Licht der Finsternis von Sahva ================================================================================ Prolog: -------- Prolog Was geschieht, wenn sich zwei Welten berühren, die sich eigentlich aus Tradition schon meiden? Eine Mischung von Science Fiction und Fantasy. Das war der Gedanke, der meiner ersten Geschichte zu Grunde lag, auf die sich meine neue aufbaut. Ich warne gleich vor, der Inhalt dieser ersten Geschichte ist schon alt (ich hab mal überschlagen, es dürfte gut 15 Jahre her sein, dass ich die geschrieben habe ^^) und ziemlich seicht, deswegen will ich hier niemanden damit quälen. Deswegen gibt es hier nur eine kleine Zusammenfassung, damit man grob die Hintergründe für „Licht der Finsternis“ versteht. Bei Fragen kann man sich wie immer an mich wenden ^^ Gruß, Sahva In den verlassenen Straßen einer heruntergekommenen Stadt wurde die junge Tochter des Königs der Shino, die von vielen Völkern in vielen Galaxien aufgrund ihres Wissens ehrfurchtsvoll das „Volk der Weisen“ genannt wurde, von ihren Häschern verfolgt. Sie war die einzigste Shino, die einem Überfall und einer Versklavung ihres kleinen Volkes entgangen war. Ziel der Invasoren war es, macht über eine gewaltige magische Bibliothek zu erhalten, die sämtliche Errungenschaften aller Welten aus allen Zeiten umfasste und somit auch über Wissen zu den schrecklichsten Waffen, die jemals entwickelt worden waren. Die junge Frau war nach vielen Jahren auf der Flucht vor den diversen Kopfgeldjägern am Ende ihrer Kräfte und wäre letztendlich gestellt worden, wäre die Flüchtende nicht durch Zufall in die Arme eines Offiziers der interstellaren Streitkräfte gelaufen. Der Offizier der Streitkräfte, ein erfahrener Commander namens Marc Tettra, war schon einige Zeit zuvor informiert worden, dass es eine illegale Hetzjagd auf einen Flüchtling gab und hatte sich auf die Suche nach diesem Flüchtling gemacht. Mit Mühe konnte er die junge Frau aus den Gassen der Stadt herausholen und brachte sie zur am nächsten gelegenen Raumbasis der interstellaren Föderation, in der auch er stationiert war. Die junge Frau, deren Name Shan-Landina war, wurde auf der Basis aufgenommen und erhielt den Status eines Asylanten. Sie konnte dem Basisleiter glaubhaft versichern, wer sie war und wie wichtig es war, dass sie im Verborgenen blieb, denn ein Zauber ihres Volkes hatte die Bibliothek versiegelt und konnte nur gebrochen werden, wenn alle Shino gemeinsam das Siegel brachen. Der Leiter der Basis verstand die Dringlichkeit und mit seinen Mitarbeitern schuf er für die junge Frau eine neue Existenz innerhalb der ihr fremden technischen Welt der Föderation, wo sie von nun an Sandra Yar genannt wurde und als junger Fähnrich ausgebildet wurde. Das Verhältnis zwischen Sandra und ihrem Retter, einem der erfahrensten, aber auch verschlossensten Offiziere der Föderation, war alles andere als einfach. Er wurde zwar zu ihrem Ausbilder ernannt, doch als notorischer Einzelgänger, der er nach einem traumatischen Überfall auf seine Familie geworden war, lehnte er aus unerfindlichen Gründen die junge Frau ab. So übernahmen zwei seiner alten Freunde die Ausbildung der jungen Frau, die sie schon sehr bald mit einem beinahe erschreckenden Lerntempo überraschte und so ihre Ausbildung in Rekordzeit absolvierte. Während ihrer Ausbildungszeit ermittelte Sandra schließlich den Ort, an dem ihr verschlepptes Volk gebracht wurde und durch geschickte Diplomatie schaffte sie sich Ressourcen und Hilfe für die Befreiung ihres verschleppten Volkes. Sie plante auch mit der Hilfe der Föderation, doch kurz nach Ende ihrer Ausbildung kam es zu einer folgenschweren Auseinandersetzung mit ihrem obersten Ausbilder Marc. So verließ sie schließlich ohne ein weiteres Wort Basis und Föderation, um zuerst in ihre Heimatwelt zurückzukehren und sich schließlich mit Hilfe ihrer geschlossenen Allianzen auf den Weg zur Befreiung ihres Volkes zu begeben. Doch bevor sie auf dem Planeten, auf dem ihr Volk festgehalten und wie Sklaven gehalten wurde, die Befreiung leiten konnte, stießen auch ihre Freunde und Kameraden der Föderation zu ihnen. Denn trotz der Meinungsverschiedenheiten, die sie im Laufe der Zeit gehabt hatten, war Marc alles andere als ablehnend seiner jungen Schülerin gegenüber. Schnell hatte er die Ziele seines Schützlings herausgefunden und mehr Unterstützung innerhalb der eigenen Truppen für die Mission zur Befreiung der Shino gefunden, als er es für möglich gehalten hatte. Während der Befreiung, die in einem schnellen, aber blutigen Kampf gipfelte, offenbarte Sandra ihren Freunden, dass sie nicht nur über einen brillanten Verstand, sondern auch über einige magische Fähigkeiten verfügte, die sie bislang in der Welt der Föderation verheimlicht hatte, da in dieser Welt magischen Fähigkeiten mehr oder weniger unbekannt waren. Nach der Befreiung der Shino ging Sandra zuerst mit ihrem Volk zurück in ihre Heimat, um dort bei der Öffnung der magischen Bibliothek zu helfen. Doch bereits innerhalb einer Monatsfrist kehrte sie zu ihrer Einheit zurück, da sie mit ihrem Vater und ihrem ältesten Bruder überein kam, dass sie ihre Ausbildung in der Welt der Föderation weiterführen wollte, auch als Dank für die Hilfe bei der Befreiung ihres Volkes. Während der weiteren Ausbildung verbessert sich auch das Verhältnis zwischen Sandra und ihrem Ausbilder Marc, der nun persönlich ihre Fortschritte leitete und aus der anfänglichen Zurückhaltung beider gegenüber dem anderen entwickelte sich auch hier eine tiefe Freundschaft. Doch kurz vor Ende ihres zweiten Ausbildungsteils traf für Sandra eine Entscheidung des Ältestenrats ihres Volkes ein, dass sie das Alter beinahe überschritten hatte, in dem ein Mitglied des Königshauses der Shino zu heiraten hatte. Da sie selbst bis zu dem aktuellen Zeitpunkt keinen Partner erwählt hatte, sollte sie zwangsverheiratet werden. Eine Entscheidung, die niemand unter den Freunden rund um Sandra nachvollziehen konnte, da eine Zwangsheirat innerhalb der Gesellschaft der Föderation unter Strafe gestellt war. Zerrissen zwischen dem Wunsch, ihrem Volk zu gefallen, aber auch bei ihren Freunden in der Basis zu bleiben zog sich Sandra immer mehr in sich zurück. Um seine Schülerin auf andere Gedanken zu bringen entschloss sich Marc daraufhin, diese in seine Geburtsheimat mitzunehmen, auf die Erde, Terra in der Föderation genannt. Erst auf der Reise nach Terra offenbarte er seiner Schülerin, dass sie auf dem Weg zu seinen Verwandten waren, deren Existenz in der gesamten Föderation geheim gehalten wurde, da diese sonst aufgrund seiner hochrangigen Position und der damit einhergehenden Feindschaft mit diversen Clans potentiellen Bedrohungen ausgesetzt wären. Zu Sandras großer Überraschung lernte sie kurz darauf, dass ihr Ausbilder und Freund nicht nur eine Familie hatte – sie war aufgrund der Tatsache, dass er seine Lebensgefährtin und den gemeinsamen Sohn verloren hatte davon ausgegangen, dass er keinerlei Verwandten mehr hatte – sondern dass einer seiner beiden Brüder sogar ein eineiiger Zwilling war. Im Laufe der darauf folgenden Tage kamen sich beide nicht nur näher, Marc bot ihr schließlich an, ihr Gemahl zu werden. Nach anfänglichem Zögern willigte Sandra schließlich ein. Nach der Heirat der beiden in der Heimatwelt der Shino brach für beide ein neuer Lebensabschnitt an, nicht nur, weil sie von nun an zusammenleben würden, sondern auch deswegen, weil beide eine Aufforderung erhielten, sich umgehend in der größten Basis der Föderation einzufinden. Marc kehrte nicht gerne in die Basis Alpha zurück, in der er viele Jahre gemeinsam mit seiner verstorbenen Lebensgefährtin gelebt hatte, doch ihm war bewusst, dass er Sandra mit ihrer Begabung nur an diesem Ort ausreichend weiter ausbilden konnte. Auch hier erfreute sich die junge Frau schnell großer Beliebtheit, da ihre offene und freundliche Art bei allen neuen Begegnungen auf Sympathie stieß. Doch da sie in die alte Wohnung von Marc und seiner Lebensgefährtin zogen fühlte sie sich insgeheim unwohl, verlor darüber aber kein Wort. Ihre Ausbildung nahm immer weiter Gestalt an, ebenso die Zuneigung, die beide für einander entwickeln. Schnell waren anfängliche Bedenken zerstreut, bis schließlich die Nachricht die Basis Alpha erreichte, dass Marcs Lebensgefährtin, die bis dahin als auf einer Überführungsmission gemeinsam mit dem kleinen Sohn verschollen war und für tot gehalten wurde, lebendig in Gefangenschaft gefunden wurde. Nur mit Mühe konnten Marcs Freunde und Sandra ihn abhalten, eine Befreiungsaktion für seine ehemalige Gefährtin zu starten. Doch noch während Marc mühsam zurückgehalten wurde, ermittelte Sandra im Geheimen die Daten über den Ort der Gefangenschaft und machte sich auf eigene Faust auf, die Verschollene zu finden. In einer Gefangenenstation fernab der Territorien der Föderation wurde sie schließlich tatsächlich fündig und befreite die verzweifelte Frau aus ihrem Martyrium aus Folter und Experimenten. Durch ihre Fähigkeit, mithilfe eines magischen Artefakts schnell von einem Ort zum anderen zu wechseln, schaffte sie es schließlich, die andere Frau und sich in Sicherheit zu bringen, allerdings nicht ohne bei der Flucht selbst angeschossen zu werden. Zurück auf Alpha war Sandra schließlich hin und hergerissen zwischen einem möglichen Kampf um ihren Ehemann und einem Rückzug aus dessen Leben. Da sie Marcs frühere Lebensgefährtin mittlerweile in ihr Herz geschlossen hatte, zog sie sich zurück, nachdem sie ihrem Ehemann nahegelegt hatte, seiner ehemaligen Lebensgefährtin bei der Genesung in einer Spezialklinik zur Seite zu stehen. Sie selbst kehrte schließlich während seiner Abwesenheit in ihre alte Basis zurück. Sie ging davon aus, dass ihr Ehemann, der sie ja eigentlich nur aus Freundlichkeit geheiratet hatte, wie sie meinte, lieber wieder mit seiner alten Gefährtin leben wollte. Dass sie sich in diesem Punkt täuschte erfuhr sie Wochen später, nachdem Marc aus der Klink zurückkehrte und sie suchte. Ein einschneidendes Ereignis sollte Sandras Leben aber schließlich von Grund auf verändern. Sie war sich schon immer unbewusst sicher gewesen, dass die magischen Kräfte, über die sie verfügte, stärker als die der anderen Shino waren, hatte aber niemals ein Wort darüber verloren. Erst als es bei einer gemeinsamen Mission von Marc und ihr in einem Gefecht zu einem folgenschweren Unfall kam, bei dem ihr geliebter Ehemann dermaßen schwer verletzt wurde, dass nicht nur zuerst sein Leben auf der Kippe stand, sondern sich nach der ersten erfolgreichen Versorgung seiner Kopfverletzungen herausstellte, dass er sich eine totale Amnesie zugezogen hatte. Da Marc in der Zwischenzeit kommissionarisch die Leitung ihrer alten Basis übernommen hatte und Leiter einer heiklen Friedensverhandlung geworden war, war es wichtig, so schnell wie möglich nicht nur die Verletzungen zu heilen, sondern auch die verlorenen Erinnerungen zurückzugewinnen. Doch trotz aller hochtechnischen medizinischen Mittel sahen sich die Mediziner nicht in der Lage, die verlorenen Erinnerungen zurückzuholen. Dass es dennoch eine Chance auf totale Genesung gab eröffnete schließlich Sandras Vater, doch laut seinen Worten lag es einzig und allein in der Kraft seiner Tochter, diese durchzuführen. Er eröffnete seiner Tochter nicht nur, dass die Bibliothek der Shino als eine Art Archiv für Entwicklungen diente, sondern über alles verfügte, was auf irgendeine Weise verloren gegangen war, einschließlich der Möglichkeit, verlorengegangene Erinnerungen zurückzugewinnen. Doch nur jemand mit dem starken magischen Blut der Göttin des Lichts könnte diese abgelegten Erinnerungen fordern und seinem ursprünglichen Besitzer zurückgeben. In diesem Zusammenhang erfuhr Sandra, dass ihr Vater zwar ihr Vater war, ihre Mutter aber nicht dessen Gemahlin, sondern die Göttin des Lichts höchst selbst, die ihren Vater als Vater ihres einzigen Kindes auserkoren hatte. Vollkommen schockiert hörte Sandra den Ausführungen ihres Vaters zu und konnte sie trotz allen Beteuerungen nicht glauben, bis mit einem Mal die Göttin des Lichts, die ständig über ihr gewacht hatte, bei ihnen Gestalt annahm. Liebevoll unterwies sie ihre leibliche Tochter daraufhin, welche Möglichkeit bestand, Marc seine Erinnerungen zurückzugeben, doch als Preis, so führte sie an, müsste ihre Tochter für eine unbestimmte Zeit zu ihr kommen, damit diese den Umgang mit ihren dann erwachenden magischen Kräften erlernen müsste. Schweren Herzens, da eine andere Möglichkeit nicht bestand, willigte Sandra ein, nach der Heilung mit ihrer leiblichen Mutter zu gehen. So erlernte sie zuerst den Zauber, der es ihr erlaubte, die verloren gegangenen Erinnerungen von Marc aus der Bibliothek zu nehmen und ihrem Besitzer zu übergeben. Während ihres Studiums dieses Zaubers übernahm Marcs Zwillingsbruder als Double Marcs Aufgaben so gut er es als Nichtmitglied der Föderation konnte. Da er ausgebildeter Schauspieler war gelang diese Täuschung mit Glück. Dann schaffte Sandra unter Aufbietung ihrer sämtlichen Kräfte, den Zauber zur Rückführung durchzuziehen, doch körperlich erforderte dieser große Opfer. So hatte sie keine Möglichkeiten, sich von Marc zu verabschieden, bevor sie zu ihrem eigenen Schutz von der Göttin des Lichts in deren Heimatwelt gebracht wurde. Ein Jahr verging, bevor Sandra zurück in ihre Basis kehren konnte. Marc war in der Zwischenzeit vollständig genesen und auch seine Erinnerungen waren bis auf eine kleine Lücke vollständig zurückgekehrt. Nur für den Zeitraum vom Überfall mit der Verletzung bis hin zu seiner Heilung fehlte ihm jegliche Erinnerung. Da er mittlerweile komplett und nicht mehr nur kommissionarisch die Leitung ihrer Heimatbasis übernommen hatte, war er stark in die Belange der Föderation eingespannt. Doch er litt genauso wie Sandra unter der Trennung. Sandra kehrte zu einem Zeitpunkt in die Basis zurück, in der die noch immer aktuellen Friedensverhandlungen an einem toten Punkt angekommen waren. Nach einer ersten Wiedersehensfreude half Sandra schließlich mit einem sanften Manipulationszauber nach. Weitere kleinere Abenteuer folgten, bis schließlich kein Jahr später beide ihre Liebe mit der Geburt einer kleinen Tochter krönten, die sie Raven Sahva nannten. Die Göttin war bei der Geburt ihrer Enkelin zugegen und raunte dieser schließlich nach der Geburt leise zu, dass sie schon sehr lange auf ihre Ankunft und Hilfe gewartet hatte. Außer der Neugeborenen hörte auch Larscha, Sandras Ziehmutter, diese Worte, doch sie bewahrte sie wohl behütet lange Jahre in ihrem Herzen, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Die neue Geschichte beginnt schließlich 28 Jahre nach der Geburt der kleinen Tochter… Kapitel 1: Die Einladung ------------------------ Die Sonne stand hoch am Himmel und beschien einladend die Laube im Schloss des Weisen Volkes. Sechs junge Frauen hatten sich dort auf Bitten der Königin eingefunden. Scherzend unterhielten sie sich, während Larscha, besagte Königin, mit einem milden Lächeln das fröhliche Schwatzen beobachtete. Unter den sechs jungen Frauen saßen auch ihre beiden Enkelinnen Raven, die von allen Shino nur bei ihrem zweiten Vornamen Sahva angesprochen wurde, und deren jüngerer Schwester Serena. Von der Anzahl ihrer Lebensjahren waren die beiden eigentlich noch Kleinkinder, dennoch waren sie schon mehr oder weniger erwachsen. Raven mehr als ihre jüngere Schwester, doch ihre älteste Enkelin war auch einige Jahre älter als ihre Schwester. Beide waren im Lebensrhythmus des Volkes ihres Vaters herangewachsen und deshalb mit ihren 28 Sommern beziehungsweise 18 Frühlingen junge Frauen geworden. Als Lachen laut wurde kehrte Larscha aus ihren Gedanken zurück und betrachtete die Gruppe, die sich ihr zu Füßen auf dem warmen Sandstein niedergelassen hatten. Alle waren mehr oder weniger ausgelassen, wobei aber Raven der gelassene Ruhepol zu sein schien. Sie war nicht nur in dieser Hinsicht anders als die anderen Frauen des kleines Kreises. Auch Äußerlich unterschied sie sich von den anderen. Jede der anderen Frauen hatten das typische hellblonde Haar und die himmelblauen Augen der Shino, Raven hingegen hatte die dicken kastanienbraunen Haare ihres Vaters geerbt, wenn auch nicht dessen Lockenmähne. Auch ihre bernsteinfarbenen Augen waren Erbe ihres geliebten Vaters. Ihre Haut wirkte zu jeder Zeit des Jahres wie von der Sonne geküsst, was ihr bei vielen der jungen Frauen des Volkes der Shino insgeheim leichten Neid einbrachte, wie Larscha bei einigen zufällig belauschten Gesprächen vernommen hatte. Doch es war eher Bewunderung als wirklicher Neid, denn eine solche Haut wurde von allen Shino als Zeichen angesehen, dass der Träger ein besonderes Kind der geliebten Göttin des Lichts und der Sonne sein musste. Und das dies bei ihrer ältesten Enkelin sogar durchaus zutraf, dessen war sich Larscha durchaus bewusst. Raven hatte schließlich zu ihrer anderen Großmutter ein besonders inniges Verhältnis, doch das wussten nur sehr wenige. Als sie mit einem Mal einen ruhigen Blick auf sich gerichtet fühlte sah sie auf und blickte in Ravens goldene Augen, die ihr liebevoll entgegen blickten. „Ich danke euch, dass ihr so schnell auf meine Einladung reagiert habt, meine Lieben.“, begann sie schließlich, nachdem sie Raven zugenickt hatte als Zeichen, dass sie nun beginnen würde. Immerhin hatte ihre Enkelin in der Welt ihres Vaters als Offizierin der Föderation eine wichtige Aufgabe zu erfüllen und war immer sehr eingespannt. „Worum geht es, Königin?“, fragte Becki, die Tochter ihrer liebsten Freundin und Kammerzofe. „Ihr kennt doch sicher die Geschichten über den König meines alten Volkes.“, begann Larscha. Sie entstammte eigentlich nicht dem Volk der Shino, sondern war vor einigen Jahrhunderten, gerechnet nach der Zeit der Föderation, mit dem damals noch jungen König der Shino verheiratet worden. Sie hatte ihren alten Herrscher immer sehr verehrt und tat dies auch immer noch und diese Verehrung, das wusste sie, war unter den Shino legendär. Ein leises Kichern unter den jungen Frauen zeigte ihr, dass sich daran anscheinend immer noch nichts geändert hatte. „Er soll ein unsterblicher Zauberer sein.“, meinte Serena schmunzelnd. „Oder zumindest jemand mit einer unglaublich langen Lebensspanne.“ „Das ist richtig, Serena. Er herrscht immerhin schon seit 600 Zyklen über mein altes Volk.“, stimmte Larscha zu. Erstauntes Keuchen war von Seiten der jungen Frauen zu hören und auch Raven, die man mit nicht wirklich viel aus der Ruhe bringen konnte, sah wirklich erschrocken aus. Umgerechnet auf die Zeitrechnung ihres terranischen Vaters waren das immerhin beinahe 6000 Jahre. „Unser alter König ist ein gütiger Herrscher, doch seine lange Lebensspanne hat jedes Gefühl in ihm absterben lassen. Niemand von uns kann sich daran erinnern, ihn jemals lächeln gesehen zu haben. Wir haben schon seit sehr langer Zeit die Sorge, dass er in tiefer Depression versinken könnte und deshalb versuchen wir ihn so gut es geht mit immer neuen Bekanntschaften aufzumuntern. Er ist neuen Dingen sehr aufgeschlossen und er mochte in der Zeit, als ich noch in meiner alten Heimat lebte, den Kontakt zu den jungen Gästen, die uns besuchten. Als ich schließlich hierher kam, um den König zu heiraten, haben mir meine alten Freunde das Versprechen abgenommen, geeignete Kandidaten aus meinem neuen Volk auszuwählen und mit ihnen immer wieder zurückzukehren. Nun, dieser Aufgabe bin ich bislang sträflicher Weise nicht nachgekommen...“, sie lächelte ein wenig verlegen, „...aber da ihr nun ein Alter erreicht habt, dass eine solche Reise auch für euch interessant werden könnte, habe ich überlegt, nach und nach mit einer von euch in meine alte Heimat zu reisen. Der Kontakt mit dem Volk dort wird sicher auch für euch interessant werden.“ „Vor allen, da wir alle im heiratsfähigen Alter sind.“, wisperte Serena ihrer älteren Schwester zu, die daraufhin leise kicherte. „Und wir würden den legendären König auch kennenlernen dürfen?“, fragte Marina, eine weitere der jungen Frauen ein wenig aufgeregt. „Aber natürlich, Liebes.“, stimmte Larscha zu. „Wie aufregend!“, schwärmte nun Becki lautstark, während sie mit einer beinahe dramatisch anmutenden Geste ihre Hände vor ihren beachtlichen Brüsten zusammendrückte und ein wenig wie eine Darstellerin aus einem Theaterstück wirkte. „Ja, stellt euch nur vor, was für ein Wissen sich der König in all den Jahren angeeignet haben muss. Es muss eine Wonne sein, mit ihm zu diskutieren und von ihm zu lernen.“, stimmte nun auch Serena die die aufgeregten Stimmen ihrer Freundinnen, denn nichts anderes waren die jungen Frauen für sie, mit ein. Nur Raven blieb ruhig und beteiligte sich nicht an der allgemeinen Euphorie. Im Gegenteil, sie sah sogar ein wenig kummervoll aus. „Er tut mir leid.“, murmelte sie sichtlich erschüttert, als sie ihre Großmutter ansah. „Wieso das denn?“, fragte Becki ein wenig erzürnt, als sie die beinahe gehauchten Worte dennoch vernahm. Es war bekannt, dass sie Raven aufgrund ihrer Andersartigkeit nicht besonders mochte. „Der Kummer in ihm muss doch unglaublich groß sein, wenn man bedenkt, wie viele Freunde und Vertraute er in der Zeit, die er nun bereits über sein Volk herrscht, verloren haben muss. Kein Wunder, dass er alles Gefühl verloren hat. Anders müsste man doch vor Schmerz beinahe wahnsinnig werden.“, erklärte Raven der Älteren mit ruhiger Stimme. Eigentlich war Raven immer die Ruhe selbst und nichts brachte sie so schnell aus der Fassung, doch nun war sie sichtlich betroffen. Es war genau die Reaktion, die Larscha sich erhofft hatte. Zwar mochte ihre älteste Enkelin eine Vielzahl an Jahren, verglichen mit den anderen Frauen, jünger sein, doch ihre Menschenkenntnis und ihr Einfühlungsvermögen war denen der anderen weit überlegen. „Sahva, hättest du Zeit, mich in meine Heimat zu begleiten?“, fragte Larscha ihre Enkelin mit einem Mal. Jede der jungen Frauen sah Larscha überrascht an, ein oder zwei von ihnen sahen beinahe schon ein wenig schockiert aus. „Ich?“, fragte Raven sichtlich erschrocken. Larscha nickte mit einem freundlichen Lächeln. „Ich habe derzeit Urlaub, Großmutter, aber...“, begann Raven. „Wunderbar. Dann können wir uns ja sogar recht zeitnah auf die Reise begeben.“, freute sich Larscha sichtlich. „Äh, Großmutter, dein Vertrauen in mich freut mich wirklich, aber denkst du nicht, dass du lieber eine der anderen mitnehmen solltest?“, warf Raven behutsam ein. „Warum?“, fragte Larscha sichtlich verwundert. „Na ja, ich bin nicht grade die Älteste hier...“, versuchte Raven ihre Bedenken in Worte zu fassen. Immerhin konnte sie sich vorstellen, dass sie sich bei der hier anwesenden Becki nicht wirklich beliebt machen würde und eine weitere Vertiefung deren Abneigung wollte sie eigentlich vermeiden. „Du hast nicht so oft Zeit für mich, Sonnenschein, da werde ich die Möglichkeit lieber gleich beim Schopfe packen.“, meinte Larscha nur gut gelaunt. //Soviel zu meiner Absicht, böses Blut zu vermeiden.//, seufzte Raven innerlich und war sich des ungehaltenen Blicks ihrer Gegnerin durchaus bewusst. „Aber...“, wollte Raven weiter entgegnen, doch nun war es Serena, die für ihre Schwester eintrat. „Ich denke auch, dass du fahren solltest.“, meinte ihre kleine Schwester freundlich, warf aber Becki einen intensiven Seitenblick zu. Ihre Schwester war als zukünftige Hohepriesterin der Göttin schon jetzt eine Respektsperson unter den Shino, auch wenn sie noch einige Jahre brauchen würde, um ihr teilweise noch recht ungestümes Verhalten anzupassen. Und sie war vor allem Beckis beste Freundin. „Großmutter hat Recht, du hast immer so viel Arbeit und wenig Zeit, als Prinzessin der Shino zu glänzen. Und niemand kann das besser als du, Schwesterchen.“ Damit hatte Serena mit nur wenigen Worten allen anderen Frauen auf freundliche, aber sehr deutliche Weise daran erinnert, dass Raven rangmäßig höhergestellt war als alle anderen Anwesenden. Nur Serena, die von allen jungen Frauen geliebt und respektiert wurde, konnte sich so etwas erlauben. //Ich regle das mit Becki.//, hörte Raven die sanfte, telepatische Stimme ihrer Schwester in ihrem Kopf und spürte die liebevolle Berührung der Hand ihrer kleinen Schwester auf ihrem Knie. //Danke.//, seufzte Raven erleichtert und nahm ihre Schwester liebevoll in den Arm, um sie kurz zu drücken. „Gib mir zwei oder drei Tage, dann habe ich alles geregelt und meine Vorgesetzten auf Alpha wissen Bescheid.“, meinte Raven schließlich ergeben zu ihrer Großmutter. „Mach das bitte. Und Sahva...“, meinte Larscha freundlich. Raven sah ihre Großmutter verwundert an. „Danke, Sonnenschein.“, beendete Larscha ihren Satz mit einem strahlenden Lächeln. Drei Tage später trafen sich Larscha und ihre älteste Enkelin erneut. Raven war bereits elegant gekleidet, anders als sonst, wenn sie ihrer Großmutter einen Besuch abstattete. „Ich habe meinen Vorgesetzten Bescheid gegeben.“, meinte sie zu Larscha, während diese die Kleidungsstücke kontrollierte, die ihre Kammerzofe für sie bereitgelegt hatte. „Und was meint dein Vater?“, fragte Larscha mit einem Lachen. Es war für die alte Königin immer wieder amüsant, dass ihre Enkelin immer strikt unterschied, ob sie mit ihrem Vater als ihren Vater oder als ihrem dienstobersten Vorgesetzten sprach. „Ich habe die offizielle Order, dich zu repräsentativen Zwecken zu begleiten. So brauchst du dir keine Gedanken machen, wie lange wir in deiner alten Heimat bleiben.“, erklärte Raven ruhig und fügte dann schmunzelnd hinzu: „Das war kein Befehl von Dad, sondern von seinem Stellvertreter. Von Dad soll ich dir ausrichten, dass du gut auf mich achten sollst.“ „Wie alt bist du nochmal, Sonnenschein?“, fragte Larscha lachend. „Das habe ich ihn auch gefragt, aber du kennst ihn, in mancherlei Hinsicht ist Dad etwas eigen.“, stimmte Raven schmunzelnd zu. Beide Frauen lachten daraufhin herzlich. „Hast du alles beisammen was du für unsere Reise brauchst?“, fragte Larscha, nachdem das amüsierte Lachen abgeebbt war. Raven deutete auf die Reisetasche neben sich. Dank der technischen Errungenschaften der Föderation konnte das gewünschte Gepäck auf angenehm kleines Maß verkleinert werden, was Reisen sehr angenehm machte. „Alles hier drin.“ Larscha warf der Tasche einen skeptischen Blick zu, denn sie konnte sich trotz all der Zeit, in der ihre einzige Tochter mittlerweile in der Föderation lebte, immer noch nicht mit der Technologie anfreunden. „In meiner alten Heimat kann man mit Technik nichts anfangen, Sahva.“ „Ich weiß. Ich werde vorsichtig sein, Grandma.“, versprach Raven freundlich. „Gut. Ich verlasse mich da auf dich.“, meinte Larscha nachdenklich, doch sie kannte ihre Enkelin gut. Sie wusste, dass ihre Enkelin wirklich vorsichtig war. „Und Grandpa lässt dich wirklich so einfach ziehen?“, fragte Raven schließlich amüsiert, denn ihre Großeltern hingen mindestens genauso sehr aneinander wie ihre Eltern und taten eigentlich immer alles gemeinsam. Sie selbst glaubte nicht daran, dass ihr eine solch innige Beziehung beschieden sein würde, denn bislang waren ihre Beziehungen immer recht ernüchternd gewesen. „Er hat keine andere Wahl.“ „Und er wollte uns nicht begleiten?“, fragte Raven schmunzelnd weiter. Larscha wusste, dass ihre Enkelin sie neckte und schmunzelte ebenfalls. „Doch, aber ich konnte ihn davon überzeugen, dass ich aus dem Alter heraus wäre, in der man versuchen würde, mir den Hof machen zu wollen.“ Nun musste Raven doch kichern. „Komm, Sonnenschein, bevor wir noch mehr Zeit verplempern. Ich war so lange nicht mehr in meiner Heimat, dass ich es kaum noch abwarten kann.“, meinte Larscha unternehmenslustig. „Und deine Sachen?“, fragte Raven irritiert, da diese immer noch im Boudour verteilt zu liegen schienen. „Die kommen nach. Lass uns aufbrechen, Liebes.“ Raven schulterte ihre Tasche, dann ergriff sie die dargebotene Hand ihrer Großmutter. Mit Hilfe des magischen Artefakts, welches ihre Großmutter und auch sie selbst in Form eines Kristallsplitters um den Hals trug, würde sie an ihren gewünschten Reiseort bringen. Mit einem Lächeln sah Larscha ihre Enkelin an, der grade noch durch den Kopf ging, dass sie sich von ihrem Großvater noch gar nicht verabschiedet hatten. Doch bevor sie diesbezüglich etwas einwenden konnte, verschwamm die Welt um sie herum und ihre Reise begann. Kapitel 2: Der König von Laos ----------------------------- Die magische Reise dauerte ungewöhnlich lange, wie Raven für sich feststellte, als ihre Sicht nach dem Zauber wieder klar wurde. Also mussten sie sich weit vom Heimatplaneten der Shino entfernt sein. Wie immer schüttelte sie leicht ihren Kopf, um den benommenen Schleier aus ihrem Blick zu vertreiben. Was sie dann vor sich erblickte ließ sie tief Luft holen. Ein wunderschönes Schloss aus warm schimmerndem Sandstein erhob sich vor ihnen, eingefasst mit kunstvoll gestalteten Parkanlagen und mit weißem Kiesel aufgefüllten Wegen. Viele Menschen flanierten durch den großen Vorhof des Schlosses, in welchem sie angekommen waren und unterhielten sich freundlich mit entgegenkommenden Mitmenschen egal welchen Standes. Es hatte alles den Anschein von einer Mischung aus einer mittelalterlichen und einer Fantasiewelt auf Raven, während sie so unauffällig wie möglich versuchte, sich so gut es ging ein erstes Bild ihrer neuen Umgebung zu machen. „Und, was meinst du?“, fragte ihre Großmutter freundlich und sichtlich neugierig. „Wow... es sieht so... friedlich aus.“, kommentierte Raven das, was sie sah, so leise wie möglich. Larscha lachte leise. „Das ist es auch, glaube mir. Seine königliche Hoheit legt großen Wert auf Gerechtigkeit bei allen Bewohnern.“ „Und das klappt?“, fragte Raven erstaunt, denn sie kannte viele Welten mit diesem hehren Ziel, aber bislang hatte niemand so etwas geschafft. „Wenn sich nicht drastisch etwas geändert hat schon.“, meinte Larscha nachdenklich. „Aber Laos ist auch keine große Welt.“ Nun wusste Raven auch den Namen dieser Welt und trat sich in Gedanken einmal selbst kräftig, dass sie es versäumt hatte, hiernach zu fragen. Als Commander der Föderation durfte ihr eine solche Unaufmerksamkeit eigentlich nicht passieren. „Gibt es etwas, was ich bei meinem Aufenthalt hier beachten muss, Grandma? Irgendwelche besonderen Regeln?“, fragte sie nun doch noch einmal nach, während sie von ihrem Ankunftspunkt aus auf die große Freitreppe zugingen, die anscheinend zum Haupttor des Schlosses führte. „Man kennt hier keine Technik, wie sie auf Alpha benutzt wird, aber das sagte ich dir ja bereits. Das Volk hier ist ähnlich wie die Shino, deswegen sollte es dir nicht schwerfallen, dich hier zurechtzufinden, Sonnenschein. Und sie ehren ihre Frauen sehr, deswegen darfst du dich nicht wundern, wenn die Männer in deinen Augen sicher einige sehr antiquierte Ansichten haben. Der Grund dafür ist der, dass Frauen hier als Lebensspenderinnen hoch angesehen sind und hier hauptsächlich den Kopf der Familie stellen. Sie sind es nicht gewöhnt, dass eine Frau als Kriegerin ausgebildet wird, wie es bei dir der Fall ist.“ Larscha sah ihre Enkelin bittend an. „Könntest du dich während deines Aufenthalts hier ein wenig zurücknehmen, Sonnenschein? Ich weiß, es wird dir sicher sehr schwer fallen, aber einige würden hier sicher in Ohnmacht fallen, wenn sie dich bei Kampfübungen erblicken würden.“ //Also einige Tage kein Training.//, seufzte Raven in Gedanken, nickte aber mit einem Lächeln. „Mache ich, Grandma. Du wirst keinen Grund haben, dich für mich schämen zu müssen.“ Larscha hob eine Hand und streichelte Ravens Wange mit einem traurigen Lächeln. Sie kannte den Grund, wieso ihre Enkelin immer so große Sorge hatte, dass sich ihre Familie ihrer schämte. Schließlich war sie die Erstgeborene und besaß kaum etwas von den unglaublichen magischen Kräften ihrer Mutter, die das einzige Kind der Göttin des Lichts war. Aber Larscha war sich sicher, dass ihre Enkelin allen, die sich noch immer hinter vorgehaltener Hand fragten, ob die junge Frau überhaupt die Tochter ihrer Mutter sein konnte, zeigen würde, dass auch sie zu Außergewöhnlichem berufen war. Denn sie erinnerte sich noch überdeutlich an die Worte der Göttin kurz nach Ravens Geburt, als diese sie begrüßte. Es waren sehr leise Worte gewesen, die das Lichtwesen gesprochen hatte, doch sie sagte, dass sie bereits sehr lange Zeit auf ein Wesen wie sie gewartet hatte und das sie dringend gebraucht wurde. Und sie war überzeugt, dass die Göttin so etwas nur dann sagen würde, wenn es absolut stimmte. „Sonnenschein, du würdest mich nie beschämen. Mach dir deswegen doch nicht immer solche Gedanken. Niemand in deinem Alter ist so umsichtig wie du, Liebes, selbst deine Schwester und auch ihr Zwilling nicht.“ Sie hatten das Innere erreicht, um sie mit traumwandlerischer Sicherheit durch eine mehr als großzügig gestaltete Innenhalle zu führen, die auf viele Aufenthalte in der Vergangenheit schließen zu lassen. Raven ließ nur kurz den Blick durch die Halle schweifen, um nicht allzu neugierig zu erscheinen. Es waren einige Menschen in der Halle, die sich leise lachend unterhielten oder mit offensichtlichem Kennerblick die aufgehängten Gemälde bewunderten, die die hell gestrichenen Wände zierten. Dann erreichten sie auch schon eine große, weit geöffnete Doppeltür, durchschritten sie und betraten einen noch größeren Raum. Nun konnte Raven nicht anders, als sich staunend umzusehen. Der Raum war hoch und weit, kunstvolle Skulpturen und Möbel waren so mit verschiedenen Pflanzen aufgestellt, dass sie wie ruhige Inseln in dem großen Saal wirkten, die durch Pflanzen ein wenig vor den Blicken anderer abgeschirmt waren. Es befanden sich viele unterschiedliche Menschen in diesem Saal, Männer sowie Frauen. Alle waren mit mittelalterlich anmutenden Kleidern bekleidet, sodass Raven froh war, dass sie sich bei ihrer Abreise an dem orientiert hatte, was ihre Großmutter immer favorisierte. Deshalb trug auch sie ein Kostüm mit einem bodenlangen Rock, das aber im Gegensatz zu denen, die die Frauen hier trugen, sehr körperbetont wirkte. Aber da ihre Großmutter etwas Ähnliches trug, machte sie sich deswegen keine weiteren Gedanken. „Na, was meinst du?“, hörte sie schließlich die amüsierte Stimme ihrer Großmutter neben sich. „Unglaublich.“, murmelte Raven leise, während sie weiterhin ihren Blick durch den Saal schweifen ließ. „Wunderschön.“ „Ich weiß.“, lachte Larscha nun deutlich. Auch sie ließ den Blick über den Saal schweifen. „Es hat sich zwar einiges geändert, aber es ist noch genauso prächtig, wie ich es in Erinnerung habe.“ Raven fiel ein älterer Mann auf, der sie anscheinend entdeckt hatte und nun zielstrebig auf sie zukam. Er war edel gekleidet, trug sein grau meliertes Haar relativ kurz und elegant zurück gekämmt, während sein Vollbart sehr gepflegt gestutzt war. Viele der anwesenden Gäste grüßten ihn erfreut, als er an ihnen vorbeikam. Im ersten Moment kam es Raven in den Sinn, dass es sich bei diesem Mann vielleicht um den Herrscher handeln könnte, denn Erscheinung und Ausstrahlung konnten darauf schließen lassen. Doch diesen Gedanken verwarf sie schnell wieder, denn dieser Mann antwortete auf die Grüße der Anwesenden mit einem Lächeln, welches sich vertiefte, als er ihnen näher kam. Und da sie in Erinnerung hatte, dass der König dieses Planeten über keinerlei Gefühlsregung verfügen sollte, verwarf sie ihren ersten Gedanken schnell wieder. Dann entdeckte auch Larscha den sich nun recht schnell nähernden Mann und begann zu strahlen. „Ich sehe wundervolle Gäste im Thronsaal.“, begrüßte sie der Mann freundlich und sichtbar erfreut, Larscha zu sehen. Dann hatte er sie erreicht und nahm Larschas Hände, die sie ihm entgegen gestreckt hatte, entgegen, um auf die Fingerspitzen einen Begrüßungskuss zu hauchen. „Beliniam, es ist so schön, dich wiederzusehen.“, rief Larscha lachend aus und ließ Raven daraus schließen, dass die beiden einmal gut befreundet gewesen sein mussten. Dann drehte sie sich von dem Mann zu Raven um und strahlte auch sie an. „Sahva, Liebes, ich möchte dir einen alten Freund vorstellen. Dieser ungestüme Mann hier...“, sie deutete mit einem Kopfnicken und strahlendem Lachen auf den älteren, aber immer noch recht ansehnlichen Mann, der noch immer Larschas Hände in den seinen hielt, „ist Lord Beliniam Alden, der erste Berater seiner Königlichen Hoheit. Wir sind bereits seit Jugendtagen gut miteinander befreundet.“ Darauf war Raven mittlerweile auch gekommen, doch sie unterließ es, ihre Großmutter schmunzelnd darauf hinzuweisen, wie sie es sicherlich sonst getan hätte, sondern knickste so elegant wie möglich, wie es ihr in ihrem engen Kostüm möglich war und senkte kurz ihren Blick, bevor die den Berater des Königs wieder lächelnd ansah. „Es ist mir eine große Ehre, euch kennenlernen zu dürfen, Lord Alden.“, begrüßte sie ihn höflich. „Sahva? Larscha, meine Liebe, sag mir jetzt nicht, dass diese hübsche junge Frau hier deine älteste Enkelin ist.“, fragte er sichtlich überrascht. Larscha lachte auf. „Bel, mein guter Freund, du weißt doch bereits, dass alle meine Enkel bereits ausgewachsen sind.“ „Schon, aber es ist ein Unterschied, es in Briefen zu lesen, die, wie du weißt, gerne einmal geschönt sein können, und schließlich sich mit eigenen Augen überzeugen zu können.“ Nun ließ er doch Larschas Hände los und half Raven auf. „Prinzessin Sahva, herzlich willkommen auf Laos. Ihre Großmutter hat mir bereits in so vielen Briefen von euch berichtet, dass ihr mir in Gedanken immer wie eine eigene entfernte Verwandte erschienen seid. Und eure Großmutter hat in der Tat nicht übertrieben, als sie euch als sehr hübsch beschrieben hat.“ Ravens Wangen färbten sich leicht vor Verlegenheit, denn sie hatte sich nie als etwas Besonderes angesehen, weder in ihrem Können, noch in ihrem Aussehen. „Euer Lob ehrt mich sehr, Lord Alden.“, murmelte sie deswegen ein wenig schüchtern. „Ihr müsst doch sicher von der langen Reise erschöpft sein. Begleitet mich doch zu den Sesseln.“, schlug er vor. „Ich würde mich gerne noch ein wenig umsehen, wenn ihr es gestattet.“, bat Raven freundlich, denn sie konnte sich vorstellen, dass sich die beiden sicherlich einiges zu besprechen hatten, wo sie nicht mithalten konnte. „Macht das ruhig, Prinzessin.“, meinte Lord Alden freundlich, noch bevor Larscha etwas einwenden konnte. „Solltet ihr Fragen haben, wendet euch ruhig an alle Anwesenden. Zudem könnt ihr uns bei den Sesseln dort drüben finden.“, erklärte er und deutete auf entsprechende Möbel nicht weit von ihnen entfernt. Mit einem leichten Nicken bestätigte Raven, dass sie verstanden hatte und lächelte ihrer Großmutter zu, als Zeichen, dass sie sich keine Sorgen machen brauchte. Diese erwiderte es dann auch und ließ sich dann von ihrem alten Freund fortführen. Als die beiden Älteren fortgegangen waren, sah sich Raven noch einmal im Saal um. Es gab wirklich viel Schönes zu entdecken. Wie in der Vorhalle waren auch hier große und farbenfrohe Gemälde ausgestellt, die hauptsächlich Naturmotive und Landschaften darstellten, wie sie beim näheren Hinsehen bemerkte. Noch während sie zu einem der Gemälde hinüber schlenderte, um es näher betrachten zu können, bemerkte sie zudem, dass auf der anderen Seite des Saals große Balkontüren aufstanden, um sowohl die Wärme des Tages und frische Luft hineinzulassen, als auch dem großen Raum noch mehr Weite geben zu lassen. Um sämtliche Türen waren Vorhänge aus dunkelblauem, leichten Stoff drapiert, die sich in der lauen Luft, die von außerhalb herein wehte, leicht blähten. Sie ließ sich Zeit, um die Gemälde und Statuen, die im Saal dekoriert waren, zu bewundern. Sie waren auch für einen Laien wie sie deutlich sichtbar in unterschiedlichen Techniken und Stilrichtungen angefertigt worden und sprühten vor Lebensfreude und Leuchtkraft. Zudem wurden sie von kunstvoll angefertigten Rahmen gehalten, die Raven irgendwie an altkeltische Formen von Terra erinnerten. An einem besonders schön gefertigten Rahmen aus Silber konnte sie nicht anders, als die verschlungenen Stränge behutsam zu berühren. Wachsame Augen überblickten den Thronsaal, während die Schatten des Balkontürrahmens und der Vorhänge den Körper verbargen. Ein seltsames Gefühl hatte ihn dazu bewogen, den Balkon, auf dem er sich bereits eine Weile aufgehalten hatte, zu verlassen und persönlich nach dem Rechten zu sehen. Jemand Fremdes war im Schloss, doch aufgrund der Aura konnte er nicht einordnen, ob es sich bei dem Fremden um eine Gefahr handelte. Er blickte schnell über die Menge und entdeckte den Eindringling sehr bald. //Eine junge Frau?// Sie stand mit dem Rücken zu ihm und bewunderte anscheinend eines der Gemälde. Als sie ihre Hand hob und ganz behutsam mit den Fingerspitzen wie ehrfurchtsvoll über den Rahmen strich, war er sich für einen Moment sicher, dass es sich bei der jungen Frau um ein Lichtwesen handeln musste. Doch dieser Eindruck verflog so schnell wie er gekommen war. Sie konnte kein Lichtwesen sein, denn diese hatten etwas an sich, dass seinen Augen nicht bekam. Aber sie... Mit einem Mal spürte Raven, wie sie jemand beobachtete. Wie immer, wenn das jemand tat, den sie noch nicht kannte, stellten sich ihr leicht die Nackenhaare auf. Sie ließ ihre Hand sinken und richtete sich richtig auf, dann drehte sie sich schnell in die Richtung um, aus der sie den Blick gespürt hatte. Doch da war nichts, denn direkt ihr gegenüber befand sich nur einer der Durchgänge zum Balkon. Aber irgendetwas war dort. Doch je länger sie auf den Durchgang sah, desto mehr verflog das Gefühl einer Bedrohung und sie entspannte etwas. //Habe ich mir das eingebildet?//, fragte sie sich, als sie immer noch nichts erkennen konnte. Doch das Gefühl des beobachtet werdens hielt an. //Sie hat mich bemerkt?// Der unsichtbare Beobachter konnte sein Erstaunen nicht verbergen, als er sah, wie sich die junge Fremde mit einem Mal leicht versteifte, so als ob sie seinen Blick spüren konnte. Aber das konnte nicht sein, denn das konnten noch nicht einmal die Allermächtigsten. Doch als sie sich schnell in seine Richtung umdrehte und ihren Blick fest auf den Durchgang gerichtet behielt, der ihn verborgen hielt, war er sich ziemlich sicher, dass sie zumindest irgendetwas spüren musste. Denn sie hielt sich wie eine stolze Kriegerin, etwas, was er schon seit unendlich langer Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. //Kriegerin... nein...// Sein Blick richtete sich nun intensiver auf die junge Frau, deren Äußeres in seinen Augen Beifall fand. //Sie ist mehr als eine Kriegerin.// Er hob seine Hand und brach damit den Zauber, den die Schatten im Schloss immer um ihn woben. Mit einem Mal konnte Raven sehen, wie sich eine Hand im Schatten der Vorhänge erhob, um diese zur Seite zu heben. Obwohl von Draußen Licht hereinfiel hatte sie das Gefühl, dass ihr noch gesichtsloser Beobachter aus einem dunklen Raum heraustrat, was nach sämtlicher Logik eigentlich nicht möglich sein konnte, denn es befand sich nur ein dünner Schatten im Durchgang zwischen Saal und Balkon. Die Person tat nun einen Schritt vor, während er den Vorhang weiter anhob. Raven spürte, wie ihre Augen groß wurden. Ein relativ junger Mann trat hervor, anscheinend nicht viel älter als sie selbst, gekleidet komplett in Schwarz, wobei sich aber zarte Stickereien auf seiner Jacke absetzten. Er hatte eine sehr helle Haut und, wie Raven es zu ihrer Freude feststellte, lange schwarze Haare. Und er war groß, deswegen wunderte sie sich, dass sie ihn zuvor gar nicht sehen konnte. Er bewegte sich mit einer ihm eigenen Eleganz, fast schon schien es, als würde er schweben oder sich gleitend wie eine riesige Raubkatze auf sie zu bewegen. Sein Blick war weiterhin auf sie gerichtet, fragend, wie es ihr erschien. Er war außergewöhnlich gut aussehend, fast schon ätherisch schön, mit einem ebenmäßigen Gesicht, das wie mit Maß erschaffen geworden zu sein schien. Sie richtete ihren Blick nun fest auf den seinen und straffte noch einmal ihre Körperhaltung. Denn obwohl sie insgeheim wusste, dass ihr von ihm keine Gefahr drohte, wollte sie so stolz wie möglich wirken. Warum wusste sie nicht. Seine Augenfarbe war unglaublich. Raven konnte nicht genau sagen, was für eine Augenfarbe er genau besaß, denn richtig beschreiben ließ sie sich nicht. Im ersten Moment hätte sie schwören können, dass seine Augen eisblau gewesen wären. Doch schon einen Augenblick später erschienen sie ihr wie mit einem Hauch Silber überzogen. Noch während sie sich gegenseitig betrachteten legte er seinen Kopf ein wenig zur Seite. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich euch noch nie hier im Schloss gesehen habe, junge Lady.“, äußerte er schließlich. Seine Stimme passte zu ihm. Sie war dunkel und geheimnisvoll und hüllte sie ein wie schwerer, weicher Samt. Obwohl er beileibe nicht laut gesprochen hatte konnte sie jede Nuance seiner Stimme genau hören. Sie senkte ihren Kopf zum Gruß und lächelte ihn freundlich an. „Das ist richtig, ich war auch noch niemals hier.“, stimmte sie ihm zu. Neugierde stand in seinem Blick und obwohl sich nichts an seiner Mimik änderte hatte sie das Gefühl, als würde er leicht lächeln. „Dann begleitet ihr jemanden, Lady...?“ Sie wollte sich schon mit ihrem eigentlichen Rufnamen vorstellen, doch dann erinnerte sie sich, dass ihre Großmutter sie sicher auch hier nur mit ihrem zweiten Vornamen vorstellen würde. „Sahva, mein Name ist Sahva. Und ja, ich begleite meine Großmutter. Sie sitzt dort drüben.“ Mit einer Handbewegung deutete sie auf die Sitzgruppe, auf der Larscha und Lord Alden Platz genommen hatten. Er folgte ihrer Hand mit seinem Blick. „Ah, die Königin der Shino ist also endlich wieder in ihrer alten Heimat angekommen.“, meinte er trocken, aber dennoch meinte Raven ein Schmunzeln in seiner Stimme zu hören. Dann richtete er seine volle Aufmerksamkeit wieder auf Raven. Nun war sein Blick wirklich interessiert und offen, während er sie noch einmal ausgiebig zu mustern schien. Normalerweise war ihr so etwas nicht sehr angenehm, doch bei ihm machte ihr das seltsamerweise nichts aus. Hätte sie es gekonnt, hätte sie sich sicher noch aufrechter hingestellt. Dann reichte er ihr mit einem Mal galant seinen Arm. „Würdet ihr mich zu eurer Großmutter begleiten, Prinzessin?“, fragte er freundlich. „Gerne.“, antwortete sie mit einem strahlenden Lächeln und legte ihre Hand behutsam auf den weichen Stoff seiner Jacke. Der Stoff war aufwendiger, als es zuerst den Anschein gehabt hatte, denn nur ein kleiner Teil der Stickereien war von Ferne aus zu sehen. Der Rest war mit schwarzem Faden gearbeitet worden und offenbarte sich erst bei großer Nähe. Der Mann neben ihr, von dem sie immer noch nicht den Namen erfragt hatte, wie ihr mit einem Mal durch den Kopf schoss, setzte sich mit ihr in Bewegung. Er war in der Tat ein ganzes Stück größer als sie selbst und seltsamerweise fühlte sie sich auf Anhieb beschützt. „Es ist schon lange her, dass ich eine junge Kriegerin begleiten durfte.“, hörte sie mit einem Mal seine Stimme und sie sah ihn verwundert an. Sein Blick war wieder direkt auf sie gerichtet und er schien amüsiert zu funkeln. „Wie kommt ihr darauf, dass ich eine Kriegerin bin?“, fragte sein überrascht. „Alles an euch schreit quasi danach, dass ihr im Kampf geschult seit, Prinzessin. Keine der Frauen hier hätte eine derart stolze Haltung wie ihr und das könnt ihr gerne als Kompliment ansehen. Außerdem...“ Sein Blick schien noch mehr vergnügt zu leuchten. „...hat Lord Alden die Angewohnheit, mich immer in Allem auf dem Laufenden gehalten, vor allem bei Dingen, die Lady Larscha angingen.“ Nun war auch Raven endlich aufgegangen, neben wem sie durch den Saal schritt. Das ihr jetzt endlich auffiel, dass die Anwesenden, an denen sie langsam vorbei gingen, ihren Kopf zum Gruß neigten, ergab den Rest. „Eure königliche Hoheit, verzeiht mir, ich habe euch gar nicht richtig...“, begann sie fast panisch, da sie ihn nicht so begrüßt hatte, wie ihre Großmutter es sicher gerne gesehen hätte, doch bevor sie sich von ihm lösen und korrekt knicksen konnte, legte er seine Hand auf die ihre, die auf seinem Arm ruhte und hielt sie fest. Dabei nahm Raven am Rande wahr, dass seine Hände angenehm kühl waren. „Wenn ich gewollt hätte, dass ihr mich als das erkennt, was ich hier bin, dann hätte ich mich nicht wie ein Geist aus den Schatten lösen sollen, meint ihr nicht auch?“, fragte er freundlich. Erst jetzt fiel Raven auf, dass sich seit ihrem ersten Blickkontakt seine Miene gar nicht verändert hatte. Dennoch hatte sie deutlich das Gefühl, als würde er jetzt Lächeln. „Aber es spricht für euren wachen Geist und Verstand, dass ihr die richtigen Schlüsse geschlossen habt.“ Ein so deutliches Lob hatte sie schon lange nicht mehr bekommen und sie stellte irritiert fest, wie gut ihr das tat. Ein erschrockenes Luftholen vor ihr richtete ihre Aufmerksamkeit von dem sie begleitenden König zu ihrer Großmutter und Lord Alden, die sie nun entdeckt hatten und sich augenblicklich erhoben. „Ihr habt eine beeindruckende und sehr aufmerksame Enkelin, meine liebe Freundin.“, richtete der Schwarzhaarige seine Worte nun direkt an Larscha, die ein wenig blass geworden war. „Mein König.“, hauchte sie verlegen und knickste nun ihrerseits leicht. Er schüttelte ganz leicht seinen Kopf. Dabei meinte Raven wieder einmal so etwas wie Amüsement zu spüren, obwohl man ihm tatsächlich nichts in der Miene anmerkte, wie Raven bei einem heimlichen Beobachten für sich feststellte. „Larscha, ich habe die Position als euer König vor vielen Jahren mit eurer Vermählung verloren. Es freut mich natürlich sehr, dass ihr mich allem Anschein nach nicht vergessen habt, aber…“ Er streckte ihr eine Hand entgegen, auf die Larscha ihre eigene legte. „… ihr seid selbst Königin. Ihr müsst mir keine Referenz erweisen.“ „Ihr werdet immer mein verehrter alter Herrscher bleiben, mein König. Daran werden auch Titel und Jahre nichts ändern.“, antwortete Ravens Großmutter nun mit einem freundlichen Lächeln. Raven stellte sogar fest, dass sich die Wangen ihrer Großmutter sogar ein wenig gerötet hatten. Ob das nun an dem leichten Tadel oder an der Wiedersehensfreude lag vermochte Raven nicht zu sagen. Der König hauchte einen Handkuss zur Begrüßung auf die Hand ihrer Großmutter, dann richtete er sich wieder auf und führte Raven, die noch immer ihre Hand auf seinem Arm hatte, zu einem kleinen Sofa. Es waren nur darauf noch dort zwei Plätze frei. „Ich hoffe, es stört euch nicht, einen so alten Mann wie mich als Platznachbarn neben euch zu haben, Prinzessin.“, fragte er Raven sehr höflich. Raven lächelte sanft. „Es ist mir eine Ehre, neben euch sitzen zu dürfen, eure Königliche Hoheit.“ Er hielt ihr seinen Arm solange entgegen, bis sie sich richtig gesetzt hatte, dann erst nahm auch er Platz. Dabei fiel ihr auf, dass ihm sein langes Haar, welches am Hinterkopf mit einer dezenten silbernen Spange zurückgehalten wurde, fast bis zur Taille reichte. Wieder eine Kleinigkeit, die ihn in ihren Augen noch attraktiver machte. „Wie geht es euch, Larscha?“, fragte er beinahe liebevoll nach. „Ich denke immer noch mit Schrecken daran, was dem Volk der Shino vor einigen Jahren widerfahren ist.“ Er sprach auf die Versklavung des Volkes der Weisen an. So schrecklich es auch gewesen sein mochte, hätte es diese Versklavung nicht gegeben, wäre Ravens Mutter niemals in die Welt der Föderation gekommen. //Dann hätte es mich nicht gegeben.//, fügte Raven schmunzelnd in Gedanken hinzu. Dann geschah etwas Seltsames. Kaum, dass sie diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, drehte sich der König zu ihr um und sah sie überrascht an. An seinem Blick meinte Raven erkennen zu können, dass er ihre Gedanken hatte hören können. Doch bevor sie nachfragen konnte richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf Larscha. Irritiert dachte Raven kurz darüber nach, dann richtete sie sich aber bewusst auf die Unterhaltung der anderen. „Uns geht es gut, mein König. Das elende Kapitel ist ja schon seit vielen Jahren abgeschlossen. Zudem durften wir so viele sehr freundliche Lebewesen kennenlernen, die uns seitdem beschützen. Ich denke, niemand wird es wagen, uns erneut anzugreifen.“, meinte Larscha und sah kurz auf ihre Enkelin. „Sicher nicht.“, stimmte Raven mit einem freundlichen, aber bestimmten Lächeln zu. „Ah, dann seid ihr eine Beschützerin, Prinzessin?“ der König drehte sich wieder zu Raven um und sah sie interessiert an. „So könnte man sagen, euer Hoheit.“ „Ihr seid darüber nicht entsetzt?“, fragte Larscha überrascht nach. Er schüttelte den Kopf. „Warum sollte ich? In vielen Völkern ist es eine Ehre, zu den Kriegern und Beschützern des Landes zu gehören.“ Es schien fast so, als wollte er noch etwas anfügen, doch er schwieg. „Aber es ist doch schon etwas ungewöhnlich, dass sich eine junge Frau entscheidet, zu einer Beschützerin zu werden, oder nicht.“, wandte Lord Alden ein, doch man sah ihm an, dass er mit diesem Gedanken keine Probleme hatte. Oder er hatte einfach bereits genug Zeit gehabt, diesen zu akzeptieren. Wieder sah der König Raven an. „Hier auf Laos mag das durchaus ungewöhnlich zu sein, aber ihr entstammt weder Laos, noch lebt ihr in der Welt der Shino. Ich denke nicht, dass das in eurer Heimat so ungewöhnlich sein wird, oder?“, fragte er mit wirklichem Interesse nach. Raven schüttelte leicht den Kopf. Sie war insgeheim davon ausgegangen, dass der Herrscher dieser Welt auch etwas konservativ war, doch er überraschte sie, seit sie ihn vor kurzem kennengelernt hatte, immer wieder positiv aufs Neue. „Das ist auf Alpha ganz normal. Es steht jedem frei das zu erlernen, was ihm am meisten liegt. Ich habe mich halt entschlossen, den Weg meines Vaters einzuschlagen.“, erklärte sie ruhig. „Und habt ihr es bereut?“, fragte der König weiter. „Bislang noch nicht.“, war ihre ehrliche Antwort mit einem offenen Lächeln. „Das ist die Hauptsache.“, meinte Lord Alden mit einem Lachen. „Denn nur wenn man sich wirklich in einer Sache wohlfühlt kann man seine Aufgaben wirklich erfüllen.“ „Dem kann man nichts weiter hinzufügen.“, stimmte der König zu und betrachtete Raven wieder mit diesen freundlich erscheinenden Blick. Dabei hatte Raven mit einem Mal das Gefühl, als würde ein behutsamer Hauch ihre Gedanken streifen. Es war ein fremdes Gefühl, anders als alles, was sie bislang gespürt hatte. Ein telepatischer Kontakt mit ihrer Mutter war wie ein Bad in der Sonne, ebenso wenn sie mit der Göttin sprach. Bei ihren Geschwistern war es wie ein Eintauchen in eine lustige Welt von Farben, bei ihren Großeltern und Onkeln aus der Welt der Shino war es ein warmes Flüstern, doch diese Berührung war behutsam, fast scheu und vor allem kühl. Es gab nur eine Person in diesem Raum, der sie zutraute, der Verursacher dieser Berührung zu sein. //Ihr seit Telepath?//, fragte sie erstaunt nach und blickte den König ein wenig überrascht an. Sein Blick wurde scharf und das Blau, was bislang in seinen Augen überwogen hatte, schien mehr Silber zu werden. //Ihr konntest das spüren?//, hörte sie mit einem Mal seine dunkle Stimme in ihrem Kopf. Es war behutsam gesendet, das fiel ihr sofort auf, ebenso wie die Tatsache, als würde er irgendwie sanfte Schatten mit senden. //Ich konnte euch vorhin schon spüren.//, bestätigte sie seine Mutmaßung, die er bei seiner ersten Betrachtung bereits geschlossen hatte. Er holte kurz überrascht Luft, was Larscha und Lord Alden natürlich sofort auffiel, da sie die beiden genau beobachtet hatten. „Mein König, ist alles in Ordnung?“, fragte Lord Alden besorgt. „Natürlich.“, antwortete dieser ruhig, und drehte sich von Raven zu den anderen beiden um. //Ihr scheint etwas Besonderes zu sein, Prinzessin.//, hörte sie seine Gedanken und war sich sicher, dass sie trotz seines Fortdrehens seine volle Aufmerksamkeit hatte. //Wieso das?//, fragte sie überrascht und richtete ebenfalls ihre äußere Aufmerksamkeit wieder auf ein scheinbares Gespräch, dass der König mit Lord Alden und ihrer Großmutter begann. //Ihr seit die Einzige, die mich spüren kann.//, war seine Antwort. Es war schon spät am Nachmittag, als Raven ihr Gästezimmer aufsuchen und ihr Gepäck aus der Reisetasche nehmen konnte, die ein umsichtiger Dienstbote auf dem Bett abgestellt hatte. Sie zog sie auf und holte aus ihr einige weitere kleine Boxen heraus. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie niemand beobachtete, aktivierte sie die in den Boxen verborgene Technik, sodass diese wieder ihre ursprüngliche Größe annahmen. Dann begann sie damit, die darin aufbewahrte Kleidung – sie hatte beinahe an alle Eventualitäten gedacht – in dem großen Schrank unterzubringen. Dabei ging ihr die Begegnung und das Gespräch mit dem Herrscher dieses Planeten nicht aus dem Sinn. Nicht nur, dass sie sich in seiner Gegenwart zusammenreißen musste, um nicht wie ein Teenager mit schwärmerischen Blick immer zu ihm herüber zu blicken. //Er ist aber auch eine wahre Augenweide. Kein Wunder, dass Grandma immer noch so sehr von ihm schwärmt.//, lachte sie in ihren Gedanken. Auch alles weitere an ihm war sowohl beeindruckend, als auch geheimnisvoll. Schon allein die Tatsache, dass sie immer vermeinte, seine eigentlichen Gefühlsregungen spüren zu können, die er nicht zeigte. So etwas war ihr noch nie untergekommen und sie hatte auch nicht gewusst, dass sie empathisch veranlagt war. Das tat sie mit einem leichten Kopfschütteln ab. Schließlich hatten ihr die Priesterinnen der Sonnengöttin, die ihrer Mutter unterstanden, bereits vor vielen Jahren quasi bescheinigt, dass sie über gar keine magischen Fähigkeiten verfügte. Und laut der Definition der Lehrschriften der Shino war das Erspüren der Gefühle anderer eine wahre Kunstfertigkeit, die nur sehr selten und dann auch nur bei wirklich mächtigen Magiern vorkam. Also ganz sicher nicht bei einem Halbblut wie ihr, die sich zur ‚Schande’ für ihre Eltern, wie es hinter vorgehaltener Hand bei den Priestern getuschelt wurde, mit dem Studium über dunkle Völker und Gebräuchen beschäftigte. Es war nicht so, dass sie die Lehren der Lichtpriester ablehnen würde. Schließlich war sie von klein auf damit aufgewachsen, da ihre Mutter ja die Hohepriesterin war und sie ihre ersten Jahre als Erstgeborene die Erbin ihrer Mutter gewesen war. So hatte sie eine gute Ausbildung in diesem Bereich erhalten. Doch außer ihrer Großmutter – der Göttin, nicht Larscha – hatte niemand bis zu ihrem 20 Lebensjahr erahnt, dass sie dem Ganzen immer kritischer gegenüber stand. Sie konnte sich noch gut an den Tag erinnern, als sie mit 14 ein ernstes Streitgespräch mit einem Priester geführt hatte, weil sie gewagt hatte zu fragen, ob zum besseren Verständnis auch etwas über mögliche dunkle Glaubensrichtungen erörtert werden könnte. Schließlich war es eine der Hauptlehren der Priesterschaft, dass es immer einen Gegenpol geben muss, um das Gleichgewicht der Kräfte sicherzustellen. Dass der Priester sie während ihrer Diskussion nicht geohrfeigt hatte, weil sie, eine Vierzehnjährige, es gewagt hatte, ihm seine eigenen Worte zu widerlegen, was ein wirkliches Wunder und zugleich auch ein absolut traumatisches Erlebnis gewesen. Nur weil die Göttin direkt danach zu ihr gekommen und sie behutsam von dem Schock der Reaktion des Priesters getröstet hatte, war es zu verdanken, dass sie nicht aus Angst ihren Wissensdurst unterdrückt hatte. Denn die Göttin hatte ihr versichert, dass sie keineswegs enttäuscht über ihren Wissensdurst bezüglich der dunklen Völker, wie sie es nannte – der Priester sprach grundsätzlich nur von Monstern und Dämonen – war. Im Gegenteil, sie ermutigte ihre geliebte Enkelin sogar, ihre Forschungen auf diesem Gebiet fortzusetzen. Doch sie wurde auch eindringlich gewarnt. //Sie werden deinen Wunsch nach Verständnis der dunklen Völker niemals nachvollziehen können, Sahva.//, hatte die Göttin damals gesagt, als sie sie behutsam in ihren Armen gewiegt hatte. Dafür hatte die Göttin sogar einen festen Körper angenommen, etwas, dass Raven bislang nur sehr selten bei anderen gesehen hatte. Bei ihr hingegen war das fast schon üblich. //Leider ist der Hass zwischen den lichten und den dunklen Völkern schon zu alt und zu tief in den Herzen verwurzelt, als dass man etwas dagegen tun könnte. Ich werde dir bei deinen Forschungen helfen, Liebes, aber du musst mir versprechen, dass du alles für dich behältst. Ich möchte nicht, dass du deswegen noch mehr leiden musst als soeben durch die harschen Worte des Priesters.// Sie hatte der Göttin dieses Versprechen gegeben und sich bis zum heutigen Tage daran gehalten. Es wussten zwar mittlerweile einige, dass sie ‚von der Dunkelheit fasziniert’ war, wie manche es ausdrückten, denn immerhin war sie bekennender Heavy und Gothic, auch wenn mit dieser Bezeichnung nur diejenigen etwas anfangen konnten, die auf irgendeine Weise mit ihrem Geburtsplaneten Terra vertraut waren. Aber dass sie mittlerweile eine regelrechte Expertin in Sachen dunkler Völker und deren Glaubensrichtungen war, dass wussten nur die Göttin, ihre Eltern und ihre Geschwister. Zuerst hatte sie befürchtet, dass ihre Geschwister, beide immerhin 10 Jahre jünger als sie selbst, etwas gegenüber den Priestern erwähnen würden, doch die Zwillinge hatten dieses Geheimnis wohl gehütet. Serena und Sean gingen sogar noch weiter und ließen sich von ihr sogar in ihr Wissen einbeziehen, Sean dabei sogar noch intensiver als seine Zwillingsschwester, für die Raven vor gut 12 Jahren auf ihr Erbe als Nachfolgerin der Hohepriesterin verzichtet hatte. Je länger sie beim Auspacken ihres Gepäcks darüber nachdachte, wie sie auf die vermeintlich gespürten Gefühle des Königs reagiert hatte, desto sicherer war sie sich, dass sie sich diese nur eingebildet haben konnte. Sie war nur nach außen die souveräne und rationelle Frau, die alle in ihr sahen. Sie selbst wusste es besser. Sie war eine unglaubliche Romantikerin und deshalb schloss sie einfach, dass ihre Phantasie mit ihr durchgegangen war. Wieder einmal. Doch trotz allem kam sie nicht umhin anzuerkennen, dass etwas am König dieses Volkes anders war, als sie es bislang kennengelernt hatte. Und das lag nicht nur an seinem Aussehen, um das ihn viele ihrer Freunde auf Terra mehr als nur beneidet hätten. //Er wäre ein perfekter Gothic…//, schoss es ihr durch den Kopf und sie musste grinsen. Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken und sie drehte sich vom Schrank weg. „Ja bitte?“, fragte die laut und warf noch schnell einen Blick auf ihr Bett. Doch dort waren außer einigen Kleidungsstücken nur noch ihre Reisetasche zu sehen, keinerlei fremde Technik. Die Tür ging auf und Larscha trat mit einem Lächeln ein. „Kann ich mich zu dir gesellen?“, fragte ihre Großmutter freundlich. „Natürlich, das weißt du doch.“, antwortete Raven mit einem sanften Lächeln, dann machte sie sich daran, weiter ihre Kleidung in den Schrank zu hängen. „Normalerweise würde ich ja sagen, dass du das die Bediensteten machen lassen solltest…“, begann Larscha und ging auf das Bett zu, wo sie aus der Reisetasche eine weitere Box herausnahm und betrachtete. „… aber ich denke, dass wäre keine so gute Idee, oder?“ „Nein, sicher nicht.“, antwortete Raven ihr lachend. „Was hast du hier drin?“, fragte Larscha freundlich weiter. „Welche Farbe hat die Box?“, kam als Gegenfrage, während Raven fast im großen Kleiderschrank verschwunden war. „Ein seltsames Blau.“, meinte Larscha stirnrunzelnd, als sie die Box betrachtete. „Lass die zu, Grandma. Da sind die Dinge drin, die hier nichts zu suchen haben.“, erklärte Raven und kam zum Bett zurück, wo sie ihrer Großmutter liebevoll einen Kuss auf die Wange hauchte. „Was hast du denn mitgekommen?“, fragte Larscha irritiert weiter. „Das ist meine Notfallbox. Da sind eBook, Laptop und vor allem mein MP3-Player drin. Und ein paar Dinge, von denen du nicht wissen möchtest, dass ich sie mithabe.“ Sie nahm ihrer Großmutter die Box aus der Hand und stellte sie ungeöffnet neben eine kleine Schmuckschatulle auf das Bett. „Und warum hast du sie mit?“ „Ich bin Offizier der Föderation, Grandma. Gewisse Dinge habe ich immer dabei, selbst wenn ich am friedvollsten Ort der ganzen Galaxie bin. Das ist bei mir einfach in Fleisch und Blut übergegangen.“, erklärte sie freundlich. „Aber was ist, wenn jemand aus Versehen die Box sieht und sie öffnen will? Sie wird sich dann doch Vergrößern.“, fragte Larscha ein wenig sorgenvoll. „Grandma, erstens lasse ich die Box ganz sicher nicht offen herumstehen. Sie kommt in meinem Schrank und da sollte nun wirklich niemand drin herumschnüffeln. Und wenn doch jemand so neugierig sein sollte, die Box ist so konfiguriert, dass nur ich sie öffnen kann. Und du zur Not.“, meinte Raven schmunzelnd und nahm ihre letzten Kleidungsstücke auf, um sie in den Schrank zu hängen. „Was hältst du von ihm, Sonnenschein?“, fragte Larscha mit einem Mal. „Von wen? Lord Alden? Er scheint nett zu sein.“, meinte Raven, aber sie konnte sich fast denken, dass ihre Großmutter nicht von Lord Alden sprach. Larscha kicherte leise. „Nein. Du weißt, von wem ich spreche.“ Raven seufzte leise und kehrte zum Bett zurück, wo sie sich neben ihre Großmutter setzte. „Ich habe noch nie einen so schönen Mann gesehen, Grandma. Alles an ihm erscheint perfekt.“ Larscha lächelte, aber dieses Lächeln erschien ein wenig bedauernd. „Dann kannst du sicher verstehen, warum ich bis heute noch so von ihm eingenommen bin. Als ich noch hier lebte war ich fürchterlich in ihn verliebt. Als er meinem Vater dann zur Verlobung mit deinem Großvater zustimmte war ich fürchterlich enttäuscht und auch wütend, denn ich wäre zu gerne in einer Position wie Beliniam an seiner Seite geblieben. Er muss das geahnt haben. Er ging mir bis zu meiner Verabschiedung mehr oder weniger aus dem Weg.“ Sie streichelte Raven eine Haarsträhne zurück hinters Ohr. „Hast du die Wahl deiner Eltern und deines Herrschers denn bereut?“, fragte Raven erstaunt, denn sie war immer davon ausgegangen, dass ihre Großeltern eine glückliche Ehe führten. „Nein, natürlich nicht. Doch ich war jung und unerfahren, als sie mich fortschickten. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass ich die Person sein würde, die seine königliche Hoheit aus seiner Traurigkeit herauslösen würde, deswegen war die Verlobung mit dem König der Shino auch so ein Schock für mich.“ „Weißt du, was komisch ist?“, fragte Raven leise. Sanft sah Larscha ihre Enkelin an. „Was, Sonnenschein?“ „Ich hatte sofort, als ich seine Hoheit das erste Mal angesehen hatte das Gefühl, als könnte ich Gefühle bei ihm spüren, die er nur nicht zeigen kann oder will. Es ist total komisch, so etwas hatte ich noch nie gehabt.“, versuchte sie das zu beschreiben, was ihr zuvor schon so seltsam vorgekommen war. „Ich weiß ja, dass ich über eine große Portion Phantasie verfüge, aber das war schon beinahe unheimlich. Es hatte sein Mienenspiel völlig ausgeblendet. Das kann ich mir doch nur eingebildet haben, oder?“ Überrascht hatte Larscha ihrer Enkelin zugehört. „Und was hast du gespürt, Sonnenschein?“ Raven war zuerst ebenfalls überrascht, dass ihre Großmutter nicht lachte und sie zurechtwies. Aber das hatte diese sowieso noch nie getan. Dann dachte sie über das nach, was sie zu spüren geglaubt hatte. „Freundlichkeit und Neugierde, würde ich sagen. Ich hatte sogar manchmal das Gefühl, dass er eigentlich lächeln würde.“, versuchte sie zu beschreiben. „Sag mir, wenn dieses Gespür von dir ihm Gegenüber bleibt und du noch anderes spürst als das soeben beschriebene. Ich würde mich so sehr freuen, wenn sich zeigen würde, dass doch jemand etwas bei ihm entdecken würde. Vor allem, wenn es einer meiner Nachkömmlinge wäre.“, fügte sie augenzwinkernd hinzu. Kapitel 3: Namensnennung ------------------------ 3. Namensnennung Zwei recht ereignislose Tage zogen ins Land, indem sich Larscha zwar sehr amüsierte, weil sie viele alte Bekannte und Freunde im Schloss wieder traf und die Darbietungen der Poeten und Künstler, die sich anscheinend immer im Schloss aufhielten, genoss. Raven hingegen begann sich alsbald zu langweilen. Hätte sie sich nicht so sehr verstellen müssen und nur wenige Male ihren eigenen Bedürfnissen nachkommen können, so hätte sicher auch sie den beinahe paradiesischen Aufenthalt in der alten Heimat ihrer Großmutter genießen können. Doch da sie sich fast zwanghaft kontrollierte, weil sie Angst hatte, ihre Großmutter zu kompromittieren, war sie nicht nur schnell von den Darbietungen und Vorstellungen, die sie über sich ergehen lassen musste, angenervt, sie musste auch sehr aufpassen, dass sie nicht gereizt reagierte, wenn sie wieder einmal einem neuen Bekannten ihrer Großmutter vorgestellt wurde. So hatte sie sich nach einem gemeinsamen Frühstück mit einer Entschuldigung zurückgezogen und es sich in einem abgeschiedenen Gang, der zu einem gemütlichen Innenhof offen war, in einem Fensterbogen gemütlich gemacht. Ihr Körper, der immer auf Bewegung und Leistung ausgerichtet war, brannte danach, sich in irgendeiner Weise zu betätigen, doch leider war ihr das nicht vergönnt. Sie wäre schon allein mit einem Ausflug in die nahe gelegene Hauptstadt zufrieden gewesen, nur um etwas anderes zu sehen als das Innere des Schlosses. An einen ausgiebigen Lauf oder ein Training war an diesem Ort gar nicht zu denken. Sie seufzte leise und traurig und begann es schon ein wenig zu bereuen, ihre Großmutter begleitet zu haben. Auch hatte sie den König dieses Planeten seit ihrer Begegnung zu Beginn ihres Aufenthalts nicht mehr sehen können. Doch kaum, dass das Seufzen ihre Lippen verlassen hatte, spürte sie wieder die kühle, leichte Präsenz, die sie bereits gespürt hatte, bevor sie seine königliche Hoheit das erste Mal erblickt hatte. So hob sie ihren Blick und sah sich auf einen unbestimmten Antrieb heraus um. Und tatsächlich erblickte sie ihn, wie er in einiger Entfernung mit einem Stapel Unterlagen und einem jungen Bediensteten den Gang entlang schritt. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. //Er sieht wundervoll aus.//, schoss es ihr durch den Sinn, als sie ihn so sah, wie er auf seine Unterlagen sah und seinem Begleiter anscheinend einige Anweisungen gab, die dieser eifrig im Gehen notierte. Dieses Mal war er nicht formell gekleidet wie zuvor im Thronsaal, sondern er schien nur eine schlichte schwarze Hose und ein weites Hemd zu tragen, so, als würde er sich eher privat hier aufhalten. Selbst sein tiefschwarzes Haar war dieses Mal nicht gezähmt, sondern es fiel ihm in schwer erscheinenden Strähnen über Schultern und ein wenig ins Gesicht. Mit einem Mal schien es, als würde er stutzen und verlangsamte seinen Schritt, dann sah er ruckartig auf. Seine Miene war ungewöhnlich streng als er aufsah und seinen Blick durch den Gang und den anschließenden Innenhof schwenken ließ. Dann entdeckte er sie und richtete seinen Blick fest auf sie. Raven konnte seinen Blick fast körperlich spüren, als er sie entdeckt hatte. Sie grüßte ihn mit einem freundlichen Lächeln und einem Nicken und war froh, dass sie ein Buch mitgenommen hatte, was ihre Anwesenheit an einem solchen Ort erklären konnte. Der strenge Ausdruck in seinem Blick verschwand fast augenblicklich, als er sie entdeckt hatte und er wechselte noch einige wenige Worte mit seinem Begleiter, der dann seine Unterlagen entgegen nahm, bevor er einen nahen Durchgang zum Innenhof wählte und dann auf sie zukam. Raven spürte, wie Röte in ihre Wangen stieg und rutschte schnell von ihrem Ruheplatz herunter, um ihn begrüßen zu können. „Eure königliche Hoheit.“, grüßte sie ihn freundlich und knickste nun so, wie sie es eigentlich schon bei ihrem ersten Treffen hätte machen sollen. „Prinzessin. Was macht ihr an einem solch abgeschiedenen Ort des Schlosses?“, fragte er sichtlich überrascht, als er sie schließlich erreicht hatte und ihr seine Hand entgegen streckte, um ihr wieder aufzuhelfen. „Ich fand, dies ist ein wundervoller Ort für ein bisschen Ruhe.“, meinte sie betont fröhlich. „Ihr langweilt euch.“, stellte er mit einem gewissen Schmunzeln in den Augen fest. Raven seufzte und nickte dann. „Das auch.“, stimmte sie schmunzelnd zu. „Warum seit ihr dann hier und nicht bei den anderen Gästen?“, fragte er weiter. „Ich habe jetzt alle möglichen literarischen Kreise besucht und mehr Kammerkonzerte genießen dürfen als jemals zuvor, deswegen bin ich ehrlich gesagt ein bisschen vor dem Enthusiasmus meiner Großmutter geflohen.“, erklärte sie mit einem entschuldigenden Lächeln. „Es gibt doch aber mehr als nur diese Aktivitäten hier rund ums Schloss. Wart ihr denn noch gar nicht in der Stadt?“ Sein Erstaunen wuchs sichtlich. Sie verneinte kopfschüttelnd. „Ich wollte meiner Großmutter die Freude nicht verderben. Sie scheint solche Kreise sehr zu mögen.“ Er legte den Kopf leicht schräg, so, als wollte er sie eingehend mustern. Das tat er dann auch, denn sie konnte spüren, wie wieder sanft eine kühle Berührung ihren Geist streifte. „So wie ich das sehe ist das nicht so wirklich das, was ihr mögt, richtig?“, fragte er dennoch einmal nach. „Nicht wirklich. Mein Musik- und Literaturgeschmack unterscheidet sich da ein wenig von dem, was hier dargeboten wird. Ich möchte damit aber nicht sagen, dass ich es schlecht finde, nur war es halt…“ „Ein bisschen viel, ich kenne das Problem. Mir ergeht es oftmals auch so.“, gab er zu und wieder hatte sie das Gefühl, dass er schmunzeln würde. Er deutete auf das Buch in ihren Händen. „Was lest ihr?“, fragte er und blickte auf den Einband. „Äh, ich glaube nicht, dass ihr das lesen könnt.“, meinte Raven verlegen, reichte ihm das Buch aber. Es war in Englisch, der Muttersprache ihres Vaters verfasst und eines ihrer liebsten fantastischen Werke. Er nahm das Buch entgegen, zog dann aber beide Augenbrauen in die Höhe, als er die Buchstaben erblickte. „Stimmt, das kann ich nicht lesen. Welche Sprache ist das?“ „Die Muttersprache meines Vaters. Er ist Terraner.“, erklärte sie freundlich. Er schüttelte langsam und zweifelnd den Kopf. „Ich denke nicht, dass ich bereits von diesem Planeten gehört habe.“ Raven lachte leise. „Das glaube ich gerne. Terra ist weit von hier entfernt und hat auch keinerlei Kontakt zu den Shino.“ „Und wie kamen dann eure Eltern dazu, sich kennenzulernen?“, fragte er sichtbar neugierig nach. „Das ist ganz einfach. Mein Vater war die Person, die meine Mutter auf ihrer Flucht in der Föderation in Sicherheit brachte und ihr eine vorläufige neue Identität verschaffte. Und er leitete die Mission, die die Shino aus der Sklaverei befreite.“, erklärte sie freundlich. „Und aus Dank hat eure Mutter euren Vater dann geheiratet?“, fragte er weiter. Raven holte tief Luft. „Ganz so war es nicht, denn in der ersten Zeit hatten die beide nach dem, was man mir erzählt hatte, ihre Probleme miteinander. Aber nach der Befreiung stand dann die Verheiratung meiner Mutter an und da die beiden ihre Unstimmigkeiten ausgeräumt hatten und meine Mutter gerne in der Föderation weiterarbeiten wollte haben sie sich zu einer Ehe entschieden. Und dann hatten sie sich auch relativ schnell nach der Hochzeit in einander verliebt. Und das hält bis heute vor.“, fasste sie ganz kurz die Geschichte ihrer Eltern zusammen. „War eure Mutter denn zu dem Zeitpunkt noch nicht zur Hohepriesterin der Lichtgöttin bestimmt? Ich dachte, die amtierenden Hohepriester werden nicht vermählt.“, fragte er nun sichtbar irritiert nach. „Nein. Zu dem Zeitpunkt wusste meine Mutter noch nicht einmal, welches Erbe in ihr schlummerte. Sie war zwar als Novizin ausgebildet worden, doch etwas Weiteres in diesem Bereich konnte sie sich nie vorstellen, auf jeden Fall hat sie mir das einmal so erzählt.“ Er sah sie wirklich interessiert und offen an und hing sichtbar einen Moment seinen Gedanken nach, dann nickte er. „Ich würde gerne mehr erfahren. Wollt ihr mich auf einen Spaziergang begleiten, Prinzessin? Mir würde es, glaube ich, auch mal ganz gut tun, wenn ich von meinem Schreibtisch fort komme, auch wenn es noch vieles für die alljährliche Städte- und Bezirksaudienz noch viel vorzubereiten gibt.“ „Es gibt eine Audienz?“, fragte Raven verblüfft. Er deutete ihr mit einer eleganten Handbewegung an, ihm zu folgen. Was sie bereitwillig tat. „Ja. Einmal im Jahr veranstalten wir hier im Schloss eine Audienz für alle Städte und Bezirke, an denen Berichte über die Verwaltung besprochen werden, die nicht einer akut dringlichen Reaktion bedurft haben. Mit solchen Problemen, die nicht allein im entsprechenden Bezirk absolviert werden kann, kann man selbstverständlich jederzeit hier im Schloss vorsprechen. Außerdem werden Innovationen vorgestellt und viele Experten befinden sich hier vor Ort, um verschiedene Themen zu erörtern.“, erklärte er ihr im Gehen. „Klingt interessant.“, meinte Raven ehrlich. „Es ist viel Arbeit.“, seufzte er leise. „Das kann ich mir gut vorstellen. Ich weiß ja aus eigener Erfahrung, wie aufwändig Vorbereitungen zur Prüfung von Schülern sind, auch wenn man das sicher nicht mit einander vergleichen kann.“ „Ihr habt Schüler? Seit ihr dafür nicht noch ein wenig zu jung?“ Seine Überraschung stieg anscheinend immer mehr. „Ja. Ich bilde in zwei unterschiedlichen Bereichen auf Alpha aus. Ein Bereich davon ist Nahkampf.“, erklärte sie ruhig. Seltsamerweise hatte sie bei ihm keine Bedenken, hiervon zu berichten, was sicher an seinem Verständnis bei ihrem ersten Treffen lag. „Nahkampf mit Waffe oder ohne?“, fragte er sofort weiter. „Sowohl als auch. Es bringt schließlich nichts, wenn die jungen Rekruten sich blendend mit einer Waffe verteidigen können, aber aufgeschmissen sind, wenn sie aus welchem Grund auch immer einmal keiner Waffe habhaft sind. Waffenloser Nahkampf ist aber mein favorite.“ „Bitte was?“, fragte er irritiert, weil er ihr letztes Wort nicht verstanden hatte. Raven schloss kurz ihre Augen und schalt sich eine Idiotin, weil sie ganz automatisch die Sprache ihres Vaters ins Spiel gebracht hatte. „Verzeihung. Ich meinte, dass ich das am liebsten unterrichte und auch selbst praktiziere.“ „Seid ihr gut?“, fragte er mit sichtbarem Interesse nach. Verblüfft sah sie ihn an. „Ich denke schon. In zwei der Kampfarten, die ich benutze, habe ich bereits einen von vier Meisterrängen erreicht, deswegen darf ich auch die Auszubildenden unterrichten.“ „Das ihr euch da hier im Schloss langweilt kann ich gut nachvollziehen.“, kommentierte er das, was er mittlerweile erfahren hatte. Sie waren nicht weit gegangen, als er eine Seite einer großen Doppeltür öffnete und eintrat. „Kommt ruhig mit herein, Prinzessin. Ich hole mir nur grade etwas zum überziehen, dann können wir gerne etwas spazieren gehen.“ Ein riesiger Raum, der Raven an eine Kombination aus elegant eingerichtetem Wohnzimmer und Bibliothek erinnerte, tat sich vor ihnen auf. Die Inneneinrichtung war aus dunklen Hölzern gefertigt und viel tiefrot bei den verarbeiteten Stoffen verwendet worden. Zudem gab es viele Pflanzen im Raum. Raven fühlte sich hier sofort wohl. „Mein Herr?“, erklang mit einem Mal die Stimme eines älteren Mannes, der wie ein ruhiger Geist erschienen war. „Prinzessin, das ist Loram, mein Kammerdiener. Loram, ich möchte dir Lady Larschas älteste Enkelin vorstellen, Prinzessin Sahva.“, stellte der König die beiden einander vor. Der Kammerdiener verneigte sich tief. „Prinzessin, es ist mir eine Ehre und Freude, euch kennenlernen zu dürfen.“ „Die Ehre und Freude ist ganz auf meiner Seite, Sir.“, antwortete Raven freundlich und neigte ebenfalls ihren Kopf, was ihr eine gewisse Irritation seitens des Kammerdieners einbrachte. „Prinzessin Sahva ist in einer anderen Kultur aufgewachsen, deswegen wird sie dir sicher etwas befremdlich erscheinen, mein alter Freund.“, erklärte der König mit für Raven deutlich spürbarem Vergnügen. Da Raven nicht wusste, wie sie reagieren sollte, verschränkte sie einfach ihre Hände vor ihrem Körper und sagte nichts weiter. Aber sie errötete wieder leicht, wie ihr peinlich bewusst wurde. //So oft bin ich seit meiner Pubertät nicht mehr rot geworden wie hier.//, stellte sie in Gedanken für sich fest. „Loram, würdest du mir bitte meinen Mantel bringen. Ich möchte mit der Prinzessin einen Spaziergang durch die Stadt machen.“, bat der König seinen Kammerdiener leise. „Natürlich, mein König.“ Absolut leise verschwand der Kammerdiener in einem anschließenden Raum. „Ist es euch zu kalt?“, fragte Raven etwas irritiert, denn für sie war der Tag warm genug, um nur mit dünner Jacke herumzulaufen. „Nein, kalt ist mir nicht. Aber ich habe leider eine sehr empfindliche Haut. Ein ungeschützter längerer Aufenthalt in der Sonne tut mir nicht gut.“, erklärte der Schwarzhaarige ruhig und nahm dann einen dünnen schwarzen Mantel entgegen, den sein Kammerdiener ihm schließlich entgegen hielt. „Ist es dann so klug, mit mir einen Spaziergang zu machen? Ich möchte nicht, dass ihr euch meinetwegen Unannehmlichkeiten zuzieht.“, wandte Raven besorgt ein. „So schlimm wird es nicht werden, Prinzessin. Zudem gibt es in der Stadt genügend Möglichkeiten, mich der Sonne zu entziehen. Außerdem denke ich, dass ein Ausflug mit euch auch meinen Kopf wieder etwas frei kriegen wird.“ Er zog den dünnen Mantel über und zog sich die weite Kapuze weit ins Gesicht. „So wird es gehen. Kommt, Prinzessin, bevor noch jemand hier erscheint und die Möglichkeit zur kurzen Flucht zu Nichte macht. Informierst du Beliniam und Mikosch, wenn sie nach mir fragen sollten?“, fragte er den Kammerdiener. Dieser neigte ergeben seinen Kopf. „Natürlich, mein König.“ Der König hielt Raven wieder formvollendet seinen Arm entgegen und führte sie dann durch diverse Nebengänge hinaus aus dem Schloss, ohne dass ihnen jemand entgegen kam. „Das macht ihr öfters.“, stellte Raven lachend fest, als sie auf unglaublich schnellem Wege mit einem Mal auf einem großen Marktplatz standen. „Nicht so oft wie ich es gerne hätte.“, gestand er freundlich. „Aber manchmal schon. Die meisten erkennen mich so nicht als ihren Herrscher. Das tut zwischendurch ganz gut.“ „Das kann ich gut verstehen.“, meinte Raven lächelnd, dann sah sie sich auf dem Marktplatz um. Er erinnerte sie an eine italienische Piazza, kleine, mittelalterlich anmutende Geschäfte hatten ihre Fenster weit geöffnet und boten dort ihre Waren feil. Ein schöner Springbrunnen zierte die Mitte des Platzes und es gab überall Möglichkeiten, um sich für einen kurzen Schwatz niederzulassen. „Es ist schön hier.“, war ihr begeistertes erstes Fazit. „Dabei habt ihr doch noch gar nichts gesehen. Kommt, lasst uns weiter ins Stadtinnere gehen.“ Er führte sie kleine gepflasterte Gassen entlang, in denen die Häuser mit ihrem sie umgebenden Grundstücksmauern dicht an dicht zu stehen schienen. Die Mauern boten zwar einen guten Schutz vor den Blicken der Passanten, doch zwischendurch erlaubte eine kunstvolle Aussparung im Mauerwerk oder Bäume, die nicht für die Mauer gefällt worden waren, einen kleinen Einblick in die hinter der Mauer liegenden gepflegten Innenhöfe. Auch hier in den Gassen waren immer wieder kleine Geschäfte, an denen sie langsam vorbei gingen und die Angebote in Augenschein nahmen. Irgendwie erinnerte sie diese Gassen an Venedig, auch wenn es schon einige Jahre her war, dass sie die italienische Stadt bei einem Sommerurlaub besucht hatte. „Ich mag solche Gassen.“, schwärmte sie leise ihrem Begleiter vor. „Sie haben so etwas schön Geheimnisvolles.“ „Sie bieten einen guten Schutz in der Sommersonne.“, war sein Kommentar darauf, woraufhin Raven zu lachen anfing. „Ja, das auch. Auf meinem Geburtsplaneten gibt es auch eine Stadt, die ähnliche Gässchen wie diese hier hat. Ich habe mich stundenlang dort aufhalten können, bis ich irgendwann kaum noch laufen konnte. Diese Stadt ist etwas ganz Besonderes. Sie ist durch und durch mit Kanälen und Lagunen durchzogen und nicht mit Wagen zu befahren.“ „Warum das nicht?“, fragte er verwundert. „Es gibt dort unzählige Brücken. Mit Wagen ganz gleich welcher Größe würde man die nicht bewältigen können, von den kleinen Gässchen ganz zu schweigen. Manche waren so schmal, dass ich nur meine Arme ausbreiten musste, um zeitgleich die Wände an beiden Seiten zu berühren. Der einzige Nachteil war, dass es zu dem Zeitpunkt, als ich dort war, unglaublich heiß war. Man konnte sich nur im Schatten der Gassen aufhalten.“, erzählte sie locker aus ihren Erinnerungen. Ihr Begleiter hörte ihr aufmerksam und sichtbar interessiert zu. Ihm fiel dabei auf, dass sie hier eine erfrischende Lockerheit ausstrahlte und vor Energie überzuschäumen schien. Alles an ihr erschien ihm weit geöffnet, auch wenn sie sichtbar ihre gesamte Aufmerksamkeit ihm schenkte. Sie war in der Tat etwas Besonderes. Es erstaunte ihn immer noch, dass sie ihn wirklich spüren konnte. Niemand konnte das. Und es war auch offensichtlich, dass sie spüren konnte, wenn er ihre Gedanken berührte, etwas, was er ganz automatisch machte, wenn ihn eine Person interessierte oder er nicht einschätzen konnte, ob diese es ehrlich in seiner Gegenwart meinte. Aber sie machte ihm keinerlei Vorwürfe, sondern schien es ihm sogar zu erlauben. Er fragte sich, warum sie ihn nicht fragte, wieso seine Präsenz so anders war als andere, mit der sie sicherlich telepatisch in Kontakt trat. Dass sie dies tat hatte ihre Reaktion bei ihrem ersten Treffen gezeigt. Sie war eindeutig telepatischen Kontakt gewöhnt. Und er wusste sehr wohl, dass er ihr anders vorkommen musste, doch es schien ihr nicht unangenehm zu sein. Sie gingen ruhig die Gassen entlang, bis sie ins eigentliche Herz der Stadt kamen. Hier befanden sich eine Vielzahl an kleinen Handwerksgeschäften und Tavernen und wie immer wehte eine interessante Mischung an unterschiedlichen Gerüchen durch die nahen Straßen. Das er damit Recht gehabt hatte, seine junge Begleiterin hierher zu bringen konnte er deutlich an dem beinahe staunenden Blick in ihren bernsteingoldenen Augen. Wirklich goldfarben waren ihre Augen nicht, sondern ein paar Nuancen dunkler. //Wie alles an ihr ein wenig dunkler als bei gewöhnlichen Lichtangehörigen zu sein scheint.//, schoss ihm durch den Kopf, als er sie verstohlen aus dem Schatten der Kapuze heraus musterte. Auch fiel ihm auf, wie diszipliniert sie war. Obwohl sie fast spürbar darauf brannte, sich die Geschäfte in Ruhe anzuschauen war sie äußerlich vollkommen ruhig. Er hatte sie schon einmal in Gedanken mit einer Löwin verglichen, doch mittlerweile revidierte er diesen Vergleich. Sie war eleganter als eine Löwin, erhabener. Und ihre Fähigkeiten, von der er aus Briefen an Lord Alden erfahren hatte, waren überhaupt nicht sichtbar. Und ihre Großmutter hatte ihrem Jugendfreund ausgiebig über die Talente ihrer Enkelin berichtet, zuerst mit gewisser Empörung, die aber im Laufe der Jahreswechsel immer mehr dem Respekt gewichen war. „Kommt, ich möchte euch etwas zeigen.“, schlug er vor, als sie gar keine Anstanden machte, in irgendeine Richtung zu gehen. Wache Augen betrachteten ihn neugierig und sie folgte ihm zu einem der Geschäfte. Es handelte sich hierbei um einen Kunstschmied, einem wahren Meister seines Fachs. Viele der Rahmen, die sie bei ihrer Ankunft im Schloss so bewundert hatte, kamen aus dieser Werkstatt. Er öffnete ihr die Tür zur Werkstatt, in der der Schmied seine Werke darbot. Abwartend, da sie nicht voraussehen konnte, was sie erwartete, folgte sie ihm. Als sie sich an das Licht in der leicht schummrigen Werkstatt gewöhnt hatte konnte er hören, wie sie überrascht leise Luft holte. Doch es waren nicht die kunstvollen Rahmen und verzierten Gegenstände, die ihre erste Aufmerksamkeit erregte, sondern ausgestellte Schwerter. „Darf ich…?“, fragte sie leise und sehr höflich und deutete mit einem fast nicht wahrzunehmenden Kopfnicken auf die Auslage mit den Waffen. „Macht ruhig.“, forderte er sie sanft auf, dann wurde seine Aufmerksamkeit auf näherkommenden Schritte gelenkt. Schon allein an der Schrittfolge hatte er erkannt, dass der alte Meister dieses Hauses in den Ausstellungsraum kam. „Ah, da habe ich doch richtig gehört, wir haben Besuch.“, erklang eine freundliche Stimme und gleich darauf schob sich die bullige Gestalt des Schmieds in den Raum. „Oh, und so hoher Besuch auch noch. Und wie ich sehe seit ihr mal wieder inoffiziell hier, Meister Tarabas. Es ist lange her, dass ihr das getan habt.“ Raven, die kurz auf die Schwerter geschaut hatte, die auf zwei Tischen ausgelegt waren, sah sofort auf, als die Stimme des fremden Mannes erklang. So entging ihr nicht, dass der alte Mann, ganz eindeutig der Schmied, den König mit einem Namen ansprach. Es war das erste Mal, dass sie hörte, wie ihn jemand überhaupt mit einem Namen ansprach, mochte es nun sein wirklicher Name sein oder nicht. Sie schienen sich schon lange zu kennen, denn sie umfassten ihre Unterarme zur Begrüßung, eine Geste, die sie auch im Schloss bereits einige Male gesehen hatte, wenngleich diese dort nicht so deutlich ausfiel. „Ich weiß, ich kam lange nicht mehr aus dem Schloss heraus, Meister Kamin. Ich habe einen jungen Gast, der sich derart langweilte, dass ich nicht umhin kam, sie ein wenig abzulenken.