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Shahar - Light in the Darkness

Akt I ♥ Alle Dunkelheit der Welt kann nicht das Licht einer einzigen Kerze löschen.
von

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Legend

Legende
 


 

Vor 120 Jahren betraten das erste Mal, nach dem Zeitalter des Alten Königreiches und der langen Geschichte dieser Lande, Menschen den Kontinent Shahar. Sie begannen aus dem weißen Granit, den sie mitgebracht hatten, auf der Ebene von Silberquell eine Stadt zu errichten.

Es sollten 20 Jahre vergehen, bis die Arbeiten abgeschlossen werden konnten und ihr der Name Varanas gegeben wurde.

In den folgenden 100 Jahren blühte die Stadt zu ihrer jetzigen Form auf. Währenddessen regelte der selbsternannte Vorstand der Menschen die Angelegenheiten der Stadt mit fester Hand, obwohl sie stets verkündeten, diesen Ort nur als Basis nutzen zu wollen.

Jedoch hatten sie ihre Rechnung ohne die Einwohner von Shahar gemacht.
 

Der Rat von Shahar war über die Niederlassung der Menschen nicht begeistert. Sie fühlten sich um ihren Lebensraum bedroht, zu Recht, und die Geschichte ihrer Vorfahren schürfte die Angst vor den Menschen in ihren Herzen.

Die Menschen erkundeten noch in der Bauphase ihrer Stadt das Land und seine verschiedenen Gebiete und steckten sich Ziele, in welcher Reihenfolge sie welches Gebiet den Bewohnern entreißen wollten.

Ja, die Menschen hatten keine guten Absichten, genauso wenig wie damals. Und das wusste sogar der Rat von Shahar.

Deswegen griffen die verschiedenen Wesen eines Nachts die, noch unfertige, Stadt an und töteten Tausende. Die Population der Menschen sank stark.

Ebenso hinterließ der Rat eine Nachricht, in der die Menschen gewarnt werden sollten. Seit der Fertigstellung von Varanas verließen nur wenige Menschen die Stadt. Nun waren sie Gefangene ihrer eigenen Stadt.
 

Doch dann verschwand urplötzlich die Ratsführerin, die alles unter Kontrolle gehalten hatte, und die Ratsmitglieder beschuldigten sich gegenseitig ihres Mordes.

So zerstritten sie sich nach und nach, bis ein Krieg ausbrach.

Ein Krieg zwischen den Drachen aus dem Drachenzahngebirge,

den Harpyien aus der Sascilia Canyon,

den Wandlern aus dem Aslan Tal,

den Engeln aus dem Ystra-Hochland,

den Lichtelfen von der Elfeninsel,

den Nixen von der Küste der Wehklagen,

den Vampiren aus der Verlassenen Abtei,

den Feen und Dunkelelfen aus den Wilden Landen,

den Dämonen aus dem Aotulia Vulkan

und den Werwölfen aus den Heulenden Bergen.

Doch niemand wusste, wer für das Verschwinden ihrer Ratsführerin verantwortlich war und vor allem wusste niemand, wo sie war oder, ob sie überhaupt noch lebte. Bis heute.
 

Die Menschen, die bei diesem Krieg tatenlos zusehen mussten, wollten endlich etwas ändern, allen voran ihr Vorstand. Sie hatten es satt, wie unnützes Vieh behandelt zu werden, und wollten etwas bewegen. Genauso war ihre Wissensgier riesig und ohne die Stadt verlassen zu können, würden sie diese nicht stillen können. Sie mussten wissen, was vor ihrer Ankunft in Shahar passiert war. Denn es wurde gemunkelt, dass vor ihnen schon einmal Menschen das Land in ein riesiges Chaos gestürzt hatten.

Doch um das herauszufinden mussten sie zunächst einmal die verschollene Ratsführerin finden und genau dies machten sie sich zur Aufgabe.
 


 

Noch früh am Morgen, und vor Sonnenaufgang, war es, als sich der Vorstand in den Hallen der weißen Kathedrale traf, um über ihr weiteres Schicksal zu entscheiden. Er bestand aus sechs Personen, davon waren vier Männer und zwei Frauen. Zwei von den sechs kamen aus herrschenden Familien, der Rest waren angesehene Menschen dieser Stadt.

Sie saßen an einem runden Tisch. Über ihnen schwebte das Herzstück der Stadt, ein violetter Diamant, der sich um sich selbst drehte und für das gewisse Licht im Raum sorgte.

„Wir müssen endlich handeln“, begann Dwight, der einer der vorherrschenden Familien angehörte. „Es kann nicht ewig so weitergehen, dass wir uns unterdrücken lassen.“

Krispin, der Meisterschmied, und der wesentlich mehr auf dem Boden geblieben war, als Dwight, antwortete ihm: „Und was schlägst du vor?“ Dwight schien nichts einzufallen, weil er schwieg. „Siehst du.“

„Aber es kann auch nicht sein, dass wir so hohe Steuern an sie zahlen müssen. Unsere Jugend kann auch nicht richtig ausgebildet werden“, warf Isis ein, welche Schneidermeisterin war und sämtliche Gewänder und Kleidung für die Menschen aus Varanas entwarf.

„Außer für das Militär und die Außenposten“, antwortete Reik, „und viele trauen sich nicht, da sie leben wollen anstatt sofort umzukommen.“ Reik war Juwelier und war sehr gefragt, wenn es um Hochzeiten ging. Da er und seine Frau keine Kinder haben konnten, haben sie vor fast 18 Jahren ein Mädchen bei sich aufgenommen, welches vor den Stadttoren ausgesetzt worden war.

„Wenn wir nur irgendwie verhandeln könnten“. In Isis Stimme war Verzweiflung herauszuhören.
 

„Hattest du nicht gesagt, du hast eine Idee?“, wandte sich Reik an Ovid, der Oberoffizier des Militärs, welcher bisher geschwiegen hatte.

