Your mind, your eyes, the sea. von abgemeldet (time to go... to war?) ================================================================================ Kapitel 2: Crash, crash, burn. Let it all burn. ----------------------------------------------- Okay zwei Updates an einem Tag... ich konnte nicht warten xD *noch eine größere Schüssel Triad-Kekse in den Raum stell* Your mind, your eyes, the sea. (2.) Crash, crash, burn. Let it all burn. Der nächste Tag fing schon einmal besser an. Der Regen hatte bis in die frühen Morgenstunden angedauert, doch jetzt kam sogar einmal die Sonne zum Vorschein. Gähnend streckte ich mich in meinem Bett, ich war immer noch müde, da ich dank des ständigen Prasselns gegen das Glas der Fensterscheibe erst spät eingeschlafen war. Mit einem Blick auf meinen Wecker – es war bereits 10, also kein Weiterschlafen für mich – hob ich mein Gewicht von der Matratze und schlüpfte in meine abgetragenen Hausschuhe. Schlaftrunken schlurfte ich zum Badezimmer, vorbei am Zimmer meiner Mutter und der Abstellkammer, und wusch mir erst einmal das Gesicht mit eiskaltem Leitungswasser. So wurde selbst der muffeligste Morgenmuffel wach. Nach dem Duschen und der Morgentoilette war ich schließlich putzmunter. Auf Zehenspitzen versuchte ich, Arme ausgestreckt, das oberste Fach des Badezimmerschranks zu erreichen, was mir jedoch mehr schlecht als recht gelingen wollte. „So ein Mist, immer wieder Dasselbe“, grummelte ich und verfluchte meine Mutter dafür, dass sie den Nagellack jeden Abend vor dem Schlafengehen wieder nach ganz oben stellte. Das hatte sie schon gemacht als ich noch ein kleines Mädchen war, wohl um zu verhindern, dass ich mir das ganze Zeug über die Hände – und womöglich noch die gesamte Inneneinrichtung des Badezimmers – kippte. Ich war zwar jetzt über 20 und somit sehr wohl fähig angemessen mit derartigem Kosmetikkram umzugehen, jedoch war ich immer noch nicht groß genug um dort oben ranzukommen. Würde ich wohl auch nie sein, da ich bezweifelte, dass ich in dem Alter noch viel wachsen würde. Dass Ma es aber auch wirklich nicht lassen konnte. In ihrem Kopf war ich wohl noch so lange ein Kind, bis ich einen Ring am Finger hatte. Leicht angenervt schnappte ich mir den Stuhl, der aus mir unerfindlichen Gründen schon seit Jahren im Bad stand – vielleicht weil manche Dinge im Sitzen einfach einfacher waren? – und platzierte ihn dort, wo ich vorher gestanden hatte. Mit wackligen Beinen stieg ich auf die Sitzfläche und hielt mich sogleich am Schrank fest, um nicht noch das Gleichgewicht zu verlieren. Viel davon hatte ich sowieso nie gehabt. Siegessicher schlappte ich mir die kleine schwarze Flasche aus dem obersten Kabinett und stieg sogleich wieder vom Stuhl, um nicht noch das Schicksal herauszufordern. Vielleicht hatte meine Mutter auch einfach etwas gegen den Nagellack, weil er schwarz war. Ich schüttelte den Kopf und schloss die Türen des Wandschranks – akute Stoß-Gefahr – mit einem Ruck, bevor ich mich wieder auf den weißen Stuhl setzte und anfing, mir die Nägel zu lackieren. Ich mochte Schwarz, vielleicht gerade weil die ältere Generation in unserem Dorf – sprich: meine Mutter und Mrs. Ó Brian – es nicht mochten. Oh, Mann. Das Abendessen heute. Meine ohnehin schon nicht ganz so gute Morgenlaune fiel auf ein Minimum. Ich hatte absolut keinen Nerv darauf mich schon wieder mit diesen Leuten herumschlagen zu müssen, schon gar nicht mit Neils Flirtversuchen. Meine Mutter wollte es so, das wusste ich, und irgendwie hatte ich auch das kranke Bedürfnis ihre Erwartungen zu erfüllen, besonders