“, erklärte der König freundlich. „Was euch sicher auch gut tut. Ihr arbeitet zuviel, aber das habe ich euch schon des Öfteren gesagt, wenn ich mich richtig entsinne. Aber wie kommt es, dass sich eine junge Frau im Schloss oben langweilt? Hat euer Talent zur Kurzweil derart nachgelassen?“, fragte der Schmied sichtlich amüsiert. Man konnte vom Gesicht des Königs aufgrund der Kapuze nur die untere Hälfte erkennen, doch es war für Raven deutlich sichtbar, dass eine gewisse Empörung über sein Gesicht huschte. Doch ebenso schnell, wie diese aufgekommen war, war sie auch wieder verschwunden. „Nein. Die junge Dame stammt aus einer anderen Welt und ist dort eine junge Kriegerin.“ „Oho.“, rief der Schmied überrascht aus. „Und da fällt es euch sicherlich schwer, Sonette und Konzerte zu ertragen, habe ich recht, junge Dame?“, fragte der Schmied laut durch den Raum und kam auf sie zu. „In gewissen Rahmen lausche ich dem gerne, aber heute war eindeutig etwas zu viel des Guten gewesen.“, stimmte Raven ruhig und freundlich zu. „Könnt ihr mit Waffen umgehen?“, fragte der Schmied direkt. „Ja.“ „Welcher Art?“, fragte er weiter. „Katana, das sind schlanke Schwerter ähnlich diesem da, nur mit einer leicht gebogenen Klinge…“ Sie deutete auf eines der ausliegenden Schwerter. „… Langbogen, Kampfstab und noch diverse andere Kleinigkeiten.“, antwortete sie ohne Überheblichkeit oder Scheu. Der Schmied nickte anerkennend. „Welches Gewicht hat euer Schwert?“ „Nicht ganz drei asartische Pfund, falls euch das etwas sagt.“, war Ravens flüssige Antwort. Das war umgerechnet in terranisches Maß knapp ein Kilo. „Ah, ihr seid eine Shino.“, rief der Schmied aus. „Zur Hälfte.“, gab Ravens lächelnd zu. „Eine Shino, die in Kampfkunst bewandert ist? Ist das nicht eigentlich ein Widerspruch in sich?“, fragte der Schmied sichtlich überrascht. „Wie ich bereits sagte, Sir, bin ich zur Hälfte Shino. Ich lebe auch nicht in der Welt der Shino, sondern an einem Ort, an dem es nicht unüblich ist, dass auch Frauen mit Waffen umgehen können. Ich weiß, dass man das hier in eurer Heimat nicht kennt, deswegen möchte ich das entschuldigen.“, erklärte sie höflich. „Junge Lady, ihr müsst euch bei mir nicht dafür entschuldigen, dass ihr in der Schwertkunst eure Passion gefunden habt. Ein Schmied findet sowieso, dass es keine bessere Wahl geben kann. Möchtet ihr mal eines der Schwerter ausprobieren?“, meinte der Schmied schmunzelnd. Raven sah sich in dem niedrigen Ausstellungsraum um, dann sah sie den Schmied etwas zweifelnd an. „Hier?“ Nun lachte er laut auf. Seine volltönende Stimme füllte dabei den ganzen Raum aus. „Nein, natürlich nicht hier. Für so etwas gibt es die praktische Erfindung des Innenhofes.“ Er nahm eines der schlankeren Schwerter auf, welches versteckt neben der Auslage an der Wand lehnte und legte es ihr in die Hände. „Versucht einmal dieses hier. Es dürfte für euch die richtige Größe und das passende Gewicht haben.“ „Danke…“, murmelte Raven und wog die Waffe in ihren Händen ab. Doch bevor sie es wagte, dem Schmied zu folgen, warf sie ihrem Begleiter einen fragenden und entschuldigenden Blick zu. Was zur Folge hatte, dass dieser sich fragte, was in ihrer Vergangenheit vorgefallen sein musste, dass sie so sehr auf andere Rücksicht nahm. Er nickte deswegen nur. „Meister Tarabas ist sicher auch interessiert, wie ihr mit dem Schwert umgehen könnt, junge Lady.“, meinte der Schmied nur freundlich. „Auf jeden Fall.“, meinte der König beinahe sanft. Mit dieser Aussage fühlte sich Raven bestärkt und folgte den beiden Männern durch den Ausstellungsraum und die eigentliche Schmiede hinaus in einen recht geräumigen Innenhof, der zu ihrer Erleichterung derzeit von anderen Zuschauern unbevölkert war. Sie atmete ein wenig auf, dann zog sie das Schwert aus seiner Scheide. Mit Scheide erschien es ihr ein wenig schwer zu sein, doch ohne war das Gewicht perfekt und sie hatte das Gefühl, nichts in der Hand zu haben. „Oh!“, murmelte sie überrascht, nachdem sie dies festgestellt hatte und reichte dem Schmied die Scheide, ohne auf die beiden Männer wirklich zu achten. Dann trat sie von den beiden Fort in die Mitte des Innenhofs. „Die junge Lady weiß was sie tut.“, kommentierte der bullige Schmied mit einem zufriedenen Lächeln, während er dabei zusah, wie Raven die Balance der Waffe testete. Der König, der Raven ebenfalls genau dabei beobachtet hatte, drehte sich zum Schmied um. „Das könnt ihr schon sehen, Meister Kamin?“, fragte er nach. Wieder nickte der Schmied. „Sie hat direkt nach dem Ziehen der Klinge festgestellt, ob ihr das Gewicht liegt und anscheinend ist sie dieses gewöhnt. Auch wie sie es hält…“ Anerkennend nickte der Schmied. „Selbst lang dienende Männer der Schlosswache halten ein unbekanntes Schwert nicht so sicher.“ Raven zog derweil die dünne Jacke, die sie über ihrem Rock trug, aus und hängte sie ordentlich auf einem niedrig hängenden Ast. Da sie nun nur eine kurzärmlige Bluse trug, konnten beide Männer anhand ihrer schlanken Arme erahnen, dass sie austrainiert war. „Donnerwetter!“, rief der Schmied leise aus. Der König versteifte sich auch kurz, als er ihren so recht freizügigen Oberkörper erblickte. Dann wurde er Augenzeuge, wie Raven kurze Aufwärmübungen mit dem Schwert machte, bevor sie für einen kurzen Augenblick in einer Art Ausgangsposition verharrte. Das Schwert in ihrer Hand fühlte sich gut an. Obwohl es nicht mit hochtechnischen Mitteln gefertigt war lag der Griff in ihrer Hand, als wäre er für sie geschmiedet worden und gewichtsmäßig war es so fein abgestimmt wie sie es am liebsten mochte. Nach kurzen Aufwärmübungen nahm sie kurz automatisch einen sicheren Stand ein, bevor sie mit Schritten, die sie im Schlaf beherrschte, das Schwert in kraftvollen Schlagfolgen durch die Luft gleiten ließ. Es fühlte sich herrlich an. Sicher führte sie die Klinge neben und über sich, während ihre Schrittfolgen sie zielsicher über den Hof führten und sie sich immer schnell so drehen ließ, dass kein Angreifer die Chance gehabt hätte, ihren ungeschützten Rücken anzugreifen. Sie lächelte, konnte nichts dagegen tun. Das war genau das, was sie gebraucht hatte. Schon nach wenigen Schritten, die sein junger Gast gemacht hatte, hob der König seine Hände und schob die Kapuze seines Mantels ein wenig zurück, um die Darbietung besser sehen zu können. Es war lange her, dass er eine Person so zielsicher, leichtfüßig und talentiert ein Schwert schwingen gesehen hatte. Selbst der General seiner Schlosswache würde nicht mithalten können. In Kraft sicher, da würde auch er ihr überlegen sein, aber nicht in Eleganz und Geschwindigkeit der Bewegungen. Und ihre Bewegungen waren elegant. Elegant, aber garantiert tödlich, wenn sie es so wollte. Zu schnell musste er feststellen, dass sie den Test mit dem schlanken Schwert beendete und der ihn seltsam erregende Tanz des Schwertes, wie er sich überrascht eingestehen musste, sein Ende fand. Der Schmied neben ihm klatschte anerkennend Beifall, als die junge Frau stehen blieb und ihren leicht erhöhten Atem relativ schnell unter Kontrolle brachte. Einige ihrer Haarsträhnen hatten sich aus ihrer immer fest aufgesteckten Frisur gelöst und fielen auf ihre Schultern. Dabei fiel dem König auf, wie überraschend kurz ihr Haupthaar war. Die Frauen in dieser Welt trugen die Haare nicht nur Schulterblattlang. „Ihr seit eine Meisterin, habe ich Recht?“, fragte der Schmied hocherfreut. „Nicht im Schwertkampf, leider. Dafür fehlen mir noch ein paar Jahre Praxis und mindestens noch zwei Prüfungen.“, meinte Raven noch ein wenig atemlos. Mit gewissem Bedauern reichte sie dem Schmied die Waffe zurück. „Eine wundervolle Arbeit, Meister Kamin. Es liegt perfekt in der Hand.“, lobte sie strahlend. „Das freut mich zu hören. Darf ich euren Namen erfahren, junge Lady?“, bat er sie mit einem väterlichen Schmunzeln. Verdutzt sah Raven ihn an. „Meinen kompletten Namen?“ „Es wäre mir eine Freude.“, lachte er. „Raven Sahva Tettra, die meisten nennen mich aber nur Sahva.“ Auf jeden Fall bei den Shino, fügte sie in Gedanken hinzu. „Ich werde ihn mir merken.“, meinte der Schmied, warf aber seinem König einen ganz kurzen Seitenblick zu. Raven betrachtete die Klinge noch einmal fast liebevoll, dann ging sie zum Baum zurück, um ihre Jacke zu holen. „Endlich hat diese Klinge jemanden gefunden, der sie richtig führen kann. Ich würde sie der jungen Lady gerne zum Geschenk machen. Könnt ihr mir ihren Namen bitte in den Lettern der Shino niederschreiben?“, fragte der Schmied den König sehr leise. Der König zog seine Kapuze wieder tiefer ins Gesicht. „Ich lasse es euch nachher zukommen, alter Freund.“ Er legte dem Schmied eine Hand auf die Schulter. „Wärt ihr nicht von euch aus auf diese Idee gekommen hätte ich euch darum gebeten, mir das Schwert als Geschenk für sie fertig zu machen.“, meinte der Schwarzgewandete ihn leise wissen. Der Schmied kicherte leise, dann kehrte er ins Innere der Schmiede zurück. Der Schmied war schon gegangen, als Raven zum König zurückkehrte, nachdem sie ihre Jacke wieder übergezogen hatte. Sie bedauerte, dass sie kein Geld für diese Welt hatte, aber sicher war es besser so, sonst hätte sie mehrere Monatsgehälter in dieser Stadt gelassen. Sie kannte sich und diese mittelalterliche Stadt lud quasi zu exzessivem Shopping ein. „Ihr seit wirklich sehr talentiert, Prinzessin.“, lobte der König sie sanft. „Danke.“, freute sie sich ein wenig verlegen. „Aber das Schwert ist wirklich eine fantastische Arbeit. Da fallen einem die Bewegungen leicht:“ Sie sah ihn offen an. „Darf ich euch um etwas bitten?“ Er legte seinen Kopf wieder etwas schräg, eine Geste, aus der Raven schloss, dass er verwundert war. „Sicher, darum müsst ihr nicht fragen.“ „Ich würde mich freuen, wenn ihr diesen Titel weglassen würdet. Ich bin ihn nicht gewöhnt und ich habe immer ein wenig die Sorge, dass ich einmal nicht reagieren könnte, wenn man mich nur damit anspricht.“, bat sie leise. Er nickte leicht. „Aber Sahva ist richtig? Ihr habt dem Schmied vorhin mehrere Namen genannt.“ „Ich habe zwei Vornamen von meinen Eltern bekommen, wie jedes ihrer Kinder. Einen aus der Heimat meines Vaters und einen aus der Welt der Shino. Der dritte Name war unser Familienname.“ „Dann war der erste Name, den ihr genannt hattet, der aus der Heimat eures Vaters?“, fragte er noch einmal nach. Sie nickte. „Ja. Raven.“ „Für meine Ohren klingt dieser leider recht ungewohnt.“, meinte er, woraufhin Raven zu lachen anfing. „Das glaube ich gerne.“ „Hat euer erster Name auch eine Bedeutung? Sahva bedeutet doch so etwas wie ‚Stern’, wenn ich das richtig verstehe.“ Raven nickte. „Obwohl in diesem Fall eher ‚Mond’ gemeint ist, ‚weißer Mond’ um genau zu sein. Es wird so geschrieben.“ Da sie immer Zettel und Stift bei sich trug holte sie diese aus den Rocktaschen hervor und zeichnete mit Schwung die Lettern der Shino auf das weiße Papier. „Ah, ich sehe es. Für ‚Stern’ wäre diese Passage hier etwas anders.“, stellte der König fest, während er auf zwei Schwünge in der Schrift deutete. Raven nickte. „Und euer erster Name?“, fragte er weiter. Auch diesen zeichnete sie in den Lettern der Shino. „Das wird so geschrieben. Es gibt dafür eine Bedeutung, doch es hat mit etwas aus der Welt meines Vaters zu tun und ich glaube nicht, dass ich das so ohne weiteres erklären kann. Und Tettra…“ Sie zeichnete ohne Auforderung weiter. „… wird in dieser Art geschrieben.“ „Kann ich den Zettel behalten?“, fragte er. Sie stutzte etwas, dann schmunzelte sie. „Wenn ihr dafür euren Namen verratet.“ Nun war er es, der stutzte, das sah sie daran, dass er sich etwas versteifte. „Nur wenige nennen mich bei meinem Namen.“, meinte er wie tief in Gedanken, so, als würde ihm das erst jetzt wirklich auffallen. Dann war tief in Raven wieder das Gefühl, als würde er leicht lächeln. „Tarabas.“, war schließlich seine Antwort. Mit einem Lächeln reichte sie ihm ohne weitere Aufforderung den Zettel. „Ein schöner Name.“, meinte sie nur. „Findet ihr?“ Seine Verwunderung war deutlich spürbar. Sie nickte. Aber obwohl ihr die Frage auf dem Herzen lag, ob auch sein Name eine Bedeutung hatte hielt sie sich zurück. „Kommt. Die Stadt hat noch mehr zu bieten als einen Schmied, auch wenn dieser besonders talentiert ist.“, schlug er schließlich vor. Sie folgte ihm durch die Schmiede zurück in den Ausstellungsraum, wo der Schmied bereits auf sie wartete. „Danke, dass ich das Schwert testen durfte, Meister Kamin.“, bedankte Raven sich dort noch einmal bei dem bulligen, aber scheinbar so sanftmütigen Mann. „Immer wieder gerne, junge Lady. Ich hoffe, ihr beehrt mich bald mal wieder.“, verabschiedete sich der Schmied freundlich. „Wenn ich dazu komme sicher gerne.“, lachte Raven fröhlich, dann verließ sie als erstes die Schmiede, der König folgte ihr sofort. So sah der Schmied erst als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, dass ein kleines Stück Papier auf dem Verkaufstresen lag. Er klappte es auf und schmunzelte dann, als er die handgeschriebenen Lettern mit einer kurzen Nachricht seines Herrschers erblickte. Dann nahm er das Schwert wieder auf und kehrte an die Esse zurück. Von der Schmiede aus führte Tarabas sie weiter durch die naheliegenden Gassen. Es war für Raven absolut spannend, was für unterschiedliche Lädchen dort zu finden waren. Sie konnte Spinnerinnen und Weberinnen durch die Fenster bei der Arbeit zuschauen, woran sich niemand zu stören schien. Im Gegenteil. Sobald die Handwerker ihrer Betrachter gewahr wurden, hielten sie kurz freundlich inne und grüßten und sobald Tarabas erklärte, dass er einen Gast umher führte, der aus einer anderen Kultur stammte, wurden sie eingeladen, sich die Arbeiten einmal aus der Nähe anzuschauen. So kam es, dass Raven während ihres Spaziergangs mit diversen kleinen Geschenken überhäuft wurde und mehr Informationen über das einheimische Handwerk bekam, als sie es sich jemals hätte träumen lassen. An einer Bäckerei erhielt sie köstlich duftendes, frisches Gebäck geschenkt. „Die Bewohner sind unglaublich.“, schwärmte Raven, während sie das noch immer warme süße Brot in den Händen hielt. „Ich bin es gar nicht gewöhnt, als Fremde so freundlich aufgenommen zu werden.“, erklärte sie freudestrahlend. „Dem entnehme ich, dass nicht überall Gastfreundschaft groß geschrieben wird.“, war Tarabas’ trockener Kommentar. „Doch schon, aber es ist nicht so wie hier.“ Sie brach das Gebäck in zwei Teile und reichte ihm unaufgefordert mit einem sanften Lächeln ein Stück. „Bitte.“ Er zuckte sichtlich verdutzt kurz zusammen, dann ergriff er das Brot und aß mit einem gewissen Zögern. „Mögt ihr so etwas nicht?“, fragte Raven verwundert. Wieder kam das Gefühl auf, als würde er lächeln, aber das Gefühl war dieses Mal ein wenig trauriger. „Es ist lange her, dass jemand sein Essen mit mir geteilt hat. Es ist für mich ein besonderes Zeichen von Vertrauen.“, antwortete er so leise, dass Raven ihn kaum verstand. Dann verschwand die Traurigkeit so schnell wie sie aufgekommen war. „Außerdem bin ich als schlechter Esser bekannt. Aber das hier ist unerwartet gut.“ Raven strahlte ihn an, während sie sich am Rand eines Springbrunnens niederließen und die kleine Köstlichkeit genossen. „Es ist schon Nachmittag.“, stellte er mit einem Mal verblüfft fest, als er einen Blick auf den Sonnenstand war. „Wir sollten ins Schloss zurückkehren. Sicher ist unser Fehlen bereits bemerkt worden.“ Raven schöpfte etwas von dem glasklaren Wasser des Brunnens und trank, dann schöpfte sie auch für ihn frisches Wasser. Wieder war ein gewisses Zögern seinerseits bemerkbar, doch dann beugte er sich vor und trank das Wasser direkt aus ihren Händen. „Danke.“, hauchte er leise mit seiner tiefdunklen Stimme, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte. „Immer wieder gerne.“ Sie goss das restliche Wasser zurück in den Springbrunnen, dann schüttelte sie ihre Hände ein wenig trocken. Schließlich gingen sie zurück durch die Gassen zum Schloss. Sie betraten das Schloss wieder durch einen Seiteneingang und unterhielten sich noch leise über ihren Aufenthalt in der Stadt, als sie Larscha fand. „Sahva! Da bist du ja.“, rief Ravens Großmutter erleichtert aus, als sie ihre Enkelin entdeckte und eilte auf sie zu. Den noch immer verhüllten Begleiter ihrer Enkelin nahm sie überhaupt nicht wahr. „Wo warst du? Ich suche dich schon seit Stunden.“ Ein gewisser strenger Vorwurf war in ihrer Stimme zu hören. „Ich war zu einem Spaziergang in der Stadt, Grandma.“, erklärte Raven ruhig, aber auch mit einer gewissen Vorsicht. So nett ihre Großmutter auch sein mochte, wenn sie wie jetzt verärgert war, war sie mit Vorsicht zu genießen. „Auf die Idee, mir Bescheid zu geben, bist du nicht gekommen? Ich fasse es nicht, dass du so rücksichtslos bist, Sahva! Ich habe mir Sorgen gemacht.“, fuhr Larscha ihre Enkelin leise an. Diese wurde blass, doch kam sie nicht dazu, sich zu rechtfertigen. „Eure Enkelin bekam eine Einladung, Larscha.“, erklang mit einem Mal Tarabas’ Stimme laut und streng, trat direkt neben Raven und schlug die Kapuze seines Mantels zurück. Dieses Mal war es Larscha, die blass wurde. „Mein König…“ „Von mangelndem Respekt kann man bei eurer Enkelin wirklich nicht sprechen, Larscha. Etwas anderes hat sie in den letzten Tagen nun wirklich nicht gezeigt, als sie die ganze Zeit an eurer Seite blieb und eure Interessen besuchte, obwohl diese nicht ihren eigenen entsprach.“, wies er sie sehr kühl zurecht. „Ich bin bestürzt, dass ihr nicht bemerkt habt, wie es eurer Enkelin dabei erging, Larscha. Selbst für jemanden wie mich war dies ersichtlich.“ Damit wandte er sich demonstrativ von Larscha ab und blickte Raven an, freundlicher dieses Mal. „Danke, dass ihr mich daran erinnert habt, dass auch mir eine Pause gut tut, Sahva. Ich hoffe, wir können unseren Spaziergang wiederholen.“ Raven knickste formvollendet. „Es wäre mir eine Ehre, euer Majestät.“ „Solle eure Großmutter euch weitere Vorhaltungen machen, lasst es mich bitte wissen. Ihr wisst ja jetzt, wo ihr mich finden könnt. Oder ihr fragt Loram, der weiß eigentlich immer, wo ich mich aufhalte.“, sendete er ihr telepatisch zu. „Ich werde es mir merken.“, war ihre Antwort und sie lächelte ihn an, dann nickte er ihr freundlich zu und ließ Raven und ihre Großmutter ohne ein weiteres Wort zurück. Als er außer Hörweite war seufzte Larscha leise auf. „Ich habe ihn überhaupt nicht gesehen.“, murmelte sie leise und immer noch sichtbar ob des Tadels erschüttert. Verwundert sah Raven ihre Großmutter an. „Er war doch die ganze Zeit direkt neben mir.“ „Ich habe ihn dennoch nicht gesehen.“ Nun lächelte sie wieder, wenn auch noch immer sichtbar unsicher. „Waren die letzten Tage wirklich so schlimm für dich?“ „Du weißt, welche Art Musik und Literatur ich bevorzuge, Grandma.“, war ihre einzige Auskunft auf die Frage. Nun war wirklich wahres Bedauern auf dem Gesicht ihrer Großmutter zu sehen. „Verzeih, Sonnenschein. Ich habe mich dir gegenüber genauso verhalten wie Becki und ihre Familie. Seine Hoheit hatte Recht, das war respektlos.“ Nun lächelte Raven wieder. „Schon gut, Grandma. Aber sag, warum hast du mich gesucht? Du wolltest doch eigentlich den Vormittag und frühen Nachmittag zu diversen Veranstaltungen gehen. Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass dir mein Fehlen auffallen würde.“ „Komm, lass uns zu unseren Zimmern gehen, Sonnenschein.“, bat Larscha, denn ihr war bewusst geworden, dass einige Edelleute sowohl den Disput zwischen ihr und dem König, wie auch das Gespräch mit Raven beobachteten. Raven nickte und folgte ihrer Großmutter wortlos. „Wir haben von meiner Familie eine Einladung zum Besuch bekommen. Sie leben eine halbe Tagesreise von hier entfernt und ich würde sie wirklich gerne wiedersehen. Zuerst dachte ich, dass du mich begleiten solltest. Aber jetzt halte ich das für keine gute Idee mehr. Es gibt dort niemanden in einem Alter, was dir auch nur annähernd entspricht und meine Brüder sind als ziemlich schwierige Charaktere bekannt. Wäre es schlimm für dich, wenn du einige Zeit allein hier im Schloss bleiben würdest?“ Nun war es Raven, die sichtbar verdutzt war. „Eigentlich nicht…“ Larscha lächelte ihre Enkelin an, doch diese konnte am Gesichtsausdruck ihrer Großmutter erkennen, dass diese noch merklich verlegen war. „Grandma, es ist wirklich alles in Ordnung. Und du hattest Recht, ich hätte dir auf jeden Fall eine Nachricht zukommen lassen sollen. Es tut mir leid.“, versuchte Raven zu beschwichtigen. Als Antwort darauf streichelte Larscha sanft die Wange ihrer Enkelin. „Ich war dennoch ungerecht, Sonnenschein.“, meinte Larscha traurig. „Wirklich nicht schlimm, Grandma.“ „Hat es dir denn in der Stadt gefallen?“, fragte Larscha nun sanft. Raven nickte. „Sehr. Seine königliche Hoheit hat mir viele interessante Handwerkshäuser gezeigt und ich befürchte, dann ich morgen einen ganzen Haufen kleinerer Geschenke bekommen werde, denn jeder Handwerker meinte, mir etwas schenken zu müssen, nachdem seine Hoheit erklärte, ich wäre ein Gast aus einer weit entfernten Welt.“ Nun lachte Larscha auf. „Das kann ich mir vorstellen. Hier auf Laos ist ein Zeichen des guten Tons, einem Gast ein Geschenk seines Könnens zu überreichen.“ Sie streichelte ihrer Enkelin sanft über die Wange. „Ich hätte wirklich daran denken sollen, dass du doch so gerne in fremde Städte gehst. Würdest du einen solchen Spaziergang wiederholen, wenn ich von meiner Familie zurück bin?“, fragte sie sanft. Raven ergriff die Hand ihrer Großmutter und hauchte einen Kuss auf die Handfläche, so, wie sie es schon als kleines Kind immer getan hatte. „Natürlich. Da freue ich mich jetzt schon drauf, Grandma. Genieß du aber erst einmal den Besuch bei deiner Familie. Ich werde mich in der Zwischenzeit hier auch gut benehmen.“, ersprach sie. Larscha lachte auf bei diesen Worten. Früh am nächsten Morgen begleitete Raven Larscha dann vor das Hauptportal des Schlosses. Die Dinge, die ihre Großmutter für einige Tage mitnehmen wollte, waren bereits von Bediensteten abgeholt und in der von Larschas Familie gesendeten Kutsche untergebracht worden. „Wenn irgendetwas sein sollte, Sonnenschein, dann wende dich bitte an Lord Alden.“, erinnerte Larscha ihre Enkelin noch einmal eindringlich, obwohl sie dies sicher schon viermal im Laufe des kurzen Vormittags getan hatte. „Mache ich, Gradma. Du hast mein Wort.“, versprach Raven ergeben und musste sich ein kichern unterbinden. Sie hatte ihre Großmutter schon lange nicht mehr so nervös erlebt. „Ich werde mich auch so unauffällig wie möglich verhalten.“, fügte sie dann noch hinzu. Mit einem leicht traurigen Lächeln strich Larschas Hand noch einmal über die Wange ihrer Enkelin, bevor sie in die Kutsche stieg. „Mach, was du für richtig hältst. Ich weiß, dass du das Richtige tun wirst, Sonnenschein.“ Damit schloss der bereitstehende Bedienstete die Kutschentür, nachdem Larscha endgültig eingestiegen war, doch sie reichte ihrer Enkelin dennoch noch einmal ihre Hand. „Lass dir Zeit, Grandma.“, meinte Raven nur lächelnd, denn sie konnte erahnen, was diese sagen wollte. Nämlich, dass sie nicht allzu lange fortbleiben würde. Sie kannte ihre Großmutter schließlich. Diese hatte sich sicher seit dem Einschreiten des Königs sicher Gedanken gemacht. Dann gab sie dem Kutscher ein Zeichen, dass ihre Großmutter bereit war und trat einen Schritt zurück. Gleich darauf rollte das Gefährt mit seinen zwei Pferden an und verschwand gleich darauf aus dem Schloss. Kapitel 4: Verständnis und Zuneigung, wo keine sein sollte ---------------------------------------------------------- Den gesamten Vormittag verbrachte Raven mit den üblichen Rundgängen zwischen den einzelnen Darbietungen im Schloss, sprach einige Worte mit Anwesenden, die auf einmal sichtbar neugierig geworden waren. Wenn die Gerüchteküche hier nur halb so gut war wie in ihrer Basis, dann wussten mit Sicherheit schon alle Bewohner, dass sie am Vortag mit seiner Majestät unterwegs gewesen war und das dieser Larscha recht direkt zurechtgewiesen hatte. Kurz vor dem Mittag trat schließlich Lord Alden an sie heran. „Ihr seht ein wenig gequält aus, Prinzessin.“, meinte er freundlich. „Es ist ungewohnt, mit einem Mal scheinbar im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses hier zu stehen.“, meinte sie leise und nickte weiteren Passanten freundlich zu, auch wenn ihr Lächeln ein wenig genervt war. Lord Alden reichte ihr seinen Arm. „Begleitet mich doch einfach, Prinzessin.“ Verwundert legte sie ihre Hand auf seinen Unterarm und beide verließen den Wintergarten, in dem sie sich aufgehalten hatten. „Ihr seid heute von allgemeinem Interesse, Prinzessin.“, stellte Lord Alden mit einem Schmunzeln fest. „Ich denke mal, wenn die allgemeine Gerüchteküche hier im Schloss nur annähernd so gut ist wie in meiner Heimat, dann wird sicher schon die Runde gemacht haben, dass ich gestern an der Seite seiner königlichen Hoheit gesehen worden bin.“, mutmaßte Raven mit einem Seufzen. Lord Alden nickte. „Das und die Tatsache, dass er sich in einer Auseinandersetzung mit eurer Großmutter auf eure Seite gestellt hat. Was für ihn mehr als ungewöhnlich ist, wenn ich das mal hinzufügen darf.“ „Oh… wieso?“, fragte Raven verdutzt. Lord Alden nickte einer Gruppe von Frauen zu, die sich sichtlich interessiert an sie heran gedrückt hatten, obwohl der Gang, durch den sie schritten, doch recht breit war und genügend Platz bot. Erst als sie genügend Platz zwischen sich und die potentiellen Lauscherinnen gebracht hatten, griff Lord Alden das Gespräch wieder auf. „Seine königliche Hoheit mischt sich in familiäre Angelegenheiten normalerweise nur dann ein, wenn ein gravierender Zwist ausgebrochen ist und eine negative Beeinträchtigung der allgemeinen Ordnung droht, was bedeutet, dass es zu Kämpfen kommen würde. Ich gehe mal nicht davon aus, dass dies jemals zwischen euch und eurer Großmutter der Fall gewesen wäre.“ „Natürlich nicht.“, äußerte sie ein wenig empört. „Verratet ihr mir denn, worum es bei der Auseinandersetzung zwischen euch und eurer Großmutter gegangen ist? Dann könnte ich später vielleicht versuchen, Klarheit zu schaffen.“, schlug er freundlich vor. „Larscha hatte sich einfach nur Sorgen gemacht, weil sie mich nicht finden konnte. Das man dann mal etwas überreagieren kann ist doch nicht verwunderlich.“, erklärte sie ruhig. „Und wo ward ihr?“, fragte Lord Alden freundlich weiter nach. Raven bemerkte aus den Augenwinkeln, dass sie jetzt viele Beobachter hatten und dass sie keine Chance hatten, ungehört an ihnen vorbei zu kommen. „Ich hatte mich in einen ruhigen Bereich des Schlosses zurückgezogen, damit ich in Ruhe lesen konnte. Da habe ich dann seine Hoheit getroffen und wir haben uns eine ganze Weile unterhalten.“ „Dann habt ihr euch in seinen Privatbereich verirrt wie es mir scheint. Dort war er auf jeden Fall die letzten Wochen immer anzutreffen, weil er die Audienzen vorbereitete. Erzählt ihr mir, was ihr dort sonst noch getan habt, Prinzessin?“, fragte der ältere Mann überfreundlich. Ein warnendes Kribbeln lief ihr mit einem Mal über den Rücken. Lord Alden mochte sicher sehr freundlich und ehrlich sein, doch irgendwie hatte sie mit einem Mal das Gefühl, dass er selbst liebend gerne Gerüchte streute. „Lord Alden, ihr seid definitiv zu neugierig.“, tadelte sie ihn mit einem sanften Lächeln. „Darf ich daraus schließen, dass ihr mir ebenfalls nicht sagen werdet, was ihr mit seiner Hoheit gemacht habt?“, hakte er fröhlich nach. „Das überlasse ich eurer Phantasie, Lord Alden.“, forderte sie ihn auf. Silbern schimmernde Augen verfolgten Lord Alden und die junge Frau eingehend aus den Schatten heraus, wie sie den Gang entlang schlenderten. Obwohl sein Berater einiges versuchte, sein junger Gast blieb standhaft und offenbarte nichts darüber, was am vorangegangenen Tag passiert war. Das nötigte ihm Respekt ab, denn er wusste, wie eindringlich sein Berater werden konnte, wenn ihn etwas brennend interessierte. Und dass ihn genau das tat hatte er am Morgen am eigenen Leib erfahren. Aber auch er hatte nicht verraten, wo er am voran gegangenen Nachmittag gewesen war. Er befand sich in einiger Entfernung zu ihnen und verfolgte den Weg von Larschas junger Enkelin. Doch die Distanz machte ihm nichts aus. Wenn er es darauf anlegte und er seine verfluchte wahre Natur fließen ließ, dann konnte er alle Gespräche innerhalb des Schlosses mühelos verfolgen. Normalerweise interessierten ihn die Vorgänge zwischen den Besuchern im Schloss nicht, doch Raven – er nannte sie in Gedanken tatsächlich nur noch bei ihrem Vornamen, seit sie den Tag mit einander verbracht hatten – hatte sein Interesse und seine Neugierde geweckt. Das war seit ewig langer Zeit nicht mehr so intensiv vorgekommen und er hoffte, dass er der jungen Frau dadurch keinen Schaden zufügte. Denn sein Interesse an einem anderen Lebewesen war in der fernen Vergangenheit oft tödlich für die entsprechende Person gewesen. Seine Gedanken kehrten in die vergangene Nacht zurück. Wie so oft war für ihn an keinen Schlaf zu denken gewesen. Manchmal vergingen mehrere Monate, bevor ihn Schlaf übermannte und er für einige Stunden den Labsal der absoluten Ruhe genießen und einfach nur vergessen konnte. Am liebsten verbrachte er die dunklen Stunden des Tages, die ihm nach wie vor die liebste Zeit des Tages war, an einem Fenster in seinen Gemächern, wo er einfach nur die Dunkelheit genoss und bewegungslos den Lauf der Gestirne verfolgte. Für gewöhnlich beruhigte die Dunkelheit seine Gedanken, doch in der vorangegangenen Nacht hätte nichts seine Gedanken zum Schweigen bringen können. Als er sich sicher war, dass außer den diensthabenden Wachen niemand mehr wach war, hatte er einen Zauber angewandt, der so sehr Teil seiner selbst war wie das Atmen. Er konnte Schatten beschwören und sich von ihnen aufnehmen lassen. So konnte er binnen eines Wimpernschlags sogar weit entfernte Orte aufsuchen. Dieses Mal war sein Weg allerdings nicht sehr weit. Die Schatten führten ihn in ein ganz bestimmtes Gästezimmer zu der Person, die nun seine Gedanken bestimmte. Er lehnte sich in der Dunkelheit des Raumes an die Wand, die Ravens Bett gegenüber lag, verschränkte seine Arme vor der Brust und betrachtete sie nachdenklich. Es war nicht hell im Raum, dennoch konnte er genauso gut sehen wie andere Wesen bei vollem Tageslicht. Er sah nun das erste Mal die wirkliche Länge ihrer Haare, sie reichten in der Tat nur wenig über ihre Schultern und schimmerten im Licht der Monde dieses Planeten in einem angenehm warmen und weichen Licht. Sicher war dieses nächtliche Schimmern etwas, was nur seinen Augen auffiel, ihm, der er eigentlich ein Wesen der Finsternis war. Hier, wo sie vollkommen entspannt vor ihm lag und im Schlaf entschwunden war konnte er vieles von dem spüren, was sie tagsüber so sehr unter Kontrolle hielt. Obwohl tief schlafend konnte er Energie in ihr spüren, die anscheinend auf etwas zu warten schien. So, als hätte sie ihren wahren Platz im Leben noch nicht gefunden. Von weiterer Neugierde getrieben ließ er behutsam einen Teil seiner Magie fließen, woraufhin sich sein Blick auf die Dinge, die ihn umgaben, veränderte. So konnte er das Leuchten ihrer Lebensenergie genau vor sich sehen, sehen, wie sich ihre Seele in ihrem Körper verhielt. Wieder fiel ihm auf, dass sie anders als andere Lichtgeborene war. Spätestens jetzt hätte er eigentlich seinen Blick abwenden müssen, denn das Strahlen der Lichtgeborenen war für seinen magiebeeinflussten Blick eigentlich viel zu stark und blendete ihn fast minutenlang. Sie hingegen strahlte nicht, sie leuchtete nur, ein sanftes Licht voller Sanftheit und Wärme, welches sein tiefdunkles Inneres anzog wie eine Flamme die Motte. Er stieß sich von der Wand ab und näherte sich ihr noch mehr, bemerkte schließlich, wie er sich neben dem Bett niederkniete und ganz behutsam mit seinen Fingerspitzen ihre Hand gerührte. Die Wärme ihrer Haut ging sofort auf ihn über, weshalb er blitzschnell seine Hand zurückzog. Es war das erste Mal gewesen, seit er zurückdenken konnte, dass er vor etwas geflohen war. Noch immer spürte er das Echo ihrer Wärme in sich und wie sehr sein Körper sich nach einem Mehr dieser Wärme sehnte. Und grade dies erschien ihm gefährlich. Denn er befürchtete, dass er sie mühelos zerstören könnte. Deswegen unterbrach er seine Konzentration, die noch immer der Unterhaltung von Sahva und Lord Alden gefolgt war, und zog sich in seine Gemächer zurück, um sich erneut in seiner Arbeit zu vergraben. Nur mühsam war sie Lord Alden und seiner freundlichen, aber fast penetranten Neugier entgangen und in ihr Gästezimmer zurückgekehrt. Am liebsten hätte sie sich vor allen Anwesenden versteckt, doch das entsprach so gar nicht ihrem Naturell. Dennoch musste sie für einige Zeit raus aus dem Schloss. Da sie den König nicht erneut mit ihrer Präsenz von seiner Arbeit abhalten wollte – immerhin hatte er was von Vorbereitungen auf eine Audienz erwähnt – beschloss sie, nun doch endlich das zu tun, was sie sich die letzten Tage so sehr versagt hatte. Schnell trat sie an ihren Schrank heran, während sie sich aus ihrem Kleid schälte, und öffnete diesen. Mit einem Lächeln holte sie eine schwarze Hose und ein gleichfarbiges Hemd heraus. Sie zog sich schnell um, dann schlüpfte sie in bequeme Laufschuhe und band sich ihre Haare einfach im Nacken zusammen. Sie hatte gesehen, dass einige aus der Schlosswache, wenn diese sich in zivil im Schloss aufhielten, ähnlich gekleidet waren und auch ebenso langes Haar wie sie selbst hatten. Ein kurzer Blick in den Spiegel ließ sie zufrieden feststellen, dass sie sich nicht allzu sehr von den jungen Rekruten unterschied, die sie bei der Schlosswache entdeckt hatte. Doch zur Not band sie sich noch ein Tuch in Piratenart um, dann verließ sie leise und vorsichtig ihr Zimmer. Umsichtig beobachtete sie die Gänge im Schloss, bevor sie diese entlang lief. Da sie sich den Weg eingeprägt hatte, den sie am Vortag mit Tarabas benutzt hatte fand sie schnell die verborgene Tür, die aus dem Schloss führte. Im Gegensatz zum Vortag nahm sie außerhalb des Schlosses aber nicht den Weg in die Stadt hinein, sondern entschloss sich, die entgegengesetzte Richtung zu gehen. Und wie erhofft führte dieser Weg von Schloss und Stadt weg. Sie legte einige Meter noch gehend zurück. Doch als sie sich ziemlich sicher sein konnte, dass sie niemand vom Schloss aus beobachten konnte, holte sie aus ihrer Hosentasche ihren MP3-Player heraus, steckte sich die Kopfhörer in die Ohren, aktivierte diesen und begann gleich mit den ersten Takten der schnellen Musik mit dem Laufen. Es war angenehm, sich wieder einmal so richtig zu verausgaben. Die Beschaffenheit der Straße, über die sie lief, war eben und gut, sodass sie sich voll und ganz auf Musik und Atmung konzentrieren konnte. Die schöne Landschaft, die sich an die Hauptstadt schmiegte, tat ihr übriges, dass sie die Strecke genoss. Felder, Wiesen und kleine Waldstücke wechselten sich in rascher Folge ab und die Sonne tat ihr übriges, dass sie sich absolut wohl fühlte. Dabei achtete sie aber immer darauf, dass sie zumindest in Sichtweite der Hauptstadt blieb, da sie sich in dieser Welt ja überhaupt nicht auskannte. Es war einige Zeit verstrichen, als ihr mit einem Mal warnend ein Schauer über den Rücken lief. Da sie dieses Phänomen bereits ausgiebig kannte verlangsamte sie sofort ihren Lauf und nahm die Kopfhörer aus den Ohren. //Deine Hilfe wird gebraucht, Sonnenschein.//, vernahm sie mit einem Mal die sanfte telepatische Stimme der Göttin des Lichts. //Wo, Großmutter?//, fragte sie sofort vollkommen konzentriert, während sie sich den Weg vor und hinter sich genau betrachtete und lauschte. //Lauf etwas weiter, dann wirst du es hören. Aber beeil dich bitte.// Sofort lief sie weiter, öffnete aber ihre Aura weit, um noch zusätzliche Wahrnehmungsmöglichkeiten zu haben. Dies war wie eine Verstärkung von Augen und Ohren, so ziemlich die einzige Fähigkeit, die sie von Seiten ihrer Mutter geerbt hatte. So vernahm sie schnell ein Geräusch von Panik unweit vom Weg, der durch diesen Wald führte, auf dem sie unterwegs war. Ihr Geist fing dieses Geräusch ein und blitzschnell lokalisierte er die Ursache. Es klang nach aufgepeitschtem Wasser und dem Schreien eines jungen Mädchens. Sofort stürzte sie vom Waldweg durch die eng stehenden Bäume, ihre besondere Fähigkeit nutzend wie ein Navigationsgerät. So dauerte es nicht lange, bis sie auf einem kleinen Felsenplateau ankam, das steil in einen See abfiel. Und im Wasser einige Meter unter sich konnte sie ein kleines Mädchen verzweifelt dagegen ankämpfen sehen, nicht unterzugehen. Ihr Körper schaltete auf Automatik um, noch ehe sie sich darüber im Klaren war streifte sie ihre Schuhe ab und versteckte den MP3-Player in einem der Schuhe. Dann trat sie an den Rand des Plateaus und schaute auf den See hinab. Sie hatte keine Angst vor Wasser, ihre Eltern hatten ihr schon in frühester Kindheit das Schwimmen beigebracht. Sie liebte Wasser grade zu. So sprang sie einfach in die Tiefe, aber nicht wie sonst in einem eleganten Köpper, sondern mit den Füßen voran, da sie das Wasser nicht kannte und aufgrund der Klarheit des Wassers die genaue Tiefe nicht erkennbar war. Das dies eine gute Entscheidung gewesen war kristallisierte sich gleich darauf heraus, als ihr kurz nach dem völligen Untertauchen im Wasser ein scharfer Schmerz durch das rechte Fußgelenk fuhr, als sie auf dem Seeboden aufkam, da sie anscheinend einen großen Stein getroffen hatte. Sie ignorierte den Schmerz und verdrängte ihn in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins, dann schoss sie hinauf zur Wasseroberfläche. Ein kurzer Blick genügte, dann kraulte sie in die Richtung, in der sie letzten Bewegungen des nun untergehenden Mädchens erkannte. Dort angekommen musste sie tauchen, um den kraftlosen kleinen Körper zu finden, der langsam Richtung Boden sank. Schnell hatte sie diesen erreicht und war nun dankbar, dass ihr Vater vor einigen Jahren darauf bestanden hatte, dass sie eine erste Rettungsschwimmerausbildung absolvierte. Mit sicherem Griff zog sie den kleinen Körper mit sich zurück an die Wasseroberfläche und nach einem weiteren Blick zu einem kleinen Strand in der Nähe des Plateaus, von dem aus sie in die Tiefe gesprungen war. Dort zog sie das Mädchen aus der Nässe heraus und legte sie auf das frische Grün. Schnell überprüfte sie die Lebenszeichen und begann schnell aber bedacht mit der Reanimation, da das Mädchen nicht mehr am Atmen war. Er war in die letzten Unterlagen für die Audienzen vertieft, als ihm mit einem Mal ein scharfer Schmerz durch sämtliche Nervenenden fuhr und er die Warnung vor Gefahr spürte. „Hoheit, was…?“, fragte sein Kammerdiener überrascht, was ihm verdeutlichte, dass seine Augen silbern geworden sein mussten. Doch er war schon vom Stuhl aufgesprungen. Er hatte so viel Schwung und Kraft dafür aufgebracht, dass der schwere Sessel umfiel, doch ihn kümmerte diese Tatsache nicht. Denn seltsamerweise wusste er augenblicklich, was sich ereignet hatte. Er hastete zur Tür, riss diese auf und lief dann die Gänge hinunter. Dann, als er sich sicher war, dass ihn niemand beobachtete, wob er einen Zauber und verschwand einfach aus dem Schloss. Seine Intuition leitete ihn. Den Hals überstrecken, Nase mit zwei Fingern verschließen, den Mund des Unfallopfers öffnen und vorsichtig Luft in die Lungen atmen. All diese Theorie schoss ihr mit beinahe mechanischer Ruhe durch den Kopf, während sie genau diese in die Tat umsetzen konnte. Ein Atemstoß, dann Schauen, ob es eine Reaktion gab, wieder Beatmen… Ein krampfhaftes Husten ließ sie erleichtert auflächeln, dann drehte sie den kleinen Körper zur Seite, damit das Mädchen das geschluckte Wasser ausspucken konnte. „So ist gut. Alles raus damit was keine Miete bezahlt.“, raunte sie der Kleinen zu und wartete auf die typische Reaktion auf den Schock, nachdem das Husten verklungen war. Und auch nur wenige Sekunden später wechselte der der quälende Husten in panisches Weinen. Sofort nahm sie das Mädchen in die Arme und wiegte es sanft. „Schhh… alles ist gut…“, raunte sie der Kleinen sanft ins Ohr. Dann mit einem Mal fuhr ihr ein kühles Prickeln die Wirbelsäule entlang. Sie konnte nicht mehr tun als sich kurz irritiert versteifen, dann berührte auch schon eine fremde Hand die Stirn der Kleinen. „Alles in Ordnung?“, erklang dann mit einem Mal Tarabas’ Stimme direkt neben ihr und sie sah erschrocken auf. „Wo kommt ihr denn her… wieso…“, fragte sie vollkommen perplex. „Ich konnte spüren, dass etwas passiert war. Fragt jetzt bitte nicht weiter.“, bat er fast ein wenig kühl. Sie nickte nur irritiert, doch dann sah sie, dass er anscheinend des Mädchens wegen beunruhigt war. Sanft strich sein Daumen über deren Stirn, woraufhin sich das panische Schluchzen der Kleinen verringerte und schließlich ganz beruhigte. Daraufhin schloss Raven, dass er eine Art Zauber anwenden musste, den sie allerdings nicht spüren konnte. „Haben dir deine Eltern nicht gesagt, dass du auf den Wegen bleiben sollt, junge Dame?“, fragte Tarabas das Mädchen schließlich mit seiner nun samtweichen, tiefdunklen Stimme, die Raven absolut unter die Haut ging. Das kleine Mädchen nickte nur leicht und verängstigt. „Dann sei froh, dass der dunkle Fürst dir gnädig war und dir einen guten Geist geschickt hat, der dich vom ewigen Tor zurückgeführte. Bitte pass das nächste Mal auf, denn die Schutzgeister sind launisch und nicht immer zugegen. Und du willst doch nicht, dass deine Eltern allein bleiben müssen, oder?“, fragte er weiter. „Nein, Sir.“, wisperte die Kleine nur verschüchtert. „Gutes Mädchen.“, lobte Tarabas leise und etwas, was man mit viel Fantasie für den Hauch eines Lächelns halten konnte, huschte über sein Gesicht. „Und nun lauf nach Hause.“ Ein sanfter Windstoß hüllte sie ein, woraufhin sowohl Raven, als auch das Mädchen kurz ihre Augen schlossen. Als sie diese wieder öffneten war die Kleidung beider wieder vollkommen trocken. Dankbar lächelte Raven Tarabas an, dennoch schoss ihr gleich durch den Kopf, dass der Zauber, den sie im Windstoß gespürt hatte, ganz anders als alles war, was sie bislang gespürt hatte. Nicht unangenehm, im Gegenteil, sondern fast schon ein wenig erregend. „Vielen Dank, Herr Waldgeist. Bei euch auch.“, bedankte sich das kleine Mädchen sowohl bei Tarabas, als auch bei Raven mit einem kleinen Knicks, dann lief es vom See fort zurück in den Wald. „Ich bin ja schon als vieles bezeichnet worden, doch Waldgeist ist neu.“, murmelte Tarabas, bevor er sich nun Raven zuwandte. „Ihr seit verletzt.“ Es war eine Feststellung und auch ein kleiner Vorwurf, den sie in seinen Worten hörte. „Bin ich?“, fragte sie überrascht, doch kaum, dass diese Worte ihren Mund verlassen hatten, kehrte der scharfe Schmerz zurück, der ihr durch ihren Fuß gefahren war, als sie ins Wasser gesprungen war. „Ja, bin ich anscheinend.“, murmelte sie mit einem leisen Aufzischen, dann wandte sie sich dem schmerzenden Knöchel zu. Ein kurzer Blick genügte um ihr zu vergewissern, dass sich ihr rechter Fuß bereits anschickte, die Form zu ändern. Sie musste etwas tun, wenn sie einigermaßen vernünftig ins Schloss zurückkehren wollte. Deshalb stand sie vorsichtig auf und belastete den Fuß behutsam. Dann humpelte sie vorsichtig in Richtung der Felsen, von denen aus sie in die Tiefe gesprungen war. „Dürfte ich fragen, was ihr vorhabt, Sahva?“, erklang Tarabas Stimme scharf hinter ihr. „Dort oben sind meine Schuhe und etwas, was ich hier nicht zurücklassen möchte. Das wollte ich…“ Tarabas schüttelte nur kurz mit dem Kopf, dann hob er seine Hand. Gleich darauf schwebten die besagten Stücke in der Luft vor ihm. „Ihr solltet doch gespürt haben, dass ich der Magie mächtig bin. Auf die Idee, mich zu fragen, scheint ihr anscheinend nicht zu kommen, habe ich recht?“, fragte er düster. „Das erschien mir unhöflich.“, meinte Raven ein wenig kleinlaut und kam zurück gehumpelt. „Un… gütige Finsternis.“, stieß er leise und kopfschüttelnd aus. „Und deswegen riskiert ihr mit eurem verletzten Fuß eine Kletterpartie, nur weil ihr es unhöflich hieltet, mich um Hilfe zu bitten?“, fragte er noch einmal nach, während seine Aura immer düsterer wurde. „Ist euch die Art meiner Magie denn so zuwider?“ Verblüfft starrte Raven ihn an. „Was meint ihr?“ Tarabas spürte, dass sie wirklich verblüfft über seine Äußerung war, denn sie sah ihn mit ihren bernsteinfarbenen Augen offen und verwirrt an. „Wie fühlt es sich für euch an, wenn ich Magie benutze?“, fragte er nach und zwang sich, die Flamme an Zorn, die ihn seinem Innern aufzulodern versuchte, niederzukämpfen. „Kühl. Anders als ich es kenne.“, antwortete sie noch immer verwirrt. „Und welchen Schluss zieht ihr daraus?“, fragte er zähneknirschend. Raven spürte überdeutlich, dass er aufgebracht war und anscheinend kurz davor stand, seine Beherrschung zu verlieren. „Hoheit, ich habe keine Ahnung, worauf ihr hinaus wollt. Ihr werdet von meiner Großmutter sicher unterrichtet worden sein, was für eine Enttäuschung ich in Sachen Magie bin. Was also soll jemand Magieunbegabtes wie ich in euren Augen bei eurer Magie erkannt haben?“, fragte sie kühl und mit vor der Brust verschränkten Armen zurück. Als hätte sie ihm einen Schlag versetzt zuckte er kurz zusammen, dann fiel der kalte Zorn, den sie die ganze Zeit gespürt hatte – und der ihr insgeheim die Drohung von absoluter Gefahr vermittelt hatte, was sie sich aber nicht hatte anmerken lassen – in sich zusammen. Innerlich seufzte sie erleichtert auf, auch wenn sie nicht verstand warum. „Verzeiht. Ich war ungerecht zu euch.“, murmelte er schließlich zerknirscht. Er streckte ihr seine Hand entgegen mit der stummen Bitte in seinen Augen, dass sie zu ihm kam. Ohne zu zögern kam sie näher und legte dann auch ihre Hand in seine. „Was soll an eurer Magie so ungewöhnlich sein?“, fragte sie nun entspannter nach. „Ihr sagtet, sie würde sich kühl anfühlen. Sicher doch auch unangenehm, oder?“, fragte er statt eine Antwort zu geben. „Nein…“, fragte sie irritiert nach und runzelte die Stirn, weil sie nicht wusste, worauf er hinaus wollte. Er schnaubte leise und schüttelte den Kopf. „Das sollte sie eigentlich für euch als Erbin eines Lichtgeborenen. Ich bin Schwarzmagier, Sahva.“ Überrascht sah sie ihn an und obwohl sie es eigentlich verhindern wollte huschte ihr ein erfreutes Lächeln über das Gesicht. Er bemerkte es natürlich. „Anscheinend wollt ihr mich noch mehr verblüffen, Sahva. Erklärt mir bitte, wieso ihr als Erbin eurer Mutter bei diesem Geständnis nicht entsetzt seid, sondern euch anscheinend darüber sogar freut. Denn das kann ich sogar überdeutlich spüren, auch wenn ihr es krampfhaft zu unterdrücken versucht.“ Sie hatte vergessen, dass er ihre Gefühle anscheinend genauso leicht erahnen konnte wie sie die seine oder das, was sie sich einbildete, was seine Gefühle waren. „Ich bin nicht die Erbin meiner Mutter.“, antwortete sie leise. „Bitte?“, fragte er noch verblüffter nach. „Ich bin nicht die Erbin meiner Mutter.“, wiederholte sie geduldig. „Ihr seid die Erstgeborene eurer Mutter, der Hohepriesterin des Lichts. Natürlich seid ihr die Erbin eurer Mutter.“, äußerte er entrüstet. „Nein, bin ich nicht. Meine kleine Schwester ist ihre Erbin, nicht ich. An mir sind sämtliche magischen Fähigkeiten vorbei gegangen. Und als immer ersichtlicher wurde, dass meine Schwester bereits mit 6 Jahren wesentlich mächtiger war als ich es jemals werden würde, habe ich mein Erbe abgelegt. Sehr zur Erleichterung der Priester muss ich dazu sagen.“, erklärte sie ruhig. Vollkommen entrüstet und auch kurz sprachlos starrte er sie an. „Es ist euch aber bewusst, dass es Völker gibt, die eure Schwester niemals als Erbin anerkennen werden, solange ihr lebt? Keines der dunklen Völker wird eure Schwester beachten, sollte sie einmal in die Verlegenheit kommen, mit ihnen in Verhandlung treten zu müssen.“ „Nicht?“, fragte sie überrascht. Mit so etwas hatte sie nicht gerechnet. „Nein. Bei den dunklen Völkern herrscht das Geburtsrecht vor. So lange ihr noch lebt oder nicht ein Amt übernehmt, welches höher angesiedelt ist werdet ihr immer die Erbin eurer Mutter bleiben.“ „Und wenn ich es ihnen sage, dass ich als Erbin ungeeignet bin und aus freien Stücken ohne Zwang mein Amt niedergelegt habe, das zählt nicht?“, fragte sie weiter. Anerkennend zog er eine Augenbraue hoch. Sie hatte die Beschreibung ihres Verzichts genau richtig beschrieben, dass es selbst ein finsterer Advokat richtig verstehen musste. „Selbst dann nicht.“, bestätigte er ihre Frage. Vollkommen entsetzt sah sie ihn an. „Und was wäre ein höheres Amt als das der Erbin meiner Mutter?“, fragte sie weiter. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es etwas Höheres gibt, oder?“ //Kluges Mädchen.//, dachte Tarabas mit immer wachsender Anerkennung. „Wenn ihr Hohepriesterin eines dunklen Gottes werdet beispielsweise.“, erklärte er geduldig. „Na toll.“, zischte sie mit finsterer Miene. „Das eine will ich nicht sein, das andere werde ich niemals sein, selbst wenn ich das wirklich wollen würde.“ Tarabas ging neben ihr in die Hocke. „Bevor ihr es schafft mich vollkommen zu verwirren, etwas, was seit Jahrhunderten niemandem mehr gelungen ist, beantwortet mir bitte erst einmal meine erste Frage. Wieso seid ihr nicht entsetzt darüber, dass ich ein Schwarzmagier bin?“ Sie sah ihn an und man konnte quasi sehen, dass sie das Für und Wider dessen abwog, was sie als nächstes sagen würde. Dann seufzte sie leise. „Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit allen möglichen dunklen Glaubensrichtungen und den Riten und Sitten dieser Völker in der Welt des Lichts. In Eigenstudium versteht sich, da es hier kaum jemanden gibt, der mich unterrichten wollen würde.“ Nun war es an Tarabas, entsetzt zu schauen. „Das ist nicht euer Ernst, oder?“, fragte er nach. „Doch, vollkommen.“, bestätigte sie ihm ernst. „Und eure Mutter? Sie weiß doch sicher nichts davon, oder?“ Raven nickte. „Doch, sie weiß davon. In Punkto Fragen über dunkle Angelegenheiten, wie ich es nenne, wendet sie sich immer an mich. Aber sonst wissen nur sehr wenige von diesem Hobby. Nur meine Eltern, meine Geschwister und meine zweite Großmutter. Selbst Großmutter Larscha weiß nur einen Bruchteil. Sie hält mein Wissen einfach als eine Art 'Spinnerei'.“ „Moment... ihr stammt von der Göttin des Lichts ab, Sahva. Wie könnt ihr dann...“ „Das wisst ihr?“, unterbrach ihn Raven überrascht. „Ich müsste blind und absolut unerfahren sein, um das nicht zu bemerken, Sahva. Außerdem bin ich über die Umstände der Empfängnis eurer Mutter genauestens informiert worden. Ja, ich weiß, dass ihr von der Göttin abstammt.“, erklärte er ihr ein wenig barsch. „Oh.“, meinte sie nur und besaß in seinen Augen auch noch die Frechheit, ein wenig verlegen zu lächeln. „Die Göttin weiß da doch sicher auch nichts von, richtig? Was mich nicht weiter wundern würde, da diese sich ja bekanntlich nicht in die Belange der Lebenden einmischt.“, meinte er und seine Laune wurde wieder frostiger. Dennoch fürchtete Raven sich nicht. „Sie ist die zweite Großmutter von der ich sprach.“, korrigierte sie ihn sanft. Damit schockierte sie ihn sichtlich. „Die Göttin weiß es?“, fragte er dennoch einmal nach. „Ja. Sie hat mich dazu sogar ermutigt. Vieles von der Literatur, aus der ich gelernt habe, habe ich von ihr erhalten.“ Sein Gesichtsausdruck war daraufhin so komisch entsetzt, dann Raven Mühe hatte, eine Maske aus Freundlichkeit zu behalten und nicht aufzulachen. „Gütige Finsternis, wann sind die Welten untergegangen und wieso hat mich niemand darüber informiert?“, fragte er sich leise, woraufhin Raven nun doch zu kichern begann. Sie erntete einen bitterbösen Blick, der ihr sogar einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. „Verzeihung.“, meinte sie mit krampfhaft erzwungener Neutralität. Diese finstere Miene hatte ihr sofort sämtliche Härchen aufgestellt und sie wissen lassen, dass absolute Gefahr bestand. Dennoch schaffte sie es, dass man ihr die Vorsicht nicht ansah. Man sah Tarabas an, dass er arg mit sich rang und er sich wieder beherrschen musste. „Wisst ihr…“, begann sie deswegen, um ihn auf andere Gedanken als die deutlich spürbare Wut zu bringen. „Ich bin schon immer anders gewesen als wie man es der Tochter der Hohepriesterin des Lichts zugestehen würde. Zwar brachte mir meine Mutter alles bei, was ihren Glauben anging, doch sie hat mich nie gedrängt, ihn auch wirklich anzunehmen. Ich habe auch bei Lichtpriestern Unterricht gehabt, doch ich stand dem, was sie erzählten, immer irgendwie kritisch entgegen.“ Sie seufzte leise und entschied sich, ihm von dem Priester und dem einschneidenden Erlebnis zu erzählen, das sie mit 14 gehabt hatte. „Das erste Mal, dass mir wirklich vor Augen geführt wurde, dass ich mich anders verhalte als erwartet, war mit 14. Ich war während der Schulferien zu Besuch bei meinen Großeltern im Schloss der Shino und hatte dort an einer Art Seminar teilgenommen, in dem ein Priester uns genauestens die Vorzüge des Lichtglaubens gegenüber dunklem Glauben verbreitete. Ich hatte mich zu dem Zeitpunkt schon ein wenig mit dunklen Glaubensrichtungen auseinandergesetzt, wenn auch noch nicht wirklich lange. Während des Unterrichts kamen in mir immer mehr Fragen auf, denn vieles von dem, was der Mann erzählte, widersprach meiner Logik. Und das, obwohl ich erst 14 war.“ Sie grinste leicht schief, dann sah sie Tarabas an, der ihr auch aufmerksam folgte. „Ich wartete ab, bis ich den Priester nach dem Seminar allein antraf und bat ihn, mir zum besseren Verständnis auch etwas über dunkle Glaubensrichtungen zu erzählen, damit ich die Zusammenhänge besser verstehen konnte. Immerhin ist es ja eine der Hauptlehren im Lichtglauben, dass es zwei Seiten von Magie und Leben gibt, die in Balance zueinander stehen müssen, damit das Leben harmonisch verläuft. Zuerst war der Priester auch sehr erfreut, weil es immerhin die erstgeborene Tochter seiner Hohepriesterin war, die ihre Frage an ihn richtete. Doch er wich meinen Fragen aus, bezeichnete alle Angehörigen des Dunklen Glaubens als Dämonen und Monster. Kurz gesagt, das restliche Gespräch verlief sehr unerfreulich, je mehr ihm bewusst wurde, dass ich einen Großteil dessen, was er von sich gab, in Frage stellte, sogar auf theologischer Basis. Es hat am Ende nicht mehr viel gefehlt, dann hätte er mich geschlagen, weil er sich nicht mehr anders zu wehren wusste. Seitdem bin ich als eine Art Ketzerin verschrien unter den Priestern.“ Sie gab sich ruhig und gelassen, doch dieses Ereignis war einschneidend während ihrer Pubertät gewesen und hatte sie sehr getroffen gehabt. „Die Göttin hat mir dann sehr geholfen, denn ich hatte daraufhin Angst weiterzuforschen. Aber seitdem bin ich sehr vorsichtig damit, wem ich erzähle, was für Interessen ich wirklich habe.“ Sie nahm ihr Tuch vom Kopf und tauchte es dann in das kühle Nass des Waldsees, um es dann fest um ihren anschwellenden Knöchel zu wickeln. Tarabas hatte ihr die ganze Zeit schweigend zugehört und auch auf telepatischem Wege ihre Worte nachvollzogen. Dabei hatte er automatisch die entsprechende Erinnerung gefunden, die ihre Worte bestätigten. Sie hatte grob das erzählt, was er in ihren Erinnerungen fand. Aber nur grob. Das, was der Priester an diesem Nachmittag alles zu ihr gesagt hatte, während sie diskutiert hatten, war mehr als beleidigend gewesen und hatten der Seele der Heranwachsenden Schaden zugefügt, die von der Göttin dann eingedämmt worden war. Wenigstens etwas, worüber er ihr gegenüber dankbar sein konnte. Sein Zorn legte sich dabei, weil sie so amüsiert gewesen war, doch ein tiefer Groll gegenüber dem Priester blieb. Und würde bleiben, das wusste er. „Und forscht ihr immer noch?“, fragte er dann weiter. Sein Zorn legte sich wieder, wurde nun aber wieder von Neugierde ersetzt. „Ja, so gut es geht. Denn oftmals fällt mir die Übersetzung der Texte, die ich erhalte, sehr schwer. Oder sie wurden so verfasst, dass sie Lichtpriestern verborgen bleiben und ich muss mich durch Verschlüsselungen kämpfen. Das ist sehr zeitaufwändig.“ Sein scharfer Blick richtete sich direkt in ihren und er schwieg nachdenklich. Gleichzeitig spürte sie aber in ihrem Inneren, wie ein ganz leichter, kühler Hauch durch sie hindurch glitt. Instinktiv wollte sie dieses Gefühl abblocken, da sie es niemandem erlaubte, in ihr Innerstes zu schauen, doch sie zwang sich zu entspannen und öffnete sich weiter. Anerkennend zog Tarabas eine Augenbraue hoch. „Ich hatte Recht, ihr könnt mich wirklich spüren, auch wenn ich sehr vorsichtig bin.“, stellte er mit einem kleinen Kopfschütteln fest. Auf seiner Suche in ihren Erinnerungen hatte er blitzschnell sehr viel erfahren, nachdem sie sich so geöffnet hatte. Raven nickte. „Es ist wie ein kühler Hauch. So spüre ich euch immer, auch wenn ich euch nicht sehe.“ Wieder musterte er sie einige Augenblicke, dann erhob er sich wieder. „Ich habe grade gesehen, dass ihr eure dringendste Frage bezüglich der Dunklen Völker noch nicht beantwortet bekommen habt. Nämlich nach dem zentralen Anker der Dunklen Völker. Ihr fragt euch, ob es auch einen oder mehrere Götter gibt, die wie eure Großmutter verehrt werden.“, fasste er ihre Gedanken zusammen. Sie nickte. „Darauf habe ich bislang nur Fragmente gefunden.“ „Dann denke ich, werde ich euch weiterhelfen können. Nehmt euch für heute Abend nichts vor. Ich werde versuchen, euch das zu erklären.“ Überrascht sah sie ihn an. „Danke…“ „Ich habe mich zu bedanken, Sahva. Denn durch euch darf ich sehen, dass es zumindest einem Lichtgeborenen nicht gleichgültig ist, wenn den dunklen Völkern in dieser Welt etwas passiert. Diesbezüglich hatte ich eigentlich nie Hoffnungen gehegt.“ Dann reichte er ihr seine Hand. „Seid ihr mutig, Sahva?“, fragte er mit einem Mal. „Ich denke…“, meinte sie etwas misstrauisch und legte ihre Hand in seine. Sie war angenehm kühl stellte sie fest. „Gut.“ Ein Schmunzeln blitzte in seinen Augen auf, dann schien das eisblau mit einem Mal silbern zu werden. Dann wurde es kurz vor ihren Augen komplett schwarz. Als sie wieder richtig sehen konnte war ihr kalt, doch die Kälte verschwand augenblicklich wieder. Und sie staunte, denn mit einem Mal befand sie sich wieder im Schloss, in ihrem Gästezimmer, um genau zu sein. Tarabas stand neben ihr und sah sie aufmerksam an. Schließlich, als er spürte, dass sie sich von dem Zauber wieder erholt hatte – was in seinen Augen überraschend schnell geschah – ließ er ihre Hand wieder los. „Wow… ein Teleportationszauber?“, fragte sie überrascht und sah ihn an. Erst verstand er nicht, was sie meinte, doch anscheinend verursachten ihre Erinnerungen, die er erlaubt von ihr genommen hatte, dass er wusste, was sie meinte. „So etwas ähnliches. Fühlt ihr euch gut?“ Sie nickte. „Bis auf meinen Fuß, ja.“, meinte sie, humpelte aber in einer Geschwindigkeit zum Bett, die Übung zeigte. „Ihr habt euch anscheinend schon öfter die Füße verletzt.“, stellte er trocken fest. „Die Füße, die Hände, und ein Arm, während meiner Trainingszeiten kommt das durchaus vor. Deswegen habe ich immer Dinge mit, die mir bei Verletzungen helfen.“, erklärte sie freundlich, dann humpelte sie weiter zum Kleiderschrank, um die Box herauszuholen, von der Larscha zwar wusste, dass sie sie mit hatte, aber nicht, was drin war. Damit kehrte sie zum Bett zurück und stellte sie darauf. „Achtung, nicht erschrecken.“, meinte sie nur zu Tarabas, dann aktivierte sie die verborgene Technologie der Box. Sie vergrößerte sich um das fünffache und ging dann auf. „Was war das für ein Zauber? Ich habe gar nichts gespürt.“, meinte Tarabas sichtlich überrascht und kam näher, um sich die Box anzusehen. „Kein Zauber. Das ist Technologie von Alpha. Eigentlich sind es Umzugsboxen, die man nach dem Einräumen um einen bestimmten Faktor verkleinern und hinterher wieder zurück vergrößern kann. Äußerst praktisch, da sie nicht viel Platz wegnehmen.“, erklärte sie, dann holte sie diverse Dinge aus der Box, die der Schwarzhaarige noch nie gesehen hatte. Unter anderem einen Tablet-PC, dessen glänzende, deaktivierte Oberfläche er vorsichtig berührte. „Das Ding ist nicht gefährlich, keine Sorge.“, meinte sie mit einem sanften Lächeln, dann holte sie eine kleine Ledertasche aus der Box und öffnete sie. Und holte etwas heraus, was wie eine dünne schwarze Socke aussah. Behutsam versuchte sie, die Socke, die unter ihrem kühlenden Tuch war, zu entfernen, doch dies stellte sich als recht schmerzhaft heraus, was man ihrer Miene deutlich ansah. „Wartet.“, meinte Tarabas nur, ließ von dem PC ab und berührte dann die Socke an ihrem Fuß. Sie verschwand einfach und legte ein Fußgelenk frei, welches stark geschwollen war und sich anschickte, lustige Verfärbungen anzunehmen. „Das sieht nicht gut aus.“, meinte er besorgt, doch Raven winkte nur ab. „Das ist morgen wieder abgeheilt.“, meinte sie nur, dann zog sie das sockenartige Ding, welches sie aus der Box herausgeholt hatte, auf. Da es mit Klettverschluss zusammengehalten wurde war dies problemlos möglich und genauso schnell war die Konstruktion auch am Fuß befestigt. Es war ein hochtechnisches Gewebe, welches die Heilung in großer Geschwindigkeit vorantreiben würde. Es gehörte zur Standardausrüstung der kämpfenden Truppen von Alpha. Als die ‚Socke’ richtig saß holte Raven aus der Ledertasche einen kleinen Controler heraus, aktivierte diesen und steckte ihn auf das Gewebe, wo er scheinbar ohne Hilfe hielt. Gleich darauf zog sich ein leichter, bläulicher Schimmer einmal komplett über das Gewebe, als die Gerätschaft den kompletten Fuß scannte. Dann erlosch das Leuchten und das Gewebe wurde wieder schwarz, schimmerte aber mehr als zuvor. Tarabas hatte dem Ganzen schweigend zugeschaut. Er war erfahren in Zaubern jeglicher Art, aber so etwas hatte er noch nie gesehen. Und wieder spürte er nicht einen Hauch von Magie. „Dieses Gerät unterstützt die Zellheilung und beschleunigt sie.“, erklärte sie freundlich. „Alles ohne Magie, da so etwas in meiner Heimat weitestgehend unbekannt ist. Selbst meine Mutter benutzt auf Alpha keine Magie.“, erklärte sie unaufgefordert. „ Die Verwendung von Magie ist ja hauptsächlich auch nur sehr wenigen Völkern oder Personen vorbehalten, soweit ich weiß. Eine so große Konzentration an Magiern wie bei den Shino ist eher ungewöhnlich. So wurden in meiner Heimat halt andere Möglichkeiten entwickelt.“ Dann sah sie Tarabas freundlich an. Da er die Dinge, die sie auf dem Bett liegen hatte, noch immer sehr nachdenklich ansah, schloss sie daraus, dass er sich häufig der Magie bediente. „Nicht so häufig, wie ihr denkt, Sahva.“, beantwortete er ihre nicht ausgesprochene Bemerkung, was sie verblüfft aufsehen ließ. Er schmunzelte. „Ihr habt mir erlaubt, eure Gedanken und Erinnerungen zu berühren. Jetzt kann ich euch anscheinend noch besser verstehen als vorher.“, meinte er mit einem leicht entschuldigenden Blick. „Ich wusste gar nicht, dass so etwas möglich ist.“, kommentierte sie dies trocken. „Ich auch nicht, Sahva. Das ist auch mir neu und ich habe einiges an Erfahrung aufzuweisen.“ Ruhig sah er sie für einige Augenblicke an, dann senkte er ein wenig seinen Blick. Dadurch sah er irgendwie ein wenig verletzlich aus, weswegen sich in ihrem Inneren etwas zusammenzog. „Aber wisst ihr, in manchen dunklen Welten heißt es, dass man manchmal das große Glück haben kann, eine verwandte Seele zu finden. Und mit dieser verwandten Seele soll man dann besondere Eigenschaften verbinden. Ich hielt so etwas bislang als eine Art Märchen, aber vielleicht ist da mehr dran, als ich es für möglich gehalten habe.“ Tarabas richtete sich wieder richtig auf. „Und ihr meint, wir wären so verwandte Seelen?“, fragte sie ein wenig hoffnungsvoll. Ihre verträumte Ader machte sich grade stark bemerkbar und die Worte hatten ihren Mund verlassen, bevor sie sie zurückhalten konnte. Wofür sie sich hätte ohrfeigen können. „Wer weiß, vielleicht…“, antwortete er nur, dann ging er langsam in Richtung ihrer Zimmertür. „Kommt heute Abend einfach zu Beginn der Dämmerung zu mir. Ihr wisst ja, wo sich meine Gemächer befinden. Ich freue mich schon darauf.“ Dann war er mit einem Mal verschwunden, nur ein kühler Hauch war zu verspüren, als er wieder einmal seine Magie nutzte. Kapitel 5: Einweihung in dunkles Wissen --------------------------------------- Die Sonne berührte grade den Rand des Horizonts und die Schatten wurden länger, als Raven sich noch einmal kurz im Spiegel betrachtete. Für diesen Abend hatte sie sich entschlossen, sich einmal so zu zeigen, wie sie am liebsten herumlief, immerhin hatte Tarabas sie am Mittag bereits in schwarzer Kleidung und vor allem in Hosen gesehen. So hatte sie sich für eine einfache schwarze Leinenhose entschieden, darüber trug sie allerdings eine Bluse, die kunstvoll gebunden wurde. Sofort fühlte sie sich wieder wie sie selbst, denn in den langen Kleidern hatte sie sich nicht wirklich wohl gefühlt, auch wenn sie, wenn sie mal auf Conventions oder Messen war, gerne aufwendige und lange Kleider trug. Aber dann waren auch diese hauptsächlich schwarz, nicht so bunt, wie die Kleider, die sie die letzten Tage getragen hatte. Damit sich niemand erschreckte, wenn sie auf dem Weg zu Tarabas jemandem begegnete – wovon auszugehen war – zog sie einen Mantel über, den man durchaus als Kleid bezeichnen konnte und den eine Freundin mal für sie entworfen und genäht hatte. Er war aus bronzefarbenem Satin gefertigt und bodenlang, abgesetzt mit schwarzen Applikationen und körperbetont geschnitten. Ihre Großmutter würde sich sicherlich aufregen, wenn sie sie so sehen könnte, doch seltsamerweise war sie sich sicher, dass Tarabas sie wegen ihrer Kleiderwahl nicht verurteilen würde. Das einzige Zugeständnis, welches sie zu den Sitten dieser Welt machte, war das dezente Make-up, welches sie aufgelegt hatte, und das aufgesteckte Haar. Sie wandte sich grade vom Spiegel ab, als es mit einem Mal an der Tür klopfte. „Ja bitte?“, bat sie den unbekannten Gast verwundert herein. Die Tür öffnete sich und der junge Mann, den sie am Vortag in Begleitung von Tarabas in den Gängen vor dessen persönlichen Wohnbereich gesehen hatte, trat mit einem leichten Lächeln ein. „Prinzessin, seine Hoheit bat mich, euch zum Abendessen abzuholen.“, meinte er freundlich und betrachtete ihr Erscheinungsbild mit einem anerkennenden Heben der Augenbrauen. Anscheinend war ihre Kleiderwahl zumindest für ihn nicht allzu befremdlich. „Vielen Dank.“, meinte sie ebenso freundlich und schritt auf den jungen Mann zu, ohne dass man ihr ein nennenswertes Humpeln anmerkte. „Seine Hoheit erwähnte, dass ihr euch ein wenig den Fuß verletzt habt, Prinzessin. Wenn ihr meine Hilfe benötigt sagt mir bitte Bescheid.“, bat er. „Das ist sehr nett, aber es geht schon wieder. Aber vielen Dank.“, äußerte sie mit einem Lächeln, woraufhin der junge Mann sogar ein wenig errötete. Er führte sie durch diverse Gänge, die sie so nicht gewählt hätte, um zu den privaten Bereichen des Herrschers zu gelangen. Dass der Weg aber gut gewählt war bemerkte sie daran, dass ihnen außer den Schlossbediensteten niemand entgegen kam. So entging sie den kritischen Blicken der anderen Gäste und insgeheim fragte sie sich, ob Tarabas vorhergesehen hatte, dass sie sich an diesem Abend lieber nicht zeigen wollte. Wie dem auch immer, sie freute sich über diese Zuvorkommenheit. Sie waren einige Zeit unterwegs, doch dann erreichten sie den Gang, in dem Raven Tarabas am Tag zuvor erblickt hatte. Der junge Mann führte sie zu der großen Doppeltür und klopfte leise an. Gleich darauf öffnete sich ein Teil der Tür und der Kammerdiener, den Raven schon am Vortag kennenlernen durfte, öffnete ihnen mit einem leichten Lächeln. „Ich wünsche Euch einen schönen Abend, Prinzessin.“, begrüßte der ältere Mann sie. „Das wünsche ich ihnen auch, Loram.“, begrüßte sie diesen mit einem herzlichen Lächeln und betrat dann nachdem dieser ihr die Tür weiter geöffnet hatte, die Gemächer. Wieder fiel ihr auf, wie riesig diese waren. Zudem waren unzählige Kerzen verteilt, die anscheinend darauf warteten, entzündet zu werden. „Mikosch, würdest du dich bitte um die weiteren Vorbereitungen für das Abendmahl kümmern?“, fragte der Kammerdiener ruhig und freundlich. Der junge Mann, der sie hergeführt hatte, nickte und verschwand dann in einem Nebenraum. Raven indes sah sich noch immer neugierig und ein bisschen staunend in dem riesigen Wohnbereich um – als Zimmer konnte man das bei Weitem nicht mehr bezeichnen. Alles strahlte eine unglaubliche Ruhe aus und sie konnte quasi vor ihrem inneren Auge sehen, wie Tarabas sich hier ausruhte. Ihr Blick schwenkte weiter zu einem der größten offenen Kamine, den sie je gesehen hatte und in dem bereits ein behagliches Feuer entzündet war. Sie schwankte grade noch, ob sie fragen sollte, wo seine Hoheit war, da blieb ihr Blick an der rechten Seite des Kamins hängen. Dort war eigentlich nichts außer einer großen Vase und einigen Schatten, aber dennoch konnte sie ihren Blick nicht von diesem Platz lösen. Genau wie bei ihrer Ankunft verspürte sie von dort mit einem Mal das Gefühl, dass sie jemand beobachtete. „Ich bin wirklich verblüfft, Sahva. Ihr könnt mich wirklich erspüren, obwohl ich mir dieses Mal wirklich Mühe gegeben habe, nicht wahrgenommen zu werden.“, hörte sie mit einem Mal Tarabas‘ Stimme, dann trat er von dem Kamin fort. Er schien die ganze Zeit dort gestanden und sich dort angelehnt zu haben, denn so lässig war seine Körperhaltung. „Ihr könnt euch unsichtbar machen.“, stellte sie trocken und mit einer leicht gehobenen Augenbraue fest. Er nickte leicht und sie meinte zu spüren, dass er ein wenig amüsiert war. „Obwohl es eher ein Verschmelzen mit Schatten ist.“, erklärte Tarabas ihr freundlich. „Was uns allen schon das ein oder andere Mal einen gehörigen Schrecken versetzt hat, als er mit einem Mal mitten im Raum aufgetaucht ist, obwohl dieser zuvor noch leer gewesen war.“, kommentierte der Kammerdiener mit unglaublicher Gelassenheit. „Darf ich euren Mantel haben, Prinzessin?“ „Natürlich.“, meinte Raven freundlich und öffnete besagtes Kleidungsstück, aus welchem ihr der freundliche ältere Mann dann auch heraushalf. „Ungewöhnliche Kleidung tragt ihr, Sahva.“, stellte Tarabas fest, doch es war keinerlei Missbilligung in seiner Stimme zu hören. Eher hatte sie das Gefühl, als würde er es sogar begrüßen, sie in diesen Sachen zu sehen. „Solche Sachen trage ich für gewöhnlich, wenn ich mich in meiner Heimat befinde und nicht arbeiten muss.“, erklärte sie freundlich. Mit einer einfachen, aber höflichen Handbewegung bat Tarabas sie, ihm zu einer Sofalandschaft zu folgen, die recht nahe beim Kamin stand. „Das merkt man. Ihr bewegt euch gleich vollkommen anders als in einem Kleid.“ Sie zuckte nur leicht mit den Schultern. „Kleider sind unpraktisch, vor allem, wenn sie so lang sind, wie es bei den Shino oder auch hier der Fall ist. Das heißt aber nicht, dass ich sie ablehne. Zu besonderen Anlässen trage ich sie sogar sehr gerne.“ Sie setzte sich auf einen der Sessel und Tarabas nahm ihr gegenüber seinen Platz ein. Und kaum das sie saßen war auch schon wieder Mikosch zur Stelle und bot beiden eine Erfrischung an. „Und der Besuch hier in meiner Heimat ist ein solch besonderer Anlass?“, fragte Tarabas weiter, wobei Raven erneut das Gefühl hatte, dass er schmunzeln würde. „Natürlich.“, antwortete sie mit einem Lächeln. „Nun, dann fühle ich mich geschmeichelt.“ Er trank einen Schluck aus seinem Glas, dann sah er sie wieder an. Er wirkte nun lässig und nicht ganz so erhaben wie bei ihren letzten Treffen. Es war mehr als eindeutig, dass dies ein entspanntes, privates Gespräch sein sollte. „Ich muss sagen, es beschäftigt mich noch immer, dass ihr Interesse an den Wesen der Dunklen Welten habt, Sahva, auch wenn es jemanden wie mich wirklich angenehm überrascht, dass ihr diesen Weg eingeschlagen habt.“, begann er schließlich. „Das kann ich mir denken, vor allem wenn man bedenkt, wer meine Mutter ist.“, stimmte sie ihm zu. „Aber über die zentrale Gottheit in allen dunklen Welten wisst ihr nichts, oder?“, fragte er nach, nun wieder etwas ernster und nahm nun ohne Umschweife das Thema auf, welches sie früher am Tage schon einmal angeschnitten hatten. Sie schüttelte leicht den Kopf. „Nein. In den Schriften, die ich mir in den vergangenen Jahren alle angelesen habe, wurden zwar immer wieder Hinweise auf diverse Gottheiten gegeben, aber nur in einer fand ich dann einen Vermerk, dass es genau wie in der Welt des Lichts eine zentrale Gottheit geben soll. Das würde mir definitiv als logisch erscheinen, denn es heißt ja schon allein im Glauben meiner Mutter, dass es zu jedem Pol einen Gegenpol geben muss, um das Gleichgewicht der Kräfte zu gewährleisten.“, fasste sie knapp das zusammen, was sie wusste. Tarabas nickte. „Und mit dieser Ansicht liegt ihr durchaus richtig, Sahva. Es gibt wie in der Form eurer Großmutter eine Gottheit, die das Dunkle komplett umfasst und über jegliche schwarze Magie herrscht. Diese Gottheit ist das genaue Gegenteil zu eurer Großmutter und verkörpert das Lebensende und beschützt die vergangenen Seelen.“ „Eine Todesgottheit also.“, meinte sie interessiert. „Unter anderem.“, stimmte er zu. „Aber das ist nur ein Teil dessen, was in den, nennen wir es, Zuständigkeitsbereich fällt. Er nahm beispielsweise all die Lebewesen unter seine Obhut, die sich von den Gepflogenheiten der Welten des Lichts unterschieden. So kam er unter anderem dazu, dass all jene Wesen, die hier als Dämonen oder ähnliches bezeichnet werden, ihn als obersten Fürsten ansehen.“ //Eine männliche Gottheit also.//, schoss es ihr durch den Kopf, denn diese Information war ihr bislang noch unbekannt gewesen. Und sie vertraute seiner Aussage. „Aber bedeutet es nicht, wenn die Dunklen ihn als Fürsten ansehen, dass er unter ihnen lebt?“, fragte sie sofort interessiert nach. Das wäre dann nämlich eine andere Angewohnheit als die, die ihre Großmutter pflegte. Diese lebte, soweit sie verstanden hatte, allein in einer Art Parallelwelt. „Ich sagte doch, er ist das Gegenteil eurer Großmutter.“, erinnerte er sie freundlich. „Ja, er lebt unter den Dunklen in einem Reich der Finsternis. Man sagt, diese Welt wäre die finsterste, älteste und am weitesten vom Licht entfernt liegende Welt aller Welten der Finsternis. Und dort würde sich neben seinem Schloss auch der direkte Zugang zu den vergangenen Seelen befinden, die sich dort sammeln und dann entscheiden, ob sie ein neues Leben beginnen oder in die Ewigkeit eingehen wollen.“ „Also ist die dunkle Gottheit nicht so isoliert wie meine Großmutter…“, dachte sie laut nach und freute sich sogar darüber. Da es der Göttin des Lichts untersagt war, sich in die Belange der Lebenden einzugreifen, lebte ihre Großmutter leider auch völlig allein. Und anscheinend war sie auch die Einzige, die ihre Großmutter ganz normal als das behandelte, was sie für sie war, nämlich eben ihre Großmutter. Für ihre Mutter und ihre Schwester war die Göttin hauptsächlich die verehrte Göttin, ihr Bruder hielt es wie ihr Vater und hielt sich zurück. So kam es, dass sie selbst diejenige war, die ihre Worte wie selbstverständlich an die Göttin richtete. Und Antwort bekam, und sei das Gespräch auch noch so nichtig. Aber Tarabas schüttelte nur leicht seinen Kopf und seine Miene wurde deutlich sichtbar kummervoll. „Nein. Er ist isoliert, eben weil er so machtvoll ist. Selbst diejenigen unter den Dunklen, die wirklich mächtig sind, meiden ihn. Immerhin hat er die finsteren Welten erschaffen, deswegen nehme ich mal an, dass sie es nicht wagen, ihr Wort an ihn zu richten.“ „Also hat er zumindest in diesem Punkt das gleiche Problem wie meine Großmutter. Beide sind vollkommen auf sich allein gestellt.“, resümierte sie leise. Tarabas schnaubte leise und ein gewisser Sarkasmus war dabei herauszuhören. „Das dürfte aber so ziemlich das Einzige sein, in dem sich die beiden ähnlich sind. Magie und Lebensansichten der beiden dürften so unterschiedlich sein, dass es sicher ungeschickt wäre, wenn sich die beiden an einem Ort aufhalten würden. Zudem gehe ich mal davon aus, dass ein Zusammentreffen alles andere als friedvoll ablaufen würde.“ „Und wieso geht ihr davon aus?“, fragte sie interessiert weiter nach, wollte damit seine Aussage aber mit Nichten in Frage stellen. Dies schien er auch zu spüren, denn sie hatte kurz das Gefühl, er würde wütend wegen ihrer Frage zu werden. Es war nur der Hauch einer Ahnung, der sie überkam, dann war dieses auch schon wieder verschwunden. „Weil laut dem, was man mir sagte, der Hass zwischen Licht und Finsternis seit Anbeginn der Zeiten vorherrscht und von Generation zu Generation der Abkömmlinge weiter getragen wird. Ihr habt ja selbst erwähnt, wie ungehalten dieser Priester reagiert hatte, als ihr sicher gute Argumente gegen seine Sichtweise angebracht habt. Gut, ich sage nicht, dass Abneigung unangebracht ist, sowohl von der einen, wie auch von der anderen Seite, da schon zu viele wirklich schlimme Kämpfe geführt worden sind.“ Aufmerksam sah Sahva ihn an und in ihr formte sich ein Gedanke. „Ihr seid selbst Opfer der Lichtgläubigen geworden.“, stellte sie ein wenig erschüttert fest. Er versteifte sich für einen Moment und sah sie mit einem Blick an, der ihr vorkam, als würden seine Augen kurz aufblitzen. Doch dann nickte er. „Mehrfach.“, gab er dann leise zu. „Das tut mir leid. Ich wusste gar nicht, dass dieser Ort bereits von den Priestern und ihren Anhängern heimgesucht wurde.“ Aber sie musste gestehen, dass sie in diesem Punkt auch keine Nachfragen an ihre Mutter oder Großmutter gestellt hatte. Auf die Idee war sie gar nicht gekommen. Aber sie hatte ja auch nicht erwartet, dass sich an diesem Ort ein Schwarzmagier befand. „Nein, nicht hier.“, meinte er dann und entspannte wieder. „Diese Welt ist frei von Priestern der Göttin. Das bedeutet aber nicht, dass ich es der Bevölkerung dieser Welt untersage, an die Göttin zu glauben. Sie tun es sicherlich, wenn aber dann auf eine andere Art und Weise und ohne die Obrigkeit eines Glaubenszirkels, der sich als Sprachrohr eurer Mutter oder einer anderen Person sieht, die sich als berufen ansehen, im Namen der Göttin des Lichts zu sprechen. Aber ich schweife ab, verzeiht. Ich stamme nicht aus diesem Volk, wie ihr euch sicherlich denken könnt. Diese Welt ist eine Art Exil für mich, wo ich unbehelligt bleiben konnte. Es gab eine schlimme Zeit, in der auf alles Jagd gemacht wurde, was in irgendeiner Weise mit dunkler Magie in Verbindung stand. Und viele sind dieser Zeit der Jagd zum Opfer gefallen.“ Damit hatte sie nun so nicht gerechnet. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass es einmal zu solchen Verfolgungen gekommen ist.“, gestand sie wirklich erschüttert. „Es ist schon lange her und sicherlich ein Kapitel in der Vergangenheit, die nicht unbedingt in die allgemeinen Chroniken der Lichtgläubigen eingegangen sein sollte. Immerhin behaupten die Vertreter der Obrigkeit, dass der Lichtglauben friedliebend ist. Das selbst sie Krieger hatten, die Wesen gejagt haben, dürfte eines der am besten gehütetsten Geheimnisse der Lichtarchivare sein.“, meinte Tarabas leise und sogar ein wenig resigniert, so erschien es ihr auf jeden Fall. „Darf ich wissen, woher ihr stammt?“, fragte sie neugierig. Aber Tarabas schüttelte nur seinen Kopf. „Es ist besser, wenn dies niemand weiß.“ Das Thema griff sie nicht wieder auf, denn obwohl sie wirklich gerne gewusst hätte, woher ein Wesen kam, welches anscheinend nicht sterben konnte oder zumindest eine für ihr Zeitverständnis unglaubliche Lebensspanne hatte, respektierte sie sein Schweigen. Zudem trat genau in diesem Moment Loram an sie heran und verneigte sich leicht. „Hoheit, Prinzessin, das Essen wurde aufgetragen.“ „Wollen wir?“, fragte Tarabas und sie konnte eine gewisse Freundlichkeit in seinen Worten spüren, die aber trotzdem nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass auch für ihn dieses Thema, über welches sie soeben gesprochen hatten, alles andere als leicht wegzustecken war. „Gerne.“, antwortete sie mit einem Lächeln und erhob sich, nachdem er aufgestanden war und ihr seine Hand reichte. Es war schon ein seltsames, aber angenehmes Gefühl, von jemandem mit einer so formvollendeten Etikette und alten Höflichkeit behandelt zu werden. Bei allen anderen die sie kannte würde dies sicherlich aufgesetzt und möglicherweise ein wenig grotesk wirken, zu ihm allerdings passte es. Gemeinsam gingen sie zu einem kleinen privaten Esstisch, der für zwei Personen eingedeckt war und auf dem bereits kleine Kerzen brannten und dem Ganzen einen warmen goldenen Schein verliehen. Tarabas wartete an ihrer Seite, bis sie Platz genommen hatte und ging dann erst zu seinem ihr genau gegenüber. Sie saßen nicht wieß auseinander, was sie sehr begrüßte, denn so blieb das Gespräch vertraulich und angenehm. Auch faszinierte es sie, dass der Tisch vor einer riesigen Fensterfront stand, dessen Vorhänge zurückgezogen waren und ihnen einen schönen Blick hinaus auf einen Innenhof bot. Und sie konnten die Sonne beobachten, die sich soeben hinter den Zinnen des Schlosses anschickte unterzugehen. „Ich bin immer wieder erstaunt, wie wunderschön dieses Gebäude und seine Umgebung ist.“, lobte sie, während sie hinaus sah. „Das freut mich zu hören.“, meinte Tarabas, woraufhin sie sich wieder zu ihm drehte und ihm ihre ganze Aufmerksamkeit schenkte. „Ich komme nicht umhin zu bemerken, dass ihr eine solche Umgebung nicht gewöhnt seid.“, stellte er dann fest. „Ja und nein.“, meinte sie mit einem verlegenen Lächeln. „Meine Großeltern leben ja auch in einer Art Schloss, auch wenn es anders aufgebaut ist als hier. Aber der Ort, an dem ich hauptsächlich lebe, ist vollkommen anders, das ist richtig.“ „In wie fern?“ Nun war es anscheinend an ihm, seiner Neugierde nachzugehen und etwas von ihr zu erfahren. Das war nur gerechtfertigt. „Alpha, der Ort, in dem ich lebe, ist ein künstlicher Planet, eine Raumstation, um genauer zu sein. Die Station ist riesig, deswegen kann sie durchaus wie ein kleiner Planet gezählt werden. Alles an und in ihr ist künstlich, Licht, Luft, Einrichtung, halt einfach alles. Ich bin in dieser Welt aufgewachsen, deswegen liebe ich es wahrscheinlich, wenn ich meine Geburtsheimat oder die Heimat der Shino besuchen kann. Auf Alpha wird zwar alles nahezu perfekt imitiert, aber es ist halt nur eine Imitation.“ Mikosch und Loram traten mit Suppentellern an den Tisch heran und servierten das erste Gericht. Zwar hatte Raven keine Ahnung was genau diese Cremesuppe enthalten könnte, doch es roch einfach nur fantastisch. „Ich habe von solchen künstlichen Welten gehört, auch wenn das schon äußerst lange her ist. Ganz ehrlich, ich könnte mir nicht vorstellen, irgendwo zu leben, wo die Umgebung künstlich ist.“, meinte er, nachdem sie schweigend einige Minuten die wirklich köstliche Suppe gelöffelt hatten. „Ich kenne es nicht anders.“, meinte sie freundlich mit einem kleinen Schulterzucken. „Aber dafür genieße ich es halt sehr, wenn ich auf einem Planeten sein kann. Vor allem wenn dann halt die Umgebung so zauberhaft ist wie hier.“ Er sah sie an und wieder einmal erschien es ihr, als würde er schmunzeln wollen. „Wüsste ich es nicht besser dann würde ich davon ausgehen, dass ihr mir nur schmeicheln wollt. Aber ihr meint es wirklich ernst. Das ist wirklich schön.“ Sie lächelte als Antwort einfach nur. „Sagt mir, Sahva, wenn ich das richtig verstanden habe, dann habt ihr den Weg eines Beschützers eingeschlagen, richtig? Wie kamt ihr dazu?“ Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und man sah ihr an, dass sie kurz nachdachte, was sie antworten sollte. „Das ist irgendwie schwer zu erklären.“, gestand sie schließlich ein. „Wisst ihr, meine Eltern haben mich schon früh in Kampfkunst unterrichtet. Sie begannen damit als sie bemerkten, dass ich sie zu imitieren versuchte, vor allem meinen Vater, der täglich trainierte, um in Form zu bleiben. Die Arbeit eines intergalaktischen Soldaten ist körperlich und geistig anstrengend und nur beinahe tägliches Training hilft dabei, den Ansprüchen, die an unsere Einheiten gestellt werden, gerecht zu werden. Anscheinend stellte ich mich recht geschickt an, denn sie gaben mich schon vor meinem Schulstart in spezielle Kindergruppen für solche sportlichen Aktivitäten. Das gab mir einen guten Start und so prägte es auch meine Schullaufbahn.“ Sie seufzte leise. „Und als ich schließlich für mich selbst bemerkte, dass ich niemals so wie meine Mutter werden würde und dann meine kleinen Geschwister geboren wurden, da hatte ich dann für mich entschieden, dass ich alles dafür tun würde, meine Lieben zu verteidigen. So wurde ich dann schließlich zu einem Bodyguard, so nennt man das bei uns. Ihr nennt es anscheinend Beschützer.“ Er sah sie mit seinen eisblauen Augen eindringlich an, jedes Wort nahm er überdeutlich und ernst auf. Doch sie meinte keinerlei Ablehnung zu spüren. Im Volk der Shino jedenfalls traf sie oft auf Unverständnis. Das waberte ihr auf jeden Fall durch den Kopf. „Ich lehne das auch nicht ab, Sahva.“, informierte er sie auch gleich und zeigte ihr wieder einmal, dass zwischen ihr und ihm eine besondere Verbindung zu sein schien. Oder sie einfach nur stümperhaft war, ihre Gedanken zu verbergen, auch wenn sie sonst eigentlich sehr gut in diesem Bereich war. „In meiner alten Heimat war es üblich, dass auch Frauen lernten sich zu verteidigen. Leider setzte sich mein Vorschlag hier in diesem Punkt nicht durch, was ich immer noch ein wenig bedauere ehrlich gesagt. Aber vielleicht kommt das ja noch, wer weiß…“ Dann sah er sie wieder an. „Seid ihr gut?“, fragte er schließlich wahrhaft interessiert. „Dass ihr eine besondere Form der Auffassungsgabe habt und wirklich geschickt mit dem Schwert umgehen könnt habe ich ja selbst sehen können, aber das ist doch sicher nicht alles, was ihr in eurer Heimat und als Kriegerin gelernt habt.“ Kriegerin genannt zu werden klang etwas ungewöhnlich, aber etwas in ihr fühlte sich bei dieser Bezeichnung geschmeichelt. „Ich denke.“, meinte sie höflich mit einem Lächeln und einer guten Spur Selbstbewusstsein. Sie war Ausbildungsoffizier und leitete eine Spezialeinheit der Luftjäger. Das war auch in ihrer Welt bei jemandem in ihrem Alter alles andere als normal. „Schwertkampf ist eine Art Hobby von mir, meine bevorzugte Waffe ist eine Art Stab, der sich modifizieren lässt und zum Teil ähnlich wie ein Schwert geführt wird. Aber vor allem kämpfe ich mit meinem eigenen Körper.“, erklärte sie und hielt seinem fast schon starren Blick mühelos Stand. Alles um sie herum schien für einige Zeit zu versinken, sie jedenfalls konnte nur ihn wahrnehmen. Aber sie fühlte sich nicht unwohl dabei. Vielmehr schien sich etwas zwischen ihnen abzuspielen, was mehr als nur Verständnis zwischen ihnen aufbaute. Es war angenehm und eine Stimme in ihr, die sie als ihre Intuition kannte, raunte ihr leise zu, dass es genauso sein sollte. Und das sie endlich auf dem richtigen Weg wäre. Dieses Gefühl wurde aber je unterbrochen, als die beiden Bediensteten den nächsten Gang leise auf den Tisch stellten. Sofort war sie wieder zurück im Hier und Jetzt und sie wäre sicher ein wenig peinlich berührt gewesen, wenn sie nicht auch bei Tarabas ein leichtes verwirrtes Blinzeln bemerkt gehabt hätte, als auch er mit einem Mal wie aus einem Tagtraum erwacht schien. So lächelte sie einfach nur leicht und widmete sich wieder dem Abendessen. Dennoch blieb das zufriedene Gefühl in ihr bestehen. Kapitel 6: Die Konferenz ------------------------ Der Tag hatte sich bereits lang hingezogen. Wie Tarabas es angekündigt hatte, hatte direkt am Morgen die Konferenz der Regionen begonnen. Im gesamten Schloss und auf den Wiesen direkt um den sandsteinfarbenden Gebäudekomplex waren Beratungsstellen aufgebaut worden. Hier konnte man Experten in verschiedenen Bereichen befragen und sich Rat einholen. Zahllose Menschen waren extra dafür über Nacht angereist und bevölkerten die nahe Hauptstadt und deren Randgebiete. Sogar Tarabas hatte seinen Part übernommen, es gab fast den ganzen Tag über etwas, was sie an eine Art Generalaudienz erinnerte. Die erste Zeit konnte Raven der Vorgehensweise nicht ganz folgen, doch im Laufe der Zeit, die sie schweigend an einer Seitenwand des großen Saales gelehnt stand, bekam sie heraus, dass jeder mit dem König sprechen konnte, der seine Angelegenheit für wichtig genug ansah. Anscheinend, so hatte sie es zumindest aus den Gesprächen um sich herum und den kleinen Ritualen beim Vortreten an den Tisch des Königs herausgefiltert, war es üblich, dass man im normalen Alltag mit auftretenden Problemen bei einem Regionalvertreter vorsprach, der sich um die Regelungen kümmern sollte. Sollte es mit diesem Probleme geben oder trotz ausgehandelter Alternativen für alle Seiten keine Einsicht geben, dann konnte man sich bei dieser Konferenz im Schloss direkt an den König wenden. Nachdem sie das verstanden hatte befürchtete sie als erstes, dass sich die Sprecher mit einer Unmenge an Kleinigkeiten melden würden, nur weil sie ihr Recht nicht durchgesetzt sahen, doch sie stellte schnell und mit Anerkennung fest, dass die Bewohner dieser Welt anscheinend wirklich sehr diszipliniert waren – oder die Regionalvertreter wirklich fähige Leute, anders als in anderen Regierungen, die sie kannte. Diejenigen, die hier direkt vor den König traten, hatten wirklich gravierende Probleme, die nur mit Hilfe diverser Experten geklärt werden konnten, die in den Regionen nicht ansässig waren. Die Themen waren vielfältig wie die Regionen, aus denen die Vortragenden kamen, doch zu jedem war Tarabas ruhig freundlich und hörte aufmerksam allen Anliegen zu, um diese dann zu notieren und wenn nötig mit anwesenden Experten zu besprechen, die den Vortragenden dann entweder an anwesende Spezialisten im Schloss verwiesen oder sich selbst der Sache annahmen. Sie bewunderte dieses System, welches auch für Tarabas insoweit von Vorteil war, dass er auf dem neuesten Stand war, was in seinem Reich vor sich ging. Schließlich ging ein allgemeines Raunen durch die Menge und die Zuschauer erhoben sich. Sie sah sich etwas verwundert um, denn ihre Gedanken wurden langsam aufgrund der Wärme im Thronsaal – es schien hier Sommer zu sein, soweit sie das verstanden hatte – und dem mangelnden Schlaf in der vorherigen Nacht träge. So hatte sie nicht wirklich mitbekommen, dass die Mittagspause ausgerufen worden war. Sie riss sich etwas zusammen und stieß sich von der Wand ab, um ebenfalls etwas Erfrischung zu suchen, als der junge Kammerdiener leise auf sie zukam. „Prinzessin, seine Hoheit lädt euch ein, eine Stärkung mit ihm einzunehmen.