Azrael und Simon von Drifter ================================================================================ 1 - Azrael und Simon Ort der Handlung ist ein Krankenzimmer. Eine Seite ist eine große Fensterfront, in der gegenüberliegenden Wand ist die Tür. Neben der Tür ist ein Wandschrank. Im Zimmer steht ein einzelnes Krankenbett, in dem ein Komapatient liegt. Er ist an lebenserhaltende Systeme angeschlossen. Die Tür zum Wandschrank geht langsam auf und ein Mann steigt ins Zimmer. Aus dem Augenwinkel heraus scheint er vollkommen normal zu sein, aber bei genauerer Betrachtung fallen seltsame Details ins Auge. Auf dem Rücken hat er zwei Stümpfe; wie Flügel, die ihm erst vor kurzem ausgerissen worden sind. Die Stümpfe bluten immer noch. Eine schwarze Substanz läuft aus den Wunden. Alle Körperflüssigkeiten scheinen schwarz zu sein, denn seine Augen sind ebenfalls von einem öligen Film bedeckt. Jedes Mal, wenn er den Mund öffnet, kann man sehen, dass seine Zähne und Zunge genauso ölig sind. Bis auf eine Hose hat er keine Kleidung. Der Mann geht zum Bett, schnüffelt an dem Patienten und streckt die Hand zu seiner Brust aus. Er zögert kurz und streckt die Hand erneut aus. Eine Stimme stoppt ihn. „Lass die Seele in Ruhe!“ Die Stimme ist ruhig, melodisch aber auch kräftig. Der Mann grinst ölig und blickt auf. Am Fenster steht ein anderer Mann, ganz in weiß gekleidet und blickt auf die beiden herab. Azrael weicht nur einen Bruchteil zurück. Azrael: „Oh, sieh mal einer an, was die Katze rein geschleppt hat. Simon.“ (Azrael lacht) „Simon, Simon, Simon. Nun, Bruder, was führt deine ach-so-heiligen Füße hierher? Hm?“ Azraels Stimme ist von einem bedrohlichen Zischeln durchdrungen. Obwohl auch sehr ruhig ist sie bedrohlich und auf schauerliche Weise beruhigend. Simon: „Das weißt du doch ganz genau, Azrael. Du hast hier nichts zu suchen. Du hast auf diese Seele keinen Anspruch.“ Simon spricht durchgehend ruhig und leicht monoton. Ihre Stimmen mögen mal ähnlich geklungen haben, aber die Kluft ist unüberhörbar. Azrael: „Jetzt komm du mir bloß nicht so. Laut der Übereinkunft haben sich beide Seiten von den Sterblichen fernzuhalten. Dass WIR uns nicht daran halten würden, war ja wohl klar. Aber DU bist auch hier.“ (Er lacht wieder. Azrael lacht häufig, aber eher leicht. Es hört sich nach Schadenfreude an.) „Weiß ER davon. Natürlich weiß er davon. Blöde Frage. ER weiß schließlich alles. Auch dass du hierher wolltest. Und dennoch hast du den Vertrag verletzt. Nun? Was sagt das über dich aus? Hm?“ Simon: „Auch du hast den Vertrag verletzt.“ Azrael (winkt ab): „Natürlich. Das wird doch schon fast von uns erwartet. Aber egal. Soll nicht mein Problem sein. Und auch nicht deines. Apropos Problem.“ Beides sehen gleichzeitig auf den Körper. Azrael grinst Simon hämisch an. Azrael: „Du erhebst Anspruch auf diese Seele? Na, dann hol sie dir. Ich halte dich nicht auf. (Bedrohlich) Jedenfalls jetzt noch nicht.“ Azrael tritt vom Bett zurück und macht Simon Platz. Dieser legt seinerseits seine Hand auf die Brust des Patienten und schließt seine Augen. Nur zwei Sekunden später öffnet er sie wieder mit einem überraschten Gesichtsausdruck. Azrael bricht in Gelächter aus. Azrael: Ja! JA! Endlich. So viele Jahrhunderte warte ich und beobachte und endlich sehe ich einen Engel, der völlig überrascht ist. Voll vor den Kopf gestoßen. Haha. Hey, Simon. Mach mal ein dummes Gesicht. Danke, langt schon.“ Azrael lacht unkontrolliert weiter. Plötzlich geht die Tür auf und eine Krankenschwester kommt herein. Das erst lässt den Dämon innehalten. Die Schwester ist etwa mittleren Alters. Schwester: „Wer sind sie? Was machen sie hier? Es sind keine Besuche… Heilige Mutter Gottes!“ Sie nimmt die Hände vor den Mund und reißt die Augen auf. Azrael: „Na, die wird ihm hier auch nicht helfen.“ Simon: „Azrael!“ Azrael: „Was denn? Ist doch wahr.