Doch jetzt meldete er sich zu Wort: „Die hab ich, in der Tat. Vjosana hat für mich nachgeforscht.“

Die letzte aus dem Vorstand erhob ihre glockenklare Stimme: „Ich hab etwas in den alten Mythen meiner Familie nachgeforscht und bin auf etwas gestoßen.“ Vjosana gehörte zur anderen herrschenden Familie, die in ihrem Stammbaum Hexen verzeichnen konnten. Auch sie war eine davon.

„Es gibt die Legende, dass eines Tages vor den Stadttoren ein Mädchen ausgesetzt werden würde und zu einer Pflegefamilie kommt. Das Land Shahar würde nur auf sie warten und nur sie wäre in der Lage, den Menschen die Freiheit zu geben, die sie verdienten.“

Als sie verstummte drehten sich fünf Köpfe zu Reik herum. „Ihr meint, es ist June?“

„Wir sollten es jedenfalls versuchen.“

Reik wurde auf Dwights Worte hin böse. „Aber sie hat keinerlei Ahnung davon. Sie hat weder eine kämpferische Ausbildung, noch kennt sie sich mit diesem Land aus. Ich hab ihr dieses Wissen stets verweigert und sie wollte es auch nicht erlernen.“

„Das ist dann jetzt ihr Problem.“

Reik entglitt ein Knurren und er musste sich zusammenreißen, nicht Dwight an die Gurgel zu gehen.
 

„Wir sollten nichts überstürzen“, warf Isis ein doch Dwight unterbrach sie: „Du kannst dich auch nicht entscheiden oder? Auf der einen Seite willst du, dass sich sofort etwas ändert, auf der anderen willst du warten.“

Isis Gesicht bekam einen wütenden Ausdruck. „Ich kenne June, sie hat bei mir schon gearbeitet und sie ist ein wirklich nettes Mädchen.“ Reik pflichtete ihr in Gedanken bei.

„Aber wir haben keine andere Wahl“, sagte Vjosana. „Wir sollten es wirklich probieren.“

„Das werde ich nicht zulassen, dass sie in ihr Unglück rennt!“ Reik war jetzt wirklich wütend und zeigte dies nun auch offen.

„Wir sollten abstimmen“, antwortete Krispin und Ovid drückte Reik wieder zurück in seinen Stuhl, da er aufgesprungen war.

Ovid erhob sich anschließend. „Also, wer ist dafür, dass wir June diese wichtige Aufgabe anvertrauen und sie es versucht?“

Dwight, Krispin und Vjosana hoben sofort die Hände. Ovid anschließend auch, was ihm einen vernichtenden Blick von seinem Freund Reik einbrachte.

„Und wer ist dagegen?“ Einzig allein Reik und Isis hoben die Hände. „Damit wäre es beschlossen.“

Reik wollte sofort wieder protestieren, aber Isis, die eben noch seine Verbündete war, fuhr ihm über den Mund. „Lass es, Reik. Es hat keinen Sinn.“

Enttäuscht von ihr ließ er sich zurück in seinen Sitz sinken.
 

„Dann ist es ja beschlossen“, sagte Dwight und stand auf. „Reik wird June gleich darüber informieren und noch am heutigen Morgen wird sie aufbrechen, um die Amulette zu sammeln.“

„Heute noch?“

„Ja, das ist das Beste.“ Damit verließ Dwight als erster die Hallen und einige der anderen schlossen sich an. Einzig allein Isis und Reik blieben noch.

„Es tut mir leid, dass du so deine Tochter verlierst.“

Reik nickte und stand auf. Er wusste, was June bevorstand. Und er wusste, dass niemand in den Landen von Shahar als Mensch überleben konnte. Vor allem dann nicht, wenn man über nichts aufgeklärt ist und keine Ausbildung hatte.

Es würde ihr sicherer Tod werden.

Mit diesem Gewissen verließ er die Hallen und die weiße Kathedrale und wappnete sich für das Gespräch mit seiner Adoptivtochter.

Indes bemerkte niemand, dass der violette Diamant stehen blieb.
 


 

To be continued.

Departure

Aufbruch
 


 

Es war ein Tag, der wie jeder andere begann. Nur er endete nicht so, wie ich es gedacht hätte.

An diesem Tag schreckte ich früh aus meinen Träumen hoch. Ich hatte, mal wieder, vom Ende der Welt geträumt. Apokalypse, Armageddon, Weltuntergang, Zeitenwende, die letzte Schlacht, das jüngste Gericht, wie auch immer man das nennen wollte.

Dabei kannte ich dieses Land, indem ich lebte, noch nicht einmal. Das einzige, was ich je von draußen gesehen hatte, waren Vögel und Bilder der Landschaft in der Schule. Ich wollte mich ja nicht einmal dem Stadttor nähern, so viel Angst hatte ich vor dem, was mich dort, oder da draußen, erwarten könnte.
 

Ich schlug meine Decke zurück und ging langsam zum Fenster. Die Sonne war gerade über dem Horizont erschienen und trotzdem war schon ein reges Treiben auf dem kleinen Marktplatz zu beobachten.

Händler von außerhalb hatten ihre Stände aufgeschlagen und boten ihre Waren an. Manche hatte ich noch nie vorher gesehen. Frauen und Kinder wanderten umher, besuchten Läden und kauften Sachen. Männer waren fast gar nicht zu sehen. Am Brunnen, der sich in der Mitte des Platzes befand, tollten Katzen mit einem kleinen Mädchen herum.

Kurz fuhr ich mir durch die Haare, als ich zu dem Hocker ging, auf dem meine frische Kleidung lag.

Nachdem ich mich angezogen und etwas frisch gemacht hatte, ging ich nach unten. Normal traf ich jeden Morgen meine Eltern an, nur heute nicht.

„Mom?“ Ich trat zögerlich in die Küche. „Dad?“ Niemand war zu sehen. Ich runzelte die Stirn. Waren sie so früh etwa schon unterwegs?
 

Ich hörte die Haustür zufallen und lief zurück in die Diele. Mein Vater streifte seine Schuhe ab und löste seinen Umhang von seinen Schultern, den Mitglieder des Vorstandes besaßen.