“, richtete der junge Mann ihr aus. „Danke Mikosch.“, meinte sie mit einem freundlichen Lächeln und folgte diesem dann hinter den Bereich, wo Tarabas mit seinen Beratern gesessen hatte. Hier war auch bereits ein kleines Buffet aufgebaut worden, an dem sich neben dem Herrscher auch noch zwei der Berater befanden. Als sie näher kamen sah Tarabas, der sich grade mit seinem der Männer unterhalten hatte, auf und sie an. Und wieder einmal hatte sie das Gefühl, als würde er sie anlächeln. „Sahva. Ihr standet die ganze Zeit so still auf eurem Platz, da werdet ihr sicherlich eine Erfrischung vertragen können.“, meinte er freundlich. Raven knickste leicht, da er Fremde bei sich stehen hatte. „Das kann ich, vielen Dank, Hoheit.“, antwortete sie mit einem Lächeln. Einer der Diener, die sich um das Essen kümmerten, goss sofort ein Glas mit diesem erfrischenden kühlen Tee auf, den sie schon in der Nacht zuvor bei ihrem ausführlichen Gespräch getrunken hatte. „Vielen Dank.“, meinte sie auch zu diesem, der sie daraufhin etwas verwirrt ansah. Doch sie ging nicht weiter darauf ein, da sie mittlerweile festgestellt hatte, dass die Diener es nicht gewohnt waren, von einem Mitglied des Adels Dank zu bekommen. „Ich hoffe, ihr habt euch nicht allzu arg gelangweilt.“, meinte Tarabas, nachdem sie langsam einige Schlucke Tee zu sich genommen hatte. „Überhaupt nicht. Ich brauchte zwar etwas, bis ich mich in das System dieser Audienz eingedacht hatte, doch dann konnte ich alles sehr gut verfolgen. Eure Organisation bezüglich der vorgetragenen Problemsituationen war sehr interessant.“ Sie spürte wie die beiden anderen Männer sie verwirrt und vielleicht auch amüsiert ansahen. Ob sie ihr einen gewissen Intellekt bezüglich politischer Fragen und der Analyse dessen absprachen wollte sie ihnen nicht unterstellen, doch es kam ihr zumindest unterschwellig so vor. Doch sie ließ sich nichts anmerken. „Ihr habt mir ja gestern Abend über die Politik eures Heimatortes berichtet, Prinzessin. Unterscheidet sich die Art, wie wir das Ganze angehen, denn von der eurer Heimat?“, fragte Tarabas weiter. Er schien diese Unterschwelligkeit nicht zu bemerken. „Schon. Bei uns steckt unendlich viel Bürokratie im politischen System. Die Armee hat es diesbezüglich einfacher. Anfragen um Neuerungen und Problemlösungen werden hier schneller und effizienter bearbeitet als in politischen Ebenen.“, erklärte sie freundlich. „Sie kennen sich mit Politik aus, Prinzessin…?“, fragte einer der beiden Berater nach. Sie sah ihn mit einem höflichen Lächeln an. „Politik gehörte zu den Pflichtfächern in meinem Studium.“, erklärte sie. Wieder waren beide Männer überrascht. „Ihr habt studiert?“, wurde dennoch nachgefragt. „Sechs Jahre lang an einer anerkannten und hoch angesehenen Universität.“, bestätigte sie weiterhin lächelnd. „Und darf ich fragen welche Bereiche?“, fragte der zweite Berater, der bislang geschwiegen hatte. „Da die Prinzessin aus einer anderen Kultur kommt werdet ihr mit den Studienbereichen nicht viel anfangen können, Lord Shimon.“, schaltete sich Tarabas ein und seine freundliche Aura erschien etwas düsterer. Der angesprochene bemerkte dieses wohl auch, denn er hob entschuldigend seine Hände. „Verzeiht meine unverschämte Neugierde. Prinzessin, mein König, ich denke, wir ziehen uns die Stunde Pause nun etwas zurück.“ Damit zog der Mann seinen Begleiter mit sich mit. „Ist es hier Frauen nicht erlaubt zu studieren?“, fragte sie bei Tarabas nach. „Wenn es nach mir ginge kann jeder nach seinem Können lernen und studieren, aber ein Großteil der regierenden Regionalvertreter setzen die Eintrittsbedingungen zu den Einrichtungen, die euren Universitäten nahe kommen, so hoch, dass Frauen diese Bedingungen derzeit nur sehr schwer erfüllen können. Was ich sehr bedauere. Aber da ich nicht absolutistisch regieren möchte hoffe ich immer noch, dass das Volk von Laos bald klüger handeln wird und die Wissensstätten wirklich allen ohne Probleme öffnen.“ Sie seufzte leise. „Anscheinend macht jede Kultur diese Entwicklungsphase durch, wie mir scheint. In meiner Geburtsheimat steht es Frauen erst seit wenigen hundert Jahren offen zu studieren und das auch nicht in allen Ländern. In einigen ist es den Frauen bis heute nicht erlaubt, da es unerwünscht ist, dass sie sich um etwas anderes zu kümmern als ihre Familien.“ „Und auf Alpha ist das anders, weil die Föderation ja von technisch entwickelten Völkern gegründet wurde, wenn ich euch heute Nacht richtig verstanden habe.“ „Würde ich einfach mal so behaupten. Soweit ich weiß gehörte eine gute und fundierte Ausbildung für alle immer der Hauptdirektive der Föderation an. Zumindest habe ich es so in Geschichte gelernt.“ „Eure Heimat wird mir immer sympathischer, Sahva. Ich hoffe wirklich, es wird sich eines Tages eine Gelegenheit ergeben, dass ich sie mir mal mit eigenen Augen anschauen kann.“ „Ich würde mich freuen. Auch wenn das sicherlich ein gewaltiger Kulturschock für euch sein wird. Bei uns ist es ziemlich anders als hier.“, meinte sie lächelnd. Er senkte seinen Blick ein wenig und sie hatte das Gefühl als würde er schmunzeln. „Nun ja, nicht überall kann es so rückständig wie hier sein.“, meinte er leise. „Kennt ihr denn andere Kulturarten?“, fragte sie neugierig. Daraufhin sah er sie wieder an, während er einen Schluck Tee trank. „Ja, auch wenn es schon eine ganze Weile her ist, dass ich andere Kulturkreise besucht habe. Meine Aufgabe hier nimmt mich ziemlich in Anspruch, seit ich sie übernommen habe.“ „Das kann ich mir gut vorstellen.“, stimmte sie ihm zu. Sie unterhielten sich die restliche Zeit der Mittagsunterbrechung und nahmen zusammen noch eine kleine Stärkung zu sich. Je länger sie sich unterhielten stellte sich bei Sahva das Gefühl einer beginnenden echten Freundschaft ein, zusätzlich zu der Schwärmerei, die sie von Anfang an für Tarabas empfunden hatte, weil er genau ihrem Schönheitsidel bei einem Mann entsprach. Sie konnte sich unbeschwert mit jemandem unterhalten, der sie zu verstehen schien. Am Vorabend hatte er sich zusätzlich zu ihrem Wissen über dunkle Glaubensrichtungen und Lebensformen auch über ihre Fähigkeiten bezüglich des Kampfes erkundigt. Seine Fragen waren präzise und interessiert gewesen was ihr zeigte, dass auch er Erfahrungen in diesem Bereich hatte. Ob sie ihn fragen sollte, dass sie sich einmal an einander messen könnten? Sie war sich noch nicht sicher, ob sie das wagen konnte, denn das war nun doch etwas gewagt. Dennoch sagte ihr ihr Bauchgefühl, dass die Antwort vielleicht erfreulicher ausfallen könnte als sie sich je vorstellen könnte. Aber zuerst ging es wieder darum, den ersten der zwei Konferenztage zu absolvieren. So verabschiedete sie sich freundlich am Ende der Pause von Tarabas und kehrte an ihren Platz an der Wand zurück, da erneut alle Beobachtersitzplätze belegt waren. Kaum stand sie dort war Mikosch an ihrer Seite und transportierte einen bequemen Stuhl zu ihr. „Bitte, Prinzessin.“, meinte der junge Kammerdiener mit einem kleinen schüchternen Lächeln. „Vielen Dank, Mikosch.“, Sie schenkte dem jungen Mann ein sanftes Lächeln, was diesen leicht erröten ließ. //Upps, das sollte ich vielleicht unterlassen.//, dachte sie bei sich, doch der junge Mann, der keineswegs 18 sein konnte, verdiente es einfach nicht, dass man ihn neutral behandelte. „Wenn ihr etwas benötigt, dann gebt mir bitte Bescheid, Prinzessin. Seine Hoheit möchte, dass ihr dieses Mal besser versorgt seit als heute Vormittag.“ Raven sah auf und bemerkte erst jetzt, dass Tarabas zu ihnen herüber sah. //Danke sehr.//, richtete sie ihre Gedanken direkt an ihn, auch wenn ihr telepathische Verbindungen von sich aus alles andere als leicht fielen. Doch Tarabas schien sie gehört zu haben, denn er neigte ganz leicht seinen Kopf ihr gegenüber als Zeichen, dass er den Dank akzeptierte. Dann widmete er sich wieder kurz seinen Notizen und den Beratern, die sich wieder am Beratungstisch eingefunden hatten. Sie tauschten sich nur kurz aus, anscheinend belangloses, denn Tarabas streute nur hier und dort einige Kommentare in die Unterhaltung ein. Dann öffnete sich erneut die Tür zum großen Besprechungssaal und die Audienz ging weiter. Der Nachmittag war grade dabei vorüber zu gehen, als ein junger Mann gekleidet in einfache, aber ordentliche Stoffkleidung den Saal betrat. Raven betrachtete ihn wie jeden beim Eintreten, doch etwas an der seltsam ernsten sowie besorgten Miene des Ankömmlings ließ sie sofort all ihre Aufmerksamkeit auf diesen richten. Sie wusste nicht wieso, doch sie ahnte immer, wenn Probleme im Anmarsch waren. Und bei ihm schrillte nicht nur eine Alarmglocke. „Mein König, der Abgesandte der Region Zalaros.“, stellte Loram, der Kammerdiener des Königs, den Ankömmling vor. „Meister Miram, willkommen im Schloss.“, begrüßte Tarabas den Mann, der allerhöchstens 30 Jahre alt sein konnte. „Eure königliche Hoheit… Lord Shimon, Lord Alden. Ich komme mit der Hoffnung, Rat bei euch in einer unangenehmen Sache zu finden.“, begann der Abgesandte ernst. „Wer tut das nicht?“, fragte Lord Shimon an Tarabas‘ Linker leise und etwas amüsiert, woraufhin der König dem Adligen einen etwas tadelnden Blick zuwarf, was dieser aber nicht wirklich zu bemerken schien. „Das denke ich mir, immerhin habt ihr einen sehr weiten Weg hierher zum Schloss auf euch genommen, Meister Miram. Zudem entspricht es nicht der Art eurer Dörfer, mit Belanglosem das Schloss zu behelligen.“, meinte Tarabas freundlich zu dem Ankömmling, schaffte es aber gleichzeitig unmissverständlich, den Berater an seiner Linken zurechtzuweisen. Glücklicherweise hatte dieser den Anstand betroffen dreinzuschauen und den Mund zu halten. Der Ankömmling entspannte sich bei diesen Worten ein wenig und sah seinen Herrscher dankbar an. „Mein König, wie ihr euch sicherlich denken könnt haben wir bereits versucht, die Angelegenheit selbst zu lösen, doch…“ „Worum geht es denn, mein Junge?“, fragte Lord Alden freundlich und nahm so noch mehr von der Befangenheit. „Es geht seit einigen Wochen seltsamer Diebstahl bei uns um, mein König. Zuerst nur Kleinigkeiten, doch dann häuften sich die Dinge, die nach der Nacht bei uns fehlten. Nahrungsmittel zuerst, dann einfache Textilien. Zuerst glaubten wir an Streiche oder Reisende, doch niemand ist die Handelsroute zum Meer gekommen in den letzten Wochen, der so etwas nötig gehabt haben könnte. Außerdem ist es bei dem Unwichtigen nicht geblieben. Mit jeder verstrichenen Nacht fehlte mehr, bis schließlich auch Handwerk entwendet wurde, welches eigentlich zum Handel mit der Hauptstadt dienen und uns Proviant für den Winter bringen sollte.“, beschrieb der junge Mann mit sorgenvoller Miene. Tarabas‘ Miene wurde ernster und er beugte sich vor. „Ich gehe davon aus, dass ihr bereits Nachforschungen angestellt habt, richtig?“, fragte er nach. „Ja, mein König. Es gab Spuren, die immer wieder zu einem ganz speziellen Feld außerhalb des Dorfes Rem führen, direkt an den Klippen. Etwas wahrhaft großes muss dort in den Nächten gestanden haben, jedes Mal, wenn wir dort geschaut haben waren die Spuren sehr frisch. Ich kann das schwer beschreiben, verzeiht, aber der Maler Thomasch war so freundlich, eine Skizze anzufertigen.“ Der junge Mann öffnete eine Ledertasche und holte eine kleine Papierrolle hervor, von der er eine Kordel entfernte und vor Tarabas auf dem Tisch ausbreitete. „Wie ihr seht ist der Bereich sehr groß, in dem die Spuren sind. Aber wie diejenigen, die dort gewesen sind, verschwunden sind, ist uns ein gänzliches Rätzel. Wüsste ich es nicht besser würde ich sagen, sie sind geflogen. Aber das geht ja nicht.“ Tarabas, der sich die Skizze mit ernster Miene angeschaut hatte, sah sofort ruckartig auf, als er das hörte. „Mein König…?“, fragte der junge Mann irritiert. Doch Tarabas sah an ihm vorbei und Raven direkt an. Raven hatte sich das, was der junge Mann zu sagen hatte, auch genauestens angehört, obwohl das in dem ständigen Gemurmel im Saal nicht leicht war. Je mehr der Ankömmling beschrieb, desto unbehaglicher wurde ihr und als dieser meinte, dass diejenigen, die wahrscheinlich die Raubzüge begangen hatten, geflogen sein mussten, versteifte auch sie sich ein wenig und alles in ihr wurde von der Prinzessin zur Offizierin der Förderation. Als Tarabas schließlich von dem Pergament in seinen Händen aufsah und ihr direkt einen Blick zuwarf stand sie sofort aus, ohne dass ein Wort gesprochen werden musste. Zielstrebig und ohne auf die Reaktionen der anderen Anwesenden zu achten schritt sie zügig auf den königlichen Beratertisch zu und stellte sich neben den Bittsteller. „Prinzessin, würdet ihr euch dies bitte ansehen? Vielleicht wisst ihr Rat.“, bat Tarabas sie und drehte das Papier so, dass sie es das Gezeichnete in der richtigen Richtung betrachten konnte. Als Skizze konnte man das wahrlich nicht mehr bezeichnen. Der Maler hatte alles mit Tusche in unglaublicher Detailtreue aufgezeichnet, damit nichts auf dem Weg zum Schloss verwischte. Ein Foto konnte kaum aussagekräftiger sein war das erste, was Raven durch den Kopf ging, als sie die Zeichnung betrachtete. Sie sah vor sich eine große Grasfläche, welches an einem plötzlichen Abbruch endete, woraus sie schloss, dass es sich dabei um besagte Klippe handelte. Das Meer war auch angedeutet, ebenso ein klitzekleines Segelboot. Alles machte auf der Zeichnung einen sehr friedlichen Eindruck, wären im Gras nicht seltsame Eindrücke gewesen. Etwas sehr schweres musste dort gestanden haben, sogar mehrfach, wenn sie das der Skizze entnehmen konnte. Ravens Augen huschten über die Zeichnung und ihre Gedanken rasten, während sie spürbar blass wurde. Sie meinte die Art der Abdrücke zu kennen, auch wenn diese sich teilweise überlagerten. Aber in ihren Augen sprach alles dafür, dass dort ein Raumschiff gestanden haben musste. Ein Gleiter, allerhöchstens ein Jäger schloss sie. „Aus eurer Miene schließe ich, dass ihr so etwas schon einmal gesehen habt, Sahva.“, meinte Tarabas leise. „Ich befürchte ja, euer Hoheit, auch wenn ich grade anhand der Zeichnung, so gut sie auch sein mag, nicht ganz genau sagen kann, was für ein Typ das genau war.“ „Etwas aus eurer Welt?“, halte er nach. Raven sah ihm schweigend in die Augen und nickte dann leicht. „Habt ihr eine Ahnung, was das bedeuten könnte?“ „Nichts Gutes, befürchte ich. Wenn ihr erlaubt würde ich gerne kurze Nachforschungen anstellen. Dafür bräuchte ich aber die Zeichnung.“, bat sie ihn unruhig. Tarabas rollte das Papier zusammen und stand dann auf. „Ich begleite euch, Sahva. Meister Miram, bitte genießt während unserer Abwesenheit unsere Gastfreundschaft. Loram, du kümmerst dich bitte persönlich um ihn.“, ordnete Tarabas an. Sein Diener verneigte sich, während nun auch Lord Alden und Lord Shimon aufstehen wollten. „Meine Herren, ihr führt bitte an meiner Stelle die Beratungen weiter, ich werden sobald es möglich ist wieder dazu stoßen. Keine Widerrede.“, meinte Tarabas knapp, als Lord Shimon Einwände äußern wollte. „Kommt, Sahva.“ Sie beide eilten förmlich vom Besprechungssaal fort zu Ravens Gästezimmer im ersten Stock. „Und ihr seid euch wirklich sicher?“, fragte Tarabas noch einmal und seine Miene war nun sehr finster. „So sicher wie man sich anhand einer solchen Zeichnung nur sein kann.“, bestätigte Raven noch einmal, während sie den Rock ihres Kleides weiter gerafft hatte als es für hiesige Verhältnisse sicherlich schicklich war. Doch Tarabas‘ hatte aufgrund seiner Größe von nahezu 2 Metern, wenn Raven richtig schätzte, einfach einen weiteren Schritt als sie. So musste sie beinahe schon leicht laufen, um mithalten zu können. An ihrem Zimmer angekommen stieß Raven die Tür auf, eilte zu ihrem Schrank und holte sofort aus dessen Tiefen die Box hervor, die nur sie und ihre Großmutter öffnen konnte. Wieder aktivierte sie diese in Tarabas‘ Gegenwart, ließ diese vergrößern und stellte sie auf einen bereit stehenden Tisch ab, um kurz darin zu kramen. Schließlich holte sie ihren Tabletcomputer hervor und aktivierte ihn. Die schwarze glänzende Oberfläche, die Tarabas erst einen Tag vorher misstrauisch betrachtet hatte, färbte sich kurz anthrazit, bevor kurz in schneller Abfolge Schriftzeichen aufblinkten und schließlich nach wenigen Sekunden das Wappen von Alpha zu sehen war. „Authentifizierung.“, erklang leise die mechanische Stimme des Gerätes. Raven nahm das Ding in die Hand und hielt es in einem ganz speziellen Winkel vor ihr Gesicht. „Raven Sahva Tettra, erster Commander Jagdstaffel Beta, Sicherheitsstufe Alpha.“, sprach sie. Während sie das tat weitete sich kurz der Schimmer des Gerätes aus, sodass es auch ihr Gesicht erfasste… und Gesichtsform, sowie Iris scannte. „Authentifizierung positiv. Willkommen, Commander.“, erklang die Stimme erneut. „Was sagt das Ding?“, fragte Tarabas ein wenig misstrauisch und erinnerte sie daran, dass sie für die Föderation eine andere Sprache verwendete als hier. „Es forderte mich auf zu beweisen, dass ich ich bin. Ich habe meinen vollen Namen, meinen Rang und meine Sicherheitsstufe auf Alpha genannt und anhand meiner Stimme und dem Licht des Gerätes, welches meine Gesichtszüge und den Aufbau meines Auges abgetastet hat bewiesen, dass ich wirklich die Person bin, die ich behaupte zu sein.“, erklärte sie kurz. „Das klingt sicherlich etwas seltsam, verzeiht.“, meinte sie mit einem verlegenen Lächeln. Tarabas winkte ab. „Ich habe schon seltsameres gehört. Aber was mich wundert ist die hohe Sicherung, die abgelegt werden muss, um das Ding zu aktivieren.“ Sie ließ sich auf dem Bett nieder. „Das liegt daran, dass ich hiermit eine direkte Verbindung zu den Betriebssystemen der Förderation aufbauen kann. Und das sogar in einem Umfang, der nicht allen Personen in die Hände fallen sollte. Meine Sicherheitseinstufung ist sogar recht hoch, da muss man besonders vorsichtig sein.“ Sie dachte kurz nach, wie er ihre Abfrage an das System für ihn verständlich machen konnte, während sie sie tätigte. „Ich bin selbst leider keine gute Telepatin, aber ich bin den Kontakt von Telepaten gewöhnt. Theoretisch müsstet ihr doch meine Gedanken verstehen können, egal in welcher Sprache sie sind, wenn ich euch die Erlaubnis zum Lesen geben würde, richtig?“, fragte sie ihn aufmerksam. Tarabas war kurz sichtlich verwirrt. „Das ist richtig… warum fragt ihr?“ „Nun, ich denke, es ist einfacher und geht schneller, wenn ich euch nicht mündlich übersetzen muss, was ich abfrage, wenn ihr es in meinem Verständnis ersehen könnt. Wir könnten so Zeit sparen.“ Tarabas versteifte sich kurz. „Ähm, Sahva, dieses Angebot ist mehr als großzügig, doch bedenkt, es besteht immer die Gefahr, dass, wenn ihr eine solche Erlaubnis einmal gegeben habt, immer wieder auch ungefragt in euren Gedanken herum geforscht wird. Einem Meister würde es sogar gelingen das ihr es nicht einmal bemerken werdet. Vor allem dann nicht, wenn ihr, wie ihr sagt, keine gute Telepatin seid.“, wandte er ein. Seine Worte leuchteten ihr ein, doch irgendetwas in ihr sagte ihr, dass sie bei ihm keine Sorge diesbezüglich haben müsste. „Ich verstehe.“, meinte sie und machte eine kurze Pause. „Aber es gibt etwas, was manchmal sämtliche Logik ad acta legt.“ „Und das wäre?“, fragte er etwas skeptisch. „Vertrauen, euer Hoheit.“, meinte sie mit einem verschmitzen Grinsen. Eigentlich hätte er sich bei dieser Antwort entspannen sollen, zumindest kannte Raven nur eine solche Reaktion, er hingegen wirkte seltsamerweise ein wenig betroffen. „Ich habe nichts getan, dass ihr mir gegenüber ein solches Vertrauen haben solltet, Sahva.“, meinte er nur leise. „Nun, das sehe ich anders.“, meinte sie nur, dann hob sie wieder das Tablet an. „Erbitte Standortanalyse. In welchem Sektor befinde ich mich?“, fragte sie das System und bemerkte kurz, wie das Gerät nach einer Verbindung suchte. Zuerst auf dem Planten, dann sendete es sein Signal weiter aus. „Das kann ein paar Minuten dauern, bis es die Verbindungen aufgebaut hat.“, meinte sie mit einem kleinen entschuldigenden Lächeln. „Was genau macht ihr jetzt?“, fragte er trotz sichtbarer Sorge interessiert. „Ich möchte einmal die genaue Position von Laos im Orbit erfragen und welche Bereiche in der Nähe liegen. Es ist so, dass es im Weltraum unterschiedliche Bündnisbereiche gibt. Eines davon ist halt die Föderation, aber es gibt durchaus auch Bereiche, in denen Gesetzlosigkeit die Vorhand hat. Gut, die Definition von Gut und Schlecht ist wie immer eine Frage des Standpunktes, aber es gibt Planeten und große Asteroiden, auf denen sich jene zurückziehen, die nur an den eigenen Vorteil denken und keine Rücksicht auf die Bevölkerung eines anderen Planeten nehmen und diese dann ausbeuten wollen. Und ich befürchte, genau das ist hier grade im Gange.“, meinte sie traurig. Tarabas sah sie an und ließ das, was sie ihm gesagt hatte, auf sich wirken. Er glaubte ihr, daran hatte sie keinen Zweifel. Denn seine Miene wurde immer finsterer und das in einer Art und Weise, die ihr sämtliche Härchen auf dem Körper aufstelle. Zudem schien irgendetwas kurz mit seinen Augen zu sein, wenn das Eisblau schien ganz kurz silbrig zu schimmern. Das war schon einmal passiert und so langsam war sie sich sicher, dass sie sich das nicht eingebildet hatte. Ein leises Piepsen ertönte vom Tablet und sie richtete ihren Blick auf die Anzeige. „Ah, er hat Verbindung.“ Sie legte ihre Hand auf seine, die grade eiskalt war. Doch sie wusste, dass Körperkontakt auch helfen konnte eine Art telepathische Verbindung aufzubauen, damit er das folgende verstehen konnte. „Commander, ihre Standortanalyse.“, erklang wieder die technische Stimme und ein Bild erschien auf dem kleinen flachen Bildschirm. Sie kannte diesen Sektor nicht, was sie nicht weiter verwunderte. „Gibt es in der Nähe Bündnisterritorien?“, fragte sie den Computer. „Positiv.“ Der Zoom auf dem Bildschirm ging automatisch zurück bis Laos kaum noch auszumachen war, dann wurden drei verschieden farbige Bereiche angedeutet. Raven kannte alle drei Farben. Die, die Laos am nächsten war, war ein Bündnis, welches sich als Partner der Föderation ansah. Der Planet selber lag außerhalb der drei Bereiche und somit im sogenannten Niemandsland. Was nicht gut war. „Das hier ist der äußerste Ausläufer der Föderation.“ Sie deutete auf die Markierung, die am weitesten von Laos entfernt lag. „Und das hier gehört zu einer Art Bündnispartner. Aber beides sind die Außengrenzen…“ „Was bedeutet, dass sich hier gerne die Personen aufhalten die die Art Ärger machen, die niemand haben will.“, führte Tarabas mit noch dunklerer Stimme als sonst ihren Satz fort. „Richtig. Zwar werden die Außengrenzen überwacht, doch die Patrouillen haben ihre Intervalle und so kann es gut passieren, dass gewisse Gruppierungen unentdeckt hier leben und auf Raubzug in angrenzenden Sektoren fliegen können, ohne dass sie sich verantworten müssen.“ „Und ich nehme an, dass die Entfernungen zwischen den Bündnissektoren und unserer Heimat nicht wirklich groß sind.“, schloss Tarabas weiter. „Ich denke, bei großer Fluggeschwindigkeit wird es aus dem Bereich der Föderation zwei Tage dauern, bis sie hier sind, aus dem anderen weniger. Es kommt halt ganz auf die Art der Schiffe an, die benutzt werden.“, bestätigte sie ihm. „Könnt ihr herausfinden was für Fluggeräte genutzt wurden?“ „Deswegen brauchte ich die Zeichnung. Versprechen kann ich es nicht wirklich, auch wenn ich einen groben Verdacht habe.“ Sie ließ ihn kurz los und entrollte die Zeichnung, dann nahm sie das Tablet, drehte es um, damit das Display zur Zeichnung zeigte, und hielt es über das Papier. „Scannen.“, befahl sie dem Tablet, woraufhin das selbe leichte Licht das Bild einhüllte, was auch ihr Gesicht kurz zuvor abgetastet hatte. „Analyse der Zeichnung. Perspektivische Landschaftszeichnung mit Landemarken. Medium Pergament und Tusche, handgezeichnet auf klassische Art. Welche Art Fluggerät kann in den Landemarken ausgemacht werden?“, erfragte sie mit ruhiger, aber befehlsgewohnter Art und Weise. Sie drehte das Tablet wieder um und zeigte Tarabas, dass das Bild vom Bett nun auf dem Display angezeigt wurde. Und das darüber viele kleine Punkte huschten. „Das Tablet hat Verbindung zu den Zentralrechnern der Föderation aufgenommen. Ich versuche nun analysieren zu lassen, welcher Art der Flieger ist, der hier gewesen ist.“, erklärte sie ihm. „Medium ungenau. Vier Gleiterklassen kommen in Frage.“, kam gleich darauf die Einschätzung. Es wurde Text angezeigt, den Raven überflog. „Befindet sich Fluggerät im Orbit rund um diesen Planeten?“, fragte sie weiter. „Negativ. Aber Antriebspartikel in unterschiedlicher Abbrennfrische können partiell nachgewiesen werden.“ „Wirklich etwas bringen tut das nicht. Die Klassen sind zu unterschiedlich.“, dachte sie dann laut nach, bevor sie Tarabas ansah. „Die gute Nachricht ist, dass derzeit niemand hier ist, der akut die Sicherheit des Planeten bedroht. Aber ich gehe fest davon aus, dass das nicht so bleiben wird.“, analysierte sie. Für so etwas war sie ausgebildet worden, damit sie Gefahrensituationen einschätzen und Lösungen einleiten konnte. „Aber ich gehe stark davon aus, dass das nicht so bleiben wird. Diese Welt ist ursprünglich und kaum ausgebeutet. Es könnte also jemand auf die Idee gekommen sein und die Welten im neutralen Raum, in dem sich Laos befindet, zum Zweck der Expansion zu erkunden und diese Information an den Meistbietenden zu verkaufen.“, erklärte sie schonungslos. „Also besteht die Gefahr einer Invasion von Laos.“, schloss Tarabas finster. „Nicht akut, aber sicherlich in absehbarer Zukunft, richtig. Zumindest ist das meine Meinung.“, stimmte Raven ihm zu. Tarabas stand auf und schritt durch den Raum, die Hände im Rücken verschränkt und mit einer finsteren Aura um sich herum, die Raven wirklich alles andere als geheuer war. „Es gibt Schutzmaßnahmen, die ich durchaus einleiten könnte, doch muss ich meinen Vorgesetzten ein bisschen mehr Material bieten als die Zeichnung des betroffenen Landebereiches. Wenn ich das habe kann Schutz in maximal drei Tagen nach der Alarmierung hier sein, gerechnet vom Tag der Dringlichkeitsanfrage. Da ihr Verbündete der Shino seid und ich persönlich vor Ort bin um eine entsprechende Analyse durchzuführen sollte dieser Zeitraum ausreichen. Nur müsste ich dann schnellstmöglich zum betroffenen Gebiet reisen.“, erklärte sie ihm. Tarabas war stehen geblieben und hatte ihr seinen Rücken zugedreht, während er ihre Worte aufnahm. „Wir haben leider nichts Schnelleres als Pferde, die euch zur östlichen Küste bringen könnten. Magie möchte ich euch nicht zumuten…“, meinte er leise. Dennoch konnte die eine gewisse Kälte in seiner Stimme nicht überhören. „Ich bin eine gute Reiterin, auch über Stunden hinweg. Wie lange wäre ich unterwegs?“ Sofort drehte er sich zu ihr um. „Ihr seid Gast in meinem Hause, Sahva, da kann ich nicht verlangen, dass ihr euch um Dinge kümmert, die eigentlich meine Aufgabe sind.“, meinte er ungewohnt energisch. Raven atmete kurz durch. „Hoheit…“ Sie sah ihn ruhig an und erlebte ihn das erste Mal mit buchstäblich gewitterumwölkter Miene. „Tarabas… so etwas ist meine Aufgabe. Hierfür bin ich ausgebildet worden. Ich helfe jenen sich zu beschützen, die es mit ihren eigenen Mitteln derzeit nicht können. Ich habe einen Schwur geleistet dort zu helfen, wo meine Hilfe gebraucht wird. Sei es beratend, sei es aktiv beschützend, ganz gleich. Ich möchte euch helfen. Dieser Planet ist so schön, er soll so bleiben wie er ist und sich im eigenen Tempo entwickeln. Und ganz sicher soll er nicht von jemandem von außen aufgezwungen bekommen, das Weltbild zu verändern.“ Tarabas‘ Miene war finster, doch er wog sichtlich ihre Worte gegen seine Gedanken ab. „Ihr braucht zwei Tage, selbst wenn ihr eines der schnellsten Pferde im Stall nehmt. Das wären also fünf Tage, in denen die derzeit nicht anwesenden Raumgleiter sowohl zurückkehren, als auch wieder abreisen könnten, ohne dass wir irgendeine Handhabe gegen sie hätten. Richtig?“, fragte er dennoch nach. „Das ist korrekt.“ Er ballte seine rechte Hand kurz zusammen, entspannte sie aber gleich darauf wieder. Dennoch hatte Raven das Gefühl, als wollte er liebend gerne auf etwas einschlagen. Es gab also zwei Seiten an ihm. Einmal die ruhige und dann die, die sie schon ein paar Mal kurz gespürt hatte, wenn er anscheinend verärgert war. Dann spürte sie nicht mehr diese alles entspannende Ruhe, sondern Gefahr und tiefe Dunkelheit. Schnell suchte sie nach einer weiteren Lösung. „Ich werde die bislang vorliegenden Informationen direkt nach Alpha senden und ihnen zu meinen Einschätzung eine Bitte um Dringlichkeitsprüfung anfügen. Es kann sein, dass dann bereits Hilfe geschickt wird bevor ich mir ein persönliches Bild vor Ort gemacht habe. Aber das kann ich nicht hundertprozentig garantieren.“ „Dann macht das bitte.“, meinte Tarabas mit sehr ernster Miene. Sie neigte zustimmend den Kopf und begann dann schnell die Informationen zusammenzustellen, eine Einschätzung der Situation anhand der derzeit vorliegenden Daten zu verfassen und auch eine Bitte um schnellstmögliche Hilfe zum Schutze Laos‘ anzufügen, die auch vom König dieser Welt unterstützt wurde. Als sie damit fertig war waren fast 20 Minuten vergangen. Zur Sicherheit verschlüsselte sie ihre Nachricht in doppelter Weise, die so nur ihre engsten Kollegen und natürlich auch ihre Eltern decodieren konnten. Dann schickte sie diese ab. „So, der erste Schritt ist getan. Dennoch werde ich mit dem Gesandten zu der Klippe mit den Landemarken reisen müssen, um weitere Untersuchungen durchzuführen.“, erklärte sie dann. „Ich begleite euch.“, meinte Tarabas entschlossen. Doch Raven schüttelte nur ihren Kopf. „Das halte ich für keine gute Idee. Nicht das ich euch für unfähig halte, euch in möglicherweise aufkommenden Krisensituationen zu behaupten. Etwas in mir sagt, dass ihr das sehr gut könnt. Nein, ich meine aus dem ganz praktischen Grund, weil ihr die Konferenz fortführen müsst. Wenn ihr die Konferenz jetzt verlasst wird es zu Unruhe und vielleicht auch zu Panik kommen, denn mit Sicherheit hat schon längst die Runde gemacht, dass euch eine Bitte angetragen worden ist, die euch sichtlich beunruhigt hat. Ich kenne euer Volk leider nicht gut und kann nicht einschätzen, wie es reagieren wird, aber das sind Erfahrungswerte, die ich bislang sammeln durfte.“ Schweigend sah Tarabas sie lange und wahrlich finster an und rang sichtlich mit sich. Schließlich nickte er knapp. „Hat euch schon einmal jemand gesagt, dass ihr eine beängstigend nachvollziehbare Logik habt, Sahva?“ Sie konnte nicht anders als etwas zu schmunzeln. „Leider nein. Bitte wiederholt das eines Tages einmal vor meinen Vorgesetzten. Die finden nämlich, dass ich vielen Dingen zu impulsiv bin.“ Kapitel 7: Laos' Schutzwächter ------------------------------ Nach ihrem Gespräch mit Tarabas schaffte sie es ziemlich zeitnah ihn davon zu überzeugen, wieder an der Konferenz teilzunehmen, auch wenn es dem König sichtlich missfiel, nicht selbst aufzubrechen und möglicherweise die Eindringlinge zur Rechenschaft zu ziehen. Sie bewunderte Männer und Frauen der Tat, doch in diesem Fall war es wirklich besser wenn er hier blieb. Schon allein deswegen weil ihr Vater ihr die Haut gerben würde, sollte Tarabas bei ihr sein und ihm etwas zustoßen. So nett Marc auch war, darin war er absolut kompromisslos. So packte sie systematisch all das zusammen, was sie für die Reise zu dem Invasionsgebiet benötigte. Glücklicherweise war es nicht wirklich viel, doch es nahm etwas Zeit in Anspruch, die Dinge, die sie für die Analyse und deren Übermittlung brauchte, sicher einzuwickeln. Sie war beinahe fertig als es an ihrer Zimmertür klopfte und der junge Diener Mikosch ihr mit einem kleinen Lächeln wortlos Satteltaschen brachte. „Seine Hoheit meinte, dass ihr dies brauchen könntet, Prinzessin. Sagt mir bitte, was ihr noch brauchen könnt.“, meinte der junge Mann freundlich. Wieder einmal war sie über Tarabas‘ Zuvorkommenheit überrascht. Er war zwar gegen ihre Reise allein mit dem Boten, doch er stellte ihr wieder einmal alle Möglichkeiten offen, die sie in der aktuellen Situation brauchte. Auch wenn dies sicher weitaus mehr war als ein Spaziergang in der nahen Hauptstadt in angenehmer Begleitung, nur weil ihr langweilig war. „Es gibt in der Tat etwas, womit ihr mir einen großen Gefallen erweisen würdet, Mikosch. Wenn ich reise möchte ich nicht auffallen, was mir als Frau sicherlich schwerfallen wird, oder?“, fragte sie. Der junge Diener runzelte kurz seine Stirn, nickte dann aber. „Gibt es etwas, womit ich mich als junger Reisender verkleiden könnte? Hosen und entsprechendes Schuhwerk habe ich dabei, aber bei allem anderen werde ich auf jeden Fall auffallen.“ Verblüfft sah Mikosch sie an und es verstrichen einige Sekunden, dann musterte er ihre Erscheinung genauestens, bevor er nickte. „Ich denke, ich habe da eine Idee. Ich bin bald zurück, Prinzessin.“ Damit war der junge Mann auch schon wieder verschwunden. So packte Raven die zuvor in Stoff verborgenen hier unbekannten Gerätschaften in die robusten Satteltaschen und sicherte sie so gut es ging, dann holte sie eine schwarze Wildlederhose, ein Shirt und ihre Schnürstiefel aus den Tiefen des Schrankes hervor und kleidete sich an. Sie ging sogar so weit, dass sie ihre Brüste etwas zurückband. Diesen Trick hatte sie schon einige Male verwenden müssen, wenn sie bei einer Mission inkognito unterwegs sein musste und ihr ihr Geschlecht im Weg war. Dann öffnete sie ihr aufgestecktes Haar und schüttelte es, um es schließlich so lange auszukämmen, bis ihr Haar nicht mehr allzu wellig erschien. Zudem entfernte sie sämtliche Kosmetik aus ihrem Gesicht und wusch sich grade, als es wieder an der Tür klopfte und Mikosch mit einigen Kleidungsstücken im Arm herein kam. „Ihr seht auch so gut aus, wenn ihr mir diese Bemerkung nachsehen würdet, Prinzessin.“, meinte der junge Mann mit einem scheuen Lächeln. „Danke Mikosch.“, meinte sie mit einem kleinen Schmunzeln, dann trat sie an ihn heran. „Versucht einmal das hier bitte. Das müsste euch eigentlich passen.“, meinte der junge Mann und reichte ihr eine Jacke. Raven betrachtete das Stück, welches stabil, aber dennoch nur aus dünnem rotbraunem Leder gefertigt worden war. Es erinnerte sie entfernt an eine Uniformjacke. Diese Mutmaßung bestätigte sich, als sie die Jacke schließlich trug. Sie saß zwar nicht hundertprozentig perfekt, aber gut genug, um nicht weiter aufzufallen. „Das habe ich von meinem älteren Bruder bekommen. Er gehört hier zur Schlosswache und hatte eine ähnliche Statur wie ihr, als er hier angefangen hatte.“, erklärte Mikosch, während er ihr geschickt und sicher einige Schnallen richtete, damit das Ganze noch besser saß. „So, fertig. Wenn ihr euer Haar jetzt noch im Nacken zusammenfasst müsstet ihr eigentlich problemlos als Bote des Schlosses durchgehen.“ „Danke Mikosch.“, meinte Raven mit einem Lächeln, dann fasste sie auch schon ihr zusammen und nahm dann noch ihre Stecker aus den Ohrlöchern, weil ihr dies grade noch einfiel. Schließlich schulterte sie die gepackten Satteltaschen. „In Ordnung. Von mir aus können wir aufbrechen. Ich hoffe der Bote wird nicht allzu enttäuscht sein, dass ich sofort aufbrechen möchte und er nicht noch etwas bleiben kann.“ Doch Mikosch schüttelte nur leicht seinen Kopf. „Meister Miram wäre eh nicht wesentlich länger geblieben. Er gehört zum Regionalrat und will sicher schnellstens wieder vor Ort sein. Da macht euch bitte keine Gedanken.“ Sie verließen beide das Zimmer und strebten den Gang entlang. Nun fühlte Raven sich wieder richtig wohl, sie konnte weitgreifendere Schritte tun als in den Kleidern und sie trug Schuhe, die nicht nach kürzester Zeit drücken würden, sondern in denen sie Stundenlang würde laufen können. „Wow, wie immer ihr das macht, Prinzessin, so wie ihr euch jetzt bewegt würde euch jeder abkaufen, dass ihr ein junger Soldat seid.“, lobte Mikosch erstaunt, was sie leise kichern ließ.   Auf dem Innenhof wartete der Bote bereits bei zwei Pferden, an denen letzte Hand für eine lange Reise angelegt wurden. Sie waren groß, größer noch als die, die Raven von Terra gewöhnt war. „Wollte die Prinzessin mich nicht begleiten?“, fragte der Bote  Mikosch etwas ungeduldig, als sie beide auf ihn zustrebten. „Ich bin anwesend, Meister Miram.“, wies sie den Boten freundlich auf diese Tatsache hin, welcher sie dann sofort völlig entsetzt anstarrte. „Prinzessin… verzeiht…“ Doch sie wischte seinen Ansatz für eine Entschuldigung mit einem Lächeln und einer einfachen Handbewegung beiseite. „Vergesst das mit der Prinzessin, Meister Miram. Ich bin Soldat, nicht mehr und nicht weniger. Mein Name ist übrigens Raven. Ich würde mich freuen, wenn ihr mich so nennen würdet.“ Der Bote, der noch immer ein wenig bleich um die Nase war, was Raven erneut vor Augen führte, wie streng die Bewohner von Laos anscheinend auf die sozialen Ränge achteten, nickte nur. So reichte sie die Satteltaschen einfach an einen der Stallburschen, der diese sofort auf den Rücken eines schönen braunen Hengstes legte. Neugierig und langsam näherte sie sich dem Tier, welches sie sofort aufmerksam musterte. „Hallo mein Schöner.“, raunte sie dem Tier mit sanfter Stimme zu und hielt ihm ihre Hand hin, damit dieser sich an ihren Geruch gewöhnen konnte. Und wie immer wenn sie es mit Tieren zu tun hatte fasste auch dieser Hengst schnell Vertrauen und schnupperte an ihrer Hand, nur um ihr gleich darauf dagegen zu schnauben. Sie lachte leise und streichelte dem Tier dann sanft über den Hals und sprach leise auf es ein. Sie widmete sich einige Minuten dem Tier, bis sie wieder diese leichte Kühle spürte, die durch ihr Innerstes strich. „Wie mir scheint habe ich ein neues Mitglied in der Schlosswache.“, erklang Tarabas‘ Stimme, noch bevor sie sich umdrehen konnte. Sanft klopfte sie dem Tier den Hals, dann wandte sie sich Tarabas zu. Es hatten ihn einige Männer begleitet, die sie noch nicht kannte, so legte sie ihre rechte Hand auf ihr Herz und neigte ihren Kopf vor ihm, während Miram sich verbeugte. „Mein König.“, begrüßten sie ihn beide beinahe unisono, was sicherlich etwas seltsam erschien. Als Raven dann aufsah meinte sie dann auch ein amüsiertes Funkeln in Tarabas‘ Augen zu sehen. „Und ihr meint wirklich dass es notwendig ist, jemanden zu schicken, der diese Vorgänge überprüft, mein König? Das waren meiner Meinung nach doch nur Streiche von Bauern…“, wandte einer der Männer ein, die Raven noch nicht gesehen hatte. Sie konnte sich nicht helfen, ihr war dieser Mann irgendwie gleich unsympathisch. Und anscheinend nicht nur ihr, denn Meister Miram versteifte sich auch gleich ein wenig, auch wenn er sich redlich bemühte, sich nichts anmerken zu lassen. „Lord Xerem, es reicht!“, wies Tarabas den Mann laut und mit einer strengen, ja fast kalten Stimme zurecht, die beinahe jegliches Geräusch in der Umgebung verstummen ließ. Nicht nur Raven zuckte dabei leicht zusammen, auch ihr zukünftiger Begleiter tat dies. „Wir haben dies bereits besprochen und ich habe in diesem Punkt eine Entscheidung gefällt. Ob ihr sie für notwendig erachtet oder nicht ist mir grade gelinde gesagt vollkommen gleich. Oder wäre es euch lieber das ein Ereignis eintritt, was unseren Wächter hervorruft?“ Raven hatte absolut keine Ahnung wovon Tarabas grade sprach, doch alle Anwesenden holten kurz zischend Luft. „Nein, natürlich nicht, mein König.“ Verwundert sah Raven die Männer an, doch da diese grade allesamt etwas blass um die Nase erschienen würde sie an dieser Stelle nicht nachfragen, was es mit diesem Wächter auf sich hatte, dass selbst dieser großmäulig erscheinende Mann sofort seinen Mund hielt.   Tarabas hingegen schnaubte leise und schloss kurz seine Augen, um seine gefährlich gereizten Nerven ein wenig zu beruhigen. Der Mann, der soeben die fleißig und hart arbeitenden Menschen der Küste so abfällig betitelt hatte, ging ihm jedes Mal, wenn er ihn sah, mehr auf die Nerven, weshalb er immer ungeduldiger diesem gegenüber wurde. Als er seine Augen wieder öffnete blickte er direkt in die bernsteinfarbenen Augen der jungen Prinzessin. Hier musste er sich wieder einmal ihr gegenüber korrigieren. Sie war jetzt Kriegerin. Sie wirkte nun vollkommen natürlich, jegliche strenge Zurückhaltung, die ihre Rolle als Prinzessin erforderte, ruhten. Sie erwiderte seinen Blick vollkommen ruhig und diese Ruhe ging irgendwie sofort auf ihn über, obwohl er ahnte, dass sie Fragen über Fragen haben musste.  Für einen kurzen Moment blendete sich sämtliche Umgebung aus seiner Wahrnehmung aus. Er wollte sie augenblicklich spielerisch prüfen, sie herausfordern, ihr Können erfahren. Sie sein Wissen lehren… Das brachte ihn ins Hier und Jetzt zurück. //Bitte nicht, tu ihr das nicht an.//, rief er sich selbst zurecht, doch das Interesse des Teils in sich, den er schon so lange mit Macht zu unterdrücken suchte, war geweckt und wuchs von Tag zu Tag, bis es nun ein fast unerträgliches Maß angenommen hatte. Er musste sich dringend etwas einfallen lassen, sonst würde sich das Leben seines jungen Gastes, so wie sie es bislang geführt hatte, unwiderruflich verändern und das in seinen Augen alles andere als zum besseren.   Raven beobachtete Tarabas genauestens, denn seine Gereiztheit hatte ein neues Level angenommen wie es ihr erschien. Nun war ihre Mutmaßung, dass in ihm so etwas wie zwei Seiten existierten, bestätigt. Und als er ihr in die Augen sah meinte sie eine Wildheit zu spüren, die sie nie für möglich gehalten hatte. Und noch mehr, doch sie konnte nicht benennen, was dieses mehr war, denn so etwas hatte sie noch nie gespürt. Aber sie konnte sofort sagen, dass sie keinerlei Angst davor hatte. Dann räusperte sich Tarabas und dieses Gefühl, als wollte dieses etwas in ihm ihr seine Hand entgegen strecken, verschwand. „Meister Miram, ihr macht euch mit Raven bitte umgehend auf den Weg. Die Untersuchung, von der wir gesprochen haben, müssen schnellstmöglich durchgeführt werden. Ich zähle auch euch. Und auf euch auch, Raven.“ Verblüfft registrierte Raven, dass Tarabas sie tatsächlich mit ihrem ersten Vornamen angesprochen hatte und das sogar zweimal. Sie neigte mit ihrem Begleiter in Einverständnis den Kopf. Als sie wieder aufsah stand Tarabas fast direkt vor ihr, was sie irgendwo etwas erschreckte, denn sie hatte ihn überhaupt nicht gehört. „Bitte verzeiht, dass ich euch jetzt einfach als einen meiner Soldaten hinstelle, Sahva, aber die Herren, die mich unbedingt begleiten wollten, würden es nicht akzeptieren, wenn sie wüssten, dass eine Frau eine solche Aufgabe übernimmt.“, sprach er sie sehr leise an. Da er sie aufgrund seiner Körpergröße mehr oder weniger dem Blick seiner Begleiter entzog wagte sie es wieder sanft zu lächeln. „Es ist in Ordnung, euer Hoheit. Ich bin so etwas gewöhnt. Das hier ist nicht die erste Welt, die es nicht gewöhnt ist, dass Frauen Berufe wie den meinen wählen. Und es wird sicherlich auch nicht die letzte Welt sein.“, beruhigte sie ihn ebenso leise. „Dass ich euren zweiten Vornamen für diese Rolle benutze stört euch hoffentlich nicht.“ Er war etwas unsicher und verlegen stellte Ravens romantischer Kern fest, was sie niedlich fand. „Überhaupt nicht. Da mich alle so nennen kann es sogar sein, dass ich auf diesen Namen eher reagiere als auf den anderen.“, gestand sie mit einem Schmunzeln. Er schwieg wieder und betrachtete sie, schien zu überlegen, was er sagen wollte. „Ich passe auf mich auch, versprochen.“, meinte sie noch einmal leise, denn das schien eine logische Aussage zu sein. Er entspannte sich etwas und wieder einmal spürte sie dieses leichte Gefühl eines Schmunzelns bei ihm. „Dieses beinahe unheimliche Verständnis für mich muss bei euch in der Familie liegen, Sahva. Eure Großmutter hatte damals auch ein Talent dafür.“ Sie konnte nicht anders und kicherte leise, dann nickte sie ihm zu und ging dann zu dem mittlerweile fertig gesattelten und ausgerüsteten Pferd zu, um sich dann schwungvoll hochzuziehen, wie sie es schon seit Jahren tat. Meister Miram schien auf dieses Zeichen gewartet zu haben, denn auch er schwang sich gleich in den Sattel seines Pferdes. „Mein König.“, verabschiedete dieser sich von Tarabas und auch Raven verabschiedete sich, wenn auch nur mit einem Senken ihres Kopfes. Dann drückte sie ihren Hengst sanft mit den Schenkeln und dieser setzte sich sofort in Bewegung, um mit ihrem Begleiter aus dem Innenhof zu reiten.   Es war schon spät am Tag als sie die Hauptstadt verließen und eine Straße zügig entlang ritten. Dies taten sie lange Zeit schweigend, jeder von ihnen hing erst einmal seinen eigenen Gedanken nach. Bis Meister Miram schließlich das Tempo etwas zurücknahm und dann neben ihr ritt. „Es macht euch wirklich nichts aus, dass wir noch heute Abend aufgebrochen sind, Prinzessin?“, fragte der blondhaarige Mann. Erst jetzt nahm Raven sich die Zeit, diesen genauer anzusehen. Wenn er alt war, dann war er so alt wie ihr Onkel, der jüngste Bruder ihres Vaters. Aber er lebte sichtbar ein Leben im Freien mit ehrlicher, durchaus harter Arbeit. Seine Haut war gebräunter als es das Licht im Schloss erst vermuten ließ und sie konnte Schwielen an seinen Händen sehen. „Überhaupt nichts, Meister Miram. Ich bin sogar richtig dankbar dafür, dass wir gleich aufbrechen konnten. Nicht nur weil es die Situation erfordert, sondern weil mir, aber bitte verratet das nicht weiter, schlicht und ergreifend fürchterlich langweilig war.“ Anscheinend sprach sie mit großer Glaubwürdigkeit, denn der Mann begann zu schmunzeln. „Seltsam. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass das Leben der Adeligen mit all seinem Müßiggang so erstrebenswert ist.“ „Ist es nicht, glaubt mir. Außerdem lebe ich kein Leben als Adelige. Dort wo ich herkomme bin ich keine Adelige, sondern einfach nur Raven.“ „Raven ist euer richtiger Name? Ich hörte, dass seine Hoheit euch während der Konferenz noch anders ansprach.“ Er ließ seine Distanz langsam sinken, was sie erfreute. „Sahva ist auch mein Name. Meine Eltern haben meine Geschwister und mich mit jeweils zwei Vornamen bedacht. Einen aus der Heimat meiner Mutter und einen aus der meines Vaters.“, klärte sie ihn freundlich auf. „Ah, eine kluge Wahl.“, meinte er mit einem freundlichen Nicken. Sie ritten wieder eine Weile schweigend nebeneinander, bevor Raven sich ein Herz fasste und ihren Begleiter nach der Bedeutung von Tarabas‘ Warnung ansprach. „Meister Miram, bitte verzeiht mir meine möglicherweise unverschämte Frage, zumal ich bemerkt hatte, wie ihr und alle anderen Anwesenden auf die Erwähnung reagiert hattet. Aber… was hatte es mit der Erwähnung dieses Wächters auf sich, den seine Hoheit angesprochen hatte. Ich bin ja leider nicht von hier und habe noch nie davon gehört.“ Mirams Gesichtsausdruck wurde ein wenig verschlossen und sie rechnete schon mit einer Zurückweisung. „In unseren Chroniken steht vermerkt, dass unsere Heimat eine Art Schutzgeist hat, der immer dann erscheint, wenn unsere Welt in Gefahr schwebt. Normalerweise sind Geister freundliche und hilfreiche Wesen, die unseren Alltag bereichern und uns beschützen. Dieser Geist allerdings ist anders und uns wurde beigebracht, dass, wenn wir den schwarzen Geisterreiter sehen, wir uns zurückziehen sollen. Sein Los ist es, uns vor Schaden zu bewahren, doch er ist kein freundlicher Geist. Es steht geschrieben, dass Gewalt und Tod in der Luft liegt, wenn er einschreiten muss. Wenn er dies tut ist es festgeschrieben, dass die Bewohner dieser Welt für einige Tage die Häuser nicht verlassen dürfen, bis die Aura der Finsternis vorüber ist.“, erklärte er ernst und anscheinend auch so knapp wie nötig. „Habt ihr diesen Geist schon einmal gesehen oder ist er ein Mythos?“, fragte sie behutsam nach. „Einmal. Als ich ein Knabe war. Im Licht der beinahe untergegangenen Sonne. Und nicht nur ich hatte ihn gesehen, sondern auch noch einige andere aus meiner Familie und meinem Dorf. Das war als Ärger mit einem Nachbardorf drohte. Er schien zu beobachten und verschwand nach kurzer Zeit wieder, doch es war eine unheimliche Begegnung, die ich wahrscheinlich niemals vergessen werde. Zwar glaube ich dass ich keine Gefahr spürte, doch an die Finsternis, die von ihm ausging, kann ich mich noch immer gut erinnern. Mir war eisig kalt bei seiner Betrachtung.“ Ein wenig entgeistert sah Raven den Mann an. Nach dem, was er soeben beschrieben hatte, schloss sie auf einen Dämon. Nicht das sie in dieser Hinsicht irgendwelche persönlichen Erfahrungen hatte, doch sie beschäftigte sich nun schon lange genug mit Themen der dunklen Seite der Magie und der entsprechenden Religionen, dass sie sofort gewisse Parallelen erkannte. Und anhand dessen, was Miram erzählte, war es ein mächtiger Dämon, wenn man seine Kraft und Dunkelheit so deutlich spüren konnte. Aber es verwunderte sie, dass er so selten erschien. „Ich habe euch richtig verstanden, dass er nur erscheint, wenn Gefahr droht, richtig?“, fragte sie noch einmal nach.“ Der Mann nickte. „Nicht bei Kleinigkeiten, aber wenn wirklich Gefahr oder Ärger droht, dann schon. Oft reicht es, dass wenige ihn sehen, dann beruhigt sich alles wieder auf ein erträgliches Maß.“ Es musste ein Dämon sein, sämtliche Sinne in ihr waren auf einmal hellwach und freudig erregt, auch wenn sie davon ausgehen musste, dass dieser Dämon durch einen Vertrag hier festgehalten wurde. Zumindest wenn das zutraf, was gewisse Quellen erzählten, die sie heimlich gesammelt hatte und von denen ihre Mutter und vor allem die Priester nichts wissen durften. Irgendwie hoffte sie das dunkle Wesen einmal mit eigenen Augen sehen zu dürfen, es würde die Erfüllung eines geheimen Herzenswunsches sein.   Sie ritten bis weit nach Mitternacht weiter, bis sie eine kurze Nachtruhe in einem Gasthaus am Wegesrand einlegten. Lange blieben sie dort nicht, sondern brachen kurz nach Tagesanbruch nach einem guten Frühstück wieder auf. Sie kamen sogar sehr gut voran, sodass Raven am Ende des folgenden Tages das Salz des Meeres in der Luft riechen konnte. „Zwei Stunden noch, dann haben wir mein Dorf erreicht.“, meinte Miram, der ihr ein freundlicher Bekannter geworden war, den sie sehr schätzte. Von ihm hatte sie viel über die Arbeit der Küstenbewohner erfahren können und nachdem er begriffen hatte, dass sie sich nicht nur aus Höflichkeit, sondern aus wirklichem Interesse für seinen Landstrich interessierte, hatte er ihnen die Zeit mit vielen Geschichten vertrieben. Auch sie hatte ihm einiges aus ihrem Leben erzählt, was er mit wirklichem Staunen aufgenommen hatte. Aber das war auch nicht weiter verwunderlich gewesen, denn in dieser Welt gab es immerhin keine weiblichen Soldaten. „Ist es von eurem Dorf denn weit bis zu dem Feld mit den seltsamen Marken?“, fragte sie sofort nach. „Eine knappe halbe Stunde in normalem Tempo geritten. Wir kommen automatisch daran vorbei auf dem Weg zum Dorf.“, erklärte er ihr freundlich. Ein wenig erleichtert nahm sie diese Aussage auf. So konnte sie schon an diesem Tag eine erste Analyse starten und an die Föderation schicken. „Ich bin ehrlich gesagt dankbar, dass ihr so eine gute Reiterin seid, Raven. Ihr habt nicht einmal geklagt, dass wir die ganze Zeit im Sattel sitzen.“, meinte Miram. „Auch so sind wir erstaunlich gut durch gekommen. So beständig angenehmes Wetter ohne zu große Hitze hatten wir um diese Jahreszeit schon lange nicht mehr.“ Das Wetter war wirklich unglaublich angenehm gewesen und hatte weder Ross noch Reiter nennenswert beeinträchtigt. Im Gegenteil, sie waren alle die ganze Zeit wie erfrischt gewesen, ganz so, als wären sie grade erst nach einer längeren Pause aufgebrochen. So sah sie nach Mirams Kommentar in die langsam untergehende Sonne und hatte einen Verdacht, wieso es ihnen auf dieser Reise so gut ergangen war. //Danke, Großmutter.//, sandte sie ihre Gedanken in Richtung des Tagesgestirns und spürte auch gleich darauf in ihrem Geist ein sanftes, liebevolles Streicheln, was ihre Mutmaßung bestärkte. Ihnen war in der Tat geholfen worden, in dem Rahmen, wie es der Göttin des Lichts, die sich niemals in die Belange der Lebenden einmischen durfte, möglich war. Aber für angenehme Wetterbedingungen zu sorgen und sie mit Energie zu versorgen, das lag dennoch in den Möglichkeiten ihres engen Handlungsrahmens.   Eine knappe Stunde später erreichten sie ein großes Areal mit Seegras an einer Klippe, die direkt auf das sich bis zum Horizont reichende Meer blicken ließ. Die Sonne berührte bereits den Rand des Horizonts und schickte sich an dahinter zu verschwinden und die Nacht einzuläuten. Rot und Gold tauchte die Landschaft in warmes Licht. Mit einem zufriedenen Lächeln atmete Raven die salzige Luft tief ein. Es gab für sie, die an einem Strand geboren worden war, nichts Schöneres als den Anblick eines Meeres, egal zu welcher Tages- oder Jahreszeit auch immer. Das Wellenrauschen, der sanfte aber beständige Wind und der Geruch von Seewasser und Algen wirkten wie immer beruhigend auf sie, sodass sie alles einige Zeit auf sich wirken ließ. „Ihr stammt von einer Küste, das merke ich euch an. Richtig?“, fragte Miram freundlich. Sie nickte. „Ich bin im Haus meiner Großmutter väterlicherseits geboren. Es befindet sich direkt am Strand eines gewaltigen Meeres. Schwimmen kann ich seit ich Laufen kann und jedes Mal, wenn ich an einer Küste bin fühle ich mich geborgen und zuhause.“, versuchte sie ihm ihre Gefühle zu erklären. Miram nickte. „Ich weiß was ihr meint. Ich könnte nirgendwo anders als hier leben.“ Mit einem kleinen zufriedenen Seufzen atmete Raven noch einmal tief durch, dann sah sie sich um. Sie brauchte ihren Blick nicht weit schweifen zu lassen, da entdeckte sie den Ladebereich auch schon. Nachdenklich ließ sie das Muster auf sich wirken. „Es ist nicht mehr weit bis zu meinem Dorf, Raven. Ihr könnt doch sicher auch etwas Ruhe und gutes Essen vertragen.“ „Das ist wohl wahr.“, meinte sie mit einem bedauernden Lächeln. „Aber ich würde gerne mit der ersten Analyse beginnen. Wenn ich das richtig eingeschätzt habe wird es nicht mehr lange dauern, bis es zu einem erneuten Kontakt kommen wird und dann sollte ich meinen Leuten bereits neue Aussagen gemacht haben.“ Miram betrachtete sie nachdenklich. „Wie lange braucht ihr, dann warte ich auf euch.“ „Das ist nett, aber das kann ich nicht sagen. Kehrt ruhig schon in euer Dorf zurück, ich komme dann nach, wenn ich fertig bin. Das Dorf liegt in diese Richtung, oder?“ Sie deutete in Richtung Osten. „Das ist richtig, aber ich kann euch doch nicht allein hier lassen.“ „Doch, ihr könnt. Keine Sorge. Ich weiß mich sehr gut zu wehren, sollte jemand auf die dumme Idee kommen, mir zu dicht auf die Haut rücken zu wollen.“ Er sah alles andere als überzeugt aus. „Aber...“ „Reitet ruhig zu eurem Dorf, Miram. Eure Familie wartet doch sicherlich auf euch. Ich werde hier auf jeden Fall noch eine Weile brauchen. Und zur Not kann ich hier auch ein Weilchen schlafen. Das Gras sieht bequem aus.“ Er schüttelte den Kopf. „Ihr seid wirklich die ungewöhnlichste Frau, die mir jemals unter die Augen gekommen ist, wisst ihr das?“ Raven lachte leise. „Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Reitet vor, Miram. Ich komme nach, keine Sorge.“ „Nur unter Protest, aber das wird euch sicher nicht beeindrucken, oder?“ Sie schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein. Mir wurde eine Aufgabe anvertraut und ich möchte seine Hoheit nicht enttäuschen.“ Das schien ein besonders gutes Argument zu sein, denn endlich entspannte er sich ein wenig und nickte dann. „Wenn ihr fertig seid reitet die Straße in diese Richtung. Das Dorf liegt eine halbe Stunde von hier entfernt. Jeder im Dorf weiß, wo sich mein Haus befindet. Es wäre mit eine Ehre, euch dort begrüßen zu dürfen.“ Raven nickte und lächelte dankbar. „Ich werde darauf zurückkommen, versprochen.“, meinte sie, dann wartete sie, bis er sich mit seinem Pferd in Bewegung gesetzt und um die erste leichte Kurve auf dem Weg in Richtung Osten gebogen war. Dann saß auch sie ab und klappte die linke Tasche ihrer Satteltaschen auf. Schnell waren die technischen Dinge aus dem Stoff ausgewickelt und aktiviert. Das Tablet legte sie neben sich ins Gras, während dieses sich initialisierte und Kontakt zur Föderation aufbaute. Dann streichelte sie ihren Hengst, der sie so treu getragen hatte, sanft über Nase und Hals. „Danke, dass du mich so geduldig getragen hast. Ruh dich jetzt ein bisschen aus und nimm etwas vom Gras, ich werde hier ein bisschen Zeit brauchen.“, redete sie leise auf ihn ein, während sie ihn streichelte und kraulte. Als dann ein kleines Piepsen vom Tablet erklang trat sie von dem Tier fort und nahm das Gerät in ihre Hand. Es hatte nicht nur die Verbindung aufgebaut, es zeigte ihr sogar an, dass eine Nachricht mit hoher Priorität für sie hinterlegt worden war. Sie öffnete diese und musste sofort dankbar lächeln. Die Nachricht war von ihrem Vater.   „Einheiten sind unterwegs. Benötige dennoch deine Analyse. Pass auf dich auf.“   „Mache ich, Dad.“, murmelte sie zu sich, dann legte sie das Tablet zurück ins Gras, wo es sanft leuchtete. Das zweite Gerät, welches sie aus der Satteltasche genommen hatte, aktivierte sie ebenfalls und hielt es neben das Tablet, damit die beiden sich automatisch verbinden konnten. „Computer, Analysestatus, Codierung Priorität Eins.“, erklärte sie und nahm dann ein kleines Headset aus ihrer Hosentasche und klemmte es in ihr rechtes Ohr, dann ging sie mit dem zweiten, kastenförmigen Gerät weiter auf die Gradfläche hinaus. Glücklicherweise befand sich fast mittig eine kleine Erhebung, die sie nun als Aussichtspunkt nutzen konnte. Dann hielt sie sich das Gerät an die Augen und blickte hindurch. „Analysiere Landemarken.“, murmelte sie leise und der Computer begann mit seiner Arbeit. Geduldig erfasste sie alle Abdrücke im niedergedrückten Gras und betrachtete immer wieder die Zwischenergebnisse der mit einander verbundenen Computer. Schließlich schritt sie sogar jedes Feld mit Landemarken ab und ließ das Gerät in ihrer Hand dort das Gras und die Luft untersuchen.   Als sie mit allem fertig war, war die Sonne komplett untergegangen und einer der zwei Monde erhellte die Fläche und ließ das Meer im Hintergrund geheimnisvoll glitzern. „Abschließender Bericht der ersten Analyse. Nach dem Muster der Landemarken und der schwachen hinterlassenen Rückstände zu schließen kam es zur Landung ein und desselben Raumschiffes im Abstand von beinahe einem Monat. Ich konnte vier unterschiedliche Landemarken nachweisen, auch wenn der Pilot sich bemüht hat, immer denselben Landebereich zu nutzen, um die Muster zu minimieren. Die Landungen scheinen in einem regelmäßigen Zeitabstand gewesen zu sein, zumindest lassen das die zurückgelassenen Partikel des Antriebs im Boden darauf schließen. Diese Analyse liegt vor.“ Sie sah sich noch einmal um und blickte dabei auf das Meer. „Meine erste Einschätzung bezüglich der Intervalle scheinen sich anhand der vorliegenden Daten zu bestätigen. Wenn die Routine eingehalten wird, wird es zu einer erneuten Landung innerhalb der nächsten Stunden kommen. Commander Tettra erbittet den Status Rot oder Orange für diesen Planeten. Mögliche feindliche Invasion schätze ich ohne maschinelle Analyseunterstützung auf 85% ein.“ Sie seufzte und drehte sich wieder in die Richtung, wo das Tablet im Gras leicht schimmerte. „Computer, zusätzliche doppelte Sicherheitscodierung und sofortiges Absenden an den Zentralcomputer einleiten.“, befahlt sie und nahm das Headset aus ihrem Ohr. In diesem Blick spürte sie einen kühlen Windstoß, der nicht vom Meer hinter ihr kam wie sämtliche andere Luft, sondern direkt von vor ihr. Es war ein Gefühl, wie sie es noch nie in ihrem Leben gespürt hatte, sämtliche Instinkte erwachten und sie sah sofort in die Richtung, aus der der Windstoß gekommen war. Vor ihr erstreckten sich weitere Felder ins Landesinnere hinein und erhoben sich sanft in leichten Hügeln zum Horizont, wo der zweite Mond grade dabei war aufzugehen. Und vor diesem Mond stand mit einem Mal die Silhouette eines Reiters, gehüllt in einen schwarzen, umhangähnlichen Mantel auf einem sehr großen schwarzen Schlachtpferd. Sie hatte die Beschreibung dieses Geisterreiters als ein wenig übertrieben abgetan, doch nun musste sie ihre Meinung revidieren. Dieses Wesen glich in der Tat einem der dunklen Reiter aus ihrem Lieblingsbuch, wie er dort unbewegt stand. Er hatte seinen Blick auf sie gerichtet, das konnte sie deutlich spüren, auch wenn sie sein Gesicht aufgrund der weiten Kapuze und der Entfernung nicht erkennen konnte. Sie straffte ihre Haltung und erwiderte den Blick ohne Furcht, dann konzentrierte sie sich darauf, ihrem Gegenüber nur anhand ihres Auftretens zu signalisieren, dass sie friedfertig war und sich bemühte zu helfen. Schließlich legte sie ihre rechte Hand als Faust an ihr Herz und verneigte sich, nur um danach ihre Hände zu präsentieren. Das Gerät in ihrer linken Hand hielt sie so, dass es deutlich war, dass es sich dabei um keine Waffe handelte. Dann sah sie wieder auf und den Reiter an. Zuerst schien es, als wäre dieser unbeeindruckt und sie fragte sich, ob sie etwas falsch gemacht hatte, denn Dämonen sollten laut ihren Büchern die Absichten eines Gegenübers anhand dessen Auftretens erkennen können. Doch dann neigte auch er leicht seinen Kopf und sie atmete erleichtert auf. Anscheinend war das, was sie an Etikette aus Büchern erfahren hatte, doch nicht so falsch gewesen. Ein plötzlicher Warnton ließ sie unverzüglich ihren Blick auf das Tablet werfen, welches wenige Meter vor ihr im Gras lag. Sie ging die wenigen Schritte dorthin und hob es auf, um festzustellen, dass der Bildschirm rötlich eingefärbt war. „Warnung. Analyseobjekt in Annäherung. Kontakt mit Zielkoordinaten innerhalb der nächsten 30 Minuten.“, warnte das Gerät leise. Sie holte tief Luft und spannte sich etwas an, dann hob sie ihren Kopf und wollte dem Reiter am Horizont erklären was vorgefallen war. Nur war dieser Reiter nicht mehr viele Meter entfernt, sondern stand nun beinahe 5 Meter vor ihr und sah sie und das Tablet in ihrer Hand an. Sie erschrak leicht, denn sie hatte nichts bemerkt, kein einziges Geräusch hatte sie darauf hingewiesen, dass er sich genähert hatte. Sie hatte die ganze Zeit über nur die Kühle gespürt, die er ausstrahlte. Und obwohl er nun so nahe war schien diese sich ebenfalls nicht geändert zu haben. Das einzige, was sie nun wahrnahm war, wie der Wind leise den Stoff des weiten Mantels rascheln ließ. „Verzeiht meine Unaufmerksamkeit.“, begann sie stockend. Stockend aus dem Grund, weil sie mühsam eine Sprache benutzte, die angeblich von allen dunklen Wesen verstanden wurde. Raven konnte diese mittlerweile mühelos lesen, nachdem sie sich alles in Eigenleistung beigebracht hatte. Doch ob sie die Sprache richtig artikulierte, das konnte sie nicht wissen. „Ich bekam grade eine Warnung… die…“ „Ich verstehe eure Heimatsprache sehr gut, junge Kriegerin, auch wenn ich es euch sehr hoch anrechne, dass ihr die meine kennt und sie nutzen wollt.“, erklang eine leise dunkle, fast ein wenig heisere Stimme aus den tiefen Schatten des Mantels. Sie senkte ihren Kopf und ging sogar so weit, dass sie sich kurz auf ein Knie sinken ließ. Es war reiner Instinkt, doch irgendwas sagte ihr, dass sie es mit einem ranghohen Mitglied seiner Art zu tun hatte. „Verzeiht, ich hatte leider keinen Lehrer für eure Sprache.“, meinte sie und stand dann wieder auf, ohne dass er etwas gesagt hatte. Ob dies richtig war wusste sie nicht, aber er schien deswegen nicht verärgert zu sein. „Was sagt das Analysegerät?“, fragte die dunkle Stimme stattdessen. Sie hielt das Tablet hoch, damit der drauf schauen konnte. „Diejenigen, die die Markierungen hier im Gras hinterlassen haben, nähern sich ein weiteres Mal. Der Computer hat sie außerhalb der Atmosphäre entdeckt und schließt auf eine erneute Landung innerhalb der nächsten 30 Minuten.“, erklärte sie dem Reiter. Ein leichtes silbernes Glühen wurde in den Schatten seines verborgenen Gesichts erkennbar, was sie auf seine Augen schließen ließ. Aber sie konnte sein Gesicht trotz dieses Glühens immer noch nicht erahnen. Es war so, als hätte Finsternis Augen. „Bitte lasst mich mit jenen, die ankommen, reden. Ich weiß, dass es eure Aufgabe ist, diesen Planeten zu beschützen, aber dennoch würde ich gerne versuchen, diplomatisch eine Lösung zu erwirken.“, bat sie ihn ruhig. „Ihr glaubt doch selbst nicht daran, dass jene, die Hand an diese Welt legen wollen, auf die Worte einer einzelnen Person hören werden. Vor allem dann nicht, wenn ihr damit möglichen Profit verhagelt.“, wies sie die dunkle Stimme leise und kühl zurecht. Sie ließ ihren Blick auf das silberne Glühen gerichtet. „Ich würde es dennoch gerne versuchen.“ Schweigend wurde sie erneut betrachtet und durch die Monde konnte sie auch an seiner Gestalt etwas mehr erkennen. Seine Hände, die die Zügel dieses komplett Schwarz erscheinenden Pferdes hielten, steckten anscheinend in Handschuhen, doch erschienen sie länger als bei einem menschlichen Wesen. Er war sehr groß, dennoch fühlte sie sich davon nicht bedroht, auch nicht davon, dass er noch immer auf dem Rücken des großen Schlachtrosses saß und auf sie herab sah. „Gut. Ich gewähre euch diesen Versuch. Sollten sie euch aber zu nahe treten werde ich einschreiten, Kriegerin.“, meinte er und seine Stimme, die vorher nur leise und etwas heiser erschienen war, grollte eindeutig gefährlich. Sie neigte ihren Kopf und legte erneut ihre Faust auf ihr Herz, dann trat sie einen Schritt von ihm zurück. Als sie dann wieder aufsah war er verschwunden, dennoch ging sie davon aus, dass er sich nur verborgen hatte und alles genauestens beobachtete. //Mein erster Kontakt mit einem Dämon, wow.//, schoss es ihr durch den Kopf, als sie zu ihrem nun sichtlich nervösen Pferd ging. Es war mehr als ersichtlich, dass das Tier Panik bei dem schwarzen Reiter bekommen hatte. Dennoch war es nicht geflohen, sondern tänzelnd geblieben. „Schon gut, ruhig mein Junge.“, versuchte sie den Hengst zu beruhigen. „Wir brauchen vor ihm derzeit keine Angst zu haben.“ Hoffte sie zumindest. Sanft streichelte sie den Braunen, dann holte sie die restlichen Dinge aus der linken Satteltasche heraus. Es waren ihre Waffen, von denen noch nicht einmal ihre Großmutter ahnte, dass sie diese dabei hatte. Doch sie hatte es sich angewöhnt, immer einen Teil davon bei sich zu haben. So befestigte sie zwei Holster mit Messern an ihren Oberschenkeln, sodass sie diese im Notfall sofort ergreifen konnte. Es folge dann ein metallenes Gebilde, welches sie sich auf dem rechten Handrücken befestigte. Es war eine modifizierte Laserwaffe, die sie sich einmal von einer Menge Erspartem hatte anfertigen lassen. Sie wurde über spezielle Muskel- und Nervenreize gesteuert und war nur auf sie kalibriert. Ganz sicher war es keine Standardwaffe der Föderation, doch sie war geduldet und hatte ihr schon sehr gute Dienste geleistet. Ihre Hauptwaffe jedoch war ihr Laserstab, der deaktiviert als nichts anderes als ein zweieinhalbhändiges Stück Rohr aussah. Dieses behielt sie in ihrer Hand und sah dann zum nächtlichen Himmel. Sie musste nicht lange warten, dann hörte sie ein leises Zischen und Summen und aktivierten Bremsdüsen, die eine Atmosphäre durchdrangen.   Keine zehn Minuten später war das Raumschiff gelandet. Es war nicht übermäßig groß, eher ein Gleiter eines Erkundigungstrupps. Sie kannte diese Art Maschinerie, ihr Kampfgeschwader hatte Flieger dieser Art schon oft genug von einem Ort zum anderen begleitet und sicher abgeliefert. So kannte sie auch die Bauart und somit etliche Schwachstellen des Fliegers. Sollten die Invasoren nicht gravierende Veränderungen vorgenommen haben – und sie die Möglichkeit dazu bekommen – würde sie das Schiff durchaus mit ihren einfachen Waffen zumindest manövrierunfähig machen können. Sie näherte sich dem Gleiter entschlossen und mit äußerst ernster Miene. Dass das Ganze ohne Kampf ausgehen würde, davon ging sie nicht aus. So naiv war sie auch nicht. Zwar hatte sie die Warnung des Wächters nicht vergessen, doch sie hoffte, dass sein Einschreiten nicht notwendig sein würde. Zudem… sie gehörte nicht in seinen Zuständigkeitsbereich, war keines der Lebewesen dieses Planeten und fiel somit nicht in seinen Vertrag. Mit einer bestimmten Bewegung ihrer Finger entsicherte sie daher die Waffe auf ihrer Hand, damit diese einsatzbereit war, wenn sie sie brauchen würde. Schließlich öffnete sich der Zugang zum Innern des Schiffes und gut 5 Männer aus unterschiedlichen Arten strebten ihr entgegen. Dass sie unbemerkt geblieben war, davon war sie genauso wenig von ausgegangen wie von einer möglichen friedlichen Absicht der Mannschaft dieses Schiffes. „Wie es aussieht haben wir heute wirklich ein Empfangskomitee, wenn auch ein erbärmlich kleines.“, höhnte einer der Männer, der grade über eine ausfahrbare Rampe schritt und direkt auf sie zukam. Von Aussehen war er einigermaßen humanoid, womit er wortlos einen Beweis lieferte, dass er zumindest früher einmal in den föderalen Verbund gehört hatte. „Ich bin hier, um euch eine Warnung auszusprechen. Dieser Planet untersteht dem Schutz der Föderation als neutraler Alliierter.“, begann sie die formale Warnung, die, wie sie eh wusste, nichts bringen würde. Diese Männer waren auf Profit und Ärger aus, dass sagte ihr ihr Bauchgefühl. „Märchen kann ich mir selbst erzählen, Süße. Dieser Planet liegt in der neutralen Zone. Ein hübscher Goldklumpen mit Zuckerglasur und Sahnehäubchen, zum einfachen Einsammeln geeignet.“, säuselte der Mann vor ihr. Raven betrachtete ihn mit absolut ausdrucksloser Miene. Seine Haut erschien ihr fast ein wenig ledern, zudem wies sie einen ihr fremden Hautton aus hellem Grau mit einem violetten Unterton auf. Seine Augen waren dunkelgrau wie sprödes Eisen, nur sein strähniges weißes Haar gab irgendeinen freundlicheren Kontrast. Um die Wahrheit ihrer Worte zu unterstreichen hielt sie das Tablet in die Höhe, sodass er die Anzeige lesen konnte, deren Ankunft sie auf dem Weg zu dem Schiff durch ein leichtes Vibrieren gespürt hatte. Wie immer war auf ihren Vater Verlass gewesen. Niemand erarbeitete in Notsituationen so schnell Entscheidungen wie Marc. „Reicht ihnen das?“, fragte sie und zeigte ihnen die Darstellung des föderalen Siegels mit dem Schrieb darunter, dass Laos unter dessen Schutz gestellt wurde. Normalerweise dauerte es Monate, wenn nicht sogar Jahre, bis ein solches Bündnis erstellt wurde und alle wussten das. Aber glücklicherweise befand sich ihre Familie nicht nur auf mütterlicher Seite in einer besonderen politischen Lage. Es hatte etwas für sich, mit dem Leiter der größten und wichtigsten Basis der Föderation verwandt zu sein, der sie ausgebildet und direkt unter seiner Befehlsgewalt hatte. „Ein Punkt für sie, Mädel.“, meinte der Mann, dennoch blieb seine Miene siegessicher, als er sie musterte und schließlich zu einem Urteil kam. Die meisten unterschätzten sie, wenn sie sich das erste Mal sahen. Sie hoffte, dass das auch in diesem Fall zutraf. „Nur zieht das gleich wieder die Tatsache ab, dass wir zu zehnt und sie allein auf weiter Flur sind. Ihre niedlichen Messer auf den Beinen nehme ich grade einmal nicht wirklich wahr, sie verstehen doch.“ Damit hatte sie gerechnet. Ihre Schusswaffe blieb aufgrund ihrer Einzigartigkeit unerkannt, viele hielten sie für den sinnlosen Schmuck einer eitlen Frau. Also würde die die Männer eines Besseren belehren. „Davon bin ich ausgegangen.“, meinte sie und schenkte ihm ein eiskaltes Lächeln, was ihre Gegenüber stutzig werden ließ. Sie strahlte das Wissen über ihre körperlichen Fähigkeiten mit einer geradezu felsenfesten Sicherheit aus, die die Männer irritierte. Dann drückte sie mit einer kaum wahrnehmbaren Handbewegung das rohrförmige Griffstück ihrer Lieblingswaffe. Mit einem aggressiven Zischen und Brummen aktivierte sich der Laserstab, während sie gleichzeitig einen kurzen Befehl murmelte, welcher das Tablet sofort deaktivierte und sicherte. Mit einer raschen Bewegung schleuderte sie es weit von sich in der Hoffnung, dass es durch einen glücklichen Zufall heil bleiben würde. Dass es durch die Luft flog und schließlich im Flug einfach verschwand bemerkte niemand von ihnen. Stattdessen starrten die Männer auf Raven, die mit ihrer Lanze in der linken Hand vor ihnen stand und deutlich sichtbar bereit war, einen Angriff entweder zu starten oder abzuwehren. „Keine Diplomatin.“, hörte Raven die Stimme eines der Männer, der sich im Hintergrund hielt. Ihr kaltes Lächeln vertiefte sich als einzige Antwort darauf. „Nein, eine Diplomatin hat keine solche Nahkampfwaffe.“, stimmte Ravens Gesprächspartner mit nun finsterer Miene zu und er zog seinerseits eine Waffe. Mit einer schnellen Bewegungsfolge wirbelte sie den Stab um sich, schlug damit dem Mann die Waffe aus der Hand und sorgte dafür, dass diese einen Schritt zurück in Richtung Schiff machten. Es war reines Imponiergehabe, was sie abzog und Raven wusste, dass sie eigentlich kaum eine Chance hatte, wenn es zu einem ernstzunehmenden Kampf kommen würde. Doch es war die einzige Möglichkeit zu testen, ob die Männer lediglich Feiglinge waren und einer Konfrontation lieber aus dem Weg gingen, weil dies möglicherweise nicht profitabel genug war oder ob es wirkliche Profis waren, die auch etwas für ihren Job taten. Wenn letzteres der Fall war stand sie ziemlich auf verlorenen Posten. „Ich habe nie behauptet Diplomatin zu sein.“, meinte sie und sah dem Hauptredner fest in die Augen, ohne jedoch nur einen der anderen Männer zu ignorieren. Durch die erweiterte Wahrnehmung, die sie als einziges Erbe von den vielfältigen Fähigkeiten ihrer Mutter bekommen hatte, nahm sie alle Anwesenden wahr, auch die verbliebenen vier Männer im Innern des Gleiters. Und so entging ihr nicht, dass diese noch gesichtslosen Personen dabei waren, sich ausreichend zu bewaffnen. Schnell überschlug sie ihre Möglichkeiten und die Zeit, die seit ihrem ersten Bericht an ihren Vater verstrichen waren. Ihre Leute brauchten selbst wenn sie sich beeilten von der Basis, die der Grenze am nächsten war, drei Tage Flugzeit bis nach Laos. Etwas mehr als zwei Tage waren erst verstrichen. Nach sämtlicher Logik war es also ein vollkommen aussichtsloses Unterfangen, was sie hier grade startete. Aber andererseits war da ihr Stolz. Sie hatte diese Welt zu schätzen gelernt, mochte das, was sie bislang von der Hauptstadt und auf dem Weg hierher gesehen hatte. Diese Welt sollte so bleiben wie sie jetzt war und sich selbst entwickeln. Es war der Geburtsort ihrer Großmutter, die sich sicherlich schier zu Tode grämen würde, wenn Laos von Invasoren unterjocht wurde. Und, so musste sie sich eingestehen, wollte sie den Herrscher dieser Welt nicht als Gefangenen irgendwelcher Großmäuler sehen. Sie wollte beschützen, beschützen um jeden Preis. Und wenn der Preis sie selbst war, sie würde ihn leisten.   Der erste Schuss kam wie aus heiterem Himmel aus der geöffneten Schiffsluke heraus. Glücklicherweise hatte sie mit einer solchen Aktion gerechnet und ihre Wahrnehmung warnte sie früh genug. Blitzschnelle Schläge des Stabes wehrten die Schüsse ab und lenkten sie in die Verkleidung des Gleiters. Das war dann schließlich die Initialzündung, die die anderen Crewmitglieder benötigt hatten, um ihrerseits ihren Angriff zu starten. Raven drehte und schlug mit Kraft, Können und einer gehörigen Portion Wildheit um sich. Durch ihre spezielle Technik, mit der sie den Stab schwang und drehte, fungierte dieser wie ein Rotor und bildete sowohl eine Art Schild gegen die Laserwaffen, die auf sie abgefeuert wurden, wie auch eine Sense, mit der sie immer wieder in Richtung der Invasoren ausschlug. Noch immer war das Überraschungsmoment auf ihrer Seite und die Männer gingen davon aus, dass sie leichtes Spiel haben würden. Nachdem sie allerdings drei der Männer auf ziemlich unschöne Art und Weise von den Beinen geholt hatte wuchs die Entschlossenheit ihrer Gegner noch mehr. Zumindest einer von ihnen würde wohl niemals mehr auf kompletten eigenen Beinen durch das Leben laufen. Ein anderer hatte den Schuss ihrer Handwaffe abbekommen, die sie zwischenzeitlich in einer Bewegung abgefeuert hatte. Ob dieser überhaupt noch einmal aufstehen würde war ebenfalls fraglich. Der Schuss hatte, wenn sie sich in der Hitze des Gefechts nicht allzu arg verschätzt hatte, ziemlich mittig den Rumpf getroffen. Es war aber nicht so, dass sie durch ihre ziemlich einzigartige Technik vollkommen geschützt war. Ihr Arm und auch ihr Gesicht hatten Streifschüsse abbekommen, das hatte sie entfernt gespürt. Bis zu einem bestimmten Punkt konnte sie dies ausblenden, doch je länger dieser ungleiche Kampf dauerte, desto mehr bemerkte sie, wie ihre Kraft, die sie eigentlich immer über lange Zeit nicht im Stich ließ, mit einem Mal rapide abnahm. Ein kurzer Blick an sich herunter erklärte dann auch den Grund dazu. Es waren mehr als nur zwei Streifschüsse, die sie hatte einstecken müssen. Ihre geliehene Jacke sah an mehr als einer Stelle zerfetzt aus und Blut verklebte Gewebe und Leder. Komisch, sie hatte wirklich nichts gespürt und sich nur auf ihre Gegner konzentriert, die sie nun auf vier reduziert hatte. Ein weiterer Schuss traf sie aufgrund ihrer kurzen Unaufmerksamkeit. Diesmal war sie es, die einen Schuss in den Bauch bekommen hatte und diesen Schuss spürte sie, wenn auch mit scheinbar einigen Sekunden Verzögerung, denn als Antwort darauf schaffte sie es noch, eine weitere Salve mit ihrer Waffe abzufeuern. Doch sie war nicht mehr präzise, wenn sie jemanden traf dann nur ohne großen Schaden anzurichten. Der Anführer der Schiffscrew schlug ihr daraufhin ihren Stab aus der Hand, den sie nicht mehr halten konnte, weil ihre Kraft nun in einem unheimlichen Tempo schwand. „Habe ich dich.“, knurrte dieser, der nun ebenfalls sehr mitgenommen, aber auch sehr wütend aussah und ihr mitten ins Gesicht schlug, woraufhin sie sich aufgrund der anderen schweren Verletzungen nicht mehr aufrecht halten konnte. Doch gleich darauf war er über ihr und riss sie wieder in die Höhe. „Sag mir deinen Namen, Schlampe, damit ich deine Überreste an deine Einheit zurückschicken kann. Sechs gute Männer hast du mich gekostet. Weiß deine Familie eigentlich von deinen dämonischen Kräften?“ Raven verstand überhaupt nicht was der Mann von ihr wollte, denn der Schmerz, der nun in voller Macht zuschlug, schaltete beinahe ihre Wahrnehmung aus. Das versuchte sie zu sagen, doch kein Laut verließ ihren Mund, sondern nur ein leises Husten, welches ihr Blut durch die Kehle rinnen ließ. Doch ihr Gegenüber hätte eine Antwort ihrerseits nicht mehr mitbekommen, wäre sie dazu in der Lage gewesen. Ein seltsames Aufkeuchen des Mannes über ihr ließ Raven ihre schwindende Wahrnehmung zusammenreißen. Er stand seltsam gekrümmt da und starrte vollkommen verständnislos auf seine Brust. Aus der eine Hand mit langen schwarzen Nägeln ragte, die sein schlagendes Herz hielt. Dann erst wurde die schwarz gekleidete Gestalt hinter ihm sichtbar, aus deren Kapuze, die das Gesicht in Dunkelheit tauchte, aggressives Silber strahlte. „Der Dämon steht hinter dir.“, knurrte ihm das finstere Wesen ins Ohr, bevor es die Hand zurückriss und mit dieser Bewegung den Körper von Ravens Angreifer in zwei Stücke zerriss. Kapitel 8: Ravens Aufgabe ------------------------- Als Raven zu Boden geschlagen wurde und ihr Blut den Boden seiner Wahlheimat benetzte spürte er dies wie einen brutalen Schlag und sein rationelles Denken ließ ihn im Stich. Er hatte den Kampf verfolgt, sich über ihre Torheit, sich allein gegen die zehn Männer zu stellen sowohl Sorgen gemacht, als auch ihrem Mut großen Respekt gezollt. Sie dann mit dieser seltsam leuchtenden Waffe kämpfen zu sehen war erhebend, ihre Bewegungen waren voller Kraft und Können. Es ging sogar soweit, dass er erregt war nur allein vom Zusehen ihres Kampfes. Sie hatte während des Schlagabtausches immer wieder Berührungen des seltsamen Lichts der Waffen ihrer Gegner abbekommen, jedoch nicht darauf reagiert. So war er davon ausgegangen, dass sie diese Waffen nicht verwundeten. Noch nie hatte er sich derart geirrt. Licht war noch nie in irgendeiner Art gut gewesen und als der Strahl in Ravens Körper drang spürte er das in einer Intensität, als hätte das Licht ihn selbst an genau dieser Stelle getroffen. Im ersten Moment war er benommen und hatte das Gefühl, selbst Blut spucken zu müssen, obwohl so etwas unmöglich war. Keine menschliche Waffe konnte ihm jemals solch gravierende Verletzungen zufügen. Erst der folgende Schlag, den die junge Frau einstecken musste, brachte ihn wieder in die Realität zurück. Und dann spürte er auch schon, wie ihr Blut den Boden benetzte. Rache. Alles was er wollte war Rache, als er gleich darauf hinter dem Angreifer erschien und seine rechte Hand pfeilschnell von hinten in die Brust des Mannes trieb, der es gewagt hatte, einen seiner Schützlinge anzugreifen. Noch wo es sich dabei um so einen besonderen Schützling handelte. Die kleine Kriegerin war zu kostbar, als das sie so verletzt werden durfte. Seine Hände waren nun nicht mehr von den Lederhandschuhen bedeckt, die Schatten, die ihn im Augenblick eines Wimpernschlags von dem Punkt, an dem er zugeschaut hatte, hinter den Rädelsführer gebracht hatten, hatten ihn von diesen befreit. Haut und Knochen waren für ihn kein Hindernis. In dieser Form vermochte nichts das Durchdringen seiner klauenbesetzten Hand zu verhindern. Schon gar nicht der Körper eines Sterblichen. Danach versank seine Wahrnehmung in einen Rausch aus Rot und purem Hass. Raven hatte schon oft Horrorfilme geschaut, auch wenn sie nicht wirklich von sich behaupten konnte, dass sie es mit übermäßiger Begeisterung getan hatte. Ihr jüngerer Bruder war derzeit auf dem Trip, sich besonders für dieses Filmgenre zu interessieren und so hatte sie ihn öfters in ihrer Wohnung die Möglichkeit gegeben, diese Filme zu schauen. Ihre Eltern waren gegen das Schauen solcher Filme, weswegen Sean sich eine alternative Möglichkeit suchen musste, wenn er mal einen solchen Film schauen wollte. Was glücklicherweise nicht allzu oft vorkam. Doch das, was sich nun vor ihren Augen abspielte, stellte alles, was sie in diesen Filmen gesehen hatte, in den Schatten. Noch immer starrte sie völlig verständnislos auf die Überreste ihres Gegners. Das konnte doch nicht dieser Mann sein, der ihr soeben noch diesen Schlag verpasst hatte. Aber aufgrund der betäubenden Schmerzen, die von ihrem Bauch ausgingen, war sie eh nicht sicher, ob das, was sie sah, nicht doch ein schlechter Traum war. Denn wenn das, was sie da sah, Wirklichkeit war, dann müsste sie zumindest erbärmlich frieren. Denn sie sah, dass sich das Äußere des Gleiters mit einer Schicht Eis überzogen hatte. Mit einem Mal glitzerte das Metall im Licht der Außenbeleuchtung des Gleiters. Sie ließ ihren Blick etwas schweifen, so gut wie es zumindest ging, denn irgendetwas war mit ihren Augen. Irgendwie wurde ihre Sicht immer verschwommener. Und als sie ihren Kopf etwas gedreht hatte konnte sie ihn nicht mehr halten und er kippte zur Seite. So konnte sie sehen, dass auch das Gras, auf dem sie lag, dick mit Raureif überzogen war. Aber ihr war immer noch nicht kalt. Sie war nur auf einmal unglaublich müde. Schlafen, ja, schlafen wäre jetzt gut. So schloss sie ihre Augen. Wie im Wahn hatte er die restlichen Angreifer, die von Ravens tapferer Verteidigung noch unverschont geblieben waren, zur Strecke gebracht. Das Ergebnis seiner Tat war ein wahres Blutbad geworden, mit bloßen Händen hatte er die Körper der panisch agierenden Männer in Stücke gerissen, die unsinnigerweise sogar versucht hatten, mit ihren Waffen auf ihn zu schießen. Dummköpfe. Für solches Gesindel brauchte er keinen Funken Magie verschwenden und so stillte er einen Teil seines Rachedurstes mit körperlicher Betätigung. Als sich nichts mehr rührte betrachtete er sein Werk mit seltsamer Teilnahmslosigkeit, betrachtete alle am Boden liegenden Körper. Bis sein Blick auf die am Boden liegende kleine Kriegerin fiel. Ihr Kopf war zur Seite gefallen, die Augen waren geschlossen und er konnte kaum noch Atembewegungen erkennen. „Nein!“ Sofort war er an ihrer Seite und seine Hände, die soeben noch vom Blut der Angreifer besudelt waren, waren so sauber, als wären sie desinfiziert worden. Blut sickerte aus ihrem Mundwinkel und ihre gebräunte Haut war ungesund fahl, obwohl sie grade noch so frisch gewirkt hatte. Dann entdeckte er eine kleine verbrannte Stelle vorne an ihrer geliehenen Jacke. Sie war nicht größer als der Durchmesser der größten Münze, die es hier in dieser Welt gab, doch er roch frisches Blut, welches von diesem Loch ausging. Viel Blut. So nutzte er seine mit langen schwarzen Nägeln versehenen Finger seiner rechten Hand und zerschnitt mit den äußerst scharfen Nägeln vorsichtig die Jacke und klappte die schützende Kleidung auseinander. „Geliebte Finsternis, nein. Bitte nicht.“, murmelte er und tiefer Schmerz war in seiner Stimme hörbar. Das hemdartige Gebilde, was sie unter der Jacke trug, war anscheinend einmal Weiß gewesen, doch das konnte man kaum noch erkennen. Stattdessen war es vollkommen getränkt von hellem Blut. Kein Venöses, sondern arterielles Blut und es quoll immer weiteres davon aus der Bauchwunde, wenn auch nur noch sehr langsam. Schnell zog er seinen Mantel aus, damit er die junge Frau darauf betten und so wenigstens ein bisschen vom Schmutz des Bodens bewahren konnte. Seine Magie ließ sie vorsichtig schweben, während er den langen, weiten Mantel auf dem gefrorenen Boden ausbreitete. Ein kleiner Gedanke von ihm ließ das Eis zurückweichen, damit der Boden weicher war, dann bettete seine Magie den zerbrechlichen Körper zurück auf den Boden, wo er das blutige Textil, welches sie noch trug, verschwinden ließ und schließlich seine Hand auf die Schusswunde legte und seine Augen schloss, während sein langes Haar nach vor rutschte und wie ein schützender Vorhang diente. Er konnte durch seine Magie die Verletzungen in Ravens Körper genauestens erkennen und das was er erkannte ließ ihn leise aufstöhnen. Das Licht dieser unheimlichen Waffe hatte schweren Schaden hinterlassen, die Leber war zerfetzt und auch die Bauchaorta hatte einen feinen Riss abbekommen, aus dem unablässig zur Verletzung der Leber Blut sickerte. Das ihr Herz noch schlug war ein Wunder bei all dem Blut, was allein jetzt gegen seine Hand gedrückt wurde. Was aber am allerschlimmsten für ihn war, war die Tatsache, dass ihre Seele dabei war, sich von ihrem Gefäß zu lösen. „Ich verbiete dir den Eingang in die Welt der vergangenen Seelen. Deine Lebenszeit ist eingefroren, wie sämtliche Funktionen deines Körpers. Ruht still, Körper und Seele. Ich befehle es euch.“, murmelte er mit seiner dunklen, machtvolle Stimme und seine Magie führte seine Befehle aus. Ravens Körper wurde augenblicklich vollkommen still und sämtliche Funktionen kamen zum erliegen, ohne das sie wirklich starb. Dieser Zauber bot einem Heilkundigen Zeit, die schweren Verletzungen, die sie erhalten hatte, zu versorgen. Doch leider gab es in diesem Moment ein gravierendes Problem. Seine Magie, mit der er Dinge geschehen lassen konnte, die außerhalb jeglicher Vorstellungskraft lag, war nicht in der Lage zu heilen. Und für ihre schweren Verletzungen brauchte er einen wirklich guten Heiler, ansonsten wäre sie für den Rest ihres Lebens aufgrund der schweren Leberschäden stark beeinträchtigt. Er senkte seinen Kopf stärker und sein mitternachtsschwarzes Haar bedeckte mehr von ihrem Körper, während seine von ihrem Blut benetzte Hand sich zur Faust ballte und er ein Geräusch von sich gab, dass Wimmern und Knurren zugleich war. Er hatte seine Existenz schon immer verachtet, doch so gehasst wie in diesem Augenblick hatte er sich noch nie. So nutzlos hatte er sich noch nie gefühlt. Eine ganz leichte Wärme tat sich dann plötzlich vor ihm auf, während er so über Ravens Körper zusammengekauert saß, was ihn sofort stocksteif werden ließ. „Tarabas.