Einmal ist keinmal von PlanTeaWolf (Doch zweimal... [Ivan/Gil]) ================================================================================ Kapitel 1: Kleine Brüder und andere Sorgen ------------------------------------------ Nahezu verbissen trat Gilbert das Gaspedal seines in metallicschwarz lackiertem BMW Z4 fester durch. Zwar hörte er vom Motor nicht sonderlich viel, doch die Beschleunigung nahm er sehr wohl war. Er wusste, dass es nicht besonders intelligent war mit zu starken Gefühlsregungen zu fahren, doch das war ihm egal. Im Moment brauchte er Ablenkung. Dringend. Und mit seinem Schätzchen mit gut und gerne 240 km/h über die Autobahn zu jagen erschien dem Preußen effizienter als sich die drei Hunde seines Bruders zu schnappen und mit ihnen eine Runde zu joggen. Das beanspruchte ihn nicht ausreichend. Sein Hirn wäre nicht beschäftigt genug. Im Endeffekt würde er nur wieder an das denken, an das er nicht denken wollte. Beim Fahren war das anders. Hierbei musste er sich mehr konzentrieren. Auf andere Verkehrsteilnehmer. Auf Schilder. Auf eventuelle Hindernisse auf der Fahrbahn, die der Verkehrsfunk noch nicht bekannt gegeben hatte. Kurzum: Seiner Meinung nach tat er das Richtige. Zumal dieser Autobahnabschnitt auch keine Geschwindigkeitsbegrenzung aufwies, weswegen er sich ärger mit der Polizei einfangen und seinen Geldbeutel um den einen oder anderen Euro erleichtern konnte. Die einzigen Ausgaben um die er sich gerade Gedanken machen musste waren jene, die das Benzin betrafen; und diese würden sicherlich noch hoch genug ausfallen, da er nicht so bald vorhatte, wieder nach Hause zu fahren; und selbst wenn würde es noch einige Stunden dauern, bis das Auto wieder in der heimischen Garage stehen würde. Das Radio – oder vielmehr die im integrierten Player befindliche CD – lauter stellend bremste Gilbert seinen Roadster nun doch ab. Er musste es nicht haben, dass ihm am Ende der dunkelgrüne Smart, der vor ihm fuhr, an der Motorhaube hing. Bevor er sich über den Fahrer dieses Spielzeugautos aufregte, weil dieser auf der Überholspur vor ihm her schlich anstatt auf die freie, mittlere Spur auszuweichen, konzentrierte er sich lieber auf die laufende Musik. Russische. Der Weißhaarige hatte nie aufgehört diese Sprache zu lieben. Zwar hatte er sie schon lange nicht mehr gesprochen, doch er verstand sie noch genauso gut wie damals. Wobei ‚gut‘ in dieser Hinsicht relativ war, denn perfekt hatte er sie nie beherrscht. Um sich zu verständigen hatte es aber ausgereicht. Zumindest wenn sein Gegenüber nicht allzu schnell gesprochen hatte. Und das hatte zumindest Ivan nie getan. Ein flüchtiges, fast schon verzweifeltes, Lächeln stahl sich auf die Lippen des Preußen. So gut schien ihn eine Spritztour wohl doch nicht abzulenken, denn genau darüber hatte er nicht nachdenken wollen. Er hatte sich nicht daran erinnern wollen, wie es damals mit Ivan war. Nicht etwa, weil es so schrecklich war. Er wünschte, es wäre so gewesen, doch zu seinem jetzigen Leidwesen war es nicht so; ganz im Gegenteil. Obwohl er ihn hätte hassen müssen für das, was er ihm und seinem kleinen Bruder angetan hatte tat er es nicht. Nein. Resignierend seufzend setzte Gilbert den Blinker; die nächste Ausfahrt würde seine sein. Es brachte nichts noch weiter zu fahren, wenn es ihn ohnehin nicht ablenkte. Er konnte also genauso gut wieder nach Hause fahren. Gilbird vermisste ihn sicherlich schon. Natürlich tat er das, schließlich war Gilbert sowas wie sein Vater. Er musste ihn einfach vermissen. Jeder würde ihn vermissen, wenn er nicht da wäre. Es ging gar nicht anders, so toll wie er war! Knapp vier