“ Simon: „Azrael. Ich glaube, sie kann uns sehen.“ Azrael (sarkastisch): Oh, meinst du wirklich? Sie kann uns sehen?“ Simon (leicht ärgerlich): „Ich meine, sie kann uns als das sehen, was wir wirklich sind.“ Azrael schaut die Schwester an und schnüffelt. Er schnüffelt weiter, während er auf langsam auf sie zugeht. Plötzlich nagelt er sie an der Wand fest. Mit beiden Händen stützt er sich ab, die Schwester dazwischen. Ihre Gesichter sind nur Zentimeter voneinander entfernt. Simon: „AZRAEL!“ Azrael (dreht nur den Kopf zu Simon): „Ich bin gleich wieder bei dir, Flügelträger. Aber bis dahin: LECK MICH AN MEINEM PELZIGEN ARSCH UND HALT’S MAUL!“ (er sieht wieder die völlig verängstigte Schwester an und grinst hämisch) „So, und jetzt zu uns.“ Mit geschlossenen Augen nimmt er noch mal einen tiefen Zug durch die Nase. Azrael: „Jaa. Kein Wunder, dass du uns sehen kannst, nicht wahr? Du stinkst nach Hölle.“ Mit einem Ruck reißt er eine Hand von ihr hoch. Am Handgelenk sind alte Schnittnarben zu sehen. Azrael (lachend): „Na, schau mal einer an, was wir hier haben. Eine Selbstmörderin. Wolltest dich vor Jahren umbringen und hast dir die Pulsadern aufgeschnitten. Du warst zwar tot, aber man hat dich zurückgeholt. Für einen kleinen Blick in die Hölle hat es aber allemal gereicht. Und DAS hat dich so erschreckt, dass du jetzt versuchst, dir mit guten Taten einen Platz im Himmel zu erkaufen. Simon: „Azrael.“ Azrael: „Aber weißt du was? So funktioniert das nicht. Einmal Selbstmörder, immer Selbstmörder. Du..kannst..dich..nicht..erlösen.“ Simon: „Azrael!“ Azrael: „WAS IST?“ Simon klopft zweimal gegen das Metall des Bettes. Azrael: „Ach ja. Da war ja noch was.“ Jetzt nimmt er die Hände von der Wand. Er geht zurück zum Bett und als er sich umdreht sieht er nochmal zur Schwester, die es immer noch nicht gewagt hat, sich zu bewegen. Azrael: „Du. Setzen. Rand halten.“ Ohne den Blick von dem Dämon zu wenden, setzt sie sich auf den einzigen Stuhl im Zimmer. Simon: „Und was machen wir jetzt wegen der Seele?“ Azrael: „Wir könnten eine Münze werfen.“ Simon: „Nein. Ich verabscheue Glückspiele. Außerdem würdest du betrügen. Und so würde es sowieso nicht funktionieren.“ Azrael: „Ich hasse es das zu sagen, aber du hast recht.“ (grinst)“In allen drei Sachen.“ Schwester: „Darf ich fragen, was das Problem ist? Natürlich nur, wenn es nicht zu anmaßend ist.“ Azrael (verdreht die Augen): „Oh, Gott, es spricht.“ Simon: „Azrael!“ (zur Schwester) „Wir sind beide hier, um die Seele dieses armen Kerls einzusammeln. Allerdings befindet sie sich in perfektem Gleichgewicht. Keiner von uns kommt an sie heran.“ Die Schwester schaut Simon völlig verständnislos an. Azrael: „Meine Fresse. Seht sie euch an. Die Beschützer der Menschheit. Die Wächter des Guten. Zu dämlich mit denen zu reden, die sie beschützen wollen.“ (zur Schwester) „Okay. Hör zu. Die Buddhisten haben mit ihrem Karma-Konzept schon eine richtig gute Vorstellung von dem, was wirklich abgeht. Stell dir die Seele eines Menschen wie eine Waage vor, auf die Murmeln gelegt werden. Jede böse Tat ist eine schwarze Murmel.“ (Azrael holt eine schwarze Murmel aus einer Hosentasche hervor.) „Und jede gute Tat ist eine weiße Murmel.“ (Mit der anderen Hand holt er eine weiße Murmel aus seiner Hosentasche.) „Und unser Dornröschen hier hat in seinem Leben genauso viele schwarze, wie weiße Murmeln gesammelt.“ (Dabei legt er dem Patienten je eine Murmel auf ein Auge.) „Das bedeutet, dass keine Seite sein Recht auf diese Seele geltend machen kann. Sie hängt in dem Körper fest und keiner von uns wird eher gehen, als bis er die Seele gesammelt hat.“ (Azrael seufzt.) „Zwickmühle. Scheiße.“ Simon nimmt hastig die Murmeln von den Augen des Patienten und steckt sie weg. Schwester: „Also müsste er noch eine gute oder schlechte Tat vollbringen, damit einer von euch ein Anrecht auf seine Seele hat.