“, erklang eine leise Frauenstimme, die er seit unendlich langer Zeit nicht mehr vernommen hatte. Sofort riss er seinen Kopf in die Höhe und starrte wild auf die Frau, die in wenigen Metern Entfernung von ihm Gestalt angenommen hatte. Sie war noch immer so schön wie er sie in Erinnerung gehabt hatte, auch wenn er alles daran getan hatte, nicht mehr an sie zu denken. Sie war schlank und wohlgerundet, ihr Körper in ein bodenlanges weißes Seidenkleid mit goldenen Verzierungen gehüllt und ihr weißblondes welliges langes Haar mit goldenen Schnüren zusammengebunden. Sie rang sichtlich mit ihren Händen und goldene Tränen liefen aus ihren goldenen Augen. Sie schimmerte hell wie der Mond, doch nicht mehr hell so wie früher. Anscheinend hatte sie gelernt die Kraft ihrer Erscheinung zu drosseln damit sie ihm nicht wie früher schadete, schoss es ihm durch den Kopf. „Lass mich ihr helfen. Bitte.“, bat sie unter Tränen und er spürte ihre Angst überdeutlich. Zuerst freute er sich über diese Angst, doch dann erkannte er, dass ihre Angst um das Leben der Sterblichen unter seinen Händen noch größer war. Er wollte es ihr verweigern, als Strafe für all das, was ihm und den seinen in ihrem Namen angetan worden war, doch war sie ihm in einem Punkt unwiderruflich im Vorteil. Sie konnte das, was ihm unmöglich war. Nämlich heilen. Und das auf einem Level, an den kein Sterblicher heranreichen würde. So wich er zurück, wenn auch in gebückter Haltung, so, als wolle er sich sofort hoch katapultieren, sollte sie es wagen wollen, Raven von hier fortzubringen. Dass sie dies nicht können würde, dafür sorgte er mit einem Bannfeld um diesen Ort herum, der hoch genug war, dass er ihre Kräfte nicht allzu arg beeinträchtige. Langsam näherte sich die schöne Frau und ließ sich dann neben seinem tapferen Gast ins Gras sinken. Zärtlich streichelte die Göttin ihrer Enkelin über Haar und Wange und sie lächelte sanft, obwohl ihr weiterhin Tränen über die Wangen liefen. „Ich bin sehr stolz auf dich, mein Sonnenschein. Auch wenn du sehr, sehr dumm gehandelt hast.“, hörte er, wie das lichte Wesen der jungen Frau zuraunte. „Wage es nicht, sie so zu beleidigen.“, knurrte er aggressiv und näherte sich vorsichtig wieder, bis er fast auf 2 Metern an sie heran war. „Ich beleidige sie nicht. Sie hat dumm und leichtsinnig gehandelt. Und sie weiß das. Doch sie wollte verhindern, dass der Schutzgeist dieser Welt genötigt werden würde einzuschreiten.“, meinte sie leise, dann legte sie ihre Hand auf Ravens Bauch. Auch sie wimmerte leise als sie die schweren Verletzungen wahrnahm. Doch dann erstrahlte goldenes Licht um ihre untersuchende Hand, als sie ihre lebensspendende Magie nutzte, um den angerichteten Schaden zu heilen. „Kennst du sie so gut? Angeblich sind dir doch alle Lebewesen gleich, Göttin des Lichts.“, schoss er giftig mit Worten auf sie. Ihre freie Hand streichelte sanft durch Ravens Haar und sie betrachtete ihre Enkelin voller Sorge. Ihren Gesprächspartner sah sie nicht an. Sie wusste, dass er ihr das nicht erlauben würde und möglicherweise als Provokation ansehen könnte. „Sie ist meine Enkelin. Die Einzige, die mich als Lebewesen annimmt. Nicht als Göttin des Lebens. Sie ist die Einzige, die mich als Familienmitglied ansieht. Die normal mit mir spricht. Hast du eine Ahnung, was mir das bedeutet?“ Nun sah sie doch zu ihm auf und tiefer Kummer stand in ihren Augen, was ihm unerwartet einen Stich im Herzen verursachte. Oder zumindest an der Stelle, wo bei normalen Wesen das Herz sitzen sollte. Doch er war ja nicht normal. Wie um ihren Schmerz noch zu verstärken wollte er einen ätzenden und kränkenden Kommentar äußern, immerhin war sie doch die große und geliebte Göttin des Lichts und des Lebens, doch dann hörte er leise in seiner Erinnerung Ravens Stimme, wie sie ihm vor vier Nächten erzählte, dass ihre Großmutter isoliert von allem leben musste und sich in nichts einmischen durfte, was die Belange der Lebenden anging. „Verstößt du nicht gegen die Regeln, indem du ihr hilfst?“, fragte er schließlich, doch der Hass in seiner Stimme war verschwunden und nur Dunkelheit geblieben. „Nichts und niemand wird mich davon abhalten können, meine eigenen Kinder zu heilen. Vor allem Raven werde ich immer zur Seite stehen, ganz gleich, was SIE auch immer tun werden.“, sprach sie bitter und bestimmt, dann nahm sie ihre Hand von Ravens Bauch. Nichts war mehr von der schweren Verletzung zu sehen, noch nicht einmal ein Schatten auf der noch immer bleichen Haut. „Sie hat zu viel Blut verloren. Ich kann es zwar neu bilden, doch es wird zu lange dauern. Und dann wird ihre Mutter spüren, dass etwas mit ihrer geliebten Tochter geschehen ist.“, murmelte sie wieder mit Schmerz in der Stimme. So überbrückte er die letzte Distanz zwischen sich und den beiden Frauen und kniete sich der Göttin gegenüber. Dann hob er seine Hand über Ravens Körper und ließ nun seinerseits Magie schweben. Sofort begannen sich Schatten unter dem Mantel, auf dem Raven lag, zu bewegen und zu seiner Hand aufzusteigen. Und die dann das vergossene Blut wirbelte und dadurch gesäubert wurde. „Ich denke, damit solltest du umgehen können, trotz meiner Hilfe.“, brummte er. Seine Aggression war verflogen, nur Misstrauen war geblieben und das auch derzeit nur in geringer Form. Jetzt ging es einzig und allein um das Wohl der kleinen Kriegerin. „Natürlich.“, meinte sie und bat ihn dann mit einer kleinen Handbewegung, die Hand mit dem Blut auf Ravens Körper zu legen. Dies tat er und dieses Mal war er gefasst genug, um Ravens Bauch wirklich zu betrachten, als er seine Hand darauf legte. Die langen Fingernägel, die seine Hände nun zierten, lagen ruhig auf der weichen Haut, die trotz der Blässe, die sie noch hatte, um ein vielfaches lebendiger wirkte als die Haut seiner Hand. Diese war fast weiß und verdeutlichte ihm so auf schmerzhafte Weise, wer er war. Er schluckte bei diesem Anblick schwer und wie immer, wenn er sich seiner Andersartigkeit so deutlich bewusst wurde, wollte er sie verbergen. Doch das konnte er in diesem Fall nicht, denn Artris, die Göttin des Lichts, benötigte seine Hand, um das vergossene Blut dem angestammten Körper zuzuführen. So verhielt er sich ganz still und spürte dadurch, wie sich Ravens Körper langsam erwärmte. Und gegen seinen Willen spürte er große Erleichterung dabei. „Du spürst wer sie ist, nicht wahr?“, hörte er schließlich Artris‘ sanfte, leise Stimme, während sie weiterhin ihre Magie auf den Körper ihrer Enkelin wirkte. Das weckte ihn aus der Betrachtung der bewusstlosen jungen Frau und er sah die schimmernde Göttin schweigend an. Normalerweise hätte er es abgestritten, doch da er Ravens tödliche Verwundung überdeutlich gespürt hatte ergab sich eine solche Erwiderung. „Du klingst so als hättest du es gewusst.“, meinte er kühl. „Das habe ich. Seit ich sie nach ihrer Geburt in den Armen gehalten hatte.“, meinte sie und besaß sogar sie Frechheit leicht zu lächeln. „Du hast es gewusst. Und trotzdem nichts unternommen? Das kannst du jemandem anderen erzählen, aber nicht mir.“, schnappte er wieder etwas aggressiver. „Oh, ich habe durchaus etwas getan. Oder woher glaubst du hat Raven die Quellen, die ihr Wissen um die dunklen Wesen gebildet haben.“, fragte sie freundlich. Der Zauber, den sie wirkte, verebbte und so konnte er es wagen sich wieder zu bewegen. „Du hast WAS?“, fragte er entsetzt, denn sie hatte grade etwas geäußert, was seine Vorstellungskraft sprengte. So stand er auf und entfernte sich einige Schritte von den beiden Frauen, um das Meer zu betrachten. „Raven ist deine Wächterin, Tarabas. Es gibt nichts, was daran etwas ändern wird. So gab es nur die Möglichkeit, dass sie dir unvorbereitet gegenübertritt, wenn ihr euch das erste Mal begegnet, so wie meine Wächterin es tat, oder dass sie eben Wissen um die Dunklen erworben hat. In meinen Augen war die zweite Alternative die einzig richtige. Und es war das Einzige, was ich dir, meinem Bruder, Gutes tun konnte nach all dem, was durch die meinen angerichtet wurde.“, meinte die Göttin und streichelte ihrer Enkelin sanft durch das Haar. Er fuhr sofort wieder zu ihr herum und seine Augen glühten wieder aggressiv silbern, wenn auch dieses Mal nicht aus Hass, sondern aus Empörung. „Alternative? Du solltest ihr wenigstens die Wahl lassen und nicht einfach entscheiden und sie an ein Monster binden. Glaubst du wirklich, dass Sahva so etwas hier…“, er hob seine Hand auf Augenhöhe an, um diese dann schnell nach unten sinken zu lassen, womit er mit dieser Handbewegung sich und seinen Körper meinte, „… akzeptieren kann? Ich weiß wie ich aussehe, Artris, und jemand wie deine Enkelin sollte sich wahrlich an jemand anderes als den Tod binden. Sie hat wahrlich etwas Besseres verdient.“, schrie er die Göttin an. Er wusste wie abstoßend sein Äußeres war. Seine weiße Haut, sein tiefdunkles Haar, die Schatten auf seinem Gesicht und die unheimlich glühenden silbernen Augen. Alles an ihm verströmte die Finsternis in ihm. Und, und das war das schlimmste in seinen Augen, er kannte nur Hass und Zorn, wenn er dann mal Gefühle verspürte. Obwohl… als ihn Ravens Seele berührte, in dem Augenblick, als ihr Körper im Sterben lag bevor er diesen in Stasis versetzt hatte, da hatte er noch so viel mehr gespürt. Die Wärme ihres Selbst, welches ihn eingehüllt hatte wie eine warme Decke, ihr Lachen, ihr Optimismus, ihre Selbstsicherheit. All das hatte dazu geführt, dass er vor allem etwas völlig neues verspürt hatte. Angst. Angst sie zu verlieren, obwohl er die junge Frau erst seit wenigen Tagen kannte. „Hast du nicht eben selbst gesagt, dass sie das selbst entscheiden sollte, Bruder?“, fragte Artris sanft, dann sah sie nach unten. Sein Blick folgte dem ihren… und er erstarrte. Ravens Augen waren offen, sie sah ihn müde an. Die bernsteingoldenen Augen zeigten die Anstrengung, durch die sie soeben gegangen war. Ihr Blick war dennoch wach genug um alles an ihm wahrzunehmen. Sein Mantel verbarg ihn nicht mehr, er war ihrem Blick in seiner wahren Gestalt schutzlos ausgeliefert. So blieb ihm nichts anderes übrig, um auf ihren Entsetzensschrei zu warten, der ihn sicherlich umbringen würde, obwohl er nicht sterben konnte. Doch der Schrei blieb aus. Ravens Bewusstsein war schon recht bald nach dem Übertrag ihres verlorenen Blutes zurückgekehrt. Doch bevor sie ihre Augen öffnen konnte hörte sie die Stimme ihrer Großmutter in ihren Gedanken. //Mein Sonnenschein, tu mir bitte einen Gefallen und öffne deine Augen erst dann, wenn ich dich darum bitte. Und hör jetzt genau zu. Es ist wichtig.// So ließ sie ihre Augen geschlossen und lauschte, auch wenn ihr erst nicht wirklich schlüssig war, worum es ging und wer überhaupt sprach. Doch dann erkannte sie die dunkle, leicht heisere Stimme des Wächters. Und die Stimme ihrer Großmutter klärte sie dann auf, dass es sich dabei um niemanden anderes als den verehrten König dieses Planeten handelte. Wo sie dies begriffen hatte konnte sie ihn tatsächlich anhand der veränderten Stimme erkennen. So stark war der Unterschied nicht, dennoch hatte sie ihn bei ihrem Treffen nicht erkannt. Sie schämte sich ob ihrer Unaufmerksamkeit. Doch was sie dann weiter erfuhr erschütterte sie noch wesentlich mehr. Ihre Großmutter sprach Tarabas mit ‚Bruder‘ an. Sie brauchte einige Augenblicke, dann verstand sie immer mehr. Er strahlte eine unglaubliche Ablehnung aus, auch wenn sie nicht verstand wieso oder was er und ihre Großmutter meinten, als sie sie als Wächterin bezeichneten. Aber sie spürte sofort, dass er sich selbst hasste. Seine angewiderten Worte, mit denen er sich selbst beschrieb, machten das zusätzlich deutlich. Doch seine Worte, sie solle sich an jemand anderen als den Tod binden ließen in ihr eine Freude aufkommen, die alles in den Schatten stellte, was ihr Herz bislang erfreut hatte. Sie war ein Gothic, schon seit vielen Jahren und liebte alles, was mit der Nacht zu tun hatte. Und sie glaubte an die Götter der Nacht, auch wenn das ihrem rationellen und analytischen Auftreten vollkommen zuwider lief. Bei ihnen stand ein Totengott und wenn sie es richtig verstanden hatte sogar der Älteste überhaupt. Ihre Großmutter nannte ihn Bruder und sie wusste, dass diese und ihr Volk die ältesten existierenden Wesen überhaupt waren. Der Drang ihn anzusehen war übermächtig… //Sieh ihn dir an, Liebes, so wie er wirklich ist. So wie ich sein Ansehen seit Beginn der Zeit im Herzen trage. Ist er wirklich so grässlich, wie er glaubt?//, hörte sie ihre Großmutter und nichts konnte sie mehr davon abhalten, ihre Augen zu öffnen. Sie brauchte einige Momente, bis sich ihr Blick vollkommen geklärt hatte, doch dann konnte sie ihn klar erkennen. Es war Tarabas, nichts an seinem wundervollen Aussehen hatte sich nennenswert geändert. Nur seine Augen schimmerten jetzt wie Quecksilber und schienen sogar zu glühen, da er erregt war. Sein schwarzes Haar, welches er im Schloss immer vollkommen glatt und gebändigt offen trug und somit sehr schwer wirkte, war nun wild und gar nicht mehr so schwer. Er trug auch andere Kleidung als im Schloss. Zwar war auch im Schloss immer Schwarz eine Komponente in der Farbwahl seiner Kleider, hier war er komplett in schwarzes Textil gekleidet. Und auch nicht in diesen viktorianisch anmutenden Schnitt, sondern in etwas anderes, was sie nicht zuordnen konnte. Aber das, was sie vor dem noch immer nächtlichen Himmel erkennen konnte, lag unglaublich gut an seinem Körper an und offenbarte mehr als das es verhüllte. Und seine Haut… sie wollte wohlig aufstöhnen. Wie oft hatte sie schon versucht ihrer Haut mit Schminke eine solche Erscheinung abzuringen, wenn sie auf ein Festival ging? Es wirkte immer künstlich, während seine Haut beinahe mondweiß war. Und noch etwas fiel ihr auf. Nämlich seine unglaubliche Ähnlichkeit zu ihrer Großmutter. //Seid ihr…?// //Zwillinge, ja. Tarabas ist mein jüngerer Bruder. Mein dunkles Spiegelbild.//, hörte Raven sie sanfte Stimme ihrer Großmutter in ihren Gedanken und ebenso ihren Stolz. Und sie spürte deren Glück und sah das Schimmern von Tränen in den Augen der Göttin. //Ich habe ihn so lange nur aus größter Ferne sehen können. Er hat mir so sehr gefehlt.//, gestand Artris ihrer Enkelin. //Warum?//, fragte Raven nach, während die Tarabas noch immer schweigend ansah. Dieser schien auf etwas zu warten und war sichtlich verwirrt, dass es nicht kam. //Das erzähle ich dir ein anderes Mal, Liebes. Jetzt sprich bitte mit ihm, oder er ist gleich fort.// Traurig betrachtete Raven Tarabas weiter. „Ich habe euch enttäuscht. Bitte verzeiht.“, sprach sie leise, denn für eine größere Lautstärke fehlte ihr die Kraft. Die Anspannung, die sie die ganze Zeit von ihm ausgehend spürte, war augenblicklich verschwunden und er richtete sich kurz richtig auf, bevor er näher kam. „Wie kommt ihr darauf, dass ihr mich enttäuscht habt, Sahva?“, fragte er verwirrt und ging dann neben ihr in die Knie. „Ich wollte verhindern, dass sich der Wächter von Laos einmischen muss. Die Leute kamen aus meiner Welt. Ihr solltest euch nicht damit befassen müssen. Verzeiht.“, äußerte sie leise und dann tat sie etwas, womit er anscheinend auch nicht rechnete. Sie streckte ihre Hand aus und berührte die seine, so selbstverständlich, wie sie es schon ein paar Mal getan hatte. Für sie hatte sich nichts geändert, eine Berührung war für sie schon immer ein Zeichen von Zuneigung gewesen. Im Schloss hatte er das akzeptiert. Jetzt zuckte er kurz zusammen, so als wäre ihm die Berührung unangenehm. Doch als Raven Tarabas daraufhin ansah erkannte sie, dass es alles andere als das war. Er war unsicher und sie vermeinte sogar so etwas wie Angst zu spüren. Dies war jedoch schnell vorbei, als er den Sinn ihrer Worte verstand. „Sahva! Bei allen gütigen Geistern der Finsternis.“, äußerte er mit völligem Unglauben. „Das waren zehn Personen, die bis an die Zähne bewaffnet waren. Auch wenn ich euren Kampfstil wirklich bewundere und mich frage, wie ihr als – verzeiht mir diesen Ausdruck – einfacher Mensch ein solches Talent und eine solche Kraft haben könnt, ihr ward von Anfang an unterlegen.“ Ihr Blick traf sich erneut und er sah ihr fest in die Augen. Etwas Seltsames geschah, denn sie hatte mit einem Mal das Gefühl, dass er sämtliche Barrieren, die sie in all den Jahren aufgebaut hatte, um ihre Geheimnisse vor den Telepaten in ihrer Familie zu verbergen, durchschauen konnte. „Ihr wusstet, dass ihr unterlegen ward.“, stellte Tarabas gleich darauf leise fest. Sie nickte. „Raven hat eine erweiterte Wahrnehmung, wenn sie sich konzentriert. Sie kann dann Lebewesen erkennen, auch wenn sie etwas weiter entfernt oder verborgen sind.“, erklärte Artris, dann half sie ihrer Enkelin, damit sie sich aufsetzen konnte. „Sie kann Seelen erkennen?“, hakte Tarabas sofort bei seiner Schwester nach. „Ob es Seelen sind kann ich dir nicht sagen, das müsste ein Beherrscher herausfinden, aber sie nimmt auf jeden Fall etwas auf besondere Weise wahr. Und das hat schon vielen Leuten geholfen.“, erklärte die Göttin sanft und stolz, während sie Raven an sich lehnen ließ. „Ich spüre ihre Anwesenheit, wenn ich den Rahmen meiner Wahrnehmung weite. So konnte ich auch das kleine Mädchen spüren, dass in den Waldsee gefallen war.“, beschrieb Raven die Technik, die sie nutzte. Zumindest versuchte sie es damit zu beschreiben. „Das klingt so als erkennt ihr anwesende lebende Seelen mit eurer Aura.“, meinte Tarabas zu ihr, bevor er die Göttin ansah. „So etwas ist unglaublich selten.“ „Ich weiß. Und stell dir vor, meine süße Enkelin hat diese Tatsache jahrelang vor mir verbergen können, obwohl wir uns sehr oft in Gedanken unterhalten. Wenn sie es nicht möchte kann ich ihre Gedanken und Gefühle nicht sehen.“ „Was?“, fragte Tarabas und es schien, als würde er noch ein wenig blasser werden. „Tarabas kann es. Mit Leichtigkeit wie mir schien.“, meinte Raven matt. „Was nicht weiter verwunderlich ist. Du bist seine Wächterin, Liebes. Erinnerst du dich noch an das Schild der Götter, von dem ich dir vor Jahren erzählt habe?“ Raven dachte kurz nach und nickte dann. „Der Wächter ist doch das Verbindungsglied zwischen der Gottheit und den Sterblichen, richtig? Und sie beschützen die Gottheit vor Anderen, wie sie die Anderen vor dem Zorn und der Willkür der Gottheit schützen.“, meinte die junge Frau nachdenklich. Artris nickte. „Außerdem gibt es zwischen einer Gottheit, ganz besonders, wenn es sich hierbei um einen des Alten Volkes handelt, und seinem Wächter keinerlei Geheimnisse. Jeder hat immer Zugriff auf die Gedanken und Gefühle des anderen, jeder versteht den anderen am besten. Sie sind eine Gemeinschaft, vom ersten Blick an, den sie einander in die Augen schauten. Und mit jedem weiteren Blick wird diese Bindung stärker. Und niemand kann das Bedürfnis stoppen sich anzusehen, bis ein gewisses Level erreicht ist.“ Artris kicherte leise, als Tarabas sofort seinen Blick von Raven losriss und ihn auf sich richtete. Sie wusste, er würde das nicht lange halten können. Seine Natur als einer der Alten, den er bislang liebend gerne verdrängt hatte, würde das nicht lange zulassen, nun da er seinen Wächter kannte und ihm so nahe war. „Dann war das kein Fluch, den du mir damals auferlegt hast?“, fragte er und seine Stimme war bei dieser unbestimmten Erinnerung wieder am grollen. „Wenn dann sind wir alle verflucht, Tarabas. Ich habe dich nur vorgewarnt. Und gezwungen, dass du wieder deinen festen Körper annimmst und ihn akzeptierst. Ich hatte zu dem Zeitpunkt bereits meine Wächterin im Seelenpool erkannt und ahnte so, dass auch du einen Wächter haben würdest. Immerhin sind wir gleich.“ „Ich bin dein verfluchtes Gegenteil.“, fauchte er sofort. „Du bist mein dunkler Spiegel, sturer Esel. Ich weiß, die Äußerungen der Anderen haben einen gewaltigen Schaden verursacht, der bis heute fortbesteht. Seit wann lässt du dich von ihnen so beeinflussen?“, meinte die Göttin nun ebenfalls kühl. Raven spürte, dass sie Tarabas absichtlich reizen wollte. Und ihre Rechnung ging auf. Was die beiden mit einander auch erlebt haben mussten, ein gesundes Geschwisterverhältnis hatten sie nicht. „Ich lasse mich ganz sicher nicht von ihnen beeinflussen!“, brauste Tarabas sofort auf und eine unglaubliche Kälte schoss sofort von ihm fort. //Was das Eis am Gleiter und dem Gras erklärt.//, dachte Raven bei sich. „Und warum glaubst du dann, dass du so wie du jetzt bist das größte Scheusal in allen Welten sein sollst? Das ist doch genau das, was SIE von dir behauptet haben.“, konterte Artris mit einer gewissen Sturheit. Die gespielt war, wie es Raven kurz darauf durch den Kopf schoss. Anscheinend wollte sie, dass Tarabas etwas begriff. „Warum glaubt ihr, dass ihr ein Scheusal seid?“, fragte Raven irritiert. Dieser Mann war nicht nur gutaussehend, in ihren Augen war er regelrecht schön. „Ich bin das Ende des Lebens, Sahva. Ich kann sogar den Alten das Leben nehmen. Was anderes als ein Scheusal kann ich also sein? Seht euch doch allein meine Haut an. Sie ist ohne Leben. Ganz anders als eure. Oder die eurer Großmutter.“ Er hielt eine seiner Hände in ihre Richtung und sie konnte nicht anders als sie zu ergreifen. Wieder versteifte er sich und spürte das Entsetzen in ihm. Irgendetwas musste bei ihm und den anderen seiner Art fürchterlich schief gelaufen sein. //Die anderen fürchten ihn. Er allein ist in der Lage, jedem von uns das Leben zu nehmen, noch bevor die Existenz dieses Universums vorüber ist.//, erklärte Artris ganz leise in ihren Gedanken. Sofort festigte sich Ravens Griff um Tarabas‘ Hand und sie sah ihre Großmutter mit funkelnden Augen an. „Ihr habt ihn verstoßen? Weil er dein Gegengewicht ist und ihr das Ende fürchtet?“, herrschte sie ihre Großmutter an. Da sie ihre Großmutter grade anstarrte konnte sie Tarabas‘ Gesichtsausdruck nicht sehen. Nun waren es seine Augen, die kurz feucht wurden, während er die junge Frau entgeistert anstarrte. „Die anderen haben ihn verstoßen. Ich besaß dort nicht die Kraft, ihn in Schutz zu nehmen. Tarabas mag der Jüngste von uns sein aber er war immer der Stärkere von uns beiden. Seine Kraft war von Anfang an da, meine musste sich über lange Zeit entwickeln. Er ist mein Zwillingsbruder, Raven. Glaubst du wirklich, ich würde ihn hassen? Das habe ich nie.“ „Nicht?“, fragte Tarabas sehr leise und nun war es sein Griff, der sich um Ravens Hand verstärkte. „Nicht einen Moment lang. Aber bist ich verstand was sie dir angetan hatten, bis ich wusste, warum ich mich überhaupt so einsam fühlte, da warst du fort und dein Hass war gewaltig. Ich habe alles versucht, um den angerichteten Schaden wieder gut zu machen. Doch dein Hass kühlte erst, nachdem ich dich zwang, wieder deinen festen Körper anzunehmen und so schwer verletzte, dass du hier Zuflucht suchen musstest. Es hat mir damals das Herz zerrissen, dass ich dir das antun musste, doch du warst vollkommen außer Kontrolle.“ „Ihr habt mich damals beinahe zerrissen.“, meinte Tarabas leise und Raven konnte den Schmerz bei dieser Erinnerung in seinen Augen sehen und in seinem Innern spüren. „Ich weiß. Und das habe ich bis zum heutigen Tag mehr als nur bereut.“, meinte Artris traurig. Raven rappelte sich mühsam auf und folgte ihrer Intuition. Es fiel ihr sehr schwer sich zu bewegen, dennoch schaffte sie es dicht an Tarabas heran und legte behutsam ihre Hand an seine ebenfalls eiskalte Wange. Das riss ihn aus der Erinnerung heraus und er sah sie überrascht und verwirrt an, bevor er begriff, wie nahe sie ihm war. Und wie sie das geschafft haben musste. „Ihr wart schwer verletzt, Raven. Ihr solltet noch sparsam mit eurer Kraft umgehen.“, tadelte er sie leise, doch war es ersichtlich, dass er ihre Berührung genoss, denn er lehnte sein Gesicht leicht an diese Berührung. Er sah so unendlich unsicher aus, dass ihr sofort das Herz schwer wurde. „Schon in Ordnung, es geht schon wieder.“, beruhigte sie ihn mit einem kleinen Lächeln, dann drehte sie sich zu ihrer Großmutter um. Sie wollte eine Erklärung dafür haben, warum ihm was auch immer angetan wurde und ihre Großmutter spürte ihren Unmut darüber. //Er wird dir einiges erzählen, wenn er etwas mehr Vertrauen gefasst hat und ich werde meine Sicht auf die Dinge erzählen, wenn der richtige Zeitpunkt dafür ist, Liebes. Jetzt bitte ich dich nur um eines. Nimm dich bitte meines Bruders an. Er braucht dich.//, richtete die Göttin ihre liebevollen Gedanken an sie. Ohne dass sie es bemerkte streichelte Raven Tarabas sanft und beruhigend über den Rücken. Er versteifte sich wieder leicht, doch dann sank mit einem Mal sein Kopf leicht nach vorn und er lehnte seine Stirn an ihre Schulter. //Was kann jemand wie ich ihm schon geben?//, fragte sie verständnislos. //Genau das, was du grade schon tust, Liebes. Du wirst das richtige tun, das weiß ich.// Artris erhob sich und ging auf die beiden zu, dann beugte sie sich vor und hauchte ihrer Enkelin einen sanften Kuss auf die Wange. Was zur Folge hatte, dass der Dämon in Ravens Armen leicht den Kopf hob und der Göttin einen glühenden und gleichzeitig finsteren Blick zuwarf, der einem das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte. Dass er sofort einen solchen Besitzanspruch zeigte erfreute das lichte Wesen. „Ich muss los, Kleines. Sie werden sonst bald entdecken, dass ich mich eingemischt habe. Erhol dich bitte noch ein oder zwei Tage. Wir konnten dich nur bei uns behalten, weil der Herr des Todes so schnell reagiert und dir den Eintritt in sein Reich verweigert hat. Dafür werde ich ihm ewig dankbar sein.“ Sie sah Tarabas dabei mit einem ihrer besonders sanften Lächeln an, was ihn ganz leise Grollen ließ. //So schlimm stand es?//, fragte Raven nach und Artris spürte ihren Schrecken. Tarabas tat es auch und sofort legte sich seinen Arm um sie, das drohende Grollen wurde lauter. Artris nickte. //Du warst unglaublich schwer verletzt und bist uns beinahe verblutet. Aber wir haben dich bei uns behalten können und nun bist du geheilt. Das ist alles was zählt.// Dann sah sie in den Himmel, der sich anschickte, am Horizont einen kleinen Silberstreifen zu bekommen. „Jene, die dein Vater auf die Reise geschickt hat, werden bald hier sein. Es nähern sich rasch zehn Jäger.“, informierte sie ihre Enkelin. Raven nickte und ihr beruhigendes Streicheln über Tarabas‘ Haar, welches seinen Rücken bedeckte, wurde etwas intensiver. Sofort wurde das Grollen leiser. „Danke, Grandma. Ich kümmere mich um alles Weitere.“, meinte sie freundlich. „Und beruhige Mom bitte. Sie wird sicher gespürt haben, dass mit mir etwas nicht in Ordnung war.“ „Mache ich.“, antwortete die Göttin freundlich, dann löste sie sich auch schon in einem sanften Wirbel aus Licht aus und verschwand. „Dir ist klar, dass du soeben einer hohen Göttin einen Befehl gegeben hast, oder?“, hörte Raven Tarabas Stimme, die nun sämtliches Grollen verloren hatte und drehte sich zu um. „Ich würde meiner Großmutter niemals einen Befehl geben, euer Hoheit.“, meinte sie verblüfft. Dann geschah etwas, womit sie niemals gerechnet hatte. Sie hörte ihn lachen, tief in der Kehle und ganz leise, aber es war definitiv ein Lachen. „Und ob du ihr einen Befehl gegeben hast. Auch wenn es nett verpackt in eine Bitte gewesen war.“ Er richtete sich wieder richtig auf und ließ dieses misstrauische Zusammenkauern hinter sich, welches er seiner Schwester gegenüber die ganze Zeit gezeigt hatte. „Du hast wirklich keine Angst vor mir, so wie ich jetzt bin?“, fragte er dann noch einmal leise nach und diese Unsicherheit in seiner Art tat ihr weh. Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Und ihr seid auch kein Monster. Jedenfalls nicht in meinen Augen.“ Seine Augenlider senkten sich ein wenig, dann beugte er sich vor und er legte seine Stirn an ihre. „Noch immer so förmlich, obwohl du noch eben erschienst, als wolltest du für mich die Göttin des Lichts bekämpfen.“, raunte er ihr mit seiner eh schon dunklen Stimme zu, die dieses Mal noch eine Nuance tiefer erschien und sie wie Samt einhüllte. „Junge Wächterin der Finsternis, ich denke, auf eine solche Distanz und Ehrerbietung können wir von jetzt an verzichten, oder? Zumindest wenn ich so bin, wie ich jetzt bin.“ Sie blickte tief in das nun mildere Glühen seiner silbernen Augen und erbebte wohlig. Als Antwort darauf gab er tatsächlich ein zufrieden klingendes Schnurren von sich, dann bewegte er sich leicht und fuhr dann mit Mund und Nase dicht über ihre Haut zu ihrem linken Ohr und dann ihr Gesicht hinab zu ihrem Hals. Automatisch legte sie ihren Kopf zur Seite und ihr Atem wurde schneller. Das also war es, wenn man im Bann eines Dämons stand, fragte sie sich erregt. Daraufhin hörte sie wieder sein leises kehliges Kichern. „Ist es nicht eher so, dass du einen Bann um den Dämon legst? Geliebte Finsternis, der Geruch deiner Haut ist süchtig machend.“ Sie spürte seine Hand in ihrem Rücken, als er von der Seite nach vorn kam und sein kühler Atem über ihre Kehle strich. Und ehe sie überhaupt eine Ahnung hatte was geschah fand sie sich auf dem Boden wieder, abgeschirmt von der großen Gestalt des schönen Mannes und die Haut ihres Bauches, die noch immer nur mit der Brust-Bandage bedeckt war, spürte das leichte Streichen seiner langen Haare. Wann war sie eigentlich das letzte Mal so erregt gewesen? Und das, wo er noch nicht einmal seine Lippen auf ihrer Haut hatte. Und dieser Mistkerl machte noch nicht einmal die Anstalten, als würde er sie so bald küssen wollen! So ergriff sie die Initiative und legte ihre Hände an seine kalten Wangen, dann dirigierte sie ihn entschlossen nach oben und erzwang sich förmlich den Kuss, nachdem sie lechzte. Wieder war da ein kurzes Innehalten von seiner Seite, dann lernte sie einen Kuss kennen, wie sie ihn keiner ihrer ehemaligen Freunde auch nur ansatzweise hinbekommen hatte. Sie wollte ihn schier verschlingen, so heiß war ihr auf einmal… dann hörte sie mit einem Mal das vertraute Summen ihres Tablets, was sowohl sie, wie auch Tarabas zusammenfahren ließ. „Ich befürchte meine Leute sind im direkten Anflug.“, murmelte sie an seinen Lippen, als er kurz einmal innehielt. Da bemerkte sie, dass er mindestens genauso schwer atmete wie sie selbst und langsam sickerte in ihr Bewusstsein, dass nicht mehr viel gefehlt hätte und sie hätte sich ihm an diesem doch etwas unpassenden Ort hingegeben. Etwas, was sie bei einem ersten Date eigentlich niemals tat, doch das war ihr bei ihm vollkommen gleich gewesen. Sämtliche Bedenken, die sie sonst immer gehabt hatte, waren schlichtweg nicht vorhanden gewesen und die Berührung seiner eisig erscheinenden Fingerspitzen hatte sie schier geil werden lassen. Und anscheinend nicht nur sie, denn erst jetzt bemerkte sie, dass Tarabas seine Hände in den gefrorenen Boden gegraben hatte und sowohl leise stöhnte, wie auch knurrte. Er hatte seine Augen geschlossen, während ein Großteil seines Gesichts von seinem tiefschwarzen Haar verdeckt wurde. Da seine Lippen leicht geöffnet waren wollte sie ihm noch einmal einen Kuss entlocken, doch blitzschnell lag seine Hand auf ihren Lippen. „Nicht.“, presste er hervor, während er noch immer so aussah, als würde er nicht genug Luft in seine Lungen bekommen. „Noch einen davon und ich vergesse mich völlig. Dann ist es vollkommen gleich, ob jemand kommt oder nicht.“ Völlig verdattert starrte sie ihn an. Davon? Konnte es sein, dass er nicht wusste, dass das, was sie soeben ausgetauscht hatten und was er so meisterhaft zu können schien, Küsse waren. „Das war ein Kuss?“ Er öffnete seine Augen und sah sie aus glasig erscheinenden Augen an. „Das kann kein Kuss gewesen sein, süße Wächterin, denn Küsse können niemals so wahnsinnig machen.“ Er betrachtete kurz ihre Lippen, bevor er mit der Spitze eines Zeigefingers über diese fuhr. Sofort kochte die Lust in Raven wieder hoch und auch Tarabas stöhnte wieder leise auf, dann riss er sich von ihr los und stand ruckartig auf, nur um sich dann an der Außenhülle des nun besatzungslosen Gleiters abzustützen. Sie tat es ihm gleich und atmete einige Male tief durch, dann sah sie sich um. Zwar war ihr immer noch heiß und hätte den Akt, den sie grade begonnen hatten, am liebsten auf der Stelle vollzogen, doch derzeit war dazu einfach nicht die Zeit. Ihr Pferd war nicht weit entfernt und so rief sie es mit einem Pfiff zu sich. Es gehorchte sofort und kam sofort auf sie zugetrabt. Glücklicherweise hatte sie noch Ersatz in den Satteltaschen für ihr völlig ruiniertes T-Shirt eingepackt. Erst jetzt, wo sie die Unmengen an Blut in dem Textil erblickte verstand sie wirklich, wie schlecht es um sie gestanden haben musste. Ein eisiger Schauer rieselte ihren Rücken entlang, dann zog sie entschlossen die Überreste aus und ließ sie zu Boden fallen. Dann holte sie aus der Satteltasche ein neues Shirt heraus. „Du hast Bilder auf dem Rücken.“, hörte sie mit einem Mal Tarabas‘ Stimme hinter sich und spürte seine ganz vorsichtige Berührung auf der unteren Tätowierung, einer großen schwarzen Feder, von deren Spitze eine helle Flüssigkeit zu tropfen schien. „Ich weiß.“, meinte sie mit einem sanften Lächeln, dann zog sie eines ihrer Messer aus dem Holster und zerschnitt die ebenfalls völlig blutgetränkte Bandage. So legte sie ihre komplette Tätowierung frei, die sich über die gesamte rechte Seite ihres Rückens erstreckte. Auf ihrem Schulterblatt leuchtete ein weißer Mond sein geheimnisvolles Licht, von ihm aus fielen schwarze Federn herab, die immer größer wurden. Jede Feder hatte eine Bedeutung, jede von ihnen stand für ein Mitglied ihrer Familie. Die Federn ihrer Großeltern und Onkel waren klein, die ihrer Eltern und Geschwister größer. Nur die Feder mit dem flüssigen Mondlicht an der Spitze stand allein. Diese symbolisierte sie selbst und wartete auf einen Begleiter. „Haben die Bilder eine Bedeutung?“, fragte Tarabas leise und fuhr kurz die gesamten Male ab, nur um dann leicht zu erbeben, wie Raven überdeutlich spüren konnte. Anscheinend hatte er sich ebenso wenig abgekühlt wie sie, denn auch sie hatte das Bedürfnis, schon wieder über ihn herzufallen. „Ja. Jede Feder ist ein Mitglied meiner Familie. Die untere Feder bin ich.“, erklärte sie mit leiser Stimme und zog sich rasch das Shirt über, denn sie konnte ein erneutes Summen und leises Pfeifen in der Luft hören. Einer der Jäger hatte die Atmosphäre durchdrungen und setzte im Licht der Morgensonne zur Landung an. „Sie sind da.“, meinte sie leise zu Tarabas und drehte sich zu ihm um, um ihm dann ein bedauerndes Lächeln zuzuwerfen. Er sah ihr tief in die Augen, wobei sie dann Zeuge von deren Verwandlung wurden. Das Leuchten erlosch und aus dem Silber wurde wieder Eisblau. Auch seine Haut nahm eine leichte Tönung an, wenn auch nicht wirklich viel. Er wirkte im Licht der Sonne noch immer blass. „Leider. Aber das, was du ausgelöst hast, ist nur aufgeschoben, Wächterin.“ Kurz blitzen seine Augen noch einmal silbern auf das dunkle Schnurren, mit dem er sie ansprach, verdeutlichte, dass der Dämon noch da war. Nun war sie es die leicht erbebte, und Tarabas schien das mit einem zufriedenen Lächeln zu registrieren. Lächeln? Sofort war Raven wieder fokussiert und tatsächlich erblickte sie noch das letzte Schmunzeln als er in Richtung des landenden Raumschiffes blickte. Keine fünf Minuten später war der Jäger gelandet und die durchsichtige Kuppel des Fliegers öffnete sich. Raven kannte den Piloten und strahlte erfreut. „André!“, rief sie aus und näherte sich dem Piloten, der auf den Flügel des Jägers kletterte und dann auf den Boden sprang. Dieser öffnete seinen Helm und gleich darauf grinste ihr das bekannte Gesicht ihres engsten Kollegen entgegen. „Hallo Chefin. Wir hörten, du kannst Hilfe gebrauchen.“, meinte der Mann, der zehn Jahre älter als sie selbst war. Sie schlugen ihre Fäuste aneinander, wie sie es in ihrer Staffel immer taten, wenn sie sich begegneten. „Ja, wir hatten Ärger hier. Die Mannschaft dieses Gleiters hatte mit der Auskundschaftung zu einer Invasion begonnen.“, erklärte sie dem erfahrenen Piloten, der gleich in Richtung des Kampfbereichs schaute und sie dann erschüttert anstarrte. „Raven… das sieht so aus, als wäre es hier zu einem Großangriff gekommen.“, stieß der Mann aus. Gemetzel traf es wohl eher und sie suchte nach einer passenden Erklärung für die zerrissenen Körper. Dann spürte sie Tarabas‘ Hand auf ihrer Schulter und sie sah ihn verwundert an. //Sieh genauer hin.//, meinte er und seine Gedanken waren sanft und er warf ihr ein kleines Augenzwinkern zu. Sie tat was er gesagt hatte und entdeckte, dass die Männer, die sie getötet hatte, die charakteristischen Verletzungen ihrer Lieblingswaffe oder ihres Lasers zeigten, die Männer, die Tarabas in seinem Zorn zerrissen hatten hingegen waren wieder halbwegs zusammengefügt. Sie wiesen nur scheußliche Schnittwunden auf. „Was ist mit denen denn passiert?“, fragte André verwundert, der solche Wunden noch nie gesehen hatte. „Schwertwunden.“, erklärte Tarabas ruhig und als der Pilot und Raven ihn anstarrten trug er neue Kleidung, die eine schwarze Version der Schlosswachen darstellte. „Habt ihr meiner Chefin geholfen?“, fragte André verwundert, der Tarabas erst jetzt wahrnahm. Dieser nickte. „Seine königliche Hoheit hat mich als Begleiter mitgeschickt, damit die Prinzessin einen Begleiter zum Landefeld hatte.“, erklärte er ruhig. Raven hatte Mühe sich nichts anmerken zu lassen. „Und ihr seid…?“, fragte André verwundert nach. „Mein Name ist Tarabas. Ich bin der ranghöchste General seiner königlichen Hoheit.“ Ravens Verblüffung wuchs immer mehr. Tarabas sprach fließend Basic, die Sprache der Föderation. André fiel dies nicht auf, da er einen Chip implantiert hatte, der ihm jede der Föderation bekannten Sprachen übersetzen konnte, ohne dass man einen Unterschied bemerkte. „Nun, dann muss ich mich für ihre Hilfe bedanken, General. Das diese Männer getötet wurden ist zwar etwas ärgerlich, denn viele hätten sie sehr gern vor einem Gericht gesehen, aber so können sie wenigstens keinen Unheil mehr anrichten. Sie sind nämlich als äußerst brutal bekannt.“ Das hatte Raven durchaus mitbekommen, so schnell wie diese auf sie gefeuert hatten. Auch wenn sie selbst nicht unbedingt unschuldig daran gewesen war. „Du kennst diese Männer?“, fragte sie erstaunt. „Ja, leider. Söldner der unangenehmen Sorte. Haben in der letzten Zeit unseren Verbündeten eine Menge Ärger bereitet. Deswegen hat sich die Staffel bereit erklärt, in deinem Urlaub nach den Bastarden zu suchen. Du bist uns aber zuvor gekommen, Raven.“ Er grinste und betrachtete dann die Leichen vor dem Schiff. „Okay, jetzt müssen wir nur zusehen, dass wir den ganzen Schlamassel von hier weg bekommen, bevor die Bewohner darauf aufmerksam werden. Kannst du die Kiste von hier wegfliegen?“ Tarabas versteifte sich etwas und wollte etwas erwidern, doch sie kam ihm mit einem kleinen Kopfschütteln zuvor. „Ich habe seiner Hoheit versprochen, unverzüglich nach der Analyse zurückzukehren. Außerdem ist meine Großmutter im Schloss. Sie würde mir den Kopf abreißen, wenn ich mein Wort brechen würde. Du kennst sie.“ „Oh ja, erinnere mich bitte nicht daran.“, meinte André mit einem schiefen Grinsen. „Gut, dann bleibt mir nichts anderes übrig. Leys, hey Leys. Komm raus Mann, ich brauche dich hier.“ Eine weitere Person stieg gleich darauf aus dem Jäger aus. Tarabas betrachtete zuerst den Mann verwundert, dann Raven. „Das ist der Waffenoffizier des Jägers. Er wird den Gleiter dann fliegen.“, erklärte sie ihm leise. „Ah.“, äußerte Tarabas nur und sah dabei zu, wie der Mann ebenfalls zu Boden sprang, den Helm löste und auf sie zukam. „Hey Leys.“, begrüßte Raven den jungen Mann auf die gleiche Weise wie André. „Hallo Commander. Donnerwetter, habt ihr hier eine Sauerei hinterlassen.“ „Man tut was man kann. Hör zu, Leys, ich kann hier nicht weg. Kannst du den Gleiter mit den Leichen fliegen? Meine Großmutter ist auch hier und…“ „Oh oh, du brauchst nicht mehr sagen, ich weiß schon. Geht klar. Denke, wenn wir alle mit anpacken haben wir dir Toten in Null Komma Nix verpackt und dann verschwinden wir von hier. Das der Planet unter Protektorat gestellt wurde hast du noch mitbekommen bevor hier die Welt unterging?“, fragte der junge Offizier. „Ja. Ich schulde Vater mehr als nur einen Gefallen für das Tempo, mit dem er alles durchgepeitscht hat.“ Sie spürte, wie Tarabas sie schweigend aber verwundert von der Seite aus ansah. Dies würde sie ihm später erklären. „Also dann, frisch ans Werk, meine Dame und Herren. Auf auf.“, scheute André sie alle. Innerhalb von 20 Minuten hatten sie die Leichen der Angreifer im Gleiter verstaut und den Raum, in dem sie die Körper verstaut hatten, in einen Kühlraum verwandelt, damit der Pilot unbehelligt fliegen konnte. „So, wir verschwinden dann. Die Staffel wird noch eine Weile Kontrolle fliegen, falls es Nacharmer geben sollte. Die Informationen sind sicher schon an Interessenten weitergegeben worden.“, meinte André, bevor er Tarabas ansah. „Bitte richten sie seiner Hoheit aus, dass wir dafür sorgen werden, dass es nicht noch einmal zu einem solchen Zwischenfall kommen wird. Admiral Tettra wird sich weiterhin für den Schutz des Planeten einsetzen und schnellstmöglich alles in die Wege leiten, damit der Schutz nachhaltig in die entsprechenden Gegenden getragen wird.“ „Ich werde es ihm ausrichten, Commander.“, meinte Tarabas freundlich. „Seid euch seines Dankes gewiss.“ André nickte Tarabas mit einem freundlichen Lächeln zu, dann verabschiedete er sich von Raven, wie er sie begrüßt hatte. „Ich nehme an du wirst noch ein wenig brauchen, bis du wieder in der Basis bist, oder?“ „Zwei Wochen mindestens denke ich. Keine Ahnung was meine Großmutter sonst noch vorhat. Dies hier ist ihre Geburtsheimat. Das könnte also noch etwas dauern.“, meinte sie. „Geht klar. Mach dir um uns keinen Kopf, wir kriegen das alles schon ohne dich hin.“ „Darum will ich doch auch gebeten haben, André. Seht zu das ihr verschwindet. Und grüß bitte die anderen von mir.“ Der Pilot kletterte auf den Flügel seines Jägers und verabschiedete sich noch mit einem Winken. Als er dann die Triebwerke startete drückte Raven Tarabas sanft zurück, bis sie einen ausreichenden Abstand zu den beiden Raumschiffen hatten. Dann drehte sie sich zu ihnen um, die bereits drei Meter in der Luft schwebten. Schließlich gaben beide sirrende Geräusche von sich, als auf vollen Schub geschaltet wurden, dann schossen beide hinein in den morgendlichen Himmel. Kapitel 9: Licht der Finsternis ------------------------------- Sie sah den beiden Raumschiffen so lange wie es ging hinterher, dann seufzte sie leise und rieb sich dann über die Augen, als mit einem Mal sämtliche Anspannung von ihr abfiel. Sofort spürte sie, wie ihr jemand schützend den Arm um ihre Schultern legte und lächelte leicht. „Du solltest dich jetzt ausruhen.“, hörte sie Tarabas‘ Stimme, bevor sie ihn wieder ansah. „Habe nichts dagegen.“, meinte sie und ihr Lächeln wurde stärker. Sofort sah Tarabas auf und Ravens Reittier an, welches noch immer aufmerksam dastand und darauf wartete, dass etwas passierte, spitze seine Ohren. Und als es Tarabas‘ Blick wahrnahm kam es sofort wie auf einen stummen Befehl näher. „Du solltest dich heute im Dorf von Meister Miram ausruhen. Immerhin ist das, was du grade hinter dir hast, alles andere als ein Spaziergang gewesen.“, meinte er zu Raven und hob sie dann so mühelos in den Sattel als das Pferd bei ihnen war, als wöge sie nicht mehr als ein Kind. „Begleitest du mich?“, fragte Raven leise, als sie im Sattel richtig Platz genommen hatte. Tarabas sah sie erfreut an. Sie hielt sich jetzt anscheinend an seine indirekte Bitte, dass sie auf die Distanz aufgrund von Rang und Titel verzichtete. „Natürlich. Auch wenn ich im Dorf dann für niemanden außer dir zu sehen sein werde. Würde ich dort erscheinen, egal ob als Reiter oder normal würde ich für fürchterliches Aufsehen sorgen.“ Wieder umspielte der dünne Schimmer eines Schmunzelns seine Mundwinkel. Was auch immer in der Nacht noch passiert war, es schien sich auch auf ihn auszuwirken und etwas an ihm zu verändern. Dann sah er an Ravens Pferd vorbei auf die nun leere Wiese. Er schien einen stummen Befehl auszusenden, denn mit einem Mal erschien das schwarze Pferd auf der Wiese. Es sah so aus, als würde es langsam durch einen Vorhang schreiten, der es sichtbar machte. Raven sah das wirklich große Schlachtross fasziniert an. Es war komplett schwarz mit langer welliger Mähne und leicht welligem dichten Schweif. Auch seine Augen waren Schwarz, doch jetzt im Sonnenlicht glänzten diese und offenbarten eine unglaubliche Intelligenz. „Das ist Senca. Er begleitet mich schon seit sehr langer Zeit durch die Welten. Länger als ich hier lebe.“, erklärte Tarabas ihr und begrüßte das edle Tier mit einem sanften Streicheln von dessen Hals. Dieses senkte erst ein wenig seinen Kopf, so, als würde es Tarabas begrüßen, dann schnaubte es leise. „Ich weiß, ich habe absolut keine Ahnung, aber Pferde können so alt werden?“, fragte Raven verblüfft. Senca sah sie daraufhin an und schnaubte etwas abfällig. „Senca ist ein Nachtalp, kein Pferd in dem Sinne, wie du es kennst. Sie sind äußerst selten. Wenn sie sich an einen Dämon binden, den sie als stark und wert genug ansehen, dann binden sie sich an dessen Lebenszeit und bleiben immer treu an dessen Seite. Sie sind selbst der Magie fähig und sind sehr stolze Geschöpfe. Sie können ihre Gegner durch Halluzination verwirren, weswegen einige behaupten, sie senden selbst den Dunklen Alpträume.“, erklärte Tarabas Raven freundlich. Ganz vorsichtig streckte Raven ihre Hand aus, damit das Pferd ihren Geruch aufnehmen konnte. Sie hatte kurz gespürt, dass Senca bei der Bezeichnung ‚Pferd‘ alles andere als glücklich gewesen war. Und aufgrund von Tarabas‘ Worten schloss sie, dass er sie durchaus verstanden hatte. „Verzeih bitte. Ich wollte dich nicht beleidigen.“, bat sie das edle Tier, welches sie erst lange ansah, dann aber seine Nase an ihre Hand legte und daran schnaubte. Dass sie die Erste war, die außer Tarabas von dem dämonischen Wesen berührt wurde, konnte sie nicht ahnen. Nur Tarabas wusste das und lächelte leicht aber schweigend darüber. Gleichzeitig spürte er, wie Senca gedanklich Kontakt aufnahm und ihn zu seiner Wahl lobte. Das dämonische Tier kommunizierte nicht im üblichen Sinne telepatisch, sondern auf eine Weise, an die auch er sich hatte gewöhnen müssen, doch er verstand ihn sehr gut. Ravens Pferd hingegen war erst etwas nervös gegenüber dem größeren Reittier, versuchte zurückzuweichen. Mit etwas Mühe zügelte sie das Tier, doch erst ein tiefes Brummen und Schnauben Sencas beruhigte ihr Pferd wieder, auch wenn es aufmerksam und angespannt blieb. Dann hob das schwarze Reittier derart den Kopf, dass es aussah, als würde er etwas beleidigt darüber sein, dass er ein einfaches Pferd hatte zur Ordnung rufen müssen, weil dieses sich nicht benehmen konnte. Tarabas schwang sich unterdessen in den Sattel und hob kurz Magie, welche das Tablet herbei rief, welches Raven vor dem Kampf von sich fort geschleudert hatte. „Das solltest du besser wieder an dich nehmen.“, meinte er nur. Sie lächelte erfreut, dass er sich darum gekümmert hatte. „Danke.“, meinte sie und steckte das Gerät in eine der Satteltaschen. „Ich weiß nicht, in wieweit du zuhören konntest, aber mein Vater hat bereits ein Schutzbündnis für Laos erwirkt. Aus diesem Grund ist das Eingreifen meiner Leute auch legal gewesen. Er wird sich um alles Weitere kümmern, damit ein Vorfall wie dieser nie wieder vorkommt.“, erklärte sie ihm, nachdem alles sicher verstaut war. Dann drückte sie ihrem Pferd behutsam die Knie in die Seiten, damit dieses sich langsam in Bewegung setzte. Tarabas und Senca folgten ihr augenblicklich. „Jetzt wo du es sagst fällt es mir wieder ein, dass ich das gehört habe. Ich weiß, diese Welt ist etwas rückständig, aber selbst in meiner alten Heimat ist das Durchsetzen solcher Bündnisse eigentlich etwas, was seine Zeit braucht.“, meinte er und er sah wirklich etwas neugierig aus. Raven schmunzelte. „Oh, das braucht auch in der Föderation seine Zeit, teilweise länger, als einem lieb sein könnte. Doch mein Vater genießt recht großes Ansehen und er hat seine Mittel und Wege, wie er Dinge im Notfall beschleunigen kann. In Situationen wie dieser wird er sicherlich zuerst agiert haben, um die Formalitäten wird er sich jetzt kümmern. André ist sicherlich schon dabei seinen ersten mündlichen Bericht zu liefern. Dieser wird bestätigen, dass eine schnelle Allianz mehr als notwendig war.“, erklärte sie, während beide das Tempo erhöhten und schneller in Richtung Dorf zu reiten. „Ich hoffe, ich werde einmal die Gelegenheit haben, deinen Vater persönlich kennenzulernen, damit ich mich für diesen Dienst an meinem Volk erkenntlich zeigen kann.“ „Mit Sicherheit. Es werden in Zukunft noch Beratungen wegen der Allianz stattfinden müssen. Da man es dir nicht zumuten kann, dass du nach Alpha kommst, wird sich mein Vater sicherlich auf den Weg hierhin machen.“, stellte sie eine freundliche Prognose und lächelte ihn aufmunternd an.   Keine halbe Stunde später erreichten sie das Dorf, welches direkt am Meer in einer natürlichen Bucht lag und diese als Hafen nutzen konnte. Neugierig sah sie sich am Zugang zum Dorf um, wo ein junger Mann auf sie aufmerksam wurde. „Kann ich euch helfen, Soldat?“, fragte der Mann sie. Da sie wieder die geborgte Jacke trug, die sie im Schloss von Mikosch bekommen hatte, sah sie wieder wie jemand von der Schlosswache aus, wenn auch als ein etwas abgekämpftes Exemplar. „Ja. Ich wurde von Meister Miram eingeladen, ihn in seinem Haus zu besuchen, wenn ich mit meiner Aufgabe für seine Hoheit fertig bin. Könntet ihr mir bitte sagen, in welche Richtung ich mich wenden muss?“, fragte sie höflich. „Natürlich. Meister Miram hat euch bereits angekündigt. Ihr reitet diese Straße weiter und haltet euch am Ende rechts. Dann stoßt ihr auf den Dorfplatz. Meister Mirams Haus ist das weiße mit den Fensterläden in Blau und Schwarz.“, erklärte der Mann freundlich. Tarabas, der mit Senca direkt neben Raven stand, wurde gar nicht bemerkt, wie dieser es bereits erwähnt hatte. Raven hingegen sah ihn, was schon ein seltsames Gefühl war. „Habt vielen Dank.“, meinte sie und setzte ihren Weg ganz in Ruhe fort. Im Schritttempo ritt die die besagte Straße weiter hin zum Dorfplatz und entdeckte das besagte Haus sofort. Es lag so, dass man, zumindest was Raven so erkennen konnte, auf der Rückseite zum Hafen hin zeigte. Es war mittelgroß, zumindest aus den Größenverhältnissen, die sie gewohnt war und wirkte sofort einladend und gemütlich auf sie. Sie hatten den Marktplatz grade etwas mehr als zur Hälfte überquert, da öffnete sich bereits die Haustür ihres Ziels und Miram kam ihnen mit einem erleichterten Lächeln entgegen. „Ihr seid da, den Göttern sei Dank.“, begrüßte er sie sofort. „Wir haben hier im Dorf die Anwesenheit des Wächters gespürt, deswegen war ich in Sorge, als es immer später wurde.“ Raven zügelte ihr Reittier vor dem Mann, der das Tier auch gleich am Halfter griff. „Ich weiß, ich habe den Wächter gesehen.“, meinte sie nur und saß dann ab. Sie konnte nicht zu Tarabas sehen, da es sicherlich seltsam gewirkt hätte, wenn sie einfach auf einen leeren Platz neben sich geblickt hätte, aber sie konnte spüren wie er schmunzelte, als die dem Fischermeister diese Antwort gab und dieser sichtlich blass wurde. „Ich hoffe, bei euch ist alles in Ordnung?“, fragte Minan sofort besorgt. Was zur Folge hatte, dass Tarabas‘ spürbares Schmunzeln gegen leichte Verärgerung ausgetauscht wurde. „Warum sollte nicht alles in Ordnung sein, nur weil ich den Wächter gesehen habe?“, fragte Raven sichtlich überrascht. „Ich bin nur müde und hungrig, das ist alles.“ „Ich wollte den Wächter beileibe nicht beleidigen, gütige Geister, bewahre. Nur erscheint er normalerweise nur, wie ihr wisst, bei argen Problemen, deswegen war ich besorgt.“ Ein Junge kam aus dem Haus gelaufen und stellte sich neben Minan. „Bring das Pferd des Soldaten bitte in den Stall und kümmere dich darum.“, erklärte Minan ihm. „Mache ich, Vater.“, antwortete dieser und nickte Raven zur Begrüßung kurz zu, dann nahm er den Zügel des Braunen entgegen und führte das Tier fort. //Ich wusste gar nicht, dass Minan einen Sohn hat.//, hörte Raven Tarabas‘ telepatische Stimme und nahm für sich wahr, dass er ebenfalls absaß. Ein kleiner Befehl in einer Sprache, die sie noch nie gehört hatte, folgte, dann verschwand Senca leise. „Kommt bitte rein, Raven. Ich habe schon alles für ein Bad für euch vorbereitet. Dann könnt ihr eine Kleinigkeit essen, bevor ihr euch etwas zur Ruhe begebt. Ich hoffe, ihr konntet eure Aufgabe zu eurer Zufriedenheit erfüllen.“ Sie nickte und begleitete den Mann ins Innere des Hauses, Tarabas folgte ihnen dabei auf dem Fuße. „Ja. Ich denke, es werden keine weiteren Vorkommnisse stattfinden. Aber so etwas wird ja immer erst die Zeit zeigen.“ Miram nickte, während er sie durch das Erdgeschoss und dann eine kleine Treppe hinauf in die erste Etage führte. Sie gingen einen kleinen Flur entlang, dann öffnete er eine Tür. „Das Gästezimmer hat ein eigenes kleines Bad. Hier habe ich bereits alles von meiner Frau für ein Bad bereitlegen lassen. Essen bringe ich euch, während ihr badet und stelle es auf den kleinen Tisch. Dann ruht euch bitte aus, Prinzessin. Ihr seht etwas blass aus.“ „Mache ich. Danke.“, antwortete die freundlich. Sie wartete, bis ihr Gastgeber die Tür hinter sich zugezogen hatte, dann zog sie die geborgte Jacke aus, das T-Shirt und die Hose folgten ohne Scheu, obwohl sie ja wusste, dass sie einen Begleiter hatte. Aber laut ihrem Wissen waren Dämonen sehr scham- und hemmungslos, also dürfte es ihm nichts ausmachen, dass sie sich entkleidete. Dem war auch so, auch wenn sie sich sehr wohl bewusst war, dass Tarabas sie eingehend betrachtete, nachdem er sich in dem kleinen Zimmer umgesehen hatte. „Das Zimmer ist recht klein.“, murmelte er eher zu sich als zu ihr und sah sie dann etwas zweifelnd an, so, als wäre er nicht sicher, ob sie damit leben konnte. Er kannte ihre Wohnung nicht, die mit ihren zwei Zimmern inklusive Küche und Bad alles andere als riesig war. Anscheinend dachte er, dass sie nur solch große Räumlichkeiten gewöhnt war, wie sie im Schloss üblich waren. „Es ist nicht viel kleiner als mein eigenes Schlafzimmer, kein Problem. Mehr als ein Bett und einen Stuhl für die Sachen braucht man als Tagesgast doch nicht.“, meinte sie mit einem Lächeln und richtete sich dann auf, um zur zweiten Tür in dem Raum zu gehen. Neugierig machte sie diese auf und entdeckte tatsächlich ein kleines Bad mit einer Art Toilette, einer Waschschüssel und einem bereits eingelassenen heißen Bad. „Ah, das kann ich jetzt wirklich brauchen.“, murmelte sie zufrieden, entledigte sich der restlichen Wäsche und ließ sich dann in das prickelnd heiße Wasser gleiten. Sie sah sich gar nicht um, ahnte sie doch, dass Tarabas ihr folgen würde. Und tatsächlich trat er ein, als sie sich in dem Wasser ausstreckte, auch wenn das in der kleinen Wanne alles andere als einfach war. „Wundern sich die Schlossbewohner nicht, wenn du nicht auffindbar bist?“, fragte sie einfach, nachdem er sich auch hier einmal nachdenklich umgeschaut hatte. „Es ist normal, dass ich nach der halbjährlichen Konferenz verschwinde. Meistens brummt mir mach all den Diskussionen derart der Kopf, dass ich meine Ruhe brauche.“ „Ist es nicht schwer, im Schloss Ruhe zu finden? Bei all den Personen, die dort leben…?“ Er ließ sich auf dem geschlossenen Abort nieder, was Raven irgendwie falsch vorkam, aber eine andere Sitzmöglichkeit gab es hier leider nicht. „Ich bin dann nicht im Schloss. Ich bin dann noch nicht mal mehr hier auf Laos.“, informierte er sie freundlich.“ „Aha?“ Sie wagte es nicht weiter zu fragen, denn viele mochten es nicht, wenn sie neugierig war, zumindest nicht bei den Leuten, die aus dem Bekanntenkreis ihrer Grußmutter kamen. Dennoch fragte sie sich, wo wohl ein Ort sein konnte, an dem er sich nach solch anstrengenden Sitzungen zurückziehen mochte. „Im Makai.“, antwortete Tarabas freundlich auf ihre gedachte Frage. „Was?“ Verblüfft sah sie ihn an. Dieses Wort hatte sie noch nie gehört oder gelesen. „Der Makai ist meine ursprüngliche Heimat. Die erste dunkle Welt, ungefähr das bedeutet der Name. Ich brauche immer wieder den direkten Kontakt mit meiner Heimatwelt. Wenn ich sehr erschöpft bin gibt sie mir die Energie, die ich brauche. Außerdem muss ich dort immer mal wieder nach dem Rechten schauen, nicht dass die Chaoten dort allzu großen Unsinn anstellen.“ „Ist deine Heimatwelt denn groß?“, fragte Raven neugierig. Nie hätte sie erwartet, dass er einmal etwas von seinem Ursprung erzählen würde, und wenn es nur von seiner Heimatwelt war. Immerhin hatte er erst wenige Tage zuvor gesagt, dass es besser war, wenn niemand wusste, wo er her kam. Er nickte. „Sehr groß. Viele unterschiedliche dunkle Wesen und Völker leben dort. Die Ursprünge dieser Völker sind jene, die seit Beginn dieses Universums von denen des Lichts gejagt und beinahe ausgelöscht wurden. Na ja, zumindest jene, bei denen ich früh genug in Erfahrung bringen konnte, dass sie derart in Gefahr waren und nicht in einer anderen neu entstehenden dunklen Welt Zuflucht fanden.“ „Warum wurden sie denn gejagt?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort schon ahnte. Tarabas sah sie einfach nur an. „Weil sie anders waren.“, antwortete die dann leise und bedrückt. Er nickte. „Es wäre nicht schlimm gewesen, wenn sie nicht diesen dunklen Kern in sich getragen hätten, der seinen Ursprung in mir hat. Wie du ja selbst weißt braucht jede Magieart ihren Gegenpol. Deswegen gibt es mich ja überhaupt nur. Ich bin der Ausgleich zu deiner Großmutter, damit das Leben selbst existieren und weiterentwickeln kann.“ Er sprach ruhig die unumstößliche Tatsache aus, dennoch spürte Raven den Schmerz in seinem Innersten überdeutlich, auch wenn er ihn dämpfte. „Großmutter sagte vorhin etwas in der Art, dass die anderen der Ersten dich nicht akzeptieren, oder habe ich das falsch verstanden?“ Ein Lächeln huschte über seine Züge, doch es war bitter und auch traurig. „Niemand akzeptiert mich, Sahva. Noch nicht einmal ich selbst.“, meinte er leise. Sie richtete sich auf und sah ihn erschüttert an. „Warum?“ Dann erst wurde ihr klar, wie dreist und neugierig sie grade war. „Verzeih, du musst nichts sagen…“ Nun kicherte er leise und senkte kurz seinen Kopf. „Sahva, du hast anscheinend wirklich noch nicht viel von den Wächtern der Alten gehört, oder?“, fragte er dann sanft amüsiert und stand auf. Etwas peinlich berührt und schüchtern schüttelte sie ihren Kopf, während er sich einfach neben der Badewanne niederkniete, die bereitliegenden Waschutensilien begutachtete, schließlich für unzulänglich empfand und dann einen gläsernen Flakon erscheinen ließ, der in der Luft schwebend eine cremige Flüssigkeit in seine bereit gehaltene Hand goss. Damit begann er dann einfach, Ravens Haar einzuschäumen. „Du bist diese Nacht zu meiner Wächterin geworden. Das bedeutet nicht weniger, als das du neben meinem Schutzwall auch zu meiner Schülerin geworden bist. Als Wächterin musst du nahezu alles über alle Bereiche der Dunkelheit wissen, aber keine Sorge, du hast sehr viel Zeit, bis man von dir verlangt, dass du die Abläufe kennst. Dass du da als erstes erfährst, wer derjenige ist, dem du beistehen sollst, ist doch nun wirklich mehr als selbstverständlich.“ Raven schwieg und genoss es, dass er einfach ihr Haar wusch. Das war mehr als ungewohnt, schon allein wenn man außer Acht ließ, wer er war.   Tarabas schmunzelte, als er diese Gedanken hörte. Ihre Gedanken waren schon vor der vergangenen Nacht leicht für ihn zu erfahren gewesen, jetzt, nachdem er ihr quasi den Zugang zum Totenreich verboten und ihre Seele berührt und gehalten hatte, gab es keinerlei Barriere mehr zwischen ihnen. Sie hätte genauso gut laut sprechen können, so klar war ihre Aussage für ihn. Dass es für einen Dunklen wie ihn eine Selbstverständlichkeit, ja sogar ein Ausdruck des guten Tons war, dem Partner bei solch intimen Handlungen zur Hand zu gehen, das würde er ihr im Laufe der Zeit noch erzählen. Er würde ihr noch viel erzählen. Immerhin hatte er alle Zeit der Welt dazu. „Jedes Universum hat seine Existenzzeit und für diese Zeit Wächter, die für das Gleichgewicht der Mächte zuständig sind. Sie beginnen ihre Existenz in dem Moment, in denen das neue Universum beginnt und bleiben dann noch etwas über das Ende von diesem bestehen, um ihr Wissen an ihre Nachfolger für das nächste Universum weiterzugeben und die Neuentwicklung in der Hinsicht zu beeinflussen, die sie in der Zeit ihrer Existenz als verbesserungswürdig erachtet haben, diese Änderungen aber erst mit Beginn eines neuen Universums umgesetzt werden konnten, weil sie so elementar sind.“, begann er einfach zu erzählen, während er Ravens Haar weiter knetete und dann mit einer Schale Wasser, die ebenfalls mit einem Mal in der Luft vor ihm schwebte, auszuspülen. Raven spürte die Magie, die er nutzte, wie einen angenehm kühlen Hauch in ihrem Innern. „Die grundlegenden Änderungen, die die vor uns ersonnen hatten, war der Quell des Lebens. Du musst dir das wie eine immerwährende Quelle von Seelen vorstellen. Angeblich war es vor uns so gewesen, dass das Leben einfach begann hatte und irgendwann versiegte, ohne dass jemand Einfluss darauf nehmen konnte oder wollte. Die Anderen, wir nennen sie von jeher so, wundere dich nicht, wollten ihren Nachfolgern größere Macht geben, in dem sie die neuen Seelen an einem Ort bündelten und schließlich gesteuert in die Welten entließen. Und wie für jede elementare Quelle wurde hierfür ein Wächter gebraucht, der dann auch gleichzeitig der Oberste der Wächter sein sollte. Soviel zur Kurzfassung von dem, was vor unserer Zeit begann.“ Er reichte Raven ein kleines Handtuch, welches sie sich um ihre gewaschenen Haare schlingen konnte. „Das, was erst einmal wichtig ist, um zu verstehen, warum ich so reagiere wie ich reagiere, ist die einfache Tatsache, dass ich existiere, obwohl ich nicht existieren sollte. Dadurch, dass sie die entstehenden Seelen katalysierten und einen neuen Wächter für den Anfang herbei riefen, wurde auch für das Ende ein Wächter benötigt.“ „Um das Gleichgewicht zu wahren.“, ergänzte Raven seinen Satz mit dem Verständnis einer elementaren Tatsache, die man ihr von klein auf beigebracht hatte. Er nickte. „Die Anderen gingen wohl davon aus, dass der Wächter des Quells sowohl Anfang, als auch Ende bewachen würde. Nur missachteten sie, dass Anfang und Ende komplementär sind und nicht zusammen in einem existieren können. So geschah es, dass, als Quell und Wächter erschaffen wurden, sich der Quell ohne Zutun teilte. Er erschuf sich seine Wächter selbst, einen gold-weiß, einen silber-schwarz, Licht und Schatten, Leben und Tod. Deine Großmutter… und mich.“ Er schwieg kurz und suchte sichtbar nach den richtigen Worten. Es fiel ihm schwer, das konnte sie sehen, wie er kurz seine Kiefer aufeinander presste und seine Augen, die bis dahin das Eisblau seines hier genutzten Aussehens gehabt hatten, mit Silber durchzogen wurden. Was in ihren Augen sowohl schön, als auch unheimlich aussah. „Sie spürten sofort, dass ich von Anfang an über meine volle Macht verfügte. Und das diese vor niemandem Halt machen würde. Auch vor ihnen nicht, denn das Ende kommt auch über die Wächter.“ „Sie hatten Angst vor dir.“, stellte Raven leise und erschüttert fest. „Haben, und das zu Recht. Wir waren einmal 30 Wächter, inklusive dem Wächter der Zeit und deiner Großmutter und mir. Jetzt sind wir nur noch 10, was nahezu das absolute Minimum an Wächtern ist, um dieses Universum mit all seinen Welten existieren lassen zu können.“ „Was… was ist mit den anderen Wächtern passiert?“, fragte Raven stockend. Er sah sie einfach nur an und zählte auf ihren wachen Geist, den er so sehr zu schätzen gelernt hatte. Es dauerte nicht lange und er spürte, wie sie begriff. Sie senkte ihren Kopf und er spürte ihren Kummer. Nur ihren Kummer, nicht ihre Angst vor ihm oder ihren Ekel. Wieder reagierte sie anders, als er es erwartet hatte. „Was haben sie dir angetan, dass du keinen anderen Ausweg mehr gesehen hast, außer sie zu töten?“, fragte sie schließlich leise. Kein Wort der Anklage, keine Abscheu, Tarabas war verwirrt. Vor allem weil er nun überdeutlich spürte, dass sie bekümmert war, weil IHM etwas angetan sein musste und er sich einfach nur gewehrt hatte. Er musste sich leise räuspern, bevor er seine Erzählung weiter führte. „Wie gesagt, sie fürchteten mich, den Jüngsten, vom ersten Augenblick an. Und das habe ich sofort gespürt und natürlich nicht verstanden. Sie zerrten mich von Artris fort, nachdem sie verstanden hatte, was ohne ihr Zutun und Wollen geschehen war und isolierten mich. Ich spürte jedes Mal ihre Angst, die sich im Laufe der Zeit schlichtweg in Hass umwandelte. Ich wollte einfach nur mit meiner Schwester zusammen sein, doch sie sagten mir, dass sie mich nicht sehen wollte, weil ich so…“ Er unterbrach sich, holte tief Luft und presste noch einmal seine Zähne fest auf einander. Raven spürte mit einem Mal den überdeutlichen dunklen Strudel, der nun in ihm aufbrach und den er nur mit Mühe in Schach hielt. „…weil ich so ein Monster bin.“, beendete er dann seinen Satz fast tonlos. Raven entwich kurz ein kummervoller Laut und sie richtete sich richtig auf, um ihre Arme um ihn zu schlingen, obwohl sie so tropfnass war. „Du bist kein Monster.“, versicherte sie leise an seinem Ohr. „Du bist genau richtig so wie du bist.“ „Sieh mich doch an, Sahva.“ Raven spürte, wie ein eisiger Schauer über ihre Haut fuhr und das hatte nichts damit zu tun, dass sie nass und nackt war. Sie brauchte nicht wirklich aufzusehen, denn seine Hand legte sich neben ihre. Seine Haut war wieder fast weiß und lange schwarze Fingernägel zierten seine Hände, dunkel und glänzend wie Onyx. „Was anderes als ein Monster kann ich sein, wenn ich so aussehe? So bleich? So kalt?“ Neben ihrer Hand, die vom Ritt noch etwas stärker getönt war als sonst, sah seine Haut wirklich bleich aus. Dennoch verschränkte sie die ihre mit der seinen, wohl wissend, wie gefährlich die langen Nägel waren. Schließlich konnte sie sich daran erinnern, wie seine Hand aus der Brust des Anführers der Invasoren geragt hatte, auch wenn sie sich nicht mehr an alles mit wirklicher Klarheit erinnern konnte. „Na und? Und ich habe dunkle Haare und andersfarbige Augen und stamme trotzdem von den Shino ab, auch wenn es einige gibt, die das anzweifeln. Du bist richtig so wie du bist. Ich mag deine helle Haut. Und deine schwarzen Haare.“ Sanft strich sie durch die Masse seines dichten schwarzen Haares. Dafür, dass es so dick war, glitt es sanft wie Seide ihre Finger entlang. „Ich möchte nicht wissen, was man alles zu dir gesagt hat, aber ich weiß, wie verletzend Worte sein können. Und ich bin nur ein kurzlebiger Mensch.“ Mit einem sanften Lächeln berührte sie ganz vorsichtig seine Wange, vorsichtig, da sie begriffen hatte, da er Berührungen gegenüber etwas misstrauisch war. Was bei dem, was er ihr erzählt hatte, nicht weiter verwunderlich war. „Ich mag dich gerne ansehen. Ich weiß nicht, ob das etwas zählt, aber…“ Er legte seine freie Hand auf ihre und verstärkte so den Druck der ihren auf seine Wange. Es war ersichtlich, dass er diese Berührung genoss. //Es zählt mehr als du denkst.//, sendete er ihr zu und sie spürte, wie ergriffen er war. Sie spürte den Aufruhr und die Verwirrung in ihm ebenso wie zaghafte Hoffnung. Den Schmerz, den er bislang durchlebt haben musste, sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie er das überstanden haben mochte.   Sie hielt ihn noch einige Zeit so und sicherlich boten sie beide ein seltsames Bild, sie, wie sie halb aus der Wanne heraus gebeugt kniete und er, der Herrscher dieser Welt, trotz seiner körperlichen Größe am Boden des kleinen Bades hockend, die Augen geschlossen und eine einfache Berührung genießend als würde sein Leben davon abhängen. Irgendwann öffnete er seine Augen wieder, sein Aussehen nahm seine in dieser Welt übliche Form an und er atmete einmal tief durch. Dann hauchte er einen zaghaften Kuss auf die Innenseite ihrer Hand, die ihn eben noch berührt hatte. „Du solltest jetzt dein Bad beenden und dich dann zur Ruhe begeben. Dein Körper schreit nach einer Pause.“, meinte er leise, dann stand er auf und schob Raven schließlich sanft zurück in die Badewanne. Seine Miene verdeutlichte ihr, dass er keinen Widerspruch dulden würde, so nickte sie nur und sah ihm hinterher, als er das Bad verließ.   Sie brauchte nicht lange, bis sie mit ihrem Bad fertig war. Immerhin war ihr Haar bereits gewaschen, der Rest war schnell erledigt. In ein Handtuch gewickelt kam sie dann in das eigentliche Gästezimmer zurück, wo bereits eine kleine Mahlzeit aus frischem Brot, Marmelade und Tee wartete. Tarabas stand am Fenster und sah hinaus auf das Dorf und das dahinter liegende Meer, drehte sich aber sofort um, als sie eintrat und sich sofort etwas von dem bereitgestellten Brot vom Teller nahm, weil ihr beim Anblick des Essens sofort bewusst wurde, wie hungrig sie in Wirklichkeit war. „Möchtest du auch etwas?“, fragte sie dennoch. „Es ist dein Essen, Sahva. Nimm es, du brauchst die Energie. Dein Körper und deine Seele haben viel mitmachen müssen.“, lehnte Tarabas freundlich aber bestimmt ab. „Aber…“ Wieder huschte ein Lächeln über seine Züge und er schüttelte seinen Kopf. „Die Erziehung deiner Eltern was Höflichkeit angeht in allen Ehren, kleine Kriegerin, aber ich bestehe darauf, dass du das allein isst. Ich brauche kaum Nahrung und noch weniger Schlaf.“, erklärte er ihr. So ließ sie sich ergeben auf einen der Stühle sinken und begann zu essen, wobei sie nach den ersten Bissen wahrhaft Mühe hatte, das Brot nicht herunter zu schlingen, so hungrig war sie mit einem Mal. Sie hörte Tarabas leise kichern und sah dann entschuldigend auf. „Es ist normal, dass du einen solchen Hunger hast, Sahva, und ich froh, dass du so reagierst. Wir konnten dein verlorenes Blut zwar deinem Körper zurück führen, doch auch mit den Heilkräften deiner Großmutter brauchte dein Körper jegliche zur Verfügung stehende Energiereserve, die er noch hatte. Davon, dass deine Seele ihren Ursprung verlassen hatte und ich sie zurückführen musste, will ich gar nicht erst sprechen.“ Erschüttert sah sie ihn an und ließ das Brot, von welchem sie grade abbeißen wollte, sinken. „Ich war tot?“, fragte sie schließlich leise. Er kam näher und setzte sich dann auf den anderen Stuhl am Tisch. Und nach einem kurzen Zaudern berührte er ihre Hand so vorsichtig, wie sie es immer bei ihm getan hatte. „Nicht ganz. Aber das Tor zur Seelenwelt war geöffnet und deine Seele war auf dem Weg zur anderen Seite. Für dich hat heute ein neues Leben begonnen, nicht nur, weil dir eine Aufgabe aufgebürdet wurde, die alles andere als leicht ist.“ Ihr war der Appetit schlagartig vergangen und das, was sie bereits gegessen hatte, lag mit einem Mal wie ein Stein in ihrem Magen. Er spürte, dass bei ihr nun der Schock einsetzte, auf den er schon eher gewartet hatte. „Deine Eltern werden nichts davon mitbekommen haben. Es geschah sehr schnell, dass wir dich heilen konnten und da ich eh zugegen war konnte ich das Tor schnell schließen.“ Er hoffte, dass diese Worte eine beruhigende Wirkung hatten, denn wenn er ehrlich zu sich war, jemanden zu trösten, dem grade bewusst wurde, wie schlecht es um ihn gestanden hatte, darin war er alles andere als geübt. Sie senkte ihren Kopf und bemühte sich sichtlich und spürbar, ihr Zittern zu unterdrücken, welches sie nun ergriff. Was er nun tun sollte wusste er erst nicht, dann erinnerte er sich aber an die Mütter im Schloss, wie sie ihre weinenden Kinder einfach nur in den Arm nahmen und hielten, bis das Weinen vorbei war. So stand er wieder auf, umrundete den kleinen Tisch mit zwei Schritten, nahm Raven das Brot aus der niedergesunkenen Hand und hob sie dann einfach in seine Arme. Und wie die Kinder im Schloss schlang sie dann ihre Arme um seinen Hals und das Zittern wurde stärker. Das verwirrte ihn zuerst. //Es ist normal.//, hörte er dann mit einem Mal sanft und leise die Stimme seiner Schwester in seinen Gedanken. //Halt sie einfach, Bruder. Setz dich mit ihr auf das Bett und halt sie, bis das Zittern und Weinen aufhört. Das war alles ein bisschen viel für sie, auch wenn sie wirklich eine Menge einzustecken vermag. Sie braucht jetzt einfach nur die Nähe von jemandem, der ihr nahe steht und bei ihr ist.// Er tat, was sie ihm riet, schließlich hatte sie in dieser Hinsicht mehr Wissen und Erfahrung als er. //Dann solltest du besser an meiner Stelle sein.//, antwortete er ihr, ohne darüber nachzudenken, dass seine Finsternis in seinen Gedanken mit gesendet wurden und er ihr eventuell damit schadete. //Die Person, die sie jetzt am meisten braucht, ist an ihrer Seite. Sie braucht mich zum Trost nicht mehr. Diese Aufgabe habe ich jetzt dir übertragen.//, kam ihre Antwort und er spürte ihr Lächeln in seinem Innersten. //Meinst du nicht, dass du ihr damit einen Bärendienst erweist… Schwester?// Er vermeinte ihr Lachen zu hören, dann verschwand ihre Präsenz aus seinem Geist. So hielt er sich an Artris‘ Ratschlag und hielt die junge Frau in seinen Armen einfach, die ihm in dieser Situation so bedingungslos zu vertrauen schien, dass sie sich nicht schämte, ihre Schwäche zu zeigen.   Es dauerte eine Weile, bis Raven sich in seinen Armen wieder gefangen hatte. Je geringer das Zittern wurde, desto mehr spürte er die bleierne Müdigkeit, die von ihr Besitz ergriff. So löste er ihre Arme von seinem Hals und legte sie richtig auf das Bett. Sie hatte nicht wirklich geweint stellte er in diesem Moment fest, auch wenn ihre Augen feucht schimmerten. Sie hatte es trotz ihres mentalen Zusammenbruchs noch irgendwie geschafft, so viel Würde zu behalten. Seine dunkle Seite war unendlich stolz auf sie. Seine Wächterin war anscheinend wirklich eine Löwin. „Schlaf jetzt, Sahva. Du brauchst die Ruhe.“ Sie war vollkommen erschöpft und ihre Augen fielen schon von allein zu. Dennoch nickte sie noch kurz, während er die dünne Decke um ihre Schultern legte und mit einem Zauber dafür sorgte, dass sich die Vorhänge schlossen, damit das Licht ihren Schlaf nicht störte. //Ich werde mich draußen etwas umsehen. Es ist lange her, dass ich in diesem Bereich des Planeten war.//, richtete er ihr in Gedanken aus. Wieder nickte sie und es schien, als wollte sie noch etwas einwenden, doch ihre letzten Gedanken wurden von ihrer Erschöpfung hinfort gewaschen.   Er betrachtete sie noch eine Weile während sie schlief, dann verließ er das Haus, indem er einen Schatten herbei rief und sich von diesem die kurze Distanz zum Hafen tragen ließ. Es war warm, sehr warm sogar, so blieb ihm nichts anderes übrig, als in den Schatten der Hafengebäude zu bleiben. Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte er sich an eine Häuserwand und starrte auf das glitzernde Meer hinaus. Es war in dieser Nacht so einschneidendes passiert, dass er alles noch einmal reflektieren musste. Er erinnerte sich noch an den Augenblick, in dem er Ravens Seele berührt hatte, kurz bevor er die Stasis über die junge Frau ausgesprochen hatte. Ihre Seele hatte sich ihm geöffnet und ihm alles, wirklich alles von sich gezeigt. Es hatte nur den Wimpernschlag eines Augenblicks benötigt und er hatte alles über sie erfahren, so, als hätte er ihr gesamtes Leben an ihrer Seite verbracht. Er war zwar seit  Anbeginn dieses Universums der Wächter der vergangenen Seelen, aber so etwas war noch nie geschehen und er hatte wahrlich eine Unmenge an Seelen in Händen gehalten. Einschließlich der zahllosen, deren Leben er eigenhändig beendet hatte. //Du solltest nicht hier stehen.//, riss ihn die Stimme der Göttin des Lichts aus seinen tiefen Gedanken. Instinktiv zog sich etwas angriffslustig zusammen, als er ihre Stimme hörte. Anscheinend musste er noch einiges an sich arbeiten, um sein tiefes Misstrauen abzulegen. //So geht es.//, richtete er seine Gedanken an seine Schwester und ein kleines Schnauben war seinerseits zu hören. Aus einem Glitzern auf dem Wasser formte sich Artris‘ Gestalt und sie sah ihn mit einem sanften Lächeln an. Zwischen ihnen befanden sich einige Meter Abstand, doch es war gut, dass sie jetzt am Tag noch nicht zu nahe kam. Es war ihre Tageszeit und war nun voller Kraft. Wenn sie näher käme könnte er vielleicht Schaden nehmen, weil er ihre Nähe nicht gewöhnt war. //Stimmt es, dass du unsere Trennung nicht wolltest?//, stellte er sofort die für ihn wichtige Frage. Das Lächeln auf dem Gesicht der Göttin verschwand und sie nickte kummervoll. //Ich habe versucht zu intervenieren, doch fehlte mir die Kraft dazu. Ich habe lange gebraucht, bis ich stark genug war, meinen Körper und meine Kraft zu nutzen. Bis ich es schaffte und verstand, was passiert war und was mir fehlte, hatten dich die anderen aus der ersten Welt verstoßen und in die Welt verbannt, die am weitesten von unserem Geburtsort entfernt war. Ich konnte dir deswegen nicht folgen. Glaub mir, ich habe es versucht.// Wieder schnaubte er. //Oh, das weiß ich sehr wohl. Nur hatte ich deine Versuche als Angriffe verstanden.//, meinte er und war in der Tat amüsiert über diese Erklärung der ersten Erschütterungen auf das Bannsiegel um den Makai. //Ich war nicht besonders geschickt zu dieser Zeit.//, gab sie verlegen lächelnd zu. //Das ist wohl wahr.// Er sah sie nun wirklich an, hatte er doch bis dahin seinen Blick aus Vorsicht etwas abgewandt gehabt. //SIE werden nicht begeistert sein, wenn sie erfahren, dass du Kontakt zu mir hast.//, rief er ihr eine unbequeme Gewissheit in Erinnerung. Nun schnaubte Artris und er konnte kurz Wut in ihrem Blick sehen. //SIE können mir, wie sagen meine Enkel es so schön, geflissentlich den Buckel runter rutschen.// Dieser Ausdruck passte so wenig zu dem Bild, welches er sich von der Göttin des Lichts gemacht hatte, dass er leise lachen musste. //Wären sie nicht entsetzt, wenn sie das hören könnten?// //Oh, das wissen sie durchaus. Sie versuchen mich schon seit Ewigkeiten zu beeinflussen. Die erste Zeit habe ich das mit mir machen lassen. Aber diesen Vorteil haben sie schon lange nicht mehr.// Sie hielt seinem Blick stand und nach einem kurzen Augenblick kehrte auch ihr Lächeln zurück. //Es ist schön, endlich mit dir sprechen zu können.// //Du meinst ohne dass ich einen Tobsuchtsanfall bekomme und die Welten auseinander nehme.//, fügte er an und sein Lächeln bekam einen bitteren Zug. //Selbst da hast du nicht mit mir gesprochen. Du hattest mich vollkommen ignoriert und nur mit den anderen Worte und Hass gewechselt.//, erinnerte sie ihn und zeigte ihm einen Hauch ihres Kummers. //Auch wenn du es mir vielleicht nicht glaubst, aber ich bereue, was damals geschehen ist. Wie ich gehandelt habe. Auch wenn ich lange gebraucht habe, um zu diesem Punkt zu kommen.//, gestand er leise. //Dir hat die Zeit hier gut getan. Das hatte ich insgeheim gehofft als ich dir deine Kräfte blockierte.// Das Tagesgestirn erreichte seinen höchsten Stand und begann in seinen Augen zu schmerzen. Doch er wollte sich nicht zurückziehen, sondern weiter mit seiner Schwester sprechen. Dieses vorsichtige Gespräch begann die ersten Risse zu kitten, zumindest kam ihm das so vor. //Wir können gerne an einen schattigeren Ort gehen.//, schlug sie freundlich vor. //Weißt du wo der Loram-Wald ist?//, fragte er sie. Ihr Lächeln vertiefte sich. //Natürlich.// So verschwand er, behielt aber eine gedankliche Verbindung zu Raven, damit er sofort zurückkehren konnte, wenn sie zu erwachen begann.   Der Loram-Wald, wie die Menschen den dichten Wald in der Nähe des Schlosses nannten, beruhigte seinen empfindlichen Körper sofort, als er in ihm wieder Gestalt annahm. Es war angenehm dämmrig in ihm, dennoch fielen immer wieder Sonnenstrahlen durch das Blätterdach hindurch und ließ den Wald geheimnisvoll wirken. Er spürte wie Artris kurz nach ihm ankam und war erstaunt, dass sie eine vollkommen menschliche Gestalt angenommen hatte. Nichts an ihr leuchtete mehr, nur ihr nun geflochtenes, beinahe bodenlanges weißblondes Haar und die goldenen Augen verrieten, dass es sich bei ihr nicht um ein sterbliches Wesen handelte. Sie trug auch kein Kleid mehr, sondern ein schulterfreies weißes Shirt und einfache rehbraune Hosen ohne Schuhe. So wirkte sie jung, nicht älter als ihre älteste Enkelin. „Nimmst du öfters diese Form an?“, konnte er sich nicht verkneifen zu fragen. „Nicht so oft wie ich es gerne täte, aber immer mal wieder, ja.“, antwortete sie mit einem sanften Lächeln, welches in ihrer jetzigen Gestalt noch um einiges wärmer ausfiel. Augenblicklich spürte er eine zweite Anwesenheit und sah stirnrunzelnd in die Richtung, aus der sie kam. Für einen kurzen Augenblick erblickte er zwischen den Büschen die Gestalt einer stattlichen Frau mit getönter Haut und geflochtenen brombeerfarbenden Haaren. Ohne Zweifel war sie eine Kriegerin. „Das ist Maya. Sie ist meine Wächterin. Da sie weiß, wie oft ich dich beobachte, wollte sie dich endlich einmal mit eigenen Augen sehen.“, erklärte Artris freundlich. Die Kriegerin betrachtete ihn weiterhin schweigend und aufgrund ihres ernsten Gesichtsausdrucks war er sich nicht sicher, ob er ihr Urteil hören wollte. Doch dann hoben sich mit einem Mal ihre Mundwinkel zu so etwas wie einem Lächeln, dann deutete sie ein Neigen ihres Kopfes an und verschwand dann in einem Wirbel aus Licht. „Maya hält sich vor allen Blicken fern, nur meine Tochter hat sie einmal kurz gesehen. Du kannst dich also geehrt fühlen.“, meinte Artris freundlich. „Ist dem so?, fragte er und zog eine Augenbraue in die Höhe, doch ein kleines Lächeln milderte seinen kleinen Spott gleich wieder ab. „Ich muss sagen, dass ich wirklich erstaunt bin, dass du dich in so eine Erscheinung zwängst. Sie ist wirklich gut. Ich spüre deine Energie kaum.“ „Danke für das Lob.“, meinte Artris mit einem erfreuten Lachen. Tarabas konnte sich nicht helfen, er erkannte ihre Enkelin in diesem Lachen. „Das habe ich deiner Wächterin zu verdanken. Sie fragte mich als ich klein war mit so unschuldigen Augen, warum ich sie nicht richtig in die Arme nehmen kann, dass ich so lange experimentiert habe, bis ich diese Erscheinung geschafft habe.“ Sie sah ihn wieder an und ihr Lachen wurde zu einem leicht wehmütigen Lächeln. „Sahva bedeutet mir wirklich sehr viel, Tarabas. Gib bitte gut auf sie acht. Sie mag stark erscheinen und das ist sie auch, aber sie verlang sich oft zu viel ab. Wie du heute ja selbst gesehen hast.“ „Ist Sahva immer so? Wenn ja habe ich irgendwann graue Haare, das spüre ich jetzt schon.“ Artris begann wieder zu lachen, glockenhell und warm. „Ja, das könnte ich mir direkt vorstellen.“ Vergnügt sah Artris ihn an. „Ja, Sahva ist immer so, du solltest dich besser daran gewöhnen. Manchmal ist sie ein wenig ungestüm, aber ich denke, das können wir ihrem Alter zuschreiben. Obwohl ich finde, dass sie sich zu viel Verantwortung und Ernst aufgebürdet hatte in der nahen Vergangenheit.“ Er wusste sofort, wovon seine Schwester sprach, denn er kannte ja nun Ravens gesamte Vergangenheit und Vorlieben. „Sie nimmt es sehr mit, dass sie den Ansprüchen ihrer Mutter nicht entspricht.“, meinte er nachdenklich. „Das sind nicht die Ansprüche ihrer Mutter sondern das, was sie denkt, was ihre Mutter von ihr erwartet. Weil es diejenigen, die ihre Mutter in ihrer Rolle umgeben, ihr immer wieder gesagt haben. Shana möchte einfach nur, dass ihre Älteste glücklich ist.“ „Sie wird auf jeden Fall etwas dagegen haben, dass ihre Tochter von nun an einen dunklen Weg beschreiten wird, Artris.“, erinnerte er die Göttin ernst. „Den beschreitet sie doch schon seit vielen Jahren, Tarabas. Du hast Sahvas Seele berührt. Da solltest du das eigentlich wissen.“, rief sie ihm im Ausgleich ins Gedächtnis. „Das war bislang noch gar nichts. Vor ihr liegt nun endlose Finsternis.“ Ich liege vor ihr wollte er damit sagen, doch er behielt diese Worte für sich. Doch Artris‘ Zuversicht blieb. „Hast du Sahvas Tätowierung schon gesehen?“, fragte sie plötzlich. „Heute, ja. Mehrfach.“ „Und was bedeutet ihr Shino-Name?“, fragte sie weiter weil sie wollte, dass er etwas begriff. „Mond.“, meinte er etwas genervt. „Ich weiß nicht, was du…“ Mit einem Schlag wurde er still und er sah die Göttin überrascht an. „Der Mond ist nichts anderes als ein Licht in der Finsternis. Ein Leitfeuer für jene, die sich in der Dunkelheit verirrt haben. Oder sehe ich das falsch?“, fragte sie weiter und ihr Lächeln wurde geheimnisvoller. „Sahvas Mutter weiß um die wahre Bedeutung des Namens ihrer Tochter. Nämlich dass sie für jemanden, der sich in der Dunkelheit verloren hat, Hoffnung sein wird. Denk also nicht daran, was Sahvas Eltern über dich denken könnten. Sie werden dich nämlich positiv überraschen.“ Artris trat einige Schritte von ihm fort. „Ich hoffe, wir können unser Gespräch eines Tages weiterführen.“, meinte sie und ihr Lächeln wurde noch einmal sanfter. „Und eines Tages, so hoffe ich, wirst du verstehen, wie meine Gefühle für dich wirklich sind, Bruder.“ Dann ging sie auf die Büsche zu, zwischen denen ihre Wächterin kurz zuvor noch gestanden hatte und verschwand dort dann ebenfalls in einem Wirbel aus Licht. Kapitel 10: Zurück ------------------ Tarabas verharrte noch einige Zeit nachdenklich im Schutz des Waldes nahe der Hauptstadt und hing seinen Gedanken nach, bis die Sonne den Horizont berührte. Nie hätte er, der bereits so viel undenkliches schon so viele Male gesehen hatte, gedacht, dass sich an einem Tag so viel verändern könnte. Zumal es ihn selbst betraf. Alles, was bisher einschneidend seine Existenz beeinflusst hatte, hatte sich bislang immer lang in irgendeiner Form angekündigt gehabt. Doch dass er eine Wächterin haben würde, daran hatte er niemals geglaubt, auch wenn Artris ihm das vor vielen tausend Jahren prophezeit hatte, in jeder Nacht, als sie ihn mit allen überlebenden Alten gestellt, gefesselt, verletzt und schließlich gebannt hatten. Nach dieser Nacht erwachte er auf diesem Planeten. Wie er nach Laos gekommen war wusste er nicht, doch die Bewohner, eine junge Zivilisation, hatten ihn aufgenommen und sich um die schweren Verletzungen seines nun festen Körpers gekümmert. Sie hatten sofort gespürt, dass er anders war, dennoch nahmen sie ihn auf, kümmerten sich um ihn und schließlich, als alles verheilt war, erwählten sie ihn nach vielen Jahren, in denen er sie beraten hatte, zu ihrem König. Es war eine Rolle, die er auch in seiner Heimat inne gehabt hatte und er hatte sich verpflichtet gefühlt, ihnen zumindest für die Jahre, die sie ihn geheilt hatten, anleitend zur Seite zu stehen. Das zumindest gebot ihm sein Ehrgefühl, denn auch wenn die anderen seiner Art es ihm nicht zutrauten, Ehrgefühl war sehr stark in ihm und somit auch in allen anderen, die einen dunklen Kern in sich trugen. Doch aus den sechs Jahreszeitenwechsel, die er für seine Heilung gebraucht hatte und die er eigentlich nur hätte ableisten müssen, wurde eine Zeitspanne, die eintausend Mal so lang geworden war. Einfach aus dem Grund, weil er diese Welt zu schätzen gelernt hatte, so wie er auch seine eigentliche Heimat, den Makai schätzte. Darum war er geblieben, obwohl er immer wieder mit den Adeligen dieses Planeten über seine Rückkehr in seine Heimat gesprochen hatte. Sie hatten ihn jedes Mal gebeten zu bleiben und er blieb gern, auch wenn er mit ihnen ausmachte, dass er immer mal wieder für einige Zeit verschwinden würde. Das wurde akzeptiert und er konnte hier ein ruhiges Leben im Exil leben, ohne das jemals ein Mitglied seines Volkes hier nach ihm gesucht hatte. Das sie ihn suchten, das erfuhr er bei seinen Besuchen im Makai. Wieder einmal dachte er über den Grund dafür nach und wieder einmal fand er keine Erklärung dafür. Doch lange dachte er dieses Mal nicht darüber nach, denn er spürte, dass Raven erwachte. Mit einem leisen Fluch ließ er sich von einem Schatten einfangen und zurück zum Haus des Fischers bringen. Raven war erwacht und hatte sich allein in dem Gästezimmer gefunden, doch es machte ihr nichts aus, dass Tarabas nicht bei ihr war, auch wenn sie ihn im ersten Moment vermisste. Doch dann vermeinte sie ihn als ein Echo in sich zu spüren und der romantische Teil in ihr hoffte, dass es sich dabei um so etwas wie diese Verbindung aus ihren Büchern handelte. Sie lächelte bei diesem Gedanken, auch wenn dies sicherlich völlig an den Haaren herbei gezogen war und ihr wieder einmal die Fantasie durchging, wie sie sich selbst tadelte. //Warum meinst du, dass mit dir die Fantasie durchgeht, wenn du eine Tatsache spürst?