„Hi Dad.“ Er sah auf und schien überrascht zu sein, mich schon zu sehen. Komisch, sonst stand ich doch auch nicht später auf.

„June“, begann er. „Wir müssen reden.“

Erstaunt sah ich ihn an. „Ähm, okay. Wann denn?“

„Sofort.“ Er führte mich zurück in die Küche und wir setzten uns auf die gegenüberliegenden Stühle.

Zuerst schwieg er, während sein Blick auf der Tischplatte lag. „Es tut mir Leid, June.“

Jetzt war ich noch verwirrter als vorher. „Was denn?“

„Du bist nicht unsere Tochter.“ Mir klappte der Mund auf, nur er hob die Hand und sprach weiter. „Du wurdest als Säugling vor den Stadttoren gefunden und da ich zeugungsunfähig bin, haben wir dich aufgenommen.“

„Wann hattet ihr vor mir das zu sagen?!“, schrie ich aufgebracht.

„Wenn du soweit bist.“ Er nahm meine Hände in seine. „June, das wird zwischen uns doch nichts ändern. Du bist und bleibst meine Tochter.“

Knapp nickte ich. Meine Augen füllten sich mit Tränen, als mir etwas einfiel: „Was ist mit meinen richtigen Eltern?“

Bedauernd sah er mich an. „Das wissen wir nicht. Wir haben nie jemanden entdeckt und keinen gefunden, der dich damals vermisst hatte.“ Er drückte sanft meine Hände. „Es tut mir wirklich leid.“

„Schon gut.“ Ich entzog ihm einer meiner Hände und wischte mir die Tränen weg, die über meine Wangen kullerten. „Ich bin froh, bei euch aufgewachsen zu sein und nicht irgendwo anders.“

Reik rang sich ein kleines, gequältes Lächeln ab.
 

„Das war leider noch nicht alles.“

Leicht runzelte ich die Stirn. „Wie?“

„Gerade hatten wir eine Vorstandssitzung. Vjosana hat uns eine Sage erzählt. Ein Mädchen, welches vor den Stadttoren ausgesetzt wird als Säugling, sei in der Lage, uns die Freiheit zurückzubringen, die wir unbedingt wollen. Und dieses Mädchen sollst du sein.“

„Was…? Aber…woher wollt ihr das wissen?“

Reik sah plötzlich erzürnt aus. „Wir wissen es nicht, wir vermuten es nur. Die Abstimmung war vier zu zwei dafür, dass wir dich losschicken, um die verschollene Ratsführerin zu suchen.“

„Aber ich habe doch gar keine Ahnung von diesem Land!“ Schon fast hysterisch versuchte ich irgendetwas an der Entscheidung zu ändern. Aber das würde nicht gehen. Reik würde gern etwas ändern, dass wusste ich, aber allein konnte er nichts ändern.

Ich schloss die Augen. „Ich werde sterben, oder?“

„Ich hoffe es nicht, June. Es tut mir wirklich leid.“

„Du kannst nichts dazu.“

Wir sahen uns für einige Minuten einfach nur an. Dann stand er auf und schob seinen Stuhl, auf den er eben noch gesessen hatte, an den Tisch. „Mach dich bitte fertig. Zehn Uhr erwartet der Vorstand dich am Tor, um dir noch etwas zu erklären.“

„Ist gut.“ Dann ging Reik, derjenige, der nur noch mein Adoptivvater war. Ich konnte das alles noch nicht so wirklich glauben. Nichts von beiden. Ich hatte die ganze Zeit in einer Scheinwelt gelebt, die jetzt zur bitteren Wahrheit geworden war.
 


 

Zwanzig Minuten vor Zehn war ich beim Stadttor angekommen. Ich hatte mich noch mal umgezogen, wenn ich wirklich dieses Mädchen war, welches mein Volk befreien sollte. Egal ob ich es war oder nicht, ich musste gehen. Kein Weg führte daran vorbei.

Jedenfalls hatte ich mir feste Lederstiefel gesucht. Ein dunkelgrünes, einfaches Gewand, welches bis zu meinen Knien ging, zierte meinen Körper. An der Hüfte hielt ein Ledergürtel meine Hüfttaschen fest, in den ich wichtige Dinge verstaute. Mein größter Schatz war ein Bild mit meinen, nun, Adoptiveltern und mir selbst vor dem Brunnen in Varanas.

Ich sah mich um, wobei ich mich an die Wand lehnte. Sicherlich würde es nicht lange dauern und Mitglieder des Vorstandes würden herkommen.
 

Ich sah, wie zwei der Mitglieder bereits auf mich zukamen. Es handelte sich dabei um Isis, welche Schneidermeisterin von Varanas war und Ovid, einem Freund meines Vaters und Oberoffizier des Militärs.

„Kleines“, sagte Isis und umarmte mich kurz. Seitdem ich ein paar Mal bei ihr gearbeitet hatte, nannte sie mich immer so und behandelte mich wie ein kleines Mädchen. Ich mochte das nicht besonders, aber was sollte ich machen? „Es tut mir leid, was entschieden wurde.“

„Schon okay.“

„Hallo June.“ Ovid hielt mir die Hand hin. Ich nahm sie und schüttelte sie kurz. „Guten Tag.“

Nun kam auch der Vorsitzende, der den Namen Dwight trug und aus einer der vorherrschenden Familien kam, zu uns hinzu und mit ihnen Vjosana, die zur anderen Familie gehörte, welche Hexenblut in ihren Stammbaum besaßen. „Hallo June. Schön zu sehen, dass du abreisebereit bist.“

„Guten Tag“, antwortete ich nur kurz. Ich mochte Dwight nicht so besonders. Er war zu arrogant und alles schien nach seiner Pfeife zu tanzen. Das dachte er jedenfalls.

Vjosana lächelte mir kurz aufmunternd zu, sagte aber nichts. Wie es wohl als Hexe so war? In der Schule hatte ich gelernt, dass es angeblich neben den Hexen außerhalb unserer Stadt noch viel mehr andere Wesen gab. Ich habe dieses Fach namens Landeskunde gehasst wie kein anderes. Es gab keinerlei Beweise dafür und interessiert hatte es mich noch nie.