nachdem sie jetzt nur noch Kontakt zu einem ihrer Kinder hatte. Ich versuchte ja ohnehin schon so „brav“ wie möglich in ihrer Gegenwart zu sein, aber… was zu weit ging, ging zu weit. Sie ist deine Mutter. „Scheiße, das weiß ich doch“, flüsterte ich in die feuchte Luft. Das ich mit mir selbst redete war mir im Grunde mehr als egal. Sie war meine Mutter und ich liebte sie, der miesen Laune und alldem zu trotz. Sie war meine Mutter und sie würde mir niemals verzeihen, wenn ich keinen Mann in Neil finden würde. Aber was war sie dann für eine Mutter? Konnte sie das ihrem Kind antun, einfach so? Sie war nicht perfekt, sie war nicht optimal, und sie war schon lange keine gute Mutter mehr. Sie hatte es geschafft mich an diesem Ort zu halten, mit ihren anschuldigenden Blicken und damit, dass sie es für selbstverständlich hielt, dass ich bei ihr blieb und ihr Gesellschaft leistete. Das Verlangen aus ihrem Käfig auszubrechen wurde von Sekunde zu Sekunde größer, ich rutschte mit der Hand aus und schmierte mir die pechschwarze Flüssigkeit quer über den Zeigefinger. So ein Mist auch. Missmutig stellte ich das Fläschchen auf die Ablage vor dem Badezimmerspiegel. Jetzt noch einmal im Schrank nach dem Nagellackentferner zu kramen kam mir gar nicht in den Sinn. Zurück in meinem Zimmer holte ich mein schwarzweiß gepunktetes Sommerkleid aus dem Kleiderschrank, in dem ich vor ein paar Monaten eine kleine Lampe eingebaut hatte, um auch an düsteren Tagen meine Sachen sehen zu können. Bisher hatte ich mich allerdings noch nicht dazu durchringen können die Zimmerlampe auszutauschen. Obwohl es bereits Herbst war schlüpfte ich in das knielange, nicht zu aufreizend wirkende Kleid, da ich mit einem Blick aus dem Fenster festgestellt hatte, dass es heute noch vergleichsweise warm zu werden schien. Und ich musste zugeben, dass ich ein Faible für gemütliche Kleider hatte. Meine Haare ließ ich offen, generell band ich sie nur zusammen, wenn ich vorhatte etwas zu kochen. Frühstück stand heute nicht auf dem Tagesplan, da meine Mutter an Sonntagen immer zu ihrer kleinen „Frauenrunde“ bei den Murphys ging. Das kam mir immer ganz gelegen, da ich so ohne lästige Fragen wie „was machst du?“, „besuchst du Neil?“ und „kannst du XYZ sagen, dass…“ das Haus verlassen konnte. Die Haustür fiel hinter mir zu und ich sprang regelrecht die Stufen herunter, als mir die frische Meeresluft entgegenschlug. Sehr windig war es heute nicht, aber Windstille gab es in Keel nie. Schnellen Schrittes ging ich durch die schlecht asphaltierten Straßen, vorbei an kleinen weißen, blaubedachten Häuschen und braungrünen Wiesen. Hier und da hörte ich die Stimmen der Einwohner und wohl auch der Touristen vom Keel & Sandybanks Campingplatz, der sich irgendwo zu meiner Rechten befand. Die Straße führte direkt zum Strand, der um diese Uhrzeit noch fast menschenleer war. Hier gab es keine Liegen, Sonnenschirme oder Leute, die sich nur in Badehose oder Bikini in die Fluten warfen. Das hatte es in Keel nie gegeben. Das Wasser war zu kalt dafür, die Atmosphäre dieses Ortes stimmte ebenfalls nicht. Immerhin war das hier kein Badeort für urlaubsreife Büroangestellte und dergleichen. Bei Keel handelte es sich fast um das irische Klischee; weite grüne Wiesen, wildes Wasser, Hügel am Horizont, weit und breit nur vereinzelte Häuser und der immerwährende Geruch von Salz, Frische und Heu. Nein, ich hasste es nicht, nicht wie Aidan es gehasst hatte. Das würde ich niemals können. Aber mein ganzes Leben, an diesem Ort, mit diesen Menschen? „Guten Morgen, Lina“, grüßte mich eine