//, hörte sie mit einem Mal Tarabas' Stimme in ihrem Kopf. Sie sah irritiert auf, denn jetzt war die Verbindung zu ihm anders als beim letzten Mal, als sie so mit einander kommuniziert hatten. Die Verbindung war intensiver und wie tief dunkler Samt, der ihren Geist umfing. Zudem spürte sie, wie er sehr rasch näher kam. Schließlich stand er vor ihr und sah ihr wieder in die Augen, obwohl sie einen Augenblick zuvor noch allein in dem Zimmer gestanden hatte. Er lächelte ein geheimnisvolles Lächeln, dann berührte er vorsichtig ihre Wange, so wie sie es bei ihm getan hatte. „Du wirst mich von nun an immer spüren können, so, wie ich dich spüre.“, erklärte er ihr freundlich. „Das ist ein erfreulicher Gedanke.“, äußerte sie dazu und meinte es auch so. Dann stand sie auf und suchte sich ihre Kleidung zusammen. Sie schien in der Zeit, die sie geschlafen hatte, gereinigt und ausgebessert worden zu sein, denn sie lag ordentlich auf dem Stuhl ihres Zimmers und zog sich an. „Geht es dir wieder besser?“, fragte Tarabas sie behutsam und irgendwie vermeinte sie Sorge bei ihm zu spüren. Sie sah ihn an, während sie in ihre Hose schlüpfte und lächelte sanft. „Ja, viel besser, danke. Auch wenn ich mich entschuldigen muss, dass ich so dumm reagiert habe.“ Er schüttelte nur leicht seinen Kopf. „Du hast nicht dumm reagiert. Dein Geist hatte nur begriffen, was deinem Körper und deiner Seele zugestoßen war. Ich habe eher damit gerechnet, dass der Schock eintrat. Du bist sehr stark, Sahva.“ Sie konnte sich nicht helfen, doch sein Lob bedeutete ihr wirklich viel. „Was hast du gemacht, während ich geschlafen habe. Ich hoffe, du hast dich nicht allzu sehr gelangweilt.“, bemühte sie sich um ein relativ normales Gespräch mit ihm. Er spürte das und kicherte leise. Das er nun anscheinend nach dem, was letzte Nacht passiert war, lachen konnte erfüllte sie mit Freude. „Ich war draußen und habe mit deiner Großmutter gesprochen.“ „Oh.“, meinte sie und ihre Freude verstärkte sich, denn da dieser Planet noch existierte schien zu bedeuten, dass sich die beiden nicht gestritten hatten. „Der Gedanke war nicht nett, Sahva.“, wies Tarabas sie zurecht, doch er lächelte weiterhin, da er anscheinend wusste, dass sie das nicht böse gemeint hatte. Er schien wirklich sehr deutlich zu spüren, was sie dachte. „Tschuldigung, aber der musste sein.“, lachte sie leise, denn sie hörte Personen im Gang außerhalb des Zimmers. „Du würdest dich sehr gut mit einem alten Freund von mir verstehen befürchte ich.“, war Tarabas' daraufhin nur und sie hatte mit einem Mal das Gefühl, dass er diese Art Scherz gewöhnt war. „Bin ich. Sogar mit noch wesentlich derberen Scherzen, auch wenn ich die nie wirklich verstanden habe.“, erklärte er ihr. „Nicht verstanden?“ Nun war sie verwirrt. „Das deine Großmutter Larscha und alle anderen Bewohner hier von Laos davon ausgingen, dass ich meine Gefühle verloren hatte, ist richtig und falsch. Gefühle in der Art wie du sie kennst waren mir fremd, zumindest was die positiven Gefühle anging. Die negativen, also dunklen Gefühle gehören zu mir wie alles, was dunkel ist.“, versuchte er zu erklären. „Aber jetzt kannst du lachen.“, wandte sie verwundert ein. „Ja, jetzt kann ich lachen. Dank dir.“ Er lächelte nun und es war ein sanftes, warmes Lächeln. Es war genau so, wie sie es immer gespürt hatte oder zumindest geglaubt hatte zu spüren. „Weil deine Seele von Anfang an auf mich reagiert hat, kleiner Stern. Du hast das erkannt, wie es sein sollte.“, erklärte er weiter. „Und warum kannst du jetzt positive Gefühle spüren und zeigen?“, wagte sie zu fragen. „Das habe ich dir zu verdanken.“, war seine sanfte Antwort. „Als ich deine Verwundung untersuchte hatte ich sowohl dein Blut, als auch deine Seele berührt, die sich von ihrem Ursprung lösen wollte. Das ich dies kann ist meiner Natur geschuldet. Das ist meine Aufgabe. Aber normalerweise passiert nichts, wenn ich eine Seele in den Händen halte. Bei deiner Seele war es anders. Sie hat sich mir geöffnet und mir alles von dir offenbart. Und mich anscheinend das gelehrt, was mir bislang fehlte. Deswegen bin ich jetzt anscheinend in der Lage zu lachen.“ Sie kam auf ihn zu und strich ihm dann behutsam eine der tiefschwarzen Haarsträhnen zurück. Wieder glaubte sie, dass er daraufhin leise schnurrte als Zeichen seiner Zufriedenheit. „Und worüber hast du draußen mit deiner Schwester gesprochen?“, fragte sie schließlich und griff das erste Thema wieder auf, während ihre Fingerspitzen über seine Wange glitt und dann die kühle Haut seines Halses hinab. Sofort wurde das Schnurren intensiver und seine Augenlider senkten sich. Der Funke zwischen ihnen glomm sofort wieder auf und wurde wieder sehr rasch lodernd. „Unter anderem über dich.“, antwortete er ihr, doch seine dunkle Stimme klang nun eher wie ein leises Knurren. „Warum wundert mich das nicht.“, meinte sie mit einem Lächeln und fühlte sich mit einem Mal wirklich kühn. Deswegen streichelte sie ihn weiter, auch wenn er sehr hochgeschlossene Kleidung trug und sie nicht viel hatte, was sie berühren konnte. „Geliebte Finsternis, Sahva. Was machst du mit mir?“, knurrte er leise, dann drängte er sie gegen die Wand hinter ihr, bevor er wieder seinen Kopf senkte und erneut an ihrem Hals schnupperte. Die Flamme zwischen ihnen flammte sofort höher. Doch dieses Mal beließ er es nicht bei dem Schnuppern, Raven spürte kurz darauf, wie seine Lippen ihre Haut berührten und dann sanft liebkosten. Seine Haut auch an den Lippen war unglaublich kühl, doch das störte sie nicht, im Gegenteil. Aus irgendeinem Grund verstärkte dies das Kribbeln in ihrem Körper nur noch und Hitze entwickelte sich in ihr. Und als Reaktion durch ihre Verbindung wurde Tarabas' leises Knurren lauter, die Küsse auf ihrer Haut kamen rascher und sie meinte sein erwachtes Verlangen zu spüren. Dann klopfte es an ihrer Tür. „Prinzessin, seit ihr erwacht?“, hörten sie die Stimme des Fischermeisters freundlich fragen. Tarabas zuckte beim Klang des Klopfens zusammen und sein Körper spannte sich an, so, als würde er sich zu einem Angriff sammeln. Das er verärgert war war mehr als deutlich spürbar, zumindest für sie. „Ja, Meister Minan. Ich kleide mich grade an.“, antwortete Raven laut, während sie instinktiv ihre Hand in einer beschwichtigenden Geste auf Tarabas' Brust gelegt hatte. Er wurde deswegen sofort vollkommen bewegungslos, auch wenn er die Zimmertür beinahe hasserfüllt anstarrte und sich seine Lippen zu einer alles andere als freundlichen Miene verzogen hatte. Es sah eher danach aus, als wollte er seine Zähne fletschen und den Störenfried anfallen . „Wir bereiten unten das Abendessen. Ich würde mich freuen, wenn ihr uns dabei Gesellschaft leisten würdet.“, sprach ihr Gastgeber seine Einladung aus. „Ich werde gleich zu euch stoßen. Vielen Dank für sie Einladung, Meister Minan.“, sprach Raven laut, während sie behutsam den Dämon vor sich mit sanftem Streicheln zu beruhigen versuchte. Denn nichts anderes war Tarabas grade, er war zornig, weil sie erneut unterbrochen worden waren. Schritte außerhalb des Raums erklangen und entfernten sich. „Irgendwie haben wir kein Glück.“, kicherte sie leise und sah Tarabas dann an. Er war noch immer zum Angriff angespannt und seine Augen leuchteten silbern. Anscheinend geschah dies wenn er in welcher Form auch immer erregt war schloss sie für sich und gestand sich ein, dass sie das silberne Leuchten mochte. Tarabas rührte sich nicht, was sie zuerst verwunderte. Doch dann nahm sie langsam ihre Hand von seiner Brust und sofort kehrte wieder Leben in ihn. Mit wildem Blick sah er sie an und seine Brust hob und senkte sich mit einem Mal schnell, doch er beruhigte sich ebenso schnell wieder. Und mit einem Mal fand sie sich in seiner Umarmung wieder. „Du kannst mich aufhalten, der Finsternis sei Dank.“, murmelte er dann an ihrem Ohr und sie spürte seine grenzenlose Erleichterung. „Was?“ Nun war sie wahrlich verwirrt. Er legte seine Stirn an ihre. „Ich reagiere nicht gut darauf, wenn man mich erschreckt. Und das ist für denjenigen, der dies tut, in der Regel tödlich. Ich konnte da bislang nichts gegen tun außer immer besonders aufmerksam zu sein, damit mich hier niemand in dieser Form überrascht. Minan ahnt gar nicht, in welcher Gefahr er grade geschwebt hat.“ Er war alles andere als stolz auf diese Eigenschaft an sich, dass konnte sie an seiner Miene sehen und brauchte deswegen nicht auf ihre neue Wahrnehmung ihm gegenüber zurückgreifen. „Aber deine Berührung hat mich zurückgehalten. Ich danke dir dafür.“ Sanft streichelte sie wieder seinen Rücken. „Gern geschehen, auch wenn ich nicht wirklich wusste was ich tat.“, meinte sie lächelnd. Er hielt sie noch eine kurze Zeit, denn er schien das zu genießen, dann ließ er sie los. „Du solltest runtergehen, kleiner Stern. Deine Gastgeber werden bereits auf dich warten. Ach ja, und Sahva, ich denke, wir sollten uns alsbald auf den Rückweg ins Schloss machen. Deine Großmutter sollte bald zurückkehren.“ Sie nickte, stellte sich kurz auf die Zehenspitzen und küsste sanft seine schmalen Lippen, dann ging sie zur Zimmertür, lächelte ihm noch einmal zu und verschwand dann ins Erdgeschoss. Sie verbrachte einen angenehmen Abend mit der Familie des Fischers. Zuerst waren die Frau und die beiden Kinder Minans erschrocken als sie bemerkten, dass sie a eine Frau und b vom Rang her eine Prinzessin war, doch Raven schaffte es schnell, das aufkommende Unbehagen zu zerstreuen. Dennoch kehrten ihre Gedanken immer wieder zu Tarabas zurück, es war ihr unangenehm, dass er allein zurück geblieben war. Doch kaum das ihr dieser Gedanke kam hatte sie das Gefühl, als würde ihr jemand sanft durch das Haar streicheln. Es war eine wortlose Beruhigung, dass es in Ordnung war. So blieb sie dann doch länger bei der Familie als sie zuerst geplant hatte und blieb so lange Gast an ihrem Tisch, bis die kleine Tochter der Familie ins Bett geschickt wurde. Am nächsten Morgen war es nun an der Zeit aufzubrechen. Mit Hilfe von Minans Sohn sattelte sie ihr Pferd, während Tarabas die ganze Zeit neben ihr stand und dem geschäftigen Treiben irgendwie amüsiert zusah, auch wenn er etwas fremd in dieser Umgebung wirkte, so, als wäre er nicht dazugehörig. //Wo ist Senca?//, fragte sie ihn schließlich neugierig, weil sein edles Ross nirgends zu entdecken war. //Im Makai wo er hin gehört.//, antwortete er freundlich. //Willst du die ganze Zeit laufen?// Tarabas lachte in ihrer telepathischen Verbindung und das ließ sie lächeln. //Natürlich nicht. Wir reisen gleich anders zurück, als du hergekommen bist.//, erklärte er ihr, bevor er Ravens Pferd eine Hand an den Hals legte und schließlich etwas ins Ohr flüsterte. Raven fragte nicht weiter nach, sie hoffte, dass er ihr alles erklären würde, wenn sie das Dorf verlassen hatten. Dann wandte sie sich Minan zu, während dessen Frau noch einige Dinge in ihre Satteltaschen tat. „Ihr findet euren Weg zurück?“, fragte der Fischermeister ein wenig besorgt. Sie nickte. „Ihr habt mir ja eine gute Wegbeschreibung gegeben. Außerdem hatte mir seine Hoheit ebenfalls eine Karte mitgegeben, weil er wusste, dass ich es nicht von euch verlangen konnte, dass ihr mich zurück begleitet.“, erklärte sie dem Mann. //Ach, habe ich das?//, hörte sie Tarabas' amüsierte Stimme in ihren Gedanken, worauf sie das drängende Gefühl hatte, dass sie ihn treten wollte. Was ihn irgendwie noch mehr erheiterte. „Bleibt ihr noch länger hier auf Laos, Prinzessin?“, fragte Minan weiter. „Ich hoffe doch, dass ich euch irgendwann wiedersehen werde.“ „Ich denke, ich werde nun öfter bei seiner Hoheit zu Besuch sein. Wir verstehen uns sehr gut und ich denke, ich kann hier bei ihm noch eine Menge lernen.“, antwortete sie wahrheitsgemäß. „Das freut mich zu hören. Gehabt euch wohl, Prinzessin. Und habt eine gute Reise.“, wünschte Minan ihr. „Die werde ich sicherlich haben. Ich wünsche euch und eurer Familie alles Glück der Welt.“, verabschiedete sie sich von der netten Familie, dann schwang sie sich in den Sattel ihres Pferdes, um dieses dann in einen sanften Schritt zu bringen, mit dem sie den Marktplatz überquerte. Bevor sie den Hauptweg zum Dorfausgang erreichte drehte sie sich noch einmal im Sattel um und winkte zum Abschied, dann verschwand der Blick zum Marktplatz, als sie um eine Ecke biegen musste. Tarabas schritt die ganze Zeit neben ihr und dem Pferd her, was irgendwie komisch anmutete. //Du machst dir zu viele Gedanken.//, wies er sie mit einem freundlichen Seitenblick zurecht. //Lass mich doch.//, gab sie zurück. //Sich Gedanken machen ist an sich nichts schlecht, Sahva, aber es kommt immer auf die Art der Gedanken an. Du hast die Angewohnheit wie ich, dir zu schnell Sorgen zu machen, wie es scheint. Und sei es nur der Tatsache geschuldet, dass jemand wie ich für kurze Zeit neben einem Pferd her geht.// Sanft legte er seine Hand auf ihre, die den Zügel hielt. //Es ist in Ordnung.//, fügte er dann einfach noch an. Dann hatten sie auch schon das Dorftor erreicht. Hier verabschiedete sie sich noch von der diensthabenden Wache, bevor sie sich auf den Weg machte. //Reite den Weg entlang bis zu der Wiese, wo du die Eindringlinge bekämpft hast. Sie liegt außerhalb des Blickes der Küstendörfer. Da warte ich auf dich.//, wies Tarabas sie an, dann war er mit einem Mal verschwunden. So gab sie ihrem Pferd die Zügel und beide ritten mit einigem Tempo die Straße entlang. Keine halbe Stunde später hatte sie den Ort der geplanten Invasion erreicht. Sie zügelte ihr Pferd und blickte auf die Wiese, auf der sich so viel abgespielt hatte. Ein eisiges Erschaudern rieselte ihren Rücken entlang, als sie die niedergedrückten Grasflächen aus dem Sattel betrachtete, da Tarabas noch nirgends zu sehen war. „Geht es?“, hörte sie ihn mit einem Mal und als sie den Blick von der Wiese mit dem Meer im Hintergrund abwandte, da stand er wieder neben ihr. „Natürlich.“, meinte sie mit einem kleinen Lächeln, doch man sah ihr an, dass das Ganze ihr doch noch etwas zusetzte, jetzt, wo sie alles wusste was geschehen war. „Na komm, dann lass uns aufbrechen. Am besten steigst du aus dem Sattel dafür. Du bist meine Magie noch nicht gewöhnt, da ist es besser, wenn ich dich berühre, wenn ich dich durch die Dunkelheit führe.“, erklärte er ihr, woraufhin sie sich aus dem Sattel schwang. „Darf ich wissen was du vor hast?“, fragte sie neugierig. „Ich verkürze die Strecke zwischen hier und dem Schloss. Dazu nutze ich Schatten, die uns in kürzester Zeit an den gewünschten Ort bringen werden.“, erklärte Tarabas ruhig. „Klingt kompliziert.“, meinte sie dazu. „Ist es nicht. Man muss nur an den Ort denken, an dem man wieder erscheinen möchte. Das einzige, was vielleicht etwas unangenehm sein könnte, ist die Kälte in der Dunkelheit. Aber ich habe mir sagen lassen, dass das sehr schnell verfliegt.“ Damit streckte er ihr seine Hand entgegen. Ohne zu zögern legte sie die ihre hinein und lächelte dann. Dann wurde ihre Welt kurz Schwarz. Es war ein seltsames Gefühl, doch bevor sie sich vor der Dunkelheit und der wirklich eisigen Kälte fürchten konnte, lichtete sich die Finsternis um sie herum und sie stand mit einem Mal am Rande des Waldes, in welchem sie das kleine Mädchen aus dem See gerettet hatte. Wie beim ersten Mal, als Tarabas sie mit seiner Magie mitgenommen hatte, war sie überrascht, wie schnell alles gegangen war. „Wow.“, meinte sie, vor allem weil sie bemerkte, dass ihr Pferd ebenfalls bei ihnen und vollkommen ruhig war. „Danke für das Kompliment.“, meinte Tarabas schmunzelnd, dann sah er vom Waldrand aus zur Hauptstadt hinüber, die sich in einigen wenigen Kilometern Entfernung erstreckte. „Ich werde schon allein ins Schloss vorausgehen. Ich meine zu spüren, dass deine Großmutter bereits angekommen ist.“ Raven versteifte sich ein wenig, denn sie befürchtete eine erneute Standpauke von Larscha. Sofort beugte sich Tarabas zu ihr und küsste sie sanft. „Keine Sorge, ich kümmere mich um alles. Wenn du ankommst wird Larscha alles wissen, was wichtig ist.“ Er sah ihr noch einmal in die Augen und strich dann in einer ähnlichen Art wie sie es am Vorabend getan hatte eine Strähne zurück. „Und schon ist die Zeit der Zweisamkeit vorbei.“, meinte er bedauernd, auch wenn er lächelte. „Wir werden sicher schnell wieder neue Zeit finden.“, meinte Raven optimistisch. Er nickte nur, dann war er wieder so schnell verschwunden wie vor Minans Dorf. Es dauerte diesmal etwas länger, bis sie auf den Schlosshof einritt. Die Straßen der Stadt waren gut gefüllt, weswegen sie aus Rücksicht nur in Schrittgeschwindigkeit die Straßen passierte und auf das sandsteinfarbene Schloss zustrebte. Sie begrüßte die Wachen am Tor mit einem Kopfnicken, die sie anhand der mangelnden Reaktion anscheinend immer noch für einen Kameraden hielten. Durch den großen Schlosshof konnte sie dann etwas schneller reiten, denn die anwesenden Menschen hier machten ihr bereitwillig Platz. So hielt sie direkt auf die große Freitreppe zu, die ins Innere des Gebäudes führte und stieg dort aus dem Sattel. Ein Bediensteter war sofort zur Stelle und nahm ihr die Zügel ab. Sie bedankte sich und nannte ihm den Ort, wo sie die Satteltaschen hin haben wollte, dann hörte sie auch schon eine weibliche Stimme, die ihren Namen rief. Sie blickte die Freitreppe hinauf und sah ihre Großmutter auf sie zustreben. Tarabas begleitete sie, blieb aber etwas zurück. Er war wieder elegant wie immer hier im Schloss gekleidet, nichts wies mehr auf seinen lockereren Anblick nur wenig zuvor hin. Sie meinte ein leichtes Schmunzeln bei ihm erkennen, dann hatte Larscha sie erreicht und umarmte sie. „Seine Hoheit erzählte mir, dass es Probleme gab und du in seinem Namen unterwegs warst. Ist alles in Ordnung, Sonnenschein?“, fragte ihre Großmutter besorgt, „Ja, Grandma, alles ist in Ordnung.“, versuchte Raven diese zu beruhigen. „Was war denn so gravierend, dass du losgeschickt werden musstest?“, fragte sie leise. „Es sah danach aus, dass eine Invasion bevorstand.“, erklärte Raven leise, dann gingen beide Frauen die Treppenstufen hinauf und auf Tarabas zu, der auf sie wartete. Larscha wurde bei Ravens Worten blass vor Entsetzen. „Keine Sorge Grandma. Dad hat alles was er benötigt, um diese Welt zu schützen. Und ich hatte auch schon eine vorläufige Verfügung geschickt bekommen, dass Schutz unterwegs ist, die am Rand der äußeren Atmosphäre patrouillieren werden. Und so, dass die Bewohner nichts mitbekommen werden.“, erklärte sie der älteren Frau leise, die mit der Arbeit der Föderation bestens vertraut war. Dann sah Raven auf, da sie Tarabas erreicht hatten und knickste vor ihm, was für die anwesenden Besucher sicherlich etwas seltsam erschien, da sie ja wie ein Soldat erschien. „Euer Hoheit.“, begrüßte sie ihn höflich und mit einem Lächeln. „Prinzessin, willkommen zurück. Ich hoffe, ihr hattet eine angenehme Reise.“, meinte er und hatte seine Mimik vollkommen unter Kontrolle. Er erschien wieder wie vor ihrem Abenteuer. „Ja, vielen Dank. Der Weg verging wie im Flug.“, antwortete sie, woraufhin doch ganz kurz ein Schmunzeln seine Mundwinkel umspielte. „Ihr solltet euch dennoch von eurer Reise erholen und mir berichten. Kommt doch bitte herein.“ So betrat Raven erneut das Schloss, wo sie noch eine Woche blieben. Danach musste sie zu ihrem Bedauern nach Alpha zurückkehren. Kapitel 11: Der Anschlag ------------------------ Mit einem leisen Seufzen ließ sich Raven auf ihr Sofa sinken. Sie war völlig erschöpft, doch es war eine Erschöpfung, die sie glücklich machte. So sollte es auch sein, immerhin hatte sie noch 3 Wochen Urlaub. Fast eine Woche hatte sie bereits hinter sich gebracht und wie in jedem Jahr seit nunmehr 10 Jahren hatte sie diese ersten Tage ihres Jahresurlaubs in ihrer Geburtsheimat auf einem Heavy Metal Festival verbracht. Drei Tage lang nur Musik, von morgens bis abends, umgeben von zehntausenden Gleichgesinnten, die mindestens genauso verrückt waren wie man selbst. Essen wurde auf das Minimum beschränkt, viele ihrer Bekannten, die sie jedes Jahr wieder dort traf und die aus den unterschiedlichsten Ländern Terras kamen, waren eh der Ansicht, dass man das, was man essen konnte, auch in Form von Alkohol zu sich nehmen konnte. Ebenso wäre in dieser Zeit so etwas wie Körperhygiene nebensächlich. In dieser Hinsicht unterschied sie sich doch etwas von den anderen Festival-Teilnehmern, auch wenn man sie sicherlich schon eher in den Hardcore-Bereich einreihen konnte. Aber sie brauchte keine Unmengen an Alkohol, um richtig feiern zu können, gute Musik tat da schon ihr Übriges. Auch richtete sie es sich immer so ein, dass sie zumindest einmal am Tag irgendwie eine Dusche nehmen konnte. Zumal es immer wieder gerne vorkam, dass das Festival zu einer reinen Schlammschlacht wurde, denn Regen gehörte eigentlich zu diesem Festival mit dazu. Ebenso wie halb geflutete Zelte. Dieses Jahr hatten sie mal wirklich Glück gehabt, geregnet hatte es nicht, eher das Gegenteil. Dementsprechend dunkel war ihre Haut durch die viele Sonne auch geworden. Sie trug noch ihre Lederhose und eine schulterfreie Bluse mit einer Ledercorsage, beides wie es sich gehörte in Schwarz und verziert nach Steampunk-Art mit auffälligen mechanisch anmutenden Verzierungen, zudem ihre Boots, die sie auf dem Festivalgelände entdeckt hatte und nicht widerstehen konnte, diese zu kaufen. //Noch kurz etwas ausruhen… dann ein ausgiebiges Bad und die Farbe aus den Haaren…//, waberten ihre Gedanken unstet durch ihren Kopf. Sie hatte ihre Haare zum Festival wieder einmal gefärbt, wohl wissend, dass die Technologie von Alpha mit wenig Aufwand dafür sorgte, dass sie nach einer Haarwäsche mit einem ganz speziellen Gegenmittel ihre Haare wieder in ihrer Ursprungsfarbe haben würde. Tarntechnologie hatte doch ihre Vorteile. Dieses Jahr hatte sie ihre Haare mal nicht im üblichen dunkelrot gefärbt, sondern hatte etwas Neues ausprobiert. Ein Teil ihres Deckhaars war blutrot, der untere, restliche Teil der Haare war tiefschwarz, ähnlich wie das wundervolle Schwarz des Mannes, in welchen sie sich vor wenigen Monaten so unglaublich verliebt hatte. Und den sie mindestens genauso vermisste, seit sie von Laos hatte zurückkehren müssen. //Ich hoffe, er ist mir nicht böse, wenn ich einfach bei ihm auftauche…// Denn genau das hatte sie vor, wenn sie ausgiebig geschlafen hatte. Sie wollte ihren Dämon besuchen. Ihren süßen Dämon… Sie lächelte, als sie daran dachte, doch weiter kamen ihre Gedanken nicht, als mit einem Mal die Tür ihrer Wohnung aufglitt. Träge öffnete sie ihre Augen wieder und sah zu ihrer Wohnzimmertür. Nur ihrer Familie war es erlaubt, ohne auf sich aufmerksam zu machen ihre Wohnung zu betreten. Und soweit sie wusste war niemand aus ihrer Familie auf Alpha. Ihre Geschwister waren aufgebrochen, um Vorprüfungen für diverse Universitäten zu absolvieren, ihr Onkel war derzeit zu irgend einem Lehrgang unterwegs und ihre Eltern waren, wenn sie sich nicht täuschte, mindestens noch eine Woche zu einem Treffen aufgebrochen, zu dem ihre Mutter im Rahmen ihrer Rolle als Oberhaupt der Lichtgläubigen eingeladen war. Und wie immer hatte ihr Vater sie begleitet. Deswegen sah sie zu besagter Tür und wunderte sich noch mehr, als ihre Schwester das Zimmer betrat. „Sera? Was machst du denn hier?“, fragte sie die junge Frau verwirrt. Dann fiel ihr auf, dass die Blondhaarige sehr blass und sichtlich verstört war. Sofort hatte sie sich aufgesetzt und war hellwach. „Was ist passiert, Serena?“, fragte sie erschrocken, denn auch wenn ihre Schwester wirklich ein zartes Geschöpf war, so leicht konnte diese eigentlich nichts aus der Ruhe bringen. „Ich wollte dich eigentlich nicht gleich damit behelligen, Rav, aber…“, begann die junge Frau leise, doch sie rang sichtlich mit ihren Händen und pure Angst stand in ihren Augen. „Serena! Was ist los?“, fragte sie nun strenger, um eine sofortige Auskunft zu bekommen und stand auf. „Auf das Veranstaltungsgelände, wo Mom und Dad hin geflogen sind, wurde ein Anschlag verübt, vor sechs Stunden. Niemand bekommt Kontakt zu ihnen. Weder auf regulären Kommunikationswegen, noch kann ich Mom auf telepathischem Wege erreichen.“, berichtete Serena leise und begann mit einem Mal zu zittern. In Raven wurde vor Entsetzen alles eiskalt. Ihre Schwester war eine hervorragende Telepatin, im Gegensatz zu ihr, und hatte immer einen starken Kontakt zu ihrer Mutter. Das sie Shana nicht erreichen konnte, bedeutete eigentlich nur eines… und das wollte sie nicht glauben. Behutsam nahm sie ihre Schwester in die Arme, die nun doch zu weinen begann, weil sie sich in den schützenden Armen ihrer starken, älteren Schwester befand. Sie selbst versuchte ihre vor Angst starr werdenden Gedanken zu zwingen, wieder logisch zu denken, wenn auch ohne großen Erfolg. //Das kann nicht sein… nicht so!//, schrie etwas in ihrem Innern auf und nur mühsam konnte sie sich Tränen untersagen. Dann jedoch geschah etwas seltsames. Bei ihrer Abreise von Laos hatte Tarabas sie noch einmal beiseite genommen und ihr einen schmalen silbernen Ring mit einem schwarzen Stein geschenkt. „Du bist keine gute Telepatin und die Distanz, die uns jetzt trennen wird, ist zu groß, als dass du mich rufen könntest, sollte etwas geschehen. Der Ring ist aus einer meiner Haarsträhnen gefertigt. Sollte etwas sein, ganz gleich wie geringfügig es auch erscheinen mag, dann ruf mich bitte.“, hatte er ihr erklärt und den Ring an den Ringfinger ihrer rechten Hand gesteckt, wo dieser seitdem immer geblieben war. Und eben dieser Ring wurde mit einem Mal eiskalt und riss ihre Gedanken aus der Starre heraus. Auch Serena spürte es und sah ihre Schwester irritiert an. „Rav, was…?“, fragte sie tränen erstickt und sah, dass ihre Schwester einen Schritt zurück tat und den Ring anstarrte, dessen Stein zu glühen schien, und zeitgleich mit ihrer linken Hand ihr rechtes Handgelenk umklammert hielt. Mit einem Mal bildete sich ein kleiner Strudel aus Schatten auf dem Fußboden vor Ravens Füßen, der sehr schnell größer wurde und sich schließlich in die Höhe zog. Die Luft in Ravens kleinem Wohnzimmer kühlte sich blitzschnell um mindestens 10 Grad ab, was der Zentralcomputer, der mit der Wohnung vernetzt war, mit einem leisen Warnton registrierte. Es war ein schwarzer Zauber, der sich aufbaute, Raven konnte das überdeutlich in ihrem Innern spüren und wusste sofort, was dies bedeutete… und vor allem, wer diesen Zauber gewirkt haben musste. Der Zauber war mächtig, wild und bedrohlich, wie er immer stärker wurde. Es war ein absolut erregendes Gefühl und Raven konnte sich nur mühsam ein erregtes Stöhnen verbeißen, sowohl gedanklich wie auch wirklich. Und sie wusste instinktiv, dass etwas – oder besser gesagt jemand – blitzschnell näher kam. Serena und sie starrten auf dem wirbelnden Schatten, der auf einmal fest wurde und dann eine Gestalt freigab, die auf einem Knie am Boden kniete und den Kopf gesenkt hatte, das lange schwarze Haar wild offen und im Licht des Wohnzimmers mit leichten bläulichen Reflexen schimmernd. Perplex starrten die beiden Schwestern den Mann an, der vor ihnen kniete. „Tarabas? Was…?“, fragte Raven nun sichtlich erstaunt. Als der Schwarzhaarige seinen Namen hörte, atmete er einmal kurz durch und hob dann langsam seinen Kopf, bevor er seine Augen öffnete und Raven ansah. Er war in seiner ursprünglichen Gestalt, das konnte man anhand seiner fast weißen Haut und den quecksilbernen Augen sehen, die sich auch nicht zurück färbten, als die Magie verebbte, die ihn hergeführt hatte. Dann stand er auf, woraufhin Serena einen Schritt hinter ihre Schwester machte, da der Schwarzhaarige allein schon mit seiner Körpergröße das nicht wirklich große Wohnzimmer ausfüllte. Von der Präsenz seiner Aura ganz zu schweigen. „Deine Angst und Sorge ist bis zu mir durchgedrungen, Sahva, da konnte ich nicht fortbleiben. Was ist denn so schreckliches passiert?“, fragte er besorgt mit seiner leisen, dunklen Stimme. Nun wirkte er nicht mehr so bedrohlich, sondern wahrhaft besorgt, was auch Serena entspannen ließ. Als wäre dies für ihn ein Zeichen sah er die blonde Frau kurz an und neigte seinen Kopf. „Prinzessin Serena.“, begrüßte er sie höflich, sah dann aber wieder nur Raven an. „Meine Eltern… werden nach einem Anschlag vermisst.“, erklärte Raven gepresst, weil sie nun darum kämpfte, nicht in Tränen auszubrechen. Seine Anwesenheit bedeutete für sie auf einmal, dass jemand da war, dem sie all ihre Sorgen und Ängste anvertrauen konnte und der weitaus mächtiger, erfahrener und weiser war als sie. „Serena hat normalerweise immer Kontakt zu unserer Mutter, doch auch sie kann nichts spüren. Das bedeutet doch, dass…“ Sie brach ab, denn sie wollte es einfach nicht in Worte fassen. „Beruhige dich, das muss nicht unbedingt etwas heißen, mein Herz.“, meinte er mit einem kleinen Lächeln, trat nahe an sie heran und legte seine Hand an ihre Wange, wie sie es getan hatte, als sie ihn nach der versuchten Invasion wieder geerdet hatte. Diese Geste tat wirklich gut, auch ihr. //Gib mir bitte eine Erinnerung an deine Eltern, dann kann ich dir sicher bald eine Antwort geben.//, bat er sie in Gedanken und dieses dunkle Wispern in ihrem Innern tat ein Übriges, dass sie ihr inneres Gleichgewicht wiederfand. Sie nickte und dachte intensiv an ihre Eltern, die sie wirklich über alles liebte. „Das reicht, danke.“, meinte Tarabas sanft, dann löste er sich von ihr und trat einen Schritt zurück. „Wir sollten gleich näheres wissen.“, meinte er nur und schloss seine Augen, legte seinen Kopf leicht in den Nacken und öffnete seinen Geist, das konnte Raven auf jeden Fall spüren, bevor die Finsternis in ihm zu groß wurde. „Wer ist das, Rav?“, fragte Serena unterdessen leise, als Tarabas seine Augen geschlossen hatte und tief in einer Art Meditation versunken zu sein schien. „Das ist Tarabas, Liebes. Er ist hier, um uns zu helfen.“, erklärte sie ihrer Schwester mit einem traurigen Lächeln. „Aber wie will er das machen? Und überhaupt, wie konnte er herkommen? Er nutzt Magie, das habe ich wohl gespürt, doch es fühlte sich sehr seltsam an, als er erschienen ist. Fast beängstigend.“, wisperte ihre Schwester misstrauisch. //Sie ist eine Lichtpriesterin, kein Wunder also, dass seine Magie sich für sie unheimlich anfühlt.//, schoss es Raven durch den Kopf. Sie nahm ihre kleine Schwester in den Arm. „Was er jetzt grade macht kann ich dir nicht sagen, Liebes, aber du kannst ihm vertrauen, auch wenn die Magie, die er nutzt, anders ist als die, die wir beide gewöhnt sind. Es gibt schließlich viele unterschiedliche Magieformen, das hast du mir erst vor nicht allzu langer Zeit selbst gesagt.“ Dann näherte sie sich Serenas Ohr, denn sie spürte, dass ihre Schwester noch immer sehr misstrauisch war. Und da Dämonen, wie sie es gelesen hatte, sehr auf das Verhalten ihres Gegenübers eingingen, wollte sie ihr anvertrauen, wer Tarabas war. Zumindest in dieser Welt. „Kleines, du kannst ihm wirklich vertrauen. Das weißt du auch aus den vielen Geschichten, die Großmutter Larscha dir erzählt hat. Er ist nämlich der König, von dem sie schon so viel erzählt hat.“, meinte sie nun wirklich schmunzelnd. „Was? Das ist nicht dein Ernst, oder?“, fragte ihre kleine Schwester entsetzt. Ihre Schwester hatte Tarabas nämlich gerne kennenlernen wollen und nach ihrer Rückkehr von Laos hatte Raven viel zu erzählen gehabt. Sie nickte und spürte, dass das Misstrauen wie gewünscht und erwartet von ihrer Schwester abfiel. Als Tarabas schließlich kurz darauf seine Augen wieder öffnete knickste ihre Schwester vor ihm. „Eure königliche Hoheit, bitte verzeiht, dass ich euch nicht richtig begrüßt habe.“, bat die Blonde leise und sichtlich zerknirscht, woraufhin Tarabas sie ein wenig perplex ansah. //Du hast ihr gesagt, wer ich bin.//, richtete er ein wenig unwirsch seine Gedanken an Raven. Sie nickte. //Damit sie ihr Misstrauen gegenüber deiner Magie und somit gegenüber dir verliert.//, erklärte sie gelassen. Er zog eine Augenbraue in die Höhe, doch sein Missfallen verschwand gleich wieder. „Etwas Ähnliches hatte eure Schwester bei unserem ersten Treffen auch gesagt, weil sie zuerst nicht wusste, wer ich war.“, meinte er nun mit einem kleinen Schmunzeln und reichte Serena seine Hand, um ihr wieder aufzuhelfen. Sie ergriff zögernd seine Hand, was aber daran lag, dass es ihr nicht geläufig war, dass eine so hoch gestellte Persönlichkeit einem nach einem Knicks aufhalf. „Ich kann euch auf jeden Fall beruhigen.“, meinte Tarabas dann mit einem Mal unvermittelt und richtete seine Worte nun an beide Schwestern. „Eure Eltern sind nicht ins Reich der Toten eingegangen, sie müssen den Anschlag also überlebt haben.“ Raven atmete erleichtert auf, sie wusste ja immerhin, wer Tarabas wirklich war. Und woher er nun diese spezielle Gewissheit hatte. Serena hingegen war sichtlich irritiert. „Verzeiht meine unverschämte Frage, Hoheit, aber wie könnt ihr euch da so sicher sein?“ „Weil ich die unglückliche Gabe habe, ins Reich der vergangenen Seelen einblicken zu können, Prinzessin. Und mit der Erinnerung eurer Schwester hatte ich genügend Anhaltspunkte, um nach euren Eltern dort suchen zu können. Fragt bitte nicht weiter.“, bat er ein wenig verlegen. Serena akzeptierte diese Aussage, doch man sah ihr an, dass sie sich begann, anhand dieser Aussage Gedanken zu machen. „Aber warum kann Serena Mutter dann nicht erspüren?“, fragte Raven dafür in einer anderen Weise weiter. „Ich denke mir, dass sie durch das Trauma des Attentats für kurze Zeit ihre Fähigkeit zur Telepathie verloren haben könnte. Das wäre alles andere als ungewöhnlich, bei Verletzungen oder durch den Schock kann das vorkommen. Um sie dann zu erspüren, dafür seid ihr, verzeiht, wenn ich das so direkt sagen muss, Prinzessin, einfach noch zu jung und unerfahren.“, meinte er mit einem bedauernden Lächeln zu Serena. „Von wem habt ihr eigentlich von dem Attentat auf das Veranstaltungsgelände erfahren, Sera?“, fragte Raven ihre Schwester nun ruhiger, nachdem ihr Tarabas doch einiges von ihrer Angst genommen hatte. „Es kamen mehrere Benachrichtigungen über die Zentrale rein, aber auch eine vom Hawk.“, meinte ihre kleine Schwester, woraufhin Tarabas etwas verwundert die Augenbrauen zusammenzog, aber kein Wort sagte. „Der Silver Hawk ist das Raumschiff meiner Eltern. Mein Vater lässt die Sensoren immer aktiv, wenn sie irgendwo sind, nur für alle Fälle.“, erklärte Raven ihm daraufhin, da ihr sein Mienenspiel nicht entgangen war. „Und hat die Zentrale schon versucht, Kontakt mit dem Hawk aufzunehmen?“, fragte sie dann weiter. „Doch, aber soweit ich verstanden habe kamen sie nicht weit. Dads Sicherheitsalgorithmen sind doch etwas abstrus. Zumindest haben das die diensthabenden Offiziere behauptet.“ Nun war es an Raven, eine Augenbraue in die Höhe zu ziehen. „Wer hat denn Dienst? Die sollten Dads Algorithmen doch nun wirklich kennen.“, murmelte sie, dann sah sie Tarabas entschuldigend an. „Ich…“ „Schau ruhig selbst nach, kleiner Stern.“, meinte er nur mit einem kleinen, sanften Lächeln. Da sie mit einander verbunden waren wusste er sofort, was sie sagen wollte. „Danke.“, meinte sie nur erleichtert, dann setzte sie sich an ihren Wohnzimmertisch, auf dem sich eine einfache kabellose Tastatur befand. Serena hingegen sah Tarabas verdutzt an. „Eure Schwester und ich sind eine Art magisches Bündnis eingegangen, Prinzessin. Ich weiß auch ohne das sie es aussprechen muss, was sie sagen wollte.“, erklärte er ihr freundlich. „Ein Bündnis?“ Sie sah wirklich irritiert aus. „Ich weiß nicht, ob ich mich grade vertue, aber wird nicht so ein Bündnis zwischen einem Dämon und einem Menschen geschlossen?“ Tarabas schmunzelte, was Raven sehr wohl sah. Es war schön, dass er dies nun auch wirklich sichtbar konnte. „Ihr irrt nicht, Serena. Aber ein magisches Bündnis bezieht sich nicht nur auf eine Allianz zwischen einem Dämon und einem Sterblichen, sondern bezieht alle Wesen der Dunklen Magie mit ein.“, erklärte er ruhig. „Ich gehe mal davon aus, dass ihr von eurer Schwester diese Information habt.“ Sie nickte. „Raven hat mir vieles über dunkle Glaubensrichtungen beigebracht. Aber wenn ihr wirklich so ein Bündnis eingegangen seid, seid ihr dann…“ „Wenn ihr es mit euren Worten beschreiben wollt, dann passt Meister-Schwarzmagier sicherlich am besten, ja.“, bestätigte er ihre Gedankengänge, da er sie nicht allzu sehr damit erschrecken wollte, dass er um ein Vielfaches mehr war. „Wow, ich bin noch nie einem Schwarzmagier begegnet!“, rief Serena halblaut aus, doch sie war alles andere als ängstlich. Verdutzt sah Tarabas sie an, da er schließlich wusste, dass er die zukünftige Hohepriesterin des Lichts vor sich hatte. Diese hatten für gewöhnlich immer sehr ängstlich auf die Aussage reagiert, wenn sich der Gegenüber mit schwarzer Magie befasste. Serena hingegen war einfach nur offen für Neues, wie er bemerkte. „Anscheinend ist wirklich eine völlig neue Generation Lichtpriester herangewachsen, die nicht sofort in Panik ausbrechen, wenn das Thema Schwarzmagie zur Sprache kommt.“, stellte er ein wenig perplex fest. „Darf ich fragen, wie die Hohepriesterin wohl auf das Thema reagieren würde? Könnt ihr das einschätzen?“ „Genauso.“, antworteten Raven und Serena wie aus einem Mund, während Ravens Finger in beeindruckendem Tempo über die flache Tastatur huschten und im ruhigen Raum das tippende Geräusch zu hören war. „Aber ich kann nur für meine Mutter in diesem Punkt sprechen. Bei anderen sieht das sicherlich anders aus. Manche derjenigen, die unserer Mutter beratend zur Seite stehen oder meinen, dies zu tun, haben sicherlich noch die Reaktionen auf deine Art der Magie, wie du sie kennen wirst.“, meinte Raven ruhig, während sie auf den flachen Bildschirm vor sich an der Wand blickte, der sowohl Fernseher, als auch Computer war und eine direkte Verbindung zum gigantischen Zentralrechner der Raumstation hatte. Zahlenkolonnen huschten in so großem Tempo darüber, dass man nichts lesen konnte. Tarabas lehnte sich ein wenig vor, um das für ihn fremde Schauspiel zu betrachten. „Wird dir nicht schwindelig, wenn du das liest?“, fragte er ein wenig verwundert. Raven lachte leise auf. Ihre Angst war nach seiner Auskunft verflogen. „Ich kann das nicht lesen, Tarabas. Ich kann nur mal ganz kurz einzelne Zeichen erkennen.“, erklärte sie ihm freundlich. Seine Augenbrauen wanderten nach oben und er sah noch einmal auf den Bildschirm, nur um kurz darauf kurz seinen Kopf zu schütteln. //Kannst du es denn lesen?//, fragte sie sanft in seinen Gedanken. Er atmete einmal tief ein und schloss seine Augen. Anscheinend reagierte er noch immer etwas empfindlich darauf, wenn sie mit ihren beschränkten telepathischen Fähigkeiten Kontakt zu ihm aufnahm. Das schloss sie zumindest aus dieser Reaktion. Dass die Wahrheit ein wenig bedeutender war ahnte sie nicht. Denn er reagierte auf eine sehr ähnliche Art und Weise auf ihren Kontakt, wie sie auf seine Magie reagierte. Und das rief in ihm einen Hunger auf eine ganz andere Art der Vereinigung hervor, den sie auf Laos immer nur angekostet hatten, aber nie über einen bestimmte Punk hinaus kamen, weil sie immer wieder gestört wurden. Auch im Schloss war das zweimal passiert, sehr zu seiner und ihrer Frustration. //Ja, ich kann das lesen. Auch wenn es mir überhaupt nichts sagt.//, antwortete er schließlich mit seinem altbekannten, ruhigen Blick, doch Raven vermeinte ein ganz kleines Schmunzeln um seine Mundwinkel herum zu entdecken. „Der Server...“, begann Raven zu erklären, dann veränderte sich die Darstellung auf ihrem Bildschirm und er teilte sich in drei unterschiedliche Bereiche auf, die derzeit noch leer waren. „... baut eine Verbindung zum Hawk auf.“, sprach sie weiter. „Guten Tag, Prinzessin.“, erklang mit einem Mal die freundliche weibliche Computerstimme des Gleiters über die Lautsprecher in ihrem Wohnzimmer. Was zur Folge hatte, dass Tarabas etwas zusammenfuhr und sich erst einmal umsah. „Das ist der Computer des Raumschiffs unserer Familie, keine Sorge.“, erklärte Serena leise und freundlich und setzte sich einfach vor ihn auf den Fußboden. „Prinzessin, ihr müsst euch nicht vor mir auf den Boden setzten.“, meinte Tarabas ein wenig beunruhigt. „Sie sitzt immer auf dem Boden, das ist normal.“, erklärte Raven mit einem Schmunzeln, dann sah sie auf den Bildschirm. „Deswegen hab ich auch die großen Sitzkissen hier verteilt.“ Raven deutete auf die drei großen Kissen, die auf dem Boden um den niedrigen Couchtisch verteilt lagen und schob die Tastatur, die sie soeben benutzt hatte, von sich fort. Sie brauchte diese nicht mehr. „Guten Tag, Hawk. Uns erreichten beunruhigende Neuigkeiten.“, begann Raven. „Positiv. Explosionen haben im Umkreis von 5 Meilen stattgefunden.“, bekam sie als Antwort. „Ich erbitte deinen persönlichen Schadensbericht, sowohl an deiner Umgebung und am eigenen Equipment.“, befahl Raven ruhig und tippte nun doch noch einmal auf der Tastatur. In einem kleinen Bereich des dreigeteilten Bildschirms erschienen die getippten Buchstaben. „Übertrage deine Ergebnisse bitte direkt auf den Server von Alpha. Ich habe dir dafür einen Kanal mit Priorität Eins eingerichtet.“ „Danke, Prinzessin.“, antwortete der Computer und begann dann auch sofort, weitere Zeichenkolonnen zu senden, während zeitgleich Bilder der Außensensoren auf dem Hauptteil des Bildschirms angezeigt wurden. Es war mehr als eindeutig, dass außerhalb des Gleiters das sprichwörtliche Chaos herrschte. „Der Gleiter spricht eure Schwester mit ihrem gesellschaftlichen Titel an?“, fragte Tarabas Serena ein wenig verwundert. Diese kicherte. „Nein. Das ist ein Kosename, unser Vater nennt Raven immer so. Und da er den Hauptcomputer des Gleiters eingerichtet hat, hat dieser das übernommen. Raven hatte sich zuerst ziemlich drüber aufgeregt, jetzt hat sie sich aber damit abgefunden.“, erklärte sie ebenso leise. „Ihr hier geltender Titel wäre Commander.“, fügte sie dann noch mit einem Augenzwinkern hinzu. „Das sieht schlimm aus.“, murmelte Raven derweil, als sie sich die Bilder, die der Gleiter übermittelte, anstarrte. „Wo war der Tagungsort meiner Eltern?“ Die Bilder im zentralen Darstellungsbereich bewegten sich und auch wenn man sich nicht vorstellen konnte, dass es noch schlimmer ausschauen konnte, sie wurden eines Besseren belehrt. „Gütiges Licht!“, keuchte Serena auf, als sie dieses Bild betrachtete und erbleichte. Die Mienen von Tarabas und Raven waren beide sehr ernst und erschüttert. „Zentralcomputer... sind die Daten des Silver Hawk angekommen?“, fragte Raven laut in den Raum hinein. „Positiv, Commander.“, erklang eine weitere, maschinelle Stimme. „Leite diese Daten umgehend an alle zuständigen Stellen weiter. Eine Analyse sollte umgehend eingeleitet werden.“ Ein kurzes akustisches Signal erklang als Zeichen, dass dieser Befehl ausgeführt wurde. „Ich bin ja nicht unbedingt eine Expertin, was das Auswerten solcher optischer Fallbilder angeht, aber für mich sieht es ganz danach aus, dass das Veranstaltungsgelände Ziel des Hauptangriffs war.“, meinte Raven und lehnte sich in ihrem Sessel zurück, während sie weiterhin auf den Bildschirm starrte. „Ein Angriff auf Mom direkt?“, fragte Serena und sah ihre Schwester an. „Ob auf Mom direkt oder auf die dort versammelten Entscheidungsträger, wer weiß. Aber es sollte definitiv großer Schaden entstehen.“ „Diese Versammlung war allgemein bekannt?“, fragte Tarabas nach. „Ja.“, antwortete Serena. „Und auch, dass die Hohepriesterin anwesend sein würde?“, fragte er weiter. „Auch das.“ Er nickte mit finsterem Blick und sah wieder auf den Bildschirm. So entging ihm, dass Serena leicht fröstelte. Dieser Blick von ihm war ihr sehr unter die Haut gegangen, denn sie hatte einen Hauch von Gefahr spüren können, obwohl er noch nicht einmal wütend geworden war. „Aus Sicht von Entscheidern der dunklen Magie ein erstklassiges Ziel, um dem Lichtglauben einen wirklich großen Schlag zu versetzen.“, resümierte er kühl. „Aber wieso? Dazu gibt es doch keinen Grund. Wir sind friedfertig.“, fragte Serena sichtlich erschüttert.“ Tarabas schloss kurz seine Augen und drückte mit Daumen und Zeigefinger auf seine Nasenwurzel, für Raven ein Zeichen, dass er sich selbst zurückhielt. Außerdem konnte sie deutlich spüren, wie er damit rang, nicht aufzubrausen. „Prinzessin, euer Glauben war... und ist... leider nicht in allen Bereichen friedfertig. Ihr werdet das nicht wissen, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass dies in eurem Unterricht behandelt worden ist. Aber es gibt Zweige in eurem Glauben, die Jagd auf Andersgläubige macht, ins Besondere, wenn sie eher an Götter der Dunkelheit glauben und anstatt weißer schwarze Magie nutzen.“ Er sah sie eindringlich an, auch wenn sie schwer schluckte und noch bleicher geworden war. Aber sie hielt seinem Blick stand. „In jedem Glauben gibt es radikale Richtungen, sie entwickeln sich eigenständig und von der Obrigkeit ungesteuert. Obwohl ich mit Sicherheit sagen kann, dass es von alten Generationen der Entscheidungsträger im Lichtglauben sehr wohl gewünscht war, dass vor allem Anhänger der Dunkelheit verfolgt... und auch getötet werden.“ „Das... das wusste ich nicht.“, stammelte Serena und starrte zu ihm auf. Aber sie glaubte ihm, das sah man. „Da in eurem Glauben so großen Wert auf Friedfertigkeit gelegt wird, wie ich von eurer Schwester erfahren habe, wundert mich diese Tatsache nicht.“, war daraufhin seine etwas spröde Antwort. Aber dann räusperte er sich und sah Serena dann wieder freundlicher an. „Verzeiht. Aber ich habe diese schlimmen Zeiten der Verfolgung noch selbst erlebt und bin etwas… voreingenommen… was den Lichtglauben angeht.“, entschuldigte er sich dann bei ihr. „Also stimmt es was Großmutter sagte, dass ihr unsterblich seid?“, fragte sie ein wenig aufgeregt nach, da sie Unsterblichkeit noch immer mit einer Art Romantik betrachtete. Raven seufzte innerlich mit einer gewissen Resignation. Ihre Schwester war in mancherlei Hinsicht doch noch sehr unbedarft und bedachte nicht, was ihre Fragen auslösen konnten. Doch Tarabas nahm dies mit einem kleinen Lächeln hin. „Leider ja. Ich bin leider mit diesem Fluch bestraft.“, antwortete er ruhig. Anscheinend erinnerte sie sich dann an die Worte ihrer älteren Schwester von vor einigen Monaten im Garten ihrer Großmutter, als diese sie zur Ordnung gerufen hatte und meinte, dass man in all den Jahren unter dem Verlust von Freunden und Vertrauten sehr leiden musste. „Also ist Unsterblichkeit wirklich kein Geschenk, so wie es uns die Priester glauben machen wollen.“, schloss sie ernüchtert aus seinen Worten und übersah, da sie Tarabas ansah, dass ihre Schwester ganz leicht lächelte. „Nein, Prinzessin. Unsterblichkeit ist ganz sicher kein Geschenk. Man verliert sich im Laufe der Zeit und nicht wenige werden wahnsinnig darüber.“, erklärte er mit leiser Stimme, die einen Hauch der Einsamkeit zeigte, die er all die Zeit empfunden hatte, bevor er Raven an sich band und sie begann, ihn aus seiner Finsternis zu holen. Serena schwieg, ein eindeutiges Zeichen, dass sie ernsthaft über das nachdachte, was er soeben gesagt hatte. Und Raven wusste, dass ihre Schwester wieder ein Stückchen erwachsener geworden war. Raven zog noch einmal kurz ihre Tastatur zu sich heran und tippte eine Frage an das Schiff ihrer Eltern ein, da sie die Stille grade nicht stören wollte, da ihre Schwester in ihren Augen grade tatsächlich einen großen Schritt in ihrer Entwicklung machte. Sie tippe: „Sind meine Eltern für deine Sensoren aufzuspüren?“ und schickte diese Frage auf die Reise. Nur um wenige Augenblicke später völlig entgeistert auf den Bildschirm zu starren. „Nur dein Vater, Prinzessin.“, hatte der Computer auf dieselbe Weise geantwortet, wie sie ihre Frage gestellt hatte. „Wo ist er?“, fragte sie sofort lautstark und ernst, was Serena und Tarabas sofort aufschreckte. „In einem provisorischen Lazarett in 2,37 Meilen südwestlicher Entfernung.“, antwortete die immer freundliche Computerstimme in den Raum hinein. „Was ist?“, fragte Serena erschrocken. „Der Hawk hat Vater gefunden.“, antwortete Raven aufgeregt. „Wie geht es ihm? Ist er verletzt?“ „Positiv. Bewusstsein befindet sich bei derzeit 10%, Tendenz stark schwankend. Ich kann Blutverlust orten, ebenso schwankenden Sinusrhythmus. Der direkte Sensor zum Schiffscomputer scheint zerstört, ich bekomme nur über die erweiterten Außensensoren Daten.“ „Verflucht. Nicht schon wieder!“, keuchte Raven auf, wieder vollkommen erbleicht. „Was ist los?“, fragte Tarabas alarmiert. Raven ballte ihre Hände zu Fäusten und überlegte krampfhaft, wie lange die Jäger brauchen würden, um den Anschlagsort zu erreichen, damit ihrem Vater geholfen werden konnte. Deswegen antwortete sie nicht, was dann aber Serena übernahm. „Vater ist vor fast 15 Jahren beinahe ihn Ravens Armen an einem plötzlichen Herzstillstand gestorben.“, erklärte sie leise. „Durch Stress hatte sein Herz Schaden genommen und er konnte nur mit Mühe gerettet werden. Soweit ich weiß hat unsere Mutter einen Teil ihrer Magie und Lebenszeit geopfert, damit er überleben konnte.“ Tarabas hatte sofort die entsprechende Erinnerung, die er bei Ravens Bindung an ihn erhalten hatte, vor Augen und erlebte anhand dieser Erinnerung den Schock, den das damalige Mädchen erlitten hatte. Der geliebte Vater, der ihr soeben noch bei der Schularbeit geholfen hatte, wurde mit einem Mal ganz still und blass, dann griff er sich an die Brust und keuchte auf, nur um einen Moment später einfach nach vorn zu kippen, ohne sie noch einmal anzusehen. Raven hatte ihn aufgefangen, hielt es zuerst für einen Spaß, doch sie begriff sofort, dass etwas nicht stimmte, dass es kein Spaß war. Ihr Vater atmete nicht mehr und lag still in ihren Armen. Sie rief um Hilfe und löste so den Alarm aus, da die Familienwohnung wie auch diese mit dem Zentralrechner verbunden war. Dann erinnerte sie sich an das, was sie erst kurz zuvor in ihrem Unterricht über Erste Hilfe gelernt hatte. So legte sie ihren Vater auf den Rücken, obwohl ihr vor Angst schlecht war und ihr Tränen über die Wangen liefen, überprüfte Vitalwerte und Atmung, und dann begann sie mit Wiederbelebungsmaßnahmen. Was ihn am Leben hielt, bis ihre Mutter und die Ärzte kamen und das junge Mädchen von seiner Qual erlösten. Er wusste nach diesen Erinnerungen auch, dass sie jahrelang stumm unter Albträumen gelitten hatte, die nun sicherlich wiederkehren würden. „Und schwankender Sinusrhythmus bedeutet, dass sein Herz wieder schwächelt.“, schloss er ernst daraus. „Sieht so aus. Wann kann Hilfe da sein, Rav?“, fragte Serena ihre Schwester nun wieder ängstlich. „Frühestens in drei Stunden. Das kann zu spät sein, verdammt!“, fluchte sie und stand auf, um sich mit den Händen durch das noch immer zweifarbige Haar zu fahren und wie ein Tiger durch ihr Wohnzimmer zu gehen. Tarabas sah kurz sie an, dann auf den Bildschirm. Er prägte sich den Ort ein und holte die Erinnerung an Ravens Vater hervor. Das, was er nun vorhatte, war äußerst untypisch für ihn, aber es ging um das Wohl seiner Wächterin. „Ich bringe dich zu ihm.“, meinte er und stand auf. Sofort drehte sich Raven zu ihm um und ihre bernsteingoldenen Augen, die ihm solchen Halt gaben, sahen ihn hoffnungsvoll an. „Aber…“ „Nimm alles mit, was du zur Hilfe nutzen kannst. Eine weitere Lösung finden wir vor Ort.“ Er würde vor Serena nicht sagen was er vorhatte, weil es ihn verraten würde. Raven zögerte nur kurz, dann nickte sie und stürzte aus dem Raum. „Ich kann heilen, Hoheit. Ich kann unserem Vater sicher besser helfen als jedes medizinische Gerät.“, bot sich Serena sofort an. „Das glaube ich euch gerne, denn eure Mutter ist als große Heilerin bekannt. Aber dennoch kann ich euch nicht mitnehmen, so gerne ich es tun würde, Prinzessin. Ihr werdet meine Magie nicht ertragen können und ich möchte euch nicht schaden.“ „Und meiner Schwester würdet ihr damit nicht schaden?“, fragte Serena ein wenig herausfordernd. Tarabas musste leicht schmunzeln. Unter der ruhigen Hülle der jungen Frau brannte auch eine starke Flamme Sturheit, stellte er erfreut fest. „Ich gewöhne eure Schwester an meine Magie, seit wir unser Bündnis eingegangen sind. Deswegen trägt sie auch den Ring an ihrer Hand. Es ist wie eine Hyposensibilisierung oder wie ihr das auch immer nennt. Im Ring ist ein wenig meiner Magie als Resonanz vorhanden. Das wird ihr helfen, eine magische Reise mit mir zu überstehen.“ „Ist eure Magie denn so gefährlich?“, fragte Serena unbehaglich. „Für Lichtgeborene, die so rein sind wie ihr es seid auf jeden Fall, Prinzessin. Was ich in eurem Fall wahrlich bedauere.“, antwortete er wahrheitsgemäß. Zwei Pieptöne erklangen im Raum, was ihn wieder verwirrt aufsehen ließ. „Diese Töne bedeuten, dass Raven dem Zentralcomputer Befehle gegeben hat und dieser sie bestätigt.“, erklärte Serena ihm, doch sie rang mit ihren Händen. Er sah sie wieder an und schenkte ihr ein kleines aufmunterndes Lächeln. „Keine Sorge.“, meinte er. „Man kann mich bei weitem nicht als Heiler bezeichnen, aber mir stehen Mittel und Wege zur Verfügung, damit ich eurem Vater helfen kann.“ „Trotz schwarzer Magie?“, fragte Serena ängstlich. Tarabas konnte der jungen Frau über ihre Frage nicht böse sein. Sie wusste es einfach nicht besser. „Prinzessin, eurem Vater wird von meiner Magie kein Leid geschehen und man wird auch nicht bemerken, dass schwarze Magie genutzt wurde. Ihr habt mein Wort. Und er wird sich auch nicht verändern. Solche Manipulationen habe ich nicht nötig.“, versprach er. Sie konnte sich daraufhin ein kleines Lächeln abringen. „Verzeiht bitte, dass ich so ein Angsthase bin.“ „Serena, ihr kennt mich nicht und seid seit Jahren gegen Schwarze Magie erzogen worden. Das ihr nun Angst habt, vor allem, weil es sich um einen so nahestehenden Menschen handelt, das ist ganz normal.“, beruhigte er sie, dann sah er zu Raven, die wieder ins Wohnzimmer kam. Sie glich mit ihren veränderten Haaren und der schwarzen, wirklich schmeichelhaften Kleidung einer jungen Dämonin seiner wahren Heimat, vor allem jetzt, da sie einen schwarzen Ledermantel übergezogen hatte, der fast bis an die Fußknöchel reichte und der sich um ihre Beine schmiegte wie die schützenden Schwingen eines Höllenvogels. Sie war wunderschön schoss ihm durch den Kopf. „Ich denke ich habe alles.“, meinte Raven und hängte sich eine Tasche diagonal um den Körper. „Ich habe Jäger und Helfer auf den Weg geschickt, die von der nächstgelegenen Basis aus zum Anschlagsort fliegen. Sie sollten innerhalb der nächsten 15 Minuten starten. Die Zentrale weiß auch Bescheid, dass ich eine andere Möglichkeit habe hin zu gelangen und dass ich ebenfalls dort aushelfen werde. Sera, Sean ist ebenfalls informiert. Ich denke, er wird sich alsbald auf den Weg hierher machen. Warte hier bitte auf ihn und komm nicht auf irgendwelche dummen Gedanken, versprochen?“, fragte sie ihre Schwester sehr ernst. Und da die Jüngere nur mit finsterer Miene schwieg und nicht protestierte ging Tarabas davon aus, dass die junge Lichtprinzessin möglicherweise entsprechende Absichten gehabt haben musste und nun einsah, dass die durchschaut war. „Muss ich?“, wagte diese trotzig zu fragen. Was Tarabas in Erinnerung rief, wie jung Ravens Schwester noch war. Raven sah ihre Schwester nur schweigend an, aber es war ein Blick, der beeindruckend war. Scharf, streng und unheilschwanger und anscheinend wusste die jüngere der beiden Schwestern auch, dass ihr wirkliche Konsequenzen drohten, wenn sie sich dagegen entschließen würde. „Dein Wort, Serena Lilliana Tettra!“, forderte Raven mit kalter Stimme und blitzenden goldenen Augen ein. Seine junge Wächterin war eine Löwin, die Beschützen zu ihrer Lebensaufgabe gemacht hatte stellte Tarabas erneut bewundernd fest. Und anscheinend war es ihr gleich, wenn sie ihren Geschwistern Versprechen abringen und zur Not auch Strafen verhängen musste. Die junge Frau schluckte nur schwer, dann senkte sie ihren Kopf. „Ich gebe dir mein Wort, Rav.“, murmelte sie leise. „Gut.“, antwortete Raven nur, dann sah diese den Schwarzhaarigen an und die Härte fiel von ihr zumindest in Teilen ab. Dann wandte sie sich ihm zu. „Ich wäre dir auf ewig dankbar, wenn du mich zu meinem Vater bringen würdest.“, bat sie leise und neigte ihren Kopf leicht. Tarabas war überrascht. Sie richtete eine formvollendete Bitte um Hilfe an einen dunklen Vertrauten mit genau der richtigen Priese Unterwürfigkeit und Dankbarkeit, die jedem Dämon schmeicheln würde. Und sie tat das in einer instinktiv richtig gewählten Art und Weise, die kein vernünftiger Dunkler ablehnen konnte. Er jedenfalls konnte es nicht und er war eigentlich vor seinem Exil als hartherzig und gleichgültig bekannt gewesen. So neigte auch er leicht seinen Kopf, etwas, was seinen absoluten Respekt vor ihr ausdrückte. „Und ich werde deiner Bitte sehr gerne entsprechen.“, beantwortete er ihre Bitte auf die entsprechende Weise. Dann reichte er ihr seine Hand und lächelte leicht, sich sehr wohl bewusst, dass Serena sie aufgrund ihrer Frage etwas befremdlich ansah. Doch das war ihnen beiden anscheinend mehr als gleich. Vertrauensvoll legte Raven ihre Hand in die von Tarabas und erwiderte das Lächeln auch, auch wenn der Schwarzhaarige ihre Anspannung sicherlich mehr als deutlich spüren konnte. //Keine Angst. Dir wird nichts geschehen.//, versprach er ihr in ihren Gedanken und bestätigte so ihre Mutmaßung. //Ich vertraue dir.//, antwortete sie nur, dann sah sie ihre Schwester noch einmal an. „Ich schicke euch sofort eine Nachricht wenn ich weiß, wie es Dad wirklich geht.“ Serena nickte und das widerspenstige verschwand. „Ja bitte. Ich werde erst wieder ruhig, wenn ich weiß, dass Dad über den Berg ist.“, gestand die jüngere Schwester. Raven lächelte ihrer kleinen Schwester noch einmal aufmunternd zu, dass wandte sie sich wieder Tarabas zu. //Ich bin immer bei dir, auch wenn du mich vielleicht kurzfristig nicht sehen kannst. Das kennst du ja.//, erklärte er ihr noch, dann spürte Raven, wie sich erst in ihr schwarze Magie aufbaute und dann ein schwarzer Nebel sie blitzschnell einhüllte. Dann wurde ihr erst kalt, bevor die Welt um sie herum jegliche Farbe verlor. Kapitel 12: Hilfe in letzter Minute ----------------------------------- Es war dieses Mal so, als würde sie fallen, so jedenfalls kam Raven ihr Eintauchen in die sie umgebende absolute Finsternis vor. Es unterschied sich stark von den beiden Malen, als Tarabas sie auf Laos von einem Ort zum anderen gebracht hatte. Ängstlich zog sich instinktiv ihr Innerstes ein wenig zusammen, da auch die sie umgebende Kälte ihr immer mehr zusetzte. Doch kaum das sie daran gedacht hatte das sie stürzte verdichtete sich mit einem Mal die Finsternis um sie. Es war ein sanftes Gefühl. Auch wenn die Eiseskälte blieb, sie fühlte sich mit einem Mal beschützt und gehalten. //Danke.//, schaffte sie es grade noch in die Finsternis zu senden, dann wurde es auch schon wieder hell, so hell, dass sie für einige Sekunden ihre Augen schließen musste, da sie sonst das Gefühl hatte zu erblinden.   Als sie kurz darauf ihre Augen wieder öffnen konnte stand sie am Rande eines buchstäblichen Schlachtfeldes. Chaos schien zu herrschen, überall liefen Menschen herum, teils gekleidet wie Helfer, doch der Großteil der Anwesenden trug die verdreckte Kleidung von Anschlagsopfern. Sie waren angekommen. Und das, obwohl ihre Reise durch diese absolute Finsternis nur wenige Sekunden gedauert haben mochte. Sie drehte sich etwas um, denn sie spürte die Anwesenheit ihres Begleiters direkt hinter sich. Und so war es auch, Tarabas stand hinter ihr, den Kopf leicht gesenkt und sein Gesicht zum Großteil hinter seinen schwarzen Haaren verborgen. Seine Augen waren geschlossen, doch es schien ihr, als würde von seiner Kleidung noch immer schwarze Nebelschwaden fort wabern. Es war ein seltsamer, aber faszinierender Anblick. „Alles in Ordnung?“, fragte sie leise und sanft, da sie grade so gar nichts von ihm spüren konnte, was seine Emotionen anging. Kaum das sie ihn angesprochen hatte öffneten sich seine Augen und sie blickte in die silbern leuchtenden Augen eines Dämons. Eines äußerst gefährlichen Dämons, wie ihr ihre Intuition grade versuchte mitzuteilen. Doch sie hatte keine Angst vor ihm. „Danke das du mich so schnell hergebracht hast.“, wiederholte sie, lächelte sanft, dann hob sie ihre Hand und berührte damit behutsam und zärtlich die bleiche Wange des sie äußerst misstrauisch anschauenden Dämons. Als ihre warmen Fingerspitzen seine kühle Haut berührten holte er einmal scharf Luft, das einzige Lebenszeichen von ihn nach dem Öffnen seiner Augen, dann senkten sich sein Lider wieder etwas und er berührte ihre Hand mit der seinen, um sie stärker an seine Haut zu drücken. Er lehnte sich auch etwas gegen ihre Haut, was sicherlich in der Umgebung, in der sie sich befanden, mehr als befremdlich aussah, immerhin befanden sie sich direkt im Anschlagsgebiet. „Deine Art mich aus der Finsternis zurückzuholen ist etwas, an das ich mich durchaus gewöhnen kann.“, meinte er schließlich und lächelte leicht. Sie verstand nicht genau was er damit meinte, doch sie ging davon aus, dass sie die Bedeutung dieser kryptischen Aussage sicherlich eines Tages mal verstehen würde. Jetzt jedenfalls hatten sie wahrlich andere Dinge zu tun. Dennoch nahm sie sich noch kurz die Zeit, auch ihre andere Hand an die andere Wange zu legen und ihn zu sich herunter zu ziehen, um ihm dann einen leichten Kuss auf die schmalen Lippen zu hauchen. „Lass uns nach meinem Vater suchen.“, meinte sie schließlich. Wieder einmal war ihr aufgefallen, dass Tarabas sich kurz verstreift hatte, als sie ihn küsste, doch sie schloss einfach, dass er sich noch immer nicht daran gewöhnt hatte, dass ihn jemand freiwillig berühren wollte. Er stieß einen Laut aus, der ein Zwischending zwischen Schnurren und Knurren zu sein schien und etwas in Raven auslöste, das ihren Körper in angenehme Schwingung versetzte. „Ja, das sollten wir tun, bevor ich hier und jetzt auf die Idee komme, das fortzusetzen, wozu wir auf Laos nie durchziehen konnten.“, raunte er ihr zu und seine Stimme, die eh schon einen wundervoll dunklen Klang hatte, wurde noch einmal tiefer. Und verursachte bei Raven nun doch einen angenehmen Schauer auf der Haut. Zudem wurde sie leicht rot, was ihm natürlich nicht entging. Denn er kicherte leise. Dann drehte er sie sanft so lange, bis er direkt in ihrem Rücken stand. „Und jetzt sollten wir deinen Vater suchen.“, raunte er ihr fast schon ein wenig hypnotisch ins Ohr. Komischerweise brachte grade dieser Klang Raven wieder ins Hier und Jetzt zurück, denn etwas Warnendes lief durch ihren Körper. Sie warf ihm einen kurzen, scharfen Blick über die Schulter zu, der deutlich sagte, dass sie es nicht mochte, manipuliert zu werden. Tarabas stutzte daraufhin, doch bevor er etwas sagen konnte hatte sie sich schon wieder nach vorn orientiert und sondierte die Umgebung. Dann griff die in ihre Tasche und holte einen kleinen Gegenstand heraus, den sie sich auf das rechte Ohr setzte. „Raven an Silver Hawk. Ich bin vor Ort. Leite mich bitte zu meinem Vater.“, befahl sie leise. Sie verharrte kurz, dann nickte sie. „Der Bordcomputer führt uns zum behelfsmäßigen Lazarett. Wir sollten uns beeilen.“, riet sie Tarabas, dann begann sie auch gleich zu laufen. Der noch immer etwas verdutzt dreinschauende Schwarzhaarige zögerte nur kurz, dann folgte er ihr ebenso schnell.   Sie liefen durch Trümmer und an etlichen Verletzten vorbei. Raven hielt ihren Blick stur grade aus und ignorierte all die Schäden und Verletzten, die ihr auf dem Weg ins Blickfeld kamen. Sie hätte sonst versucht zu helfen, doch derzeit war eine andere Person wichtiger als alles andere. „In 50 Metern halte dich links und bieg dann um die Trümmer des nächsten Hauses, Prinzessin, dann solltest du beim Admiral sein.“, hörte sie die leise Stimme des Bordcomputers über ihr Headset. Sie hielt sich daran und stieß so auf ein Lager mit zum Teil Schwerstverletzten, die hier unter einer einfachen Plane gegen unmittelbare Umwelteinflüsse geschützt aufgebahrt lagen und deren Verletzungen nur eher schlecht als Recht versorgt worden waren. Es waren annähernd dreißig Personen, die allesamt schreckliche Wunden und Verbrennungen davongetragen hatten. Sie schluckte und verschaffte sich schnellstmöglich einen Überblick. Doch anhand der Verletzungen konnte sie den zweifarbigen Lockenkopf ihres Vaters zuerst nicht erkennen und so irrte sie erst einmal etwas verzweifelt zwischen den Bahren umher, bis sie schließlich am äußersten Ende des Lazaretts doch noch denjenigen entdeckte, den sie so verzweifelt gesucht hatte. „Da ist er.“, murmelte sie ein wenig erleichtert und hielt gleich auf die entsprechende Person zu, die still und mit deutlichen Zeichen von Verletzungen an der Seite auf einer abgestellten Bahre lag. Marc hatte zwar einige oberflächliche Verletzungen und Verbrennungen erlitten und ein Teil seiner grauweißen schulterlangen Locken war stark angesenkt, doch dies verursachte ihr nicht so Sorge wie die mühsamen Atembewegungen, die sie unter seiner Uniform sehen konnte. So ließ sie sich neben der Bahre auf die Knie sinken und setzte ihre Tasche ab, bevor sie am Hals ihres Vaters nach dem Puls tastete. Er war stark unregelmäßig, das konnte sie überdeutlich spüren. „Und?“, fragte Tarabas, der sich ihr gegenüber niedergekniet hatte und den Ohnmächtigen betrachtete. Sie schüttelte nur kurz mit dem Kopf. „Sieht schlecht aus.“, murmelte sie und holte dann aus einer Tasche einen kleinen Computer und einen Handsensor heraus, den sie sofort aktivierte und direkt über ihren Vater hielt. „Starke Herzrhythmusstörungen, Verursachung unbekannt.“, las sie dann vom Display ab und sah Tarabas dann mehr als verunsichert an. „Ich versuche mich mal.“, meinte er mit einem Lächeln und drückte ihre Hand mit dem Sensor fort. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit dem vor ihm liegenden Mann zu.   Man sah, von wem Raven ihr Äußeres geerbt hatte. Das stellte er für sich fest, als er seinen Blick über den blassen Mann zwischen ihnen gleiten ließ. Viele weißgraue Strähnen durchzogen eine Flut an ähnlich dunkelbraunen Haaren wie auch Raven sie gehabt hatte, als er sie kennengelernt hatte. Aber das ließ den ihm noch fremden Mann nicht unattraktiv wirken, vielmehr verschaffte es diesem einen gewissen Reiz und machte ihn interessant. Denn eigentlich passte die Farbe, die eigentlich für Alter und Weisheit stand, nicht so ganz zu dem noch recht jung wirkenden Gesicht und den Körper, der einem wahren Krieger alle Ehre machen konnte. Zumindest nach dem was er sehen konnte. Er brauchte keinen Körperkontakt um die Situation des Körpers einzuschätzen. Dieser lag im Sterben, daran war kein Zweifel. Und Ursache war das Herz, nicht die Verletzungen durch den Anschlag. Aber er spürte auch, dass das Herz eigentlich stark und gesund war, es sollte eigentlich nicht solche Probleme haben. So hob er seine rechte Hand und berührte kurz mit seinem Daumen die Stirn von Ravens Vater. „Wie heißt dein Vater nochmal?“, fragte er diese leise und absolut ruhig. „Marc.“, war ihre sofortige Antwort. „Und kennst du seinen Seelennamen?“, fragte er weiter, während er seine zweite Hand auf die Brust über dem Herzen legte. „Seelen... was?“ Er brauchte nicht aufzuschauen um ihre Verwirrung zu sehen. Das war deutlich hör- und spürbar. „Nicht weiter wichtig. Ich komme auch so weiter.“, meinte er freundlich und sah sie dann mit einem kleinen Lächeln an. „Ich erkläre dir das später.“ Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf das schlecht schlagende Herz und den Klang der Seele in dem noch lebenden Körper. Sie lag offen ausgebreitet vor ihm, so wie es sein sollte. Sie war stark und beruhigend, er mochte diesen Klang gleich von Anfang an. Sie dem geschwächten Körper zu nehmen war kein Problem, das konnte er ohne nachzudenken tun, denn dies war seine ursprüngliche Aufgabe. Doch dieses Mal wollte er erhalten, wollte von sich aus nach dem Klang der Seele auch das Lebewesen kennenlernen. So lauschte er weiter, schickte behutsam seine Magie in den Körper und forschte nach der Ursache des schlechten Rhythmus des Herzens. Und wurde rasch fündig. „Ah, das ist der Grund.“, murmelte er, eher für seine Ohren gedacht, aber dennoch auch eine kleine Beruhigung an seine junge Wächterin. Das Herz des Admirals war in der Tat stark und gesund, auch wenn er noch die alten Verletzungen erkennen konnte, die vor Jahren zu dessen beinahe Sterben geführt hatte. Doch diese waren hervorragend versorgt worden und nahezu narbenlos verheilt. Das es nicht mehr richtig schlug und den Organismus in solch starke Schwierigkeiten brachte war der Zauber, der ihm einmal das Leben gerettet hatte. Das Herz hatte sich so sehr an diesen gewöhnt, dass es allein keinen richtigen Takt mehr fand. Und die Verbindung zur Quelle des Zaubers war gestört. Immer wieder unterbrach sich dieser Zauber und kehrte dann wieder, was die Rhythmusstörung erklärte. Und was hieß, dass Ravens Mutter noch am Leben sein musste. Er betrachtete den eleganten Mann unter seinen Händen nachdenklich und überlegte nach einer sinnvollen Lösung des Problems. Denn er musste den Zauber lösen, er schadete derzeit mehr als das er nützte. Und das schnell und so effektiv, dass das Herz weiter schlug. Oder halt der Körper weiterlebte. So beugte er sich vor, bis sich sein Mund nahe von Marcs Ohr befand. „Ich verbiete dir den Eingang in die Welt der vergangenen Seelen. Du bleibst in deinem Körper, so lange, bis ich dir einen gegenteiligen Befehl erteile. Nur ich kann dich aus deinem Gefäß befreien. Zeit und Alter werden von nun an folgenlos an dir vorbei ziehen.“, raunte er dem Bewusstlosen tief und hypnotisch ins Ohr. Nur er und die Seele unter seinen Händen konnten seine Worte verstehen. Sofort spürte er die Seele erbeben und nach einer gewissen Zeit des Widersetzens fügte sie sich seinem Befehl und seiner Macht. Er nickte leicht und zufrieden, dann sprach er weiter. „Du lässt das Herz deines Gefäßes weiter schlagen, wenn ich dich von den Fesseln des Zaubers befreie, der deinem Gefäß das Leben erhielt. Nun ist es deine Aufgabe, ihm den richtigen Rhythmus zu geben. Ich gebe dir die Macht über deinen Körper zurück.“ Dann setzte er sich wieder auf und drückte seine linke Hand fest auf den Brustkorb. Schwarze Nebel lösten sich von seiner Hand und drangen in den liegenden Körper ein. Dieser wurde zuerst vollkommen still als der alte Zauber durch seine Macht gebrochen wurde, dann zitterte er leicht, bevor die Atmung wieder einsetzte und auch das Herz unter seiner Hand seinen ersten freien Schlag seit Jahren tätigte. Er behielt seine Hand noch einige Zeit auf dem Brustbein und überprüfte den Schlag. Zufrieden stellte er fest, dass der Herzschlag sich auf einen kräftigen eigenen Rhythmus einstellte. Zugleich bekam der Körper unter ihm wieder eine rosige Hautfarbe. Und das Bewusstsein kehrte zu Ravens Vater zurück, denn er schlug seine Augen schneller auf als er es für möglich gehalten hatte. „Willkommen zurück, Admiral.“, begrüßte er den am Boden liegenden Mann mit einem kleinen Lächeln, behielt aber seine Hand noch etwas länger auf dessen Brustbein, während er dem anderen in die Augen sah. Zuerst war der Blick der fast honigfarbenen Augen etwas verwirrt und matt, doch schnell klärte sich dieser, ein Zeichen, dass Bewusstsein und Kraft völlig zurückgekehrt waren. Dann erst nahm er seine schützende Hand von der Brust. Die Augen von Ravens Vater folgten seiner Bewegung als er sich etwas zurücklehnte und auf seine Fersen zurücklehnte. Diese Augen waren scharf und zeugten von einem klugen Geist und waren denen seiner Tochter sehr ähnlich. Er würde diesen Mann mögen, das war ihm sofort klar. „Wer seid ihr?“, fragte Marc mit noch etwas müder Stimme, doch er konnte auch etwas Misstrauen spüren. „Ein Freund eurer Tochter.“, meinte er und deutete mit einem leichten Kopfnicken auf die junge Frau, die sich ihm gegenüber befand und während der gesamten Zeit absolut still gewesen war. Als er sie nun ansah bemerkte er, wie sie ihre Hand vor ihren Mund gelegt hatte und wie ihr Tränen in den Augen schimmerten. Und als sich ihre Blicke trafen schenkte sie ihm ein Gefühl unendlicher Dankbarkeit, die ihm fast den Atem raubte.   Marc indes drehte seinen Kopf von dem Mann mit den langen schwarzen Haaren, der doch etwas seltsame Kleidung trug, fort in die andere Richtung und sah dort seine älteste Tochter sitzen. Sie schien grade erst vom Festival zurück zu sein, zumindest war sie noch so gekleidet und geschminkt. „Anscheinend habe ich dir deinen Urlaub verhagelt, Prinzessin.“, meinte er leise, denn er fühlte sich doch noch seltsam zerschlagen und seine Brust fühlte sich seltsam an, ähnlich wie in der Zeit nach seinem Herzinfarkt. „Du bist wieder hier, das ist alles was zählt, Dad.“, meinte sie nur und schlang dann ihre Arme um seinen Hals, um sich an ihn zu schmiegen. Er genoss diesen Kontakt zu seiner Ältesten, die am ganzen Körper bebte. Was ihm zeigte, dass es anscheinend sehr schlecht um ihn gestanden hatte. Denn Raven war wie er eigentlich nur schwer aus der Fassung zu bringen. Doch jetzt spürte er Tränen auf seiner Haut. „Wie schlimm stand es um mich?“, fragte er leise und auf Englisch, seiner Muttersprache. Sie richtete sich wieder auf, wischte die Tränen fort und zwang sich dann zu einem Lächeln. „Nicht gut. Aber Tarabas konnte dir helfen.“, antwortete sie in der selben Sprache, in der er sie angesprochen hatte. Er drehte sich wieder zu dem fremden Mann um, denn er ging davon aus, dass seine Tochter diesen Mann gemeint hatte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Kleidung des Schwarzhaarigen recht aufwändig gefertigt war, auch wenn er eigentlich nur ein Hemd, schwarze Hosen und gleichfarbige Stiefel trug, die ihn ein wenig an Reiterstiefel erinnerten. Die Haut des noch fremden Mannes war erschreckend bleich, doch irgendwie hatte er das Gefühl, dass es diesem Mann sehr gut ging. Er strahlte eine erhabene Ruhe aus, die er nur bei höchsten Regierungsvertretern erlebt hatte, die auf dem Zenit ihrer Macht waren. Im allerersten Moment hatte er gedacht, seine Tochter hätte einen ihrer Gothic-Freunde mit hierher geschleppt, Hautfarbe und vor allem das lange schwarze Haar hätten dafür gesprochen. Aber diese Haut war nicht geschminkt, er hatte seit Raven sich für diesen Bereich interessierte etliche dieser jungen Menschen gesehen und konnte solche teils perfekt geschminkten Masken erkennen. Dieser Mann hier trug allerdings keine Maske, er war anscheinend wirklich so. „Hilf mit auf, Rav.“, bat er seine Tochter, die ihn auch gleich kraftvoll dabei unterstützte, dass er sich aufsetzen konnte. Dann sah er Tarabas wieder richtig an. Dessen silberne Augen waren fast schon unheimlich schimmernd. „Meine Tochter sagt, ich hätte es ihnen zu verdanken, dass es mir wieder besser geht, Sir.“, meinte er freundlich. Tarabas schmunzelte etwas. „Ich habe geholfen, mehr nicht, Admiral.“ Raven schnaubte leicht und empört. „Aber eure Tochter scheint zu meinen, dass ich mein Licht ein wenig zu sehr unter den Scheffel stelle.“ „Aber ihr habt mich doch behandelt, oder nicht?“, fragte Marc weiter. „So viel habe ich gar nicht machen müssen. Es war der Zauber um euer Herz, der euch vor einigen Jahren am Leben gehalten hat. Ich musste ihn lösen, weil der Kontakt zu eurer Frau gestört ist. Das hat euer Herz aus dem Takt gebracht.“ Sofort wurde Marcs Miene sehr ernst und er sah Raven alarmiert an. „Ist etwas mit deiner Mutter, Raven?“ „Das wissen wir nicht. Sie ist nicht hier.“, erklärte diese leise. „Eure Frau lebt, Admiral. Das konnte ich spüren. Aber durch die Explosion wird sie ebenso in Mitleidenschaft gezogen worden sein wie ihr. Und das störte die Verbindung des Zaubers um euer Herz.“, erklärte Tarabas geduldig weiter. Marc hob einen Zeigefinger und schloss kurz seine Augen, wie immer, wenn er eine Information verdauen musste, die einem Bereich entstammten, die eigentlich jenseits seiner Vorstellungskraft lagen. „Moment, ihr sagt Zauber, seit ihr dann...?“ „Ihr könnt mich als Magier ansehen, ja.“, beantwortete Tarabas die Frage, bevor Marc diese zu Ende stellen konnte. „Und ihr habt diesen Zauber, den meine Frau vor 15 Jahren angewandt hatte, aufgelöst.“ Man sah Marc an, dass er dies nur schwer nachvollziehen konnte. Warum erklärte er gleich  selbst. „Ich wusste gar nicht, dass Shana einen Zauber um mein Herz gelegt hatte. Du?“ Dann sah er seine Tochter an. Diese schüttelte den Kopf. „Ich weiß es auch erst seit Tarabas das erwähnt hatte.“ „Er fungierte als Unterstützung, damit euer Herz gesunden konnte. Ihr könnt es ansehen als ein...“ Tarabas suchte grade in den Erinnerungen, die Raven mit ihm geteilt hatte, nach einem Wort, was ihrem Vater geläufig war und wurde schnell fündig. „... einen Herzschrittmacher. Er fungierte die ganze Zeit, obwohl ihr ihn schon lange nicht mehr nötig hattet. Euer Herz ist kerngesund und wird sicherlich noch viele Jahre kraftvoll seine Arbeit tun.“ Dass er ebenfalls gespürt hatte, dass dieser Zauber Marcs Frau etliches gekostet hatte verschwieg er. Solche Zauber wurden mit der eigenen Lebenszeit erkauft. Ravens Mutter musste also sehr verzweifelt gewesen sein, als sie ihn angewandt hatte. Denn eigentlich gehörte dieser eher schon in den Bereich der dunklen Magie. „Wenn ihr durch diesen Zauber spüren konntet, dass meine Frau lebt, könnt ihr dann vielleicht auch darüber herausfinden, wo sie sich befindet?“, fragte Marc weiter. Es war deutlich spürbar gewesen, dass Ravens Vater aus einer Welt kam, die eigentlich keine Berührungspunkte mit Magie hatte. Dass er allerdings so normal mit ihm darüber sprach bewies ihm, dass er gelernt hatte, dass es Magie gab und dass seine Denkweise sich auf diesen Weg einstellen konnte. Und das er an die Wirkweise glaubte. „Ich weiß, dass sie sich nicht mehr hier auf diesem Planeten aufhält. Mehr konnte ich beim Lösen des Zaubers nicht spüren. Aber ich denke, ich kann in Erfahrung bringen, wo sie sich befindet.“ „Wenn sie ein Ergebnis haben, würden sie es mir dann mitteilen? Ich werde meine Frau dann zurückholen.“, meinte Ravens Vater mit sehr entschlossener Miene. Der Mann war in der Tat ein Krieger und hatte sich der Aufgabe verschrieben, seine Frau zu verteidigen und zu beschützen. Löblich, aber er befürchtete, dass es ihm in diesem Fall nicht helfen würde. „Ich gehe sehr stark davon aus, dass eure Frau an einen Ort gebracht wurde, der durch Magie geschützt wird. Das ist zwar derzeit nur eine Mutmaßung, aber sie erscheint mir plausibel. Großartig helfen werdet ihr nicht können, Admiral.“, meinte er mit wahrem Bedauern. Er schätzte wahre Krieger, nur sie beschützten die wahren Herzen der Welten. „Aber keine Sorge. Eure Tochter und ich sollten in der Lage sein, eure Gemahlin zu befreien, egal wo sie sich auch immer befinden sollte.“, fügte er dann noch hinzu. Marc betrachtete ihn mit einem sehr finsteren Blick, der ihn aber nicht einschüchtern konnte. Geduldig hielt er dem Blick stand und tat nichts. Ravens Vater hatte gar keine Ahnung, welch einer Gefahr er sich grade aussetzte. Immerhin war er noch in seiner wahren Gestalt und seine Magie war nicht unterdrückt. So konnte er eigentlich mit einem Blick ohne darüber nachzudenken in ein anderes Wesen eindringen und dieses zu seinem Werkzeug machen. Aber er würde es nicht tun. Schon allein Raven zuliebe nicht. „Aber meine Tochter kann euch helfen?“, fragte Ravens Vater nach einigen sich in die Länge ziehenden Sekunden. „Ja, weil…“ Marc hob seine Hand und unterbrach ihn. Das hatte auch noch niemand gewagt, stellte Tarabas zu gleichen Teilen perplex und amüsiert fest. „Mehr muss ich nicht wissen.“, war Marcs einfache Erklärung. Dann sah dieser seine Tochter an. „Du nimmst meinen Platz ein, Rav. Hol deine Mutter zurück und nimm dir dazu alle Zeit, die du brauchst. Geh umsichtig vor. Hast du mich verstanden?“, redete Marc auf Englisch auf seine Tochter ein. Dass Tarabas ihn durch das Bündnis und die geteilten Erinnerungen verstehen konnte,  konnte er nicht ahnen. „Ja, Sir.“, meinte seine Wächterin leise und mit großem Ernst. Marc nickte zufrieden, wenn seine Miene auch alles andere als entspannt aussah. Aber er vertraute seiner Tochter und auch deren Fähigkeiten. „Danke, Prinzessin.“, murmelte der Mann dann und nahm seine Tochter liebevoll in den Arm. „Wieder einmal.“ Was die junge Frau wieder erbeben ließ, auch sichtbar. Tarabas ahnte, dass der Schock aus der Kindheit gepaart mit der neuen Erfahrung möglicherweise wieder Albträume verursachen würde. Nun gut, dachte er bei sich. Er würde sich gleich darum kümmern und sie etwas erleben lassen, was sie den Schock sicherlich vergessen ließ. Kapitel 13: Ankunft im Makai ---------------------------- Sie warteten noch eine kleine Weile, bevor sie Marc aufhalfen. Raven versorgte derweil die Verletzungen ihres Vaters mit Hilfe der Technik, die sie bei sich hatte. Tarabas verfolgte dies mit großer Aufmerksamkeit, schließlich wurde diese schnelle Heilung ohne Hilfe von Magie ausgeführt und war vollkommen neu für ihn. Schließlich war alles versorgt und der sympathische Mann wieder vollkommen bei Kräften. Und als er stand verwandelte er sich von einem liebevollen und freundlichen Vater zu einem Kommandeur, kaum, dass er den Verletzen um sich herum richtig gewahr wurde. „Du hast Einheiten vor deiner Abreise aus Alpha in Bereitschaft versetzt?“, fragte er seine Tochter nach einem ersten Überblick. Raven nickte. „Mehr als das. Sie sind bereits auf dem Weg hierher.“ Sie sah auf ihre Armbanduhr. „Und wenn ich mich nicht arg täusche müssten sie spätestens in einer Stunde hier sein. Es kommen Notfalleinheiten mit medizinischem und technischem Personal zur Bergung und Versorgung von möglichen Toten und Verletzen, sowie militärische Einheiten zur Absicherung vor neuen Angriffen. Ich hoffe, das war in deinem Sinne, Dad.“ Marc nickte zufrieden und man sah ihm an, warum er ein solches Vertrauen in seine Älteste setzte, dass er ihr bedenkenlos die Suche und Befreiung seiner Gefährtin anvertraute. Zumindest kam Tarabas für sich zu diesem Urteil. „Gut, dann gib mir bitte deine Ausrüstung, die du bei dir hast, ich kümmere mich hier um alles Weitere und leite die kommenden Einheiten. Ich hoffe, das wird diesen sturen Mitgliedern in Shanas Zirkel endlich einmal vor Augen führen, dass wir alles andere als Barbaren sind.“ „Anscheinend seid ihr auch nicht besonders gut auf die Priester des Lichts zu sprechen.“, stellte Tarabas mit ein klein wenig Genugtuung fest, nachdem er die ganze Zeit geschwiegen hatte und Vater und Tochter wie ein Schatten gefolgt war. Marc drehte sich zu ihn um und ein kleines, aber auch bitteres Lächeln huschte über seine Züge. „Sagen wir es so, sie hätten sich für ihre Hohepriesterin einen friedlicheren Ehemann gewünscht, der nicht Leiter einer militärischen Organisation ist. Und der aus einem anderen Volk als dem der Terraner stammt.“ Der Mann wurde Tarabas immer sympathischer. Raven nahm unterdessen ihre Tasche ab und reichte sie ihrem Vater. „Hier ist alles drin, was du zur Erstversorgung und Kommunikation brauchst.“ Dann nahm sie den Kommunikator aus ihrem Ohr und reichte auch diesen weiter. „Und hier hast du meinen Kontakt zum Hawke. Es bestehen oberflächliche Schäden, check sie bitte, bevor du zurückfliegst. Darauf habe ich noch nicht reagieren können. Hatte ein bisschen was anderes im Kopf gehabt.“ „Mache ich. Kümmere dich jetzt bitte um deine Mutter.“, meinte Marc freundlich, bevor er sich Tarabas wieder zuwandte. „Ich hoffe, dass wir uns bald unter erfreulichen Umständen wiedersehen werden.“ Tarabas neigte leicht und zustimmend seinen Kopf. „Ich denke, das wird sich einrichten lassen, Admiral.“ „Dann macht euch bitte auf den Weg.“, bat Ravens Vater sie und sie konnten sie Sorge in seinen Augen sehen, auch wenn er sich bemühte, diese zu verdrängen. So nickten sie beide, bevor Raven Tarabas einfach nur ansah. Sie stellte keine Fragen, weder akustisch, noch auf telepatischem Wege, was ihm Respekt einflößte, da sie ihm anscheinend so sehr vertraute, obwohl sie wusste, wer und vor allem WAS er war. So nickte er und drehte sich zum Gehen. Schnell umarmte Raven ihren Vater und verabschiedete sich, dann kam sie hinterher und sie verließen das Lazarett. Schweigend gingen sie einige Minuten durch das Chaos der Verletzten und Trümmer, bis es ruhiger wurde und kaum noch Menschen sichtbar waren. „Ich bewundere deine Geduld, Sahva.“, meinte Tarabas schließlich zu seiner Wächterin und lächelte leicht. „Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass du mich mit Fragen löchern würdest.“ „Inmitten von Priestern und deren Helfershelfern? Ganz sicher nicht. Wer weiß, was wer irgendwie mitbekommt.“, meinte sie ruhig und sah ihn dann an. Wieder sage sie nichts, doch er konnte ihre Fragen in ihren Augen sehen. Nämlich was sie jetzt tun sollten. „Wir müssen nun herausfinden, wohin deine Mutter gebracht wurde und was die Entführer mit ihr vorhaben. Dafür brauchen wir Wissen und vor allem Zeit, ohne dass es negativ für deine Mutter ausartet. Es gibt exakt einen Ort, wo wir all das haben.“ Nun sah sie ihn doch verwundert an, sagte aber immer noch nichts. So langsam stellte er sich wirklich die Frage, womit er dieses Verstrauen verdient hatte, dass sie das, was er sagte, ohne Misstrauen hinnahm. Doch dann brannte ihr doch etwas auf der Zunge wie er spüren konnte, obwohl sie wieder versuchte, dies zu unterdrücken. „Ah, endlich hast du eine Frage an mich.“, meinte er mit einem Schmunzeln. Mit einer Mischung aus Empörung und auch etwas Verlegenheit sah sie ihn an. „Raven, als ich dir sagte, dass du mich jederzeit alles fragen kannst war das nicht nur als Floskel gemeint.“ Verlegen senkte sie leicht den Blick, doch dann gab sie ihrer Neugierde nach. „Wissen kann ich verstehen, aber Zeit wird überall vergehen.“, murmelte sie, wohl eher an sich gerichtet. „Nicht überall fließt die Zeit gleich, mein Stern.“, korrigierte er sie freundlich und sofort hatte sie ihren Blick wieder auf ihn gerichtet. „Das geht? Ich dachte nach physikalischen Gesetzen verläuft die Zeit als Einziges konstant.“ „Richtig.“, stimmte er ihr zu. Verwirrt sah sie ihn an. „Aber…“ „Bis auf in einer Welt. Nein, in zweien, wenn man es genau nimmt. Sie existieren außerhalb der Zeit.“ Er konnte beinahe sehen, wie sich ihre Gedanken und ihre Verwirrung überschlugen und konnte sich kaum ein Schmunzeln verbeißen. Sie fragte sich, wo ein solcher Ort außerhalb der normalen Zeit existierte. „Ich habe dir doch vom Makai erzählt, dem Ort, an dem ich ursprünglich zuhause bin. Erinnerst du dich?“ Sie nickte stirnrunzelnd. „Das ist ein Ort, an dem keine Zeit existiert, weil er der Zugang zum Totenreich ist. Und dorthin werden wir nun gehen.“, erklärte er und hoffte auf eine ganz bestimmte Reaktion von ihr. Er wurde nicht enttäuscht, seine Hoffnung auf Neugierde wurde sogar durch schiere Begeisterung übertroffen, die sie mit keiner Konzentration der Welt hätte unterdrücken können. „Du möchtest die dunkelste aller Welten also kennenlernen?“, stellte er rhetorisch seine Frage. „Du weißt, wofür ich mich interessiere. Also sollte die Antwort doch auf der Hand liegen, oder?“, fragte sie ernst, doch ein kleines Lächeln huschte über ihre Züge. „Ich muss dich aber warnen, Sahva. Der Weg wird schwer für dich und du wirst Zeit brauchen, bis du dich an die Atmosphäre meiner Heimat gewöhnt und den Übergang verdaut hast.“ Sie schüttelte ganz leicht ihren Kopf, doch meinte damit etwas anderes, als er in der ersten Sekunde dachte. „Ich werde es sicherlich überleben, mach dir um mich keine Sorgen. Man sagt ich bin zu stur, um mich aufhalten zu lassen, wenn mich etwas wirklich interessiert.“ Bei ihren Worten und den optimistischen Lächeln, was danach folgte, wurde ihm sowohl warm als auch schwer ums Herz. Es war das erste Mal, dass er so etwas in einer solchen Intensität verspürte und es schien ihn ganz kurz zu lähmen. Doch dann überwog sein Stolz auf sie. Und sein Beschützerinstinkt. Er würde sie niemals wieder ziehen lassen, dessen war er sich sicher und die Finsternis, die in ihm kochte und sein dämonisches Ich ausmachte, stimmte ihm wild zu. „Dann komm, mein Herz.“, meinte er nur leise und reichte ihr seine Hand. Die sie wieder einmal mit solch einem Vertrauen und einer unendlichen Selbstverständlichkeit ergriff, dass es ihm beinahe die Tränen in die Augen trieb. So schloss er ganz behutsam seine kühle Hand um ihre warme und zog sie dicht an sich heran. Was keine wirklich gute Idee war, wie ihm sein immer noch durch dieses seltsam ziehende Gefühl in der Brust sensibler Körper sofort signalisierte. Er war sofort unglaublich hungrig und wollte die Frau in seinen Armen kosten. „Ich halte dich, das ist das Einzige, was du die ganze Zeit im Kopf behalten musst, Sahva.“, raunte er ihr mit ein wenig heiserer Stimme ins Ohr, da er sich selbst eingestehen musste, dass er schlicht und ergreifend wieder erregt war. Dann ließ er sich und sie von Schatten einhüllen.   Sahva spürte sofort einen Unterschied zu den Reisen vorher. Ein schier unglaublicher Druck herrschte auf ihrem gesamten Körper und verursachte ein Gefühl, als wollte jemand ihren Körper und Geist in die Länge und Breite reißen. Sie hätte geschrieben wenn sie gekonnt hätte, doch sie war so sehr dem Druck ausgeliefert, dass ihr nichts möglich war. Glücklicherweise spürte sie die ganze Zeit Tarabas vor sich, was ihr half, nicht den Verstand zu verlieren. Doch dann, grade als sie meinte, dass der Druck in ihr weniger wurde, verließ sie ihr Bewusstsein.   