Aber nun würde ich die Stadt verlassen, auch wenn ich es eher muss als will. Und dann würde ich wissen, was die Wahrheit war und was nicht.

Die letzten beiden Mitglieder des Vorstandes, mein Adoptivvater Reik und der Meisterschmied Krispin gesellten sich dazu. Reik nahm mich selbstverständlich in die Arme und strich über meinen Rücken, während Krispin mich nur knapp begrüßte.
 

„Wir sollten dann anfangen, damit du so schnell wie möglich deine Aufgabe erledigen kannst.“ Dwight trat einen Schritt nach vorne. „June Eloise Ramis“, fing er an und im Inneren verdrehte ich die Augen. „Der Vorstand hat heute Morgen gemeinsam beschlossen, dich auf den Weg zu schicken, um uns den alten Ruhm zurückzubringen, den wir einmal besaßen. Deine Aufgabe wird es sein, in die verschiedenen Gebiete zu gelangen und von jedem Ratsmitglied von Shahar, sowohl den Segen für uns, als auch ein jeweiliges Amulettstück zu holen, welches der Anerkennung Beweis trägt. Dieses Amulett würde es uns ermöglichen, uns wieder frei in Shahar zu bewegen und einem Sitz im Rat anzustreben.“

Ich nickte nur, doch er sprach schon weiter. „In welcher Reihenfolge du die Stücke bekommst, ist egal. Hauptsache du kommst mit allen zwölf Amulettsplittern zurück. Was du wissen solltest ist, dass zwischen den verschiedenen Rassen nun selbst ein Krieg ausgebrochen ist. Die Ratsführerin von Shahar ist verschwunden und sie beschuldigen sich gegenseitig. Beleidige niemanden und vergiss niemals deine Aufgabe. Wir haben alle für dich Dinge, die dir deine Reise erleichtern sollte.“

Damit trat Dwight erst einmal zurück.
 

Die erste, die hervortrat, war Vjosana. Sie legte ihre Handfläche auf meine Stirn und murmelte Worte in einer anderen Sprache. Ich spürte, wie eine geistige Macht mich durchströmte. Für einen kurzen Moment fühlte ich mich unbesiegbar. Doch dann war es verschwunden und Vjosana sprach: „Ich habe dich gesegnet, June. Der Zauber wird zwar nicht ewig halten, aber in erster Zeit brauchst du keine Angst vor Gefahren haben. Die Götter sind auf deiner Seite.“

Als nächstes trat mein Adoptivvater selbst hervor. Er nahm eine meiner Hände und sah mir in die Augen. „June, mein geliebtes Kind. Ich möchte dir etwas geben, was ich schon seit längerer Zeit für dich angefertigt habe.“ Er hing etwas um meinen Hals, was an einer längeren Silberkette baumelte.

Ich besah es mir genauer. Es war ein wunderschönes Amulett aus blauem und grünem Diamant. Die Farben vermischten sich und es wirkte so, als leuchtete es von innen. Außerdem war oben ein Verschluss angebracht, was mit Sicherheit das Innere öffnete. „Es ist ein Amulett, in deinen Lieblingsfarben. Gleichzeitig sollst du darein die Splitter des Amulettes von Shahar tun. Es ist unzerstörbar und es soll dich gleichzeitig an mich, und an dein Leben hier, erinnern.“

Ein sanftes Lächeln glitt auf meine Züge und ich umarmte Reik. „Danke, dass bedeutet mir viel. Ich werde immer an dich denken.“

Er erwiderte die Umarmung kurz, ließ mich aber dann los und machte eine kleine Geste. Ich hatte ganz vergessen, dass die anderen Ratsmitglieder noch da waren. Entschuldigend lächelte ich noch einmal und wurde leicht rot. Anschließend trat Reik ebenfalls zurück.
 

Ovid war der Nächste, der vortrat. „Von mir bekommst du einige Waffen, die dir auf dem Weg helfen sollen.“ Dabei zog er einen Dolch aus seiner Halterung und reichte ihn mir. „Er ist leicht in der Hand, aber sehr spitz und scharf. Pass auf, dass du dich nicht damit schneidest und benutz ihn wirklich zur Verteidigung.“

Ich nickte und während ich dies tat, zog er einen Köcher von seiner Schulter. Ich sah, dass darin dutzende Pfeile waren und dazu reichte er mir einen Bogen. „Dieser Bogen ist aus Eichenholz, unmöglich zu brechen, leicht zu bedienen und geschmeidig im Schuss. Reik hat gesagt, du kannst gut zielen und angeblich schon einmal Bogenschießen gemacht?“

„Ja, vor ein paar Jahren in der Schule, habe ich so einen Kurs mitgemacht.“

„Verlernen tut man es nie.“

Ich nahm die beiden Sachen ebenfalls entgegen. „Danke.“

Er nickte knapp und trat zurück. Ich ließ den Dolch in seiner Halterung verschwinden, hing mir Köcher und Bogen um.

Danach kam Isis zu mir. Über ihrem Arm trug sie drei verschiedenfarbige Stoffe. „Kleines, ich hab für dich drei Kleider mitgebracht, damit du was zum Wechseln hast. Ich hoffe sie gefallen dir.“

„Das glaube ich, danke.“ Ich nahm die Kleider entgegen. Eines davon war kornblumenblau, welches sehr luftig geschnittene Ärmel hatte. Das zweite hatte einen dickeren Stoff und war rubinrot. Außerdem besaß es lange Ärmel. Das dritte Gewand hatte ein sanftes violett. Es hatte dreiviertellange Ärmel, war kürzer geschnitten – etwa knielang - und etwas bauschig an den Ärmeln und am Rock. Die verschiedenen Stoffe aller drei Kleider waren fließend und geschmeidig. Sie würden mich bei Bewegungen sicher nicht behindern.