freundliche Stimme. Ich drehte mich um, lächelte, und winkte Mr. Ó Riley Senior beim Vorbeigehen zu. Seine Familie lebte hier schon seit Generationen, seine Frau war vor ein paar Jahren an Altersschwäche gestorben. Das gesamte Dorf war zu der Beerdigung eingeladen gewesen. Jeder kannte jeden. Nun erstreckte sich der Atlantische Ozean vor mir, weit und graublau gefärbt, wie der Himmel. Meine Füße sanken im Sand ein als ich an das Wasser trat. Am Ufer war der Wind wesentlich stärker, aber immer noch ein Nichts, wenn man es mit gestern Nachmittag verglich. Genüsslich atmete ich die kühle Luft ein während meine Augen über das Wasser hinweg die fernen Klippen fokussierten, die hoch aus dem Meer türmten. Das war alles noch Irland. Gerade aus lag der freie Ozean vor mir, tausende um tausende Quadratkilometer Wasser… und irgendwann, Amerika. Niemand, den ich kannte, war jemals dagewesen; das Weiteste war immer noch Rosa Flurry, die angeblich bis Spanien gereist war. Genau konnte man das nicht wissen, seit Jahren gab die alte Dame nur noch wirres Zeug von sich. Alles was ich kannte waren Keel und die umliegenden Dörfer, nur bis Castlebar war ich gekommen. Ich hoffte ja immer noch, dass Aidan mich irgendwann einmal mit nach Dublin an die andere Küste Irlands nehmen würde. „Frierst du nicht? Mama sagt immer, dass ich immer mindestens eine Jacke über das Kleid ziehen soll.“ Ich sah hinunter auf das kleine Mädchen, das auf einmal neben mir stand und auf die Wellen blickte. Ihr braunes Haar war bereits vom scharfen Wind verknotet. Gesehen hatte ich das Mädchen, das ich auf gerademal 8 schätzte, noch nie, also nahm ich an, dass ihre Familie vorrübergehend auf dem Campingplatz Urlaub machte. Ihr Akzent war irisch. „Nein, noch ist mir nicht kalt“, antwortete ich geduldig, denn es fühlte sich irgendwie so an, als wäre ich ihr eine Antwort schuldig. „Aber hier draußen am Meer kann es durchaus schon mal frisch werden, also hat deine Mama da gar nicht so Unrecht.“ „Wieso hast du dann keine Jacke dabei?“, fragte sie und richtete zwei große rehbraune Augen auf mich. „Ich wohne nicht zu weit weg, falls es kalt werden sollte kann ich immer noch wieder zurückgehen und mir meine Jacke holen.“ Kurz nachdem diese Worte meinen Mund verlassen hatten hörte ich eine Frauenstimme aus einiger Entfernung rufen. Als ich mich umdrehte sah ich eine junge, ja auch hübsche, Frau, die das Mädchen zu sich winkte. Die Kleine rannte so gut es ging zu ihrer Mutter, vielleicht war es auch die Schwester, und umarmte ihre Taille. Ein kleiner Wink in meine Richtung und ich war wieder am Strand. Nur ich, das Meer, der Sand und die stille Hoffnung auf Veränderung. In Gedanken vertieft vergrub ich die Hände im wehenden Stoff des Kleides. Eine winzige Gänsehaut hatte sich auf meinen Armen gebildet, aber ich war hart im Nehmen. Ich spielte mit der Vorstellung wie es wohl sein musste nur zum Urlaub, zum Entspannen hier her zu kommen. Ein paar ruhige Tage an der Küste, bis es wieder nach Hause in den Alltag ging. In einer Stadt eine Wohnung zu besitzen, über und unter sich 3 Stockwerke… Menschenmassen, Stimmen, Lärm und Verkehr. Die vielen Lichter, eine Großstadt bei Nacht. Lass das, du wirst nur noch sentimental, ermahnte ich mich selbst. Als sich die Windrichtung änderte drehte ich dem Meer den Rücken zu, um meine Haare davon abzuhalten mir wild ins Gesicht zu wehen. Die Wellen brachen hinter mir, leise doch bedrohend, und ich wusste, dass nun der Sommer endgültig vorbei war. Die dunklen Dächer der wenigen Häuser lagen nun vor mir, ich konnte jedem einzelnen