Als sie wieder erwachte lag sie auf einem Bett, zumindest spürte sie das, obwohl ihre Augen noch geschlossen waren. Und sie behielt sie auch geschlossen, denn sie hatte mit einem Mal das Gefühl, dass sie sich übergeben würde, wenn sie sie öffnete, so schwindelig war ihr. Doch dann spürte sie ein beruhigendes Streicheln auf ihrer Wange und seltsamerweise wurde der Schwindel sofort weniger. „Alles gut. Gleich geht es dir besser.“, hörte sie Tarabas‘ sanfte Stimme. Anscheinend saß dieser direkt neben ihr schloss ihr noch immer völlig in Watte gepackter Geist obwohl sie ja durch das Streicheln eigentlich gewusst haben sollte, dass er sich bei ihr befand. Dennoch fühlte es sich wundervoll an, einen solchen Gedanken zu haben und gab ihr die Kraft, ihre Augenlider zu heben. Zuerst drehte sich noch alles, doch das Drehen wurde schnell langsamer. Das Tarabas ihre Hand genommen hatte und zusätzlich eine Hand an ihre Wange legte half zusätzlich. Schließlich war ihre kreiselnde Wahrnehmung wieder normal und sie sah das sanft lächelnde Gesicht des Schwarzhaarigen klar vor sich. „Wieder gut?“, fragte er sanft und sie erwiderte sein Lächeln und nickte. „Der Schwindel ist weg.“, bestätigte sie zusätzlich mit sehr leiser und etwas schwacher Stimme. „Das ist doch eine sehr gute Nachricht.“ Sie wollte sich aufsetzen, doch Tarabas hielt zu zurück. „Ich weiß, dass du neugierig bist, mein Herz, aber bleib lieber noch liegen. Du kannst dich auch so schon ein wenig umschauen.“ Da er sich über sie gebeugt hatte setzte er sich nun wieder zurück, behielt aber dennoch ihre Hand in der seinen. Diese Verbindung tat ihr gut und half dabei, dass die Übelkeit, die der Schwindel ausgelöst hatte, weiter verschwand. Sie lag auf einem wirklich großen Bett stellte sie dann fest, als sie ihren Blick schweifen ließ, einem Himmelbett um genau zu sein mit einem Himmel aus hauchdünnem Stoff, dessen genaue Farbe sie aufgrund des schummrigen Lichts im Raum nicht genau zuordnen konnte. Die in sich gedrehten Pfosten des Bettes, um die sich der Stoff ebenfalls wand, waren aus sehr dunklem Holz gefertigt worden und Kordeln in Rot und Silber hielten die Bahnen an Ort und Stelle. Der Raum, in dem sich das Bett befand, war groß und sie konnte in die Wände eingelassene Schranktüren erkennen, ebenso wie einen Kamin an der einen Zimmerseite, der etwas warmes Licht spendete. Ihr gegenüber schienen Fenster zu sein, denn dort waren Vorhänge geschlossen worden. Dann entdeckte sie zwei Türen, eine schmaler als die andere, die ebenfalls geschlossen waren und in andere Räume führten. „Wo sind wir?“, fragte sie matt aber interessiert. „In meinem Schlafzimmer in meiner Heimatwelt.“, erklärte er ihr, nachdem er schweigend ihrer Erkundung mit den Augen zugeschaut hatte. Er sah sie an und schien nichts zu machen, doch dann entflammten sich mit einem Mal Dutzende von Kerzen, die wie aus dem Nichts erschienen, kurz in der Luft schwebten und dann auf Möbelstücke niedersanken. Nun konnte Raven wesentlich mehr erkennen. Das Zimmer war wunderschön und die Möbel erlesen. Zwei Sessel standen um einen Tisch in der Nähe des Kamins, zudem sah sie niedrige Regale, auf denen Bücher und sogar Pflanzen standen. Und der Boden schien mit einem weichen Teppich mit hohem Flor bedeckt zu sein. „Ein schöner Raum.“, meinte sie dann, weil ihr nichts Besseres einfiel. Was Tarabas leise kichern ließ. „Das ist noch gar nichts.“, meinte er, dann rutschte er über das Bett und stand auf. Erst jetzt fiel Raven auf, dass die Matratze, auf der sie lag, etwas ähnliches wie ein beruhigtes Wasserbett zu sein schien, denn es bewegte sich ein wenig wie eine solche Matratze. Und noch bevor ihre noch etwas trägen Gedanken es richtig erfassten drehte er sich wieder zu ihr um, schlug die Decke, mit der sie zugedeckt war, zurück und hob sie dann behutsam hoch. Dies geschah mit so einer Leichtigkeit, dass sie wieder einmal verwundert war, wie kräftig er in Wirklichkeit war. Denn die Kleidung, in der sie ihn bislang immer gesehen hatte, verbarg diese Tatsache sehr gut. Mit Raven auf seinen Armen schritt er auf einen der zugezogenen Fenster zu, dessen Vorhänge bis auf den Boden reichten. Und ohne dass sie irgendetwas spürte glitten diese Vorhänge vor ihm auf und gaben eine Terrassentür frei, durch die er sie trug. Außen auf der Terrasse legte er sie auf eine bereitstehende Chaiselongue, damit sie sich in Ruhe umschauen konnte. Vor ihr tat sich ein gewaltiger Garten auf, in dem wunderschöne Pflanzen wuchsen. Was sie von ihrem Standpunkt sehen konnte waren kunstvoll angelegte Wiesen mit Pflanzen, von einen einige sogar zu funkeln schienen. Durchschnitten wurden die Wiesen mit Wegen, die anscheinend mit sehr hellem Sand ausgestreut worden waren. Und in der Mitte des riesigen Gartens, der anscheinend komplett mit Terrassen und somit von anderen Zimmern umschlossen war, befand sich ein einzelner schwarzer Pavillon. Über dem Garten öffnete sich ein weiter Nachthimmel mit funkelnden Sternen am Himmelszelt. „Willkommen im Mondgarten.“, meinte Tarabas zu ihr. „Wie schön.“, war alles, was Raven äußern konnte. „Leider scheint keiner der sechs Monde hier direkt über dem Garten, was in meinen Augen diesen Ort noch schöner macht.“ Sanft streichelte er ihr über das Haar. „Ruh dich hier noch ein bisschen aus, Sahva. Die Umstellung auf die Atmosphäre hier braucht seine Zeit. Da der Makai etwas außerhalb der normalen Zeit liegt können wir uns die nehmen.“ Er hob kurz seine Hand, dann hüllte auch schon eine weiche, warme Decke Ravens Körper ein. „Ich schaue grade ein wenig nach dem Rechten. Es ist schon ein bisschen Zeit verstrichen, seit ich das letzte Mal hier war.“ Raven nickte nur und sah ihm dann hinterher, als er von dem Teil der Terrasse, auf dem sie sich nun befand, fortging und durch eine andere Terrassentür einige Meter von ihr entfernt einen anderen Raum betrat. Ihr Blick kehrte dann zu dem Garten zurück. Das Gebäude, was sie von ihrem Standpunkt sehen konnte, schien eingeschossig, aber riesig zu sein. Dieser Ort erschien ihr paradiesisch und die Ruhe hier tat ihr übriges, dass ihr alsbald die Augen schwer wurden und sie einschlummerte.   Als sie das nächste Mal erwachte fühlte sie wirklich erfrischt. Aber irgendwie hatte sie das Gefühl, als hätte sie etwas Seltsames geweckt. So öffnete sie ihre Augen... und starrte auf eine Klinge, die ihr von einem rothaarigen Mann mit goldbrauner Haut und rubinroten Augen fast bis an die Kehle gehalten wurde. Seine Miene war sehr ernst und es sah so aus, als wollte er sie gleich aufspießen. Langsam spannte sie ihren Körper an, ihr Blick wurde klar und scharf und sie fixierte seinen Blick. Dann schossen mit einmal ihre Arme vor, sie packte die Klinge ihres Gegenübers mit steifen Händen am flachen Blatt und riss ihre Hände dann in eine Richtung, womit sie ihn so dermaßen verblüffte, dass sie ihn entwaffnen konnte. Dann sprang sie auf und ging ihrerseits in den Angriff über und drängte ihn mit schnell folgenden Kicks zurück. „Wowowow, was zur...?“, stieß er aus und wollte seinerseits in den Angriff übergehen. Da donnerte ein lautes „Larmas!“ durch den Garten und er blieb sofort wie angewurzelt stehen. Weswegen er den letzten Tritt, den Raven ausführte, abbekam. Und er mit einem lauten „Uff.“ in die Knie ging. Raven nahm ihre Kampf-Ausgangsstellung an, dann hob sie kurz ihren Blick in die Richtung, aus der der zornige Ruf gekommen war und sah, wie Tarabas mit finsterer Miene auf sie zu kam. Sie entspannte sich sofort und ihr schlechtes Gewissen meldete sich. Denn anscheinend kannte er diesen Mann. So öffnete sie ihren Mund um etwas als Entschuldigung zu äußern, doch Tarabas starrte nur auf den Mann, der sich langsam aufrappelte. „Wow, die Lady hat einen Tritt am Leib, mit dem ich in allen Welten niemals gerechnet hätte.“, meinte dieser und zu Ravens Erstaunen grinste dieser mit einem Mal. „Dürfte ich erfahren, warum sie dich angreifen musste?“, fauchte, ja fauchte Tarabas den Mann an, den er Larmas gerufen hatte. „Sie lag auf deiner Terrasse…“ „Dieser Garten ist nur durch die Wohnungen erreichbar und nur die mit Erlaubnis können ihn betreten. Du lebst schon lange genug hier um das zu wissen.“ Das Grinsen des Rothaarigen wurde breiter, aber auch verlegen. „Uppsi, ganz vergessen.“, meinte Larmas nur und das war so komisch, dass Raven sich ein Kichern nicht mehr unterdrücken konnte. In einer Sprache, die sie nicht verstand, äußerte Tarabas so etwas wie einen Stoßseufzer und schloss kurz seine Augen, dann sah er Raven an. „Sahva, dieser äußerst ungehobelte Klotz ist Larmas, Clanfürst der Feuerdämonen und mein oberster General. Und Larmas, die junge Dame, die du grade sicherlich auf eine nicht wirklich charmante Weise begrüßt hast, ist Lady Raven Sahva, älteste Tochter der Hohepriesterin des Lichts, Prinzessin der Shino… und seit Kurzem meine Wächterin.“, stellte Tarabas die beiden einander vor. Raven neigte sofort automatisch ihren Kopf, als sie die Titel von Larmas erfuhr, ihr Gegenüber hingegen wurde trotz seiner getönten Haut, die einen ähnlichen Ton hatte wie ihre derzeit sonnengebräunte Haut, sichtbar bleich. „Herrin, verzeiht, dass ich euch angegangen bin. Aber irgendwie wurde versäumt mir mitzuteilen, dass es im Ranggefüge eine solch drastische Veränderung gegeben hat.“, meinte der Rothaarige und legte seine rechte Hand als Faust auf sein Herz, um sich dann tiefer zu verbeugen, dann warf er Tarabas einen etwas finsteren Blick zu. „Da wir uns noch nicht gesehen haben blieb mir dazu keine Zeit.“, kam Tarabas’ kühler Kommentar. „Ich bin des Lesens durchaus mächtig, du hättest mir von Laos aus auch eine Nachricht zukommen lassen können.“, feuerte der Rothaarige zurück. „Ähm… deswegen muss man meiner Meinung nach nicht streiten.“, wandte Raven vorsichtig ein. Daraufhin entspannte Tarabas sich wieder und Larmas breites Grinsen kehrte zurück. „Keine Sorgen, das ist kein Streiten. Wenn wir streiten würden würde das Schloss wackeln.“, meinte Larmas. Raven konnte sich nicht helfen, sie mochte den rothaarigen Mann irgendwie, der annähernd so groß war wie sie selbst, wie ihr erst jetzt auffiel. Er strahlte nun eine unglaubliche gute Laune aus, wo sie einander vorgestellt worden waren. "Ich hoffe, dass ist nur bildlich gemeint.", äußerte sie nun ebenfalls lächelnd, doch Larmas schüttelte seinen Kopf. "Nah, das stimmt schon so. Auch wenn es schon eine ganze Weile her ist, seit Tarabas und ich uns dermaßen angeschrien hatten, dass das Schloss einen Warnstoß abgegeben hatte, um uns auseinander zu bringen." Nun war Ravens Verwirrung zurück und sie sah die beiden Männer mit einem Stirnrunzeln an. Das Schloss hatte einen Warnstoß abgegeben? "Das Gestein des Schlosses ist lebendig, du kannst das gerne selbst einmal erspüren, wenn wir uns in einer etwas erfreulicheren Absicht hier befinden und du mehr Zeit haben wirst, um dich hier und im Makai selbst umzusehen. Es hat uns auf seine Weise beruhigt.", versuchte Tarabas ihre Verwirrung zumindest ein klein wenig zu lindern. "Nicht erfreulich? Was ist denn passiert?", fragte Larmas und aus dem eben noch fröhlich wirkenden Mann wurde wieder jemand, dem Raven zutrauen konnte, leitender General zu sein, auch wenn dessen lockerer Umgang mit seinem Herrn doch noch etwas befremdlich auf sie wirkte. "Es gab einen Anschlag auf eine Veranstaltung, an der Sahvas Eltern teilgenommen hatten.", begann Tarabas seine Erklärung. "Ich hoffe, es ist nichts gravierendes passiert?", hakte Larmas sofort nach. "Sahvas Vater konnten wir im Areal des Anschlaggebietes finden, ihre Mutter ist allerdings unauffindbar gewesen. Ich konnte nur einen vagen Hinweis ausmachen und der besagte, dass sie sich nicht mehr auf dem Planeten befand, auf dem die Veranstaltung stattgefunden hatte. Wir sind hierhergekommen, weil wir weitere Informationen in kürzester Zeit brauchen. Und uns eine Möglichkeit einfallen lassen, wie wir Sahvas Mutter helfen können.", erklärte Tarabas seinem General kurz und bündig. "Ist sie noch in einer lichten Welt oder bereits in einer der unseren?", fragte Larmas ernst weiter. "Das konnte ich noch nicht erkennen. Es waren erst wenige Stunden verstrichen, es kann sein, wenn sie einen nicht allzu starken Magier dabei hatten, dass sie ein Tor erst zu einer dunklen Tageszeit öffnen konnten.", äußerte Tarabas seine Gedanken, was Raven wieder einmal etwas ratlos zurück ließ. Was Larmas sehr wohl bemerkte. "Es ist noch nicht lange her, dass du Lady Raven als deine Wächterin erkannt hast, oder?", fragte der Feuerdämon nachdenklich nach. "Ein halbes Jahr, gerechnet in der Zeitrechnung der Welt, aus der ich komme.", meinte Raven. "Eine unserer Jahreszeiten. Aber sie musste kurz danach in ihre Heimat zurückkehren, deswegen konnte ich sie noch nicht einweihen.", ergänzte Tarabas sie etwas kühl. "Gut. Was dieser alte Querkopf hier eben meinte war folgendes...", begann Larmas und ignorierte den finsteren Blick seines Herrn mit einer unglaublich stoischen Ruhe. "Es gibt so genannte Weltentore, durch die Übergänge zwischen unterschiedlichen Welten ermöglicht werden. Durch ein solches seid ihr übrigens her gekommen. Sie können, wenn der Magier, der sie ruft, stark genug ist, zu jeder Tageszeit geöffnet und als Durchgang genutzt werden. Sollte dies aber nicht der Fall sein können sie auch von Schwächeren in der Tageszeit ohne Sonnenlicht beschworen werden. Zumindest wenn man sich in einer lichten Welt befindet." "Sie sind durch ein solches Tor entkommen?", fragte Raven etwas besorgt nach. "Davon gehe ich aus.", meinte Tarabas. "Ich habe noch nicht viel in Erfahrung bringen können, aber alles deutet darauf hin, dass die Angreifer aus einer der dunklen Welten gekommen sind. Hätte Larmas dich nicht so unsanft geweckt wäre ich vielleicht schon ein wenig weiter mit meiner Recherche." "Ja, ich bin schuld. Tut mir ja auch leid.", warf dieser gleich ein und sofort folgte wieder dieses anscheinend charakteristische Grinsen. Raven wurde aufgrund dieser Information wieder besorgt und beide Männer konnten ihr das auch ansehen. „Ich weiß nicht, in wieweit eine dunkle Welt Einfluss auf meine Mutter haben wird. Meine Großmutter hatte mir kürzlich erklärt, dass das bei ihr und meiner Schwester… problematisch… sein könnte, im Gegensatz zu mir.“, meinte sie etwas unsicher. Tarabas nickte. „Ich weiß, bei deiner Schwester konnte ich so etwas schon spüren. Bei deiner Mutter wird die Reinheit ihrer lichten Seele sicherlich noch wesentlich ausgeprägter sein.“ „Ist ein Aufenthalt in einer dunklen Welt dann nicht gefährlich für sie?“, fragte sie besorgt weiter. „Es kommt darauf an, wie weit diese Welt in der Dunkelheit liegt.“, meinte Tarabas daraufhin. „Und das werden wir gleich rausfinden.“ Dann sah er Larmas an. „Ruf die anderen. Wir werden sie wahrscheinlich brauchen, um die Hohepriesterin zu befreien.“ „Auch die Zwillinge?“, fragte dieser. „Grade die Zwillinge. Du weißt, wieso. Außerdem brauchen wir ihre Fähigkeiten, vor allem wahrscheinlich Liams.“ Larmas nickte knapp in Zustimmung, dann steuerte er auch schon die nächste Terrassentür an. „Die anderen?“, fragte Sahva stirnrunzelnd. „Die anderen Generäle. Du wirst sie gleich kennenlernen. Ich habe derer fünf hier im Makai. Und zusätzlich wird Larmas den Zwillingsbruder eines der Generäle dazu rufen. Er ist ein sehr mächtiger Heiler, der auch Lichtwesen helfen kann. Wir werden seine Hilfe sicherlich brauchen, um die Magie deiner Mutter zu reinigen. Hoffen wir mal, dass es dabei bleiben wird.“ Dann bat er sie mit einer Handbewegung, ihm zu folgen. So schritt sie hinter ihm her, über die Terrasse zu der Tür, in der er vor ihrem Nickerchen verschwunden war. Sie betrat so ein riesiges Wohnzimmer. Wenn sie sein Schlafzimmer schon für elegant möbliert gehalten hatte wurde ihr hier noch ein anderer Standard offenbart. Doch wirklich umschauen konnte sie sich nicht, denn Tarabas steuerte direkt eine Doppeltür am anderen Ende des Raumes an. „Du kannst dich umsehen, wenn wir aus dem Orakelraum zurück sind.“, versprach er ihr sanft und das leicht aggressive, welches er bei Larmas an den Tag gelegt hatte, war wieder verschwunden. „Orakelraum?“, fragte sie und beschleunigte ihren Schritt, sodass sie direkt an seiner Seite ging. „So wird ein ganz besonderer Raum hier im Schloss genannt, zu dem nur sehr wenige Personen Zutritt haben. Dort gehe ich, sagen wir mal, meinen Hobbies nach, wenn ich hier bin. Alchemie außerhalb und innerhalb der Magie ist nämlich ein sehr interessanter Themenbereich, dem ich seit einer sehr langen Zeit nachgehe.“ Er öffnete eine Seite der Tür und ließ sie hindurch gehen, während er diese offen hielt. Hinter ihr schloss er sie wieder. Sie standen nun in einem sehr langen Gang, der anscheinend eine leichte Bogenform beschrieb, wie Sahva für sich feststellte. „Komm hier entlang. Es ist nicht weit.“, meinte Tarabas und deutete nach links. Sie folgte ihm wieder und sie legten schweigend etliche Meter zurück, bevor sie vor einer kleinen, unauffälligen Tür standen. Raven hätte sie niemals bemerkt, wenn Tarabas sie nicht buchstäblich vor dieser angehalten hätte. „Leg bitte deine Hand auf das Holz.“, forderte er sie freundlich auf. Sie tat wie ihr geheißen und meinte sofort ein Kribbeln unter ihrer Handfläche zu spüren. Instinktiv wollte sie sie zurückziehen, doch Tarabas schien dies vorausgesehen zu haben und bedeckte sofort die ihrem mit seiner. „Das sind Bannsiegel. Dass du sie nur als Kribbeln spürst zeigt, dass meine Magie bereits ein Teil von dir geworden ist.“, erklärte er ihr. Er stand sehr dicht hinter ihr, als sie sich über die Schulter zu ihm drehte. Seine Hand auf der ihren zu spüren, dazu dieses Kribbeln und sich durch seine Nähe beschützt und sicher zu fühlen entfachte wieder einmal ein ganz anderes Kribbeln in ihr. Und er spürte es anscheinend auch, denn als sie sich ansahen blitzen seine Augen kurz hell auf und das Lächeln verschwand. Dann zog er mit seiner Hand die ihre von dem Holz und sie zu sich herum, um gleich darauf ihre Lippen mit den seinen zu bedecken. Sie erwiderte den Kuss, ruhig zuerst, hieß ihn endlich willkommen, da sie bislang irgendwie noch keine Zeit dazu gehabt hatten. Doch schnell wurde der Kuss tiefer, heißer und irgendwie auch wilder, denn das Knistern zwischen ihnen flammte schnell wieder auf. Wie automatisch wanderten ihre Arme hoch, sodass ihre Hände schließlich über seine Schultern hinauf zu seinem Hinterkopf strichen und in die Flut seiner dichten schwarzen Haare tauchten. Unbewusst zog sie ihn somit weiter zu sich heran, bis sie sich schließlich an die Tür gedrückt fand. Tarabas Küsse wanderten unterdessen tiefer, ihren Hals entlang, den sie automatisch mit einem kleinen wohligen Seufzen zur Seite legte. Sie glaubte ein leises zufriedenes Knurren seinerseits zu hören… dann durchfuhr sie ein elektrischer Schlag. Es tat nicht weh, aber es wirkte wie der buchstäbliche Eimer Wasser und das nicht nur auf sie. Doch anstatt sich von ihr zu lösen zog Tarabas sie schützend an sich und stieß einen langgezogenen, tiefen Ton aus, der eindeutig ein aggressives Knurren war. Nur konnte sie nicht erahnen, gegen wen er dieses Knurren richtete oder wer den Schlag geschickt hatte. Tarabas hörte diesen vagen Gedanken und er holte einige Male tief Luft, anscheinend um sich wieder zu beruhigen. Er war wahrlich angespannt wie eine Gitarrensaite wie sie fand. „Das war das Schloss. Es findet, wir haben derzeit andere Dinge zu erledigen, als uns auf dem Flur an einander zu erfreuen.“, erklärte er ihr. Und wie zur Bestätigung spürte sie ein leises Echo einer fremden Präsenz, die sich… freute? „Geliebte Finsternis, wir müssen dringend etwas dagegen tun, dass ich jedes Mal in kalten Flammen stehe, wenn du so nah bei mir stehst, mein Herz.“, brummte er schließlich und ließ sie dann anscheinend widerstrebend los. „Was… was meinst du?“, fragte sie verwirrt, nur um gleich darauf sehr eindeutige Bilder vor ihrem inneren Auge zu haben, wie sie mit dem Rücken  an das hell schimmernde, schwarze Gestein gepresst wurde, während ihre Beine sich um Tarabas Hüften geschlungen hatten und sie eindeutig… „Genug!“, donnerte Tarabas, während er sich mit einer Hand  an der Wand  abstützte und nun heftiger atmete, ebenso wie sie selbst. „Hör auf. Du bringst uns damit beide in eine äußerst prekäre Situation. Wir haben dazu keine Zeit.“ Erst dachte sie, er meinte ihre nun überschäumende Phantasie, die ihr diese Bilder gesandt hatte. Doch er schüttelte leicht den Kopf. „Das war nicht deine Phantasie. Das war das Schloss. Du bist anscheinend genauso empfindlich ihm gegenüber wie gegenüber meinen Stimmungen.“ Raven hörte nun in sich ein leises Lachen und spürte große Freude, dann zog sich die Präsenz zurück. Und mit ihr legte sich auch diese Hitze, die Raven spürte, auch wenn etwas zurück blieb und auch ihr klar machte, dass sie lieber etwas ganz anderes tun würde, als sich grade um ihre Mutter zu kümmern. „Du bekommst ein schlechtes Gewissen.“, wies Tarabas sie mit einem kleinen Lächeln auf eine Tatsache hin, die ihr selbst noch nicht wirklich aufgefallen war, weil ihr dieser Gedanke gekommen war. „Lass uns also eintreten. Über das andere, was wir beide mehr wollen als die Suche nach deiner Mutter, machen wir uns später Gedanken.“ Sahva sah erst ihn mit einem kleinen Bedauern an, dann drehte sie sich zu der kleinen Tür um. Diese stand nun offen, was sie nicht bemerkt hatte. Mit einer freundlichen Handbewegung, wie sie typisch für ihn war, wie Raven innerlich feststellte, bat Tarabas sie einzutreten. Kapitel 14: Verstärkung ----------------------- Raven war überrascht, als sie sich nach dem Betreten des Raumes umsah. Der Raum sah wie ein mittelalterlich anmutendes Labor aus. An der einen Wand befand sich ein Regal mit verschiedenen Gläsern, die mit einer elegant geschwungenen Schrift versehen waren. Die meisten davon waren dunkel, in einigen konnte sie aber so etwas wie getrocknete Pflanzen erkennen. An den anderen Wänden befanden sich Regale mit Schriftstücken und zudem eines der gewaltigsten Schreibpulte, die sie je gesehen hatte. Dann befand sich ein riesiger Arbeitstisch in einem Teil des Raumes, den man ungestört komplett umrunden konnte. Auf dem Großteil davon befand sich eine große Konstruktion aus gläsernen Destillierkolben und durchsichtigen Verbindungen, unter dem Tisch vermeinte sie Töpfe und Gefäße aus unterschiedlichen Materialien zu erkennen. Das, was sie aber am meisten überraschte, war ein steinernes Becken, welches ihr von der Höhe her fast bis zum Bauchnabel reichte. Auf dieses Becken strebte Tarabas direkt zu. "Komm, stell dich zu mir.", forderte er sie freundlich auf. Sie tat wie ihr geheißen und betrachtete dann verwundert dieses Becken. In ihm war eine Flüssigkeit, die zwar schwarz war, aber dennoch irgendwie einen silbrigen Schimmer aufwies. Die Wasserfläche war glatt wie ein Spiegel als sie ihren Blick neugierig darauf warf, doch keine Sekunde später begann sich das Wasser langsam zu drehen. "Was...?", murmelte sie überrascht. "Sieh weiter darauf. Wende den Blick nicht ab.", hörte sie Tarabas' Stimme leise und beinahe schon hypnotisch an ihrem Ohr. Wieder einmal stand er hinter ihr und wieder fühlte sie sich von ihm beschützt. So hielt sie ihren Blick auf die Wasseroberfläche gerichtet. Das Kreisen des Wassers wurde schnell mehr, dann verfärbte sich dieses und wurde hell silbern, um danach wie ein Spiegel zu wirken. Dann sah sie die ersten Bilder. Vor ihr erschienen drei Personen, zwei weißhaarige Männer, einer ruhig und sehr aufmerksam, der andere sanft und freundlich und eindeutig Zwillinge. Beide lächelten sie an, dann verschwanden sie auch schon wieder. Als nächstes erschien eine Frau mit langen Locken in der gleichen Farbe, wie auch Larmas sie hatte, eine Mischung aus kräftigen Rottönen. Zudem hatte sie den gleichen Hauttyp und die gleiche Augenfarbe wie Tarabas' General. Sie war eine Kriegerin, dessen war sie sich sofort sicher. Sie konnte muskulöse Arme erkennen und ein robuster Schwertgurt schlang sich um ihre Hüften. Zuerst war die Miene der Frau sehr ernst und verschlossen, doch als sie sie ansah lächelte auch sie leicht und sanft, dann verschwand auch sie. Als nächstes tauchten ihre Eltern in diesem mysteriösen Wasser auf, hielten sich in den Armen und sahen sie dankbar an. Seltsamerweise war sie sich sofort sicher, dass sie ihre Mutter wieder wohlbehalten zurückerhalten würden. Daraufhin verblasste das Leuchten des Wassers. Doch als allerletztes, kurz bevor die Bilder vollkommen verschwanden, erschien ein letztes Gesicht im Wasser. Es war das eines kleinen Jungen mit schulterlangen dunklen Haaren, die nicht schwarz und nicht braun waren. Sie konnte sein Gesicht kaum erkennen, denn das Wasser war nun wieder fast vollkommen schwarz. Doch sie war sich sicher, dass auch er sie wie die anderen Personen im Wasser freudig anlächelte. Tarabas war selbst überrascht, dass das Orakelbecken sofort reagierte, als Raven ihren Blick auf die Oberfläche richtete. Es begann sich zu drehen, immer schneller und schneller, doch für ihn blieb das charakteristische Leuchten aus. In seinem Innern spürte er, dass seine Wächterin Bilder erblicken konnte, doch er selbst hatte auf diese Bilder keinen Zugriff, auch über ihre Verbindung nicht. Für ihn war dies ein Zeichen, dass die Vision, die das Becken erzeugte, nur für Raven bestimmt war. Und es deutete ihm an, dass sie über weitsichtige Fähigkeiten verfügen musste, denn nur mit solchen Grundlagen sprang die Magie des Beckens überhaupt erst an. Er lächelte leicht und triumphierend. Seine Wächterin hatte trotz all der Prognosen, die die Priester des Lichts einmal vernichtend über sie gestellt hatten, ihre eigenen Fähigkeiten, die anscheinend langsam erwachten. Und er war nun zur Stelle, um diesen Rohdiamanten behutsam zu formen und zu lehren, was sie alles wissen musste. Er musste sich eingestehen, er freute sich darauf, zumal absolut nicht ersichtlich wahr, in welche Richtung sie sich noch entwickeln würde. Raven erbebte leise, als die Bilder verschwunden waren und holte erschrocken Luft, dann blinzelte sie, bevor sie sich zu Tarabas umdrehte. "Was war das?", fragte sie etwas verstört. "Du hattest eine Vision.", erklärte er ihr sanft und sie spürte, dass er deswegen stolz auf sie war. Er legte seine Hand auf die steinerne Einfassung des Beckens und gleich darauf begann das Wasser im Becken, welches sich grade wieder vollkommen beruhigt hatte, zu erzittern. "Das ist ein Orakelbecken. Es bildet einen Spiegel in alle Zeiten, Dinge die waren, sind und möglicherweise noch kommen werden können von einer empfänglichen Person erblickt werden. Für dieses Becken muss man sehr empfänglich, also sehr mächtig sein, mein Herz." Ihre Verwirrung wuchs. "Ich bin eine Seherin?", fragte sie verblüfft. "Du scheinst zumindest eine Veranlagung dazu zu haben..", stimmte er ihr zu. "Aber so etwas wird doch schon früh entdeckt, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, ganz gleich, in welche Richtung die Magieart geht. Wieso bei mir nicht?" Wieder einmal spürte Tarabas die alte Wunde, die die Priester der ältesten Tochter ihrer Herrin zugefügt hatten und wieder einmal stieg kalter Zorn ihn ihm auf, den er aber unterdrücken konnte. "Es liegt vielleicht daran, dass deine Begabungen erst jetzt erwachen, wo wir uns kennengelernt haben.", mutmaßte er. Dass er mutmaßte, dass das mit ihrem quasi Sterben zu tun hatte, ließ er unerwähnt. So ließ sie seine Aussage sacken und er spürte, dass sie dies durchaus für möglich hielt. "Konntest du auch sehen, was ich gesehen habe?", fragte sie schließlich nachdenklich. "Nein.", antwortete er mit einem bedauernden Lächeln. "Und bevor du fragst, ich kann es auch jetzt nicht in deiner Erinnerung sehen. Was für mich bedeutet, dass das, was du gesehen hast, entweder nur für deine Augen bestimmt war oder es schlicht und ergreifend in der Zukunft liegt. Darauf habe ich keinen Einblick. Das Voraussehen und das Heilen sind die Dinge, die ich nicht beherrsche und auch niemals beherrschen werde." Sie schwieg kurz nachdenklich und er war gespannt, ob sie sich ihm anvertrauen würde. Es wäre ein erster Vertrauensbeweis, dass sie ihre Fähigkeiten als möglicherweise dunkle Seherin in seine Dienste stellte. "Ich habe Personen gesehen.", meinte sie schließlich nach dem Schweigen und wieder war ihm, als würde seine innere Finsternis ein Stückchen leichter. "Meine Eltern unter anderem. Sie hielten sich im Arm und sahen glücklich aus.", berichtete sie ihm. "Das ist meines Erachtens ein gutes Zeichen. Wir werden also erfolgreich sein.", beurteilte er ihre Aussage. "Bist du sicher?", fragte sie etwas unsicher. Er nickte. "Ich habe im Deuten von ausgesprochenen Visionen so die ein oder andere Erfahrung." Daraufhin schmunzelte auch Raven und die Anspannung fiel von ihr ab, was Tarabas erleichterte. "Zuerst sah ich aber Personen, die ich nicht kenne. Zwei Männer, eindeutig Zwillinge, mit schneeweißen Haaren. Und eine Frau. Von der habe ich das unbestimmte Gefühl gehabt, dass sie mit Larmas verwandt sein müsste. Sie sah ihm auf jeden Fall sehr ähnlich." Die Aussage über die Frau erstaunte Tarabas, wie sie an seiner hochgezogenen Augenbraue erkannte. Als sie die Zwillinge erwähnt hatte, hatte sie nämlich das Gefühl gehabt, dass ihn diese Aussage nicht verwunderte. "Wie haben sie denn auf dich gewirkt, die Drei? Aggressiv? Neutral?", fragte er interessiert. "Ich hatte das Gefühl, als würden sie freuen, mich zu sehen.", antwortete sie sofort. "Alle?", fragte er weiter. Sie nickte. "Das ist gut. Sie werden eine große Bedeutung für dich haben denke ich.", meinte er leise und lächelte nun erleichtert. Dann kehrten ihre Gedanken zu dem letzten Bild, doch noch bevor sie überhaupt die Möglichkeit in Betracht ziehen konnte, ihn auch darüber zu informieren, hörte sie ein eindeutiges "Noch nicht jetzt." in ihren Gedanken. "Werde ich es deutlich spüren, wenn etwas nur für meine Augen gewesen sein soll?", fragte sie daraufhin und er konnte spüren, dass es ihr irgendetwas widerstrebte. "Ja, sehr deutlich habe ich mir sagen lassen.", antwortete er ihr und war sich schon allein durch ihr Widerstreben sicher, dass da noch etwas gewesen sein musste. "Dann war das alles.", meinte sie leise. "Das war schon sehr viel.", meinte er und streichelte ihr sanft die Wange, auch wenn er sich eingestehen musste, dass er nun neugierig war, was da sonst noch gewesen sein konnte. Aber allem Anschein nach musste er sich gedulden, bis dieses Geheimnis gelüftet werden konnte. "Das letzte konnte ich auch kaum erkennen. Es erschien, als das Leuchten des Beckens fast verschwunden war.", meinte sie schließlich, so, als wollte sie sich entschuldigen, dass sie etwas nicht erzählen durfte. Er musste ihr ganz dringend beibringen, dass er sich über diese Loyalität zwar sehr freute, er aber dennoch akzeptieren würde, wenn sie Geheimnisse vor ihm hatte. "Dann denke ich mal, dass diese Möglichkeit noch am Scheideweg steht und nicht entschieden ist, ob sie geschehen wird.", schlussfolgerte er deswegen. "Mach dir deswegen keine Gedanken, Sahva. Ich kann es durchaus auch mal ertragen, etwas von dir nicht zu wissen. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich jetzt doch neugierig bin." Nun lachte sie leise und die gewisse Anspannung fiel von ihr ab, wie er mit Erleichterung bemerkte. "Ich werde mir das merken." Sie lächelte wieder. "Was wollten wir eigentlich hier?", fragte sie dann. "Eigentlich wollte ich das Becken nutzen.", meinte er, dann trat er einen Schritt von ihr fort, ohne jedoch seine Hand vom Beckenrand zu lösen. Raven beobachtete ihn dabei und bemerkte gleich, dass das Kreiseln der schwarzen Flüssigkeit wieder stärker wurde, als er seinen Blick auf die Oberfläche richtete. Zudem wurden seine Augen wieder strahlend hell, als seine Magie floss. "Zeig mir den Aufenthaltsort der Hohepriesterin des Lichts.", forderte er mit ruhiger Stimme. Wieder wurde die Oberfläche silbern und dann zu einer Art Fenster. Raven blieb instinktiv ruhig stehen und betrachtete das Bild, was nun sichtbar wurde. Im Gegensatz zu dem, was sie kurz vorher wahrgenommen hatte, erschien ihr das hier wirklich so, als würde sie durch ein Fenster schauen. Vor ihr tat sich ein großes Areal auf, schemenhaft erkannte sie in offenen Bereichen, die ihr ein wenig wie offene Käfige vorkamen, angekettete Personen auf einem seltsam erscheinenden Boden. Raven erkannte unter den Gefangenen ihre Mutter nicht, doch sie hörte Tarabas leise fluchen. "Es gibt solche Orte also immer noch.", murmelte er dann und nahm schließlich seine Hand vom Becken, nur um diese schließlich zusammen mit der anderen über das Becken zu halten, so, als würde er etwas beschwören. Dass er dies auch tat sah sie sofort danach, denn obwohl er seine Augen halb geschlossen hielt erschien vor ihnen eine Art dreidimensionale Karte mit vielen leuchtenden Punkten. Raven betrachtete diese interessiert und stellte dann für sich fest, dass es sich bei diesen Punkten höchstwahrscheinlich um Planeten oder etwas Ähnliches handelte. Es waren sehr viele dieser Punkte zu sehen und sie wunderte sich schon, wie man in diesem Wust etwas erkennen wollte, da zoomte die Karte heran, bis schließlich ein Bereich sehr deutlich vor ihnen über dem Becken schwebte. "Da ist sie.", meinte Tarabas dann, woraufhin sie ihn wieder ansah. Seine Miene sah alles andere als erfreulich aus. "Wir werden uns beeilen müssen befürchte ich." "Deine Worte machen mir irgendwie Angst.", gestand sie daraufhin. Ruhig erwiderte er dann ihren Blick. "Das ist eine Art Umschlagplatz für Gefangene und besondere Güter, die dann meistbietend verkauft werden.", erklärte er ihr. "Ein Sklavenmarkt?", keuchte sie auf. "So etwas ähnliches, ja. Vor allem liegt es auf einer schon recht dunklen Welt." "Selbst wenn Mom anhand der Atmosphäre kaum leiden sollte, das Wissen auf einem Sklavenmarkt zu sein ist so ziemlich das Schlimmste, was ihr passieren konnte. Wegen der Versklavung der Shino.", meinte sie leise. Nachdenklich sah Tarabas sie an, dann ließ er die Karte über dem Becken verschwinden. "Dann sollten wir uns noch mehr sputen. Komm. Die anderen müssten schon auf uns warten." Sie gingen zügig den Weg zurück zu Tarabas' Wohnzimmer. Raven musste sich tatsächlich ein wenig anstrengen, mit seinen weit ausholenden Schritten mitzuhalten ohne zu rennen. Schließlich betraten sie wieder den riesigen Bereich, den Raven schon beim ersten Durchschreiten wie eine Mischung aus Wohnzimmer und Bibliothek gehalten hatte. Ihr fiel auf, dass auf der kompletten Seite, wo der Garten war, Terrassentüren waren, die keinerlei Türen zum verschließen zu haben schienen, sondern wie kleine Bögen direkt hinaus führten. Sie bemerkte zudem noch einige Möglichkeiten sich zu setzen als sie eintraten. Auf einer dieser Sofainseln befanden sich nun mit Larmas noch fünf weitere Männer, die sich sofort erhoben, als Tarabas und sie eintraten und auf sie zuschritten. Raven betrachtete die fremden Männer aufmerksam. Larmas kannte sie ja bereits und lächelte ihn freundlich an, woraufhin er sofort ebenfalls lächelte und dann leicht seinen Kopf neigte. Neben ihm stand ein Mann, der ebenso tiefschwarzes Haar wie Tarabas hatte, dessen Haut aber noch dunkler war als die von Larmas. Zudem war er in schwarzes Leder ohne jegliche Verzierung gekleidet. Rechts von den beiden stand an einem offenen Kamin - Tarabas schien eine Schwäche dafür zu haben, wie Raven für sich feststellte - ein hoch gewachsener, sehr schlanker Mann mit sehr hellblonden Haaren, die er im Nacken zusammengebunden hatte. Zudem erkannte sie spitze Ohrmuscheln, was sie irgendwie an Elben aus ihren Büchern erinnerte. Vor Larmas erhob sich ein wahrer Koloss von einem Mann mit Haaren, die unterschiedliche Blautöne aufwiesen. Er trug sie wie zu einem Irokesen gestylt, nur ein ca. 10 cm breiter Streifen Haar zog sich seine Kopfhaut entlang. Da er sich erst umdrehen musste konnte sie sehen, dass die Haare dann beinahe ebenso lang waren wie die seines Herrn. Zudem hatte seine Haut einen leicht bläulichen Schimmer. Wer ihr aber dann wirklich auffiel waren die beiden Männer mit den schneeweißen Haaren. Sie verlangsamte automatisch ihren Schritt und starrte beide verblüfft an, denn die eineiigen Zwillinge, die ihren Anblick nicht minder verblüfft erwiderten, waren die beiden Männer, die sie soeben in ihrer Vision erblickt hatte. Einer der beiden begann dann sofort freudig und sanft zu lächeln und sie wusste sofort, dass sie es mit dem offeneren der beiden zu tun hatte. Der andere strahlte eine unglaubliche Ruhe aus, dennoch entging seinem wachen Blick nicht eine Kleinigkeit. Sie konnte es sich nicht erklären, aber in ihr kam eine große Freude auf sie zu sehen. Es war so, als würden sie sich schon lange kennen und endlich wiedersehen. „Meine Freunde, ich möchte euch jemanden vorstellen, der sehr bedeutsam für mich geworden ist.“, begann Tarabas, dann sah er Raven an. „Das ist Raven Sahva Tettra. Larmas wird euch erzählt haben, dass ich in ihr meine Wächterin erkannt habe.“, erklärte er den anwesenden Männern. Raven verneigte sich mit einem Lächeln. Doch als sie sich wieder aufrichtete holte sie schockiert Luft, weil alle Generäle auf ein Knie niedergesunken waren, eine Faust auf das Herz gelegt und den Kopf gesenkt. „Äh...“ „Du bist als meine Wächterin in unserer gesellschaftlichen Rangfolge nun direkt hinter mir.“, erklärte Tarabas ihr leise. „Dennoch möchte ich nicht, dass jemand vor mir niederkniet. Steht wieder auf, bitte. Ich bin so etwas nicht gewöhnt und möchte mich auch nicht daran gewöhnen.“, bat sie ein wenig erschrocken. Tarabas legte ihr sanft eine Hand in den Rücken und drückte sie sanft vorwärts, während die sechs Männer wieder aufstanden. „Sahva, ich möchte dir alle vorstellen. Larmas kennst du ja bereits. Er ist der oberste General in dieser Welt und ist, wie ich bereits erwähnte, das Oberhaupt der Feuerdämonen. Er lebt hier dauerhaft im Schloss. Wenn du etwas wissen möchtest, sollte ich einmal nicht hier sein, wende dich an ihn. Auch wenn er nicht so aussieht, er ist nicht nur der stärkste meiner Generäle, sondern auch der erfahrenste und älteste. Und der nervigste. Aber das wirst du noch feststellen.“ Larmas zog nur amüsiert seine Schultern in die Höhe und grinste frech. Dann deutete Tarabas auf den blauhaarigen Bären von einem Mann, der tatsächlich etwas größer und eine ganze Ecke breiter als Tarabas war. Aber es waren alles Muskeln, wie Raven auf einem Blick erkannte. „Das ist Balin, das Oberhaupt des Wasservolkes. Seinem Element entsprechend kann er alles beschwören, was in irgendeiner Weise mit Wasser zu tun hat oder in Berührung kommt. Er ist zudem dafür zuständig, dass sämtliche Wasserwege in dieser Welt gefahrlos beschiffbar sind." Raven neigte auch vor diesem Mann noch einmal ihren Kopf, was er erwiderte. Seine Augen waren schimmernd und auch hier erkannte sie wie in seinem Haar mehrere Blautöne. Seine körperliche Erscheinung war wahrlich beeindruckend und wäre sogar etwas beängstigend gewesen, wenn sie nicht wieder das Gefühl gehabt hätte, dass in ihm durchaus die Freundlichkeit überwog. Tarabas deutete dann mit seiner rechten Hand auf den sehr schlanken Mann, der noch immer am Kamin stand, dann aber sofort näher kam. "Das ist Jebril. Er ist ein Winddämon und für die Schutzschilde um das Schloss zuständig, sowie für einige ganz spezielle Bedienstete hier im Haus. Er kommuniziert nur telepathisch, wundere dich nicht.", erklärte Tarabas ruhig. Auch hier neigte Raven ihren Kopf und diese Geste wurde von dem hellhaarigen Mann erwidert. //Es ist mir eine Ehre euch kennenlernen zu dürfen, Herrin.//, hörte sie seine Worte im Kopf. "Die Ehre ist ganz auf meiner Seite.", antwortete sie mit einem Lächeln. Als nächstes trat der dunkle Mann vor sie und neigte von sich aus sofort sein Haupt. "Das ist Roxa, einer der Söhne des Schattengänger-Königs. Er ist ein sehr guter Spion, da er mit den Schatten verschmelzen kann. Was dich interessieren könnte, Sahva, er ist ein sehr guter Bogenschütze." Angenehm überrascht und erfreut sah sie den wirklich düster erscheinenden Mann an. Sogar seine Augen waren tiefschwarz wie sie feststellte, zudem spürte sie eine gewisse Zurückhaltung auf seiner Seite. "Roxa ist noch nicht lange General, erst seit... wie lange genau?", fragte Tarabas den Schwarzhaarigen. "Seit 25 Jahren, mein Gebieter.", antwortete dieser leise. "In den Zeitspannen, in denen wir Makaianer existieren, ist das noch keine wirklich lange Zeit. Auch so ist er der Jüngste der Generäle." Dann richtete Tarabas seinen Blick auf die Zwillinge. Sie standen sofort nebeneinander und sahen ihn erwartungsvoll an. Und auch sie, wie Raven für sich feststellte. Als sie die beiden ansah verspürte sie sofort ein angenehmes Kribbeln in sich, was sie ein wenig verwirrte. Doch noch bevor sie deswegen irritiert sein konnte legte Tarabas ihr seine Hand auf die Schulter. "Ich bemerke, dass du etwas Seltsames in dir bei ihrem Anblick verspürst, richtig?", fragte Tarabas sanft und er lächelte zufrieden dabei. Und auch die Zwillinge holten leise Luft. Einer der beiden begann dann aufgeregt zu strahlen. Es war der Sanftere der beiden, wie Raven wieder zu spüren meinte. "Ja. Ein Kribbeln, so etwas wie Freude.", antwortete sie. "Waren das die beiden, die du eben im Orakelbecken gesehen hast?", fragte Tarabas weiter. Sie konnte nur nicken. "Das ist gut. Die beiden gehören nämlich zu dir." Sofort sah sie Tarabas an und pure Verwirrung stand auf ihrem Gesicht geschrieben. "Alles der Reihe nach. Ich stelle sie dir erst einmal vor. Das hier ist Rayne." Der Mann, der links vor ihr stand, trat sofort vor, sank wieder auf ein Knie nieder und berührte mit seiner Stirn ihre Hand, nur um dann sofort wieder aufzustehen und sie schweigend anzusehen. Seltsamerweise war ihr dieses Schweigen nicht unangenehm. Sie hatte irgendwie das Gefühl, dass das einfach zu ihm gehörte. Zudem fiel ihr seine außergewöhnliche Augenfarbe auf. Seine Augen waren zweifarbig, die Iris jedes Auges war außen so grün wie ein Smaragd, zur ovalen Pupille hin wurden sie dann goldgelb. Ansonsten glich er seinem Bruder bis aufs Haar. "Er ist der ältere der beiden und mit Verlaub gesagt der mächtigste Magier hier im Makai.", erklärte Tarabas. "Nach dir, Onkel.", warf der Weißhaarige leise ein. Er hatte eine angenehme Stimme, die auch gleich die Ruhe in ihm verdeutlichte. "Ich denke mal, mich sollte man bei der Betrachtung eines magischen Levels außen vor lassen. Meinst du nicht?" Tarabas lächelte Rayne leicht an, was diesen zuerst etwas verwirrte und sich seine Haut dann tatsächlich ganz leicht rötete. "Und das hier ist Liam. Ich hatte ihn bereits erwähnt gehabt. Liam ist Heiler. Was sein Bruder an Macht über Magie hat, hat Liam als Heiler. Er wird deiner Mutter helfen können, sollte sie beeinträchtigt sein. Zudem ist er Empath. Das macht ihn zu einem sehr empfindsamen Wesen. Was nicht immer von Vorteil ist.", erklärte Tarabas. Auch Liam sank, wie sein Bruder, auf ein Knie und berührte mit seiner Stirn Ravens Fingerspitzen. Dann stand auch er sofort wieder auf. "Ich kann mich leider nicht verteidigen, es läuft meiner Natur zuwider, jemandem ein Leid zuzufügen.", erklärte der andere Weißhaarige mit einem kleinen Bedauern. Raven spürte, dass er sich anscheinend deswegen Vorwürfe machte. Und er schien das zu spüren, denn er sah sie überrascht an. "Ich denke, dass das kein Problem ist, Liam.", meinte Raven dann freundlich. Liam sah kurz seinen Bruder an und stieß so etwas wie ein kehliges Brummen aus. Sofort sah dieser ihn streng an. "Das ist unhöflich, Liam. Die Lady kann uns so nicht verstehen.", wies dieser ihn zurecht, woraufhin Liam zerknirscht den Kopf senkte. Rayne seufzte leise, dann sah er Raven entschuldigend an. "Mein Bruder und ich sind Imunas, Herrin. In eurer Sprache würde das sicher so etwas wie Schneewesen bedeuten. Unsere Besonderheit ist, dass wir eine zweite Erscheinungsform haben. Und für diese Form haben wir eine besondere Kommunikationsweise. Diese hat Liam grade genutzt. Er meinte, ihr seid anscheinend ebenfalls Empathin.", erklärte der Ältere. "Nicht in der Art und Weise, wie du es gewöhnt bist, Rayne.", warf Tarabas ein. "Wir wissen noch nicht, über welche Fähigkeiten sie verfügt, sie erwachen grade erst. Sie kann auf jeden Fall lebende Seelen mit ihrer Aura erspüren, die sie in einem gewissen Rahmen weiten kann. Zudem haben wir eben feststellen können, dass sie im Orakelbecken in die Zukunft schauen kann, zumindest hatte sie eine Vision in diese Richtung. Das was du gespürt haben wirst, Liam, ist ihre Fähigkeit, die wahren Gefühle anderer zu erkennen. Das ist nicht wirklich Empathie wie wir sie kennen. Aber sie hat bei mir von Anfang an erkennen können, wie ich wirklich sein sollte." Es war Stolz in Tarabas' Stimme zu hören, woraufhin Raven etwas verlegen wurde. "Ich denke, ihr beide habt etwas Ähnliches gespürt, wie das was Sahva beschrieben hat, als ihr euch eben das erste Mal saht, richtig?", fragte Tarabas die Zwillinge. Beide nickten. "Und wir akzeptieren sie. Die anderen werden das auch.", meinte Rayne mit sehr überzeugter Stimme. "Ähm, worum geht es eigentlich?", fragte Raven nun doch etwas misstrauisch. "Ich erklär es dir. Komm mit raus, dann kann Tarabas allen genau erklären, was wir als nächstes tun werden.", bot Larmas so schnell an, dass weder Tarabas, noch einer der Zwillinge etwas sagen konnten. Larmas strebte auf einen der Durchgänge in den Garten zu und winkte sie dann mit sich. Tarabas sah zwar nicht wirklich begeistert aus, nickte dann aber zustimmend. So folgte Raven dem General nach draußen. Der Garten hatte sofort wieder seine beruhigende Wirkung auf sie, kaum, dass sie aus dem Innern nach draußen geschritten war. "Darf ich dich mal was fragen?", wandte sich Larmas gleich an sie, als sie zu ihm stieß. "Natürlich." "Wie wirst du jetzt genau genannt? Tarabas nannte dich sowohl Raven, als auch Sahva.", hakte Larmas nach, was sie leise kichern ließ. "Beides ist richtig. Ich habe zwei Vornamen. Raven ist aus der Heimat meines Vaters, Sahva aus der meiner Mutter. Ich wurde Tarabas von meiner Großmutter vorgestellt und die ruft mich immer Sahva. Vielleicht ist das der Grund, wieso er mich immer so nennt, obwohl er weiß, dass die meisten anderen mich Raven nennen. Ich reagiere aber auf beide Namen.", erklärte sie ihm. "Sahva bedeutet irgendwas mit Stern, richtig? Ich bin der Sprache der Shino nicht übermäßig mächtig." Raven wiegte den Kopf. "Normalerweise bedeutet es kleiner Stern, das ich richtig. Ich werde aber etwas anders geschrieben. Und so bedeutet es weißer Mond." Sofort wanderten Larmas' Augenbrauen in die Höhe und er pfiff leise. "Okay, das erklärt einiges." "Erklärt was?", fragte nun Raven nach. "Wieso du auf die Zwillinge so reagiert hast, wie du es eben hast. Du stammst von der Göttin des Lichts ab, interessierst dich aber von jeher für die dunklen Seiten der Dinge. Sorry, aber ich habe vorhin noch schnell ein wenig Recherche betrieben. Weißt du, es gibt bei uns etwas, was wir über alle Dinge verehren, abgesehen von Tarabas natürlich. Und das ist der Weiße Mond. Du kannst ihn als unser Hauptgestirn ansehen, auch wenn er nur kurze Zeit am Tag erstrahlt. Er gibt uns einen großen Teil der Energie, die wir zum Überleben in dieser dunkelsten aller Welten brauchen. Man sagt, er ist der Spiegel der Göttin des Lichts für die dunklen Welten. Er wandelt ihr Leuchten so um, dass wir damit existieren können. Das nur zur kleinen Erklärung. Du musst wissen, dass grade die Imunas sich als Kinder des Weißen Mondes ansehen, sie ziehen ihre gesamte Kraft und ihr Können aus dessen Licht. Alles, was in irgendeiner Form mit dem Weißen Mond in Verbindung steht ist wichtig für sie. Ich kenne mich mit ihrer Mythologie nur in groben Zügen aus, da sie dies sehr für sich behalten, aber ich weiß, dass es zur Geburt der Zwillinge eine Prophezeiung gegeben hat, die besagte, dass eines Tages jemand mit dem Licht des Weißen Mondes herkommen würde und sie dieser Person zu dienen hätten." Raven verzog etwas kritisch ihre Augenbrauen, denn sie mochte es nicht, wenn jemand etwas von einer religiösen Sache etwas vorgeschrieben bekam. Larmas bemerkte das sehr wohl und konnte sich denken, was sie grade so störte. "Das darfst du nicht als Zwang verstehen. Eine solche Prophezeiung ist für uns eine große Ehre und wir tun alles daran, dass wir machtvoll genug sind, um diese dann bedienen zu können. Und du musst wissen, dass diese Art der Prophezeiung nicht irgendein Hirngespinst eines verwirrten Geistlichen ist, sondern von Seelen gesprochen werden, die einstmals wie Tarabas waren. Unsere Prophezeiungen treffen immer zu, vor allem, wenn sie direkt aus der Verbindung mit dem Orakelbecken entstammen, welches du vorhin gesehen haben musst.", erklärte er weiter. "Also haben sie auf mich gewartet.", mutmaßte sie weiter, auch wenn Ravens rationelle Seite deswegen Bauschmerzen hatte. Aber sie wusste ja, dass es mehrere Wahrnehmungsmöglichkeiten gab, nicht nur die wissenschaftliche. Larmas nickte. "Schon eine ganze Weile. Die Zwillinge sind in unserer Betrachtungsweise noch recht jung, dennoch haben sie schon nahezu 400 Jahre deiner Zeitrechnung auf dem Buckel. Und dementsprechend Erfahrung." "Wow, dann sind sie annähernd so alt wie meine Mutter.", murmelte sie, bevor sie Larmas ansah. "Ich weiß nicht ob ich wissen will wie alt du bist." "Ich gehe ganz stark auf meinen ersten erfüllten Tausender zu.", grinste er. "Und wie alt werdet ihr?", fragte Raven weiter. "Das kommt drauf an wie stark die Magie in dir ist. Je stärker sie ist, desto älter kannst du werden. Die wahrhaft Starken werden irgendwann ihres Lebens müde und bitten Tarabas dann, sie zur ewigen Ruhe zu betten. Das fällt ihm nie leicht, auch wenn er das niemals zugeben würde. Ich habe mir vorgenommen, meinem Herrn noch sehr lange gehörig auf den Geist zu gehen." Wieder folgte dieses charakteristische Grinsen und Raven glaubte ihm sofort, dass er es ernst meinte. "Das nehme ich als Drohung, Larmas.", hörten sie dann beide Tarabas' Stimme. Sie drehten sich zu den Durchgängen um, die sie für ihr Gespräch etwas hinter sich gelassen hatten, dann sahen sie, wie er in Begleitung einer riesigen weißen Raubkatze auf sie zukam. Zuerst war Raven etwas erschrocken, doch das verschwand sofort wieder und sie betrachtete das Tier fasziniert. "Brauchst du immer noch einen Beweis?", fragte Tarabas das Raubtier freundlich. //Nein. Ich erkenne sie als meine Herrin an. Sie fürchtet sich nicht vor uns, wenn wir in dieser Form sind.//, hörte Raven eindeutig Raynes Stimme in ihrem Kopf, dann hüllten mit einem Mal unzählige kleine Sterne den Körper der weißen Katze ein. Keine Sekunde später stand Rayne neben Tarabas. "Das ist ihre zweite Erscheinungsform, die ich vorhin andeutete.", erklärte Tarabas ihr freundlich. "Das dein Bruder und du mich als eure Herrin ansiehst ist leider etwas komisch für mich, Rayne. Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der sich niemand vorstellen kann, einem Herrn oder einer Herrin zu unterstehen. Außerdem habe ich mich nie als etwas Besonderes angesehen." Aufmerksam betrachtete der weißhaarige Mann mit den zweifarbigen Augen sie, so, wie er es auch schon im Wohnzimmer gemacht hatte. Dann jedoch lächelte auch er. Es war ein kleines, fast scheues Lächeln, was sie sofort lieb gewann. "Tarabas sagte das schon. Ich denke, wir alle helfen dir sehr gerne, deine Fähigkeiten aufzudecken und zu erlernen." Eine zweite weiße Raubkatze kam aus dem Wohnzimmer heraus gelaufen und eilte sofort auf sie zu, nur um sich dann mit ihrem wirklich gewaltigen Schädel an Ravens Seite zu reiben. "Hallo Liam.", begrüßte sie den zweiten Zwilling, der auch gleich damit begann zu schnurren. Sie spürte, dass er glücklich war und begann den weißen Pelz zu kraulen. Daraufhin schlossen sich die jadefarbenen Augen genießerisch und das Schnurren wurde lauter. "Larmas wird dir erklärt haben, dass die beiden von nun an an deiner Seite sein werden, richtig?", fragte Tarabas freundlich. Raven nickte. "Aber wirkt sich das dann nicht auf ihren Rang aus?" "Nein, absolut nicht. Rayne ist General und wird es immer bleiben. Nur ist er jetzt der deine und zweitrangig der meine. Und Liam steht als Meisterheiler sowieso außerhalb jeglicher Rangfolge. Die Zusammensetzung unserer Gesellschaft erkläre ich dir aber besser ein anderes Mal, wenn wir mehr Ruhe dazu haben.", meinte Tarabas ruhig weiter. Sie kraulte Liam noch ein wenig mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, bevor ihr wieder die junge Frau aus der Vision einfiel. "Larmas, ich klinge sicherlich fürchterlich neugierig, aber hast du eigentlich Geschwister?", fragte sie dann frei heraus. "Neugier ist eine gute Eigenschaft wenn du mich fragst.", kam die Antwort des Rothaarigen. "Und ja, ich habe Geschwister, einige sogar. Warum fragst du?" "Weil ich eine junge Frau im Orakelbecken gesehen hatte. Sie sah dir sehr ähnlich, mit langen lockigen Haaren und einem Schwertgurt um den Hüften." Larmas zog eine Augenbraue in die Höhe. "Wir sehen uns alle recht ähnlich, weshalb wir unsere Erzeuger nicht verleugnen können. Gib mir mal bitte deine Hand." Verwundert strecke sie ihre rechte Hand aus, die der Feuerdämon dann in die seine nahm. Sie war sehr warm, passend anscheinend zu seiner Abstammung, dachte sie bei sich. "Und jetzt denk bitte an das, was du im Orakel gesehen hast.", ordnete Larmas weiter an. Mit einem kurzen Stirnrunzeln sah sie Tarabas an, schließlich fand sie es für sich höflicher, wenn sie das mit ihm besprach. Doch er nickte nur aufmunternd. Also konzentrierte sie sich und dachte an das kurze Bild, welches sie gesehen hatte. Das Larmas das Bild aus ihren Gedanken sehen konnte wurde ihr klar, als er kurz darauf erstaunt seine Augenbrauen hochzog und ihre Hand losließ. "Wow, damit hätte ich nie gerechnet.", murmelte er und kratzte sich einmal am Hinterkopf. "Und, wer ist es?", fragte Tarabas neugierig. "Niemand anderes als Gab.", meinte der Rothaarige, woraufhin sowohl die Zwillinge, als auch Tarabas mehr als erstaunt aussahen. „Ich muss gestehen, das überrascht mich sehr.“, gestand Tarabas seinem General, der ebenfalls nickte. Doch bevor Raven fragen konnte was los war wandte sich Larmas wieder an sie. „Gab, nein, Gabrielle, ist die Älteste meiner jüngeren Schwestern. Sie ist etwas… eigen, auch für meine Verhältnisse. Ihr Verhältnis zu unserem Clan als angespannt zu beschreiben ist noch eine maßlose Untertreibung. Sie hat immer aufs Neue Streit gesucht, weil sie mit Entscheidungen unseres Vaters nicht einverstanden war. Das lag sicherlich auch mit daran, dass die beiden sich zu ähnlich waren. Nun ja, Ende von Lied ist, dass mein Vater sie verstoßen hat und niemand weiß, wo sie sich derzeit befindet. Sie hat den Makai verlassen, soviel weiß ich sicher, nur wohin, da habe ich absolut keine Ahnung. Ich suche sie schon seit dem Tod unseres Erzeugers.“ Es war die Art und Weise wie Larmas sprach die Raven irgendwie mutmaßen ließen, dass das Verhältnis des Rothaarigen zu seinem Vater alles andere als gut gewesen sein musste. Aber sie hielt sich diesbezüglich mit Fragen zurück. //Er war einer der wenigen Personen, bei denen ich regelrecht erleichtert war, als er in die Finsternis überging.//, erklärte Tarabas in ihren Gedanken. //So schlimm?//, fragte sie dennoch nach. //Um es mit Larmas‘ Wortwahl auszudrücken: Schlimmer. Alle die mit ihm zu tun hatten taten dies nur äußerst ungern. Und er hat es seinem Sohn sehr übel genommen, als dieser einer meiner Generäle wurde, während ihm diese Ehre verweigert blieb. Was ich aus gutem Grund verweigerte.// „Mein Vater war ein Arsch. Sprich es ruhig laut aus. Jedermann weiß das und es hat nicht viel gefehlt, dass er unseren Clan in die völlige Isolation getrieben hätte. Es hat mich verdammt viel Arbeit gekostet alle zu überzeugen, dass ich nicht wie er bin.“, äußerte Larmas und für einen kurzen Augenblick war der Blick aus dessen dunkelroten Augen hart, als er anscheinend erkannte, worüber Raven und Tarabas sich gedanklich unterhalten hatten. Dann atmete er kurz durch. „Sei´s drum. Warum auch immer das Orakelbecken dir meine Schwester gezeigt hat, Raven, sie ist schwierig. Auch wenn ich echt hoffe, dass sie sich geändert hat in den vergangenen 300 Jahren.“ „Das wird die Zukunft zeigen, mein Freund. Jetzt ist es erst einmal wichtig, dass wir Sahvas Mutter finden. Als Tochter der Göttin des Lichts wird es nicht gut sein, dass sie sich nun in einer dunklen Welt aufhalten muss. Wir sollten also rasch handeln.“, meinte Tarabas ernst. „Was sollen wir also tun?“, fragte Balin, der mit Roxa und Jebril auf sie zukam und anscheinend den letzten Teil ihrer Unterhaltung mitbekommen hatte. „Die Hohepriesterin ist in eine der dunklen Welten gebracht worden, in der Sklaverei ein legales Geschäft ist und als Umschlagplatz für Hehlerware und Entführungsopfer gilt. Nach dem, was ich bislang in Erfahrung bringen konnte ist es aber nicht allen Kaufinteressenten erlaubt, den speziellen Bereich des Sklavenmarktes zu betreten, in dem die Hohepriesterin festgehalten wird. Sie ist ein bedeutender Schatz und wird sicherlich zu entsprechenden Preisen für spezielles Klientel vorbehalten.“, erklärte Tarabas allen Anwesenden. „Was sollen wir dann da tun?“, fragte Balin weiter. „In allererster Hinsicht uns begleiten. Je höher der gesellschaftliche Rang von demjenigen ist, der in solchen Etablissements ein und aus geht, desto mehr schlagkräftiges Personal wird er oder sie mit sich führen. Es werden Magier anwesend sein, die erspüren können, wie machtvoll die Ankömmlinge sind. Ich weiß, ihr seit stolz darauf, dass niemand eure Fähigkeiten auf den ersten Blick erkennt, aber dieses Mal werden wir nicht drum herum kommen, unserem Gegner wissen zu lassen, dass wir können, was wir können. Außerdem ist es sicherlich von Vorteil das ihr da seit, um mögliche unzufriedene Bieter in ihre Schranken zu weisen.“ Die Generäle nickten mir sehr ernsten Blicken. „Bei mir werden sie aber sicherlich sofort bemerken, dass ich von einem lichten Wesen abstamme.“, warf Raven ein. Tarabas schüttelte seinen Kopf und wollte anscheinend etwas sagen, doch Larmas kam ihm zuvor. „Man spürt nichts deswegen bei dir.“, meinte der Feuerdämon. „Hätte Tarabas es nicht erwähnt, dass die Hohepriesterin deine Mutter ist, wäre das keinem von uns aufgefallen.“ „Was daran liegt, dass sich meine Magie sowohl bei deiner Heilung mit deinem Körper verbunden hat, als auch durch den Ring, den du trägst, Liebes. Wir müssen dich nur vom Äußeren ein wenig an unser Volk anpassen. Das heißt, dass wir dein Haar etwas verlängern müssen und du entsprechende Kleidung und Waffen trägst.“, führte Tarabas weiterhin aus. Dann sah er sie einige Sekunden nachdenklich an, dann betrachtete er Larmas ausgiebig. „Das sollte gehen. Sahva sieht dir mit ihren gefärbten Haaren und der gebräunten Haut in gewisser Weise ähnlich, mein Freund. Sie würde so sicherlich glaubhaft als eine deines Clans durchgehen.“ Larmas grinste wieder. „Gut, dann mache ich eine Feuerdämonin aus ihr.“ „Eine Lady!“, fügte Tarabas mit einem seltsamen Unterton in der Stimme hinzu, woraufhin Larmas mit einem wissenden Nicken reagierte. „Auch das.“, meinte er, dann legte er Raven seine Hand auf die Schulter. „Na dann, machen wir aus dir ein Mitglied meiner Familie.“ Kapitel 15: Der Basar --------------------- Eine gefühlte Stunde später stand Raven vor einem riesigen Spiegel, der extra in Larmas' Wohnung aufgestellt worden war, und sah sich staunend an. Sie trug gebundene schwarze Lederhosen, die ähnlich denjenigen war, die Larmas nun auch trug und laut dem rothaarigen General charakteristisch für seinen Clan waren, wenn sie in eine Art 'Kampfeinsatz' gingen, wie er sich aufdrückte. Ein Gürtel mit auffälliger goldener Schnalle hielt die Hose und betonte ihr Gesäß auf eine Art und Weise, dass es ihr sogar selbst gefiel. Dazu trug sie eine Bluse aus feinstem roten, leinenähnlichen Gewebe, darüber eine aufwändig gefertigte Lederkorsage ebenfalls in Schwarz, aber mit goldenen und roten Verzierungen. Um ihre Unterarme trug sie sehr steife lederne Schützer mit ähnlichen geprägten Mustern, wie sie auch in ihrem Gürtel eingearbeitet waren. Das Mieder selbst schloss sich ähnlich wie eine Weste um ihre Schultern, aber auch um ihren Hals, wo das Leder federleicht erschien, obwohl es trotzdem schützend war. Zudem war dort alles mit goldenem Band zusammengehalten, an dessen Enden rote Steine befestigt waren, die Raven irgendwie an Rubine erinnerten, obwohl sie nicht in entsprechenden Facetten geschliffen waren. Doch was sie am meisten begeisterte – und ihrer weiblichen Eitelkeit erheblich schmeichelte – war die Tatsache, dass Larmas ihr Haar mit einem Zauber auf eine unglaubliche Länge und Dicke gebracht hatte. Obwohl sie nun von den seltsamsten Wesen frisiert worden war - sie war sich ziemlich sicher, dass diese Wesen durchscheinend gewesen waren - und das Haar am oberen Hinterkopf zusammengefasst war, reichten ihr die nun rubinroten Haare geflochten bis hinunter zur Hüfte. „Gefällt dir, häh?“, fragte Larmas mit einem wissenden Grinsen. „Ich hatte noch nie so lange Haare.“, gestand sie ein und drehte sich vor dem Spiegel ein wenig, um sich zu betrachten. „Warum eigentlich nicht?“ Larmas stellte sich neben sie und beide betrachteten sich zusammen. „Dort wo ich lebe arbeite ich als Pilotin. Da ich sehr oft Schutzanzüge tragen muss, weil ich im luftleeren Raum unterwegs bin, behindern lange Haare das sichere Verschließen dieser Anzüge. Ich trage meine Haare maximal lang, mehr geht nicht.“, erklärte sie mit einem kleinen wehmütigen Lächeln. Erst jetzt wo Larmas diesen Zauber gewirkt hatte fiel ihr auf, wie sehr sie ihre kleine Schwester eigentlich immer über deren Haarpracht beneidet hatte. Aber sie hatte halt ihren Weg gewählt gehabt und musste mit den Konsequenzen leben. „Eine makaianische Lady ist stolz auf ihr Haar und zeigt auch sehr gerne was sie hat. Grade die Damen meines Clans.“ Sie betrachteten sich einen Moment schweigend, dann nickte Larmas zufrieden. „Doch, du gibst eine sehr gute Feuerclan-Dämonin ab. Alles Weitere muss unser Herr erledigen. Ich meine, was Schmuck und Waffen angeht.“ „Wieso Schmuck?“, fragte sie und drehte sich komplett zu Larmas. Dieser kicherte leise. „Kleines, ich habe keine Ahnung, was Tarabas genau vor hat, aber er wird an diesem Ort von uns allen verlangen, dass wir den Wohlstand unserer Heimat zeigen. Er sagte ja, dass nur diejenigen Zutritt zu dem Ort erlangen, an dem wohl deine Mutter gefangen gehalten wird, wenn man die entsprechenden Voraussetzungen hat. Sichtbarer Reichtum gehört da auch dazu. Was eigentlich nicht seinem und unserem Stil entspricht. Aber manchmal muss Verkleidung halt sein. Na komm, die anderen sollten jetzt auch fertig sein.“ Larmas trug ähnliche Sachen wie sie selbst, waren auffällig elegant, was man seiner etwas flapsigen Art nicht zugetraut hätte. Doch Raven hatte in dieser Stunde mit ihm festgestellt, dass er wirklich Geschmack hatte und ein aufmerksames Auge für Details. Und einen scharfen Geist, der sie beeindruckte. Er hatte ihr einige wichtige Informationen sowohl über den Makai als auch über den Feuerclan gegeben und sie dann aufgefordert, etwas über sich und ihre Arbeit zu erzählen. Interessierte und intelligente Fragen folgten während sie gekleidet und frisiert wurde und machte Raven immer neugieriger auf den ranghöchsten General des Mannes, der so wichtig für sie geworden war, obwohl sie nur so wenig Zeit mit einander verbracht hatten und dann wieder für einige Monate getrennt waren. Sie hatte es ihm sogar erlaubt, sie mit der Kurzform ihres ersten Vornamens anzusprechen, wie es auch ihre Familie tat. Es fühlte sich bei ihm einfach richtig an. „Rav, eine Frage habe ich übrigens noch.“, meinte Larmas, bevor sie die Wohnungstür erreichten. „Okay?“, fragte sie mit einem kleinen amüsierten Lächeln. „Es fehlt doch noch etwas an deiner Tätowierung, richtig?“ Larmas hatte ebenfalls eine Tätowierung, schwarze und rote flammen-ähnliche Linien zogen sich um seinen kompletten linken ausgeprägten Bizeps, waren kunstvoll in einander verschlungen und wer immer dies gestochen hatte, hatte es geschafft, dass alles so verbunden war, dass man kein Anfang und kein Ende sah und Rot und Schwarz vollkommen in einander verwoben waren. Er hatte ihr erklärt, dass das seine Zugehörigkeit zu Tarabas verbildlichen sollte, nachdem er ihr Rückentattoo betrachtet hatte. Auch er wusste, dass die Federn ihre Familie darstellten und dass ihre Feder allein dastand. So nickte sie mit leicht niedergeschlagenen Augen. „Mein Tätowierer hatte leider noch keinen freien Termin für mich. Obwohl ich mich noch frage, wie ich der letzten Feder die richtige Farbe geben soll. Silber wird in der Welt, aus der ich stamme, nicht zum Tätowierung genutzt.“ Larmas schmunzelte und legte ihr wie ein großer Bruder freundschaftlich die Hand auf die Schulter. „Wenn wir die Sache hier abgeschlossen haben, frag Rayne. Er ist nicht nur ein wirklich guter Schwertkämpfer und Magier, er ist ein unglaublicher Maler. Und er war es auch, der mein Tattoo gemacht hat. Es ist ihm sicherlich eine Ehre, deines zu vollenden. Und so lernst du unseren zurückhaltenden Großmagier auch gleich besser kennen.“ Sie verließen die Wohnung des Generals, die mindestens dreimal so groß war wie ihre eigene und gingen dann den langgestreckten Gang entlang zurück zu Tarabas' Wohnung. „Erstreckt sich der Gang komplett um den Garten?“, fragte sie, da ihr die ständige leichte Linksneigung des Ganges aufgefallen war. „Ja. Um den Garten liegen neben Tarabas' Wohnung die von allen Generälen und Liams, sowie die Residenz von Ream, dem Vater von den Zwillingen. So sind wir alle immer recht nahe an unserem Herrn und seinen Spielzeugen, sollte er sich einmal hier befinden.“, meinte er und fügte dann noch an, als er ihre fragend hochgezogene Augenbraue bemerkte und gleich wusste, dass sie sich über den Hinweis der Spielzeuge wunderte. „Das wird dir Tarabas in einer ruhigen Minute selbst erklären. Nur so viel sei gesagt, im Garten befindet sich etwas, was besonders schützenswert ist. Das andere ist der Orakelraum. Unser Herr forscht gerne.“ Sie erreichten die Doppeltür zu Tarabas' Wohnung und traten dann ohne ein Anklopfen ein. Das schien normal zu sein, denn die anderen, die Anwesend waren, hoben noch nicht einmal wirklich denn Kopf. Außer den Zwillingen, von denen Raven erkannte, dass nur einer, nämlich Rayne, besonders aufwändig gekleidet war und ein Schwert in einer Scheide auf dem Rücken trug. Liam hingegen trug noch immer seine vorherigen Sachen. „Ich werde nicht mitkommen.“, erklärte der jüngere der beiden mit einem bedauernden Lächeln. „Ich werde die Atmosphäre dort nicht ertragen können. Wenn alles vorbei ist stoße ich aber zu euch und werde deiner Mutter helfen.“ Sie lächelte Liam sanft und dankbar zu. Durch die Lehre ihrer Großmutter, die sie seit ihrer Rückkehr von Laos erhalten hatte, wusste sie, wie sie mit empathischen Wesen umgehen sollte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Artris gewusst hatte, mit welcher Art Personen sie zu tun haben könnte. Es reichte in der Tat aus, denn die leichte Scham, dass er nicht besser helfen konnte, verschwand aus Liams Haltung. "Sobald alles sicher ist werden wir dich rufen.", versprach sie trotzdem. Dankbar sah er sie an. "Ihr seid fertig wie ich sehe?", erklang dann Tarabas' Stimme, bevor er aus dem Nebenraum heraus kam, in dem sich anscheinend das Schlafzimmer befand. Er sah fantastisch aus, das zumindest war Ravens erster Gedanke. Einen so aufwändig gearbeiteten Anzug hatte sie noch nie gesehen, der anthrazitfarbene Stoff seiner Jacke schimmerte weich im Licht der leuchtenden Wände und ließ sie daraus schließen, dass es sich dabei um so etwas wie Seide handeln musste. Applikationen aus Silber und feine Stickereien werteten das Ganze noch mehr auf, zudem saßen Jacke und Hose so perfekt an seinem Körper, dass alles nur maßgeschneidert sein konnte. Einen ähnlichen Stil bevorzugte er auch auf Laos bei offiziellen Terminen, wie sie für sich feststellte, nur erschien ihr alles noch kostbarer als sonst. Sein Haar war im Nacken anscheinend zusammengefasst, nur die kürzeren Haare umspielten sein Gesicht und gaben ihm eine gewisse Strenge und ließen ihn etwas älter wirken. „Wir sind fertig. Unsere Kleine hier könnte noch ein bisschen Tand gebrauchen. Das wollte ich dir überlassen.“, meinte Larmas und deutete mit einem Kopfnicken auf sie. Tarabas widmete ihr nun vollkommen seine Aufmerksamkeit und ein anerkennendes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Ich sehe eine wunderschöne junge Feuerdämonin an deiner Seite, mein Freund.“, lobte Tarabas und kam auf sie zu. „Ja, nicht wahr?“, stimmte der Rothaarige zu, was Raven gegen ihren Willen erröten ließ. „Aber du hast recht, ein bisschen fehlt noch. Als allererstes gebe ich dir das hier, Sahva.“ Er streckte vor ihr seine Hand aus und aus einem Schatten, der sich in seiner Faust bildete, wurde ein schlankes Schwert in silberner Scheide mit Mustern darauf, wie sie Raven noch nie gesehen hatte. „Ich wollte es dir eigentlich schon zu deiner Abreise aus Laos schenken, doch gefiel mir die Schwertscheide nicht.“, meinte Tarabas und legte das Schwert in Ravens Hände, woraufhin sie zuerst ihn und dann das Schwert perplex anstarrte. Doch dann zog sie am Griff und das Schwert aus seiner Scheide und das Leuchten in ihren Augen war überdeutlich. Sie erkannte das Schwert. Immerhin hatte sie es bereits einmal in Händen gehalten. „Das Schwert aus Meister Kamins Schmiede.“, murmelte sie überrascht und sah Tarabas dann fragend an. Dieser nickte mit einem Lächeln. „Ich habe Meister Kamin schon bei unserem Treffen gebeten, dass er dir das Schwert vermacht. Eigentlich wollte ich es dir bei deiner Abreise schenken, doch da sich zu dem Zeitpunkt gezeigt hatte, dass du meine Wächterin bist, habe ich das Schwert hier noch einmal überarbeiten lassen.“ Er deutete auf die Schriftzeichen der Shino, mit denen ihr voller Name in den Stahl geschlagen worden und dann mit Inlays aus dunklerem, leicht glitzernden Silber ausgearbeitet worden war. „Meister Kamin hat es für dich geprägt, der Vater der Zwillinge hat es dann nach unserer Art verstärkt und veredelt. Dreh es bitte einmal.“ Gehorsam und neugierig drehte Raven das Schwert und entdeckte weitere Schriftzeichen auf der anderen Blattseite. Es waren ähnliche Schriftzeichen wie jene, die sie auf den Glasgefäßen im Orakelraum gesehen hatte. „Das sind magische Schutzrunen. Jeder neue General der Schlosswache bekommt ein jungfräuliches Schwert mit solchen Runen von mir. Sie beschützen nicht nur ihren Träger, im Laufe der Zeit bekommt das Schwert dann auch seine eigene Seele durch den Gebrauch und die Macht des Trägers.“, erklärte Tarabas. „General?“, fragte sie verwirrt. „Du bist eine Kriegerin und Beschützen ist deine Natur. Ich sehe in dir einen neuen General des Inneren Kreises hier im Makai. Normalerweise müsstest du dafür einen umfangreichen Aufnahmekampf überstehen, doch ich habe dich kämpfen sehen und habe dich als Anwärterin bestimmt. Aus diesem Grund steht dir ein magisches Schwert schon jetzt zu. Du musst dich deinem Kampfgefährten jetzt nur noch vorstellen. Rayne erklärt dir am besten, wie.“ Der ältere der Zwillinge trat vor Raven. „Um den Schutz zu aktivieren reicht ein Tropfen Blut, den du freiwillig gibst. Es ist wichtig, dass du das Blut ohne Zwang an das Schwert gibst, wenn es einen reinen Geist bekommen soll.“, meinte der Weißhaarige ruhig. Verwundert sah Raven ihn an, doch da sie sich ausgiebig mit verschiedenen Mythologien und Ritualen dunkler Glaubensrichtungen beschäftigt hatte stellte sie seine Anweisung nicht in Frage. Ohne zu Zögern ritzte sie sich an der Klinge ihres Schwertes über ihren rechten Zeigefinger und stellte damit auch gleich fest, dass das Schwert wirklich unglaublich scharf war. Sofort trat Blut aus und sie hörte, dass alle Anwesenden, außer Tarabas, anscheinend witterten. „Und jetzt lass dein Blut auf die makaianischen Schriftzeichen fallen und nenn dem Schwert in Gedanken deinen Namen.“, instruierte Rayne sie weiter. Sie tat, was er ihr aufgetragen hatte. Ein Tropfen Blut fiel auf die geschwungenen Zeichen. Diese glühten sofort auf und das Blut floss dann auf magische Weise in alle Vertiefungen hinein. Währenddessen nannte Raven dem Schwert ihren vollen Namen und sie spürte, wie sich in ihrem Innern eine kraftvolle Verbindung entwickelte. Es war wie ein elektrisches Prickeln und Summen, welches erst verklang, als auch das Leuchten der Schriftzeichen erlosch. Die Klinge war sofort vollkommen sauber, nur erschien ihr das Silber in den Schriftzeichen nun einen rötlichen Schimmer zu haben. Und sie hatte einen Namen im Kopf, der sich festsetzte. „Nairi.“, murmelte sie leise und spürte Freude und Zufriedenheit. „Einen schönen Namen hast du ausgewählt.“, lobte Tarabas und sie konnte den Stolz in seiner Stimme hören. Er trat neben sie und betrachtete erst das silberne Schwert und fuhr kurz mit seinem Finger über die Schriftzeichen. Sofort knisterte es um seinen Finger und Raven konnte kleine Blitze um den Finger sehen. Zudem spürte sie einen zornigen Puls in ihrem Innern und einen kämpferischen weiblichen Willen. Fast schon ein wenig entsetzt starrte sie auf das, was sich vor ihren Augen abspielte und sah dann auch in Tarabas‘ Gesicht. Er lächelte, doch dieses Lächeln war dunkel und hatte nichts Menschliches an sich. //Nairi, nicht!//, richtete sie ihre Gedanken automatisch an die Klinge, die zuerst zögerte und sich dann mit Ihren Erinnerungen verband. Anscheinend entdeckte die Klinge dann das, was relevant war, denn der zornige Puls ebbte ab und verschwand, wenn auch nur mit einem bisschen Widerwillen. „Eine stolze kleine Lady habe ich dir da anscheinend an die Hand gegeben. Aber sie gehorcht dir, das ist sehr gut.“, meinte Tarabas und richtete dann seinen Blick mit dem fast schon diabolischen Lächeln auf sie. Ein erregendes Prickeln durchfuhr sie dabei, sie spürte aber dennoch Gefahr und meinte etwas Anspannung von Seiten der Generäle zu spüren, so, als würden sie kurz die Luft anhalten und abwarten, ob sie einschreiten müssten. Ohne es steuern zu können straffte sie ihre Haltung und erwiderte seinen Blick fest und mit ernster Miene und harrte der Dinge, die nun geschehen würden. Seine Reaktion war dann blitzschnell, mit einem Mal war seine Hand in ihrem Nacken und er küsste sie hungrig. Keine seiner Bewegungen hatte sie sehen können. „Meine süße Wächterin, stolze Kriegerin.“, raunte er dann an ihren Lippen mit so einem tiefen, kehligen Ton, dass ihr fast die Knie weich wurden. „Ähm, nichts für ungut, aber wir sollten bald los. Auch wenn dir das sichtlich und verständlicherweise schwer fällt.“, hörte sie dann Larmas Stimme, in der ein Schmunzeln mitschwang. Tarabas atmete kurz etwas genervt aus, was sie an dem kühlen Atem auf ihren Lippen spüren konnte, dann drehte er leicht seinen Kopf und sah dann seinen obersten General an, der kurz seine Augen weitete und dann beschwichtigend seine Hände hob. „Alter, komm wieder runter. Du sagtest selbst, wir sollten alsbald los.“ „Das sollten wir, da gebe ich dir Recht.“, sprach Tarabas mit einem seltsamen Unterton in der Stimme, der so gar nicht zu dem passte, was Raven von ihm kannte. Aber er entsprach so all dem, was sie sich unter einem wahren Dämon vorstellte. //Gutes Mädchen. Deine Gedanken gehen endlich in die richtige Richtung.//, erklang dann mit einem Mal seine Stimme in ihren Gedanken, sanft wieder und auch liebevoll, auch wenn sie das dunkle immer noch wahrnehmen konnte. Dann spürte sie seine Hand wieder auf Wanderschaft gehen und spürte leicht Magie über ihren Körper waschen. „Nun bist du bereit. Du sprichst jetzt die alte Sprache des Makai und unterscheidest dich nicht mehr von uns. Außerdem habe ich deine Kleidung noch ein wenig aufgewertet.“, meinte er dann leise an ihrem Ohr und küsste sie leicht auf die Wange, dann trat er einen Schritt zurück. Larmas pfiff leise und anerkennend und auch die anderen nickten mit einem kleinen Lächeln. Leider konnte sie in ihrer näheren Umgebung keinen Spiegel sehen, doch sie spürte einen weiteren Ring an ihren Händen, an der linken dieses Mal, quasi als Gegenstück zu ihrem ersten Geschenk von ihm, mit dem sie ihn nach Alpha gerufen hatte. Es war dieses Mal ein Ring mit einem durchaus auffälligen kleinen Edelstein, der im ersten Moment wie ein schön geschliffener Diamant aussah. Beim genauen Hinsehen entdeckte sie allerdings, dass die Mitte des Steins einen roten Kern hatte, so, als wäre ein Tropfen Blut im Innern eingeschlossen worden. „Dann sollten wir uns nun auf den Weg machen. Wie du so schön sagtest, Larmas, wir haben nicht mehr viel Zeit.“ Dann hob er kurz seine Hand und bevor sie noch irgendeine Frage stellen konnte hüllten sie undurchsichtige Schatten ein. Das Dunkel, was sie noch von ihrer Reise in Tarabas‘ Heimat her kannte, war nicht mehr so beängstigend wie zu ihrer ersten Reise, auch wenn der Weg ähnlich lang war. Als das, was sie wahrnehmen konnte, wieder hell wurde konnte sie eine Art riesiges Foyer erkennen, in dem zahlreiche Wesen unterschiedlicher Art geschäftig umher eilten. Es kamen viele Besucher an den Wänden in speziellen Toren an, wie ihr ein erstes Umsehen verriet und dies schien von den Anwesenden als vollkommen normal zu sein. Dass sie allerdings in der Mitte des Raumes erschienen, schien nun doch befremdlich zu sein, denn aufgeregte Stimmen erklangen und einige deuteten erschrocken auf sie. Zudem machte sie Bewaffnete aus, die schnell und mit gezogenen Waffen auf sie zukamen. Larmas knurrte leise und auf dieses Zeichen hin tat sie es den Generälen gleich und nahm einen Platz in einer Art menschlichen Schutzwall rund um Tarabas ein. Sie nahm einen der Angreifer ins Visier und ihr Körper agierte vollkommen automatisch, ohne dass sie einen wirklichen Gedanken verschwenden musste. Sie nahm einen stabilen Stand ein und schätzte die Lage ein. Dies geschah innerhalb von wenigen Sekunden, dann war die Wache so nahe, dass sie eine direkte Attacke wagte. Schnell duckte sie sich weg, allerdings so, dass sie die Waffe von Tarabas fortdrücken konnte. In der gleichen Bewegung drehte sie sich dann um ihre Achse und trat dem Mann mit voller Wucht die Waffe aus der Hand, nur um dann eine weitere Drehung und einen weiteren Kick folgen zu lassen, der dieses Mal nicht auf den Arm, sondern auf den Hals gerichtet war. Der Mann fiel getroffen zu Boden. Mit zu Fäusten geballten Händen nahm sie wieder einen sicheren Stand ein und versuchte die Situation weiter einzuschätzen. Ihre Wahrnehmung war weit geöffnet und sie wusste genau, wo sich die anderen Generäle befanden, die zum Teil auch ihre Angreifer entwaffnet hatten oder diese mit ihren eigenen Waffen in Schach hielten. Zudem spürte sie, dass sie Tarabas noch immer in ihrem Rücken hatte. „Genug!“, donnerte mit einem Mal seine Stimme durch den Raum und jegliches Geräusch verstummte augenblicklich. Seine Stimme hatte etwas Unheilvolles an sich und hinterließ in ihr das Gefühl eines gefährlichen Donners. Sie richtete sich automatisch wieder auf und spürte, dass auch die anderen es ihr gleich taten. So bemerkte sie, wie sich ihnen eine Frau näherte, deren Miene alles andere als freundlich aussah, auch wenn sie das Gefühl hatte, dass die Frau sich nur mit äußerster Vorsicht näherte. „Dürfte ich erfahren, warum wir angegriffen wurden?“, erklang wieder Tarabas‘ Stimme hinter ihr und dieses Mal klang sie, als wäre sie aus Eis. „Wenn sie wie aus dem Nichts erscheinen…“, begann die Frau, doch Tarabas unterbrach sie sofort wieder. „Wir sind Makaianer, da sollten sie auf ein solches Erscheinen vorbereitet sein.“ Raven war noch nie aufgefallen, wie schnell eine andere Person erbleichen konnte. Anscheinend bedeutete die Erwähnung des Makai etwas, was sie selbst noch nicht kannte. „Vergebt mir, Herr, anscheinend haben die Wachen die Information nicht erhalten. Herzlich Willkommen im Goam-Basar.“ Die Frau betrachtete kurz einen der Männer der Wache und machte eine schnelle Handbewegung, woraufhin diese sich zurückzogen. „Ihre Anwesenheit bei unserer besonderen Auktion wurde mir erst kurzfristig mitgeteilt. Wir fühlen uns geschmeichelt, dass Mitglieder der alten Welt unseren bescheidenen Basar beehren. Bitte, folgt mir. Sie werden mit ihrem Personal das Spektakel in einer der Logen beiwohnen.“, erklärte die Frau mit einem Mal sehr freundlich und unterwürfig. „Meine Begleiter sind kein… Personal.“, erklärte Tarabas weiterhin kalt und Raven hörte die Verachtung aus seiner Stimme. „Mich begleiten drei Fürsten sowie drei Königskinder als Vertreter des Herrschers des Makai. Es wäre besser, wenn sie sich dies merken.“ Die Frau schluckte schwer und beschloss, von nun an lieber den Mund zu halten. Mit einer unterwürfigen Geste bat sie darum, dass ihr gefolgt würde und alle setzten sich in Bewegung. Raven blieb dabei als Nachhut hinter Tarabas. Rayne schloss sich ihr dabei an. „Drei Königskinder?“, wisperte sie dem Imunas zu. Der Weißhaarige nickte. „Du, Roxa und ich tragen den Titel Prinz oder Prinzessin.“, erklärte er ihr ebenso leise, während er wie sie die Umgebung nicht aus den Augen ließ. „Eine wahrhaft illustre Runde.“, meinte sie sehr leise, woraufhin sie ein kurzes Schmunzeln um seine Mundwinkel bemerkte. „So könnte man sagen.“, stimmte er ihr zu. Die Frau, die ihnen den Weg wies, führte sie aus dem Ankunftsbereich hinein in etwas, was Raven in der Tat ein wenig an die orientalischen Basare auf Terra erinnerte. Vor ihren Augen tat sich ein gewaltiger Bereich auf, auf denen sowohl überdachte als auch freie Stände aufgebaut waren, die dort unter lautstarkem Werben ihre Waren feilboten. Doch waren diese Waren nicht jene, die sie gewöhnt waren, sondern ausschließlich andere Lebewesen. Viele der armen Wesen kauerten einfach auf dem nackten Boden und hielten verängstigt ihre Blicke vor den Vorbeigehenden gesenkt, während jeder Verkäufer versuchte, die Aufmerksamkeit der Vorrübergehenden zu erregen. Je weiter sie gingen fiel es ihr auf, dass die Haltung der angebotenen Lebewesen sich veränderte. Anscheinend waren jene, die im Bereich nahe dem Ankunftsbereich feilgeboten wurden, die niedersten Bediensteten, die man erwerben konnte. Nun hatten sie einen Bereich erreicht, in dem nicht nur die Pflasterung des Weges, auf dem sie schritten, eine bessere Qualität hatte, sondern auch die Körperhaltung der angebotenen Sklaven eine völlig andere war. Sie blickten stolz um sich, waren gut genährt und voller Kraft. Auch priesen die Händler die „Ware“ nicht mehr lautstark und hartnäckig an, sondern standen ebenso stolz an ihrem Bereich und warteten darauf, dass ihre Kundschaft auf sie zukam und Interesse bezeugte. Raven sah etliche Interessierte bei Händlern stehen, die sich kraftvolle Sklaven zeigen ließen, die man hervorragend als Kämpfer einsetzen konnte. Auch hatte sie das Gefühl, dass in diesem Bereich die Verzweiflung der Feilgebotenen verschwunden war und die Sklaven durchaus so etwas wie Stolz offenbarten. „Einige vielversprechende Kämpfer sind hier.“, hörte sie mit einem Mal Larmas‘ Stimme, der direkt neben Tarabas schritt. „Ihr könnt euch vor der eigentlichen Auktion gerne umsehen, ob ihr vielversprechende Kandidaten findet, die in den Makai wechseln möchten.“, meinte Tarabas ruhig zu seinem obersten General, der auch gleich nickte. //Wechseln möchte?//, schoss Raven die Frage durch den Kopf und sie runzelte leicht ihre Stirn. //Nicht jeder ist bereit in die erste der dunklen Welten zu wechseln oder hat die Kraft, die ewige Dunkelheit zu ertragen. Andere fürchten schlicht und ergreifend den Makai. Immerhin wissen sie ja, wer der Herr dieser Welt ist.//, erklang sofort Tarabas‘ Stimme in ihrem Kopf. //Außerdem behalten wir es erst einmal für uns, dass diejenigen, die hier Sklaven sind, bei uns frei sein werden.// //Es gibt also keine Sklaven im Makai?//, hakte Raven nach. Ganz leicht schüttelte Tarabas seinen Kopf, während sein Blick weiterhin nach vorn gerichtet war. //Nein, so etwas haben wir nicht nötig. Deswegen interessieren wir uns eigentlich auch nicht für solche Orte wie hier und bleiben ihnen fern.// Bei seinen Worten kam Erleichterung in Raven auf, sodass sie sich etwas entspannen und die Umgebung besser betrachten konnte. Sie hielten auf ein Gebäude zu, bei dessen Form sie unwillkürlich an ein Amphitheater erinnert wurde. Sie erkannte Wachen an dem Eingang, den sie von ihrem jetzigen Standpunkt erblicken konnte. Auch bemerkte sie, dass sich von den Besuchern des Basars kaum jemand diesem Eingang näherte. Nur eine Gruppe von drei Personen war erkennbar, die grade den Eingang passiert hatten. „Anscheinend ist Exklusivität Bedingung, wenn man dieses Gebäude da betreten will.“, hörte sie mit einem Mal die leise Stimme von Roxa, der seitlich vor ihr an Larmas‘ Seite schritt. „Das und ein gut gefüllter Geldbeutel, der sich auch schon im Vorfeld geöffnet hatte.“, meinte der Feuerdämon. Diese Aussage verursachte Raven Unbehagen, denn es war eine Sache, wenn man in irgendein Gebäude eindrang und dort einen Gefangenen befreite. Eine andere war es, wenn Geld dafür ausgegeben werden musste, einen bestimmten Weg zu beschreiten. Da ihre Mutter selbst in den Augen Unbeteiligter sicherlich eine interessante Person war befürchtete sie, dass das Geld, was Tarabas aufgebracht hatte, alles überschritt, was ihre Familie jemals zurückzahlen konnte. Und sie konnte nicht behaupten, dass sie nicht über gewisse finanzielle Mittel verfügten. Sie hörte, wie Tarabas leicht unwillig mit der Zunge schnalzte. //Mein Stern, darüber brauchst du dir wirklich keine Gedanken zu machen.//, hörte sie seine Stimme in ihrem Kopf. Wieder einmal war es etwas befremdlich, dass er jeden Gedanken ihrerseits hören konnte. //Es ist wichtig, dass deine Mutter auf freiem Fuß wandeln kann. Überlege dir bitte einmal was passieren könnte, wenn sie wahrhaftig von einem Dunklen gekauft werden würde. Denkst du, dass die Vertreter ihres Glaubens es hinnehmen würden, sie als Sklavin eines Dunklen verkauft zu wissen? Es wird zum Krieg kommen. Manchmal muss Geld investiert werden, das ist richtig, aber alles Finanzielle ist nichts im Vergleich zu dem Preis der entrichtet werden muss, wenn es zum Äußersten kommt.// Er sah kurz über seine Schulter und sie direkt an. //In allererster Linie reden wir aber von deiner Mutter als das was sie ist, nämlich deine Mutter. Wir sind Makaianer. Unser Clan geht uns über alles. Und da du jetzt auch zu meinem Volk gehörst und die Generäle dich akzeptiert haben werden wir alles was nötig ist, damit sie wieder in Freiheit leben kann. Das bedeutet, dass wir uns für sie einsetzen, egal was kommt.// Raven musste hart schlucken bei diesen Worten und nur mit äußerster Willensanstrengung schaffte sie es, die Tränen der Dankbarkeit zu unterdrücken. Was Tarabas natürlich bemerkte. Ebenso wie alle anderen. „Was hast du jetzt schon wieder gemacht, dass unsere Kleine gleich in Tränen ausbricht?“, fragte Larmas ein wenig stichelnd. „Nicht das was du denkst.“, grollte Tarabas seinen obersten General an. „Ich habe ihr lediglich unser Verständnis von Familienbande und der Verbundenheit unter euch Generälen erklärt.“ //Du hast dir Sorgen wegen des Geldes für deine Mutter gemacht, richtig?//, hörte Raven die Stimme von Jebrill in ihrem Kopf. Sie nickte etwas schüchtern. //Das brauchst du nicht. Sei unbesorgt deswegen.// Der Winddämon lächelte leicht und sie konnte nicht anders als dieses Lächeln erleichtert zu erwidern. Es war einfach ein fantastisches Gefühl zwischen diesen Männern zu sein. Sie fühlte sich dazugehörig und wohl. Sie erreichten das spezielle Gebäude. Misstrauisch wurden sie von den Wachen am Eingang beäugt. „Dies sind unsere Gäste aus dem Makai, die angekündigt wurden. Fürst Larmas, Fürst Balin, Fürst Jebril…“, stellte ihre Begleiterin sie den Männern vor, Raven bemerkte, dass Jebrill kurz die Augen schloss und leise schnaubte. „Prinz Roxa, Prinz Rayne und Prinzessin… äh…“ „Sahva.“, klärte Raven die Frau auf. „Danke, Prinzessin Sahva und…“ Die Frau sah Tarabas an, der seinen Blick mit einem unheimlichen Lächeln auf sie richtete. Sie holte erschrocken tief Luft. „Ich tue nichts zur Sache, ich bin nur der Geldgeber.“, meinte er, seine Stimme war dabei dunkel und wahrhaft… dämonisch, Raven fand kein anderes Wort dafür. Sowohl die Frau als auch die Wachen wirkten mit einem Mal ein wenig verstört nach seinen Worten. Raven, die äußerlich vollkommen konzentriert und somit auch ein wenig unnahbar wirkte, schaffte es glücklicherweise, ihre Verwunderung für sich zu behalten. Aber sie mutmaßte für sich, dass diese Leute ahnten, wer Tarabas war. „Natürlich. Diese Personen haben freien Zugang zu allen Bereichen. Merkt euch das bitte.