Lächelnd verstaute ich sie in der kleinen Tragetasche, die mir Isis mitgegeben hatte und worin sich schon Wasser und etwas zu Essen befand, sowie ein Kamm, Haarnadeln und diverse andere Sachen, die man für den Körper gebrauchen könnte. Die Tasche trug ich über meiner rechten Schulter, Köcher und Bogen über der linken.
 

Als nächster war Dwight an der Reihe. Er hatte ein Pergament in den Händen und eine kleine Flasche. „Ich habe für dich eine Karte von Shahar. Die wichtigsten Standorte sind darauf eingezeichnet. Außerdem etwas Wundheilsalbe und ein Aufbautrank. Ich hoffe, es hilft dir.“

„Danke.“ Ich nahm die Sachen entgegen und verstaute sie so gleich in meiner Tasche.

Indes hatte ich gar nicht bemerkt, wie der letzte des Vorstandes, der Meisterschmied Krispin, verschwunden war.

Nun kam er wieder um die Ecke, aber nicht allein. Er führte ein Pferd an den Zügeln mit sich. Es war mit Ledersattel und Taschen ausgerüstet. Ein wunderschöner Schecke.

Krispin blieb vor mir stehen. „Er heißt Xanthos, fünf Jahre alt. Er soll dir die großen Entfernungen erleichtern. Auch, damit du schneller vorankommst.“

Mit leuchtenden Augen nahm ich die Zügel entgegen. „Vielen Dank.“

„Gern.“

Ich sah zu dem riesigen Geschöpf neben mir und streichelte über dessen Stirn. Während der Schulzeit hatte ich auch reiten gelernt. Es war eines der Hauptfächer der unteren Stufe gewesen. Ich war zwar nie die beste Schülerin gewesen, aber ich konnte mich wenigstens im Sattel halten.
 

Dwight trat wieder nach vorn. „So, June. Damit hätten wir dir fast alles erklärt und gegeben, was du für deine Reise brauchst. Auf deiner Karte wirst du dann den Weg sehen. Du solltest zunächst gen Süden gehen, durch die Landschaft von Silberquell hindurch, in die Heulenden Berge. Dort, in der Stadt Logar, wird Hilfe für dich bereit stehen und dich begleiten.“

Zum Schluss hielt er mir zwei Einbände entgegen, sowie einen Füllhalter mit einem Glas Tinte. Beide Sachen nahm ich, mit einer Hand entgegen, da ich mit der anderen Xanthos’ Zügel festhielt.

Auf meinen verständnislosen Blick über diese Dinge hin, erklärte er: „In einem der Bücher, welches Chroniken von Shahar genannt wird, stehen Landschaften, Wesen und ihre einzelnen Geschichten drin, die unser Land besitzt. Alles, was wir bisher in Erfahrung bringen konnten, wirst du in diesem Buch finden. Das andere Buch ist leer. Wir möchten, dass du dort deine Erfahrungen und neue Erkenntnisse verzeichnest.“

Ich nickte, überließ Dwight kurz Xanthos und verstaute die Dinge in meiner Tasche.

„Insgesamt wünschen wir dir ein gutes Gelingen, viel Glück und wir hoffen, dich bald gesund wieder hier zu sehen.“ Diese Worte kamen nicht von Dwight – so etwas würde er niemals sagen – sondern von Reik. Er und Isis lächelten mich an. Ein Abschiedslächeln.

Ich blinzelte eilig, da sonst Tränen über meine Wangen kullerten. Ich würde das ganze hier so vermissen. Meine Eltern, die mich, trotz dessen, dass ich es nicht war, wie ein eigenes Kind aufgezogen hatten und mir stets die Liebe gebracht hatten, die ich brauchte.

Sowie Isis, welche, trotz unseres großen Altersunterschiedes, eine gute Freundin geworden war.

Ich erwiderte das Lächeln der beiden und stieg in den Sattel. Nachdem ich Reik noch einmal gewunken hatte, trieb ich Xanthos an, in Richtung des Stadttores.

Ich würde Varanas nie wieder so antreffen, wie ich es verließ. Weil die Stadt und ich uns verändern würden.
 


 

To be continued.

Attacks

Angriffe
 


 

Im langsamen Schritt lief Xanthos durch den langen Vorhof zum Tor. Mein Blick ging starr gerade aus auf das, noch, geschlossene, massive Tor.

Hinter mir plätscherte der riesige Brunnen, der den Vorhof abschloss und dann mehrere Durchgänge ins Stadtinnere freigab. Dieser wurde von riesigen Säulen aus weißem Granit gesäumt.

Auch der Boden, auf dem wir uns bewegten, bestand aus weißen Granitsteinen. An den Wänden hingen Flaggen, Banner und Wappen, alle mit dem Zeichen der Stadt. Wachen schirmten die verschiedenen spitzbögigen Zugänge zur Stadt ab. Niemand sollte unbemerkt hineingelangen.

Die Decken waren sehr hoch gebaut. Das ganze wirkte nicht wie ein Vorhof, sondern wie ein kirchenähnliches Gebilde. Doch er war nichts gegen die weiße Kathedrale im Herzen von Varanas.

Die Flügel des gigantischen Tores öffneten sich und ich konnte meinen allerersten Blick nach draußen erhaschen. An das Tor schloss sich eine gebogene, weiße Brücke an, aus demselben Granit, aus dem Varanas bestand. Prunkvoll verziert säumte der Übergang einen Weg auf die andere Seite, auf den Boden Shahars.

Die Wachen wiesen mich mit Handzeichen dazu an, über die Brücke zu gehen. Ich trieb Xanthos wieder etwas an, und er schritt über die Brücke. Die Bäume auf der anderen Seite kamen mit jedem Schritt näher und mein Herz schlug jedes Mal ein bisschen schneller.

Schließlich waren wir am Brückenende angekommen und ich konnte schon hören, wie das Tor bereits wieder geschlossen wurde. Tief atmet drehte ich mich samt Xanthos noch einmal herum. Die Sonne stand hoch und brachte die Stadtmauer regelrecht zum leuchten. Das Stadttor, mit den beiden weißen Türmen, ragte vor mir empor. So schnell würde ich es wohl nicht wieder sehen, vielleicht nie wieder.

