Phantasiert... von shironeko4869 ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ich wagte einen Blick auf meine Armbanduhr, während ich mich sacht an das eiserne Tor hinter mir lehnte. Ich knurrte bissig. Erst bestellte er mich hier in aller Eile her und nun ließ der Kerl schon schon über eine ganze verdammte Stunde auf sich warten. Außerdem war mir scheiße kalt. Es war dunkel und von meiner, trotz Regenschirm, triefend nassen Hose wollte ich einmal ganz absehen. Es war ein es mieser Abend. Langsam reichte es mir. Wenn Shinichi tatsächlich dachte er könne mit mir genau die Show abziehen, von der ich wusste, dass er sie auch mit Ran abgezogen hatte, dann hatte er sich ganz gewaltig geschnitten. Und sollte Shinichi hier heute noch einmal gedenken auftauchen, konnte er sich wirklich auf etwas gefasst machen. Ich seufzte laut. Hier, mitten in der Pampa, würde das eh niemand hören. Wieder blickte ich auf meine Uhr. Ich könnte es mir nicht erklären, doch ich wurde zunehmend nervöser. War es meine deutliche Wut? Oder musste ich mir doch etwas mehr Angst eingestehen als mir lieb war? Ich schauderte. Ja. Ich sah es selber ungern ein, aber die dunklen Bäume um mich herum, der Regen, die eisige Kälte und ganz besonders die menschenleere Straße vor mir waren ganz und gar nicht der perfekte Ort um auf jemanden zu warten. Und das auch noch ganz allein... Ruckartig zog ich meinen Mantel enger um meinen Körper. Die Bewegung war so schnell und unbedacht gewesen, dass mir mein Regenschirm prompt aus der Hand fiel. Zum X-ten Mal an diesem Abend verfluchte ich alles um mich herum. Verfluchte diesen ganzen Tag insgesamt, Shinichi sowieso und mich selbst auch, da ich in der Eile, die zu meiner Verteidigung Kudo entfacht hatte, mein Handy zu Hause vergessen hatte. Verdammt! Wieso stand ich hier eigentlich noch?!? "Na, warte Kudo... Das wirst du mir büßen... Bitter, bitter büßen...", murmelte ich vor mich hin, während ich meinen Regenschirm eilig aufhob. Spätestens als der Schirm wieder über meinem Haupt war, merkte ich, dass ich mir das Aufheben hätte schenken können. Auch wenn ich diesem nahezu tropischen Regenfall nur ein paar Sekunden ausgesetzt gewesen war, war auch der Rest meines Körpers bis auf die Haut durchnässt. "Ok.", sagte ich fast zischend, "Jetzt reicht es mir. Ich geh Heim!". Ich trat näher zur Straße heran, um zu sehen ob vom Weiten vielleicht ein Autolicht zu sehen war. Ich hatte keine Lust nun auch noch überfahren zu werden. Und hören konnte ich keines, da der Regen wie wild geworden auf den Boden aufprallen ließ, dass kein einziges Geräusch außer natürlich des Regens selbst zu hören war. Es war kein Licht zu sehen, also überquerte ich die einsame Landstraße. Erst jetzt merkte ich, wie nass meine Socken waren. Widerlich. Trotzdem setzte ich meinen Weg zu der Bushaltestelle, bei der ich ausgestiegen war, fort... Zu meinem großen Entsetzen musste ich feststellen, dass der letzte Bus längst fort war. Wäre ich nicht so verdammt stolz, wäre ich jetzt in Tränen der Wut ausgebrochen. Fluchend setzte ich mich auf die Bank der unbedachten Haltestelle. Ich wollte nichts mehr als endlich in meinem warmen Bett zu liegen. "So ein Dreck...", flüsterte ich und starrte dem Regen beim Regnen zu. Dieses verdammte Himmelwasser. Dieser verdammte Shinichi. Diese verdammte Ängstlichkeit. Ein Husten entrann meiner Kehle. Na toll. Wahrscheinlich würde ich mich nun auch noch erkälten. Ich sah in die Richtung, aus der ich vor mittlerweile fast zwei Stunden gekommen war. Ich überlegte eine Weile. Wenn ich Glück hatte, wäre ich sicher in ein- zwei Stunden in dem kleinen Ort, in dem ich umgestiegen war. Dort konnte ich sicher übernachten und morgen dann zurück nach Tokyo fahren. Ich nickte mir selbst zu und erhob mich von der ohnehin nassen Bank. Gleich tat ich den ersten Schritt, doch plötzlich rutschte mir jeder Halt unter den Füßen einfach weg. Ich kam nichteinmal dazu einen erschrockenen Schrei auszustoßen als ich mit dem Kopf auf die harte Sitzplatte aufstieß. Eine ganze Weile blieb ich so auf dem Boden sitzen. Mir war merkwürdig schwarz vor