Stunden später stand der BMW wieder in seiner Garage. Gilbert indes schlich auf leisen Sohlen in sein Zimmer. Es war schon weit nach Mitternacht – fast schon früher Morgen – und Ludwig würde sicherlich im Karree springen, wenn er ihn erwischen würde. Schließlich hatte Gilbert nicht ein Sterbenswörtchen verlauten lassen, dass er vorhatte für mehr als nur ein, zwei Stunden unterwegs zu sein. Wer war hier noch gleich der Ältere? Laut diversen Dokumenten ja eigentlich Gilbert. Und nur weil er etwas kleiner und schmaler gebaut war als Ludwig hieß das ja noch lange nicht, dass er nicht auf sich aufpassen konnte. Sonst hätte er es ja wohl auch kaum geschafft den Blonden alleine großzuziehen. Sicherlich war er auch nur deswegen so ein stattlicher Mann geworden, weil der Preuße sich so ausgezeichnet um ihn gekümmert hatte. Über seine Gedanken schmunzelnd versuchte er nun so leise wie möglich die Tür zu seinem Zimmer zu öffnen. Dies gelang ihm auch, doch hatte er seine Rechnung ohne seinen kleinen gelbgefiederten Freund gemacht. Dieser wartete nämlich hellwach auf dem Kopfkissen seines Besitzers und fing laut und fröhlich an zu zwitschern, als er diesen erblickte. Dieses blieb wiederrum von Ludwigs Hunden – die das Privileg hatten ebenfalls im Haus zu wohnen anstatt im Garten – nicht unbemerkt, weswegen sie auch postwendend lautgaben. Von wegen ‚bester Freund des Menschen‘. Elendige Verräter waren das! Elendige, elendige, elendige Verräter! Keine Minute später stand Ludwig dann auch vor seinem großen Bruder. „Wo um Himmels Willen warst du so lange?“ „Unterwegs.“, Gilbert hatte wirklich keine Lust, jetzt mit dem Jüngeren zu diskutieren. „Bis halb fünf Uhr morgens?!“ „Ja und?“ „Schon mal dran gedacht, dass ich mir Sorgen mache?“ Genau die Antwort, die Gilbert erwartet hatte. Kein Wunder also, das er auflachen musste, ehe er antwortete. „Hör mir mal gut zu, Ludwig: Ich kann auf mich alleine aufpassen. Ich bin alt genug! Kümmer dich also um deinen Kram und lass deinen großen Bruder sein Leben leben, okay?“ „Natürlich. Deswegen warst du auch so zugerichtet, als die Mauer gefallen ist und du zurückgekommen bist; weil du so toll auf dich selbst aufpassen kannst.“ Damit hatte der Ältere nicht gerechnet. Er hätte viel mehr erwartet, dass Ludwig sich lediglich wütend grummelnd verziehen würde. Aber das er ihm Dinge von damals unter die Nase reiben würde? Niemals. Das war ja sonst auch nicht seine Art. So war es nun aber Gilbert, der mit den Zähnen knirschte. „Rede nicht von Dingen, von denen du keine Ahnung hast.“ „Ich denke, ich habe genug Ahnung um zu wissen, dass man sich um dich sehr wohl sorgen muss. Erst recht wenn du erst spurlos verschwindest und dann erst nach elf Stunden wieder ohne jegliche Begrünung auftauchst!“ „Es ist doch scheiß egal, wo ich wie lange und warum war! Ich bin weder ein kleines Kind, noch bist du meine Mutter oder sowas in der Art! Du bist verdammt nochmal mein kleiner Bruder, also benimm dich auch so!“ „Tu ich doch?! Es ist doch ganz normal, dass ich mir Gedanken um dein Wohlergehen mache!“ „Lass mich doch in Ruhe!