape fiel auf den verdreckten Boden. Während er nach der Mütze griff und sie zu Recht rutschte, bewegte er seinen Unterkiefer und ließ seine Finger knacksen. Ihren Blicken nach zu urteilen erkannten sie ihn, waren jedoch wenig beeindruckt von seinem Status. Noch bevor er den nächsten Treffer einstecken musste, war GD unter dem Arm hinab getaucht und schlug selbst die Faust in das Gesicht des Mittleren. Er packte den Großen am Kragen und stieß ihn zu Boden. Der Älteste - allen Anschein nach der Anführer ihrer kleinen Gruppe - sprang auf und deutete seinem gleichaltrigen Freund an, gemeinsam anzugreifen. Arme klammerten sich um G-Dragons Oberkörper, während der andere zum Schlag ausholte. „Hört auf mit dem Scheiß! Ich hab‘ echt kein Bock noch Ärger zu kriegen“, sagte der Jüngste von ihnen und ging auf seine Freunde zu. „Ich hab‘ echt kein Problem damit, wenn meine Schwester mit anderen tanzt. Er hat euch nix gemacht, also lasst es gut sein.“ Er wirkte ruhig und schüchtern. Die anderen schienen jedoch wenig von seinen Worten beeindruckt und bereiteten sich auf den nächsten Angriff vor, als der Jüngste nach dem Arm des Anführers griff. Es entwickelte sich eine kleine Rangelei zwischen den beiden, dann wurde G-Dragon losgelassen. Der junge Mann sah erst den Musiker, dann seine Freunde mit demselben entschuldigenden Blick an. Der Himmel und die Wolken leuchteten im zarten Rosa der aufgehenden Sonne, als G-Dragon sich auf den Weg zurück zum Haus und zu seinen Bandkollegen machte. In der verdreckten Gasse stieg Dampf aus den Schachtdeckeln, hinter sich hörte er die jungen Männer lautstark diskutieren. Er tastete seine Wange ab und spürte sofort die Schwellung, die sich gebildet hatte, das Adrenalin in seinen Adern unterdrückte jedoch den Schmerz. *~*~*~* Es war keine leichte Aufgabe, vor der Kwon Ji Yong stand, es war vermutlich sogar die schwerste Aufgabe seiner Karriere, mit der er sich konfrontiert sah. G-Dragon, Bandleader der erfolgreichen Band ‚Big Bang’ atmete unregelmäßig, sein Herz pochte schmerzhaft gegen seine Brust und seine Kehle brannte. Die Halogenlampen, die direkt über ihm hingen, schienen unangenehm auf seinen dunklen Schopf hinab. In feinen Rinnsälen rann Schweiß von seiner Stirn, perlte von seiner kleinen Stupsnase über seine geschwungenen und vollen Lippen und tropfte von seinem feinen Kinn auf sein ebenso nasses T-Shirt. Seine Kleidung klebte an ihm wie eine zweite Haut. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt, um das Beben seines Körpers zu unterdrücken. Obwohl er seine Bandkollegen und Freunde neben sich wusste, fühlte er sich just in diesem Moment völlig alleine gelassen und die Bürde, die auf seinen Schultern lag, gewann mit jeder verstrichenen Sekunde an Gewicht, unter dem er zusammenzubrechen drohte. Er wusste, dass er diesem Augenblick in keiner Weise gewachsen war. Er wusste, wie viel von ihm, einzig und allein von ihm als ihr Leader, abhing und er fühlte, dass er nicht nur sich, sondern die gesamte Band in ein tiefes Chaos stürzen würde, wenn seine Worte nicht Zuspruch fanden. Mit dem Ärmel seiner schwarzen Lederjacke wischte er sich beiläufig die Nässe von der Stirn, versuchte sich und seine Gedanken zu sammeln. Young Bae legte ihm aufmunternd die Hand auf die Schulter, doch half dies dem Rapper ebenso wenig wie Seung Hyuns beruhigende Worte oder Seung Ris witzlosen Sprüche, selbst Dae Sungs sonst so herzerwärmendes Lächeln erreichte ihn nicht. Auch wenn er nicht alleine war, wusste er, dass seine Freunde sich in derselben aussichtlosen Lage befanden wie er selbst, auch wenn sie selbst nicht so in den Fokus gerückt wurden wie er selbst. Als GD hinter dem Vorhang hervortrat und direkt auf den mit Mikrophonen überladenen Tisch zusteuerte, wurde er von hunderten Kamerablitzen geblendet. Er nahm auf einem der harten Plastikstühle Platz, rutschte nervös auf der Sitzfläche herum und versuchte vergebens eine bequeme Position einzunehmen. Neben ihm saß der Manager von YG Entertainment, hatte den Sänger keines Blickes gewürdigt. Ji Yong versuchte das Stimmenwirr der Journalisten auszublenden und sich auf die Pressekonferenz zu konzentrieren. Unruhig wippte er mit den Füßen, spielte mit dem Reißverschluss seiner Lederjacke herum, um nicht die Reporter ansehen zu müssen. Er war es gewohnt im Mittelpunkt zu stehen, doch das Gefühl, welches er nun dabei empfand, drückte ihm auf den Brustkorb. G-Dragon war sich keiner Schuld bewusst und wurde trotz allem von seinem Management gedrängt, die Sache persönlich zu klären. Hinter ihm huschte der Mediensprecher vorbei, dann erstarb das Stimmengewirr für einen kurzen Moment. Die Mikrophone rauschten, als die ersten Worte gesprochen wurden und dann schlugen ihn die Fragen der Reporter in Grund und Boden. Er kam kaum mit Antworten hinterher, da hatte der nächste Journalist seine Frage ausgesprochen. Ji schloss für einen Moment die Augen, in seinem Kopf drehte sich alles, suchte nach Sinn und Zweck, fand jedoch nichts. Die Worte prallten an ihm ab, er verlor Orientierung und Zeitgefühl. Er hatte nicht die geringste Chance gehabt, sich gegen die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben wurden, zu wehren. Sein Gesicht war wie versteinert und er starrte nur vor sich ins Leere. „Kwon Leader? Hey GD-hyung, lass uns gehen. Es ist vorbei“, er spürte, wie ihm jemand auf die Schulter tippte, jedoch machte er sich nicht die Mühe, den anderen anzusehen. Daesung tippte ihn abermals an. Seine linke Wange pochte schmerzhaft, als er seinen Kiefer knacksen ließ und den Stuhl zurückschob. Die Kameras und Fotografen waren verschwunden, zurück blieben Papierfetzen und verschobene Sitzplätze. Die Last, die er seit Ankündigung der Pressekonferenz auf seinen Schultern trug, hatte wieder an Gewicht zugenommen. Er hatte vollkommen versagt - als der Führer der Gruppe und als Solokünstler und sein Ruf schien nun ruiniert. Er folgte seinen Bandkollegen schweigend und nachdenklich in den schwarzen Transporter. Dort steckte er sich die Kopfhörer seines iPhones in die Ohren und spürte dabei die besorgten Blicke seiner Freunde. Er kapselte sich von seinen Kollegen ab, wollte die Gedanken, die ihn immer wieder einholten von sich schieben und einen kurzen Augenblick an nichts denken müssen. Der Nachthimmel über Seoul war von dunklen Regenwolken verdeckt und die Laternenlichter am Straßenrand zogen an ihm ebenso schnell vorbei wie sie aus dem Nichts aufgetaucht waren. Er war nicht der Typ der sich zurückzog und ins Leere blickte, aber ihn zog die schlechte Presse der vergangenen Tage in dieses tiefe, schwarze Loch, was sich vor seinen Füßen auftat und er wusste nicht, was er dagegen tun sollte. Sein Auftritt würde nichts ändern, er würde von den Medien wegen der Gerüchte verurteilt werden, bis seine Unschuld bewiesen wurde, falls sie jemals bewiesen würde. Er biss sich auf die Lippen und strich sich durchs Haar, dann bemerkte er, wie sich jemand an seiner Schulter anlehnte. G-Dragon grinste leicht, während er den schlafenden Seung Ri beobachtete. Taeyang und Daesung waren auf den Sitzen hinter ihm schlafend ebenso in einander gesunken wie der Maknae. „Hey“, hörte er die Stimme hinter sich. GD zog den Stecker aus seinem Ohr und drehte sich um. „Alles klar bei dir, Ji?“ G-Dragon sah TOP an, zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Eigentlich überhaupt nicht. Ich-“, er brach ab, wusste nicht, was er sagen sollte. Ihm war, als wäre jedes gesprochene Wort eines zu viel. Der Ältere beugte sich vor, lehnte sich an dem Sitz an, sein Gesicht war über Seung Ris Schopf gebeugt. „Du weißt, irgendwann musst du erzählen, was genau vorgefallen ist. Heut‘ war das keine Glanzleistung von dir. Ich kann dir nur helfen, wenn du endlich sagst, was passiert ist.“ In solchen Momenten fragte sich G-Dragon, warum er und nicht TOP zum Bandleader ernannt wurde. „Was würde das schon großartig ändern? Mein Ruf ist eh im Arsch und wenn wir nicht aufpassen, kann die ganze Band einpacken. Ich glaub nicht-“. Der Rapper unterbrach ihn. „In jedem Gerücht steckt ein Fünkchen Wahrheit. Und sich darüber totzuschweigen bringt auch nichts. Wenn du dich nicht wehrst, wird alles nur noch schlimmer. Also los, spuck‘ es schon aus.“ „Tabi-hyung, ich glaub‘ wirklich nicht…ich fühl‘ mich dabei einfach nur schlecht, okay? Ich weiß, wann ich Mist gebaut hab‘ und das gehört definitiv in diese Kategorie“, als er TOPs Blick sah, hob er abwehrend die Hände. „Das heißt jetzt nicht, dass es stimmt, aber ganz so falsch ist es nicht“, er seufzte leise. „Als ich das vorgestern nach dem Radiointerview noch um die Häuser gezogen bin, habe ich mich mit ein paar Kerlen angelegt und ein wenig gekloppt. Aber als ich weg gegangen bin, ging es allen gut.“ TOP sah ihn emotionslos an, keine Reaktion in dem Gesicht des anderen und GD hasste es, nicht zu wissen, was der andere empfand. Kopfschüttelnd lehnte sich Seung Hyun zurück, verschränkte die Arme vor der Brust. „Du machst das mit Absicht oder? Du willst dir deinen Ruf endgültig zu Nichte machen, ist es so? Warum denkst du nicht ein einziges Mal nach, bevor du handelst? Ich versteh‘ dich manchmal echt nicht. Reicht es dir nicht, was du für Nummern in den letzten Jahren abgezogen hast?“ G-Dragon schwieg, zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. TOPs Worte trafen ihn fester als die Faustschläge, die er hatte einstecken müssen. Ji Yong wollte sich nichts anmerken lassen, versank tiefer in dem Autositz. Aus seinen Kopfhörern war das nächste Lied zu hören. „Hör zu, ich mein‘ es nicht böse. Aber ich versteh‘ nicht, warum du eigentlich immer Skandale raufbeschwörst. Du hast so hart für den Erfolg gekämpft, hast auf so viel verzichtet um da zu stehen, wo du jetzt bist und es kommt mir so vor, als würdest du das alles für Nichts wegwerfen. Du weißt, dass ein Fehler das Ende deiner gesamten Karriere bedeuten könnte.“ Wieder antwortete er nichts, kaute wie auf Kaugummi auf seinen schon geschwollenen Lippen herum, als der Dunkelhaarige wieder sprach. „Zerbrich‘ dir nicht den Kopf. Deine hyungs und dongsaengs sind für dich da und halten zu dir. Ist zwar leicht gesagt, aber ich bin mir sicher, das sich alles aufklärt. Solang‘ solltest du den Kopf nicht verlieren“, er grinste. „Außerdem ist das ja nicht dein erster Skandal. Müsstest dich damit ja schon auskennen.