Augen. Das glaubte ich jedenfalls, denn es war in der Dunkelheit schwer zu erkennen ob es tatsächlich dunkler wurde als es war. Mir war schwindelig als ich mich endlich aufrappelte. Ich kniff die Augen kurz zusammen, sodass ich wieder einiger Maßen einen klaren Kopf hatte. Dann merkte ich etwas Warmes in meinem Nacken. Unsicher tastete ich meinen Hinterkopf ab und sah mir dann meine Hand an. Kaum hatte ich das getan, stöhnte ich auf. Blut... "Oh scheiße...". Ich tippelte langsam los und versuchte das Loch in meinem Kopf zu ignorieren. Mir schien, als ob der Blutfluss nicht stoppen wollte und der Schwindel ließ ebenfalls einfach nicht nach. In meiner Verwirrtheit hatte ich meinen Regenschirm wohl an der Haltestelle liegen gelassen. Doch irgendwie war ich für das Wasser an meiner Wunde ziemlich dankbar. Wahrscheinlich irrte ich schon eine ganze Weile die Straße entlang. Mit einem Mal überkam mich eine riesige Welle aus Schwindel und Übelkeit. Ich ließ mich auf die Knie fallen und schloss einfach die Augen... Platsch... Platsch... Platsch... Irritiert lauschte ich in die Dunkelheit. "Was ist denn nun?", dachte ich unsicher und öffnete meine Augen. Es hatte aufgehört zu regnen, die Dunkelheit hatte sich aber noch nicht verzogen. Dann spürte ich es erst. Ich befand mich ein ganzes Stück über dem Boden. Wurde ich etwa getragen? Wenn ja, von wem? War Shinichi doch noch gekommen? Hatte er mich gefunden? Ich drehte meinen Kopf zur Seite. Es schmerzte fürchterlich. Doch dann sah ich den dunklen Stoff. Schwarz wie die Nacht war er. Zwar wusste ich, dass ich anscheinend nicht ganz auf der Höhe war, doch wusste ich sofort, dass dies hier alles nicht gut war. Gar nicht gut. Ganz und gar nicht. Alle meine Alarmglocken begannen wie verrückt zu läuten. Erschrocken zog ich die kühle, feuchte Luft ein. "Schön dass du noch lebst... Das freut mich wirklich sehr...". Diese Stimme. Panik packte mich. Panik, Panik, Panik. Wie eine Irre versuchte ich mich loszureißen, mich aus seinen Armen zu befreien. Ihm nicht so nah zu sein. Doch Gin war schneller. Mühelos hielt er mich ruhig. "Na, na... Sherry. Willst du etwa weg? Weg von mir?". Seine Stimme war nicht verärgert. Eher amüsiert. Soweit es mein Unwohlsein zuließ schüttelte ich den Kopf. "Gut. Das freut mich sehr...". Ich hatte meine Augen zwar wieder geschlossen, doch ich konnte genau hören wie Gin grinste. "Aha? Schön für dich.". Entfuhr es mir, ohne dass ich es auch nur gemerkt hatte. Gin schwieg unangenehm lange. Dann ließ er mich plötzlich einfach fallen. Erschrocken griff ich noch nach seinem Arm, seiner Schulter, irgendetwas, doch meine Reflexe waren viel zu langsam gewesen. Gin kniete sich vor mich und zwang mich unsanft ihn anzusehen, indem er mein Kinn fest im Griff hielt. Ich wusste, dass es ausweglos war und beugte mich seinem Wunsch ihn anzusehen. Durch das leichte Hochsehen war mir noch schlechter als sonst. Gins kalte gift- grünen Augen stachen mir ins Gesicht. Früher einmal waren sie wärmer gewesen. Jedenfalls wenn er mich angesehen hatte. Ich schmollte leicht bei der Erinnerung. Lange starrte er mich an. Doch in den Augen des Mannes mit den langen blonden Haaren sah ich nicht auch nur eine Regung. Nicht die kleinste Emotion. Auch an diesen Blick konnte ich mich erinnern. So hatte er mich nur ein einziges Mal angesehen. Der Tag an dem er mir sagte, dass meine Schwester tot sei... Mein Herz schlug schneller vor Angst. Mir kam es vor als ob alles Blut in meinem Kopf gepumpt wurde. Verdammt ich wollte hier weg! Und zwar so schnell wie es nur überhaupt möglich war! Ich hatte keine Ahnung wie lange er mich so lang mit seinem toten Blick durchlöchert hatte, als er mein Kinn endlich losließ. Mein Kopf schlug dabei etwas nach hinten. Gott... dieser Schwindel. "Ich habe eine Frage, nicht ganz so liebe Sherry...", hörte ich Gin sagen. "Welche?". Das Sprechen kam mir so mühevoll vor. "Was machst du hier mitten im Nirgendwo?". Ich versuchte mutig zu grinsen. "Sollte ich dir diese Frage nicht ebenfalls stellen? Also was machst du hier?". Er lachte. Lachte auf mich herab. Lachte mich