“ Seinen Bruder keines Blickes mehr würdigend drehte Gilbert sich auf dem Absatz um, betrat sein Zimmer und schlug die Tür mit fast schon übertriebener Wucht zu. Wenn Ludwig ihn jetzt immer noch auszufragen versuchte, dann würde er ihm wohl oder übel den Kopf abreißen. Oder ihm zumindest einen saftigen Kinnhaken verpassen; umbringen wollte er seinen kleinen Bruder eigentlich nicht, dazu war er ihm zu wichtig. Dennoch ließ er es sich nicht nehmen zumindest wütend zu sein. Was musste dieser dämliche, kleine Blondschopf sich auch einmischen? Hatte er nicht genug eigenen Mist um den er sich kümmern musste? Schnaubend warf der Weißhaarige sich auf sein Bett. Dass Gilbird aufgebracht tschilpend aufflatterte und dann auf seiner Schulter landete, kümmerte ihn nicht sonderlich. Stattdessen presste er sein Gesicht in das Kopfkissen und schrie. So konnte er seinem Ärger am effizientesten Luft machen ohne etwas zu destruieren. Denn kaputte Gegenstände würden nur weiteren Stress mit Ludwig bedeuten was wiederrum zu noch mieserer Laune führen würde. Die Luft in diesem Haus war ohnehin schon seit geraumer Zeit ziemlich angespannt. Nicht zuletzt deswegen, weil Gilberts Wort nicht mehr wirklich zu gelten schien. Früher, ja, da hatte er noch das Sagen gehabt. Da hatte man auf ihn gehört. Aber jetzt? Fehlanzeige. Maximal Ratschläge oder Anregungen konnte er noch geben, ansonsten hatte er in Sachen Politik nichts mehr zu melden. Auch von den anderen schien er nicht mehr so ernst genommen zu werden wie früher. Zu Meetings und Konferenzen wurde er schon lange nicht mehr eingeladen. Ihn zu provozieren hatte ja auch keine nennenswerten Konsequenzen mehr, schließlich konnte er von sich aus keinen Krieg starten. Dazu brauchte es Ludwigs Entscheidung. Und dieser würde sich in dieser Hinsicht immer gegen seinen Bruder stellen, schließlich sollte ja Frieden gewahrt werden. Warum eigentlich war Gilbert überhaupt zurückgekehrt? Wieso war er nicht einfach bei Ivan geblieben? Da hätte er zwar auch nichts zu melden gehabt, aber er hätte sich auch nicht so nichtig gefühlt wie hier. Doch dafür war es zu spät. Er hatte dem Russen den Rücken gekehrt und sich schon seit Ewigkeiten nicht mehr bei ihm gemeldet. Obgleich er es versprochen hatte. Sicherlich würde Ivan nun auch nichts mehr von ihm wissen wollen. Sicherlich hatte er sich schon lange damit abgefunden, dass Gilbert scheinbar nichts mehr von ihm wissen wollte. Sicherlich hatte er ihn schon lange aus seinem Leben gestrichen. Sonst hätte er sich doch gemeldet. Er hatte ja sonst auch immer von sich aus agiert; ob es dem Preußen nun gepasst hatte oder nicht. Hastig den Kopf schüttelnd stemmte Gilbert sich von der Matratze. Er musste aufhören an vergangene Tage zu denken! Es führte zu nichts und es würde auch nie zu etwas führen. Er hatte es sich selbst vermasselt; nun musste er damit leben. Aber das wollte er nicht. Er wollte so nicht weiterleben. Leben wollte er noch, so war es nicht; aber sein Leben erschien ihm kein Leben mehr zu sein. Nichts schien so zu sein, wie es seiner Meinung nach sein sollte. Er liebte seinen kleinen Bruder – keine Frage – aber ihn beschlich von Tag zu Tag ein intensiveres Gefühl, dass diese Wohngemeinschaft alles andere als vorteilhaft für ihre Beziehung war. Zumindest stritten sie inzwischen fast täglich wegen den banalsten Dingen. Hauptsächlich jedoch über die Art, wie Ludwig sich verhielt. Zumindest fing Gilbert immer damit an. Er kritisierte den Jüngeren, diesem platzte Irgendwann der Kragen und dann, spätestens dann, gab es keine netten Worte mehr. Und genau so konnte es eben nicht weitergehen. Seufzend setzte der Weißhaarige sich auf den Bettrand. Es war kindisch und bescheuert, das wusste er, aber es änderte nichts an seiner Entscheidung zu verschwinden. Wahrscheinlich würde Ludwig ihm das krumm nehmen und mehr als nur wütend auf ihn sein, aber es erschien Gilbert als beste Lösung. Morgen, so wusste er, hatte Ludwig volles Programm und würde sicherlich nur dann aus seinem Arbeitszimmer kommen, wenn es absolut notwendig war. Das wäre die optimale Gelegenheit um seinen Plan in die Tat umzusetzen, ohne das Ludwig etwas mitbekam, ihn