“ Ji zog empört die Luft ein und schlug TOP auf die Schulter. Er lächelte leicht, steckte die Kopfhörer zurück. Er wollte keine Belehrungen von seinem hyung und wollte auch nicht mit seinen alten Skandalen konfrontiert werden. Er brauchte niemanden, der ihm sagte, dass er wieder Mist gebaut und sich und seiner Band negative Schlagzeilen beschert hatte. Er war zwar für die Abwechslungen durch seine Freunde dankbar, doch wusste er, dass der Firmenchef, Yang Hyun-Seok, ihn noch zum Rapport erwartete und ihm der Gang ebenso schwer fallen würde, wie heute die Pressekonferenz zu überstehen, vermutlich war das bevorstehende Gespräch noch viel schwieriger zu bewältigen. Sein Verhältnis zum Boss war zwar gut, schließlich wurde er 6 Jahre lang für sein Debut trainiert, jedoch wusste er ebenso, dass dieser auch seine strenge Seite hatte. Während ihres Trainings wurden er und Young Bae oft kritisiert und als Big Bang gegründet wurde, hätte es gar passieren können, dass weder er noch Taeyang in die Band kommen, obwohl sie längst die Plattenverträge unterzeichnet hatten. Er hatte viel erlebt, hatte viel Schweiß vergossen und jetzt, da er vor dem Gebäude stand, wirkte es größer und beeindruckender denn je und GD kam sich plötzlich so unbedeutend und klein vor. Tempo deutete ihm an hineinzugehen, bevor der Transporter weiter zu ihrem Bandhaus fuhr. In dem riesigen Hochhaus brannten nur noch wenige Lichter. Mit jedem Schritt, dem er dem Eingang, dem Aufzug und dem Büro von Yang Hyun-Seok näher kam, vervielfachte sich sein Herzschlag und das Blut dröhnte in seinem Kopf und in seinen Ohren. Er blieb etliche Minuten vor der mit Milchglas versetzten Tür stehen, ging jeden einzelnen Buchstabens des Schriftzuges durch. CEO Yang Hyun-Seok. Immer und immer wieder, als würde die Tür im Nichts verschwinden. Doch egal wie lange er wie erstarrt vor der Tür stehen bleiben würde, er kam nicht drum herum hineinzugehen und sich die bevorstehende Schelte abzuholen. Während er gegen das Glas klopfte und den silbernen Türgriff nach unten presste, zitterte er. Das Büro war im Gegensatz zum Vorzimmer hell beleuchtet. Hinter dem massiven, buchfarbenen Schreibtisch hingen in edlen Bilderrahmen Poster der unter Vertrag stehenden Künstler SE7EN, 2NE1, Gummy und selbst Big Bang war an der riesigen weißen Wand verewigt. Der Gründer war in Dokumenten vertieft, wank den Rapper blind zu sich. Widerwillig setzte sich G-Dragon hin, die Finger tief in die metallenen Armlehnen versenkt. Die Anspannung nahm wieder zu und wieder wollte er nichts anderes als davonlaufen. „Kwon Ji Yong“, sprach Yang plötzlich und sah seinen Schützling an. „Du weißt, warum du hier bist?“ Der Jüngere nickte unsicher, sein gesamter Körper verkrampfte vor Nervosität. Sein Gegenüber nickte. „Dann weißt du auch, was dich erwartet. Ich bin ehrlich mit dir, also erwarte ich auch von dir die Wahrheit zu hören.“ Er erhob sich von seinem Platz, ging um den Tisch herum und lehnte sich an der Tischplatte an, die Arme vor der Brust verschränkt. „Ich bin enttäuscht von dir, Ji Yong. Du hast scheinbar nicht aus deinen Fehlern gelernt. Ich frage mich allmählich, ob es verkehrt war, dich zum Bandleader zu ernennen. Du bist zweifelsohne ein begnadeter Artist, aber deine Ausrutscher sind langsam nicht zu verzeihen. Mit Skandalen kannst du vielleicht in den USA erfolgreich werden, aber in Korea kann und wird das dein letzter sein, wenn es sich als wahr erweist.“ G-Dragon zuckte zusammen. Er sah dem CEO mehr als deutlich die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben und es versetzte dem jungen Mann einen Schlag in die Magengrube, denn enttäuschen wollte er niemanden. Der Ältere stützte sich nun mit den Händen am Tisch ab. „Ich habe mich mit unserer Rechtsabteilung in Verbindung gesetzt, da es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Staatsanwaltschaft sich bei dir meldet und dich zum Verhör einlädt. Du wirst nichts sagen, bis nicht einer unserer Anwälte bei dir ist. Auch gegenüber den Medien verhänge ich dir absolutes Sprechverbot. Die Pressekonferenz heute war mehr als ein Reinfall und so schnell wird sich der Medienrummel nicht legen“, er sah den Jüngeren besorgt an, „Manchmal habe ich das Gefühl, dass du im Gegensatz zu deinen Bandkollegen ziemlich abgehoben bist. Du musst wirklich anfangen, nachzudenken.“ Plötzlich kam sich der Dunkelhaarige vor, als wäre er wieder in der Schule und säße vor dem Schuldirektor, der ihn wegen Missachtung der Schulregeln suspendierte. Er wirkte eingeschüchtert, versank immer tiefer in dem ledernen Stuhl. Seine Augen glänzten verdächtig im kalten Neonlicht. Reuevoll vergrub er das Gesicht in den Händen, sah dann den Mann vor ihn an. „Sunbae, ich…es tut mir leid. Ich weiß’, das ich Mist gebaut habe und ich bin bereit alles dafür zu tun, es wieder gutzumachen. Aber die gesamte Plattenfirma muss mir glauben, es war nicht so, wie es in den Medien dargestellt wird. Ich war zwar in der Disco und ich habe mich mit ein paar Leuten angelegt, aber ich habe niemanden krankenhausreif geprügelt!“ Yang Hyun-Seok lächelte sanftmütig. „Ich wäre mehr als erschüttert, wenn es dir nicht Leid tun würde und ich weiß, dass ich dir vertrauen kann. Auch wenn du ein Hitzkopf bist, du bist kein Verbrecher. Du musst diesmal wirklich aus deinen Fehlern lernen und bis sich der Ärger um dich gelegt hat, halte ich es für das Beste, wenn du dich für einige Zeit von der Öffentlichkeit zurückziehst. Das heißt, die Band wird für die nächste Zeit auf dich verzichten müssen. Du wirst die Zeit nutzen, um dir über einiges klar werden zu müssen“, er legte ihm die Schulter auf die Hand, „du hast solang’ gearbeitet und gekämpft um erfolgreich zu sein. Sei nicht so dumm und wirf das alles weg, mein Junge.“ Nach dem Gespräch fühlte sich G-Dragon elend. Zwar war die Unterhaltung ruhiger gelaufen als erwartet und dennoch zog sich sein Magen zusammen. Sein Mentor und Förderer war von ihm menschlich und als Künstler mehr als enttäuscht und er war nicht der Einzige, dessen Vertrauen er missbraucht hatte. Er hatte die Fans, seine Freunde und Familie hintergangen und auch wenn seine Bandkollegen anderes behaupten, so wusste er, dass auch sie nicht voll und ganz hinter ihm standen, sie konnten gar nicht, wenn sie nicht genauso in die Schlagzeilen geraten wollten. Er lehnte den Kopf seufzend gegen den Aufzugspiegel, tippte abwechselnd mit den Füßen auf dem Boden. Diesmal hatte er es gründlich vermasselt. Nach den Plagiatsvorwürfen, dem Rauchskandal und der Sex-Nummer bei seinem Solokonzert schien das Maß nun voll zu sein und alles was ihm blieb war der Blick auf seine zertrümmerten Träume und seine ruinierte Karriere. Er war provokant und arrogant, ließ sich von nichts und niemanden etwas vorschreiben und diesmal musste er den vollen Preis dafür zahlen. Der Wind blies ihm kalt ins Gesicht, die Straßen waren dunkel und leer und nur die Glut seiner Zigarette leuchtete ihm den Weg. Die Hände tief in die Taschen seiner Jacke vergraben, lief er umher, zog von seiner zwischen die Lippen gepresste Zigarette und stieß augenblicklich den Rauch durch seine Nase aus. Es war vermutlich das letzte Mal für eine längere Zeit, dass er durch Seoul wandern konnte, ohne von Kameras geblendet und ohne von wütenden Fans überrannt zu werden. Er hatte die Anweisung erhalten, sich aus allem komplett zurückzuziehen und dieser würde er nachgehen müssen, um nicht sein Ansehen vollkommen zu verschmutzen. Die Stunden vergingen, die Morgensonne brach durch die dicken Regenwolken und die Straßen füllten sich allmählich, als G-Dragon das Haus erreichte. Es herrschte Stille, nur das umhertapsen der beiden Hunde Gaho und Boss war auf dem hellen Laminat zu hören. Müde warf er die Jacke an die Garderobe, die Schuhe trat er in die nächste Ecke und ließ sich bäuchlings auf dem grauen Sofa fallen, auf dem bereits TOPs Charlie döste. Sein Faltenhund schmiegte sich an ihn, dann fiel Ji Yong in einen unruhigen Schlaf. *~*~*~* Es waren drei Tage seit seinem Rapport bei Yang Hyun-Seok vergangen. Der Bandleader war mürrisch, wenn er morgens aufwachte, war den ganzen Tag über schlecht gelaunt und ging spät abends mit eiserner Miene ins Bett. Der erste Morgen war entspannend gewesen, da er im Gegensatz zu seinen Bandkollegen ausschlafen konnte, doch merkte er deutlich, wie langweilig sein Alltag ohne seine Freunde wirklich war. Ji Yong wälzte sich unruhig von einer Seite zur nächsten, verkroch sich unter seiner Decke und presste sein Kopfkissen auf seine Ohren. Um ihn herum riefen seine Bandkollegen aufgeregt Wortfetzen durch die Gegend, rannten über den Flur von einem Zimmer ins nächste, schlugen dabei die Türen achtlos hinter sich zu, um dann wieder Worte durch das Haus zu rufen. Die Hunde bellten, ihre Krallen kratzen auf dem Parkett, während sie ihren Herrchen hinterher rannten. „Hey, Ji-hyung“, Seung Ri rüttelte an ihm, „Hyung, rutsch’ mal etwas zur Seite. Ich glaub’ du liegst auf meiner Jacke. Beweg’ dich mal ein Stück. Na komm schon. Wir müssen los. Hyung!“ GD atmete tief ein und aus, schlug dann die Decke zurück und sah seinen dongsaengs mit finsterer Miene an. Der Maknae schrie erschrocken auf, torkelte einige Schritte zurück und stolperte über seine Füße. „Hyung, musst du mich so erschrecken? Meine Güte, was treibst du die ganze Nacht? Du hast schwärzere Augen als Tabi-hyung in Haru Haru. Ich glaube, ich sollte dir etwas Broccoli machen, hilft ja schließlich gegen solche fiesen Augenringe“, grinste der Jüngste frech. Der Bandleader sah ihn emotionslos an, dann grinste er leicht und warf das Kissen nach dem Sänger. Seung Ri lachte, warf das Kissen achtlos auf das Bett und zog seine Jacke unter seinem Bandkollegen hinweg. GD seufzte, schlüpfte beim Aufstehen in seine Schuhe und lief schlaftrunken durch das mit Hektik gefüllte Haus. Grüßend rannte Taeyang an ihm vorbei, Daesung hüpfte durch die Wohnung, während er seinen zweiten Schuh suchte und TOP putzte sich mit zusammengekniffenen Augen die Zähne. Lediglich Boss, Charlie und Gaho hießen den jungen Mann anständig willkommen. G-Dragon vermisste es, mit seinen Freunden durchs Haus zu rennen und sich in Eile anzuziehen und fertig zu machen. Ihn langweilte es einfach, den ganzen Tag nichts zu tun. Er rieb sich müde die Augen, schlappte unmotiviert ins Bad. Durch seine ebenso zugeschwollenen Augen erkannte er schemenhaft TOP, das Gesicht in ein weiches Frottierhandtuch gepresst. Von seinem markanten Kinn perlten Wassertropfen. Wortlos griff GD nach seiner Zahnbürste und gab dasselbe bemitleidenswerte Bild wie Tempo ab. Lustlos schob der Dunkelhaarige die Zahnbürste in seinem Mund umher, beobachtete durch den Spiegel den ebenso müden Choi Seng Hyun. Die beiden waren absolute Morgenmuffel und waren fast immer daran schuld, wenn sie wieder zu einem Auftritt zu spät kamen. Der Ältere gab es endgültig auf, die Müdigkeit mit einem Handtuch aus seinem Gesicht zu reiben und grinste, als er GDs Blick im Spiegel erwiderte. Tabi spannte das Handtuch vor der Brust und schlug nach dem Jüngeren. Ji Yong hatte nicht annähernd die Möglichkeit gehabt, dem Schlag auszuweichen und spuckte vor Überraschung den Schaum aus seinem Mund und gegen den Spiegel. Seufzend spuckte er die letzten Reste aus und sah seinen Freund dann verständnislos an. TOP zuckte nur mit den Schultern, strich ihm neckend durchs Haar und ging am Leader vorbei, das Handtuch legte er dem Jüngeren um die Schultern. „Und wer macht den Dreck jetzt wieder sauber?