Mein Herz zog sich bei diesem Gedanken schmerzhaft zusammen. Meine Angst war noch niemals so groß. Ich kannte mich kein Stück in diesem Land aus, es war mir fremd. Und doch würde ich es ab jetzt bereisen, es gab kein zurück mehr.
 

Ich drehte meiner Heimat den Rücken zu und kramte die Landkarte aus meiner Tasche. Da ich vor einer Weggablung stand, war ein Blick darauf bitter nötig. Der linke Weg würde mich Richtung Süden führen, wie es Dwight von mir verlangte, der andere gen Norden.

Ich verstaute die Tasche und lenkte Xanthos auf den linken Weg. Ich ritt nicht allzu schnell, weil ich mir die Landschaft genau betrachten wollte. Das Gebiet, in welchem ich mich befand, nannte sich Silberquell. Es gehörte, fast ausschließlich uns Menschen, wie ich mir in Erinnerung rief.

Die Ebene hier war schon immer wichtiges Ackerland gewesen, es wurden sogar Erze gefördert. Daher hatte dieses Gebiet auch seinen Namen. Obwohl kein Silber abgebaut wurde. Silber stand für die Magie, die wir Menschen so gut wie gar nicht besaßen.

Die Ebene selbst glich auch an vielen Stellen einem Wald, hohe Bäume säumten die Wege und versteckten die Lebewesen, die man finden könnte. Neben dem Wald, den Ackerflächen und den unzähligen Bergen bestand Silberquell auch aus Sumpf.

Ab und an blieben Xanthos und ich stehen, damit ich mir kurz selbst die Beine vertreten konnte. Ich saß schon länger nicht mehr auf einem Pferd oder war geritten. Daran musste ich mich erst wieder gewöhnen.

Jedenfalls konnte ich bei diesen Pausen Dinge sehen, die mich faszinierten.

Als erstes sah ich hyänenähnliche Säugetiere, zwei Stück auf einmal. Unweit davon konnte ich eine Herde aus Warzenschweinen erkennen. Die Hyänen schlichen sich an diese heran, um eines der schwächeren Tiere zu erlegen. Doch die Keiler wehrten sich mit ihren Hauern. Ein Kampf zwischen den verschiedenen Tierarten entstand, welchem ich aufmerksam folgte. So etwas hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen.

Als Xanthos jedoch unruhig wurde, stieg ich wieder auf und ritt weiter.
 

Nach einiger Zeit kam ich an einer Holzbrücke an, die über den Fluss führten, der munter durch die Ebene plätscherte. Hier prangen die Wappen meiner Heimatstadt an Masten empor. Einige Bauern kamen mir entgegen und grüßten mich.

Freundlich lächelte ich ihnen zu.

Der Hauptweg war nun teils mit Holzzäunen abgegrenzt. Es wuchsen, neben den Bäumen, die unterschiedlichsten Kräuter und einige Pilze. Ich genoss die klare Luft, den Sonnenschein, der jedoch schon schwächer wurde und das Gefühl der Freiheit.

Ich war so ins träumen vertieft, dass ich fast nicht bemerkte, was meinen Weg kreuzte. Erschrocken zog ich die Zügel an, was Xanthos gar nicht gefiel. Vor uns auf dem Weg hockte ein riesiger Käfer, größer als eine Katze, ja sicherlich größer als ein Hausschwein! Er wirkte so groß wie eine Kuh, sein Panzer glänzte im Sonnenlicht dunkelgrün und er mache keine Anstalten, den Weg zu verlassen.

Ich bekam Panik. War dieses Wesen gefährlich? Sollte ich reiß aus nehmen, es töten, was ich nie über mich bringen würde, oder es einfach ignorieren?

Der Käfer machte einige Schritte auf uns zu und ich rutschte unruhig im Sattel hin und her. Seine helleren Punkte leuchteten auf und ihm nächsten Moment breitete er seine Flügel aus und flog über uns hinweg. Ich konnte mir jedoch einen spitzen Schrei nicht verkneifen. Das Echo hörte man sicherlich in ganz Shahar.

Erschrocken atmete ich auf und sah dem Tier nach. „Das kann ja was werden…“, murmelte ich und setzte meinen Weg fort, nachdem sich meine Atmung wieder normalisiert hatte.
 

Im Sonnenuntergang konnte ich im Osten ein hohes Gebäude entdecken. Das einzige, was ich jedoch erkennen konnte war, dass es riesig war und komplett dunkel.

Ich wendete den Blick ab und ritt weiter, doch jetzt trieb ich Xanthos an. Ich wollte, bevor es komplett dunkel wird noch einen geeigneten Platz zum Schlafen finden. Bisher hatte ich keinen gesehen und bisher hatte ich zuviel Angst von wilden Tieren angefallen zu werden.

Mit der Zeit wurde das Gras grüner und saftiger, die hohen Bäume verschwanden nach und nach, wurden niedriger. An ihrer Stelle taten sich Berge auf, große und kleine. Ich ritt in ein Tal hinein. Hier dürfte es ja wohl nicht zu schwer sein, einen geeigneten Platz zu finden.

Schließlich fand ich wieder Bäume vor, die jedoch noch höher waren, als in Silberquell. In der Nähe eines sehr großen Baumes, der in den Himmel zu reichen schien und sehr alt war, hielt ich Xanthos an.

Ich band ihn an einem Baum fest, striegelte sein Fell und versorgte ihn, dann machte ich mich an mein eigenes Lager für die Nacht. Das Zelt stand genau dann, als ich fast nichts mehr sehen konnte. Ich entzündete nicht erst ein Feuer. Ich war zu müde um noch irgendetwas zu tun.

Schließlich krabbelte ich nur in mein Zelt und wenig später übermannte mich die Müdigkeit.
 


 

Durch ein Schnauben an einer der Zeltwände wurde ich aus dem Schlaf gerissen. Mit klopfendem Herzen setzte ich mich auf und lauschte. Es hörte sich an, als würde irgendetwas ganz in der Nähe an Holz schaben.