“ Azrael (zu Simon): „Siehste. Jetzt hat sie es kapiert.“ Simon: „Also ich habe eigentlich mit dem Gedanken gespielt, mit ihm selber zu reden.“ Azrael: „Oh, ja! Sicher doch! Fragen wir ihn! Warte mal.“ (Azrael beugt sich zum Patienten runter und klopft auf seinen Kopf) „Hallo? Hallo! Ist jemand da? Ich hätte da mal eine kleine Frage. Hallo-ho“ (beugt sich hoch und sieht Simon an) „Hast du das gehört? Tut, Tut, Tut. Kein Bewusstsein unter diesem Schädel. DU VOLLIDIOT. Der steckt im Koma! Du kannst erst mit ihm reden, wenn er tot ist. Und das wird nicht geschehen, bevor es eine Entscheidung gibt. Himmel. Ich bin schon seit Ewigkeiten kein Engel mehr und selbst ich weiß das noch. Was macht ihr denn den ganzen Tag da oben?“ Simon sieht beschämt zu Boden. Er sieht wieder auf als Azrael sich erneut an die Krankenschwester wendet. Azrael: „Du. Warum bist du hier?“ Simon: „Azrael!“ Azrael: „‘Azrael‘ mich nicht an. Hör endlich auf meinen Namen so oft zu benutzen. Nachher nutzt er sich noch ab und dann stehe ich ohne Namen da. Wie sieht denn das aus.“ (zur Schwester) „So, nochmal. Warum bist du hier? In diesem Zimmer, meine ich. Wegen uns definitiv nicht. Die Schwesternstube ist am anderen Ende des Ganges und ihr hättet uns unmöglich hören können.“ Die Schwester will gerade fragen, woher er das mit der Schwesternstube weiß, aber der Dämon wirft ihr nur einen „Vergiss-nicht-mit-wem-du-redest“-Blick zu. Schwester: „Ich wollte eigentlich den Status des Patienten überprüfen. Er ist seit bereits drei Monaten hier.“ Simon: „Ist das von Bedeutung?“ Schwester: „Oh ja. Laut seiner Familie hat er strikte Anweisung gegeben. Sollte er jemals aus irgendwelchen Gründen auf lebenserhaltene Systeme angewiesen sein, so solle man sie sofort abschalten. Seine Familie wollte ihm aber noch unbedingt drei Monate Zeit geben.“ Azrael: „Moment! Wie war das? Die Anweisung kam von ihm selbst?“ Schwester: „Oh ja. Offensichtlich hat er sie gegeben, als er noch wach war.“ Azrael (lacht): „Ja. JA! JA! Weißt du, was das heißt, Simon? Er hat selbst die Anweisung gegeben, dass er sterben will. Das bedeutet, er ist ein Selbstmörder. Ein Selbstmörder! SEINE SEELE GEHÖRT MIR!“ Azrael lacht immer noch, als die Schwester sich zu Wort meldet. Schwester: Na ja. Eigentlich ist er ja schon tot. Hirntot. Nur noch der Körper arbeitet. Es ist also eher sowas wie ihn gehen lassen. Außerdem hat er einen Organspendeausweis. Er kann dadurch noch vielen anderen Kranken helfen.“ Azrael: “Ha-Ha, Ho-Ho, Hi-… Moment. WAS?“ Die Schwester sieht in mit einem unverhohlen schadenfrohem Blick an, Sie weiß, was das heißt. Schwester: „Er hat einen Organspendeausweis. Und sein Herz ist bereits verplant.“ Simon hat bereits seine Hand auf die Brust des Patienten gelegt und ein helles Licht scheint darunter hervor. Azrael: „Nein. Nein! VERDAMMTE SCHEISSE! NEIN!“ Beim letzten ‚Nein‘ schlägt er mit der Faust in die Tür des Wandschranks und zerbricht sie dadurch. Azrael: „Na toll. Heute ist nicht mein Tag. Erst verliere ich die Seele. Und dann zerstöre ich auch noch meine Tür zurück. Jetzt muss ich mir einen anderen Weg suchen.“ Erst jetzt wagt es die Schwester, aufzustehen. Azrael steckt die Hände in die Taschen und schlendert zur Tür. Beider Schwester hält er noch kurz an und grinst sie nochmal ölig an. Das schwarze Blut läuft an seinem Rücken runter. Azrael: „Oh, mach dir keine Hoffnungen, Laura. WIR…sehen uns definitiv wieder.“ Als er den Schrecken in ihren Augen sieht, fängt er laut an zu lachen. Ein böses Lachen, das jedem der es hört, eine Gänsehaut beschert. Lachend verlässt der Dämon das Zimmer durch die Tür und verschwindet außer Sicht. Als sie wieder zum Patienten sieht, ist auch der Engel verschwunden. Die Systeme zeigen an, dass jetzt auch der Körper seinen Dienst versagt hat. Der Patient ist tot. Die Schwester ist allein im Zimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)