“ TOP drehte sich um, lächelte breit. „Du hast doch eh nichts zu tun. Mach’ dich nützlich und putz’ mal. Würde dir und dem Haus sicher gut tun.“ Damit war er hinter der Ecke verschwunden. Grummelnd wischte er den Schmutz von der Fläche und warf das Handtuch auf den riesigen Wäscheberg. Auch wenn Young Bae der wohl sauberste Mensch auf diesem Planeten war, kam selbst er nicht hinterher das Chaos, das seine Bandkollegen hinterließen, zu beseitigen. Er sah aus dem Augenwinkel wie sich seine Freunde von ihm verabschiedeten und das Haus im Chaos ließen. Auch wenn es G-Dragon nicht gern zugab, aber Tempo hatte Recht. Er verabscheute es, sauber zu machen und dennoch würde ihm die Ablenkung gut tun. Er schob die Ärmel seines Sweatshirts und rollte seine Hosenbeine nach oben. Er hatte mit viel gerechnet, doch was er vorfand übertraf seine Erwartungen. Seine Bandkollegen hatten es allen Ernstes geschafft die Küche in ein Schlachtfeld zu verwandeln. Das Geschirr stapelte sich in der viel zu kleinen Spüle und der Dunkelhaarige fragte sich, ob sie überhaupt noch genügend Gedecke im Schrank hätten, würde unerwarteter Weise Besuch kommen. Essensreste und Krümel, die selbst die Hunde nicht fraßen, waren auf dem Boden zertreten und die hellen Küchenfliesen waren mit den Kochversuchen der letzten Jahre verschmutzt. Kampfbereit band er die Haare zurück und stürzte sich in die Schlacht. Er wusste nicht, wie man putzte, hatten sie doch mit Taeyang ihre ganz persönliche Putzfrau, und schob Teller und Gläser zusammen und baute wackelige Türme. Das Spülwasser war voller Schaum und er verbrannte sich die Hände beim spülen. Den Müll vom Tisch schob er gedankenlos in einen der Müllsäcke, putzte dann die Tischfläche sauber. Es war eine Tortur das Geschirr in den Schränken, die er vorher hat ausräumen und putzen müssen, wieder unterzukriegen, ohne mit Tellern erschlagen zu werden. Lebensmittel, die ihre Haltbarkeit deutlich überschritten hatten, fielen seiner Ordnung ebenso zum Opfer wie die alten ausrangierten Tücher und Lappen. Als er den Kühlschrank öffnete, schlug ihm der Gestank von Tod und Verwesung ins Gesicht und bemerkte, dass sein langjähriger Freund seinem Reinigungsfimmel nicht gerecht wurde. Die Glasflächen waren verschmutzt und das Gemüse, dank Seung Ri meist Broccoli, unter einer dicken Schimmelschicht bedeckt. Ji Yong war angewidert und entsorgte den gesamten Inhalt bevor er, die Nase mit Küchentüchern ausgestopft, auch hier aufwischte. Die Küche war zur Hälfte sauber, da widmete er sich einem Feind, dem er ohne Hilfe nicht gewachsen war: Der Schmutzwäsche. G-Dragon hatte früher nie seiner Mutter beim Wäschemachen über die Schulter geschaut, im Kopf nur die Musik, und hatte absolut keine Ahnung, wie und warum man Wäsche nach Farben und Materialen aussortierte. Er versank unter den Kleidungsstücken als er zum Telefon griff und die Nummer der Frau wählte, die ihm am meisten am Herz lag. Seine Mutter lachte herzlich, tat seine Frage für einen Scherz ab, bevor sie ihm die Prinzipien des Waschens erklärte. Es dauerte einige Waschgänge und brauchte viel Überwindung, bis er den Wäscheberg minimiert hatte. Der Trockner lief im Dauergang, während er die Jacken und Schuhe an der Garderobe aussortierte. Seit der Pressekonferenz war er nicht mehr vor der Tür gewesen, selbst mit Gaho durfte er nicht laufen gehen. Für die Hunde öffnete er die Tür zum kleinen Garten und warf die Kleidung, die er unter und zwischen Sofakissen fand, in den Flur. Der Boss sprach sich gegen das Einstellen von Reinigungskräften aus, um zu verhindern, dass die Künstler abhoben, doch schien Yang Hyun-Seok genauso wenig damit zu rechnen, dass eine Gruppe von 5 Jungs nichts als Schmutz zurückließen. Die Luft stand in den Zimmern und G-Dragon fragte sich allen ernstes, ob Taeyang, die Sauberkeit in Person, je geputzt hatte. Die übermäßig vielen Spiegel waren verschmiert, Zahnpastareste und andere Flecken verschwanden unter seinem Putztuch. Selbst auf den Schränken im Wohnzimmer staubte er ab und warf alte Papierfetzen in den Müll. Die Stunden verflogen und GD bemerkte, wie müde er wurde. Aufräumen und Ordnung zu schaffen war doch anstrengender als gedacht und er empfand tiefen Respekt für alle Mütter und Hausfrauen auf dieser Welt, die neben Kindererziehung und Job sich noch um den Haushalt kümmerten. Ji Yong spürte kaum seine Muskeln, als er sich auf das Sofa fallen ließ und die Beine auf den saubergemachten Tisch legte. Ein Konzert vor zehntausenden von Fans empfand er für einfacher und angenehmer. Er hatte an diesem Tag - der erste und einzige Tag in seinem Leben, an dem er putze – in Ecken geputzt, von denen er nicht mal wusste, dass es sie im Haus gab. Während er still dasaß und sich entspannte fragte er sich, wann seine Kollegen zurückkommen würden und was sie trieben. Seit er im Haus eingesperrt worden war, wusste er nicht einmal, was für Termine seine Bandkollegen – es wunderte ihn gar, dass man die Jungs überhaupt noch einlud – hatten. Seufzend starrte er aus dem Fenster, die Arme vor der Brust verschränkt, und beobachtete das Hundetrio. Die Hunde bellten freudig und jagten sich durch den mit Laub übersähten Garten. Es war das erste Mal, dass GD einen Hund beneidete. Der Faltenhund und seine Freunde kläfften um die Wette, scheuchten sich durch das Laub und waren unbefangen. Tiere konnten tun und lassen, was sie wollten. Niemand schrieb einem Tier vor was er zu tun hatte und ein Hund musste nicht mit Konsequenzen bei Fehlentscheidungen rechnen. Er gähnte herzhaft und schlief trotz seiner schweißnassen Kleidung auf dem Sofa ein. „Wow, er hat hier echt geputzt. Wie hast du das angestellt, hyung?“, lächelte Daesung breit, als er die Eingangstür hinter sich schloss. Der Angesprochene hob vielsagend die Augenbraue. „Das wüsstest du wohl gerne.“ „Ich bin beeindruckt. Er hat es tatsächlich geschafft, mal für Ordnung zu sorgen. Schön zu wissen, dass es noch jemand anderen außer mir gibt, der aufräumen kann“, Taeyang hängte sein Cape an die leere Gardarobe. Seung Ri fuhr mit dem Finger über die weiße Kommode. „Wo ist GD eigentlich? Es ist so still hier – zu still, wenn ihr mich fragt.“ Die Jungs grinsten breit, als sie den schwer schnaufenden Leader auf dem Sofa liegen sahen, unbewegt seit er eingeschlafen war. Daesung und Seung Ri grinsten sich an, dann stießen sie GDs Beine vom Tisch. Der Dunkelhaarige sprang verschlafen auf und sah seine Freunde voller Verwirrung an. Er atmete tief ein und entspannte sich wieder. Tabi schloss die Terrassentür und setzte sich wie auch der Rest seiner Kollegen um den kleinen Holztisch herum. Die Hunde kuschelten sich sofort in die Arme ihrer Herrchen. Die Sonne war bereits untergegangen und ließ einen tiefschwarzen, sternenlosen Himmel zurück. „Wie war euer Termin?“, fragte GD desinteressiert, die Stimme klang traurig. Young Bae zuckte mit den Schultern. „Pressetermin halt. Hat sicherlich nicht so viel Spaß gemacht, wie das Chaos hier zu beseitigen. Hast du gut gemacht, dongsaeng.“ G-Dragon lächelte trüb. „Was glaubst du, wie es jetzt weitergeht? Ich mein’ bis sich das Ganze gelegt hat, kann Wochen dauern. Und eine neue Pressekonferenz wird ja von vorne rein ausgeschlossen“, Daesung war der Erste, der dieses Thema direkt ansprach. Schulterzuckend sah der Leader aus dem Fenster, schien nach der passenden Antwort zu suchen. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. YG Papa meinte nur, ich soll warten, bis es ruhiger um mich ist. Ich weiß nicht, wann das sein wird und wie lange ihr auf mich verzichten müsst. Ich wünschte, ich könnte die Pressekonferenz noch mal wiederholen – geht aber ja leider nicht.“ TOP, der neben ihm saß, breitete seine verspannten Arme auf der Rückenlehne aus und folgte GDs Blick. „Irgendwann wird es sogar der Presse zu langweilig, über dich zu berichten. Solang’ kannst du weiterputzen und Songs schreiben.“ Genervt schlug GD mit dem Kissen nach TOP. „Es geht hier nicht darum, was die über mich schreiben, es geht mir darum, dass ich mit euch auftreten will. Wir sind eine Band und sollten zusammenhalten. Ich fürchte einfach, dass die Idee von YG einfach falsch ist.“ „Aber du kannst dich nicht über seinen Willen hinweg setzen, nicht schon wieder. Wir haben eh schon einen beschissenen Ruf, da kannst du es dir nicht noch erlauben, die Entscheidung vom Boss infrage zu stellen. Du solltest warten, bis du das OK kriegst, wieder rauszugehen“, sagte der Maknae. „Was weißt du denn schon? Du bist hier schließlich nicht eingesperrt. Mir fällt ja nur die Decke auf den Kopf, nicht euch. Es fühlt sich an als hätte man mich in einen Käfig gezwängt. Ich schau’ kein Fernsehen, weil ich weiß, dass die nur über mich berichten. Ich steck’ das Telefon aus, um keine Anrufe von nervigen Reportern zu kriegen und ich schalt’ mein Handy ab, damit ich nicht ständig mit bescheuerten SMS überhäuft werde. Also erspar’ mir deine Belehrungen.“ „HEY! Jetzt schalt mal einen Gang zurück. Seung Ri hat Recht. Du kannst es dir nicht erlauben und das weißt du genauso gut. Also hör’ auf, dich hier aufzuspielen. Hier geht es nicht nur um dich. Es steht das Schicksal der ganzen Band auf der Kippe. Du hast den Mist gebaut, also musst du ihn auch ausbaden. Dir hat niemand was getan. Du sagst selbst, dass wir zusammenhalten müssen, dann benimm dich auch gefälligst so. Du solltest einfach mal nur von deinem hohen Ross absteigen. Nicht die ganze Welt dreht sich um dich, Ji Yong“, Seung Hyuns Stimme klang ebenso wütend wie zuvor seine eigene. „Hier geht es aber um mich!“ GD schnaufte laut, sprang auf und sah seine Freunde ungläubig an. Tempo tat es wieder. Er belehrte ihn, wusste alles besser. Seung Ri wusste es auch besser, Daesung und Taeyang wussten es sicherlich auch besser als er. Jeder wusste immer alles besser. Sie machten nie einen Fehler und wurden damit nicht von allen Seiten bombardiert. Er war diese Belehrungen und Predigten satt und seine Freunde ließen ihn vollkommen hängen. GD wank ab und ging in sein Zimmer, die Tür donnerte hinter ihm ins Schloss. Sprachlos raufte er sich durchs Haar, ging nervös auf und ab. Er versuchte zu verstehen, weshalb seine Kollegen sich gegen ihn verschworen hatten und versuchte ebenso zu verstehen, weshalb TOP es war, der ihn in den letzten Tagen ständig kritisierte. Die Stimmung zwischen den beiden hatte sich seit Bekanntwerden der Schlägerei verschlechtert. Der Ältere war es stets gewesen, der ihm während seiner Skandale vor zwei Jahren den Rücken stärkte und Mut zusprach. Beide hatten gemeinsam viel erlebt, doch schien Tempo dies zu vergessen. Er zweifelte allmählich an den Zusammenhalt der Band. Er hatte eigentlich immer das Gefühl gehabt, das ihn und die Jungs nichts und niemand trennen könnte und nun schien es so, als hätte er sich geirrt. Er rieb die Hände aneinander, begann dann – um sich zu beruhigen – einige Textzeilen zu rappen. Musik war schon immer am hilfreichsten gewesen, wenn es ihm am schlechtesten ging und während er mit den Worten um sich warf, füllten sich seine Gedanken mit Ideen für neue Lyrics. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, die Hand bewegte er in demselben Takt wie er vor sich hin sang und begann die Texte aufzuschreiben. Er versank in seinen Texten und die beschrifteten Blätter segelten um ihn herum. Er ignorierte die Ansprechversuche seiner Kollegen und kritzelte starr die Grobentwürfe auf die Zettel. Es war lange her, seit er das letzte Mal selbst an einem Song schrieb, ohne dass ihm Songwriter über die Schulter blickten und den Sinn seiner Texte verfälschten. Es waren viele Entwürfe, die er zu Papier brachte, als es an seiner Zimmertür klopfte. „Hey, du solltest langsam schlafen gehen. Der Direktor erwartet, dass du langsam einen geregelten Ablauf hast, also geh ins Bett.“ Wieder kommandierte Tabi ihn herum. „Ah, und du bist sein Wachhund? Aber keine Sorge, ich war nur dabei ein paar neue Lieder zu schreiben. Ist also nichts Wichtiges.“ Er warf den Stift auf den Schreibtisch und stand auf. „Und warum bist du noch wach? Sonderstellung, huh?“ TOP schüttelte nur den Kopf, auf seinen Lippen ein verständnisloses Lächeln. „Gute Nacht, Diva.“ Tabi schaltete das Licht aus und schloss leise die Tür hinter sich. GD erwiderte nichts, furchte wütend die Stirn und warf sich aufs Bett. Der Bandälteste ging ihn mächtig auf die Nerven. Kaum hatte er sich beruhigt, da kam der Rapper wieder rein und zerstörte ihm wieder die Laune. Er wusste nicht, was er damit erreichen wollte und es war ihm mittlerweile schlichtweg egal. Ji Yong war es leid, sich ständig die Belehrungen Seung Hyun anhören zu müssen und war es ebenso leid, nicht denselben makellosen Ruf zu haben, wie ihn der Ältere hatte. Seit Tagen provozierte TOP ihn und warf ihm die dümmsten Sprüche an den Kopf. Plötzlich wirkte es in GDs Augen, als wäre er das gute Verhältnis, was er sonst zu pflegen glaubte, nur einzig und allein Einbildung gewesen. Er war müde und wollte nicht ständig an seine Fehler erinnert werden und doch stach ihm TOP ständig in der offenen Wunde herum. Seinem Freund schien nicht klar zu sein, wie erniedrigt er sich fühlte. Er schloss die Augen, rollte sich auf die Seite und zog die Beine an. Er stank vermutlich nach kaltem Schweiß, doch hätte er morgen, wie auch in den letzten Tagen, genug Zeit um sich seiner selbst bewusst zu werden und duschen zu gehen. Er schlief nicht lange, als Gaho auf seinem Magen herum trampelte und ihn weckte. Er grummelte, war gerädert und die Augenringe färbten sich immer schwärzer. Er traute sich kaum, an seiner Kleidung zu riechen und duschte zu allererst. Manchmal bereute er es, drei Hunde zu haben, obwohl er an den Tieren hing. Es war still im Haus und es langweilte ihn, die Jungs schienen weg zu sein, ohne sich von ihm zu verabschieden. Er tippte mit den Fingern auf dem Tisch herum und beschloss das erste Mal seit seines Skandals das Handy einzuschalten. Wie er fast befürchtet hatte, hatten die verschiedensten Menschen versucht ihn auf dem Handy zu erreichen – teilweise waren es Nummern, die er nicht kannte oder die unterdrückt wurden. Selbst sein Postfach war mit Nachrichten gefüllt. Seine Aufmerksamkeit galt jedoch einer Nachricht von Taeyang. „Lass den Kopf nicht hängen“, las er, „putz‘ nicht zu viel und lache mal zur Abwechslung. Sag den Jungs nichts vom Video.“ G-Dragon öffnete misstrauisch den Anhang und brach sofort in schallendes Gelächter aus, sah zu, wie seine Kollegen sich für ihn zum Affen machten. Daesung tanzte seinen Trot, Seung Ri verzog das Gesicht und bewegte sich steif wie ein Roboter und Taeyang schüttelte nur verständnislos den Kopf, bevor er selbst Grimassen zog. TOP war der einzige, der nicht in dem Video zu sehen war. All der Ärger, den er noch gestern empfunden hatte, war verflogen. Er lächelte und freute sich auf den Tag. Er blätterte Fanpost durch, beantwortete Briefe und genoss die Zusprüche seiner Fans. Obwohl sich ein Teil nach Bekanntwerden der Schlägerei von der Band abgewandt hatte, so standen die meisten Anhänger hinter dem Leader und ließen es ihm mit Fanaktionen wissen. Für einen kurzen Moment konnte er sogar all den Ärger um ihn vergessen und er sah sogar fernsehen und surfte mit seinem Handy im Internet. Er glaubte wirklich, die Aufregung um ihn hätte sich gelegt, als er den neusten Artikel über sich entdeckte und ihn las. „Der Medienrummel um Big Bang-Leader G-Dragon reißt nicht ab. Wie eine zuverlässige Quelle berichtete, sollen die beiden Zeugen den Vorfall von vor knapp einer Woche nochmals bestätigt haben. Der Sänger wird beschuldigt, vergangene Woche einen jungen Mann auf brutalste Weise zusammengeschlagen zu haben. Das Opfer…“ G-Dragon war sprachlos und wütend und machtlos, seinen Ruf noch irgendwie zu retten. Sein iPhone schellte auf den Boden und das Display zerschmetterte in tausende Teile. Er fühlte sich in den Moment vollkommen leer und hoffte zum einem, dass seine Freunde nun bei ihm sein könnten und zum anderen wollte er nichts lieber als alleine sein. Ihm war fürchterlich schlecht. Nun war es tatsächlich nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die Staatsanwaltschaft bei ihm melden würde und ihn zu den Geschehnissen befragen würde. Alles, was er von nun an tat, wäre sowieso sinnlos, denn er würde nicht die geringste Chance haben, sich gegen die angeblichen Zeugen, die in Überzahl waren, zu behaupten – schließlich schien ihre Geschichte perfekt aufeinander abgestimmt zu sein. Die Gedanken gingen ihm wirr durch den Kopf – war er in dem einen Moment voller Zorn war er im nächsten Moment traurig. Er musste hier raus, ihm fiel die Decke auf dem Kopf. Er stand auf, rutschte die Hosenbeine zurecht und lief aufgebracht durch das Haus. Er war nun einmal provokant und arrogant, doch hatte es ihn nie gestört. Er war ein Superstar und er genoss sein Ansehen und sein Ruf. Sollte jemand ein Problem damit haben, war es dessen Problem und nicht seines. Es schien für den Sänger, als hätte die Presse einen völlig anderen G-Dragon zur Oberfläche befördert, den es nicht gab. Er war provokant und das wusste er, aber er war kein Schläger, zumindest prügelte er nicht auf Menschen ein. Er trat gegen die Wände und fluchte durch das Haus, als er auf einen Raum starrte, in dem er schon Stunden verbracht hatte. Wütend schlug Ji Yong hinter sich die Tür zum Tanzstudio zu, die im Holzrahmen eingelassene Scheibe vibrierte. G-Dragon bebte vor Wut und das Blut in seinen Adern kochte. Adrenalin wurde durch seinen Körper gepumpt und vernebelte seinen ohnehin leeren Kopf. Er wusste nicht, was er mit seinen Aggressionen anstellen sollte, trat gegen die Bank, schlug mit den bloßen Fäusten gegen die raue, weiße Wand. Seine Hand schrammte oberflächlich auf, es bildeten sich feine Kratzer auf seinen Fingerknochen. Der Sänger raufte sich durchs dunkle, ohnehin zerzauste Haar. Er strich sich übers Gesicht, presste seine spröden Lippen aufeinander. All die harte Arbeit der letzten Tage wurden wegen Falschaussagen zunichte gemacht. Er hatte insgeheim gehofft, dass die Lügen von selbst aufgedeckt würden, stattdessen wurden sie unentwegt bekräftigt. Sollte nun auch sein letzter Hoffnungsschimmer erlöschen – von dem er selbst nicht wusste, wie genau dieser aussah – würde dies das endgültige Aus für ihn und Big Bang bedeuten. YG Papa würde ihn höchstpersönlich vor die Tür setzen und das Ende der Band verkünden. Er war todunglücklich, dass er für das Ende der Band verantwortlich war. Am meisten sorgte er sich um seine dongsaengs. Er hing an seinen Bandkollegen, liebte es Seung Ri zu ärgern, mit Daesung Witze zu reißen. Genauso liebte er es mit Young Bae neue Tänze zu kreieren. Obwohl er Taeyang am längsten kannte, hatte er zu Tempo das beste Verhältnis – zumindest war er davon überzeugt gewesen, bevor der Skandal begann. Der Rapper verstand ihn, zögerte nicht, ihm zu widersprechen oder ihn zu kritisieren. Sie waren sich ähnlich und doch so grundverschieden. Es passte einfach zwischen ihnen, er wusste keine Worte um ihre Beziehung zueinander zu beschreiben. Tabi war weitaus vernünftiger und reifer, dachte nach bevor er handelte und war sich der Konsequenzen seines Tuns bewusst. Sie trennte nur ein einziges Jahr und es wirkte, als lägen Welten zwischen ihnen. G-Dragon beneidete den Ältesten dafür, denn egal was er tat, er tat immer das Richtige. GD schrie leise auf, ballte so fest die Hände zu Fäusten, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Er sah sein jämmerliches Abbild im Spiegel. Seine geäderten Augen von dunklen Ringen geziert, die Haut blass und glanzlos und das Haar zerzaust und auf seinen Lippen nicht der Hauch eines Lächelns. Er verabscheute seinen Anblick. Er sah seinem Spiegelbild ins Gesicht, sah in seine trüben Augen als sein Gegenüber in tausende Scherben zerbrach. Die Splitter funkelten im Licht, flogen in alle Richtungen umher. Blut tropfte von seiner Hand und die Scherben drangen durch seine Haut und schlitzten seine Faust blutig. Er sah auf sein nächstes Spiegelbild und holte zum Schlag aus, als er am Unterarm, Blut floss dabei über die Hand des anderen, gepackt wurde. GD atmete bedrohlich ein und blickte seinen Freund finster an. Er wusste nicht, woher er kam und warum er hier war und nicht bei einen der vielen Termine, aber er war zurück, war wie aus dem Nichts aufgetaucht. „Sehr sinnvoll hier alles zu zerstören und dich selbst zu verletzten“, TOP sah ihm direkt ins Gesicht. „Deine Wut wird nichts ändern. Du solltest endlich anfangen, die Lügen aufzudecken und nicht ständig in deinem Selbstmitleid zergehen. Damit hilfst du niemanden und schon gar nicht dir selbst oder deinen hyungs und dongsaengs. Während du nichts tust und dich in deinem Ego wälzst, versuchen sie mit allen Mitteln deinen Ruf und die Band zu retten, Leader.“ „Wenn du alles besser weißt, kannst du ja Leader werden. Jeder weiß immer alles besser und will mir weiß machen, was ich zu tun und zu lassen habe. Aber es ist mir Scheißegal. Ich hab keinen Bock mehr“, er riss sich von TOP los, „mir ist mein Ruf und meine Karriere egal. Mir ist es auch egal, was aus der Band wird. Das ist es doch sowieso, was du willst, nicht? Du willst meine Position? Bitte sehr, nimm sie dir. Nimm dir ruhig alles!