Ich zögerte. Sollte ich nach draußen treten, oder lieber nicht? Würde, was auch immer da war, mich anfallen, oder schnell verschwinden? Und wieso gab Xanthos keinen Laut von sich?

Immer noch unsicher zog ich mich wieder an und öffnete leise das Zelt. Die Geräusche blieben, wo sie waren. Das war gut für mich. So lag der Überraschungsmoment auf meiner Seite. Bevor ich hinaustrat umschloss ich das Amulett mit meiner Hand und dachte an meine Eltern.

Langsam zog ich den Eingang des Zeltes auf und kletterte hinaus. Meinen Dolch hatte ich sicherheitshalber in die Hand genommen. Zuerst wandte ich mich links um das Zelt, aber da war nichts. Xanthos schlief auch seelenruhig im stehen. Hatte ich mir das vielleicht nur eingebildet?

Doch dann wandte ich mich rechts ums Zelt und sah, wie am Vortag, Keiler, jedoch waren diese kleiner und ihr borstiges Fell hatte eher einen Braunton. Als sie mich sahen, rannten sie schnell davon. Soviel zur „großen Gefahr“ die auf mich lauert.
 

Während dem Frühstück durchblätterte ich das Buch über Shahar, welches mir mehr über die Gegend verraten sollte. Das Gebiet wurde als die Heulenden Berge bezeichnet, in welchem die Bewohner hauptsächlich Werwölfe seien sollen. Also Menschen, die sich in Wölfe verwandeln können.

Ich suchte mir im Glossar erstmal mehr über diese Wesen. Dort stand, dass diese Menschen zwei Seiten haben, eine tierische und eine menschliche. Zu jeder Tageszeit und zu jedem Umstand können sie sich in beide Körper verwandeln. Den Umständen entsprechend kommt ihre tierische Seite mehr durch, als die menschliche. Vom Mond fühlen sie sich magisch angezogen.

Ihre Größe in der tierischen Form sollte um einiges größer sein, als die eines normalen Wolfes. Auch konnte man sie daran erkennen, dass ihre Augen menschlich aussahen und sie auch in dieser Form sprechen konnten.

Als ich zurückblätterte und weiter las erfuhr ich, dass die Berge ihren Namen deshalb tragen, weil man Wölfe heulen hören kann. Wie passend eigentlich.

Beschrieben wurde die Gegend als offenes und mit einem Blick überschaubares Grasland, welches von Bergen umgeben wird und diese durch ihre Steinzacken eine leichte unheimliche Stimmung verbreiten.
 

Ich vernahm ein Heulen, welches eindeutig von einem Wolf zu stammen schien. Eilig packte ich meine Sachen zusammen und belud Xanthos damit. Wenn mich die Werwölfe entdeckt haben – ja, was war dann? Musste ich Angst vor ihnen haben? Soll ich sie bekämpfen? Oder abhauen?

Dwight hatte gesagt, dass in Logar Hilfe auf mich warten würde, aber Logar war die Hauptsiedlung der Heulenden Berge, durch und durch von Werwölfen bewohnt (Naturkunde war eben doch nicht ganz umsonst!). Wenn die Hilfe also nicht wölfisch war, wie sollte sie mich dann überhaupt erreichen?

Ein silberner Wolf trat aus dem Gebüsch. Zähnefletschend schlich er sich an mich heran, er schien nicht freundlich gesinnt zu sein. Zögernd wich ich zurück, auch Xanthos wieherte unruhig. Ich war immer noch unentschlossen, was sollte ich tun?

Der Wolf nahm mir in dem Moment die Entscheidung ab, als er zum Angriff ansetzte. Meine Hand, indem ich den Dolch fest umklammert hielt, zitterte als ich sie anhob, um mich zu verteidigen und gleichzeitig gewaltig zurückwich, sodass der Wolf ins Leere sprang.

Knurrend wandte er sich wieder zu mir, doch ein anderes Brüllen lenkte ihn plötzlich ab. Er sah in eine andere Richtung und flüchtete schnell von dannen. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend wandte ich mich ebenfalls in die Richtung, aus der das Brüllen stammte, und erstarrte.

Ein gewaltiger Grizzlybär mit scharlachroten Augen trottete auf mich zu. Sein Knurren war bestialisch und das Herz sackte mir endgültig in die Hose. Der Bär würde mich freudig in Stücke reißen und ich konnte weder mit dem Dolch, noch mit Pfeil und Bogen, an den ich gerade sowieso nicht dran kam, irgendwas ausrichten.

Als ich weiter zurück wich, beschleunigte sich sein Gang und ein blutdürstiges Brüllen verließ sein Maul. Vor Schreck ließ ich meinen Dolch fallen, was ihn nur weiter dazu anstachelte schneller auf mich zuzutapsen.
 

Kurz bevor ich dachte, ich müsste mich von meinem Leben verabschieden erklang ein Heulen. Der Bär brüllte erneut, doch Wölfe antworteten ihm und sprangen über mich hinweg. Sie waren um einiges größer als der silberne Wolf davor. Sie fletschten wütend ihre Zähne und als der Bär zum Angriff ansetzte, griffen sie ihn ebenfalls an.

Eine wilde Rangelei entstand. Bestialisches Knurren war immer wieder zu vernehmen, welches teils von den Bergen zurückgeschallt wurde. Der Gestank von Bär und Wolf überlagerte die saubere Luft. Fellbüschel und Fetzen der Haut flogen umher, Blut floss auf das saftige Grün.

Ich schloss irgendwann meine Augen, atmete nur noch durch den Mund und hielt mir die Ohren zu. Ich war für so etwas einfach nicht gemacht. Am liebsten würde ich wieder nach Hause und mich dort in meinem Bett verkriechen. Wieso soll auch ausgerechnet ich diese blöde Reise antreten? Ich wünschte, es wäre alles anders!

Ein lauter, quälender Laut drang auch durch meine geschlossenen Ohren hindurch und erweckte meine Aufmerksamkeit. War jetzt irgendwer gestorben? Neugierig, und doch ängstlich, öffnete ich die Augen. Der Bär sackte in sich zusammen, überall war Blut. Es wirkte, wie auf einem Schlachtfeld.