“, erklärte die Frau den Männern, die auch gleich zustimmend nickten. „Bitte folgen sie mir. Es ist nicht mehr weit, dann können sie sich erfrischen und etwas ausruhen.“ So folgten sie ihr weiter ins Innere des Gebäudes und schritten dann einen Gang entlang, der sich nach rechts und links vom Eingang hin erstreckte. Im regelmäßigen Abstand gingen auf einer Seite Türen von dem Gang ab, der anscheinend zu den Logen führte, die die Frau erwähnt hatte. Ihr Weg war nicht sehr lang, da hielten sie auf eine der Türen zu, die sich ohne weiteres Dazutun öffnete. „Die Auktion beginnt in drei Stunden. Hier können sie sich in aller Ruhe von ihrer Reise erholen. Sollten sie Wünsche haben, ganz gleich welcher Art, wenden sie sich bitte an den Bediensteten, der von nun an vor dieser Tür auf ihre Anweisungen warten wird.“, erklärte ihre Begleiterin und betrat dann als Erste die Loge. Sie alle folgten ihr. Sobald Raven im Inneren war ließ sie automatisch ihren Blick schweifen, um mögliche Bedrohungen zu entdecken. Der Raum war luxuriös eingerichtet mit bequemen Sitzgelegenheiten und Tischen, auf die man Erfrischungen stellen konnte. Auf einem Sideboard waren bereits Speisen ansehnlich angerichtet worden und sie entdeckte verschiedene Flaschen, die auf Eis gelagert wurden. Direkt gegenüber der Tür befand sich eine große Fensterfläche mit einem Durchgang, die auf eine Art Balkon herauszuführen schien. „Während der Auktion nehmen sie bitte auf dem Balkon Platz, damit sie die bestmögliche Aussicht auf unsere Produkte genießen können. Die Glasscheibe vor dem Balkon ist von außen nicht einsehbar, sie genießen also größtmögliche Anonymität. Ihre Erwerbungen werden wir ihnen umgehend zukommen lassen und in diesem Bereich bis zu ihrer Abreise aufbewahren.“, erklärte die Frau geschäftsmäßig und deutete dann an eine Wand, in der einige Ösen eingelassen worden waren, an denen die „Neuerwerbungen“ anscheinend angekettet werden konnten. Raven konnte sich nur mit Mühe eine ruhige und neutrale Miene bewahren. Immerhin waren die Waren, die hier erworben werden konnten, keine Dinge, sondern Lebewesen. Aber für jemanden aus einem Volk, in dem Sklaverei nicht nur verboten sondern gar verpönt war, war diese Beschreibung schlichtweg inakzeptabel. Doch das musste ja niemand wissen. „Sollten sie oder ihre Begleiter in der Wartezeit bis zur Hauptauktion die weiteren Angebote des Basars prüfen wollen würden wir uns freuen, wenn wir sie an den Ständen begrüßen dürften. Die Wachen am Eingang dieses Gebäudes kennen sie nun und werden sie problemlos wieder einlassen. Bei Fragen jeglicher Art stehen wir ihnen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung.“ „Wir werden ihre Ratschläge sicherlich berücksichtigen, habt vielen Dank.“, meinte Larmas, der sich an Tarabas‘ Stelle mit der Frau unterhielt. Tarabas selbst stand völlig ruhig in der Mitte des Raumes und sah hinaus auf den Balkon. Er wirkte auf Raven sowohl isoliert als auch unnahbar in diesem Moment und irgendwie hatte sie das Gefühl, dass es bislang immer so für ihn gewesen war. Sie rang ein wenig mit sich, wie sie sich verhalten sollte, doch dann fasste sie sich ein Herz und ging einfach auf ihn zu und stellte sich an seine Seite. „Alles in Ordnung?“, fragte sie leise, während sie noch hörte, dass Larmas anscheinend noch etwas mit der Betreuerin besprach. Tarabas wandte ihr sofort seine Aufmerksamkeit zu und sofort milderte ein kleines Lächeln die Strenge seines Gesichtsausdrucks ab. „Sollte nicht ich es sein, der dir diese Frage stellt, mein Herz?“, fragte er ebenso leise, ergriff ihre Hand und hauchte ihr einen Kuss auf die Fingerknöchel. Dabei senkte er seine Augenlider auf eine Art und Weise, die das Kribbeln, das seine Lippen verursachten, noch verstärkte. Raven konnte nicht anders und lächelte ihn ebenfalls an. Sie konnte sich nicht helfen, sie war wirklich verliebt in diesen Mann und verliebte sich anscheinend immer mehr in ihn. Diese kleine Intimität wurde natürlich bemerkt. „Die junge Lady ist seine derzeitige Favoritin?“, fragte die Betreuerin leise bei Larmas nach. Der Feuerdämon schmunzelte kurz. „Sie ist weitaus mehr als das. Sie ist seine Einzige. Ich an eurer Stelle würde mir das gut merken und auch allen anderen weitergeben.“, empfahl er, worauf hin die Frau sich kurz versteifte und dann einen Gesichtsausdruck bekam, als wolle sie den größtmöglichen Nutzen aus dieser Information ziehen. „Ich gebe euch einen guten Rat, Frau. Meine Nichte befindet sich nicht umsonst in den Reihen der Generäle des Fürsten der Finsternis. Sie musste sich ihre Position erkämpfen und hat ihre Kraft und ihr Können unter Beweis gestellt. Außerdem solltet ihr davon gehört haben wie Personen reagieren, die ihren einen Gefährten in Gefahr wähnen.“ Sie holte kurz tief Luft und sah Larmas dann ernst an. „Ich habe eure Warnung verstanden und gebe sie weiter.“ „Tut das.“, meinte er scheinbar überfreundlich und wandte sich dann von ihr ab, was für sie ein Zeichen war, dass sie entlassen war. Sie verließ die Loge dann auch umgehend. „Was hast du ihr gesagt? Ihr habgieriger Blick war ja schnell verschwunden gewesen.“, meinte Balin. „Nun, ich habe erwähnt, dass manche Dinge nicht zum eigenen Vorteil genutzt werden sollten. Es liegt an ihr, wie sie die Warnung auslegt. Aber ich denke, sie ist auf dem richtigen Weg.“ Dabei wanderte Larmas‘ Blick zu Tarabas und Raven und ein kleines, zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Die Kleine tut ihm gut.“, meinte der hünenhafte Mann, woraufhin der Feuerdämon nickte. „Ja, tut sie. Der Tod beginnt durch sie endlich zu leben.“ „Ich habe nur am Rand mitbekommen wie sie kämpft. Konntest du sie besser wahrnehmen?“, fragte Balin weiter. „Nein. Aber ich habe in den Archiven Aufzeichnungen von ihr gefunden. Sie ist gut. Aber sie wird noch wesentlich besser werden. Ich werde Tarabas bitten sie ausbilden zu dürfen.“ „Dir ist klar, dass diese Ehre nicht allein bei dir liegt, Larmas.“, meinte Balin und klopfte kräftig auf die Schulter des Kleineren. Dieser schwankte weder noch zuckte er überhaupt zusammen sondern grinste den anderen einfach nur an. „Das schon. Aber es hat halt seine Vorteile, dass ich der Anführer von unserem Haufen bin.“ Es verstrich einige Zeit. Larmas, Balin und Roxa lümmelten sich mehr oder weniger auf den Sofas und Sesseln und schienen sich zu entspannen, während Tarabas sich einer Partie einer Art Schach mit dem stummen Jebril lieferte, welches auf drei Ebenen gespielt wurde. Nur Rayne stand am Durchgang zum Balkon wie ein ruhiger Wächter mit vor der Brust verschränkten Armen und harrte aus. Raven selbst war unruhig und diese Unruhe wurde stärker, je mehr Zeit verstrich. Dabei konnte sie sich diese Unruhe nicht erklären, wenn sie an ihre Mutter dachte war sie sicher, dass sich alles zum Guten wenden würde. Das Bild, was sie im Orakelbecken gesehen hatte nahm ihr viel Sorge in diesem Fall. Nein, es war anscheinend eine Unruhe ohne Grund, die sie sich nicht erklären konnte. Sie konnte nicht sitzen, weshalb sie begann, Dehnungsübungen zu absolvieren. Rayne betrachtete sie dabei nachdenklich. „Sahva, geh raus und sieh dich etwas um.“, erklang mit einem Mal Tarabas‘ Stimme, als sie beinahe im Spagat an eine Wand gelehnt stand. Sie löste ihre Übung und sah Tarabas verwundert an, wollte eigentlich protestieren. „Und du, Rayne, begleitest sie.“, erstickte Tarabas Ravens Einwände im Keim. Der Imunas neigte seinen Kopf in Zustimmung, dann löste er sich von seiner Position und legte behutsam seine Hand auf ihre Schulter, um sie dann aus dem Raum zu schieben. Er ließ ihr keine Zeit sich an Tarabas zu wenden sondern fand sich schneller vor der Tür der Loge wieder als sie reagieren konnte. „Was soll das?“, zischte sie dem Weißhaarigen zu, verstummte aber, als sie einen Bediensteten erblickte, der sich sofort bei ihrem Erscheinen von seinem Platz erhob. Ganz knapp schüttelte Rayne seinen Kopf, eine Bewegung, die eigentlich gar keine war. „Wir sehen uns auf den Basar um. Gibt es ein Signal woran wir erkennen, wann die Auktion beginnt?“, fragte er den erwartungsvollen Bediensteten. „Ein akustisches Signal wird auf dem Basar erklingen, Herr. Wenn ihr es wünscht können wir euch auch schon etwas eher eine Nachricht zukommen lassen.“, wurde ihnen erklärt. „Macht das bitte.“, meinte Raven, weil sie bei Rayne ein leichtes Zögern bemerkte. Der Bedienstete verneigte sich und begab sich dann an ein kleines, gut verstecktes Terminal, um entsprechende Eingaben zu machen. Raven deutete mit einem Kopfnicken auf den Ausgang und sie setzten sich in Bewegung. „Die Gäste werden überwacht?“, fragte Rayne sie dann, als sie außer Hörweite waren. „Davon gehe ich aus. Sag mal was sollte das eben, wieso sollte ich den Raum verlassen?“, fragte sie noch immer etwas unwirsch. „Du bist unruhig und das hat nichts mit Nervosität zu tun. Tarabas wird es gespürt haben, ich kann es riechen. Er wollte sicherlich, dass du von deiner Sorge abgelenkt wirst.“, erklärte der Weißhaarige leise. „Dabei bin ich gar nicht wegen der bestimmten Sache nervös.“, gestand sie leise ein, ließ unerwähnt, dass sie wegen ihrer Mutter hier waren. Immerhin konnte niemand mit Sicherheit davon ausgehen, dass hier die Sprache der Makaianer nicht gesprochen wurde. Außerdem hatten sie grade den Eingang mit den Wachen passiert. „Nicht?“, fragte Rayne mit einem Stirnrunzeln nach. „Nein, ich weiß, das klingt komisch. Aber ich werde ruhiger, wenn ich an diese Auktion denke.“ Rayne hielt sie an, legte ihr beide Hände auf die Schultern und sah ihr in die Augen. „Was genau spürst du?“, fragte er nach. „Wie? Was meinst du?“, fragte sie irritiert. „Rav, wie du weißt ist mein Bruder Empath. Wenn du sagst deine Nervosität hat nichts mit unserer eigentlichen Aufgabe zu tun, dann muss etwas anderes nach dir greifen. Wenn ich dich jetzt so ansehe habe ich dasselbe Gefühl, was ich immer habe, wenn Liam spürt, dass seine Hilfe benötigt wird, er aber nicht weiß, wo das ist.“ Er berührte kurz ihre Stirn und lauschte, dann neigte er kurz nachdenklich seinen Kopf zur Seite. „Deine Fähigkeiten sind anders und noch unausgebildet. Pass auf, ich habe eine Idee. Kannst du meditieren? Deinen Kopf völlig leeren?“ Raven nickte ein wenig misstrauisch. „Dann mach das bitte. Die Nervosität sollte dann bleiben und dich leiten können. Achte dann auf nichts anderes und folge dem Gefühl. Ich bin bei dir uns achte darauf, dass nichts geschieht.“ Sie nickte und Rayne trat hinter sie. Langsam und bewusst begann sie zu atmen und mit jedem ihrer Atemzüge ließ sie ihre Gedanken zur Ruhe kommen. Es sah sicherlich seltsam aus, wie sie mitten auf dem Weg vor dem VIP-Gebäude stand, den Kopf und die Augenlider leicht gesenkt hatte und einfach nichts tat. Dann mit einem Mal hatte sie das Gefühl in ihr klar vor Augen und sie spürte so etwas wie Dringlichkeit. „Geh. Folge deinem Gefühl, es wird dich leiten. Aber lauf nicht, auch wenn es dir schwer fallen sollte. Wir dürfen keine allzu große Aufmerksamkeit auf uns ziehen.“, raunte Rayne ihr zu. Sie nickte und setzte sich in Bewegung. Gemeinsam folgten sie dem kurzen Weg zurück zum Basar, doch bereits an der ersten Weggabelung wich ihr Gefühl von der bekannten Route ab. Erst war das was sie spürte schwach, sodass sie sich beide Wege ansah. Sofort sprang ihr Bauchgefühl wieder an und sie hielt sich rechts, tauchte in das Gewühl von Ständen und Besuchern ein, während sie Rayne die ganze Zeit an ihrer Seite wusste. Instinktiv verhielt sie sich wie sie es in ihrer Ausbildung zum Thema Observation gelernt hatte, sie hielt ihren Schritt langsam aber nicht bummelnd und betrachtete wie jeder Besucher im Vorbeigehen die Stände, während sie eigentlich nur auf ihr Bauchgefühl achtete. Dennoch entging es ihr durchaus nicht, dass sie einen Bereich des Basars durchquerten, in dem Sklaven für die alltäglichen Dinge angeboten wurden. Männer, Frauen und ganz besonders schlimm Kinder wurden feilgeboten, doch sie waren in einem recht guten körperlichen Zustand und wirkten kaum verängstigt, bestenfalls eingeschüchtert. Der Lärm in diesem Getümmel aus Angeboten und Interessenten war fast ohrenbetäubend, immer wieder riefen die Standbetreiber und priesen ihre Ware an. Es kam einige Male vor, dass Rayne und sie direkt angesprochen wurden, doch sie lehnte jedes Mal höflich ab, sich die ausgestellten Wesen näher anzusehen. Ihr Weg führte sie durch verschiedene ‚Themenbereiche‘, Raven konnte es nicht anders benennen, hinein in den Bereich, in dem offensichtlich weitere Krieger angeboten wurden. Hier nahm ihr Bauchgefühl in unheimlichem Maße zu, ebenso wie die Dringlichkeit, dass sie an einem Ort in der Nähe gebraucht wurde. „Wir sind gleich da.“, meinte sie zu Rayne, der nur nickte und die Umgebung genauestens im Auge behielt. Sie waren auf dem Weg vom Ankunftsbereich zum VIP-Gebäude ja bereits an ausgestellten Kriegern vorbei gekommen, die gesittet und stolz in ihren Ständen posiert hatten. Hier sah das Ganze ein wenig anders aus. Es kam Raven eher so vor, als wäre sie in einem Hochsicherheitsgefängnis gelandet, welches gewaltbereite Kriminelle beherbergte. „Ich frage mich grade wirklich, was mein Bauchgefühl mir eigentlich sagen will.“, meinte sie mit ernster Miene. „Über diese Frage sollten wir später nachdenken finde ich.“, meinte Rayne, der mit seiner fast weißen Lederkleidung auffiel wie ein Leuchtturm. Doch niemand wagte sich an ihn heran, er hatte, so fiel es Raven mit einem Mal auf, eine derart abweisende Miene aufgesetzt, die jeden bulligen Bodyguard vor Neid hätte erblassen lassen. Und da sein Mantel ärmellos war konnte jedermann gut erkennen, dass sich der junge Mann auch bei schweren Gefechten zu wehren wusste. Und wahrscheinlich siegreich aus der Schlacht hervorgehen würde. Sie bogen um eine Ecke und wurden sofort auf wütendes Geschrei aufmerksam. Dieses Geschrei löste in Raven dasselbe Kribbeln aus, was sie beim ersten Anblick der Zwillinge gespürt hatte. Sie holte tief und erschrocken Luft und bahnte sich ihren Weg durch die Menge an Schaulustigen, die sich um einen Stand versammelt hatten. Als sie genug sehen konnte blieb sie einfach stehen. Zwei Männer standen an dem Stand und betrachteten eine in Ketten gelegte Person mit sichtlichem Interesse. Einer von ihnen hielt eine Gerte in der Hand und betrachtete die vor Wut schäumende angekettete Person mit einem widerlich lüsternen finsteren Grinsen, obwohl ihm einige Blessuren zugefügt worden waren. Der zweite Mann war anscheinend der Standbetreiber, der mit ernster Miene auf den Mann einredete und immer wieder auf die gefesselte Person deutete. Dieser nickte, woraufhin das Objekt des Interesses laut aufschrie und die Zähne bleckte. //Eine Frau, das ist eine Frau!//, schoss es durch Ravens Kopf und ihr wurde eiskalt, als sie die gefesselte Person erkannte. Zwar war ihr Haupt kurz geschoren, sie selbst durch einen frischen Kampf anscheinend völlig verschmutzt und die einfache Kleidung zerrissen, doch es war Raven mit einem Mal klar, dass sie Larmas‘ Schwester gefunden hatte. „Niemals. Ich werde mich niemals einem Mann beugen. Schon gar nicht so einem Schwein!“, schrie sie mit erstaunlich dunkler Stimme. Daraufhin schlug sie der Händler brutal ins Gesicht. „Halt´s Maul! Du hast deine Chancen gehabt. Heute ist dein letzter Tag und er der einzige Bieter. Du weißt, was dir sonst blüht.“ Die Kriegerin, deren Kopf so brutal zur Seite geschlagen wurde, spuckte Blut aus und sah die beiden dann wieder verächtlich an. „Dann sterbe ich lieber.“ Raven setzte sich in Bewegung. „Rav, was…?“, setzte Rayne an, doch sie bat ihn mit einer kleinen Handbewegung sich nicht einzumischen. So blieb er in der Menge stehen, während sie aus der Masse heraus trat. „Ich biete für die Kriegerin.“, tat sie laut kund, woraufhin sich sämtliche Blicke auf sie richteten. Gemurmel wurde laut, sie wurde von den beiden Männern kurz beäugt, woraufhin sich die Miene des anderen Bieters verfinsterte. Innerlich verfluchte sie ihr Mundwerk, denn sie wusste gar nicht, mit was sie Larmas‘ Schwester überhaupt auszahlen sollte. //Du hast genug an dir. Tarabas hat dir etliche Verzierungen an die Kleidung gegeben, die sehr wertvoll sind. Zudem bin ich auch noch da. Ist das etwa…?//, hörte sie mit einem Mal Raynes Stimme in ihrem Kopf. //Ja.//, antwortete sie nur. //Dann zahlen wir jeden Preis der gefordert wird.//, war Raynes ernste Antwort. „Nun, dann müsst ihr auch bereit sein zu beweisen, dass ihr die Kriegerin beherrschen könnt. Nur wenn ihr ihrer Herr werdet kommt ihr in Frage. Danach nennt euren Preis. Aber ganz ehrlich, ihr erscheint mir nicht wie jemand, der kämpfen kann.“, erklang die Stimme des Händlers. Das erklärte die frischen Wunden an der Feuerdämonin und dem anderen Bieter. „Wir werden sehen.“, meinte sie, während Rayne an ihre Seite kam. „Ich kenne Lady Gabrielle leider nicht aber sie ist bei uns als gute Kämpferin bekannt. Sei vorsichtig.“, raunte er ihr zu und Raven nickte. Dann trat sie vor die Gefangene grade so weit, dass diese sie mit den Ketten nicht erreichen konnte. Dann sah sie der Dämonin fest und ernst in die rubinroten Augen. Zuerst richtete sie ihren Blick zornig auf sie, doch als sich ihre Blicke trafen wurde die andere Frau, die etwas größer aber um einiges kräftiger war als sie selbst, blass. „Nein. Nicht so.“, vermeinte Raven zu hören. „Macht sie los.“, forderte Raven laut. Der Händler kam an ihre Seite, während Gehilfen sich behutsam Gabrielle näherten und sich mit gehörigem Respekt an den Ketten zu schaffen machten. „Welche Waffen bevorzug ihr, Lady?“, fragte der Händler. „Keine Waffen. Ich kämpfe ohne und sie wird es auch.“, erklärte sie ruhig. Sie war nun auch vollkommen ruhig, die nagende Sorge war vollkommen verschwunden. Während Larmas‘ Schwester entfesselt wurde blickte sie der anderen Frau die ganze Zeit fest in die Augen und ließ sich durch nichts ablenken. Wieso sie das tat wusste sie nicht, aber es fühlte sich richtig an. Dann schließlich waren die schweren Ketten aus den eisernen Ringen um Hand- und Fußgelenken verschwunden und Gabrielle stand vor ihr. Die Frau tat nichts, sie erwiderte einfach nur ihren Blick und Angst stand ihn ihrem Gesicht. //Sie will nicht gegen dich kämpfen. Sie hat erkannt wer du bist. Gegen unseren erwählten Herrn die Hand zu erheben kommt Hochverrat gleich.//, erklärte Rayne ihr telepatisch. //Kannst du es ihr verdeutlichen, dass sie es muss um frei zu sein? Sie kann es ja als Trainingskampf ansehen.//, fragte sie behutsam, da ihr das telepatische Antworten noch immer schwer fiel. Rayne nickte leicht und stieß einen leisen Laut aus, der Raven an den Ruf eines Geparden erinnerte. Die Frau vor ihnen löste sofort ihren Blick aus dem von Raven und sah den Mann kurz an. „Imunas.“, stieß sie kurz verwundert aus. Raven sah nicht, was der Weißhaarige dann tat, doch Gabrielle nickte kaum merklich. Daraufhin nahm ihre Körperhaltung Spannung an, was Raven erwiderte. Schweigend standen sie einige Sekunden vor einander, dann stieß die Feuerdämonin einen Schrei aus und stürzte ich auf sie. Geschickt wich Raven den ersten Schlägen aus und blockte einige mit ihren Unterarmen ab. Auch wenn sie wahrscheinlich so etwas wie einen Trainingskampf vereinbart hatten waren Gabrielles Schläge hart und präzise, nur das Leder von Ravens Unterarmschützern machten den Aufschlag etwas erträglicher. Raven spürte sofort, dass ihre Gegnerin wahrlich kraftvoll war, doch sie spürte auch, dass sie in einigen Bewegungen träger als erwartet war. Diese minimalen Lücken nutzte sie aus, tauchte unter den Schlägen hindurch, um dann ihrerseits auszuteilen. Während Gabrielle schiere Kraft in ihre Schläge setzte nutzte Raven ihre Geschicklichkeit und das jahrelange intensive Training der asiatischen Kampfkünste, um mit gezielten Drehungen, Tritten und Stößen die andere Frau zu überraschen. Gabrielle erhöhte ihr Tempo, doch sie konnte auch dem standhalten. Schließlich ließ sie harte Dreh-Tritte folgen, die Gabrielle dann von den Beinen holten. Als die Frau im Staub vor den Beinen ihres Händlers lag war Raven blitzschnell über ihr und deutete an deren Hals einen Schlag an, der ihr den Kehlkopf zertrümmert hätte und somit tödlich war. „Ihr habt euer Können bewiesen, junge Lady. Ich akzeptiere euch als Bieterin. Nennt euer Gebot.“, hörte sie den Händler über sich. Sie stand auf und wollte Gabrielle eigentlich ihre Hand helfen, um der Gegnerin als faire Geste aufzuhelfen. Doch das war in der derzeitigen Situation sicherlich unangebracht, so unterließ sie dies. „Wie ist das derzeitige Gebot?“, fragte sie den Mann dann und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Händler und den anderen Bieter, während Gabrielle schwer atmend am Boden liegen blieb und das Handeln mit angewiderter Miene beobachtete. „125 Gemax.“, war die Antwort des Händlers und der andere Bieter grinste höhnisch. //Das ist viel Geld.//, hörte sie Raynes Stimme in ihrem Kopf. //Doch du hast ein unschlagbares Schmuckstück an dir, was jedes Gebot übertrifft.// Rayne zeigte ihr schnell was er meinte und erklärte ihr, was sie sagen sollte. „Mein Gebot ist das hier.“, verkündete Raven daraufhin und zog den schönen Ring mit dem Diamanten von ihrem Finger. Sie hielt ihn in die Höhe, damit der Händler und der andere Bieter Stein und Fassung sehen konnte. Gabrielle sah ihn auch und holte entsetzt Luft. „Das ist ein jungfräulicher Blutkristall, gefasst in Lumay, dem edlen Metall des Makai. Der Stein ist nicht allzu groß, doch ich denke, er sollte ausreichen. Oder irre ich mich da?“, fragte Raven kühl, auch wenn sie keinerlei Ahnung hatte, welche Bedeutung beides hatte oder welchen Wert es bedeutete. Anscheinend war den anderen Anwesenden dies aber geläufig, denn sofort setzte Gemurmel ein. „Herrin, nein! Das bin ich nicht wert.“, hörte Raven leise Gabrielles Protest. „Ich glaube es erst, wenn ich den Stein selbst gesehen habe.“, donnerte unterdessen der andere Bieter und wollte Raven den Ring entreißen. Eine plötzliche Klinge, die auf seinen Hals gerichtet war, ließ ihn in der Bewegung erstarren. „Das würde ich an eurer Stelle unterlassen.“, erklang Raynes kalte Stimme, der mit einem Mal ein Schwert in der Hand hielt. Der Mann hob sofort seine Hände und trat einen Schritt zurück, während der Händler gierig seine Hand ausstreckte. „Das Angebot gilt. Die Kriegerin gehört euch, Lady. Passt aber auf euren hübschen Hals auf. Die Dame hat schon einigen den selbigen aufgeschlitzt.“ Raven ließ den Ring in dessen Hand fallen, woraufhin ein anderer Mann vortrat. Er hatte ein kleines Schreibpult vor dem Bauch, auf dem ein Dokument vorbereitet lag. „Ich benötige euren Namen und Rang, Lady, damit alles seinen geregelten Gang nehmen kann.“, erklärte dieser. „Das ist Prinzessin Raven Sahva Terra, General im Inneren Kreis des Makai und spirituelles Oberhaupt der Imunas.“, erklärte Rayne ruhig, was der Mann sofort in sein Dokument eintrug. Raven sah Rayne sofort stirnrunzelnd an, da die zweite Bezeichnung etwas befremdete. „Prinzessin, ich fertige die Dokumente für euch an. Wohin sollen wir die Kriegerin bringen, wenn alles fertig ist?“, fragte der Mann weiter. Raven richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Mann. „Wir nehmen an der Auktion im Gebäude dort teil.“, meinte sie und deutete auf das VIP-Gebäude, welches auch von diesem Ort aus erkennbar war. Der Mann beugte leicht seinen Kopf. „Wir werden euch die Kriegerin dort hinbringen. Erwartet sie mit ihren Habseligkeiten und allen Dokumenten nach der großen Auktion.“, wurde ihr erklärt, dann verbeugte sich der Mann wieder und kehrte ins Innere des Standes zurück, um sich anscheinend an die Arbeit zu begeben. Raven schenkte Gabrielle ein kleines Lächeln und reichte ihr nun doch die Hand, um ihr aufzuhelfen. Die Feuerdämonin ließ sich auch in die Höhe ziehen, nur um gleich darauf vor ihr auf ein Knie zu sinken. Ähnlich wie Rayne und Liam berührte sie mit ihrer Stirn Ravens Fingerspitzen. „Herrin. Ich habe schon so lange nach euch gesucht. Danke, dass ihr mich gefunden habt.“, wisperte sie. „Ist schon gut. Steh auf, Gabrielle.“, meinte Raven, woraufhin diese sofort erschrocken aufsah. „Ihr… kennt meinen Namen.“, stellte sie erschüttert fest. „Natürlich. Dein Bruder hat ihn mir gesagt, nachdem ich dich im Orakelbecken gesehen hatte.“, erklärte Raven. „Mein Bruder? Von welchem sprecht ihr? Ich habe mehrere davon.“, meinte Gabrielle, die noch immer etwas verunsichert wirkte. „Larmas.“, antwortete Raven nur. „Ihr spracht vom Orakelbecken. Wie kann das sein? Seit ihr…“ „Raven ist Tarabas‘ Wächterin.“, sprang nun Rayne ein. „Als wir auf der Suche nach einem verschleppten Mitglied ihres Clans waren hat ER sie in den Orakelraum mitgenommen und das Becken hat auf sie reagiert. Sie erkannte dich in den Wassern, ebenso wie meinen Bruder und mich. Ich bin Rayne, der älteste Sohn von Ream. Wir sind uns noch nie begegnet, ich war noch zu jung, um die Schneefelder zu verlassen, als ihr den Makai verlassen hattet.“ „Und mein älterer Bruder war dann nahe, um euch zu erklären, wen ihr im Wasser gesehen hattet? Bedeutet das, dass unser Vater nicht mehr Fürst ist?“, fragte Gabrielle weiter. „Euer Vater ist in die Finsternis eingegangen, Gabrielle. Euer Bruder hat vor über 200 Jahren seinen Platz eingenommen, nachdem er schon General im Inneren Kreis geworden war. Mittlerweile ist er der Oberste von uns Generälen.“ Gabrielle schluckte, als sie alle Informationen in sich aufnahm. „Hat… Larmas… meine Verbannung aufrecht erhalten?“, fragte sie schließlich leise. „Nein. Er sucht euch seit dem Tod eures Vaters. Und unser Herr hat niemals eine Bannung über dich ausgesprochen. Dir steht seit jeher die Rückkehr offen, jetzt noch mehr als vorher seit er weiß, dass du zu seiner Gefährtin gehörst.“ Sofort richteten sich die rubinroten Augen wieder auf Raven. „Gefährtin? Du sagtest eben, sie wäre seine Wächterin, oder habe ich das falsch verstanden?“, hakte die Frau sofort ernst nach. „Beides ist richtig. Wenn ich dir sage das er nun wahrhaft lächelt solltest du wissen, was das bedeutet.“, meinte Rayne freundlich. Gabrielle schluckte und nickte dann. „Ja, das weiß ich.“ „Gut. Sag, möchtest du uns gleich begleiten oder warten, bis deine Dokumente ausgestellt sind und dann zu uns stoßen?“, fragte Rayne weiter. „Ich werde meiner Herrin nicht von der Seite weichen, außer sie wünscht etwas anderes, Imunas.“, kam die scharfe Erwiderung. „Auch wenn ich mich für meine Erscheinung schämen muss.“, fügte sie dann hinzu und ließ ihren Kopf leicht sinken. „Wir kümmern uns um alles, Schwester.“, meinte Rayne nur und sah dann den Standbetreiber an. „Ihr da, habt ihr einen Umhang für sie? Wir würden sie gerne sofort mit uns nehmen, die Dokumente könnt ihr nachliefern.“, rief er. Der Mann stutzte kurz und nickte dann zögerlich, bevor er einem von seinen Leuten mit einer Handbewegung zu verstehen gab, dass dieser das gewünschte Kleidungsstück bringen sollte. „Ich sehe jetzt erst, dass ihr Kleidung tragt, die dem meines Clans entsprechen, Herrin. Seid ihr eine von uns? Verzeiht, ich bin verwirrt, weil ich kein Feuer in euch spüre.“, fragte Gabrielle Raven leise, während Rayne den Umhang entgegen nahm und dem Händler dafür noch eine Münze in die Hand drückte. „Nein. Ich komme nicht aus dem Makai, noch nicht einmal aus einer dunklen Welt. Larmas hat mich für diese Reise eingekleidet. Ich erkläre dir alles, wenn wir unsere Aufgabe hier erfüllt haben, in Ordnung?“, fragte Raven sanft. „Ihr braucht mir nichts erklären, Herrin. Ich bin nur froh, dass ihr mich gefunden habt.“, meinte Gabrielle nur. „Mein Name ist Raven, Gabrielle. Ich würde mich freuen, wenn du mich so nennen würdest. Ich mag gesellschaftliche Titel nicht so gerne musst du wissen.“ Gabrielle neigte kurz ihren Kopf und legte sich dann den Umhang um die Schultern, die Rayne ihr gab. Sie befestigte die Schnalle am Hals und setzte sich dann die Kapuze auf, dann machten sie sich auf den Rückweg zum VIP-Gebäude. Kapitel 16: Die Auktion ----------------------- Sie ließen den Bereich der Krieger rasch hinter sich und folgten dem Weg, den sie gekommen waren. Gabrielle hielt sich dabei zwei Schritte hinter Raven und Rayne und folgte ihnen wie ein Schatten. Sie war barfuß unterwegs und die metallenen Fesseln an ihren Fußgelenken blitzten immer wieder unter dem langen Umhang hervor. „Wenn wir gleich bei den anderen angekommen sind sehen wir zu, dass du diese Fesseln loswirst.“, versprach Raven ihr. Gabrielles Schritt verlangsamte sich kurz. „Wer begleitet euch alles?“, fragte sie leise. „Der gesamte Innere Kreis.“, beantwortete Rayne für Raven die Frage. „Mein Bruder ist also auch hier.“, stellte Gabrielle leise fest. Raven hielt kurz inne und drehte sich zu der Feuerdämonin um. Sie meinte die Scham bei Gabrielle zu spüren. „Du möchtest ihnen so nicht entgegentreten, richtig?“, fragte sie behutsam nach. Ganz leicht schüttelte Gabrielle ihren Kopf. „Wir können gerne nach neuer Kleidung und einer Dusche für dich suchen.“, schlug Raven vor. „Das ist mehr als großzügig, Herrin… Raven. Aber das ist es nicht.“, meinte die Frau leise. Verwundert sah Raven sie an und auch Rayne runzelte leicht die Stirn. „Sie haben mich als Strafe für meine Aufmüpfigkeit geschoren.“, erklärte Gabrielle dann noch leiser und die Scham darüber war nun deutlich zu bemerken. „Ah, das Problem können wir gleich lösen.“, meinte Rayne nur und lächelte leicht. „Ich bin ein Feuerelement, Imunas, unsere Magie ist komplementär. Ich vertrage sie nicht.“, meinte Gabrielle gleich streng. Doch Raynes Lächeln blieb. „Stimmt, das könnt ihr nicht wissen. Ich bin Großmagier, Gabrielle.“ Völlig fassungslos sah Gabrielle ihn an. „Das ist jetzt nicht wahr, oder? Wir haben einen Großmagier im Makai?“, fragte sie und ihre Stimme klang fast ein wenig erstickt. „Was bedeutet Großmagier?“, fragte Raven irritiert. „Das wisst ihr nicht?“, fragte Gabrielle fast schon entsetzt. „Wie gesagt, ich entstamme keiner dunklen Welt.“, erinnerte Raven sie ruhig. „Das ist keine Eigenschaft, die allein in unseren Welten vorkommt. Jeder magisch Begabte weiß eigentlich, was das bedeutet.“, meinte die Feuerdämonin immer noch irritiert. „Meine Magie ist kompatibel mit allen Magieformen, Raven. Ich gebiete über einen Magiestrom, das bedeutet, dass ich ein sehr starker Meister sein muss. Und durch diesen Magiestrom ist es egal, ob ich jemandem mit heller oder dunkler Magie helfe. Oder halt dass ich als Schneedämon einer Feuerdämonin helfen kann.“ Dann sah er Gabrielle an. „Raven hatte bis vor Kurzem kaum magische Resonanzen, wenn ich unseren Herrn richtig verstanden habe. Sie erwachen grade erst.“, erklärte er. „Ich habe telepathische Fähigkeiten, wenn auch keine wirklich starken. Und ich kann mittels erweiterter Aura andere Personen erspüren. Das ist auch schon alles. Da meine Mutter eine sehr hochrangige Magierin ist wurde ich in meiner Jugend getestet. Und da wurde mir dann prophezeit, dass ich niemals über nennenswerte magische Fähigkeiten verfügen werde.“, führte Raven ihre Geschichte aus. „Und das ändert sich jetzt?“, fragte Gabrielle weiter. „Anscheinend. Seit Tarabas mich wiederbelebt hat scheint sich etwas zu verändern. Immerhin reagierte dieses Orakelbecken auf meine Anwesenheit und ich konnte dich und die Zwillinge darin erkennen.“ „Der Herr hat euch wiederbelebt?“, fragte die Feuerdämonin entsetzt, woraufhin Raven nickte. Doch zu einer Erklärung kam sie nicht, denn es näherte sich ein Mann, der dieselbe Uniform trug, in die der Bedienstete gekleidet war, der vor der Loge ausgeharrt hatte. „Prinzessin, Prinz, ich möchte euch bitten, so langsam ins Auktionshaus zurückzukehren. Die spezielle Auktion beginnt in wenig mehr als einem halben Stundenumlauf. Ich bin hier, um euch den Rückweg zu weisen.“, wurde ihnen erklärt. „Vielen Dank.“, meinte Rayne und trat kurz an Gabrielle heran. Er hob seine Hand und berührte sanft die unter der Kapuze versteckte Stirn. Raven vermeinte mit einem Mal ein leichtes Kribbeln zu spüren, so, als würde leichte Elektrizität über ihre Haut tanzen. „Mehr kann ich grade leider nicht machen. Aber ich denke es wird ausreichend sein, damit du dein Gesicht wahren kannst“, hörte sie, wie er der Feuerdämonin sagte, die völlig steif vor ihm stand. Sie griff kurz unter ihre Kapuze und fühlte nach, dann senkte sie ihre Hand wieder. Raven konnte sehen, dass ihre Hand leicht zitterte. „Ich danke dir so sehr.“, hörte sie die Frau leise wispern. „Dafür nicht. Komm, wir sollten zu den anderen zurückkehren. Immerhin haben wir noch die Sache zu erledigen, wegen der wir eigentlich hergekommen sind.“, erklärte Rayne. Gabrielle stellte keinerlei Fragen, was Raven insgeheim wunderte. Ihr würden sicherlich Fragen über Fragen auf den Lippen brennen, doch die Feuerdämonin nickte nur und hielt sich dann zwischen ihnen. Der Bedienstete führte sie auf schnellem Wege zurück zum VIP-Gebäude, vor welchem sie bis auf Larmas sämtliche Generäle antrafen. Balin und Jebrill hielten beide eine Mappe in den Händen, woraufhin Raven schloss, dass auch sie in irgendeiner Weise erfolgreich gewesen waren. „Hat man euch auch der Loge verwiesen?“, fragte Rayne die anderen irritiert, als sie zu ihnen stießen. Balin schmunzelte ein wenig und schüttelte leicht seinen Kopf. „Nein, wir haben den Raum freiwillig verlassen. Ein noch nicht gebundener Dunkler, der seinen Seelengefährten erkannt hat, ist keine erfreuliche Begleitung wie ihr wisst und unser Herr macht da wahrlich keine Ausnahme. Ihr ward kaum fort da wurde er unruhig. Da haben wir beschlossen, dass wir uns lieber auch einmal umschauen.“ Raven war wegen dieser Aussage verwirrt, bemerkte jedoch, wie Rayne beide Augenbrauen in die Höhe zog. „Ihr habt ihn allein gelassen?“, fragte der Weißhaarige sichtlich überrascht. „Natürlich nicht, das wäre zu gefährlich gewesen. Larmas ist bei ihm geblieben.“ Dann sah der Wasserdämon auf die in das Cape gehüllte Gestalt, die sich am Ravens Seite gestellt hatte. „Ich sehe, ihr habt wie Jebrill und ich jemanden wertvolles gefunden. Nur wundert es mich, dass ihr eure Erwerbung gleich mitgenommen habt.“ Balin betonte das Wort Erwerbung so, dass es sich deutlich ironisch anhörte und sie alle verstanden, wie er es eigentlich meinte. „Das hatte einen guten Grund, den ihr gleich drinnen erfahren werdet. Wir sollten rein gehen, bevor etwas passiert.“, meinte Rayne nur, woraus es nun Raven war, die verwundert war. „Etwas passiert?“, fragte sie sehr leise, als sie sich alle auf den Weg zu ihrer Loge machten. „Wir Dunkle reagieren etwas eigen, wenn wir unseren Gefährten gefunden, uns aber noch nicht völlig an ihn gebunden haben. Wir sind sehr besitzergreifend musst du wissen und Tarabas scheint da keine Ausnahme zu machen.“, erklärte der Imunas ebenso leise. Raven kannte die Bezeichnungen Gefährte und Gebunden aus ihrer Literatur sehr wohl und verband damit etwas. Dennoch wollte sie sicher sein. „Was meinst du damit?“, fragte sie nach. Rayne kicherte leise. „Wenn du Tarabas nahe bei dir hast, möchtest du ihn da nicht am liebsten aus seiner Kleidung befreien?“, stellte Rayne die Gegenfrage. Raven errötete einfach nur und schwieg, woraufhin alle Generäle kicherten. „Du kennst also die Antwort. Keine Sorge, deine Reaktion auf ihn ist völlig natürlich. Ihm geht es ganz sicher nicht anders als dir. Nur ist das Gefühl bei ihm noch ausgeprägter als bei dir, dessen kannst du sicher sein, da er der Ältere ist und sich unterbewusst schon lange nach seinem Seelenspiegel sehnt, auch wenn er das niemals zugeben würde.“, erklärte Rayne freundlich. Sie erreichten die Loge und Raven hatte das unbestimmte Gefühl, dass etwas wahrhaft Bedrohliches vor ihnen hinter der Tür lag. Die Generäle befanden sich hinter ihr und sie meinte ihre Blicke zu spüren, so als würden sie abwarten, wie sie nun reagieren würde. So holte sie einmal tief Luft. Larmas beobachtete Tarabas genauestens, der scheinbar bewegungslos an dem Durchgang zum Balkon stand, der den Besucher auf eine Art Arena blicken ließ, die derzeit bereits von einigen Mitarbeitern bevölkert wurde. Er hatte seine Hände hinter dem Rücken verschränkt und schien einfach nur zu beobachten. Doch wenn man genau hinsah konnte man meinen, dass er fast mit dem halben Körper in leichtem schwarzen Nebel stand. Außerdem war es sehr kühl im Raum. „Sie ist in Sicherheit, das weißt du.“, meinte der Feuerdämon erstaunlich ruhig. Tarabas schwieg kurz und für einen Augenblick hatte es den Anschein, als hätte er die Aussage nicht gehört. „Das weiß ich.“, kam dann doch seine Antwort, doch seine Stimme klang ungewohnt kalt und aggressiv. „Und dennoch bist du so geladen?“, wagte es Larmas zu fragen. Man sah, dass Tarabas seine eine Hand hinter dem Rücken zur Faust ballte, die langen Fingernägel bohrten sich in seine Haut. „Es war etwas, hast du das nicht auch gespürt?“, erklang seine grollende Stimme. „Sie gehört noch nicht dem Inneren Kreis an, ich kann sie so noch nicht spüren.“, war Larmas‘ fast schon entschuldigende Antwort. „Aber Rayne ist doch bei ihr. Wenn etwas gewesen wäre, DAS hätte ich gespürt. Außerdem weißt du selbst sehr genau, dass er mehr als nur ein Magier ist. Ich hatte bislang noch einen so talentierten Schüler wie ihn.“ Es erklang ein leises Grollen und Tarabas senkte leicht seinen Kopf. „Auch das weiß ich.“ Der Feuerdämon rollte leicht seine Augen, doch nichts veränderte seine Körperhaltung oder die Ruhe, die er ausströmte. „Du solltest dir dringend Zeit mit ihr allein nehmen. Das ich dir das als Herz der Finsternis sage ist eigentlich etwas falsch und das weißt du.“ Das Grollen erstarb und ein resigniertes Seufzen erklang, bevor Tarabas sich dann zu dem Rothaarigen umdrehte. „Ja, ich weiß.“, schnappte er etwas aggressiv und wollte noch etwas anfügen. Doch dann sah er ruckartig auf und sein Blick richtete sich auf die Logentür. „Der Finsternis sei Dank.“, murmelte Larmas, denn er konnte sich denken, dass sich ihnen endlich die Person näherte, um die die Gedanken des Schwarzhaarigen dauerhaft am kreisen gewesen waren, seit sie den Raum verlassen hatte. Und quasi sofort öffnete sich die Tür nach einen kleinen, höflichen Klopfen und Raven betrat als erste den Raum. Larmas fiel auf, dass die junge Frau etwas angespannt erschien und Tarabas sofort musterte. Sie mochte noch nicht ausgebildet sein, doch sie reagierte genau so, wie er sich die Wächterin eines alten Gottes immer vorgestellt hatte, nämlich dass dieser sich sofort auf die Launen des Partners ausrichtete. Ravens Blick richtete sich sofort auf Tarabas und hatte das Gefühl, als würden für einige Augenblicke dunkle Nebel seine Beine umwabern. Doch diese Erscheinung verschwand sofort wieder, weshalb sie sich fragte, ob sie sich wieder einmal etwas eingebildet hatte, oder dieses einfach nur unglaublich schnell verschwunden war. Aber sie spürte sofort, dass er sie beinahe schon ungestüm mit seinen Gedanken berührte und sie spürte Unruhe und vor allem Sorge. „Es ist nichts passiert.“, meinte sie freundlich und lächelte ihn leicht an, denn sie konnte sich denken, dass er gespürt haben musste, dass sie gekämpft hatte. „Ich musste nur an einem Stand meine Fähigkeiten beweisen, um ein Ergebnis zu erzielen. Hallo Larmas.“ Der Feuerdämon hob nur kurz lässig seine Hand zum Gruß und betrachtete die Situation jetzt doch mit einem Schmunzeln. „Wieso musstest du deine Fähigkeiten beweisen?“, fragte Tarabas ernst und doch sehr irritiert, woraufhin die unheimliche Atmosphäre, die im Raum geherrscht hatte, wie von Zauberhand verschwand. „Weil man mir anders nicht geben wollte, was mich interessiert hat. Leider musste ich dafür den schönen Ring hergeben, den du mir gegeben hattest. Tut mir leid.“, erklärte sie leise und drehte sich dann zur Tür um, durch die als erstes die Generäle hinein kamen, bevor Gabrielle als Letzte mit gesenktem Kopf den Raum betrat. Tarabas richtete sofort seine Aufmerksamkeit auf die verhüllte Gestalt und holte kurz Luft, dann sah er Raven an. „Jetzt verstehe ich, weshalb du so unruhig warst. Der Ring war der Preis?“, fragte er leise nach. Raven nickte nur und bemerkte, dass nun alle Generäle verwundert auf sie und die verhüllte Gestalt blickten, die beinahe scheu näher kam, nachdem sie die Tür geschlossen hatte und dann vor Tarabas niederkniete und den Kopf tief senkte. „Der Preis war es wert. Du bekommst einen neuen von mir, mein Herz.“, meinte er leise zu Raven, dann blickte er auf die zusammengekauerte Person vor sich. „Erhebe dich bitte. Du musst vor mir nicht knien und das weißt du auch.“, meinte er mit nun fast sanfter Stimme. Tarabas schien Gabrielle trotz des verborgenen Gesichts zu erkennen, wie Raven es für sich schloss und anscheinend wusste Gabrielle dies auch, denn sie zitterte, während sie dieser Bitte nachkam. Als sie stand trat Tarabas vor und hob seine Hände, um die Kapuze zurück zu schlagen. Gabrielle zuckte kurz zurück, woraufhin er einen Moment innehielt. Als sie sich wieder beruhigt hatte führte er sein Anliegen fort. „Willkommen zurück, Gabrielle. Du wurdest vermisst.“, meinte Tarabas sehr freundlich mit einem Lächeln. Allen Generälen entkam ein kleines überraschtes Zischen, während Larmas sofort von Sofa aufsprang. Raven blickte kurz zu ihm und sah pures Entsetzen auf seinem Gesicht. Immerhin sah die Person, die sie mitgebracht hatte, sehr heruntergekommen aus. Tarabas strich behutsam die Kapuze zurück und entblößte so Gabrielles Antlitz. Es war noch immer verschmutzt, doch durch Raynes Zauber hatte sie stolze Feuerdämonin wieder eine ansehnliche Haarpracht erhalten. Raven konnte nicht anders und bewunderte die üppigen Locken, die nun ihr Gesicht wirklich ansehend erscheinen ließ. Sie hielt ihren Kopf gesenkt und man sah ihr die Scham an. Ganz sanft legte Tarabas ihr seine Finger unter das Kinn und drückte dieses in die Höhe, damit sie ihn ansah. „So ist es besser.“, meinte er und schenkte der gequälten Feuerdämonin ein sanftes Lächeln. „Mein Gebieter...“, wisperte sie und Tränen standen ihr in den Augen. „Hier ist noch jemand, der dich lange vermisst und gesucht hat.“, meinte Tarabas und blickte zur Seite, wo Larmas bereits an seiner Seite stand. Sein oberster General sah beinahe genauso gequält aus wie die Frau vor Tarabas. „Bruder... verzeih...“ Sofort war Larmas vor ihr und nahm sie fest in die Arme. „Halt´s Maul, Gab.“, murmelte er nur und hielt sie. Sie krallte sich in das Leder seiner Kleidung und zitterte am ganzen Körper. Tarabas gab allen anderen ein kleines Zeichen, woraufhin sie sich ein wenig von den Geschwistern zurückzogen. „Und jetzt erzähl genau, Sahva.“, meinte Tarabas zu Raven, als sie sich alle nahe des Balkons zusammenstellten. „Mein Bauchgefühl hat mich zu dem Stand gezogen, an dem Gabrielle verkauft werden sollte. Rayne meinte außerhalb dieses Gebäudes, ich sollte auf dieses hören und mich leiten lassen. Es bestand schon ein Angebot... ein recht hohes, wenn ich ihn richtig verstanden hatte...“ Etwas hilfesuchend sah sie Rayne an, der sofort nickte. „125 Gemax.“, erklärte der Weißhaarige, woraufhin Balin gleich leise pfiff. „Das ist wirklich viel Geld. Anscheinend hatte der andere Bieter ihren Wert erkannt.“, meinte der Wasserdämon nachdenklich und leise. „Um als Bieter überhaupt in Betracht zu kommen musste man gegen Gabrielle kämpfen, anscheinend als Beweis, dass man genug Kraft hat, um mit ihr umzugehen. Das wirst du dann gespürt haben, Tarabas.“, meinte Raven dann zu ihrem Freund. Sie war mittlerweile dazu über gegangen, ihn als genau das für sich zu bezeichnen. „Gabrielle erkannte Raven genauso wie ich es tat und wollte sich weigern, gegen ihre Herrin zu kämpfen, so, wie es sein sollte. Wir konnten sie aber überzeugen, dass dies notwendig war.“, führte Rayne Ravens Erklärung kurz weiter aus. Tarabas nickte daraufhin. „Ich wurde deswegen als Bieterin zugelassen. Und das Einzige, was ich so wertvolles bei mir trug, war halt der Ring, den ich von dir bekommen hatte.“, meinte Raven noch einmal entschuldigend. „Es musste schnell gehen und wirklich wertvoll sein, denn ich hatte das Gefühl, dass der Händler Gabrielle eher dem anderen Bieter geben wollte. Deswegen haben wir den Stein fort gegeben.“, meinte Rayne leise. „Ihr habt richtig gehandelt. Gabrielle ist weitaus mehr wert als ein Blutkristall. Zudem war dieser noch nicht als magisches Reservoir vorgesehen gewesen.“, meinte Tarabas nur und sah dann Raven an, die nicht verstand. „Der Ring, den ich dir gegeben hatte, hatte einen Stein gefasst, der Blutkristall genannt wird. Diesen Stein gibt es nur in im Makai und hat die Eigenschaft, Magie speichern und wieder an den Träger abgeben zu können. Das macht diesen Ring so wertvoll, nicht nur im Makai. Außerhalb unserer Heimat werden teils horrende Werte für einen so kleinen Stein geboten.“ Da Raven ein wenig erschrocken dreinblickte trat Tarabas kurz vor und küsste sie beruhigend. „Keine Sorge, um Gabrielle an deine Seite zu bekommen ist kein Preis zu hoch. Außerdem ist der Stein wie gesagt noch nicht magisch aufgeladen gewesen. Er wird also nur ein hübsches Schmuckstück sein und keinerlei Unsinn anrichten können.“, murmelte er an ihren Lippen. Behutsam hob er seine Hand und streichelte über ihre Wange und dann hinab zu ihrem Hals. Sofort spürte Raven wieder ihr Verlangen, was hochkochte, ebenso wie Tarabas Atem, der leicht schwerer wurde. Nun verstand sie wirklich das, was Rayne ihr vor der Tür versucht hatte zu erklären. Und sie wusste auch, dass das kein Zwang war, der ihr möglicherweise von Tarabas auferlegt wurden, denn sie wollte von sich aus grade wirklich woanders mit ihm sein. Tarabas schien das zu spüren, denn er schluckte etwas und lehnte dann seine Stirn an die ihre. „Bald, mein Herz. Bald haben wir mehr Zeit, um uns richtig kennenzulernen.“, versprach er ihr leise. Eine kleine Melodie erklang, dann folgte mit einem Mal eine Ansage, die die Anwesenden aufforderte, sich zum Beginn der Auktion auf den Balkonen einzufinden. Tarabas seufzte daraufhin leise, bevor er Raven noch einmal liebevoll und innig küsste, bevor er sich wieder aufrichtete. „Nun denn. Kommt bitte alle mit auf den Balkon.“, forderte er alle laut auf. Raven stand am unteren Ende ihres Balkons und betrachtete alles, was sie umgab, mit kritischem Blick. Sie konnte viele von den großflächigen Fensterscheiben sehen, die auch ihre Loge markierte, doch wie es ihnen angekündigt war konnte man durch diese Fenster keine anderen Besucher erkennen. „Ich frage mich, ob viele Mitbieter hier sind.“, meinte sie leise. Tarabas, der neben ihr stand, ließ ebenfalls seinen Blick schweifen. „Mehr als Dreiviertel der Balkone sind besetzt.“, erklärte er ihr ruhig. Sofort sah sie ihn an. „Wie kannst du dir so sicher sein?“, fragte sie erschrocken. Das waren wirklich viele Bieter. „Ich nehme die Umgebung etwas anders war als du, mein Herz. Wenn ich es will kann ich alle anwesenden Seelen erkennen.“ Er sah sie nun an und Raven erkannte, dass seine Augen noch für einen kurzen Augenblick glühten. „Das sind viele Bieter.“, meinte sie besorgt und hoffte insgeheim, auch wenn dies selbstsüchtig war, dass es noch andere 'Angebote' außer ihrer Mutter gab. „Mach dir keine Sorgen. Denk einfach nur an deine Vision.“, meinte er mit einem sanften Lächeln, bevor er Rayne ansah. „Ich werde dich brauchen, um für die Gebote im Vorteil zu sein.“ Rayne neigte nur kurz zustimmend seinen Kopf. „Ich werde dir sämtliche Gebote zeigen, die gegeben werden.“, meinte der Imunas nur. Tarabas nickte nur und legte kurz seine Hand auf Ravens Schulter. „Setz dich bitte, auch wenn es dir schwerfallen wird. Ich bleibe die ganze Zeit in deinen Gedanken präsent, damit ich genau erkenne, wenn es sich wirklich um deine Mutter handelt. Alles Weitere überlass mir.“ Sie sah noch einmal auf die Auktionsfläche, dann nickte sie und setzte sich auf einen der bequemen Sitze nahe der Fensterscheibe. Auch alle anderen nahmen Platz, bevor zwei Bedienstete den Balkon betraten. Einer hatte Gläser bei sich, die er allen Anwesenden reichte, der andere stellte sich mit einem Tabletcomputer, wie Raven erkannte, in Tarabas‘ Nähe. Anscheinend war dieser nur dafür da, die offiziellen Gebote entgegen zu nehmen und offiziell zu bestätigen. Tarabas indes blieb stehen und beobachtete mit ausdrucksloser Miene das Geschehen unter ihnen. Unter ihnen im Rund der Auktionsfläche betrat eine Art Moderator die Fläche. „Verehrte, hochgeschätzte Gäste unserer illustren Veranstaltung, ich heiße sie aufs herzlichste in unserem Hause willkommen. Lehnen sie sich einfach zurück und genießen unsere Auswahl an den besten Sklaven, die es derzeit in allen Welten zu erhalten gibt. Wir versprechen ihnen, für alle Gelüste haben wir das passende Angebot.“ Der Moderator machte eine künstlerische Pause, die anscheinend die Spannung erhöhen sollte. Sie sorgte jedoch nur dafür, dass Raven diesem am liebsten den Hals umgedreht hätte. „Bei ihnen in ihrer Loge befindet sich ein Mitarbeiter unseres Hauses, der ihre Gebote entgegen nehmen wird. Für jedes Angebot haben sie einige Minuten Zeit, um bei Interesse ihr Gebot abzugeben. Wenn am Ende mehrere Gebote vorliegen gewinnt selbstverständlich das Beste. Sollten mehrere gleichwertige Gebote eingegangen sein werden wir die Angebote am Ende der eigentlichen Auktion noch einmal für die Bieter mit dem entsprechenden Gebot vorführen. Ware, die sie erworben haben, wird ihnen umgehend in ihre Loge gebracht. Wir wünschen ihnen viel Vergnügen bei unserer Vorführung und lassen sie sich von uns ausgiebig verwöhnen.“ Raven versuchte ihre Miene bewusst neutral zu halten, doch die Worte hatten sie wahrhaft aufgebracht. Sie presste fest ihre Kiefer auf einander und versuchte ruhig zu bleiben. So bemerkte sie erst verspätet, dass Gabrielle sich vor sie auf den Boden setzte und behutsam ihre Hand auf die ihre legte. //Ihr seid zornig, Herrin. Wieso?//, fragte die Feuerdämonin vorsichtig. Raven konnte Gabrielles Element in ihren gesendeten Gedanken spüren, es war eine gute Portion Wärme in ihnen. //Meine Mutter befindet sich unter den Angeboten. Sie wurde bei einem Anschlag verschleppt und hierher gebracht.//, erklärte sie der Feuerdämonin. //Außerdem wurde mir beigebracht, dass Sklaverei mit das schlimmste ist, was man jemandem antun kann. Meine Mutter dann in einer solchen Situation zu wissen und dann zu hören, wie sie wie eine Ware angepriesen wird…// Gabrielles Miene verdüsterte sich, als sie die Erklärung hörte. Zeitgleich spürte Raven, wie ihr eine unsichtbare Hand liebevoll durch ihre Gedanken strich, sodass es sich anfühlte, als würde ihr jemand über die Wange streicheln. Es gab nur eine Person, die dies tun würde und so sah sie Tarabas kurz an. Dieser stand noch immer aufrecht vor der großen Glasscheibe, drehte sich aber gleich darauf zu ihr um und nahm dann direkt neben ihr Platz. Dort ergriff er ihre Hand, hob sie an seine Lippen und hauchte ihr einen Kuss auf die Fingerknöchel. //Keine Sorgen mehr. Wir müssen noch einige Zeit ausharren und das schlechte Spiel mitspielen, aber deine Mutter wird diesen Ort in Sicherheit verlassen.// Er sah ihr in die Augen und ein ganz leichtes Lächeln huschte über seine Züge. //Ich kann sie spüren. Sie ist schwach, aber sie wird alles überstehen.// //Sie hat Angst, richtig?//, fragte Raven automatisch besorgt nach. //Was in einer solchen Situation und Umgebung mehr als verständlich ist, meinst du nicht? Sie gehört nicht hierher.// Ravens Geist reagierte automatisch und wollte sich weiten, um nach ihrer Mutter suchen und sie beruhigen, doch Tarabas drückte sofort ihre Hand. Seine langen Fingernägel bohrten sich nur leicht in ihre Handfläche, doch es schmerzte ein klein wenig und hielt ihren Geist sofort zurück. //Nein. Anderen wird es auffallen, dass sie mit einem Mal Hoffnung schöpft, wenn du jetzt Kontakt zu ihr aufnimmst. So leid es mir tut, doch du musst die nächste Zeit aushalten.//, wies er sie streng zurecht und sein Blick war etwas ernst geworden. Sie schluckte kurz und rang mit sich, noch immer den kleinen Schmerz in ihrer Hand ertragend. //Du hast ja recht. Ich halte mich zurück. Aber es fällt mir schwer.//, antwortete sie ihm geknickt. Der Griff seiner Hand löste sich sofort und er hob ihre Hand an, um dann scheinbar ihre Handfläche zu küssen. Doch Raven spürte, dass mit einem mal seine kühle Zungenspitze ihre Haut berührte. Wie ein Blitz schoss dieses Gefühl durch ihren Körper und verursachte totales Kribbeln in ihr. Tarabas hob seine Augenlider und sah Raven in die nun nicht mehr besorgten Augen. Er hatte mit seinen Nägeln Ravens Handfläche verletzt gehabt und hatte es sich nicht nehmen können, dieses wundervolle Blut zu kosten. Er hatte bereits seine Hände in ihr Blut getaucht gehabt und ihre Seele gehalten, doch gekostet… es war eine Wonne und der süße Geschmack stachelte sein ohnehin unruhiges Innerstes noch weiter dazu an, sich vollständig mit ihr zu vereinen. Die Zeit, in der sie nach ihrer Abreise in ihre Heimat getrennt waren hatte ihn nur wenig berührt gehabt, doch seit ihre Angst ihn gerufen hatte und er ihr ohne all die Tarn- und Bannzauber so nahe war stieg in ihm das Bedürfnis auf eine nahezu existenzielle Ebene. Also war er doch nicht so anders als die anderen Dunklen. Irgendwie beruhigte ihn das auf einer Seite ungemein, doch beruhigte es nicht den Hunger, den er in sich trug. Und dieser war nagend geworden und er sehnte sich nach der Wärme ihres Körpers wie eine Motte nach dem Licht. Oder wie halt der Tod nach dem Leben. Was ihn noch mehr erregte war die Tatsache, dass er Ravens Aufmerksamkeit auf sich nun unglaublich intensiv spüren konnte. Nicht nur die Tatsache, dass ihre Hand leicht bebte, seit er den Blutstropfen aufgeleckt hatte verdeutlichte ihm das. Der gekostete Tropfen verstärkte das Band noch, welches sich um ihn gelegt hatte, seit er sie kannte. Nichts würde sie mehr von seiner Seite bekommen, ihre Seele gehörte schon ihm. Um alles Weitere würde er nun werben. Und das sie Interesse hatte konnte er in ihren schönen dunkelgoldenen Augen lesen, die nun in die seinen blickten. Ja, er würde sich alsbald Zeit für sie nehmen. Während im Rund der Auktionsfläche die ersten Angebote vorgeführt wurden hockte Gabrielle noch immer auf dem Boden vor der Frau, die sie in letzter Sekunde aus einer mehr als misslichen Lage geholt hatte. Ihre neue Herrin hatte derzeit nur Augen für ihren obersten Fürsten und das erfreute sie über alle Maßen. Die beiden gaben schon jetzt ein schönes und nahezu harmonisches Bild ab, welches sie gerne betrachtete. So bemerkte sie gar nicht, wie mit einem Mal jemand ihre Schulter berührte. Mit einem misstrauischen Zischen drehte sie sich um und entdeckte erst jetzt, wie ihr älterer Bruder wieder an ihrer Seite war. „Was hockst du denn da unten? Setz dich richtig hin.“, forderte dieser sie auf. Larmas hatte sich in den Jahrhunderten ihrer Abwesenheit verändert, nichts deutete grade auf den heißblütigen Rebellen hin, der einige Jahre vor ihrem Verlassen des Makais von ihrem Vater verstoßen worden war. Ein Urteil, mit dem keiner ihres Clans konform gegangen war, doch ihr Vater und Clanoberhaupt war unerbittlich gewesen. „Ich bin hier eine Sklavin, ich gehöre auf den Boden.“, gab sie ein wenig streng zurück. „Scheiß was drauf. Niemand hier schert das.“, war seine ernste Antwort. Okay, sein loses Mundwerk mit der unverblümten Sprachwahl hatte ihr Bruder anscheinend im Laufe der Zeit nicht verloren. Sie starrte kurz hinaus aus dem riesigen Panoramafenster auf die Gruppe von wunderschönen Sklavinnen, die als erstes vorgeführt wurden. „Sag, Larmas… wer ist derzeit eigentlich Clanoberhaupt? Darf ich überhaupt zurück in den Makai?“, fragte sie schließlich sehr leise. „Darüber machst du dir Gedanken, während du beinahe zu Füßen unseres Herrn sitzt?“, amüsierte sich Larmas, was sie sofort mit ernster Miene und einem kleinen Knurren zu ihm drehen ließ. „Deine Bannung wurde in dem Augenblick aufgehoben, als unser Erzeuger in die Finsternis eingegangen ist. Tarabas hat uns allen den Gefallen getan und dafür gesorgt, dass er keinen weiteren Lebenszyklus eingehen kann. Und da er einen existenziellen Kampf beginnen musste, bevor er einen Nachfolger bestimmt hatte ging alles gemäß der Erbfolge. Im Übrigen verfiel auch meine Bannung direkt mit seinem Tod. Dafür hatte Tarabas gesorgt und niemand hatte etwas dagegen.“ Überrascht sah sie ihn an. „Du bist das neue Clanoberhaupt? Das wolltest du doch nie werden.“ Er legte seinen Kopf etwas schräg und wackelte mit seinen Augenbrauen, während er wie ein Lausbub grinste. „Jep. Und ob du es glaubst oder nicht, seitdem haben wir einen besseren Ruf als unter meinem Vorgänger. Was aber auch ehrlich gesagt nicht wirklich schwer war.“ „Deinen Jähzorn hast du aber im Griff, ja?“, hakte Gabrielle vorsichtig nach. „Man bezeichnet mich mittlerweile nur noch als quirlig, also denke ich schon.“ Sein berühmt-berüchtigtes Grinsen erschien kurz, doch dann sah auch er hinauf zur Auktionsfläche. „Ich hatte einen sehr strengen Lehrmeister, Gab. Tarabas hatte mich mit nach Laos genommen und glaub mir, ich hab gelernt, mich unterzuordnen. Aber so lernte ich alles was wichtig war von Grund auf. Und seitdem lebe ich allein für ihn.“ Mit diesen Worten sah er kurz zu Tarabas, der seine Aufmerksamkeit noch immer auf seine Wächterin und Gefährtin gerichtet hatte, aber sich nun anschickte, die Angebote zu betrachten. „Du hast in einer lichten Welt gelebt?“, fragte Gabrielle erschüttert. Er nickte. „Einige Jahre. Und da ich nicht als das entdeckt werden durfte was ich bin habe ich meine Ungeduld in Ketten legen können. So habe ich mich für den Inneren Kreis qualifiziert. Dem ich übrigens mittlerweile auch vorstehe.“, fügte er mit einem Augenzwinkern zu. Wahrlich erstaunt sah Gabrielle Larmas an. „Wow, du hast wirklich denen Weg gemacht, hätte ich nicht gedacht. Und du siehst echt zufrieden aus.“ Larmas reckte sich ein wenig. „Bin ich auch, glaub mir. Seit kurzem noch mehr als vorher.“ Ein weiterer Blick auf das neue Pärchen neben ihnen verdeutlichte ohne Worte, was er meinte. „Hast du eigentlich Familie?“, fragte Gabrielle leise, nachdem sie ihren Blick gesenkt hatte. „Nein. Ich habe bislang noch niemanden gefunden, der mich dauerhaft an der Seite haben will. Außerdem habe ich mit dem Clan und vor allem als Tarabas‘ Vertreter mehr als genug um die Ohren, da hätte eine eigene Familie nicht wirklich etwas von mir. Wenn würde ich mich richtig um eine Familie kümmern wollen, nicht so, wie es unser Erzeuger gehalten hatte.“ Raven betrachtete schweigend die Darstellung, die ihnen hinter dem Panoramafenster geboten wurde, nachdem Tarabas seine Aufmerksamkeit von ihr genommen hatte. Die ganze Sache zog sich beinahe unerträglich hin. Nachdem wirklich sehr schöne Frauen präsentiert worden waren, deren Zweck mehr als ersichtlich gewesen waren tat sich mehrere Minuten lang gar nichts, bevor die Frauen getrennt wurden und alle zu unterschiedlichen kleinen Türen geführt wurden. Anscheinend hatten sie ihre Interessenten gefunden. Danach folgte ein einzelner Mann, der von vier stattlichen Kriegern flankiert wurde. Raven entdeckte nicht wirklich etwas, was diese Sicherheitsvorkehrung rechtfertigte, doch Tarabas an ihrer rechten sowie Larmas an ihrer linken Seite richteten sich mit einem Mal etwas auf und betrachteten den Mann mit einem anerkennenden Heben der Augenbraue. Der Feuerdämon richtete sofort seinen Blick auf den Schwarzhaarigen und obwohl Raven nichts spürte oder hörte war sie sich sehr sicher, dass die beiden mit einander kommunizierten. Dann winkte Tarabas den Bediensteten mit dem Tablet zu sich und notierte auf der schimmernden Oberfläche sein Gebot. Verwundert sah sie die beiden Männer abwechselnd an. Larmas beugte sich dann zu ihr. „Das ist ein Krieger des Volkes Vanion, sehr mächtig und äußerst gefährlich. Ihr Volk ist nahezu ausgestorben. Wir haben ein paar von ihnen in unserer Kriegergilde. Eigentlich dachte ich, wir konnten alle zu uns holen, aber anscheinend wurde dieser gut verborgen.“, erklärte der Feuerdämon Raven sehr leise. Der Bedienstete tippte etwas auf die glatte Oberfläche ein und bestätigte das Gebot dann. Gleich darauf sah Raven, wie ein leichtes Licht das Gesicht des jungen Mannes erhellte. „Die Ware ist euer, Herr.“, sprach er Tarabas an, der auch gleich darauf dunkel lächelte. „Das ist sehr gut.“, meinte Larmas. „Du musst wissen, dass Tarabas es sich zur Aufgabe gemacht hat, alle gejagten Dunklen zu sich zu nehmen, wenn sie in anderen Welten keine Heimat mehr finden. Dieser Krieger kann nun so leben, wie er es für richtig hält.“ Überrascht holte Raven Luft und sah Tarabas dann anerkennend von der Seite her an. Dieser sah zwar lässig und wirklich majestätisch weiter in die Arena, doch sein Lächeln vertiefte sich, als er ihren Blick spürte. Wenige Minuten später öffnete sich eine kleine Tür zur Loge und die vier Bewacher aus der Arena betraten den Raum. Den Kämpfer führten sie herein, der, wie Raven erst jetzt erkannte, an Fesseln aus einer Art Elektrizität gebunden war. Der Mann strahlte eine unglaubliche Kälte und Kraft aus, auch wenn man ihm diese Kraft körperlich so gar nicht ansehen konnte. „Eure Neuerwerbung, Herr. Unser Haus dankt euch für euer großzügiges Gebot und die sofortige Begleichung von diesem.“, erklärte der junge Bedienstete. Raven betrachtete den Kämpfer nachdenklich während ihr Innerstes sich sorgenvoll zusammenzog, da alles in ihr sagte, dass dieser Mann Probleme bereiten würde. Verächtlich sah dieser sie an als er ihres Blickes gewahr wurde, doch obwohl dieses Gefühl dringlicher wurde ließ sie sich nichts anmerken, weder durch ihre Mimik noch durch ihre Gedanken. Da sie sich grade ansahen entging Raven nicht, dass sich mit einem Mal die Augen des Mannes leicht weiteten, als sich mit einem Mal Tarabas ein wenig zu ihm umdrehte und über seine Schulter schaute. Die Aura von Gefahr war sofort verschwunden und der Mann sank auf ein Knie nieder, um sofort seine Ergebenheit zu demonstrieren. „Wir brauchen die Wachen nicht mehr. Meine Generäle werden sich um den Krieger kümmern.“, meinte Tarabas ruhig und kühl, dann wandte er sich wieder dem geschehen außerhalb der Loge zu. „Raven, weise ihm seinen Platz zu.“, wies er sie noch an. Raven war erst etwas unsicher, wie sie mit dem Mann umgehen sollte, immerhin hatte sie die Ringe an den Wänden durchaus gesehen gehabt. //Soll ich ihn etwa anketten?//, wagte sie ihre Frage direkt telepatisch an Tarabas zu richten, da immer noch die fremden Männer in der Loge waren. //Wenn du es für richtig erachtest.//, war seine einfache Antwort. Sie runzelte kurz die Stirn, dann stand sie auf und schritt auf den Krieger zu, der noch immer zwischen den etwas verwirrt drein schauenden Wachen kniete. Betont gelassen und hoffentlich entsprechend souverän trat sie auf den Kämpfer zu und sah ihn an. „Setzt euch zu uns.“, forderte er sie auf. Sofort sah der Kämpfer sie an und sie konnte die Verwirrung in seinen Augen sehen. Sie konnte nicht anders und lächelte leicht, dann deutete sie mit einer Hand auf die Sitze, vor denen bereits Gabrielle hockte, die die Szenerie ebenfalls aufmerksam betrachtete. So erhob er sich und ging Raven die wenigen Schritte langsam voraus, um sich dann schweigend neben der Feuerdämonin auf den Boden zu setzen. Als er das dann tat entließ sie die nun noch verwirrter dreinblickenden Wachen nur mit einem Kopfnicken und kehrte an ihren Platz zurück. Hinter ihr hörte sie, wie die Wachen nach einem kurzen Zögern die Loge dann verließen. Als sie sich setzte bemerkte sie, wie Gabrielle ihre Schwerthand entspannte, ihren Blick aber fest auf den Neuankömmling gerichtet ließ. Mit einem kurzen Blick bemerkte Raven für sich, dass die unheimliche Aura an Kälte und Aggression von dem Mann abgefallen waren. So legte sie der Feuerdämonin einfach nur mit einem freundlichen Lächeln die Hand auf die Schulter. Diese sah sofort zu ihr auf und entspannte sich weiter, als sie die Miene ihrer Herrin sah. //Das war sehr gut, du hast dich genau richtig verhalten.//, hörte sie mit einem Mal die telepatische Stimme von Jebrill in ihrem Kopf. Sie sah den Winddämon mit den blassblonden Haaren an und bemerkte dessen zufriedenes Lächeln. Und auch die anderen sahen ob ihrer Handlung sehr zufrieden aus, Balin streckte sogar unauffällig seinen Daumen in die Höhe. //Ich bin stolz auf dich. Durch dein Handeln werden wir einen treuen Krieger in unseren Reihen haben, wenn wir das Tor zum Makai durchqueren.//, hörte sie nun auch Tarabas‘ Stimme in ihrem Kopf. Anscheinend hatte sie eine Art Prüfung bestanden, auch wenn sie nicht gewusst hatte, dass sie geprüft worden war. Mit einem etwas unwilligen Stirnrunzeln setzte sie sich. Sofort darauf ergriff Tarabas ihre Hand und drückte sie sanft zur Bestätigung. Und da er seine Hand auf der ihren beließ war sie auch gleich wieder beschwichtigt. Die Auktion zog sich in die Länge. Viele Gebote zogen an ihnen vorbei, bei einigen gab Tarabas noch Gebote ab, doch bei keinem weiteren war er so aufmerksam wie bei dem Krieger, der nun ebenfalls entspannt neben Gabrielle am Boden saß und immer mal wieder einen Blick zur Feuerdämonin wagte. Es war faszinierend und abstoßend zugleich, wie viele Wesen als besondere Attraktionen dargeboten wurden. Alle hatten Fähigkeiten, die besonders hervorgehoben wurden, Krieger, Heiler, Künstler und weitere Liebessklaven wurden angepriesen und fanden ihren neuen Besitzer. Raven verfolgte das Spektakel äußerlich unbeteiligt, während sie innerlich das Ganze nur als abstoßend empfand. Beruhigend drückte Tarabas immer wieder sanft ihre Hand, wenn ihre Abneigung zu stark wurde und sie war ihm dankbar dafür. Würde ihre Aufgabe nicht so unendlich wichtig sein hätte sie den Raum schon längst verlassen. Eine weitere Auktion war grade zu Ende gegangen und die Sklaven zu einer der Türen geführt worden, als Raven mit einem Mal ein vertrautes, leichtes Gefühl spürte. Es war leichter als wie sie es kannte, doch es war ihr ihr Leben lang vertraut. Noch bevor sie in irgendeiner Form agieren konnte drückte Tarabas ihre Hand fest. „Rayne.“, meinte er nur und der Weißhaarige nickte leicht. Es war noch gar nichts geschehen oder angekündigt, dennoch war Raven sich sicher, dass ihre Mutter nun nicht mehr fern war. Und gleich darauf trat wieder der Moderator vor. „Werte Anwesenden, nun unser letztes Highlight für diese Auktion. Wir bieten ihnen hier nichts anderes als eine leibhaftige Lichtpriesterin an, machtvoll und stolz. Bitte legen sie ihr besonderes Augenmerk auf die besondere Schönheit der Frau. Zudem soll sie über ein großes Heilpotential verfügen, was wir aber aufgrund ihrer Fähigkeiten nicht überprüfen konnten. Ein hervorragendes Subjekt, wenn sie jemanden suchen, den sie brechen möchten.“ Purer Hass schoss durch Raven hindurch und nur Tarabas Griff, der sich grade fest in ihre Hand bohrte, ließ sie auf ihrem Platz verharren, während ihr Blick in die Arena gerichtet war. Doch dann drang eine Information zu ihr durch, die ihr im ersten Augenblick entgangen war. Sie hatten ihre Mutter als Lichtpriesterin bezeichnet, was an sich nicht falsch war, aber nicht ihren richtigen Rang. Konnte es sein, dass sie gar nicht wussten, wen sie gefangen genommen hatten? Kapitel 17: In Sicherheit ------------------------- Vor ihnen wurde eine zierliche Gestalt in die Arena geführt, die Hände ebenfalls mit diesen seltsamen Handschellen gebunden, doch dieses Mal nur von zwei Frauen begleitet. Das goldblonde Haar war kunstvoll aufgesteckt worden und der zierliche Körper steckte in einem bodenlangen weißen Kleid, welches wie eine römische Tunika wirkte, an den Beinen allerdings so weit ausgeschnitten war, dass Raven sich fragte, wie ihre Mutter Scham und Hintern bedeckt behielt. Shana hielt ihren Blick leicht gesenkt auf den sandigen Boden gerichtet und sie ging langsam, fast schon ein wenig unsicher. Es ging ihr nicht gut, dessen war Raven sich sicher, sie war auch extrem blass, was sicherlich ihrer Umgebung und der Situation geschuldet war. Immerhin gab es für ihre Mutter nichts Schlimmeres als die Sklaverei. Jahrzehntelang war sie Häschern entgangen, als ihr Heimatvolk über dreißig Jahre zuvor gefangen genommen worden war. Sich jetzt hier zu befinden musste die sprichwörtliche Hölle für sie sein. Da sie ihren Blick fest auf die Prozession unter ihnen gerichtet hatte fiel ihr nicht auf, wie Rayne seine Stirn runzelte und einfach eine Weile da stand und nichts zu tun schien. Es dauerte etwas, bis Tarabas mit einem Mal seine Hand hob, damit der Bedienstete näher kam. Er nahm den Stift in seine Hand und zögerte kurz, dann schrieb er energisch etwas auf das Gerät, kurz bevor ein Signal das Ende der Auktionsrunde verkündete. „Das Gebot wurde bestätigt, das Ergebnis lässt auf sich warten.“, meinte der Bedienstete leise zu ihm. „Das war knapp.“, meinte Tarabas und sah den Weißhaarigen streng an. „Es änderte sich zu schnell, verzeih. Alle haben geboten.“, meinte dieser sehr leise, als er sich kurz zu dem Schwarzhaarigen herab beugte. Raven bekam bei diesen Worten ein flaues Gefühl im Magen, vor allem, weil die Auskunft auf sich warten ließ, ob ihr Gebot das gewünschte Ergebnis gebracht hätte. Weitere bange Sekunden verstrichen, dann wandte sich der Bedienstete mit einem kleinen Lächeln an Tarabas. „Auch dieses Angebot geht an euch. Habt vielen Dank, Herr. Ihr habt eine gute Wahl getroffen.“ Sofort fiel sämtliche Anspannung von Raven ab und sie begann leicht zu zittern. Sofort legte sich Tarabas‘ Hand wieder auf die ihre, doch diesmal war die Berührung sanft und beruhigend. „Eure neue Ware wird euch umgehend hierher gebracht werden. Unser Haus bedankt sich und hofft, dass wir fortan öfter Geschäfte mit dem Makai machen können.“, meinte der Bedienstete und verbeugte sich dann tief, bevor er sich mit dem anderen Bediensteten zurückzog. „Ich spüre, dass bei einigen der Mitbieter Frustration überwiegt, weil sie im letzten Gebot nicht zum Zuge gekommen sind. Wir sollten gleich gut Acht geben, wenn wir abreisen.“, meinte Rayne mit einem Mal leise, während er noch weiterhin in die Arena blickte. „Dann geht den Frauen entgegen und begleitet sie hierher, Larmas und Balin. Sollte jemand auf dumme Gedanken kommen zeigt ihnen, zu was ihr fähig seid.“, meinte Tarabas umgehend. Die beiden Angesprochenen standen sofort auf. „Ich begleite sie.“, meinte Raven und riss sich spürbar zusammen. „Das ist keine gute Idee. Warte besser hier ab. Sie darf noch nicht zeigen, dass sie einen von uns kennt, solange sie noch nicht hier im Raum bei uns ist.“, wandte Tarabas ein. „Er hat Recht, Kleines. Lass Balin und mich das machen.“, meinte Larmas und legte ihr kurz seine Hand auf die Schulter, dann gingen die beiden Generäle auf die kleine Tür zu. Die Auktion war vorbei. Shana spürte das trotz sämtlicher Angst und Schmerzen, die sie noch von der Explosion hatte. Äußerlich mochte man ihre Verletzungen zwar geheilt haben, doch ihre Kopfschmerzen waren noch immer mörderisch und hinderten sie daran, ihre Magie zu benutzen, um Hilfe herbei zu rufen. Die Atmosphäre an diesem Ort tat noch ihr übriges dazu, dass sie sich wahrlich schlecht fühlte. Sie prasselte auf sie ein und verursachte noch eine ganz andere Art von Schmerz, etwas, was sie so noch nie gespürt hatte. Es brannte und verhinderte, dass sie essen und trinken konnte, ohne sich übergeben zu müssen. Sie sollte nicht hier sein, es war eine Welt, die ihr schadete, eine der legendären dunklen Welten also, von deren Existenz sie zwar gelesen hatte – ihre Älteste hatte hierfür ja mehr als genug Quellen aufgetan – aber nicht so wirklich geglaubt hatte, dass sie jemals in Berührung mit der ihren kommen würde. Die Frauen, die ihr an die Seite gestellt worden waren, zogen sie unerbittlich von dem mit hellem Sand ausgestreuten Arenainneren zu einer der Wände, in der in gewissen Abständen immer wieder kleine Aussparungen in der Wand waren, hinter der sie verschwommen Treppen erkennen konnten. Und sie meinte, dass aus dem Durchgang, auf den sie zustrebten, zwei Gestalten auf sie zukamen, eine kleinere mit derart roten Haaren, dass ihr das sogar trotz allen Schwindels auffiel. Der zweite war riesig und bullig, doch es dauerte fast bis sie sie erreicht hatten, dass sie erkennen konnte, dass der Hüne eine Art Irokesen aus unterschiedlich blauen Haaren trug. Larmas näherte sich den beiden Begleiterinnen der Hohepriesterin mit strenger Miene. Diese zögerten etwas und sahen ihn und Balin irritiert an. „Wir befürchten, dass andere Bieter etwas dagegen haben, dass ihr uns unsere Neuerwerbung aushändigt.“, meinte er ruhig zu den beiden Frauen. Wie als Bestätigung erschienen Männer und Frauen aus anderen Durchgängen, einige von ihnen zogen es anscheinend in Erwägung, ihre Waffen zu ziehen. „Balin, würdest du die Damen bitte abschirmen?“, fragte Larmas freundlich. „Natürlich.“, meinte der Wasserdämon und trat hinter die drei, um sie mit seinen starken Armen zu umfassen. „Ladies, keine Sorge, ihnen wird nichts geschehen.“, meinte dieser höflich. Larmas indes sah mit sehr strenger Miene die Neuankömmlinge an, die sich rasch anschickten, näher zu kommen. Er machte gut zwanzig Krieger aus und schnaubte nur kurz. „Lächerlich. Dazu bräuchte ich noch nicht mal Magie. Aber wir wollen ja unnötiges Blutvergießen verhindern.“, murmelte er, dann konzentrierte er sich. Die Luft um ihn herum begann mit einem Mal vor Hitze zu flirren, während er sein Element von den machtvollen Ketten ließ, die er in sich geschmiedet hatte. Halbmondförmig schickte er diese Hitzewand von sich fort, welche sich blitzschnell über den Sand ausbreitete. Dinge, die der unsichtbaren Wand im Wege standen – es waren glücklicherweise nicht viele und auch nur Unbedeutendes – ging sofort in Flammen auf, der Sand flirrte und schmolz. „Wir wollen doch faire Verlierer bleiben, oder nicht?“, rief er laut über den Platz, zog aber dennoch zu Demonstrationszwecken seine beiden Schwerter vom Rücken, deren Klingen sofort von Flammen überzogen wurden, die sogar seine Unterarme hinauf leckten, ihm aber nichts anhaben konnten. Die brennenden Schwerter waren eigentlich nur für die ungeduldigen Herrn dieser Kämpfer, damit diese verstanden, dass es keinen Spaß werden würde, wenn sie sich mit ihm anlegen würden. „Richtet euren Herrn von Fürst Larmas aus dem Makai aus, dass sie ihre Niederlage besser hinnehmen sollen. Es wäre bedauerlich, wenn Unschuldige zu Schaden kommen würden. Oder mögliche Bündnisse zerbrächen.“, wies er die Kämpfer an, vor denen die Wand aus zerstörerischer Hitze im Abstand von fünf Metern zum stehen gekommen waren. Dennoch reichte die magische Kraft aus, dass die Angreifer sich sofort zurückzogen, da sich die Haut zu röten begann und einigen, das konnte er zumindest erkennen, durch die Hitze das Haar zu kleinen Locken zusammengeschrumpft wurde. Er hielt seine Magie so lange aufrecht, bis alle aus der Arena verschwunden waren, dann ließ er sie verschwinden und steckte seine Schwerter deaktiviert wieder zurück in die Schwertscheiden auf seinem Rücken Mit einem zufriedenen Schnurren reckte er sich und grinste, dann trat er an Balins Seite zurück. „Das Angeben hat dir gefallen, was, alter Freund?“, fragte der Wasserdämon schmunzelnd und trat von den Frauen einen Schritt zurück. Um sie zeigte ein feuchter Ring, dass er ebenfalls Maßnahmen ergriffen hatte, um die Damen vor der Hitze zu bewahren, auch wenn er wusste, dass Larmas sein Feuer immer perfekt im Griff hatte. „Klar, was denkst du denn? Ist lange her, dass ich mal ein bisschen imponieren konnte.“, grinste der Rothaarige, dann trat er vor die drei Frauen. Die beiden Begleiterinnen der hübschen blondhaarigen Frau waren wie diese sehr blass, was bei ihnen aber sicherlich nur an der Demonstration lag und nicht daran, dass ihnen die Atmosphäre hier nicht bekam. „Meine Hübschen, vielen Dank dafür, dass ihr meinem Herrn seine neue Ware übergeben wolltet, doch wir übernehmen an dieser Stelle. Der Makai dankt für eure Hilfe.“, flirtete er ein wenig, woraufhin die Blässe sich rasch in ein Erröten auf Seiten der beiden Frauen einstellte. „Ihr… müsst noch quittieren.“, meinte eine der beiden etwas verlegen, woraufhin er noch breiter lächelte. „Mit dem größten Vergnügen.“ Schwungvoll setzte er seine Unterschrift unter ein Dokument, welches hervorgeholt und hingehalten wurde, dann verneigte er sich leicht vor den beiden, die sich mit einem leichten Kichern dann zurückzogen. „Musst du es immer so übertreiben, Larmas?“, fragte Balin dann amüsiert, nachdem die Wächterinnen außer Hörweite waren. „Hey, mir wurde beigebracht, dass man in jeder Situation höflich bleiben soll.“, meinte Larmas grinsend. „Ob Tarabas das gemeint hat, als er dir die Hammelbeine lang gezogen und dich unterrichtet hat wage ich ein wenig zu bezweifeln.“ Larmas hörte nicht weiter auf den gutmütigen Spott seines Freundes und Kampfbruders, sondern trat vor die blonde Frau. „Hohepriesterin?“, fragte er leise und nun ernst in der Sprache von Laos von der er wusste, dass Ravens Mutter sie verstehen konnte. Shana hatte nicht wirklich viel von der Situation in der Arena mitbekommen, dennoch war sie sich der Bedrohlichkeit bewusst gewesen. Doch ihnen geschah nichts, die Berührung des Hünen war sanft gewesen und er hatte sie hinter einer Wand aus Wasser verborgen gehabt. Wider Erwarten hatte sie sich dadurch sogar etwas erfrischt gefühlt. Doch leider nahm ihre Benommenheit sofort wieder zu, als das Wasser verschwand. Schließlich trat der zweite Mann in ihr Blickfeld. Da sie weiterhin ihren Blick gesenkt hielt spürte sie zuerst nur, dass er eine unerwartete Wärme ausstrahlte. Doch als er sie leise mit ihrem Titel in einer Sprache anredete, die sie verstand, sah sie sofort auf. Er war etwas größer als sie selbst und hatte eine faszinierende goldbraune Haut und wild vom Kopf stehende Haare in unterschiedlichen Rottönen, die über den leicht spitz zusammenlaufenden Ohren kurz rasiert waren. Er kam ihr sofort etwas verwegen vor, die kleine goldene Kreole in seinem linken Ohr tat da sicher auch einiges dazu bei. Sie fragte sich automatisch, was für ein Wesen er war, denn sie hatte noch niemals jemanden mit derart rubinroten Augen gesehen. „Wie geht es euch, Hohepriesterin?“, fragte der Mann vor ihr leise weiter. Sie hatte sich nicht getäuscht gehabt, der Mann wusste anscheinend, wer sie war, obwohl es ihr bislang gelungen war, dies zu verbergen. Ängstlich schluckte sie, woraufhin er ihr sanft seine Hand auf die ihre legte. „Keine Sorge, vor uns braucht ihr keine Angst haben, Madame. Mein Name ist Larmas. Bitte folgt uns. Wir bringen euch dann umgehend an einen Ort, an dem ihr euch wohler fühlen werdet.“ Verwirrt sah Shana Larmas an. „Wieso verstehe ich euch?“, fragte sie hörbar matt. „Das erkläre ich euch gerne zu einem späteren Zeitpunkt.“ Sie konnte nicht anders, aber der Rothaarige hatte etwas an sich, dass sie ihm zumindest soweit vertrauen konnte, dass sie etwas erleichterter folgen konnte. Sie musste viel Kraft aufbringen, um die Treppenstufen hinauf zu gelangen, die anscheinend zu den Räumen führten, die sie anhand der großen getönten Glasscheiben erahnt, die sie trotz ihrer Benommenheit verschwommen in der Arena erkannt hatte. Ihre beiden Begleiter waren unglaublich zuvorkommend und boten ihr beide höflich einen Arm zur Stütze, dennoch ließen sie sie selbst laufen. „Ihr seit bald in Sicherheit.“, versprach der Hüne neben ihr mit derart sanfter, dunkler Stimme, dass ihre Angst immer mehr schwand. Verwirrt sah sie ihn an. „Wir erklären euch alles, aber erst einmal müssen wir von diesem Ort verschwinden.“ Der Rothaarige, der sich ihr als Larmas vorgestellt hatte, öffnete vor ihnen eine schmale Tür und durchschritt diese dann mit etwas sorgenvoller Miene, sie folgte mit dem großen Mann. Hinter der Tür tat sich ein großer, luxuriöser Warteraum auf, in dem sich mehrere Personen aufgehalten hatten. Alle erhoben sich sofort, als sie die Tür durchquerte. Einer von ihnen löste sich sofort und trat auf sie zu. Zuerst wollte sie etwas zurückweichen, doch der junge Mann mit den schneeweißen Haaren, der auf sie zukam und sie sofort eingehend betrachtete, strahle eine unglaubliche Ruhe aus, dass ihre Angst weiter verflog. Rayne hatte sich sofort von seinem Standplatz an der Scheibe gelöst und schritt auf Balin und Larmas zu, die die deutlich schwache Frau in den Raum führten. „Lasst mich einmal bitte schauen.“, meinte er und berührte vorsichtig die Stirn der hübschen Frau. Er konnte sofort spüren, wie schwach sie war und wie sehr ihre Magie von der hier herrschenden Kraft verschmutzt war. Behutsam ließ er auf dem Finger einen kleinen silbernen Stern erscheinen, der die Darstellungsform seines Magiestroms war. Dieser drang sanft und langsam in die Stirn ein, woraufhin sie mit einem leisen erleichterten Seufzen reagierte. „Sie muss schnellstmöglich an einen lichten Ort gebracht werden. Lange hält sie selbst mit Nirs Hilfe nicht mehr durch.“, erklärte er ernst. Der Weißhaarige Mann hatte irgendetwas getan was sie nicht begreifen konnte, doch was auch immer es war, es nahm ihr die fast lähmenden Kopfschmerzen und reduzierte sie soweit, dass nur noch ein dumpfes Dröhnen blieb. Auch ihre Sicht verbesserte sich schlagartig und sie konnte die anderen Anwesenden besser erkennen. Sie erkannte drei weitere Männer und zwei rothaarige Frauen. Einer der Männer kam auf sie zu, eine beeindruckende schlanke Gestalt mit langem schwarzen Haar, silbernen Augen und einer sehr hellen Haut, der von einer der rothaarigen Frauen begleitet wurde. Dieser Mann würde ihrer Tochter gefallen schloss es ihr durch den Kopf., Dann erkannte sie die Frau, die an der Seite dieses Mannes auf sie zukam. Es war niemand anderes als ihre geliebte älteste Tochter. Sofort wollte sie ihren Mund öffnen und Raven etwas sagen, doch diese schüttelte ganz leicht ihren Kopf, auch wenn sie die Tränen in den Augen ihrer Tochter erkennen konnte. Anscheinend war Raven inkognito in dieser Gruppe von Männern und nutzte sie, um sie befreien zu können. So schwieg sie sofort. Tarabas dankte Raven mit einem kleinen Streicheln ihrer Gedanken dafür, dass sie ihre Mutter zum Schweigen gebracht hatte. Es wäre fatal, wenn jetzt nach Larmas‘ Demonstration heraus käme, dass sie die neue ‚Sklavin‘ kannten. Möglicherweise hätten sie dann weitere Probleme zu erwarten. Sogar er spürte die Unzufriedenheit, die durch dieses Gebäude zog. So trat er auf die blonde Frau zu, die ihn sehr an seine Schwester in ihrer menschlichen Form erinnerte. Und an ihre jüngere Tochter, denn Ravens Schwester war ein wahres Ebenbild ihrer Mutter. „Prinzessin Shan-Landina, ich hatte gehofft, dass wir uns unter erfreulicheren Gegebenheiten kennenlernen würden.“, begrüßte er Ravens Mutter in der Sprache der Shino, was sie noch verwirrter erscheinen ließ. „Ihr kennt mich?“, fragte Shana ängstlich. „Ja, zumindest aus Beschreibungen. Wir werden euch jetzt von diesem für euch ungesunden Ort fort bringen. Rayne, mein General, wird euch für die Zeit der Reise schlafen lassen. Ich befürchte, einen weiteren Einfluss schwarzer Magie würdet ihr sonst nicht überstehen.“, erklärte er ihr. Sie sah automatisch zu dem angesprochenen Imunas, konnte es sich aber trotz aller Mühen nicht untersagen, kurz zu ihrer Tochter zu blicken. „Eure Tochter wird uns natürlich begleiten.“, meinte er mit einem kleinen, hoffentlich beruhigenden Lächeln. Wieder sah sie ihn erschrocken an. „Wir erklären euch alles, wenn ihr in Sicherheit seid und euch etwas erholt habt.“, meinte er und nickte Rayne dann kurz zu. Dieser bewegte kurz seine Lippen, dann fielen Shana auch schon die Augen zu. Dennoch blieb sie stehen. „Wir sollten aufbrechen. Ich öffne das Tor hier im Raum und wir bringen sie sofort in dein altes Haus auf Laos, Larmas. Rayne, informiere bitte deinen Bruder, damit er sofort aufbrechen kann, wenn wir angekommen sind. Die Prinzessin muss augenblicklich versorgt werden, selbst ich spüre, wie schlecht es ihr geht. Roxa und Jebrill, ihr begleitet unseren neuen Krieger bitte auf direktem Weg in den Makai und bereitet alles dafür vor, dass er in unserem Archiv eingetragen wird. Dann benachrichtigt die anderen, vielleicht leben bereits Verwandte bei uns. Balin und Larmas, ihr begleitet uns bitte.“ Alle nickten und Gabrielle trat an die Seite ihrer neuen Herrin. Niemand hatte etwas dagegen, Tarabas selbst hatte genau diese Reaktion erwartet und ihr genau aus diesem Grund keinerlei Anweisungen gegeben. Rayne stellte sich unterdessen an Shanas Seite und hüllte sie mit weiteren kleinen Sternchen ein, so zumindest erschien es Raven, dann glühten Tarabas‘ Augen auf. Raven spürte noch bevor sie es sehen konnte, dass sich ein gewaltiger Strudel bildete, der sich schließlich sichtbar vor ihnen manifestierte und tatsächlich wie ein Tor wirkte, das in die Finsternis führte. „Rasch.“, befahl Tarabas, woraufhin Rayne Shana auf seine Arme hob und mit ihr als Erster durch das Tor schritt. Sie kamen in einem Haus an, Rayne drehte sich sofort zu ihnen um, als sie durch als Tor geschritten waren. „Wohin?“, fragte der Imunas besorgt. „Ich zeig’s dir. Komm.“, meinte Larmas und eilte voraus, sie alle folgten ihm. Das Haus war augenscheinlich länger nicht bewohnt worden, doch Larmas schickte einmal einen Stoß Magie durch das Gemäuer, welcher alle Fenster und Türen weit öffnete und gleichzeitig vorhandenen Staub nach außen beförderte. Er steuerte direkt ein Schlafzimmer an, welches sich an dem Raum, in dem sie angekommen waren, anschloss. „Leg sie aufs Bett, wenn wir frische Laken aufgezogen haben. Gab, Raven, frische Sachen sollten im Schrank rechts von euch sein, ich helfe euch, dann kann deine Mutter sofort liegen. Balin, frisches Wasser befindet sich im Raum den Gang hinunter auf der linken Seite. Tarabas…“ Larmas stutzte kurz und grinste dann etwas verlegen. „Ihr bleibt am besten da stehen und stört uns grade nicht, Herr.“ Raven konnte nicht anders und musste etwas grinsen, dann nahm sie Larmas schon einen Bettbezug ab, während Gabrielle sich ein Laken für die Matratze schnappte und sich gleich an die Arbeit machte. Innerhalb weniger Minuten war alles erledigt und Shana in frische Kleidung aus Laos gehüllt und auf das Bett gelegt. Sie war unglaublich blass und Raven, die die Haut ihrer Mutter berührte, war besorgt, wie kühl diese war. Als sie ein Kribbeln auf der Haut spürte sah sie kurz auf und bemerkte, wie sich ein weiteres Tor öffnete, aus dem Liam heraus geeilt kam. Er brauchte nur einen kurzen Augenblick um die Lage zu erfassen, dann war er auch schon am Bett, neben das er sich kniete und sofort seine Fingerspitzen auf die Stirn von Ravens Mutter legte. „Das fühlt sich nicht gut an.“, murmelte er nachdenklich, bevor er auch schon seine zweite Hand auf die Brust von Shana legte und seine Augen schloss. Magie begann sofort zu fließen, das vermeinte Raven sofort zu spüren, doch dieses Gefühl war sanft und leicht, völlig anders als das, was sie bislang immer beim Kontakt mit Magie gespürt hatte. Mittlerweile war sie nun schon mit einigen Formen in Berührung gekommen. „Das wird jetzt sicherlich etwas dauern. Ich spüre, dass Liam eine große Menge fremder Magie im Körper deiner Mutter ausfindig gemacht hat, Raven. Geht ruhig rüber und erholt euch von der Reise, ich bleibe bei meinem Bruder und versorge ihn mit Energie, wenn dies benötigt wird.“, erklärte Rayne ihr und Tarabas, der auch gleich seinen Arm um seine Wächterin legte. Diese betrachtete ihre Mutter mit kummervollem Blick. „Na komm, lassen wir die Zwillinge in Ruhe arbeiten. Deine Mutter kann in keinen besseren Händen sein, Liam wird alles Fremde entfernen können.“ Mit diesen Worten zog er sie behutsam aus dem Schlafzimmer. „Das lief doch ganz gut.“, meinte Larmas zu Tarabas, der sich aus der formalen Jacke befreite und auch sein zusammengefasstes Haar öffnete. Mit einer lässigen Handbewegung fuhr er sich einmal durch die schwarze Masse und ließ seinen Kopf kurz kreisen, um anscheinend eine Verspannung zu lockern. „Ich bin es gar nicht mehr gewöhnt, in dieser Art und Weise aufzutreten.“, meine er und ließ sich dann auf einen Sessel sinken. Er warf Raven einen Blick zu, die nervös noch immer im Raum stand und auf die geschlossene Schlafzimmertür starrte. „Sahva, alles wird gut werden, hab Vertrauen.“, versuchte er die junge Frau sanft zu beruhigen. Diese seufzte kurz und wandte sich dann von der Tür ab, um sich dann an seine Seite zu begeben. „Ich verhalte mich töricht, verzeih bitte.“, meinte sie und setzte sich dann einfach auf den Boden zu seinen Füßen, um ihren Kopf dann an die Armlehne zu legen. Sie fühlte sich völlig zerschlagen und leer. „Nein, das tust du nicht. Immerhin ist es eine der wichtigsten Personen in deinem Leben, der es grade nicht gut geht.“, meinte Tarabas sanft. „Du solltest vielleicht etwas essen, Kleines. Während der ganzen Reise habe ich dich nicht einmal essen oder trinken sehen.