“ GD schnaufte schwer, sein Brustkopf hob und senkte sich unregelmäßig. Seine braunen Augen musterten Tabis emotionslose Gesichtszüge. Dann plötzlich drückte TOP ihn kraftvoll gegen die Wand, sein Körper fest gegen GDs gepresst. Der Jüngere schnappte vor Überraschung nach Luft. Sie sahen sich in die vor Zorn funkelnden Augen. Tempos Atem, stockend vor Wut, brannte in seinem Gesicht, er spürte die heiße Luft auf seinen bebenden Lippen. GDs Körper glühte, als er sich aus der Klammerung befreien wollte, er versuchte Tabi von sich zu pressen und die Hände um seinen Kragen von sich zu schieben. Tabi riss grob die Arme über dessen Kopf und drückte sie ebenfalls an die Wand. Der Leader war chancenlos. Er biss sich auf die Lippen, sah dann wieder zu TOP und dann spürte er widererwarten feurig heiße Lippen auf seine gepresst. Er keuchte leise, öffnete dabei den Mund vor Überraschung einen Spalt. Er warf den Kopf instinktiv in den Nacken und kostete von Seung Hyuns süßlichen Mund. Es war ein überwältigendes Gefühl, das sich in ihm ausbreitete. Er schloss die Augen, erwiderte den Kuss zu Beginn zaghaft, dann mit derselben Leidenschaft. Er seufzte erneut, als sich die Hand in seinen Nacken legte und ihn näher zu sich zog. Der Leader verlor allmählich Kontrolle und Verstand und ließ sich zu einen der viel zu harten Holzbänke führen. Seine Knie sackten zusammen, spürte das Holz direkt in den Beugen. Bestimmend presste ihn der Ältere runter, ließ sich auf dessen Schoß nieder, während er ihn weiterhin gierig küsste. G-Dragon zuckte unter den eisigkalten Händen zusammen, die sich unter sein Shirt schoben. Es war seit dem Ärger das erste Mal, dass er sich fallen ließ und wusste, dass man ihn auffing. *~*~*~* Er war gerädert, ausgelaugt und es fühlte sich an, als hätte er sich jeden Muskel im Körper gezerrt. Als er die Augen aufschlug wusste er zuerst nicht, wo er war. Er rollte sich von der harten Bank und setzte sich auf, dabei fiel ihm die Lederjacke zu Boden, mit der allem Anschein nach zugedeckt worden war. Er brauchte einen Moment bis er realisierte, dass es TOPs Jacke war. Dann bemerkte er den straffen Verband um seine Hand. Der Sänger biss sich auf die geschwollenen und trockenen Lippen, Lippen, die sein hyung voller Leidenschaft geküsst hatte. Er strich sich zaghaft über seinen Mund, wollte sich nicht mit noch mehr Problemen auseinandersetzen. Tempo hatte öfter das Bedürfnis, seine Bandkollegen zu küssen, deshalb versuchte er nicht darüber nachzudenken, obwohl sich der Kuss so viel anders angefühlt hatte als in den Parodien. Er streckte sich müde, seine steifen Muskeln schmerzten. Gähnend rieb sich Ji Yong über die Augen, torkelte aus dem Raum und direkt in die Küche. Seine Freunde aßen – er war sich nicht sicher, ob sie frühstückten oder ob es doch eher ein Mittagssnack war, da er sein Zeitgefühl ein weiteres Mal verloren hatte – als der Leader die Jacke auf den leeren Stuhl warf. Seung Ri grinste hämisch und verschluckte sich dabei an seinem Müsli, Young Bae kaute mit offenem Mund und Daesung tat sich sichtlich schwer, sein Getränk nicht auszuspucken, nur Tabi sah ihn vollkommen unbeeindruckt an. Schlaftrunken fiel der Leader auf den Sitzplatz und trank ohne Erlaubnis große Schlücke aus Taeyangs Tasse und hob den Finger, bevor der Maknae sprechen konnte. „Ein Wort über Broccoli und ich verdonner‘ dich zum Putzdienst“, dann stellte er die leere Tasse wieder zu seinem eigentlichen Besitzer. Er ertrug stumm die fragenden Blicke seiner Freunde und konnte nicht verhindern, dass er immer wieder zu seinem hyung starrte und sich fragte, was in dessen Kopf vorging. Tabi sprach kein Wort und tat so, als hätten sie sich nie geküsst. Würde er nicht wegen des Kusses vollkommen durch den Wind sein, würde es ihm nicht im Geringsten interessieren, doch er verstand es nicht. Egal wie sehr er TOP studierte, er kam nicht dahinter, was der Ältere damit hatte bezwecken wollen. GD hatte keinen Hunger, war lustlos und verwirrt. Gelangweilt und gähnend stach er in seinem Reis herum, saß als letzter an dem Tisch und starrte vor sich hin. Eigentlich hatte er gar nicht die Zeit, sich mit seinem Tempo-Problem auseinander zu setzen, dennoch tat er es, obwohl für ihn und der Band zu viel auf dem Spiel stand. Er seufzte, warf seine Stäbchen in den Reis und wurde prompt mit einem Geschirrtusch geschlagen. „Aigoo“, seufzte TOP, „geh duschen und mach‘ dich fertig. Wir gehen raus.“ Ji Yong wollte protestieren. „Das ist mit YG Papa abgesprochen. Ich will dich wem vorstellen.“ Dann wurde er am Oberarm hochgezogen und in den Flur geschubst. Der Leader machte sich nicht großartig die Mühe nachzudenken, selbst wenn er es nicht einsah, auf die Befehle des Älteren zu hören. Das heiße Wasser prasselte auf seinen Körper und half ihm die letzte Müdigkeit von sich zu waschen. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen, wie auch verwirrend und er war das größte Ekelpaket, das es auf der ganzen Welt zu finden gab. GD war es leid, immer und immer wieder dieselbe Geschichte zu erzählen. Hinzu kam, dass er Seung Hyun nicht annähernd verstand. Zuerst war TOP nett, dann führte er sich seit Tagen auf wie ein Trottel und dann küsste er ihn einfach ohne Vorwarnung, als hätte er jegliches Recht dazu. Gedankenlos strich er sich über die bandagierte Hand, fühlte die aufgequollene Leinenbinde unter seinen Fingerkuppen. Er hatte auch nicht die geringste Ahnung, wohin ihn der Rapper bringen würde, als er sich anzog, war ahnungslos als er die Kapuze tief ins Gesicht zog und in den vor dem Haus parkenden Van sprang. Wieder kam er sich hintergangen vor. TOP machte sich nicht einmal die Mühe, ihn während der Fahrt anzusehen oder anzusprechen und er fragte sich, ob der Ältere ihn zum hiesigen Polizeirevier brachte, um endlich das ganze Drama um G-Dragon herum zu beenden und ihn gar inhaftieren ließ. Er beobachte verstohlen seinen Freund, schüttelte ungläubig den Kopf und sah aus den getönten Scheiben. Die Straßen Seouls waren mit dem Feierabendverkehr überfüllt und die Ampeln sprangen viel zu schnell auf rot zurück. Die Stille, die es sonst nie zwischen ihnen gab, machte ihn wahnsinnig, der Rapper täte nichts lieber, als Tempo auf sein Fehlverhalten anzusprechen. Während sie in dem Auto vor sich hinvegetierten und die Fahrer ständig die Hupe ihres Fahrzeuges betätigten, als würde es helfen den Verkehr voranzutreiben, wusste G-Dragon noch immer nicht, wohin ihn sein hyung brachte. Er schloss ein weiteres Mal die schweren Augen, obwohl er nicht müde sein dürfte, und lehnte den Kopf an die Scheibe. Er wollte just in diesem Moment nichts lieber, als aus dem fahrenden Wagen zu springen und Abstand zwischen ihn und Tabi zu bringen. Der Leader hatte nicht den Mut, offen und frei von dem Kuss zu sprechen und den Älteren zu bitten, ihm die ganze Angelegenheit zu erklären und zu sagen, was er sich mit dieser schwachsinnigen Idee gedacht hatte. GD atmete genervt auf, ließ die Schultern kreisen und ertappte sich dabei, wie er wieder TOP ansah. Sich für eine Parodie zu küssen war eine Sache, aber sich auf diese innige Art und Weise zu küssen und das vollkommen ohne Vorwarnung, war für den jungen Mann zu viel. Er glaubte nun tatsächlich, dass Seung Hyun es ausschließlich auf seinen Posten als Bandleader abgesehen hatte, denn mehr Verwirrung und Probleme würden Ji Yong vollkommen die Nerven kosten. Er strengte sich an, dachte mit zusammengekniffenen Augen nach, doch kam er einfach nicht hinter des Rätsels Lösung. Weder seinen Kollegen noch ihm gegenüber hatte sich Tempo in der Vergangenheit so verhalten, hatte diese Gleichgültigkeit gezeigt, die er ihm gegenüber an den Tag brachte. Er wusste, dass er sich wie ein Arschloch verhalten hatte, er hatte Dinge gesagt, die er bereute. Ihm war seine Karriere keineswegs egal und noch wichtiger war ihm die Band. Zugunsten seiner Freunde würde er sofort seine Soloprojekte abbrechen und ausschließlich alles für die Band geben, würde es YG Entertainment von ihm verlangen. Dann wurde GD bewusst, dass er sich für seine Worte nie bei TOP entschuldigt hatte. „Das, was ich gesagt habe…du weißt, dass das nicht so gemeint war, oder? Ich mein, ich-“, es war ihm peinlich überhaupt von dem Thema zu sprechen, da er unweigerlich an den Kuss denken musste. „Und danke, dass du den Jungs von unserem Streit nichts erzählt hast.“ Seine Wangen glühten und er spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Der Dunkelhaarige sah seinen dongsaeng fragend an und wank dann ab. „Macht sowieso keinen Unterschied.“ Tempos Stimme klang emotionslos, er sah für einen Moment aus dem Fenster und schnallte sich ab. „Steig aus. Wir sind da.“ G-Dragon versuchte seinen Zorn runterzuschlucken und befolgte wieder den schroffen Befehlen des Älteren. Er öffnete die Tür und sackte sofort in den Sitz zurück. Entgegen seiner Erwartungen parkte das Fahrzeug nicht vor dem Polizeirevier, sondern - und das bereitete ihm weitaus mehr Sorgen - vor dem örtlichen Krankenhaus. Instinktiv wusste er, dass ihm sein hyung nicht ausschließlich wegen der Verletzungen an seiner Hand hierher gebracht hatte. Sein Puls raste und der Leader wünschte sich nichts sehnlicher als sofort im Erdboden zu versinken. TOP sah ihn abwartend an. „Was ist. Los, steig aus“, der Angesprochene schüttelte wortlos den Kopf. „Hör’ auf dich so anzustellen und komm‘ jetzt mit rein.“ Er packte nach GDs Hand und zog ihn aus dem Fahrzeug. Ji Yong fühlte sich gedemütigt. Er wurde von seinem Bandkollegen zum einen dazu genötigt, das riesige Krankenhaus zu betreten und dann hielt er dessen Hand und zog ihn wie ein kleines Kind mit sich mit. Der Leader konnte jedoch nicht verhindern, dass erneut seine Wangen glühten und sein Herzschlag in seinen Ohren dröhnte. Er sah auf die ineinander geflochtenen Hände, sah dann dem Älteren in den Nacken und wieder zurück auf die Hände. War er zuvor nur ansatzweise des Rätsels Lösung näher gekommen, so wurden ihm gerade neue Puzzleteile zugeworfen. TOP benahm sich wieder wie ein Idiot, um mit ihm dann Händehaltend durch ein von Menschen überfülltes Krankenhaus zu spazieren. Er war nie gut im puzzeln gewesen, er hasste es, die Einzelteile, die für ihn alle gleich aussahen, ineinander zu schieben und somit ein Bild zusammenzufügen. In diesem Fall wusste er, dass egal wie viel Zeit er für das puzzeln aufwenden würde, er niemals das Gesamtbild betrachten würde. Es war dem Jüngeren peinlich, wie ihm die jungen Krankenschwestern ansahen und tuschelten, es war ihm unangenehm, wie ältere Herren ihn musterten und es war eine Schmach, wie Menschen ihm wissende Blicke zuwarfen, als sei er sexuell in diese Richtung orientiert. Er zog die Kapuze tiefer ins Gesicht, starrte ein Loch in TOPs Rücken, während dieser sich mit einer der Krankenschwester am Empfang unterhielt. Für G-Dragon schien es, als wollte TOP seine Hand gar nicht loslassen. Der Rapper verneigte sich dankend vor der älteren Dame und zerrte den Jüngeren noch immer mit sich. Es waren wieder dieselben Blicke, die er auf sich spürte, Blicke, die Tempo entweder nicht sah oder komplett ignorierte. G-Dragon stolperte dem Älteren hinterher, der sterile und weiße, triste Gang zog sich unnötig in die Länge und der Leader überlegte, ob er seinen Freund nicht einfach mit der Faust zu Boden schlagen sollte, auch wenn er im Nachhinein nicht die geringste Chance gegen ihn hätte. „Rein da“, bestimmte TOP, öffnete die Tür und schubste ihn grob in den Raum, dann schloss er die Tür. „Setz‘ dich. Ein Arzt wird gleich kommen und sich deine Hand anschauen.