Die beiden Wölfe, ich vermutete, dass es wirklich Werwölfe waren, waren eher unverletzt. Blut klebte zwar in ihrem Fell, aber es war nicht ihr eigenes, da war ich mir ziemlich sicher.
 

Sie drehten zeitgleich ihre Köpfe zu mir herum. Unter ihren Blicken aus menschlichen Augen zuckte ich beinahe zusammen. Sie empfingen mich auch nicht gerade mit offenen Armen. „Was sucht ein Menschenmädchen hier auf unserem Gebiet?“, ertönte die Stimme von dem linken, grauen Wolf.

Ich schluckte, trotzdem blieb mein Mund trocken. Der rechte, schwarze Wolf kam auf mich zu. „Rede, oder du endest sofort wie der Bär.“

Mit zittriger Stimme sagte ich: „Ich heiße June und bin für den Rat von Varanas auf der Durchreise. Man sagte mir, dass ich in Logar Hilfe bekäme. Ich will nichts Böses…“

Die beiden Wölfe wechselten einen Blick. Dann fragte der graue: „June Eloise Ramis?“

Verblüfft blinzelte ich ihn an. „Ja.“

Beide neigten ihre Köpfe, als würden sie um Entschuldigung bitten. „Es tut uns leid, wir hatten keine Ahnung. Ich bin Share und das ist Kyle. Wir sind Krieger und beschützen unsere Siedlung. Wir haben dich schon erwartet.“

Der schwarze Wolf, Kyle, führte die Rede des anderen weiter: „Uns wurde gesagt, dass du herkommst. Im Gegensatz zu anderen Rassen sind wir nach ganz so aggressiv gegenüber Menschen.“

Innerlich lachte ich auf. Das hatte man gemerkt. Ihre Drohung, dass sie mich umbringen würden, wenn ich nicht sofort etwas sagte, klang mir noch immer in den Ohren. Aber ich nickte nur leicht.
 

„Dann komm mit. Es gibt viel zu tun.“ Share deutete mit seiner Pfote auf Xanthos, was soviel hieß wie, dass ich aufsteigen und ihnen folgen sollte.

Aber Xanthos war unruhig durch die Geschehnisse und so konnte ich nicht aufsteigen. „Ich glaube, ihr jagt ihm Angst ein“

Ich vernahm ein Lachen. „Nein, dass war der Bär.“

Skeptisch streichelte ihn Xanthos über die Stirn und nahm ihn an den Zügeln. „Ich laufe. Ist es denn noch sehr weit?“

„Nein. Ungefähr eine halbe Stunde dürften wir so brauchen. Wir sollten trotzdem keine Zeit verlieren.“
 


 

To be continued.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von: abgemeldet
2011-04-19T18:14:21+00:00 19.04.2011 20:14
Hallo.

Ich hoffe, ich bekomme Applaus, dass ich es schaffe, ein Kommi zu schreiben.
Auf RTL ist grad ne Werbung mit Morgan Freeman gewesen & Morgan Freeman ist Gott - hat er gesagt.

Also. Der Start klingt schon mal interessant.
Es ist auch igrendwie doch ganz anders aufgezogen, als die Erstauflage davon.
Wobei ich die auch mochte.
Wie Claudi schon meinte, Krispin find ich toll.
Der Name einfach...muss mich zwar noch an die Schreibweise mit 'K' gewöhnen, aber das geht schon.

Okay. Vielleicht gelingt es mir auch so bald wie möglich ein weiteres Kommi zu hinterlassen.
Ach, kennst du die neue IKEA Werbung? Das mit dem Mädel, das unbedingt etwas haben will & versucht die Schränke zu zerstören?
Die Werbung find ich klasse.^^
Bis denn
ld
<3
Von: abgemeldet
2011-04-16T16:30:39+00:00 16.04.2011 18:30
Guten Abend =)

das Kapitel hat mir insgesamt sehr gut gefallen.
Erstmal war es für June sicher ein ziemlicher Shcok zu erfahren, dass die Menschen, die für sie ihre Eltern waren, gar nicht ihre Eltern sind.

Nun muss sich sich ja auf die reise quer durch das ganze Land begeben. Die Geschenke die sie dafür bekommen hat, haben mir sehr gut gefallen. Die Kleider haben es mir echt angetan ^^. Aber auch das Pferd fand ich toll. (eig stehe ich ja nicht so auf Pferde, aber Krispin hats mir angetan)

Ich bin gespannt, welche Menschen/Wesen sie begegnen wird, ob sie alle Teile des Amuletts finden kann und ob sie das ganze überhaupt durchsteht.

Bin gespannt.
LD <3
Von: abgemeldet
2011-03-28T18:44:05+00:00 28.03.2011 20:44
Hallöchen ^^
dein Prolog ist habe ich heute für meine Abendlecktüre eingeplant, weil ich noch zum Zahnarzt musste ( vllt. sollte ich nicht mir so viel Nervennahrung essen, dann würde ich eher wieder daheime sein ...)

Naja wie auch immer,jetzt zum Prolog und deiner FF an sich ^^
Die Idee finde ich ja wiedermal ganz fantastisch , das habe ich dir ja schon gesagt. Die Namen der Leute finde ich auch wieder sehr schön gewählt und die Bilder passend ^^
Vor allem Krispin hats mir angetan ( ich sag nur Bones ^^) , den finde ich schonmal sehr sehr toll =)
Auch das ganze Konzept und die jetzigen Geschehnisse finde ich sehr toll. Erinnert mich irgendwie etwas an Herr der Ringe und Narina, aber das hier find ich besser. Das Aslan Tal hat es mir schon angetan. Es heißt wie mein neues Haustier ^^
Auch die Ideen mit den eingesperrten Menschen und der Auserwählten ist echt filmreif. Ich stelle mich gerne als Kompase zur Verfügung ^^

Ich bin gespannt was du wieter aus dieser wirklich sehr gelungenen Story machst ^^
Bis dahin

LG <3




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