aus... "Sonst weißt du doch auch immer alles. Aber hier bringt dich das auch nicht weiter...", antwortete er mir als er sich wieder eingekriegt hatte. Mein Grinsen schwand. "Was tust du hier?!?". Diesmal schrie ich. Ich hasste diesen Kerl. Wieso musste er hier sein? Wieder lachte er so widerlich. "Ich bin nur hier um die etwas zu sagen... Meine Liebe...". Er zog mich auf die Beine. Verwirrt sah ich ihn an. "Und was?". Er kicherte, griff meine Hand und kam mir plötzlich so nah. "Wach auf...", flüsterte er in mein Ohr und küsste meine Hand. Ok. Ich war noch nie so verwirrt wie jetzt. Jetzt war es so weit. In meinem Kopf drehte sich alles. Mir wurde ganz schwarz vor Augen und schließlich ließ ich mich einfach in diese himmlische Dunkelheit fallen... "Shiho... Hey... mach die Augen auf... Wach werden, hörst du?". Diese Stimme... Ich kannte sie doch wusste ich nicht, wie ich sie zuordnen sollte. Dann wagte ich es, zu tun was sie wollte. Langsam öffnete ich meine Augen. Shinichi hockte neben mir im Schutz und sah mich besorgt an. Gegen Gins gift- grünen Augen waren Shinichis meeres- blau. Ich lächelte. Wollte ich die Augen der beiden Männer vergleichen, die mir so viel Ärger bereiteten? "Hey...", sagte Shinichi erleichtert und half mir gleich mich aufzusetzen. "Alles klar?", fragte er sofort. "Ich weiß nicht. Ich hab mir den Kopf gestoßen und...". Ich stockte und sah mich eilig um. Niemand war dort außer mir und Kudo. Wieder war ich sehr verwirrt. "Shiho?". "Ja... es ist alles ok. Mir geht's gut.". Wir schwiegen kurz. "Sicher?". Nun hörte ich die Sorge aus seiner Stimme. "Ja. Aber ohne dich wäre das sicher nicht passiert!", fuhr ich den ehemals geschrumpften Meisterdetektiv an. "Verzeih... ". "Schon gut... Aber wie hast du mich gefunden? Und wieso hast du mich warten lassen?". Verlegen kratzte Shinichi sich am Kopf. "Na ja... irgendwie hab ich den Bus verpasst, dann musste ich hier her laufen...". Erst jetzt bemerkte ich, dass Shinichi mindestens genauso nass war wie ich. Ich lächelte. "Weißt du was? Ich will jetzt nach Hause. Aber... wieso waren wir eigentlich hier?". "Weißt doch sonst immer alles!", kicherte er. Wie erstarrt glotzte ich ihn an. "Nein, Spaß... Aber mit etwas Phantasie kommst du sicher selbst drauf...". Ich löste meine Erstarrung und ließ mir von Shinichi aufhelfen. Er hatte die gleichen Worte genutzt wie Gin eben... Moment... Eben? Es war gerade am dämmern. Aber... hieß das dann nicht, dass ich alles nur geträumt hatte? Anscheinend war ich total weggetreten. Endlich stand ich einiger Maßen sicher auf beiden Beinen. Ich sah meinen Arm an. Er wurde von ein paar Schrammen, Prellungen und Kratzern geziert. Ich konnte mich nicht erinnern sie am Abend schon gehabt zu haben. Auch mein Hintern tat weh. "Merkwürdig", dachte ich. Dann schüttelte ich den Kopf. "Nein, das kann nicht sein... Das war nur ein Traum oder so... Das wäre unmöglich". Ich war heilfroh, dass das Denken nicht schmerzte, denn sonst hätte ich jetzt große Schmerzen gehabt. "Sollen wir den ersten Bus warten? Ich trag dich sogar bis zur Haltestelle!", scherzte Shinichi. Und da kündigte sich mein ungesunder Stolz wieder an. "Vergiss es.". Shinichi lachte als wir langsam losgingen. Ich wusste nicht genau was passiert war. Ein merkwürdiges Gefühl... Nicht zu wissen was Realität ist und Fiktion. Wenn die Grenze verschwimmt... Ich glaube daran, dass dieser Moment mit Gin nur ein Traum war. Eine Illusion. Doch dieser >Traum< war unglaublich. Was hatte alles geschehen können? Unbegrenzte Möglichkeiten kamen mir in den Sinn. Dieser Traum hatte mir keine Angst bereitet, wie es sonst war, wenn ich von der Organisation träumte. Und vielleicht, ja wer weiß das schon?, würde ich in meinen nächsten nächtlichen Alpträumen vom Tod und der elenden Demütigung weniger Angst verspüren. All dies würde ich einzig allein ein wenig Phantasie verdanken. Ich war fasziniert. Wissen. Was ist das schon? Eine Kraft gebunden an Dinge, die Fremde, meist lange verstorbene Menschen entdeckt hatten. Aber wie sagte Albert Einstein einst? Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)