“ „Meiner Hand geht’s gut. Du musst mich nicht bemuttern“, GD ließ sich auf den Stuhl fallen und wusste das er keinen Deut besser als der Ältere war. „Außerdem tut es nicht mal weh.“ TOP ging auf ihn zu. „Ach tut es nicht? Dann sollte das ja nicht allzu sehr wehtun.“ Gewaltsam zerrte er am mittlerweile lockeren Verband und zog ihn von seiner Hand. „Tut gar nicht weh, huh? Hör‘ endlich auf so zu tun, als sei mit dir alles okay.“ GD stöhnte schmerzvoll auf, biss die Zähne aufeinander und starrte seinen hyung wütend an. Seine Hand brannte, als er den Luftzug auf seiner Haut spürte. Sie blickten sich herausfordernd an, Tabi über den Leader gebäumt, während GD zu ihm aufblickte. Der Jüngere fragte sich allmählich, ob er Tempo auf irgendeine Weise gekränkt oder verletzt hatte, ohne es bemerkt zu haben. Keiner seiner Freunde behandelten ihn so schlecht, wie es der Rapper tat. Selbst als ein Arzt das Zimmer betrat und sie ansprach, blieben sie wie versteinert stehen, bevor sich TOP umdrehte und GDs verletzte Hand, die er bis eben noch in seiner gehalten hatte, in die des Mannes legte und sich mit verschränkten Armen an der Liege anlehnte. Der ältere Mann begutachtete die Wunde über den Rand seiner dicken Brille. Das Blut auf seiner Hand war geronnen und hatte dunkelrote Flecken auf der Oberfläche hinterlassen. Er begann mit in Desinfektionsmittel getränkte Wattebällchen auf der offenen Wunde herumzutupfen und legte die Pinzette beiseite, zog sich seine Latexhandschuhe zurecht und griff nach einem frischen Verband. Der Patient blies die Luft aus, presste die Lippen aufeinander um nicht aufschreien zu müssen, nachdem das Desinfektionsmittel in die offene Wunde eingedrungen war und auf seiner Haut brannte. Er verfluchte TOP wütend, ballte die freie Hand zu einer Faust, als ihm der Verband um die Hand gewickelt wurde. So schnell wie der Arzt aus dem Nichts aufgetaucht war, verschwand er wieder und ließ die beiden in dem riesigen Krankenhaus zurück. GD erhob sich, drängte sich so nah an TOP, dass sich ihre Stirne fast berührten und drängte sich dann an der Tür vorbei. Ihm wurde bewusst, dass der unangenehme Teil ihn erst noch erwarten würde. Ihm wurde schlecht und er hatte absolute Angst vor dem, was vor ihm lag. Diesmal erwartete er keine Worte von seinem Freund, wusste wohin sie der Aufzug bringen würde, er fühlte ganz genau, welch Begegnung hinter der dicken Holztür auf ihn wartete. Ihm war es bewusst, als er den Lift betreten hatte, als Tempo das Stockwerk auswählte und als sie austraten und in breiten Lettern Intensivstation auf einer der Glastafeln zu lesen war. Er bebte, beobachtete, wie TOP selbstverständlich und vertraut mit einer jungen Krankenschwester sprach und leise lachte, bevor er GD zu sich wank. Die Pflegerin sah ihn lächelnd an, deutete den jungen Männern dann an, in das Zimmer einzutreten. Das Zimmer roch noch stärker nach Krankenhaus als es das Gebäude selbst tat und bereits als die Tür geöffnet wurde, bemerkte er das unaufhörliche Piepsen des EKGs und die vielen Geräte, die um das Bett herum standen. Er stemmte die Hand gegen die Wand, folgte zögernd seinem Freund in das Zimmer. Wieder griff der Ältere nach dessen Handgelenk und ließ Ji Yong vollkommen unerwartet auf den Patienten im Bett blicken. Augenblicklich stiegen Tränen in seine Augen. Der Mann vor ihm, er erkannte ihn schwerlich als einen der Jungs von seiner Discotour, war mit unzähligen Kabeln und Schläuchen verbunden. Das Gesicht von Schwellungen und Blutergüssen deformiert, die Platzwunde auf der Stirn mit unzähligen Stichen zu genäht und der Arm eingegipst. Obwohl es so aussah, dass er wegen seiner Verletzungen schlief, wusste G-Dragon sofort, dass dies nicht der Fall war. Der Junge hatte viele Schläge und Tritte einstecken müssen und während er nur die oberflächlichen Verletzungen sah, wollte sich Ji Yong nicht vorstellen, wie ernsthaft er wirklich verletzt war. Er brauchte keine Fantasie, um sich die Blutergüsse auf den gebrochenen Rippen vorzustellen. „Das ist Jong Yoon Hwang. Er ist das Opfer deiner angeblichen Prügelattacke. Wenn du ihn so siehst, was denkst du wie schwer er verletzt ist?“, fragte der Ältere und setzte den völlig sprachlosen Leader auf einen Stuhl. „Die Ärzte sagen, dass er verdammtes Glück hatte, dass er noch lebt. Neben ein paar Rippenbrüchen, der Platzwunde und dem gebrochenen Arm hat er noch ein Schädelhirntrauma davongetragen. Seit er ins Krankenhaus gebracht wurde, liegt er im künstlichen Koma. Die Ärzte wissen nicht, ob er sich erinnern kann, wenn er aufwacht. Sein Zustand verbessert sich Gott sei Dank stetig.“ G-Dragon sah den jungen Mann genau an, erinnerte sich an ihre Begegnung. Es war der Junge gewesen, der seine Freunde daran gehindert hatte, auf ihn einzuschlagen. Der Junge, mit dessen Schwester er an diesem Abend getanzt hatte. Der Dunkelhaarige blickte nur gedankenlos in das Gesicht, hörte die Geräte arbeiten und zitterte. Er griff nach TOPs Hand, als er sie auf seiner Schulter bemerkte, drückte diese fest und kämpfte mit den Tränen, um nicht augenblicklich heulen zu müssen. „Die Jungs und ich kommen jeden Tag hierher und schauen nach ihm. Der Krankenhausdirektor und das Personal haben Diskretion versprochen, was unsere Besuche hier anbelangen. Jeden einzelnen Tag sind wir hier und beten, dass der Junge wieder aus dem Koma erwacht und die Geschichte richtig stellt. Wir wissen, dass du ein absolutes Arschloch sein kannst, aber dazu bist nicht einmal du fähig. Du bist egoistisch und stur, aber ich weiß, dass du das nicht warst.“ Sein Herz pochte und seine Lungen zogen sich zusammen. Während er in den vergangenen Tagen nichts wirklich auf die Reihe brachte, außer sich seine Kollegen mit seiner Arroganz gegen ihn aufzuhetzen, besuchten sie den jungen Mann, für dessen Verletzungen er verantwortlich sein soll. Der Dunkelhaarige verstand, warum seine Freunde ihn für arrogant hielten und dies offen zeigten. Die letzten Tage sprach er nur davon, wie es ihm ging was er tat. Ihm waren andere völlig egal. TOP hatte Recht, er war abgehoben und blickte auf seine Mitmenschen hinab. G-Dragon konnte nicht verhindern, dass ihm immer schlechter wurde und dass er den Anblick nicht aushielt. Während er mit seiner linken, unverletzten Hand noch immer Tabis hielt und gelegentlich zudrückte, hatte er die andere um seinen Bauch gelegt und versuchte seine stockende Atmung zu beruhigen. Schweißperlen rollten ihm über die Stirn und er sah einzig und allein den blassen jungen Mann, aus dessen Nase Schläuche hingen, an dessen unverletzten Arm die Infusion angebracht war und auf dessen Brust die Sensoren zum EKG angebracht waren. Die Wellen des Herzschlages des Patienten schlugen regelmäßig nach oben und nach unten. Der junge Mann lag in dem Bett, die Gesichtsmuskeln zuckten kaum merkbar. G-Dragon konnte dies nicht mit ansehen, er konnte den jungen Mann nicht länger ansehen, er prägte sich zwanghaft das Bild des Jungen in seine Gedanken. „Es…es tut mir leid!“. Er sprang auf, warf dabei den Stuhl um und rannte aus dem Zimmer. Er war nicht in der Lage, den Jungen weiterhin zu beobachten und in dessen entstelltes Gesicht zu blicken. Er rannte an dem Krankenhauspersonal vorbei, steuerte das Treppenhaus an und nahm viel zu viele Stufen auf einmal. Er rannte, als hinge sein Leben daran. Er hielt den sterilen Krankenhausgeruch nicht aus, er hasste das rhythmische Klopfen von Schuhen auf dem hässlich-grauen Linoleumboden und das hektische Rufen der Ärzte. Er hasste Krankenhäuser. GD konnte kaum atmen und presste sich durch den Ausgang. Seine Kehle brannte und sein Herz drohte zu platzen. Er lief weiter, lief ziellos durch die dunklen Straßen. Der Regen fiel auf ihn hinab und rollte von seiner Kapuze nieder auf den geteerten Boden. Er kannte sich in diesem Stadtteil nicht aus, rannte stur durch den Regen, ohne den Blick vom Boden anzuheben. Er drehte sich nicht um, um zu sehen, ob sein Freund ihm gefolgt war, er achtete nicht wohin er lief. Er rannte und rannte und glaubte jedoch, nicht vom Fleck wegzukommen, als liefe er auf einem Laufband und rannte einem längst vergangenen Traum hinterher. G-Dragon hatte die Orientierung verloren, seit er das Krankenhaus verlassen hatte. Er hatte nicht den geringsten Schimmer, wo er sich befand und ihm waren die wenigen Menschen, die er achtlos anrempelte, egal. Egal wie oft er den Kopf schüttelte und die Lippen aufeinander presste, er bekam das Bild des Jungen nicht aus seinen Gedanken. Es war das erste Mal seit einer langen Zeit, dass wenige Tränen über seine hohen Wangen rannen und mit den Regentropfen verschmolzen. Er schnaufte schwer nach Atem, stützte die Arme auf seinen Knien ab. Seine Brust schmerzte und er hatte keine Kraft mehr zu laufen. Ji Yong war müde, müde davon zu laufen, müde zu sprechen und zu schlafen, müde zu streiten. Er war einfach nur unsagbar ausgelaugt. Er seufzte, wischte sich die wenigen Tränen aus dem Gesicht und saugte die kalte Luft ein. Wie Glühwürmchen zogen die Autos unter ihm vorbei, die Wischer bewegten sich rhythmisch über der Windschutzscheibe und drängten den Regen vom Glas. Wieder war der Abend pechschwarz und nur die Lichter in den vielen Hochhäusern leuchteten am Horizont. Gedankenschwer starrte er auf die Straße unter sich, er war die einzige Person auf der Brücke, die Arme hatte er auf der Brüstung verschränkt. Er musste wieder an den Jungen denken und an das, was Seung Hyun gesagt hatte. Ji Yong wurde bewusst, dass er tatsächlich egoistisch war. Während er an sich und seine Karriere dachte, kämpfte ein junger Mann um sein Leben. Der Junge war keinesfalls älter als 20 Jahre, sein ganzes Leben lag also noch vor ihm und nun stand es um dessen Gesundheit äußerst kritisch. GD war tatsächlich selbstverliebt. Er hatte allen Grund sich zu schämen. TOP und seine Freunde hatten Recht gehabt. Er dachte nur an sich und war zu einen dieser selbstbezogenen und selbstverliebten Menschen geworden, die er sonst immer verachtet hatte. Er ertrug den Anblick des jungen Mannes nicht, das Gesicht von den Schlägen und Tritten blau und geschwollen, die Platzwunde auf der Stirn provisorisch genäht. Es erschreckte ihn, dass die Menschen wirklich glaubten, dass er zu dieser grausamen Tat fähig gewesen sei. Während er völlig allein auf der Brücke stand und der Regen auf ihn fiel, begann er an sich zu zweifeln und fragte sich, ob sich