zur Rede stellen und somit ungewollt einen neuen Disput anzetteln konnte. Nun musste er nur noch klären wohin er wollte und was er – neben Gilbird – mitnehmen würde. Es dauerte nicht lange, bis Gilbert zumindest die letzte Frage geklärt hatte: Geld, seine Lieblingsklamotten, sein Handy, Essen und Trinken. Allzu viel sollte es nicht sein, schließlich hatte sein BMW nicht sehr viel Stauraum. Außerdem wollte er ja nicht für immer verschwinden. Er wollte lediglich… auf unbestimmte Zeit verreisen. Genau. Jetzt stellte sich nur noch die Frage des Wohin. Zunächst dachte er an Frankreich oder Spanien. Francis und Antonio würden sich sicherlich über einen Besuch von ihm freuen. Aber bei ihnen würde Ludwig ihn sicherlich als erstes vermuten. Also mussten seine alten Freunde wohl noch etwas länger auf ihn verzichten. Österreich steckte er sich auch. Auf Dauer war ihm Roderich einfach zu anstrengend. Ebenso Elizabeta, weswegen auch Ungarn ausfiel. Zumal das Verhältnis der drei auch eher fraglich war. Sie konnten sich vertragen, so war es nicht. Aber es dauerte nie lange, bis die ersten Wortgefechte ausbrachen. Und dann flogen auch ganz schnell die ersten Bratpfannen. Auch die anderen Nachbarländer kamen nicht in Frage. Hauptsächlich weil Ludwig zu schnell rausfinden würde, wenn er dort wäre. Dann noch, weil Gilbert der dort gesprochenen Sprache nicht mächtig war oder sich nicht sonderlich mit ihnen vertrug. Spontan fiel ihm somit nur ein Land ein, wo er hin konnte, ohne dass Ludwig ihn dort aufsuchen würde. Aber genau da wollte er nicht hin. Es ging nicht. Es ging einfach nicht. Im Leben nicht! Beinahe resignierend seufzend stand Gilbert auf. Er würde weiter darüber nachdenken, wenn er ausgeschlafen war. Nun war er zu müde, weswegen er ohnehin zu keiner wirklichen Erleuchtung kommen würde. Es war ohnehin schon höchste Zeit zum schlafen. Ganz besonders für seinen kleinen Schützling. Schließlich sollte er mal ein großer, schöner, starker Adler werden; wenn auch wohl nicht mehr sein Reichsadler. Aber das würde der Preuße noch verkraften können. Nun würde er aber erst einmal mit gutem Beispiel voran gehen. Schnell hatte Gilbert sich des überflüssigen Stoffes – mit Ausnahme seiner Boxershorts – entledigt. Zwar näherte sich der Winter immer mehr, aber sowohl sein Zimmer als auch das ganze Haus waren gut geheizt und die Bettdecke schön kuschelig warm und dick. Unter jener machte es sich der Weißhaarige auch gleich gemütlich. Dieses Bett würde er wohl auch vermissen, wenn er abhau- … verreisen würde. Abhauen klang so falsch. Nach einem Jugendlichen, der es mit seinen Eltern nicht mehr aushielt und ihnen einen Denkzettel verpassen wollte. Aber so war es bei Gilbert ja nicht. Wirklich nicht. Es ging schließlich nicht anders. Normal miteinander reden konnten die Brüder schließlich schon seit einiger Zeit nur noch sehr, sehr selten. Zu selten. Nun hatte Gilbert aber lange genug darüber nachgedacht. Wenn das so weiterging würde er noch Falten bekommen! Und dafür war er definitiv zu jung! Sich die Decke bis zum Kinn ziehend rollte er sich auf die Seite. Beobachtete Gilbird, der es sich neben ihm auf dem Kopfkissen gemütlich gemacht hatte. So wie das Küken da hockte erinnerte es mehr an einen kleinen, flaumigen Ball als an einen Adler. Besonders wie er versuchte seinen Kopf unter den noch viel zu kurzen Flügelchen zu verbergen. Letztendlich fand nur sein Schnabel Platz darunter. Zu stören schien ihn dies aber nicht, denn er war trotzdem eingeschlafen. Vielleicht war er aber auch bloß zu müde gewesen um sich darüber aufzuregen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)