ihre Bewohner zuordnen. Von meinem eigenen Haus sah man nur einen Teil der Ziegel hinter einer Hauswand hervorluken. Kopfschüttelnd stapfte ich durch den einsinkenden Sand, wieder auf die Straße zu. Aus einer mir unerklärlichen Laune heraus bog ich nicht in meine Straße ein – was ich vielleicht tun sollte, da meine Haare nun eher einem Vogelnest ähneln dürften – sondern lief die Straße weiter entlang, den Hügel hoch. Ich wollte nicht zurück in das Haus, wollte erst recht nicht meiner Mutter begegnen, und zu diesem Abendessen wollte ich ebenfalls nicht gehen. Ich wollte so weit laufen wie meine Beine mich trugen, raus aus Keel, runter von der Achill Island, raus aus Irland… einfach weg. Als ich auf die „Hauptstraße“ des Dorfes wechselte hatte ich schon die meisten Häuser hinter mir. Das Rauschen des Meeres und gelegentliches Blöken von hier grasenden Schafen lagen mir in den Ohren, als mich meine Füße weiter über die trockene Asphaltstraße trugen. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es bereits war. Irgendwie… zu spät zum Abendessen zu kommen klang nicht einmal so schlecht. Mit etwas Glück würde Neils Mutter mich dann nichtmehr ihres Sohnes würdig einschätzen. Aber war das nicht kindisch, so aus Trotz zu handeln? Wollte ich wirklich so sein? Mit gerunzelter Stirn – und, sozusagen, dem Kopf in den Wolken – verließ ich Keel ohne es überhaupt zu merken. Ich dachte an meinen Bruder, wie es ihm wohl ging, ob er nun glücklich verheiratet war oder ob die Hochzeit mit dem Mädchen, deren Name ich nicht einmal kannte, doch noch abgesagt wurde. Hatte er in Dublin einen Job gefunden, sich in der Stadt eingelebt? War er der Alte, oder… würde ich ihn nicht mehr wiedererkennen? Vermisste er mich? Ein tiefer, dröhnender Laut riss mich gewaltsam aus meinen sehnsüchtigen Gedanken und ich konnte mich gerade noch zum Straßenrand retten, als ein großes, schwarzes Etwas an mir vorbeischlitterte. Was… was zum?! Stocksteif stand ich dort und sah es ein paar Meter von hier langsam zum Stehen kommen. Die Fahrertür des Busses wurde sogleich aufgerissen und ein großer, rundlicher Mann stürzte auf mich zu, hektische Sätze fielen geradezu aus seinem Mund. Was sagte er? Ich konnte mich nicht auf seine Worte konzentrieren, mein Blick galt immer noch dem lackschwarzen Ungetüm, das mich eben beinahe dem Erdboden gleich gemacht hätte. Mein Herz schlug so schnell, dass es wehtat. „Hier, setzen Sie sich erstmal, bevor Sie mir noch umkippen!“ Raue Hände griffen meine Arme und langsam ging der Mann mit mir in die Hocke. „Ruhig, ruhig.“ ‚Ich bin doch ruhig!‘, wollte ich erwidern, doch kein Ton kam mir über die Lippen. Abgesehen davon wäre es eine Lüge gewesen. Ich nahm ein paar tiefe Atemzüge und löste meine Augen von dem Reisebus und sah stattdessen nach unten, auf meine Sandalen. Ruhig. Das war allerdings leichter gesagt als getan, da mein Verstand mir gerade rücksichtslos vor Augen führte, was hätte passieren können. „Ich sterbe“, entwich es mir, wie von Sinnen, als ich mich selbst sah wie ich von dem Bus überfahren werde und unter die Räder komme. Oh my god. Verdammt. Verdammte Scheiße… „Nein, Sie sterben nicht, alles ist okay“, redete der Busfahrer auf mich ein, um mich und wahrscheinlich auch sich selbst zu beruhigen. Ein Knall. Mein Kopf schreckte nach oben, etwas zu schnell, so dass mir schwindlig wurde. Jemand kletterte aus der geöffneten Schiebetür und eilte in unsere Richtung. Was machte ein Reisebus in unserer Einöde? Und war das eben wirklich passiert?! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)