der Kampf überhaupt lohnte, seine Zukunft zu retten. In den letzten Tagen war er ein absoluter Idiot gewesen. Er war beleidigt, wenn Seung Ri ihm helfen wollte, war wütend, wenn Taeyang ihm Tanzschritte erklärte, die er nicht hinbekam und er war sauer, wenn Daesung ihn freudestrahlend anlächelte. Hinzu kam, dass er den Direktor gekränkt und den Ruf der Firma gefährdet hatte und am schlimmsten war es, dass er ständig mit Seung Hyun stritt. Er seufzte, zog die Kapuze tiefer uns Gesicht und legte den Kopf in seine Arme. Er hasste sich selbst. Hätte G-Dragon nur einen Moment aufgehört, sich selbst als Opfer zu sehen und hätte an das wirkliche Opfer dieses Skandals gedacht, hätte er den Älteren vielleicht nicht ständig vor den Kopf gestoßen und der Leader wäre nicht feige aus dem Krankenhaus abgehauen. Aber GD schien, vor allem in den letzten Tagen, das Talent entwickelt zu haben, von einem Streit in den nächsten zu geraten. Er verzog das Gesicht und betrachtete noch immer die befahrene Straße. Die Laterne über ihm leuchtete orange auf ihn hinab. Er musste an die Nacht denken, als der Junge zusammengeschlagen wurde. Er musste an die Pressekonferenz denken, die er vollkommen vergeigt hatte. Er musste an seine Diskussionen mit TOP denken, der ihn zu hassen schien. Er musste an seine Freunde denken, die ihn unterstützen und aufmunterten. Er musste an den Kuss denken, den er nicht verstand. Er musste an das Bild denken, dass sich in seine Erinnerungen gebrannt hatte. Es waren so viele Dinge, die ihm durch den Kopf gingen. Seine Miene verfinsterte sich. „Bei deinem süßen und unschuldigen Gesicht frage ich mich manchmal, wie du nur so durchtrieben sein kannst“, TOP sah ihn an, als hätten sie sich nie gestritten. Der Leader wunderte sich nicht einmal, woher der Ältere kam oder wie er ihn fand. G-Dragon furchte verwirrt die Stirn, versuchte den anderen finster anzusehen. „Guck nicht so grimmig. So verunstaltest du dein hübsches Gesicht.“ Erst drückte ihm TOP den Zeigefinger auf die Sorgenfalten und dann zog er den Jüngeren in seine Arme. Ji Yong spürte den heißen Atem in seinem Nacken und fühlte, wie sich Gänsehaut von seinem Nacken aus auf seinem ganzen Körper ausbreitete. „Hyung“, flüsterte er gegen dessen Halsbeuge. Ji zog scharf den Atem ein als er Seung Hyuns Lippen auf seinen schmeckte und er verstand ihn wieder nicht und doch war er dankbar, dass der Ältere einfach da war. Der Sänger wusste nicht warum, aber es war beruhigend, die Lippen des anderen zu küssen. Er genoss die Nähe schlichtweg. Er genoss den anhaltenden Kuss und die Hand, die sich in seinen Nacken legte und die Wärme, die er auf seinen Wangen spürte, obwohl es in Strömen regnete. Als er über den Kuss heute Mittag nachgedacht hatte, war ihm die ganze Situation unangenehm, aber er konnte es nicht verhindern, dass er instinktiv seufzte, sobald TOPs Lippen seine berührten. Tempo war ihm ein absolutes Rätsel und er verbarg mehr Geheimnisse als alles andere auf der Welt. Er wusste wieder nicht, wie er das Ganze deuten sollte, falls dies überhaupt möglich war. Sie sprachen kein einziges Wort darüber, was sie und warum sie es taten. Sie sprachen nicht über Gefühle und nicht über die Zukunft. Sie redeten nicht über Skandale oder die Band. Sie redeten keine Silbe miteinander und ließen ihre Lippen alles sagen, was es zu sagen galt. Es war verrückt, was sie taten. Es war verrückt, dass sie es in aller Öffentlichkeit taten. Als sie voneinander abließen, war eine Ewigkeit vergangen. G-Dragon sah schüchtern zu Boden, die Wangen glühten. Dann wurde er am Handgelenk gepackt. „Lass‘ uns heim gehen, die anderen warten sicher schon.“ Er lief los und zog den Jüngeren mit sich. „Nein! Ich will nicht. Ich will erst noch was von dir wissen. Bist du sauer, weil ich mich um den Jungen nicht gekümmert habe und nur an mich gedacht habe? Ich versteh‘ es nämlich absolut nicht.“ Er zog seine Hand aus der Klammerung. „Ich weiß nicht, was ich dir getan habe.“ TOP schüttelte den Kopf. „Ich bin sauer, weil du dich hast reinlegen lassen. Du machst dich angreifbar, wenn du so ein provokantes und arrogantes Arschloch bist. Du hast dich in den letzten Tagen nur um dich gekümmert und hast nicht drüber nachgedacht, was in den Medien berichtet wurde. Dir war nicht bewusst, dass hier jemand um sein Leben kämpft. Aber eigentlich bin ich noch viel mehr auf mich selbst sauer. Als dein hyung ist es meine Aufgabe, auf dich aufzupassen, aber ich hab’s versaut. Ich war und bin dir kein guter Bruder.“ GD sah den anderen überrascht an, schüttelte den Kopf und griff instinktiv nach TOPs Hand. Er war keinen Deut schlauer aus dem Älteren geworden. Er wollte nicht von den Gefühlen sprechen, die er bei ihrem Kuss empfand und wollte auch nicht nach Seung Hyuns Beweggründen fragen. Er wollte nichts wissen. Er wollte lediglich, dass sich der Ärger um ihn in Luft auflöste und er endlich wieder auf die Bühne konnte. Er erwartete auch keine Erklärung von Tempo, auch wenn es ihn verwirrte und er bis an seine letzten Tage daran denken würde – er wollte nichts weiter, als in seinen geregelten Alltag zurück. Er sehnte sich danach, zurück auf die Bühne zu gehen und für die Fans zu singen, er sehnte sich sogar nach TV-Interviews und in sinnlosen Variety Shows aufzutreten. Er war Yang Hyun-Seoks Anweisung nachgekommen und hatte über viele Dinge in den letzten Tagen nachgedacht. G-Dragon war bewusst geworden, dass er Skandale absichtlich provozierte und das es ihm nicht im Geringsten interessierte, welch Schaden er mit seinen idiotischen Aktionen anrichtete. Er war selbstverliebt und arrogant, jedoch hatte er Seung Hyuns Hilfe benötigt, um diese Tatsache einzusehen. Er fragte sich, wann er sich so verändert hatte, wann er von seinen Vorsätzen niemals abzuheben, so abgewichen war. Es war für Ji Yong schwer zu verkraften, dass es trotz der Schlagzeilen um ihn, jemanden gab, den es noch schlechter ging als ihm selbst. Ihm war klar, dass er seinen Bandkollegen eine aufrichtige Entschuldigung und ein großes Dankeschön schuldete, denn ohne sie wäre er vermutlich geradewegs dem nächsten Ärger in die Arme gelaufen. Sollte seine Karriere widererwarten doch gerettet werden, so würde G-Dragon jede Menge Wiedergutmachung leisten müssen. Er atmete die kühle Luft ein, lief schweigend neben TOP her, der ebenso in Gedanken schien wie GD. Der Tag war auszerrend gewesen und G-Dragon hatte keine Kraft mehr, sich mit nur einer Frage noch auseinander zu setzen, doch schlichen sich die unbeantworteten Fragen immer wieder in seinen Kopf, denn es galt noch so viel zu verstehen. Er wollte verstehen, warum der junge Mann so leiden musste. Er wollte wissen, wer Jong Yoon Hwang all die Verletzungen zugefügt hatte. Er wollte wissen, weshalb man ihm die Schuld daran gab. Er wollte verstehen, was in den letzten Tagen, aber auch in den letzten Monaten schiefgegangen war, damit die Menschen glaubten, er hätte den Jungen zusammengeschlagen. Hinzu kam die ganze Sache mit TOP, die er noch immer nicht ansatzweise nachvollziehen konnte. G-Dragon kannte Seung Hyun nun bereits seit mehr als 5 Jahren und er gehörte zu seinen engsten Freunden. Sie alberten herum, während alle anderen schliefen und verschworen sich gegen Victory, wenn dieser wieder seine Bandkollegen nervte. Die beiden waren eigentlich unzertrennlich, deshalb war der Leader mehr als erschüttert, als Tabi ihn unentwegt angriff und beleidigte und für einen Moment hatte er wirklich geglaubt, dass Tempo ihre enge Beziehung zueinander lediglich gespielt hatte. Er verstand seinen hyung, denn wenn Seung Ri oder D-Lite in derselben, misslichen Lage gewesen wären, hätte er mit seinem Beschützerinstinkt auch auf diese Art und Weise reagiert. Aber auch wenn TOP die Streitereien zwischen ihnen mit seinen zugegeben äußerst ungewöhnlichen Worten geklärt hatte, so musste der Kuss – die Küsse – immer noch geklärt werden. Es interessierte GD nicht und dennoch war er neugierig, wie Tempo die Angelegenheit klären würde, falls er ihm überhaupt antworten sollte – G-Dragon war zwiegespalten. Selbst wenn TOP ihm eine Antwort auf die idiotische Frage gäbe, würde ihm diese – egal was er sagen würde – nicht gefallen. GD war sich jedoch sicher, dass ihn die Sache und auch sein Verhältnis Tabi gegenüber vollkommen verändern würden. Er war ein Mensch, der gerne Spaß hatte und andere küsste, jedoch geküsst zu werden, von seinem Bandkollegen – zweimal – und dann so zu tun, als sei nichts gewesen – das konnte selbst der Meister der Selbstverleugnung nicht vollkommen ignorieren. Aber er musste damit zurecht kommen und diese Sache runterschlucken, denn noch galt es seine Karriere zu retten und solange dies nicht geschafft war, musste er alle Kraft aufbringen, um durchzuhalten *~*~*~* Ji Yong war in den letzten Tagen kläglich gescheitert, seine eigene Gefühle und seine Verwirrung wegzusperren. Ungewollt schlichen sich die Gedanken, die er so sehr auszublenden versucht hatte, in seinen Kopf und ließen ihn keinen Moment mehr klar denken. Er aß nichts, schlief kaum und fühlte sich ausgelaugt. Er verlor die Kontrolle, hatte sie an TOP abgegeben, als er ihre Lippen miteinander verschloss. Wieder fühlte sich G-Dragon egoistisch, dachte an sich und an Seung Hyun und nicht an die Band. Egal, was er anstellte, es war im Nachhinein ohnehin verkehrt. Es würde den Sänger nicht wundern, wenn Tabi ihn absichtlich in dieser Verfassung ließ und ihn verwirrte – er fühlte sich wie TOPs Spielzeug, er kam sich benutzt vor. Tempo spielte nur mit ihm und wollte verhindern, dass G-Dragon wieder Erfolge feiern konnte – anders konnte er sich die gesamte Situation nicht erklären. Der Ältere schien vollkommen unbeeindruckt von den Küssen zu sein, behandelte ihn, wie er auch D-Lite, SOL und Victory behandelte. Nach dem Gespräch mit TOP war er tatsächlich der Überzeugung gewesen, dass zwischen ihnen alles geklärt sei und dass der Ältere sich nun wieder normal benahm. G-Dragon hatte seine Meinung seit dem Krankenhausbesuch unzählig oft geändert, seine Einstellung fiel mit seiner Laune, die ebenso sprunghaft war, wie das Wetter. Seine Bandkollegen fürchteten beinahe, ihr Leader sei schizophren, denn während er in der einen Sekunde voller Eifer und Freude an neuen Liedern schrieb, so war er in der nächsten in tiefer Trauer versunken. Seine Freunde waren besorgt um ihn. Young Bae versuchte sich als Zuhörer, Seung Ri mimte einen Psychiater und Daesung gab seinem Humor zum Besten. Lediglich TOP hielt sich wie so oft in den vergangenen Tagen von ihm fern. Eigentlich war es Tabis Meinung, auf die er am meisten Wert legte. Tempo war für ihn so etwas wie der zweite Bandleader, obwohl Taeyang diese Rolle innehatte. Während er an seinen hyung dachte, wurde ihm bewusst, dass das Verhältnis, das sie einst zueinander pflegten, lange nicht mehr existierte und alles, was zurückblieb war diese bittere Erkenntnis. Er verstand ihn nicht und würde dies auch niemals. Tabi hielt sich aus allen Angelegenheiten raus, provozierte einen Streit mit G-Dragon um ihn dann zu küssen. Für ihn besaß Seung Hyun ebenso eine gespaltene Persönlichkeit wie er selbst. Er fühlte sich alleine gelassen, obwohl seine Freunde – ausgenommen von TOP – ihm Hoffnung zu sprachen. Er seufzte, schlug den verschlossenen Briefumschlag immer wieder in seine verletzte Hand, studierte Buchstabe für Buchstabe, las den schwerlich leserlichen Absender und den in großen Lettern geschrieben Empfänger. Genau in diesem Moment hätte er nichts lieber getan, als TOP ins Gesicht zu schlagen und ihn dafür zu strafen, dass er ihn so verwirrte. In dem riesigen Haus herrschte völlige Stille, selbst Gaho, Boss und Charlie waren mit ihren Besitzern rumbummeln oder Interviews geben – wegen Tabi wusste der Leader nicht einmal, wo sich seine Bandkollegen derzeit befanden. G-Dragon hasste TOP dafür, dass er ihn küsste und alle anderen, wichtigen Dinge wie eine Seifenblase zerplatzen ließ. Er hätte die Zeit nutzen sollen um nachzudenken und an alles, an das er bisher gedacht hatte, war an Seung Hyun. Jetzt, da er den Brief, vor dem er sich am meisten gefürchtet hatte, in seinen Händen hielt, wurde ihm bewusst, wie gleichgültig er TOP sein musste. Doch egal, wie lange er das kleine Sichtfenster auf dem grauen Umschlag mustern würde, er käme nicht herum, den Brief zu öffnen. G-Dragon musste nicht hellsehen, um zu wissen, was der abgehetzte Kurier ihm überbrachte. Er musste nicht auf den Absender schauen, um zu wissen, wer ihm diese eilige Nachricht überbrachte. Yang Hyun-Seok hatte ihn vorgewarnt und es war tatsächlich so gekommen, wie es der CEO vorhergesagt hatte. G-Dragon legte den Kopf in den Nacken, sah verzweifelt zur Decke und schüttelte den Kopf. Er kam nicht darum herum und er musste den Brief öffnen. Sein Zeigefinger schob sich zittrig unter den Klebestreifen und zog zaghaft an der Knickfalte. Das Papier riss Stück für Stück und das Geräusch war ohrenbetäubend für Ji Yong. Achtlos warf er den Briefumschlag auf den Wohnzimmertisch und entfaltete das Papier. Er überflog Zeile für Zeile, studierte jedoch jedes einzelne Wort. Er lachte traurig auf, zerknüllte den Brief und warf ihn auf den Boden. Ihm war schlecht und er war allein, niemand war da, um ihn zu trösten. Er zog die Beine an, schlang die Arme um diese und legte seinen Kopf auf die Knie. Seine Augen fixierten einen imaginären Punkt auf dem hellen Parkettboden an. Es war vorbei und das wusste G-Dragon auch. Er hatte diesmal vollkommen übertrieben und sich bei der Pressekonferenz nicht die Mühe gemacht, seinen Ruf reinzuwaschen und lediglich ein Wunder würde ihn den Kopf retten. Doch sein Wunder würde ausbleiben, seine letzte Hoffnung kämpfte in dem Krankenhaus ums Überleben und gegen zwei Zeugenaussagen konnte selbst der Bandleader von Big Bang nichts ausrichten. Berühmtheiten waren nicht unantastbar, waren vielleicht sogar angreifbarer als jeder andere Bürger. Die Menschen hielten ihn sowieso für arrogant und abgehoben, niemand hatte also einen Grund, ihm zu glauben. „Was mach‘ ich jetzt nur? Aish“, er vergrub das Gesicht in seinen Armen und presste die Lippen aufeinander. „Du bist wie jeden Tag topmotiviert, was? Hast es ja nicht einmal geschafft, dich umzuziehen. Du bist ziemlich faul, weißt du das eigentlich?“ G-Dragon seufzte, schüttelte nur den Kopf. Er begann tatsächlich den Bandältesten zu hassen. Immer, wenn er es am wenigsten erwartete, tauchte Tabi auf und mischte seine Gefühle durcheinander. Er fragte sich, ob der Rapper irgendwo Kameras aufgestellt hatte, um den perfekten Moment seiner übertriebenen Auftritte abzupassen. Wie aus dem Nichts tauchte er ständig und überall auf – in seinen Gedanken, in seinen Träumen und nun war TOP wieder hier und stand wahrhaftig vor ihm. Seung Hyun war immer da, wenn Ji Yong zusammen zu brechen drohte und den Halt verlor. Er wusste nicht, wie TOP es anstellte, aber er war immer und überall da, wenn es G-Dragon schlecht ging. Er munterte ihn auf, wobei der Leader in den letzten Tagen nach ihren Begegnungen durch den Wind war. Das Ganze führte soweit, dass er an seiner eigenen Wahrnehmung zweifelte und sich allen Ernstes fragte, ob er sich die ganze Situation mit TOP nur einbildete und einredete. Sollte dies der Fall sein – würde er es sich einbilden, so wäre er verrückt – entspräche dies der Wahrheit, dann wäre die Situation unerklärlich – würde er behaupten, dass seine Fantasie ihm einen Streich spielte und es daran lag, dass er in dem Bandhaus eingesperrt war. GD hob kurz den Kopf und beobachtete, wie TOP sich auf den Holztisch ihm direkt gegenüber niederließ, die Hände lässig in den Jackentaschen vergraben. Es wäre das Beste für alle, wenn Tabi einfach nur verschwinden würde, denn G-Dragon konnte nicht garantieren, sich mit seiner Wut auf ihn zurückzuhalten und ihm nicht einfach die Faust in sein leichtes Grinsen zu rammen. Er sah seinen Freund nicht an und verfluchte ihn, als er jedoch Papier rascheln hörte, riss er den Kopf nach oben. „Du hast Post bekommen? Warum hast du mich nicht angerufen? Weiß YG Papa schon Bescheid? Hey GD, ich red‘ mit dir! Zieh‘ nicht ständig so ein Gesicht, das macht Falten.“, es brauchte nicht mehr viel und G-Dragon würde den Älteren tatsächlich schlagen. Er griff nach dem Papier. „Erstens, geht dich das nichts an. Zweitens, du tauchst doch sowieso immer aus dem Nichts auf, warum sollte ich dich also anrufen? Und außerdem habe ich den Brief vorhin erst bekommen und noch gar nichts deswegen gemacht. Warum tust du das eigentlich? Warum bist du eigentlich schon wieder hier?“ Seung Hyun sah den Jüngeren fragend an, faltete die Arme vor der Brust und grinste. Er beugte sich nach vorn, sein Gesicht war nahe an G-Dragon und nahm die Fernbedienung vom Sofa. Spätestens jetzt war sich der Jüngere sicher, dass TOP ihn mit Absicht so behandelte. Er verzog das Gesicht und konnte schwerlich begreifen, wie Tabi in solch einer ernsten Lage nun fernsehen wollte. Er wollte ihm wirklich die Karriere versauen. Ji Yong verstand nicht, was er bei dem Älteren falsch gemacht hatte. Tempo trat ihn mit den Füßen, um ihn dann zu küssen und dann wieder von der Klippe zu stoßen. G-Dragon hasste es, so herum geschubst zu werden. Er wollte nichts anderes, als den Kuss zu vergessen, aber er scheiterte. Er musterte TOP wütend, als er den Fernseher einschaltete und sich wieder provokant vor ihm setzte und ihn direkt ansah. GD schüttelte den Kopf, fragte sich, weshalb Seung Hyun den Plasma-TV einschaltete, dann aber nicht hinsah. „Überraschende Wende im Fall G-Dragon. Wie die Polizei heute Morgen in einer Pressemitteilung bekannt gab, wurden die Anschuldigungen gegen den Sänger zurückgewiesen. Laut der Mitteilung hieß es, dass sich das Opfer weites gehend von den schweren Verletzungen erholt habe und die Ärzte den jungen Mann vor zwei Tagen aus dem künstlichen Koma erwecken konnten. Bei der anschließenden Polizeibefragung, die heute stattgefunden haben soll, widersprach er den Aussagen der Zeugen. In wie weit diese als glaubwürdig anzusehen sind, will die Staatsanwaltschaft prüfen. Sollte es sich herausstellen, dass die beiden einzigen Zeugen in den Fall Falschaussagen getroffen haben, so droht ihnen eine strafgerichtliche Verfolgung. Auf Anfrage der Redaktion reagierte weder die Polizei, noch der Musikgigant YG Entertainment. Es bleibt also offen, wer zum neuen Verdächtigenkreis gehört und wie weit die Ermittlungen bisher fortgeschritten sind.“ Ji Yong blickte regungslos auf den riesigen Flachbildschirm, starrte regelrecht Löcher durch das Glas und versuchte das Gehörte zu verstehen und zu realisieren, was die übertrieben geschminkte Moderatorin von ihrem Teleprompter abgelesen hatte. Er hörte zwar zu, aber verstand keineswegs die Worte. Es war, als hätte man ihn in Watte gepackt und er sah weitentfernt auf den Fernseher und auf seinen eigenen Körper. TOP wusste es – er hatte gewusst, dass es in den Nachrichten lief und zumindest die Rettung seiner Karriere in Aussicht war. Seung Hyun wusste von der Pressemitteilung und wusste von den Berichten und wusste, dass sein Ruf und die Band nicht am Ende waren. Tabi tat es absichtlich. Spielte mit ihm und provozierte ihn, um dann auf diese völlig idiotische Idee die Bombe platzen zu lassen, dass die Ermittlungen gegen ihn zwar nicht beendet, jedoch in eine andere Richtung gelenkt würden. Tempo sah ihn fragend an, dann wank er mit der Hand vor G-Dragons Gesicht und hob misstrauisch die Braue hoch. GD blinzelte verwirrt, dann lachte er erleichtert auf und zog TOPs Gesicht nahe an seines. Überschwänglich presste er die Lippen auf die des Älteren. Und plötzlich verstand er den Älteren ein bisschen besser. Seung Hyun hatte genauso wie er selbst aus reinem Instinkt gehandelt. Als Ji Yong von den freudigen Nachrichten gehört hatte, griff er automatisch nach dessen Gesicht und küsste ihn. Es war ein Impuls gewesen, wie sie es zuvor auch bei TOP gewesen waren. Beide handelten aus einem Reflex heraus, wenn sie sich gegenüber standen. Alles was sie taten, war auf ihr Bauchgefühl zu hören und ihren Drängen nachzugehen. Auch wenn ihre Bedürfnisse anders waren, so war es befriedigend für ihn zu spüren, wie TOP den Kuss leidenschaftlich erwiderte und ihn in das Sofa presste. Er verstand nicht, was mit ihnen passiert war, er verstand nicht, warum sie sich küssten, als seien sie ein Paar und er verstand nicht, weshalb sie es taten, aber es fühlte sich überwältigend an. Sie hatten sich beide verändert, seine Gefühle für Seung Hyun hatten sich geändert. Er überlegte, wann er in TOP den Freund verloren hatte, den er so sehr schätzte. Während sie sich küssten und Ji Yong immer tiefer in die weichen Kissen gedrückt wurde, fragte er sich, in wie weit sie die Grenzen überschritten und ab wann die komplette Zerstörung ihrer Freundschaft begann. Aber es war egal, denn alles, was seine Gedanken beherrschte war diese unbändige Leidenschaft, die er zuvor nicht gespürt hatte. Ihre Berührungen waren intensiver, der Kuss langanhaltender und es fühlte sich an, als wäre GD nicht der einzige, der seinem Gefühl folgte. Er wollte nicht an die Zukunft denken und wie es mit seiner Karriere und mit TOP weiterging. Er wollte nicht weiterdenken, als nötig und wollte den Moment voll auskosten und genießen. Ihm war die Zukunft egal, denn wenn er heute scheitern würde, wäre die Zukunft auch nichts weiter als eine wage Erscheinung am Horizont. Er keuchte, spürte TOPs gierige Lippen an seinem Hals und wusste, dass die Zukunft etwas war, das vorerst unerreicht war. Solange würde er auf seinen Instinkt hören und jede Minute auskosten, die man ihm gab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)