“, schlug Larmas vor. Sofort hob Raven ihren Kopf. „Ich kann etwas kochen. Sind Lebensmittel hier oder kann ich in der Nähe einkaufen?“ Larmas kicherte gleich. „Wenn du magst kannst du etwas auf dem Bauernhof am Ende des Waldwegs kaufen, falls es den noch gibt.“ Damit sah er Tarabas an. „Natürlich. Aber meinst du wirklich…“ Larmas sah seinen Herrn streng an, der sofort verstummte. „Neben der Haustür findest du einen Einkaufskorb und eine Geldkatze. Nimm beides mit und schau, was du findest.“, ordnete der Feuerdämon an. „Ich begleite sie.“, erklang sofort Gabrielles Stimme. „Nein, du siehst zu, dass du wieder präsentabel wirst, Gab. Das Bad ist wie gesagt den Gang hinunter auf der linken Seite. Nimm ein Bad und lass dir Zeit dabei, Schwester. Hier gibt es fließend heißes Wasser, du wirst es mögen.“ Raven war unterdessen schon aufgestanden und küsste Tarabas liebevoll zum Abschied, dann verschwand sie auch schon zur Haustür, von der aus sie gleich darauf leise Geräusche hörten. „Ich hab alles, Larmas.“, rief sie noch einmal. „Super, Kleines. Mach dich auf den Weg.“, rief Larmas zurück und betrachtete die anderen Dunklen mit ihm im Raum, wie sie angespannt hinter Raven hersahen und am liebsten aufgesprungen und mitgelaufen wären. Erst als die Haustür zugefallen war richtete sich Tarabas‘ Blick wieder auf seinen obersten General. „Und aus welchem Grund hast du verhindert, dass ich eine Nachricht ans Schloss schicke, was keine halbe Stunde von hier entfernt ist?“, fragte er etwas düster. „Oder das ich sie begleiten darf?“, schloss Gabrielle hinterher. Larmas seufzte so theatralisch, als hätte er es mit begriffsstutzigen Kindern zu tun. „Leute, ganz ehrlich, seid ihr wirklich so schwer von Begriff? Raven will sich in der Wartezeit betätigen. Wenn sie kochen will scheint sie das zu können, also lasst sie. Lassen wir uns einfach überraschen, wie gut oder schlecht ihre Künste sind. Und du, Gab, siehst ehrlich gesagt derzeit nicht so aus, als solltest du irgendjemanden begleiten. Das mit dem Bad war ernst gemeint. Wenn du deiner erwählten Herrin einen Gefallen tun willst, dann mach dich wieder präsentabel. Ich schicke nach neuer Kleidung für dich, sieh zu, dass du diese Lumpen verbrennst. Du bist eine Lady des Feuerclans, verhalt dich bitte auch so.“ Gabrielle stieß ein beeindruckendes Knurren aus, dann drehte sie sich auf ihren nackten Fußsohlen um und verschwand in die Richtung, die Larmas beschrieben hatte. „Dieses Knurren hat mir irgendwie gefehlt.“, meinte er mit einem Grinsen und streckte sich lässig auf dem Sofa. Raven ging den Weg, den Larmas ihr erklärt hatte und wischte immer wieder ihre Tränen fort, die nun ungehindert liefen. Ihr Weg führte sie durch einen Teil eines Waldes und endete an dessen Rand. Sie war kaum herausgetreten, da erkannte sie den beschriebenen Bauernhof. Und dahinter erkannte sie die Mauern der Hauptstadt. „Oh…“, meinte sie verblüfft und überlegte, ob sie vielleicht zur Hauptstadt hinüber gehen sollte, entschied sich dann aber, doch den Bauernhof anzusteuern, dessen Ausmaße doch sehr ordentlich waren. Erst im letzten Moment fiel ihr ein, dass sie noch immer die Kleidung ihrer Reise mit all den Schmuckstücken trug und nahm die Armschützer und die Schmuckstücke ab, die sie erspüren konnte. Alles legte sie zusammen unter einen Busch am Waldrand, den sie sich merkte, dann setzte sie ihren Weg fort und hoffte, dass sie Bewohner wegen ihrer Erscheinung nicht allzu irritiert wären. Eine gefühlte Stunde später trug sie ihren mehr als gut gefüllten Korb zurück in den Wald. Die Hofbewohner waren erst etwas überrascht, als sie auf dem Hof erschien, doch schienen sie diese Art der Kleidung zu kennen, denn sie wurde gefragt, ob sie mit dem alten Kammerherrn Larmas verwandt wäre, der hier vor einigen Jahren gelebt hatte. Sie hatte erklärt, dieser wäre ihr Onkel, woraufhin sie wie eine Verwandte begrüßt worden war und erst einmal eine Tasse eines Weins mit allen Anwesenden trinken musste. Das Getränk erinnerte sie stark an Met und er tat ihr wahrhaftig gut. Danach wurde sie gefragt, was sie benötigte. Als ihr entschlüpfte, dass ihre Mutter erkrankt sei bekam sie mehr Lebensmittel ausgehändigt, als sie es sich erträumt hatte. Zu Brot, Butter, Käse und Wurst kamen selbstgemachte Marmelade und ein kleiner Topf mit einer selbstgemachten Hühnerbrühe, die sie laut Anweisung der Bäuerin einfach nur auf dem Herd erwärmen brauchte. Auch ein ansehnliches Stück Fleisch, was sie sehr an Rind erinnerte, wurde ihr in den Korb gelegt, ebenso wie kartoffelartige Gebilde, Kräuter, Milch und frisches Gemüse. Als sie dann bezahlen wollte wurde sie energisch davon abgehalten, stattdessen bekam sie noch eine Amphore des Mets mit. Sollte sie noch etwas benötigen wurde ihr aufgetragen, umgehend wieder zu kommen, man würde sich um sie und die Erkrankte kümmern. Die Freundlichkeit der Bauern tat ihr mehr als gut und sie verabschiedete sich mit einem wahren Lachen von diesen Menschen. Auf ihrem Rückweg zum Wald schoss ihr wieder einmal durch den Sinn, wie freundlich, hilfsbereit und offen die Bewohner von Laos waren. Bereits bei ihrem Besuch mit Tarabas in der Hauptstadt einige Monate zuvor war ihr dies aufgefallen. Es gehörte hier anscheinend wirklich zum guten Ton, so hilfsbereit zu sein. Die Gaben, die sie bekommen hatte, waren wirklich schwer zu tragen und ihre Arme schienen lang und länger zu werden, obwohl sie den Wandrand noch nicht einmal erreicht hatte. Mühsam setzte sie den Korb ab und holte die Armschützer und Schmuckstücke unter dem Busch hervor, bevor sie diese verstaute und dann mit einem kleinen Seufzen den schweren Korb wieder in die Höhe stemmte. Sie war noch einige Meter gegangen, da raschelte es neben ihr im Unterholz. Etwas misstrauisch hielt sie inne und blickte in Richtung des Geräuschs, da trat auch schon Balin aus dem Unterholz. „Was machst du denn für Sachen, kleine Schwester? Ruf doch einen von uns, das musst du doch nicht allein tragen.“, meinte der freundliche Wasserdämon und nahm ihr dann einfach den überladenen Korb ab. „Donnerwetter, was hast du denn alles organisiert?“ „Ich wollte etwas für uns alle kochen, während wir warten, bis es meiner Mutter besser geht. Larmas hat mich mit Geld losgeschickt, hier ganz in der Nähe gibt es einen Bauernhof, den er wohl gut kennt, zumindest kannten ihn die Bauern. Er hat hier gelebt, richtig?“, fragte sie den Hünen. „Ja, für gut 50 Jahre, weil er seinen Jähzorn in Griff kriegen musste, nachdem sein Vater ihn verstoßen hatte. Tarabas kann ein sehr strenger Lehrmeister sein, wenn er Potential spürt und das hat er bei ihm, so wie ich mich an die ganze Sache erinnere. Nachdem er seine Zeit hier absolviert hatte war er bereit, sein Erbe als Fürst des Feuerclans anzutreten. Und er macht seine Aufgabe verdammt gut, wenn ich das mal sagen darf.“ „Aber ist das nicht schon eine ganze Weile her? Die Bauern erinnern sich zumindest an ihn.“, meinte Raven irritiert. „Ganz ehrlich, Raven, würdest du Larmas jemals vergessen, jetzt, wo du ihn kennengelernt hast?“. Fragte Balin lachend. Raven konnte nicht anders und stimmte in das Gelächter ein. „Nein, ganz bestimmt nicht. Er hat etwas an sich, was man nicht vergisst.“ „Da hast du deine Antwort.“, meinte Balin nur. Sie gingen weiter und nachdem sie um eine leichte Kurve schritten lag das Fachwerkhaus, in dem Larmas gelebt hatte, direkt vor ihnen. „Sag mal, Balin, wieso hast du mich eben eigentlich kleine Schwester genannt?“, fragte sie mit einem Mal den Gedanken, der ihr durch den Kopf ging. „Wir Generäle des Inneren Kreises sehen uns als Geschwister an. Durch unser Bündnis mit Tarabas haben wir eine Verbindung zu einander, unsere Existenzen sind quasi mit einander verwoben. Du magst die Prüfung zu dieser Verbindung vielleicht noch nicht absolviert haben, aber Tarabas hat dich bereits zu einer von uns ernannt. Das hat er noch nie getan, sondern erst das Ergebnis der Kampfprüfung abgewartet. Sein Wunsch in diesem Fall mag für uns vielleicht nicht wirklich bindend sein, aber wir haben ihn sofort akzeptiert.“, erklärte er. „Warum?“, fragte Raven sichtlich überrascht. „Weil wir ein gutes Gefühl bei dir haben, kleine Schwester. Ihr Menschen habt verlernt, auf eure Instinkte zu hören. Wir Dunkle, vor allem wir Makaianer, haben uns diese Fähigkeit bewahrt und können sie gezielt einsetzen. Du hast Potential, welches darauf wartet, dass du es weckst. Du musst nur den Mut haben, den neuen Weg zu beschreiten, der sich dir eröffnet.“ Sie hatten die Veranda erreicht. „Tarabas sagte, ich habe noch eine Menge zu lernen.“, meinte sie leise. „Das ist richtig. Das Schicksal hat dir eine große Aufgabe zugedacht.“, stimmte Balin zu. „Muss ich dann bei euch lernen?“, fragte sie etwas unsicher. „Würdest du das denn wollen?“, war seine Gegenfrage. „Irgendwie schon. Aber ich habe immer noch meine Familie...“ „Kleines, niemand von uns würde verlangen, dass du deine Familie, deinen Clan vergisst. Der Clan bedeutet uns fast alles. Unser Kreis ist ein Clan, unsere Familien und die Völker, aus denen wir abstammen, sind der andere. Wir stehen allem immer bei. Deswegen war es für uns auch selbstverständlich, dass wir dir helfen, deine Mutter zurückzuholen. Du kannst jederzeit zu deiner Familie reisen wenn du das möchtest.“ Balins Worte nahmen ihr einen großen Teil der Sorgen, die sie auf dem Weg zum Bauernhof geplagt hatte. „Wo werde ich lernen?“, fragte sie. „Wo du es möchtest würde ich sagen. Hier sicherlich auch, denn Tarabas hat hier seine Aufgabe zu versehen und er will dich sicherlich an seiner Seite haben wollen.“, meinte er freundlich. „Auch im Makai? Ich würde eure Heimatwelt gerne mehr kennenlernen.“, meinte sie etwas verlegen und lächelte. „Der Makai wird sich geehrt fühlen, dir Heimat zu geben. Wie gesagt, du kannst lernen wo du möchtest und wir Generäle würden dich alle sehr gerne lehren, dessen kannst du dir sicher sein.“ Dass er sie so offen willkommen hieß obwohl sie ja eigentlich von seinen Feinden abstammte machte sie glücklich und trieb ihr ein wenig die Tränen in die Augen. Grade fühlte sie sich nicht mehr fremd wie bei unter den Shino oder den Priestern des Lichts. Manchmal hatte sie sogar schon dieses Gefühl in ihrer Basis verspürt, wenn auch lange nicht so arg wie bei den Shino, wo sie immer spürte, dass alle sie irgendwie als Fremdkörper betrachteten. Nein, hier fühlte sie sich willkommen, wie auch hier bei der Bevölkerung von Laos, die so unglaublich gastfreundlich waren. Kapitel 18: Zusammenführung --------------------------- Balin öffnete ihr höflich die Tür des Hauses und ließ sie eintreten, dann gingen sie beide zum Wohnzimmer, wo Tarabas, Gabrielle in neuer Kleidung und Larmas beisammen saßen. Die Männer hatten ein ungewöhnliches Spiel zwischen sich aufgebaut, was auf drei Ebenen gespielt werden musste, wie Raven es mit einem kurzen Blick erkannte. „Nanu Balin, wo kommst du denn auf einmal her?“, fragte Larmas verwundert und setzte einen Spielstein auf die oberste Ebene. „Ich war neugierig und habe mich draußen etwas umgesehen. Da bin ich dann auf Raven gestoßen, die irgendwie Lebensmittel für eine Bataillon organisiert hat. Der Korb ist schwer, da bot es sich an, dass ich tragen helfe.“, meinte der Wasserdämon und hob den übervollen Korb an, als würde er nicht mehr als eine Feder wiegen. „Nette Ausbeute.“, meinte Larmas, nachdem er sich etwas gereckt hatte, um den Inhalt zu inspizieren. „Die Leute wollten vor allem nichts dafür haben nachdem mir rausgerutscht war, dass ich meine kranke Mutter versorgen muss. Ich konnte die Bäuerin nur mühsam davon abhalten, mich hierher zu begleiten. Hallo Tarabas.“, begrüßte sie den Schwarzhaarigen ebenso liebevoll, wie sie sich von ihm verabschiedet hatte und küsste ihn erneut. Was diesem sichtlich gefiel. „Willkommen zurück, mein Herz.“, meinte er und lächelte sanft. „Ich versuche uns mal etwas zu kochen. Wo ist die Küche, Larmas?“, fragte sie. Der Feuerdämon deutete auf eine Tür, die vom Wohnzimmer abging. „Da. Hab mir erlaubt, dir schon ein Feuer im Herd anzumachen. Ich hoffe, du kannst mit diesen Geräten umgehen, sind nicht die modernsten Teile.“ „Ich werde schon klar kommen. Hat sich bei den Zwillingen und meiner Ma schon etwas getan?“, fragte sie Larmas verneinte mit einem Kopfschütteln. „Das heißt aber eigentlich nichts. Die Reinigung von Magie kann gefühlt ewig dauern und leider kann man das nicht wirklich beschleunigen.“, meinte der Rothaarige und beobachtete mit einem kritischen Runzeln der Stirn einen Stein, den Tarabas scheinbar achtlos auf das Spielbrett setzte. „Was spielt ihr da eigentlich?“ fragte Raven verwundert. „Das ist eine Mischung aus Strategie und Schach. Recht anspruchsvoll. Ich konnte es leider länger nicht spielen, weil es magisch unterstützt wird. Und ich stelle grade fest, dass Larmas besser geworden ist.“, lobte Tarabas seinen obersten General. „Danke.“, meinte dieser und grinste ein wenig verlegen woran man merkte, dass ihm dieses Lob wirklich etwas bedeutete. Raven betrachtete das Spielbrett noch einmal, kam dann allerdings für sich zu dem Ergebnis, dass sie aus dem ganzen nicht schlau wurde. So nahm sie Balin den schweren Korb ab, auch wenn dieser etwas protestierte, und begab sich in die Küche. Dort wanderte sämtlicher Inhalt auf einen ausreichend großen Tisch, wo sie alles Vorhandene ausgiebig betrachtete. Es kam nicht oft vor, dass sie für mehrere Personen kochte, doch sie tat es gern, denn es lenkte sie immer von ihrer Arbeit ab. Außerdem genoss sie dann beim Essen das gesellige Beisammensein. Nachdenklich sah sie sich um und fand nach einigem Suchen all das, was sie für ein Essen an Utensilien benötigte und in ihrem Kopf nahm ein Plan Gestalt an, was sie aus den Zutaten anfangen wollte. So nahm sie ein Messer zur Hand, prüfte es und stellte erfreut fest, dass es wirklich scharf war, dann machte sie sich an die Arbeit. Eine gute Stunde später nahm Liam im Schlafzimmer seine Hände von Shanas Körper und öffnete langsam seine Augen. Er jüngere Imunas war völlig verschwitzt und matt, obwohl sein Bruder die ganze Zeit hinter ihm gestanden und die letzte Zeit seinen großen Magiequell mit ihm geteilt hatte. „Und, wie sieht es aus?“, hörte er Rayne leise fragen. „Ich konnte keine schwarze Magie mehr in ihrem Körper spüren. Tarabas sollte noch einmal lauschen, aber ich denke, alles ist entfernt.“ Er fuhr mit beiden Händen über sein Gesicht. „Geliebter weißer Mond, ich habe Hunger und Durst.“, murmelte er müde. Rayne streckte seine Hand aus, auf der sich eine Schale aus Eis bildete, die Wasser enthielt, welches aber nicht gefror. „Für Wasser kann ich sorgen, alles andere müssen wir draußen schauen.“ Dann betrachtete der Ältere die blondhaarige Frau im Bett. Sie sah bei weitem besser aus als bei ihrer Ankunft. Ihre Haut hatte wieder einen rosigen Schimmer. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Haut fast ein wenig gräulich gewirkt hatte. Nun schlief sie friedlich, der Zauber, der sie beim Übergang durch das Weltentor und während der Behandlung geschützt hatte, war mittlerweile entfernt. Hätten sie diesen nicht aufrecht erhalten hätte sie sicherlich unendliche Schmerzen erlitten. Er war die ganze Zeit mit den Gedanken seines Bruders verbunden gewesen und hatte eine Ahnung, wie schlimm sich die fremde Magie der dunklen Atmosphäre im Körper der Hohepriesterin festgesetzt hatte. Liam bemerkte seinen Blick, während er das Wasser trank. „Sie wird sicherlich bald aufwachen. Wir sollten Raven Bescheid geben, ich möchte nicht wissen, welche Sorgen sie sich macht.“, schlug dieser vor, nachdem er das Wasser ausgetrunken hatte. Die Schale in seiner Hand verschwand und Rayne half ihm auf. Er brauchte etwas, bis seine Beine ihn sicher trugen, dann gingen sie beide zur Zimmertür und öffneten diese. Sofort zog ihnen der wirklich angenehme Geruch von warmem Essen entgegen. Liam seufzte sofort hungrig auf, dann erst bemerkte er, dass Tarabas, Larmas und Balin, die sich im Wohnzimmer aufhielten, sie aufmerksam und fragend ansahen. „Alles in Ordnung, ich konnte meines Erachtens nach alle fremde Magie entfernen.“, erklärte Liam mit einem matten Lächeln. „Soll ich noch einmal nach ihr schauen?“, fragte Tarabas, der sich in der Zwischenzeit leger gekleidet hatte. „Das wäre wundervoll.“, meinte der Heiler. Tarabas erhob sich sofort und trat auf die Zwillinge zu. Mit einem kleinen Lächeln legte er Liam seine Hand auf die Schulter. „Ruh dich aus mein Junge, das hast du dir verdient. Essen sollte es gleich geben, Raven arbeitet schon eine ganze Weile daran.“ Liam nickte und ließ sich mit einem leisen, erleichterten Seufzen auf einen Sessel sinken. Tarabas selbst begab sich zum Schlafzimmer. Leise öffnete Tarabas die Tür zum Schlafzimmer und trat ein. Behutsam näherte er sich der schwachen Frau auf dem Bett. Sie sah bei Weitem besser aus als noch im Rund der Arena, als sie sie ‚erstanden‘ hatten. Er bewegte sich lautlos auf das Bett zu und hob seine rechte Hand, um die Tochter seiner Schwester zu berühren. Kurz bevor er das konnte spürte er auf seinen Fingerspitzen ein leichtes warnendes Kribbeln, ein Zeichen, dass die Person weißmagisch veranlagt war. Er lächelte zufrieden und brauchte seine Sicht nicht verändern, denn das zeigte ihm bereits, dass sämtliche störende Elemente aus dem Körper entfernt waren. Was ihn noch mehr erfreute war die Tatsache, dass sie einen Moment nachdem er das warnende Kribbeln verspürt hatte, sie ihre Augenbrauen runzelte und leise seufzte. Er zog seine Hand zurück, dann öffneten sich auch schon ihre Augenlider. Zuerst war der Blick aus den blauen Augen unfokussiert und verwirrt, doch dieser Zustand änderte sich rasch. „Willkommen zurück, Prinzessin.“, begrüßte er Ravens Mutter freundlich und blieb auch dieses Mal bei ihrem Shino-Titel, da es ihm instinktiv zuwider war, sie als Hohepriesterin anzusprechen. „Ich erinnere mich an euch.“, meinte sie schwach, nachdem sie ihn einige Sekunden angesehen hatte. „Ihr ward dort, als die Auktion geendet hatte.“ „Mit eurer Tochter, das ist richtig.“, stimmte er zu. Sie sah ihn noch einmal an, dann ließ sie ihren Blick schweifen, während er selbst einen kurzen Gedanken an Larmas schickte, dass dieser bitte Raven Bescheid sagen sollte. „Bin ich…“ „… in Sicherheit.“, beendete er ihre Frage, ohne dass sie sie ausgesprochen hatte. Daraufhin sah sie ihn sofort wieder an, diesmal ein klein wenig misstrauisch. „Ihr befindet euch wieder in einer lichten Welt, auf Laos, um genau zu sein.“, erklärte er dann, woraufhin sich sofort ihre Augen überrascht weiteten. Sie kannte definitiv den Planeten, von dem ihre Ziehmutter kam, zumindest vom Namen her. Doch noch bevor sie weiter fragen konnte klopfte es sehr leise an der Tür. „Komm herein, Sahva.“, meinte Tarabas freundlich und trat dann einen Schritt vom Bett weg, damit Ravens Mutter besser zur Tür sehen konnte, ohne sich bewegen zu müssen. Die Tür öffnete sich und Raven trat mit besorgter Miene ein, lächelte aber sofort erleichtert, als sie ihre Mutter wach erblickte. Augenblicklich war Raven am Bett, ließ sich auf die Knie nieder und schlang dann ihre Arme um den Hals ihrer Mutter. Shana erwiderte diese Umarmung mit einem liebevollen Lächeln, auch wenn es ihr sichtlich schwer fiel, die Arme so zu heben. „Ich habe mich doch nicht getäuscht. Mein Sonnenschein.“, begrüßte Shana ihre Tochter sanft. Kurz kuschelte sich Raven an ihre Mutter, dann richtete sie sich wieder auf und wurde sofort von der Blonden betrachtet. „Die langen roten Haare stehen dir, Liebes.“, meinte Shana auf Basic, nicht wissend, dass Tarabas diese Sprache verstand. „Sie waren ein Geschenk.“, meinte Raven und setzte sich auf ihre Fersen zurück. Tarabas spürte sofort wie sie das erste Mal seit ihren Wiedersehen entspannte. „Keine Extensions?“, fragte Shana weiter und berührte behutsam die Schläfe ihrer Tochter. „Nein. Ein guter Freund hat sie mir mit einem Zauber verlängert, damit ich mich besser in die Gruppe einfügen konnte.“, erklärte Raven leise und lächelnd. „Solche Freunde solltest du dir warm halten, Schatz.“, meinte Shana und beide Frauen kicherten leise. „Ich glaube nicht, dass ich diese Freunde wieder los werde. Nicht, dass ich sie loswerden wollen würde.“, erklärte sie ihrer Mutter. „Du bist müde, Sonnenschein. Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?“, fragte Shana nun mit etwas Sorge. „Ich habe das auch schon versucht, Prinzessin, aber irgendwie ließ sie sich noch nicht dazu bewegen.“, meinte Tarabas. Shanas Blick wanderte wieder zu ihm und sie betrachtete ihn noch einmal kurz, dann schenkte sie auch ihm das erste Mal ein Lächeln voller Dankbarkeit. „Sie kennen meine Tochter noch nicht lange, oder?“, fragte Shana freundlich. „Leider nein. Erst ein gutes halbes Jahr nach eurer Zeitrechnung.“, meinte er. „Das dachte ich mir. Würden sie sie länger kennen wüssten sie, dass Raven nichts essen kann, solange sie besorgt ist.“ Tarabas wusste das sehr wohl, da er ja Ravens Seele berührt und ihre Erinnerungen geteilt hatte, aber das musste ihre Mutter nicht unbedingt wissen. „Wie fühlst du dich?“, fragte Raven leise. Shana ergriff die Hand ihrer Tochter. „Um ein Vielfaches besser, auch wenn ich mich noch sehr zerschlagen fühle. Der Ort, an dem ihr mich gefunden hattet, schien mir nicht wirklich zu bekommen.“ Tarabas zog sich einen Hocker heran und setzte sich dann an das Bett, damit Ravens Mutter nicht so weit hoch sehen musste. „Ihr wisst nicht, wohin mal euch verschleppt hat?“, fragte er nach. Sie schüttelte leicht ihren Kopf. „Nein. Ich konnte auch niemanden verstehen. Doch es war sehr schnell ersichtlich, was sie mit mir vorhatten, nachdem ich nach der Explosion wieder wach wurde.“ Nun wurde Shanas Miene wieder besorgt und sogar etwas ängstlich. „Weißt du, wie es deinem Vater geht, Sonnenschein?“, fragte sie. „Gut, mach dir keine Sorgen, Mom. Wir hatten ihn gefunden, bevor wir nach Hinweisen gesucht hatten, wohin man dich verschleppt hatte. Er war oberflächlich verletzt und wollte sich um die Organisation der Rettungstruppen kümmern, als wir aufbrachen.“, erklärte Raven bereitwillig. Shanas Lächeln kam zurück und sie sah mehr als erleichtert aus. „Der Göttin sei Dank.“, murmelte sie, woraufhin Tarabas es grade noch schaffte zu verhindern, dass sich sein Lächeln spöttisch verzog. Seine Schwester hatte mit der Sache noch am Wenigsten zu tun, aber es verdeutlichte ihm Ravens Worte, die sie zu Beginn ihrer Bekanntschaft geäußert hatte, dass ihre Großmutter wahrhaft isoliert war. Sogar von ihrer eigenen Tochter. „Ich habe mich in einer dunklen Welt aufgehalten, richtig? Ich hatte das Gefühl, als würde mir die Luft dort nicht wirklich bekommen.“, mutmaßte Shana dann. Tarabas nickte. „In einer, die schon relativ weit von jeglicher weißen Quelle entfernt und stark mit für euch fremder Magie durchsetzt war. Deswegen fühltet ihr euch dann auch so benommen.“, erklärte er weiter. Wieder wanderte Shanas Blick sofort zu ihrer Tochter. „Es geht dir aber gut, ja?“, fragte sie. „Ja Mom, keine Sorge.“, bestätigte Raven lächelnd. Bevor Shana weiter fragen konnte klopfte es erneut an der Zimmertür und alle blickten dorthin, die sich auch gleich ohne Aufforderung öffnete. Niemand anders als Larmas trat ein, beladen mit einem gut gefüllten Teller und einer großen dampfenden Tasse. „Wir kamen einstimmig zu dem Schluss, dass die Damen etwas zu sich nehmen sollten.“, meinte der Rothaarige auf Laotisch und drückte Raven den Teller mit dem Selbstgekochten in die Hände, bevor er aus einer Hosentasche das Besteck hervor holte. „Essen. Jetzt!“, meinte er freundlich. „Ja General.“, lachte Raven, woraufhin auch Tarabas amüsiert schmunzeln musste. „Gutes Mädchen.“, grinste er nur, dann stellte er die Tasse auf dem Nachttischchen ab. „Madame, auch ihr solltet etwas zu euch nehmen. Liam, unser Heiler, meinte, etwas von der Brühe sollte euch gut tun. Ich helfe euch gern beim Aufsetzen.“, bot er Shana an, die ihn verblüfft ansah, dann aber nicht anders konnte als lächelte. „Vielen Dank.“, meinte sie. Behutsam wie man es kaum von ihm erwartet hätte schob er seinen doch recht muskulösen Arm unter Shanas Schultern und half ihr dann sanft auf, sodass sie sitzen konnte. Ohne sie loszulassen stopfte er schnell einige Kissen in den Rücken, in die er sie dann sinken ließ. Dann nahm er die Tasse wieder und reichte sie Ravens Mutter. Diese ergriff sie, legte dann aber eine Hand auf die von Larmas und runzelte ein wenig ihre Stirn. „Ihr seid sehr warm.“, stellte sie leise fest und sah ihn an. Freundlich erwiderte Larmas ihren Blick und so konnte sie erneut in seine rubinroten Augen sehen. „Das ist völlig normal für jemanden wie mich, Madame. Ich habe Feuer im Blut“, meinte er nur. Shana schwieg kurz und sah ihn weiter an. „Ihr meint das ernst, nicht wahr? Ihr habt wirklich Feuer im Blut.“ Larmas nickte und Raven hielt fast ein wenig den Atem an. „Ich bin ein Feuerelement, da ist das völlig normal.“, meinte er grinsend, doch dieses Grinsen war vorsichtiger als sonst. „Ein dunkles Feuerelement, richtig? Soweit ich weiß sehen die wenigen lichten Vertreter eures Elements etwas anders aus.“, meinte Shana nachdenklich, doch alle hörten, dass sie keinerlei Angst hatte. „Das ist richtig.“ „Ihr wisst doch sicherlich wer ich bin, oder?“, fragte sie leise und etwas zweifelnd. „Natürlich, Madame. Durch eure Tochter. Außerdem können wir es spüren.“, erklärte Larmas, der noch immer völlig ruhig und freundlich blieb. „Und dennoch habt ihr mir geholfen…“, stellte sie leise fest. Wieder sah Shana Larmas einige Sekunden schweigend an, so, als würde sie etwas abschätzen, dann drückte sie sanft dessen Hand und lächelte liebevoll und gerührt. „Danke.“ „Uns gilt der Dank eigentlich nicht.“, meinte Larmas und löste kurz seinen Blick aus ihrem, um mit einem kurzen Blick auf Tarabas zu deuten. „Aber dennoch gern geschehen.“ Shana ließ Larmas Hand los und richtete ihren Blick wieder auf Tarabas, der völlig entspannt da saß und die Szenerie beobachtete. „Ich muss ihnen meinen Dank aussprechen?“, fragte sie den Schwarzhaarigen. Tarabas neigte ganz leicht in Zustimmung den Kopf. „Seht es als Freundschaftsdienst an, Prinzessin.“, meinte er sanft und lächelte dann etwas mehr, als Raven sich richtig auf den Boden setzte, sich an seinen Stuhl lehnte und endlich langsam zu essen begann. „Darf ich erfahren aus welcher der dunklen Welten ihr stammt? Ich habe in den Aufzeichnungen der Lichtpriester geforscht und hatte einige Namen entdecken können.“, bat sie. „Natürlich. Wir sind Makaianer.“, erklärte er ihr, während Larmas leise zur Zimmertür ging, diese etwas öffnete und ein Handzeichen in den Nebenraum machte. „Ist das nicht die sogenannte erste dunkle Welt?“, fragte Shana überrascht nach, was nun Raven kurz mit dem Essen inne halten ließ. „Das ist richtig.“, bestätigte Tarabas Ravens Mutter. „Du hast vom Makai gehört, Mom?“, fragte Raven überrascht und sah dann auf, als mit einem Mal die Zwillinge, Gabrielle und Balin das Schlafzimmer mit betraten. Shana betrachtete die Neuankömmlinge aufmerksam und erkannte bei allen, dass sie keinem Lebewesen entstammen konnten, die sie bereits kannte. Dann lächelte sie sie an. „Ich danke auch euch.“, meinte sie mit einem sanften Lächeln an die Makaianer. Larmas übersetzte den anderen leise, die sich auch sofort vor Ravens Mutter verneigten. „Gern geschehen.“, meinte Balin, was dieses Mal Raven übersetzte. „Ich hatte kurz vor dem Treffen, zu dem dein Vater und ich geflogen sind eine sehr alte Schriftrolle gefunden, in der der Makai als Ursprung aller dunkler Wesen genannt wurde. Ich konnte dir das Schriftstück leider noch nicht geben, da es an die Bibliothek gebunden ist.“, erklärte Shana ihrer Tochter. „Ihr braucht das Schriftstück nicht von der Bibliothek lösen, Prinzessin. Eure Tochter hat freien Zugang zum Makai. Und zu all seinem Wissen.“, meinte Tarabas ruhig und freundlich. Sofort sah Shana erst Tarabas, dann Raven an und dieses Mal war sie sowohl überrascht als auch erschrocken. „Was? Wie?“ „Eure Tochter hat unserm Herrn geholfen. Dafür hat er ihr den sicheren Zugang in unsere Heimat ermöglicht, nachdem er erfuhr, dass sie sich für die dunklen Welten interessiert. Zudem ist nach unseren Gesetzen jeder von uns ihr einen Gefallen schuldig, da sie ihm geholfen hat.“, sprang nun Larmas mit einer Erklärung ein. Raven verschluckte sich an ihrem Essen und sah den Rothaarigen dann erschrocken an. „Was?“ „Er hat vergessen, dich auf diesen Umstand hinzuweisen, richtig? Das sieht ihm ähnlich.“, meinte Larmas mit einem breiten Grinsen. „Ihr habt dieses dämliche Gesetz immer noch aktiv?“, fragte Tarabas stirnrunzelnd in der Sprache der Makaianer. „Natürlich. Immerhin kommt es äußerst selten vor, dass wir mal Gebrauch davon machen können.“, erklärte Larmas gut gelaunt. Da die beiden Männer in einer Sprache kommunizierten die Shana nicht verstand sah sie ihre Tochter etwas verwirrt an. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie deswegen, nachdem Tarabas kurz seinen Mund zu einem dünnen Strich auf einander presste. Er entspannte sich wieder und lächelte dann. „Ja, keine Sorge. Ich war nur verwundert, dass dieses Gesetz noch immer aktuell ist.“ „Lebt ihr denn nicht im Makai?“, fragte Shana weiter. „Ich lebe hauptsächlich hier auf Laos, wenn auch nicht ihn diesem Haus.“, erklärte er ihr weiter. „Und dem König von Laos macht es nichts, dass ein Dunkler hier in dieser Welt lebt? Oder weiß er nichts davon?“, fragte Shana weiter. Daraufhin konnte Tarabas nicht anders als leise zu kichern. „Verzeiht bitte, aber ich möchte nicht etwas aus Versehen verraten, was geheim bleiben soll, sollte ich ihm einmal begegnen.“, entschuldigte Ravens Mutter sich sofort. „Da braucht ihr euch keinerlei Sorgen zu machen, Prinzessin.“, versicherte er ihr. Raven schüttelte nur leicht den Kopf, immerhin hatte sie seine Marotte zu verheimlichen wer er war schon kennengelernt. „Mom, Tarabas ist der König von Laos. Er verschweigt das nur gerne bei einem ersten Treffen.“, klärte sie ihre Mutter auf, während Larmas amüsiert mit dem Kopf schüttelte. Und genau wie ihre jüngere Schwester weiteten sich bei Ravens Mutter erschrocken die Augen. „Wenn ihr jetzt aufstehen und knicksen wollt, wie eure Töchter es nach der Aufklärung getan haben, bin ich euch böse, Prinzessin. Es ist doch vollkommen unerheblich wer ich bin. Und ihr solltet beileibe “, meinte Tarabas mit einer Spur Strenge in der Stimme. Woraufhin Shana gleich wieder lächelte. „Ja, das stimmt allerdings.“, meinte sie und betrachtete noch einmal den Schwarzhaarigen und ihre Tochter, die so völlig entspannt und vertraut an seiner Seite auf dem Boden saß, dass man sofort verstand, dass die beiden gute Freunde geworden waren. Sie ging allerdings mit mütterlicher Voraussicht davon aus, dass die beiden noch weit mehr verband, es allerdings noch sehr frisch sein musste. Immerhin hatte ihre Tochter seit ihrer Rückkehr von Laos nichts erwähnt was darauf hätte schließen lassen, dass sie einen neuen Mann an ihrer Seite hatte. Noch dazu einen, der, und das musste sie neidlos zugeben, so gut aussah und zu Raven passte wie der Schwarzhaarige. Liam trat indes an Shanas Seite und berührte sanft ihre Stirn. Zufrieden lächelte er, dann nickte er leicht in Richtung der Tasse mit Brühe, die Ravens Mutter noch immer unberührt in Händen hielt. „Raven, würdest du deiner Mutter bitte sagen, dass sie die Brühe trinken soll? Sie wird ihr Kraft geben.“ „Mom, der Inhalt der Tasse ist nicht zu Dekorationszwecken da. Du sollst die Brühe bitte trinken sagt Liam.“, richtete Raven ihrer Mutter aus. Shana kicherte leise, dann hob sie die Tasse gehorsam an die Lippen und nahm einen zögerlichen Schluck. Als sie bemerkte, dass ihr die Brühe bekam trank sie dann mehr auch mit sichtlich wachsendem Appetit. Was Liam mit einem zufriedenen Nicken registrierte. „Deiner Mutter sollte es schon bald wieder besser gehen.“, meinte er nur und ließ sich dann auch auf dem Boden nieder. Langsam trank Shana die Brühe und man konnte ihr ansehen, dass ihr die salzige Flüssigkeit mit jedem Schluck besser schmeckte. Dennoch hielt sie nach der Hälfte der Tasse inne. „Sonnenschein?“, fragte sie dann mit etwas ernsterer Miene. Raven sah ihre Mutter an. „Ja?“ „Hast du eine Möglichkeit deinen Vater zu informieren? Er wird sich sorgen.“ Raven wollte grade ihre Gabel auf den Teller legen und aufstehen, doch Tarabas legte sofort seine Hand auf ihre Schulter. „Ich kümmere mich darum. Du ruhst dich bitte aus. Du bist müde, das spüre ich überdeutlich und ich bin kein empathischer Heiler wie Liam.“, meinte er und stand dann auf. „Wisst ihr denn, wie ihr meinen Mann kontaktieren könnt? Verzeiht, Hoheit, doch Laos ist keine technologische Zivilisation...“, wandte Shana vorsichtig ein. „Ich habe meine eigenen Wege, wie ich mit eurem Gatten in Verbindung treten kann. Wenn ich einer Person einmal begegnet bin kann ich sie immer wieder finden. Eines meiner Talente.“, meinte Tarabas mit einem kleinen Lächeln. Dann beugte er sich zu Raven herunter und schenkte ihr einen sanften Kuss. Dieser bewies Shana dann ihre Mutmaßung, vor allem, da sie ihre Tochter danach kurz in der leicht verträumten Art lächeln sah, die sie immer zeigte, wenn sie frisch verliebt war. „Ich bringe ihn am besten her, was meinst du?“, fragte er Raven leise. Raven nickte mit einem liebevollen Lächeln. „Eine klasse Idee.“, stimmte sie zu und sah dann zu, wie Tarabas zur Tür des Schlafzimmers ging, die Tür öffnete und dann den Raum verließ. Außerhalb des Raumes, wo Ravens Mutter nichts sehen konnte, verschwand er. Es vergingen nur wenige Augenblicke, dann erreichte Tarabas den Ort, an dem das Unglück begonnen hatte. Noch immer lag eine gewisse Hektik in der Luft wie er spüren konnte, doch die Panik, die bei seiner ersten Ankunft vorgeherrscht hatte, war verschwunden. Kurz stand er an dem Ort, an dem er erschienen war, und lauschte, dann konnte er die gesuchte Seele genauestens lokalisieren. Er atmete kurz durch, damit sich seine soeben genutzte Magie wieder verbarg, dann machte er sich auf den Weg. Er bemerkte sofort, dass sich wesentlich mehr Personen an diesem Ort befanden als zuvor. Neben den Teilnehmern des Treffens der Lichtgläubigen, die an ihrer bestimmten Art der Kleidung erkennbar waren, waren noch andere humanoide Personen unterwegs, alle in eine gewisse Art der Uniform gekleidet, die sich durch Farbe und bestimmte Applikationen unterschieden. Es waren Heiler anwesend, die sich hin und wieder freundlich an die Gläubigen wandten und mit ihren sprachen. Er erkannte noch einige mit Verbänden, doch alle sahen bereits wieder sehr wohl aus. Dann liefen viele Personen mit technischen Geräten durch die Gegend, die anscheinend die Trümmer des Anschlagsorts untersuchten. Andere waren sichtlich bewaffnet und sorgten anscheinend für die allgemeine Sicherheit. Kurz runzelte er seine Stirn, während er auf Ravens Erinnerungen zugriff, dann lächelte er leicht. Nun konnte er die Uniformen unterscheiden. Eine junge Frau, die er als Sicherheitsoffizierin erkannte, erblickte ihn und kam direkt auf ihn zu. „Sir, kann ich ihnen helfen?“, fragte sie mit einem gewissen Misstrauen, da er neu an diesem Ort war. „Ja, mein Name ist Tarabas, ich war nach dem Anschlag mit Commander Tettra als erstes hier vor Ort. Ich suche Admiral Tettra. Ich habe eine Nachricht von seiner Tochter für ihn.“, erklärte er in flüssigem Basic. Noch immer misstrauisch tippte sie sich einmal an ihr linkes Ohr und drehte sich ganz leicht zur Seite. „Admiral Tettra? Hier ist ein Mann, der sie sprechen möchte. Sein Name ist Tarabas und er...“ Sie verstummte sofort und lauschte, woran Tarabas erkannte, dass sie anscheinend einen Kommunikator benutzte. „Ja, Sir.“, meinte sie dann sofort und sah ihn wieder an. „Ich soll sie zu Admiral Tettra bringen, Sir.“, meinte die Frau nun freundlicher und setzte sich dann in Bewegung. Es dauerte nur wenige Minuten, dann erreichten sie eine provisorische Kommandozentrale mit vielen technischen Gerätschaften, in der sämtliche Tätigkeiten zusammenliefen und gemanagt wurden. Zahlreiche Personen eilten hier zwischen den Gerätschaften hin und her, die unter einem großen Zelt aufgebaut worden waren. Tarabas spürte hier die Anwesenheit der Seele von Ravens Vater am deutlichsten. Und noch bevor sie das Zelt erreicht hatten kam die gesuchte Person bereits auf sie zu. Ravens Vater trug dieses Mal eine Uniform und strahlte eine unglaubliche Souveränität aus. „Guten Abend, Admiral.“, begrüßte Tarabas Marc mit einem kleinen Lächeln. „Wenn sie hier sind, Tarabas, haben sie dann...“ „Eure Gattin befindet sich in Sicherheit, Admiral. Wir haben sie nach Laos gebracht und sie versorgt. Sie befand sich in einer schwarzmagischen Welt und ist dementsprechend geschwächt.“, berichtete er ruhig. „Kann ihr geholfen werden?“, fragte Marc sofort besorgt nach. Die militärische Souveränität, die Tarabas zuvor gespürt hatte, war nun gewichen und zeigte die Sorge, die Ravens Vater die ganze Zeit anscheinend halbwegs verdrängt hatte. Nun kehrte sie im vollen Umfang zurück. „Sämtliche schädliche Magie wurde aus ihr entfernt, keine Sorge. Ich kenne einen jungen, wirklich sehr guten Heiler, der solch eine Reinigung vollführen kann. Dieser hat sich sofort um eure Gattin gekümmert, als sie in Sicherheit war.“, beruhigte er Marc. Dieser atmete sofort durch und er brauchte einen Moment um sich zu sammeln. Dann sah er ihn mit einem Lächeln an. „Vielen Dank.“, meinte Marc nur. „Wenn ihr abkömmlich seid, ich könnte euch sofort zu eurer Gattin und Tochter bringen.“, bot Tarabas an. Überrascht sah Marc ihn an, dann drehte er sich kurz zur Kommandozentrale um. „Einen Moment bitte.“, meinte er und eilte dann zu einem anderen Mann in mittlerem Alter, auf den er sofort einredete. Tarabas wartete geduldig und sah sich die Umgebung noch einmal genau an. Die Zentrale stand in unmittelbarer Nähe zu einem eingestürzten Gebäudeteil. Hier waren weitere Personen an der Arbeit, es wurde gearbeitet und die beschädigten Mauern abgestützt. Andere hatten Tablets in der Hand und hielten Sensoren in einer Hand, mit der sie die beschädigten Mauerteile anscheinend untersuchten. „Wir untersuchen den Anschlagsort und versuchen, die Explosion zu rekonstruieren, damit wir den Attentäter ermitteln können.“, hörte Tarabas mit einem Mal wieder Marcs Stimme neben sich. Er drehte sich sofort zu Marc um und musste dem Mann Respekt zollen, dass dieser sich so problemlos hatte nähern können, ohne dass er auf ihn aufmerksam geworden war. „Ich kann sie begleiten.“, meinte Marc nur. Tarabas nickte dem Mann zu, der einen halben Kopf kleiner als er selbst war. „Kommen sie. Ich bringe euch zu eurer Gattin.“ Den Ortswechsel konnte er nicht an diesem belebten Ort vollführen, so ging er mit Marc von dem zerstörten Gebäude fort. „Wie kommen wir von hier am schnellsten nach Laos?“, fragte Marc neben ihm. „Mittels Magie.“, erklärte Tarabas dem anderen Mann. „Das Problem ist nur, dass hier zu viele weißmagische Personen anwesend sind, die ich nicht beunruhigen möchte.“ Marc sah ihn kurz an, dann deutete er mit einem Kopfnicken in eine Richtung. „Ich weiß, wo wir hin können, ohne dass man uns bemerkt. Kommen sie.“ Marc ging nun voraus und um das Gebäude herum, um dann einen Weg entlang zu gehen, der in eine Seitengasse führte. Hier befand sich niemand. „Reicht das?“, fragte er dann. Tarabas konnte nicht anders, er musste schmunzeln. Dieser Mann war es wirklich gewöhnt, schnell Lösungen zu erarbeiten. „Es ist mehr als ausreichend.“, meinte er nur. „Und jetzt?“, fragte Marc weiter. Tarabas streckte einfach seine Hand aus. „Nehmen sie meine Hand, Admiral.“, meinte er nur. Verblüfft betrachtete Marc die entgegengestreckte Hand, dann ergriff er sie. „Und nun?“ Schon hüllten sie Schatten ein, die sie allerdings so schnell wieder freigaben, dass Marc sie kaum wahrnahm. Sie befanden sich nun in Larmas' Haus. „Und nun gehen sie einfach hier hinein.“, meinte Tarabas freundlich, klopfte an die Tür vor ihnen und musste leicht schmunzeln, als er Marcs verwirrten Blick bemerkte. „Wie...?“, hörte er noch leise, dann öffnete er auch schon die Schlafzimmertür und trat dann zur Seite, damit Marc hineinsehen konnte. Ravens Vater konnte sofort das Bett sehen, in dem seine Frau lag und setzte sich automatisch in Bewegung. Raven hatte neben dem Bett gesessen und sich mit ihrer Mutter in Tarabas' Abwesenheit unterhalten. „Du magst ihn. Mehr als das, nicht wahr?“, fragte Shana kurz bevor die beiden Männer eintrafen. Ein wenig verlegen sah Raven auf ihre Hände und lächelte. „Dir kann ich wohl nichts vormachen, oder?“, fragte sie nur. „Ich bin deine Mutter, es wäre schlimm, wenn ich das nicht erkennen könnte, Liebes.“, kicherte Shana und streichelte die Wange ihrer Tochter. „Er sieht klasse aus, das muss ich dir lassen.“ Nun lachte Raven leise auf, doch dann spürte sie dunkle Magie näher kommen. Gleich darauf klopfte es an der Tür, die sich gleich darauf öffnete. „Sie sind da.“, meinte Raven leise und stand dann auf, dann eilte ihr Vater auch schon in den Raum, fiel vor dem Bett auf die Knie und schlang wortlos seine Arme um seine Frau. Raven hingegen ging zu Tarabas, der in der Tür stand und lächelte ihn an. „Hey. Danke.“, meinte sie leise zu ihm und legte ihren Kopf leicht in den Nacken, um Tarabas in die Augen sehen zu können. Er erwiderte ihr Lächeln. „Hey.“ Dann sah er zu Ravens Eltern und betrachtete sie kurz eingehend. Für andere unmerkbar konnte er an Ravens Eltern eine seltene Besonderheit erkennen, die nur für einen Seelenwächter ersichtlich war. „Das erklärt einiges.“, murmelte er und zog dann Raven mit in den Flur, bevor er die Tür zum Schlafzimmer schloss. „Erklärt was? Was meinst du?“, fragte Raven verwirrt. „Deine Eltern lieben sich sehr, nicht wahr? Und sie können nicht lange voneinander getrennt sein?“, fragte er Raven statt direkt eine Antwort zu geben. Raven nickte nur verwundert. „Wir Seelenwächter bezeichnen zwei Partner, die so besonders eng an einander hängen als Seelengefährten. Ihre Seelen gehören zusammen und bilden eine Einheit. Das ist selten. Ich beispielsweise kann hören, wie die Seelen deiner Eltern harmonisch im gleichen Ton singen. Das ist immer etwas sehr Schönes.“ Er betrat mit Raven das Wohnzimmer, in das sich die anderen Makaianer zurückgezogen hatten und ebenfalls dem Essen zusprachen. „Es kommt nicht selten vor, dass sich Seelenpartner über mehrere Leben hinweg suchen. Wenn sie sich gefunden haben sind sie sowohl besonders stark, als auch besonders gefährdet. Sie sind quasi ein Lebewesen in zwei Körpern, spüren, wenn es dem anderen gut oder schlecht geht und kämpfen für den anderen bis zur völligen Aufgabe. Nur leider ist es so, wenn ein Partner stirbt dauert es in der Regel nicht lange, bis der andere folgt. Ich weiß, das ist alles andere als erfreulich für diejenigen, die den Partnern nahestehen.“, erklärte er Raven ruhig. „Haben wir Seelenpartner gefunden?“, fragte Larmas überrascht, der mitten im Essen inne gehalten hatte, als er die letzten Worte von Tarabas‘ Erklärung hörte. „Ravens Eltern sind Seelengefährten.“, erklärte der Schwarzhaarige den Anwesenden, die auch gleich alle angenehm überraschte Laute von sich gaben. „Für uns Dunkle im Allgemeinen und den Makaianern im Besonderen ist nichts erstrebenswerter, als den eigenen Seelengefährten zu finden. Nicht nur, weil man damit in der Regel in völliger Harmonie lebt, man gibt den Nachkommen auch die perfekte Grundlage dafür mit, besonders stark zu werden. Wie man ja an dir gut sehen kann.“, erklärte er lächelnd weiter. Raven erwiderte das Lächeln, doch nun, da alles wieder in den richtigen Bahnen lief, schlug bei ihr die Erschöpfung zu. Sie war seit der Rückkehr vom Festival noch nicht einmal zur Ruhe gekommen, müde war sie quasi schon gewesen, seit sie sich in ihrer Wohnung auf das Sofa gelegt hatte. Seither hatte sie mehr oder weniger unter Dauerstrom gestanden. Tarabas spürte das sofort, auch Liam hob seinen Kopf und sah in ihre Richtung. „Du solltest dich dringend hinlegen, mein Herz.“, empfahl Tarabas sanft. „Ja, das klingt vernünftig.“, meinte sie nur. Larmas kam auf sie zu. „Kleines, ich hab leider nur ein Bett hier im Haus und das belegt deine Mutter. Was hältst du davon, wenn Tarabas dich rüber ins Schloss bringt und du da bei ihm erst einmal ausschläfst? Wir bleiben derweil hier und haben mindestens ein Auge auf deine Eltern.“, schlug der Feuerdämon vor. Raven zögerte etwas, denn sie fühlte sich seltsamerweise für ihre Eltern verantwortlich. „Spricht dein Vater die Sprache der Shino?“, fragte Larmas weiter. „Ja klar, aber…“ „Kein Aber. Zumindest ich kann mich dann mit deinen Eltern unterhalten und beide werden es schon einsehen, dass du etwas Schlaf brauchst. Sieh zu, dass du Land gewinnst. Und keine Sorge, ich kann mich auch richtig benehmen. Zumindest deine Mutter schien mich ja schon ganz sympathisch zu finden, auch wenn ich ein Dunkler bin.“ Nun musste Raven leise lachen. „Meine Mutter mochte dich auch, da brauchst du dir keine Gedanken machen, Larmas. Ist gut, ich leg mich etwas hin.“ Sie sah Tarabas an. „Wenn es denn für dich in Ordnung ist, dass ich bei dir im Schloss etwas schlafe.“ Larmas konnte ein leises Lachen seinerseits nur mühsam unterdrücken. Er wusste, dass Raven noch eine Menge über ihre Art lernen musste. Denn wenn Tarabas auch nur entfernt anderen Dunklen ähnlich war - wovon man ausgehen musste, da er der Ursprung der Finsternis war – dann würde er ihren Schlaf mit Krallen und Zähnen verteidigen. Wenn nicht sogar mit mehr. „Natürlich ist das in Ordnung.“, meinte Tarabas mit einem sanften Lächeln. „Dann verschwindet, wir haben hier alles im Griff. Wir sehen uns später, kleine Schwester.“, meinte Larmas. Und noch bevor Raven etwas Weiteres sagen konnte legte Tarabas seine Hand auf Ravens Schulter und beide verschwanden in einem kleinen Wirbel aus Schatten. Marc kniete eine Weile wortlos neben Shana am Bett und spürte ihr sanftes Streicheln, während er seinen Kopf auf ihre Brust gelegt hatte. Langsam fiel die bleierne Angst von ihm ab, die ihn nach Ravens Verschwinden am Anschlagsort im Griff gehabt hatte. „Wie geht es dir?“, hörte er Shana leise fragen, während er ihre Nähe genoss. Sofort hob er seinen Kopf und sah seine Frau an. „Besser als dir würde ich sagen. Du bist blass.“ Sie lächelte nur. „Mir geht es schon um ein Vielfaches besser als da, wo man mich hingebracht hatte.“, versicherte sie ihm. „Du warst die Einzige, die verschwunden war. Wo hat man dich denn hin gebracht?“, fragte Marc und setzte sich nun richtig auf. „In eine Welt, in die ich nicht hingehöre. Dunkle Magie herrschte vor. Und das ist mir wahrlich nicht bekommen.“ „Ravens Freund hatte so etwas gemutmaßt, als sie mich gefunden hatten. Also lag er damit nicht falsch.“, murmelte er und sah Shana nachdenklich an. „Das Schlimmste war, dass ich zu einem Sklavenmarkt gebracht worden bin. Anscheinend schließt sich der Kreis, den das Schicksal beschreibt, doch immer.“ Sofort sah Marc sie alarmiert an. „Wie haben sie dich befreien können?“ „Sie haben mich freigekauft, anders war es wohl nicht möglich. Wenn ich es richtig verstanden habe, hat Tarabas das Geld dafür aufgebracht.“, meinte Shana leise und auch ein wenig bedrückt. „Freigekauft?“, keuchte Marc auf und Shana nickte. „Konnten sie dich nicht anders befreien?“ Shana schüttelte mit dem Kopf. „Dieser Ort muss gewaltig gewesen sein, auch wenn ich nicht wirklich erspüren konnte, wie gewaltig. Aber es waren unzählige Personen allein in dem Bereich, in dem ich nach der Explosion aufgewacht bin. Was ich sehen konnte war der gesichert wie ein Hochsicherheitgefängnis. Sie hätten keine Chance gehabt einzudringen, glaub mir.“ Sie ergriff seine Hand und drückte sie liebevoll. „Tarabas sagt, ich soll meine Befreiung als Freundschaftsdienst ansehen und ich glaube ihm das.“ „Aber wir wissen nur, dass er ein Freund von Raven ist und dass anscheinend auch erst seit kurzem, denn sie hat ihn noch nie erwähnt. Was, wenn er irgendwann Forderungen stellt, die wir dann erfüllen müssen? Wir kennen ihn nicht.“ Shana drückte seine Hand fester, denn sie ahnte, dass ihr Mann gedanklich wieder einmal auf dem Weg war, nur das Negative sehen zu wollen. „Seit wann traust du dem Urteil deiner Tochter nicht mehr?“, fragte sie sanft. Sofort beruhigte Marc sich wieder ein wenig. „Schatz, mir vertraust du doch, oder?“ „Natürlich, das weißt du.“, antwortete er mit einem bisschen Empörung in der Stimme. „Aber er erscheint mir etwas… seltsam, ich kann es nicht anders bezeichnen. Er ist freundlich und ich kann mir nicht helfen, ich mag ihn. Aber dennoch… ich kann es nicht benennen, was es ist, was mich ein wenig an ihm stört. Es ist auch nicht viel, aber…“ „Er ist ein Dunkler.“, meinte Shana nur und sofort sah Marc seine Frau verdutzt an. „Bist du dir sicher?“, hakte er nach, denn er wusste, was das bedeutete. Shana schnaubte etwas und lächelte. „Natürlich. Ich spüre es, so wie ich weiß, dass er weiß, wer ich bin. Er ist der König von Laos, Schatz.“ Völlig perplex starrte er Shana an. „Was?“ „Aber das ist noch nicht alles. Hast du Raven und ihn bei einander gesehen? Ich meine, hast du die beiden einmal wirklich betrachtet?“ „Ich hatte ein bisschen was anderes um die Ohren, nachdem ich nach der Explosion wieder aufgewacht war.“, meinte er ein wenig spitz. Shana konnte nicht anders und kicherte etwas. „Schatz, du wirst es nicht gerne hören, aber du wirst dich an ihn gewöhnen müssen befürchte ich. Ich denke nämlich, dass wir unseren Schwiegersohn getroffen haben, auch wenn das im Bezug auf ihn seltsam klingt. Er müsste nämlich um ein Vielfaches älter als ich sein.“ Marcs Miene verdüsterte sich ein wenig. „Raven ist noch viel zu jung für einen Ehemann.“, brummte er. Nun konnte Shana nicht anders und lachte. „Raven ist 28 wenn ich dich daran erinnern darf. In weniger als anderthalb Jahren bekommt sie ihren Kapitänsrang zugesprochen, den sie, wie wir beide wissen, schon längst verdient hat. Sie ist erwachsen. Und glaub mir, die beiden gehören zusammen.“ „Wenn du mir jetzt sagst, dass ich mich bald auf Enkel einstellen sollte kotz ich, ich warne dich.“, grummelte Marc halbherzig, denn er wusste ja, dass seine Älteste, die ihm am nächsten stand, nicht immer bei ihnen bleiben würde. Shana lachte erneut. „Tut mir leid, aber ich befürchte, irgendwann in der nächsten Zeit sollten wir beide uns mit diesem Gedanken einmal auseinander setzen.“ Es klopfte mit einem Mal höflich an der Tür und beide drehten sich dorthin um. „Ja bitte?“, bat Shana die Person vor der Tür herein. Diese öffnete sich und Larmas trat mit einem Schmunzeln ein. „Wäre ich jetzt unhöflich würde ich fragen, ob ich mitlachen darf. So frage ich einfach mal, ob ihr kurz für mich Zeit habt. Ich hätte nämlich etwas mit euch und eurem Gefährten zu besprechen, Madame.“, meinte der Rothaarige freundlich. „Natürlich, kommt herein, Larmas.“, meinte Shana mit einem Lächeln. Larmas trat ans Bett und wandte sich erst einmal an Marc, der ihn musterte. Natürlich entging ihm die leichte Verwunderung im Blick von Ravens Vater nicht, doch der Mann war durch und durch Soldat, er ließ sich kaum etwas anmerken. „Ich möchte mich auch euch erst einmal vorstellen, Admiral. Ich bin Larmas, der oberste General des Makai und Stellvertreter unseres Herrschers. Ich bin, wie ihr euch vielleicht denken könnt, ein sogenannter Dunkler oder Dämon, wie die meisten Bewohner der lichten Welten uns nennen würden.“, stellte der Rothaarige sich vor und reichte dem anderen Mann seine Hand zur Begrüßung. Marc schlug ohne Zögern ein. „Verzeiht mein Misstrauen, aber wie steht ihr als General zu Tarabas?“ „Da gibt es nichts zu verzeihen, das ist ganz selbstverständlich, vor allem, wenn es um die eigene Familie oder den Clan geht. Tarabas ist, verzeiht Madame, dass er das nicht selbst erwähnt hat, da ist er leider etwas eigen, auch mein Herrscher.“ „Weil er der König von Laos ist?“, fragte Marc weiter, weil er sich ein Bild von allem machen wollte. „Nein, weil er auch und zuallererst der oberste Fürst des Makai ist. Auch wenn er bereits seit vielen Generationen hier lebt.“ Ravens Eltern starrten Larmas fast ein wenig entsetzt an. „Was macht der oberste Fürst der ersten dunklen Welt hier auf Laos?“, fragte Shana mehr als überrascht. „Ich denke mal, er fühlt sich hier einfach wohl.“, war Larmas‘ simple Antwort und malte mit seinem linken Zeigefinger ein kurzes Zeichen vor sich in die Luft, welches kurz flammend sichtbar wurde, dann stand ein zweiter Hocker neben dem Bett. „Ihr seid Magier?“, fragte Marc nach, obwohl das ersichtlich war. „Sind alle Makaianer im bestimmten Maße. Wenn sie allerdings etwas mit Feuer brauchen bin ich ihr Mann. Ich bin ein sogenanntes Feuerelement. Das heißt, ich beherrsche Feuer in allen Erscheinungsformen.“ Larmas setzte sich. „Wie gesagt, Tarabas fühlt sich hier sehr wohl, deswegen verbringt er den Großteil seiner Zeit hier bei dem Volk, welches sich vor langer Zeit um ihn gekümmert hatte, als er auf einer seiner Reisen in den Welten des Lichts angegriffen wurde. So zumindest hat er es mir erzählt. Nach unseren Gesetzen hätte er nur für die Zeit in Laos bleiben müssen, die die Bewohner sich um ihn gekümmert hatten, doch er entschied sich zu bleiben. Das ist alles.“ „Worüber wolltet ihr denn mit uns sprechen, Larmas?“, fragte Shana liebevoll nach, um das Gespräch auf ein anderes Thema zu bringen. Larmas biss sich kurz auf die Lippen und schien für einen Augenblick nach den richtigen Worten zu suchen. „Ich wollte euch bitten, mir die Erlaubnis zu geben, eure Tochter weiter auszubilden.“, sprach er das aus, was ihm auf dem Herzen lag. „Raven ist gut, ohne Zweifel, das hat sie uns auf der Reise zum Sklavenmarkt bereits gezeigt. Aber da es sich ja abzeichnet, dass sie und Tarabas eine engere Verbindung eingehen werden, wäre es für sie besser, wenn sie mehr über uns lernt. Wir mögen euch jetzt freundlich erscheinen und ich finde das sind wir auch, aber die Völker der dunklen Welten unterscheiden sich in vielem von eurer Heimat. Schon allein deswegen hätte sie eine Menge zu lernen. Zudem hat Tarabas sie als Anwärterin des Inneren Kreises des Makais ausgewählt, da müsste sie besonders drauf vorbereitet werden.“ „Innerer Kreis?“, fragte Marc stirnrunzelnd nach. „Unsere Gesellschaft ist hierarchisch wie eine Pyramide aufgebaut, Admiral. Der Innere Kreis sind die obersten Generäle rund um unseren Herrscher, also alle, die mit im Raum waren, als wir euch freigekauft hatten, Madame. Bis auf meine Schwester und den jungen Krieger, die auf dem Boden saßen. Wir sind derzeit fünf, eure Tochter soll anscheinend die sechste werden und einen offiziellen Rang im Makai einnehmen neben der Tatsache, dass sie die Gefährtin unseres Herrschers ist.“ „Das klingt so, als hätten die beiden schon geheiratet.“, meinte Marc mit einem gequälten Lächeln. „Wir haben so etwas wie eine Hochzeit nicht, Admiral. Wenn wir mit jemandem zusammenleben wollen tun wir das, da gibt es keine Zeremonie für. Nein, wir spüren bei den beiden einfach, dass sie zusammen gehören.“ Ein bisschen triumphierend sah Shana ihren Mann an, da sie genau das wenig vorher auch geäußert hatte. „Ihr seht bei dem Gedanken, dass eure Tochter einen Partner hat, nicht sonderlich begeistert aus, wenn ihr mir die Bemerkung einmal erlaubt.“, meinte Larmas mit einem amüsierten Grinsen, denn etwas ähnliches kannte er aus seiner eigenen Familie. „Ich gehöre leider zu den Vätern, die etwas Bauchschmerzen dabei haben, wenn sich die Töchter einen Freund aussuchen.“, gestand Marc mit einem leicht gequälten Lächeln. „Kenne ich aus meiner eigenen Familie. Das ist wohl in allen Welten gleich.“, grinste Larmas nun breit. „Ist Raven denn damit einverstanden, dass sie sie ausbilden wollen?“, lenkte Marc das Gespräch wieder auf das eigentliche Thema zurück. „Ich wollte erst mit euch sprechen. Ihr seid ja sowohl Familie wie auch Vorgesetze, wenn ich das richtig verstanden habe.“ Ravens Eltern nickten beide. „Das rechne ich ihnen hoch an, General, doch diese Entscheidung hat Raven zu treffen. Wenn sie dies möchte stehen wir ihr ganz sicher nicht im Wege.“, meinte Marc dann nur und seine Frau lächelte bestätigend. „Dann werde ich das tun.“, meinte Larmas freundlich. „Wo ist Raven eigentlich? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie nicht mehr hier im Haus ist.“, meinte Shana mit einem Mal. „Das ist richtig. Sie war erschöpft, deswegen haben wir sie mit Tarabas ins Schloss geschickt, damit sie etwas schlafen kann. Es gibt hier im Haus leider nur eines und das ist derzeit belegt.“ Kapitel 19: Klärende Gespräche ------------------------------ Larmas fuhr sich ein wenig durch das stachelig abstehende Haar, nachdem Ravens Vater quasi seine Zustimmung zu Ravens weiterer Ausbildung gegeben hatte. „Wenn ihr möchtet kann ich euch die anderen gerne vorstellen, die grade hier sind. Sie waren vorhin ja einmal kurz im Raum, Madame.“, schlug er schließlich vor, als er das Gefühl hatte, das Gespräch würde einschlafen. Überrascht sahen Ravens Eltern den Rothaarigen an und nickten dann. So stand der Feuerdämon auf, ging noch einmal zur Tür, öffnete diese und stieß einen kleinen Pfiff aus. Daraufhin sahen die anderen Makaianer, die im Wohnzimmer beieinander saßen, verwundert auf. „Kommt mal bitte zu mir, ich möchte euch offiziell Ravens Eltern vorstellen.“, erklärte er den anderen, die sich auch gleich erhoben und zu ihm kamen. Sie betraten gemeinsam das Schlafzimmer und sahen Ravens Eltern offen und neugierig an. „Dann wollen wir das ganze mal ganz offiziell machen, damit sich im Nachhinein niemand beschweren kann. Solltet ihr Fragen an die Bagage hier haben übersetze ich die natürlich sofort. Verstehen tun sie mich, da wir telepatisch mit einander verbunden sind. Also, noch einmal ganz von vorn. Ich bin Larmas, oberster General des Makai, Fürst des Feuerclans und Tarabas‘ Stellvertreter. Ich spreche im Übrigen die Sprache von Laos, weil ich vor etlichen Jahren mal dazu verdonnert wurde, hier mein Mütchen zu kühlen. Heißt, ich war im Schloss Kammerdiener, weil ich aufgrund meines Temperaments allen so dermaßen auf den Geist gegangen bin, dass ich hier Geduld zu lernen hatte. Die einzige Dame hier grade ist meine Schwester Gabrielle. Sie ist die Älteste meiner jüngeren Geschwister und derzeit, da ich keine eigene Familie habe, meine Erbin.“, begann Larmas mit seiner Vorstellung und Gabrielle verneigte sich. „Diese formschöne Schrankwand ist Balin, das Oberhaupt der Wasserdämonen und wie ich ein Element. Auch wenn man es nicht glaubt, wir kommen von jeher gut mit einander aus. Er sorgt mit seinem Clan dafür, dass die Wasser im Makai schiffbar sind, da in unseren Gewässern Energie gespeichert ist, die ohne Schutz alles andere als angenehm sind, selbst für uns. Als General ist er für die Strategie und Versorgung der Truppen zuständig.“ „Es ist mir eine Ehre euch kennenlernen zu dürfen.“, meinte Balin freundlich, was Larmas sofort übersetzte. „Die Ehre ist ganz auf unserer Seite.“, dankte Shana freundlich. „Und dann hätten wir noch unser Doppelpack hier. Das sind Rayne…“ Rayne verneigte sich leicht. „… und Liam aus dem Volk der Imunas, ich glaube, ihr würdet sie Schneewesen oder so ähnlich nennen.“ Auch Liam verneigte sich leicht. „Liam ist Empath und Meisterheiler. Ihm ist es egal, welche magischen Grundlagen sein Schützling hat, er kann nahezu alle Lebewesen heilen. Deswegen konnten wir euch auch von den magischen Verunreinigungen so schnell heilen, Madame.“ Shana sah Liam mit einem sanften, dankbaren Lächeln an, was dem jüngeren Imunas sichtlich gut tat. Doch dann zeigte sich auch Besorgnis in ihrem Gesicht. „Das wird ihn doch sicherlich viel Kraft gekostet haben.“, meinte sie betroffen und sah erst Liam und dann Larmas an. „Normalerweise schon, doch Liam hat quasi ein persönliches Ass im Ärmel. Und das ist sein älterer Bruder. Rayne ist nicht nur General des Inneren Kreises, sondern auch Großmagier. Euch sollte das eigentlich etwas sagen, Madame.“, meinte Larmas. Dass es das tat erkannte man direkt an Shanas überraschten Gesichtsausdruck. „Das ist richtig. Ich kenne Großmagier aber bislang nur aus den Sagen, persönlich bin ich noch keinem begegnet.“ „Das ist auch eher unwahrscheinlich, wenn ich mich recht entsinne. Wie viele Großmagier gibt es neben dir, Rayne?“, fragte Larmas den älteren Weißhaarigen. „Wir sind 18. In allen Welten wohlgemerkt.“, beantwortete dieser die Frage ruhig. Larmas übersetzte auch dies. „Welten, ist das eine Bezeichnung für Dimensionen?“, hakte Marc nach. Larmas nickte. „Ich denke, ihr nennt das so.“ „Und es gibt für jede Welt einen solchen Großmagier?“, fragte er weiter. „Nein. Wie es sich entscheidet, dass sich in einer Welt ein Magiestrom ausbildet, der mächtig genug ist, um einen Wächter zu benötigen, davon habe ich keine Ahnung. Da müsste man vielleicht einen der Alten fragen, wenn man mal einen zu Gesicht bekommen würde.“, meinte Rayne, woraufhin Larmas kurz mit seiner Übersetzung zögerte, seine rechte Augenbraue hochzog, aber dann wortwörtlich übersetzte. „Einen Alten?“, stutzte Marc. „Das ist das Volk der Göttin. Sie beschützen dieses Universum mit all seinen Welten.“, erklärte Shana ihrem Mann freundlich. „Zumindest sollten sie das.“, stimmte Larmas ihr zu, doch sein Gesichtsausdruck zeigte Zweifel. „Dann verstehe ich das richtig, dass Ihr, Rayne, eurem Bruder Energie gegeben habt, als dieser mich geheilt hat?“, fragte Shana dann nach. Rayne neigte zustimmend leicht seinen Kopf. „Danke sehr. Auch euch.“, meinte Shana sanft, woraufhin dieser wieder seinen Kopf neigte als Zeichen, dass er diesen Dank annahm. Marc sah nun entspannter aus, sein etwas misstrauischer Blick wechselte in den eines dienstobersten Vorgesetzten. „In wieweit würde Raven denn ausgebildet werden? Verzeiht mir mein Misstrauen, doch eigentlich hatte ich meine Tochter ausgebildet, um sie als meine Stellvertreterin und eventuell Nachfolgerin an der Seite zu haben.“ Larmas zog kurz anerkennend seine Augenbrauen in die Höhe und verstand nun ein wenig besser die Zurückhaltung des anderen Mannes, die er die ganze Zeit gespürt hatte. Dann übersetzte er seinen Gefährten diese Frage. Sie alle waren etwas reserviert gewesen, denn es lag in ihrer Natur, das Verhalten ihres fremden Gegenübers zu spiegeln. Dafür waren die anderen wahrlich aufgeschlossen geblieben. „Es kommt ganz auf die Fähigkeiten der anderen an. Von mir würde sie beispielsweise Schwertkampf lernen und ihre Kampfausdauer verbessern. Sie ist gut und hat interessante Reflexe, aber sie kann bei Weitem besser werden. Zudem muss sie darauf geschult werden, nicht nur körperlich angegriffen zu werden. Sie muss sich auch gegen magische Angriffe zur Wehr setzen können.“, erklärte Larmas ruhig. Dies ließ Shana sofort aufhören. „Aber meine Tochter ist der Magie nicht fähig. Sie würde…“ Rayne hob seine Hand, um sie zu unterbrechen. Dann bildete sich auf dieser Hand ein kleiner weiß leuchtender Stern, der sich von seinen Fingern löste und zu Ravens Eltern schwebte. Dort berührte er kurz Marc, dann schwebte er zu Shana weiter, die zuerst etwas zurückzuckte, dann aber zuließ, dass das Gebilde ihre Haut berührte. Sie sah dann überrascht aus. „Das Übersetzen ist zu mühsam. Jetzt müsstet ihr mich verstehen können.“, meinte Rayne höflich. Shana und Marc sahen erst etwas überrascht drein, dann nickten sie. „Was habt ihr…?“, fragte Shana. „Ihr versteht nun die Sprache des Makai. Normalerweise verleiht Tarabas unseren Verbündeten aus anderen Welten diese Fähigkeit, doch grade bei euch, Lady, wäre dies ungünstig. Immerhin ist seine Magie rein schwarz.“ Larmas nickte und reckte seinen Daumen in die Höhe als Zeichen, dass er diese Lösung gut fand. „Zu eurem Einwand, dass eure Tochter der Magie nicht fähig ist. Das ist falsch.“ Verwirrt und überrascht starrte Shana ihn an. „Was? Wie kann das sein? Raven wurde ausgiebig getestet, vor allem von mir selbst. Sie reagierte nicht auf Magie. Darunter hat sie sehr gelitten.“ „Ihr habt nur in einem Bereich getestet, Lady, und zwar im Bereich des Lichts.“, erklärte Rayne geduldig. „Sie ist schwarzmagisch veranlagt?“, fragte Shana mit einem kleinen Schrecken in der Stimme. Doch Rayne schüttelte den Kopf. „Auch das nicht.“ „Was dann?“, fragte nun Marc nach. „Genau kann ich das nicht sagen. Doch ich habe einen Verdacht. Sie verträgt eure Magie, Lady, weil sie von euch abstammt. Die Magie von Tarabas verträgt sie aber auch wie sich gezeigt hat.“ Shana holte überrascht tief Luft. „Sie wäre dann eine Art Katalysator, richtig?“ Rayne nickte mit einem kleinen Lächeln. „Möglich. Außerdem scheinen sich ihre Fähigkeiten jetzt erst zu entwickeln.“ „Und das bedeutet?“, hakte Marc weiter nach. „Das bedeutet, dass sie mit der richtigen Ausbildung sehr mächtig werden kann. Weil sie nicht allergisch auf eine der beiden Hauptmagiearten reagiert.“ „Aber kann sie dann überhaupt bei euch ausgebildet werden? Immerhin lebt ihr ebenfalls in einer Welt, die von einer Magieart dominiert wird.“, warf Shana ein. „Ich kann sie ausbilden. Zumindest theoretisch. Mein Volk bezieht seine Kraft nicht aus der Dunkelheit, sondern aus Mondlicht. Und ich denke, dass auch Raven ihre Kraft von dort beziehen könnte. Zumindest lässt ihr zweiter Vorname so etwas ja vermuten.“ „Was hat ihr zweiter Vorname damit zu tun?“, fragte Marc irritiert nach. „Er bedeutet weißer Mond, zumindest in der Schreibweise, die die Göttin mir gegeben hat.“, meinte Shana und ihre Augenbrauen verzogen sich sehr kritisch. Marc fuhr sich einmal mit beiden Händen über das Gesicht. „Damn, ich wusste schon, warum ich eigentlich mit Magie nichts zu tun haben will. Aber egal.“ Dann sah er Larmas und Rayne an. „Also, fassen wir mal für jemanden wie mich zusammen, der nicht wirklich im Thema sitzt. Raven entwickelt jetzt doch Talent für Magie und sie verträgt beide Arten. Ihr wisst aber nicht wirklich, ob ihr sie ausbilden könnt.“ Rayne nickte. „Weil so etwas wie ein Katalysator eigentlich nur eine Theorie ist. Ich habe nur einmal während meiner Studien zum Großmagier von einer solchen Besonderheit gehört und das ist schon eine Weile her.“ „Mir geht es ähnlich. Auch ich hielt so etwas nicht wirklich für praktikabel.“, stimmte Shana zu. „Ich wüsste auch nicht, ob ein Archivar darüber Auskunft geben könnte.“ „Warum fragt ihr Tarabas nicht?“, erklang mit einem Mal Liams Stimme. Alle drehten sich zu Raynes Zwilling um, der es sich im Schneidersitz auf dem Boden bequem gemacht hatte. „Ist er denn auch ein Archivar?“, fragte Shana überrascht. Der jüngere Imunas lächelte sanft. „Nicht offiziell. Aber er hat viel Wissen, immerhin ist er schon sehr alt. Wenn jemand weiß, ob es schon einmal eine solche magische Fähigkeit gegeben hat, dann wohl er.“ Marc und Shana sahen sich schweigend an. Sie brauchten keine Worte wechseln, sie wussten beide, was der andere vorhatte. „Dann sollten wir ihn fragen. Könnt ihr ihn wieder herrufen?“, fragte Marc. Larmas schüttelte nur lächelnd den Kopf. „Können ja, aber es wird nichts bringen befürchte ich. Er wird das Schloss nicht verlassen, immerhin wird er sich dafür verpflichtet fühlen, dass Raven ruhig und sicher schläft. Wir Dunkle sind in diesem Punkt etwas eigen müsst ihr wissen, vor allem, wenn eine Beziehung noch so frisch ist wie bei den beiden. Ich befürchte, ich muss euch ins Schloss bringen, wenn ihr sofort Antworten haben wollt.“, meinte der Rothaarige. Shana schlug sofort die Bettdecke zurück und setzte sich langsam auf. „Hältst du das für eine gute Idee?“, fragte Marc kritisch. Liam stand sofort auf und trat an ihre Seite, um ihr seine Hand zu reichen. „Darf ich euch helfen, Lady?“, fragte er mit dem sanftesten Lächeln, welches auch gleich die leichte Anspannung, die von Marc ausging, auflöste. Überrascht sah Shana ihn an und legte ihre Hand in die seine. Dann entspannte auch sie sich und lächelte ebenfalls. „Eure Kräfte sind sehr stark.“, stellte sie fest, woraufhin sein Lächeln noch einmal sanfter wurde. „Vielen Dank.“ „Er benutzt seine Magie?“ fragte Marc nach, doch das Misstrauen war nun völlig verschwunden und er selbst sehr entspannt. „Er gibt mir Kraft. Und da er Empath ist beruhigt er meine Sorgen und Ängste.“, erklärte sie ihrem Gefährten und stand dann langsam auf, während Liam ihren Arm stützte. Sie blieb einen Moment stehen, ganz so, als müsste sie erst testen, ob sie ihre Beine tragen würden, dann nickte sie nur. „Es geht mir sehr gut, wirklich.“ „Das freut mich.“, meinte Liam und ließ sie dann los. Und tatsächlich konnte Shana ohne schwanken stehen. Nur wer sie gut kannte konnte sehen, dass sie noch etwas blass und geschwächt war. „Da wir keinen Zauber zur Überbrückung nutzen können bringe ich euch rüber ins Schloss.“, meinte Larmas nur und stand ebenfalls auf. „Ist das eine gute Idee, Bruder? Kennen dich die Schlossbewohner nicht? Es wird sie doch wundern, dass du nicht alterst. Zumindest nicht in ihren Augen.“, warf mit einem Mal Gabrielle ein. „Es gibt nur eine Person im Schloss, die mich noch als ehemaligen Kammerherrn kennt und die weiß, dass sich… anders… bin und aus Tarabas‘ Heimat komme. Er hält in dem Punkt dicht. Unbekannt bin ich dennoch nicht. Ich laufe da immer mal wieder durch die Gänge wenn es notwendig ist.“, meinte er mit einem Augenzwinkern, dann hüllten ihn mit einem Mal Flammen ein. Marc und Shana machten instinktiv einen Schritt zurück, doch die Flammen waren nicht heiß und verschwanden so schnell wieder, wie sie erschienen waren. Als sie ihn freigaben hatte sich Larmas‘ Aussehen den hiesigen Gepflogenheiten angepasst. Seine Haare waren zwar immer noch rot aber lange nicht mehr so intensiv wie sonst und seine Augen hatten einen warmen Braunton angenommen. Seine Kleidung war ähnlich geblieben, nur die flammenartigen Applikationen waren verschwunden. „So, wir können. Da wir ein bisschen laufen müssen sagt bitte Bescheid, wenn ihr ausruhen müsst, Madame. Ihr anderen bleibt einfach hier ich komme gleich zurück.“ Larmas verließ mit Ravens Eltern langsam das Haus, folgten dem Waldweg, den auch deren Tochter zum Bauernhof genommen hatten und blieb mit beiden am Waldrand stehen, damit sie einen Blick über die Landschaft und die nahe dem Wald angesiedelte Hauptstadt werfen konnten. „Das ist Nikonia, die Hauptstadt von Laos. Von hier aus kann man das Schloss leider nicht sehen, es befindet sich auf der anderen Seite der Stadt. In einer halben Stunde sollten wir da sein. Da am Ende der Straße könnt ihr schon das östliche Stadttor sehen.“, erklärte er und setzte sich dann in Bewegung. „Wow, es ist wirklich schön hier.“, stellte Marc fest. „Tjaha, wie gesagt, es hat seinen Grund, dass Tarabas hier geblieben ist.“, meinte Larmas mit einem Grinsen und führte die beiden Gäste erst die kleine Straße zum Wald hinunter und dann auf die Hauptstraße zum Schlosstor. Hier waren einige Personen unterwegs und sie wurden freundlich begrüßt, auch wenn Marc und Shana etwas neugierig beäugt wurden, weil zumindest Marcs Uniform eine unbekannte Form aufwies. Shana mit ihrem bodenlangen weißen Kleid fiel kaum auf. „Wir hätten uns umziehen sollen.“, meinte Marc nachdenklich, während er unbehaglich die Beobachter musterte. „Nö, alles okay. Hier im Schloss laufen einige Gecken herum, die bei Weitem extremer aussehen. Da ist eure Uniform regelrecht schmuck. Seht es eher an, dass sie einen neuen Stil honorieren.“, meinte Larmas schmunzelnd, dann hatten sie auch schon das Stadttor erreicht. Sie konnten die Hauptstadt unbehelligt betreten, es befanden sich keine Wachen dort. Auch waren keine Tore zum Verschließen in den Bögen angebracht. Man konnte zwar noch gewaltige schmiedeeiserne Halterungen erkennen, doch diese waren anscheinend seit sehr langer Zeit nicht mehr genutzt worden. „Die Stadtmauer ist noch ein Relikt aus vergangenen Generationen. Warum sie überhaupt mal gebaut worden ist kann ich nicht nachvollziehen. Immerhin sind die Bewohner hier so friedlich, dass es fast schon langweilig ist.“, meinte Larmas, als ihm auffiel, dass Marc dieses fast unscheinbare Detail auffiel. „In eurer Heimat ist das dann anscheinend anders.“, schloss Marc mit einem Schmunzeln und schaute den Rothaarigen amüsiert an. „Joah, ein bisschen temperamentvoller sind wir Makaianer schon, das stimmt.“, grinste Larmas und nickte dann einem Mann zu, den er anscheinend kannte. „Sagt mal, Larmas, Liam erwähnte, dass Tarabas alt wäre. Wisst ihr, wie alt er ist? Ich bin leider sehr neugierig.“, meinte Shana mit einem kleinen Lächeln und nickte Leuten zu, die ihnen zur Begrüßung den Kopf entgegen neigten. „Das weiß niemand, nur er selbst denke ich. Aber ich bezweifle, dass er darüber Auskunft gibt.“ Sie erreichten einen der Marktplätze, den bereits ihre Tochter einige Monate zuvor bei ihrem gemeinsamen Spaziergang mit Tarabas besucht hatten und auch Ravens Eltern waren sichtlich angetan von der Umgebung. „Ich weiß nun, warum es meiner Tochter hier so gefallen hat. Sie hat viel von ihrem Aufenthalt hier erzählt, als sie mit meiner Mutter hier gewesen war.“, meinte Shana zu Larmas und auch Marc nickte nur anerkennend. „Die wirklich interessanten Bezirke der Hauptstadt liegen allerdings erst in dieser Richtung. Wir wollen allerdings nach dort.“, meinte Larmas und führte beide über die Piazza zu einer weiteren breiten Straße. Diese war nicht sehr lang und bog dann um eine Ecke. Sofort konnten sie die abgerundeten Türme des Schlosses erkennen, die sich hinter einer colonnadenartigen Abgrenzung aus kunstvollen sandfarbenen Säulen mit ebenso wunderschönen Bögen erhoben. Auf diese führte Larmas sie zu und darunter her, bis sie schließlich den Eingang zum Innenhof des Schlosses erreichten. Wie immer herrschte hier reges Treiben, so, als würde sich die Aktivität der Stadt in diesen Gebäudekomplex ausweiten. Hier waren sowohl normale Bürger, wie auch Adelige und Schlosswachen unterwegs, viele zu Fuß, einige auf Pferden. Einer der Berittenen hielt auf sie zu und blieb vor ihnen stehen. „Hey, Larmas. Ist schon lange her, dass du dich hier mal hast sehen lassen.“, meinte der Mann, der sichtbar zur Schlosswache gehörte. „Hatte einiges zu erledigen. Wie geht es euch, Captain?“, fragte Larmas freundlich. „Ich kann nicht klagen. Seit ihr auf dem Weg zu seiner Hoheit?“ Larmas nickte. „Ja. Wir haben Fragen an ihn, die erörtert werden müssten.“ „Da habt ihr Glück, er ist erst seit Kurzem wieder in seinen Gemächern, nachdem er mal wieder für einige Tage verschwunden war. Kennt ihr ja. Aber ich weiß nicht, ob er dann schon Gäste empfängt.“, meinte der Mann zweifelnd. „Wird schon in Ordnung gehen, keine Sorge. Seine Hoheit kennt meine beiden Gäste gut.“ „Na dann. Lasst euch mal wieder auf einem Zugabend sehen.“, forderte der Mann auf, woraufhin Larmas sogar leicht salutierte, aber schwieg. Daraufhin drückte der Mann seinem Pferd die Knie leicht in die Flanken und trabte an, nur um gleich drauf den Innenhof zu verlassen. Larmas sah ihm hinterher. „Das war der Leiter der Schlosswache. Fähiger Mann, auch wenn er sich mit meinen Leuten niemals messen könnte. Aber na ja, sie sind halt keine wirklichen Krieger.“, erklärte der Rothaarige nur, bevor sie ihren Weg fortsetzten. In seinen Gemächern war es angenehm ruhig, er selbst saß im abgedunkelten Schlafzimmer auf einem Sessel und betrachtete mit einem kleinen, sanften Lächeln die junge Frau in seinem Bett, die tief und fest schlief. Die schweren Vorhänge aus tiefrotem Brokat mit edlen Stickereien an den Fenstern waren zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wieder zugezogen und hielten jeden Sonnenstrahl davon ab, das Innere des Raumes zu erhellen. Doch Tarabas brauchte kein Licht um den Schatz zu sehen, der sich auf dem Bett unter die dünne Decke eingewickelt hatte. Nur dazusitzen und ihr beim Schlafen zuzusehen hatte eine ähnlich beruhigende und friedliche Wirkung auf ihn wie der Mondgarten im Makai. Es verlangsamte den reißenden Mahlstrom an Macht in ihm und er spürte Frieden in sich aufsteigen. Er konnte es immer noch nicht glauben, dass sich die Prophezeiung seines Wächters endlich erfüllt hatte, doch er konnte es nicht mehr leugnen. Er hatte diese stolze Menschenfrau vermisst, mit jedem verstrichenen Tag etwas mehr und er war langsam unruhig geworden, obwohl ihm das nicht wirklich aufgefallen war. Erst jetzt, wo sie wieder bei ihm war und die Last der Sorge, die sie getragen hatte, von ihr abgefallen war, spürte er, wie unruhig er wirklich gewesen war. Er schloss kurz seine Augen und rieb sich mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger über die Stirn und stieß einen lautlosen Seufzer. Es war nicht gut, wenn er seine Ruhe verlor, irgendwann wurde er gereizt. Und wenn das geschah passierten gerne Dinge, die nur schwer wieder gut zu machen waren. Wenn es darüber hinaus ging… Mit einem Ruck kehrte er aus diesem Gedankengang zurück, in den er geraten war, öffnete seine Augen und richtete sich auf. Er spürte die Anwesenheit zweier Seelen, die er nicht an diesem Ort erwartet hatte. Die dritte Seele, die die anderen begleitete, war ihm beinahe so vertraut wie sein eigener, langsamer Herzschlag. So stand er lautlos aus, blickte noch einmal zu seinem Schützling und das Lächeln kehrte auf seine Lippen zurück. Dann verließ er das Schlafzimmer. Er musste nicht lange warten, da klopfe es an der Tür. Er bat Larmas mit einem Gedanken herein, da er seinem Kammerdiener freigegeben hatte, als er und Raven seine Gemächer erreicht hatten. Die Tür öffnete sich sogleich und sein General betrat mit Ravens Eltern sein hiesiges Wohnzimmer. „Ich bin überrascht, dass ihr mich hier besucht.“, gestand er mit einem freundlichen Lächeln und bot Ravens Eltern sofort einen Platz auf den Sesseln an, die nahe am Kamin standen. „Ist der Tee noch da wo er hin gehört?“, fragte Larmas, der anscheinend seine alte Rolle hier übernehmen wollte. „Loram hat von dir gelernt, also denke ich schon.“, meinte er mit einem amüsierten Schmunzeln, dann wandte er sich seinen Gästen zu, während Larmas in einem Nebenraum verschwand und sogleich klappernde Geräusche erklangen. „Womit kann ich behilflich sein?“, fragte er. Shana konnte nicht anders und lachte leise. „Ist es so offensichtlich, dass wir Fragen haben?“, stellte sie als Gegenfrage. „Sagen wir, es wäre eine Erfahrungssache. Die meisten kommen mit Fragen zu mir.“, meinte er weiterhin schmunzelnd. Ravens Vater beugte sich etwas vor, nachdem er Platz genommen hatte. Er strahlte eine Ruhe aus, die er auch in Ansätzen bei dessen Tochter gespürt hatte. „Wir haben uns ein wenig mit Rayne unterhalten und kamen dann auf einen Punkt zu sprechen, den wir, im speziellen ich als Nichtmagischer, nicht ganz nachvollziehen können.“ Marc sah seine Frau kurz an und nur ein kleines Nicken von ihr verdeutlichte, dass sie damit einverstanden war, dass er erst einmal das Gespräch übernehmen würde. „Rayne meinte, dass sich bei Raven nun doch magische Fähigkeiten entwickeln, die vorher nicht entdeckt werden konnten.“, begann er. Tarabas nickte. „Das ist richtig.“ „Was ich nicht ganz verstehe, mir erklärte man immer, dass Magie genetisch verankert ist, sie also bei einem Test von Geburt an beziehungsweise nach Einsetzen der Pubertät messbar wäre. Wie kann es dann sein, dass sich Ravens Fähigkeiten erst jetzt bemerkbar machen?“ Der Mann vor ihm war direkt, Tarabas mochte das. „Oftmals schlafen Kräfte, bis es einen Auslöser gibt. Das ist nicht ungewöhnlich.“, meinte er ruhig. „Und was für ein Auslöser kann das gewesen sein? Verzeiht meine Nachfrage, aber ich bin nach dem Gespräch mit eurem weißhaarigen General ehrlich gesagt etwas verwirrt.“ Tarabas nickte mit einem kleinen Lächeln. „Ihr sorgt euch um eure Tochter, das kann ich mehr als verstehen. Bei eurer Tochter war der Auslöser kein Was, sondern ein Wer. Und das bin ich befürchte ich. Sie kam das erste Mal mit jemandem in Kontakt, der schwarzmagisch ist.“ „Musstet ihr bei Ravens Besuch eure Fähigkeiten nutzen?“, fragte Shana nun nach. „Leider ja. Ich war beim Kampf gegen die Angreifer zugegen, auch wenn Raven mich zuerst nicht erkannte. Sie war gut und tapfer, ohne Zweifel, doch sie war allein. Sie hätte anders keine Chance gehabt.“ Shana erbleichte und auch Marc spannte sich abrupt an. „Ihr habt mit gekämpft?“, fragte Marc zischend und Tarabas wusste, dass dieser davon ausgegangen war, dass er als Herrscher dieser Welt hätte beschützt werden müssen. Tarabas nickte. „Wie gesagt, Raven hat mich nicht erkannt. Ich bin der Beschützer dieses Planeten, Admiral, ich konnte es nicht mit mir vereinbaren, dass jemand anders meine Aufgabe übernimmt. Vor allem allein. Ihr dürft nicht vergessen, ich bin unsterblich und Verletzungen heilen bei mir auf einem völlig anderen Level als es bei euch oder eurer Tochter von statten geht. Die Angreifer waren hochgradig aggressiv, sie hätte keinerlei Chancen gehabt, auch wenn sie allein vier der zehn Invasoren getötet hat.“ „Und obwohl ihr wusstet, dass unsere Tochter von einer gegenteiligen Magie abstammt habt ihr die eure genutzt.“, stellte Marc stirnrunzelnd fest. Tarabas nickte. „Dieses Risiko musste ich eingehen. Die Alternative wäre nämlich inakzeptabel gewesen. Aber ich muss gestehen, erst im Nachhinein habe ich darüber wirklich nachgedacht. Und ich bin mehr als erleichtert, dass sie mein Eingreifen problemlos überstanden hat.“, war seine Antwort. „Rayne erwähnte die Möglichkeit, dass Raven die Fähigkeit besitzen könnte, wie ein magischer Katalysator agieren zu können. Ich hielt so etwas immer nur für eine Theorie. Ihr müsstet ein recht fortgeschrittenes Alter haben um dies zu wissen… gab es so eine Fähigkeit eigentlich schon einmal?“, fragte Shana behutsam nach. Woraufhin Tarabas leise lachte. „Prinzessin, das ist mehr als schmeichelhaft umschrieben, vielen Dank. Aber ihr könnt mich gerne als alt bezeichnen, denn das ist eine Tatsache, die unumstößlich ist.“ Dann lehnte er sich entspannt zurück, um auf ihre eigentliche Frage einzugehen. „Und zu eurer Mutmaßung, Raven könnte ein Katalysator sein… nein, eine solche Fähigkeit hat es bislang meines Wissens noch nicht gegeben. Was daran liegt, dass sich schwarze und weiße Magie naturgegeben bekämpfen. Und ich gehe auch nicht davon aus, dass es sich bei Ravens Talenten um reine Licht- oder Schattenmagie handelt. Es ist eher, dass ihre Kraft aus dem Mond gespeist wird, dem Licht für die Dunkelheit, wie bei den Imunas. Und ich meine, dass es den Lichtpriestern nicht möglich ist, darauf zu testen. Es wundert mich eh, dass solche Tests durchgeführt werden.“ „Nun ja, sie ist meine Tochter und eigentlich meine Nachfolgerin. Da wollten wir wissen, in wieweit meine Fähigkeiten weitervererbt wurden.“, wandte Shana ein. „Wir? Oder ist es nicht eher so, dass die Priester es ihr nicht zutrauen, da ihr einen Partner erwählt habt, der aus einem nichtmagischen Volk stammt?“, hakte Tarabas ernst nach. „Prinzessin, verzeiht mir, wenn ich jetzt mit dieser Frage etwas dreist erscheine. Aber ich stehe auch heute noch in Korrespondenz mit eurer Ziehmutter. Sie berichtete mir davon, dass solche Äußerungen vorgekommen sind. Und ich weiß von Raven, dass sie unter der Ablehnung der Priester durchaus gelitten hat. Sie erwähnte es einmal unbeabsichtigt in einem Nebensatz.“ Shana sah ihn durchaus betroffen an, während Marc seiner Gefährtin einen Blick zuwarf, der Tarabas verdeutlichte, dass die beiden diese Art Gespräch schon geführt haben mussten. Dann übernahm dieser das Gespräch wieder. „Und sie können bei Raven herausfinden, welche möglichen Kräfte in ihr liegen und sie ausbilden?“ „Ich denke schon. Und Rayne wird diese Ausbildung sicherlich auch gerne übernehmen.“, antwortete Tarabas nun wieder mit einem kleinen Lächeln. „Und wann könnte sie beginnen?“ „Sobald sie dazu bereit ist. Wir wären an keinerlei Zeitpläne oder Studiensemester gebunden, falls ihr das befürchtet, Admiral.“ Marc nickte nachdenklich, dann sah er Shana an, die noch immer an der Kritik zu knabbern hatte, die Tarabas geäußert hatte. „Ich werde Raven freistellen, sobald ich in der Föderation bin. Sie kann von mir aus direkt mit ihrer neuen Ausbildung beginnen.“, meinte er. „Eine gute Entscheidung.“, erklang mit einem Mal Larmas‘ Stimme leise neben Tarabas, dann stellte der Feuerdämon einige Tassen auf den Tisch und goss dann frischen Tee ein. Diese reichte er an alle Anwesenden. „Danke.“, meinte Marc mit einem etwas gezwungen wirkenden, kleinen Lächeln. „Macht euch wegen eurer Tochter keine Sorgen, Admiral. Sie wird in guten Händen sein, ich kenne schließlich meine Kameraden sehr gut und lege meine Hand ins sprichwörtliche Feuer, auch wenn dieser Spruch bei mir etwas lahm scheint. Und außerdem, geht davon aus, dass auch ihr von den Fähigkeiten profitieren werdet, die Raven erwerben wird.“, meinte der Rothaarige freundlich. Marc nickte. „Davon gehe ich aus.“ „Was beunruhigt euch so sehr, Prinzessin?“, fragte Tarabas nun Shana, die noch immer sorgenvoll ihre Lippen auf einander gepresst und dem Gespräch schweigend zugehört hatte. „Dass sie sich verändern wird.“, gestand Shana nach einem kleinen Zögern ein. „Jeder verändert sich mit jedem neuen Tag, Prinzessin, das solltet ihr eigentlich wissen. Das heißt aber nicht, dass sich deswegen ihr Wesen verändern wird. Ich glaube, es gibt nichts, was ihren Kern jemals antasten kann.“ „Außerdem ist es ja nicht so, dass ihr von uns völlig im Ahnungslosen gelassen werden würdet oder das Raven ein Reiseverbot erhält. Wenn sie es möchte kann sie euch besuchen, so oft und so lange sie möchte. Oder was meint ihr?“, fragte Larmas Tarabas mit einem kleinen, fast schon etwas herausfordernden Lächeln. „Ich wüsste nicht, dass etwas dagegen spricht. Ich werde ihr eh zeigen, wie sie gefahrlos durch die Welten reisen kann. Sie kann dann gehen, wohin sie möchte.“, meinte dieser daraufhin. „Außerdem dürft ihr die Allianzen nicht außer Acht lassen, die sie schließen wird, allein bei den Makaianern. Wir sind alle magisch veranlagt und durch und durch kriegerisch ausgebildet. Nun ja, mit einer Ausnahme, aber Liam lasse ich mal außen vor. Drei Allianzen hat Raven schon und hinter jeder steht ein kompletter Clan, die helfen würden, wenn Hilfe benötigt würde.“, erörterte Larmas und zog sich einen Sessel heran. „Allianzen? Jetzt schon?“, fragte Marc überrascht. Tarabas nickte. „Rayne und Liam sehen sich aufgrund einer Prophezeiung zu Sahva zugehörig und die Drei spürten von Anfang an eine besondere Verbindung zu einander. Und Larmas‘ Schwester wurde wie ihr, Prinzessin, auf dem Sklavenmarkt freigekauft, in ihrem Fall von eurer Tochter mit einem besonderen Edelstein, den ich ihr geschenkt hatte. Gabrielle gehört nun auch zu ihr und ich denke, wenn sie ähnlich anhänglich wie ihr großer Bruder ist wird sie eurer Tochter nicht nur eine treue Kampfgefährtin sein sondern auch eine gute Freundin werden. Ich spreche da aus eigener Erfahrung.“, meinte Tarabas, woraufhin Larmas grinste. „Meine Schwester ist gut, Raven wird sicherlich auch von ihr einiges lernen können.“, stimmte der Rothaarige zu. „Ihr erwähntet auch, dass gegebenenfalls Clane Hilfestellungen leisten würden, wenn es zum Äußersten kommen würde…“, hakte Marc nach, bekam aber gleich drauf einen kleinen Stups in die Seite von seiner Frau, die ihn auch streng ansah. Es war ersichtlich, dass der Mann zumindest in militärischer Hinsicht schon mögliche Vorteile abwägte. „Das ist richtig. Gabrielle ist, wie ich schon erwähnte, die Älteste meine jüngeren Geschwister. Und da ich noch keine Kinder habe ist sie derzeit meine Erbin. Schon aus diesem Grund wird der gesamte Feuerclan einschreiten, sollte etwas passieren. Zudem wird Raven meine Schülerin werden, auch aus diesem Grund wird ihr mein Clan zur Seite stehen. Und wir sind wirklich heißblütige Krieger.“ „Und Liam und Rayne entstammen einem besonders zähen Volk. Sie leben in großer Kälte, den Eisfeldern des Makai. Beide entstammen dem Königshaus der Imunas. Rayne ist der Älteste von Fürst Reams Kindern, also sein Erbe. Als Hüter eines magischen Stroms ist er sehr mächtig, ebenso wie sein Zwillingsbruder. Und da die Imunas untereinander äußerst gesellig sind wird Sahva den anderen dieses Volkes früher oder später begegnen. Und ich bin mir mehr als sicher, dass sie sie in ihrem Clan aufnehmen wollen würden.“, fügte Tarabas an. „Des Weiteren sind da noch die anderen Generäle des Inneren Kreises, dessen Mitglied Raven werden soll. Also drei weitere Clane, die einschreiten würden, wenn sie Hilfe benötigt. Immerhin wird sie als Mitglied unseres Kreises als Schwester angesehen werden und wir haben die Angewohnheit, immer für unsere Geschwister einzutreten. Da sind wir Makaianer etwas eigen.“, beendete Larmas die Erklärungen mit einem Grinsen. Marc und Shana schwiegen kurz, doch dieses Mal war es Ravens Vater, der eher beruhigt war. „Könnten wir Raven im Makai denn auch mal besuchen?“, fragte er schließlich. „Ihr ja, Admiral. Eure Gemahlin leider nicht.“, antwortete Tarabas mit einem bedauernden kleinen Lächeln. „Warum nicht?“, empörte sich Shana ein wenig. „Prinzessin, euch ist die Atmosphäre am Sklavenmarkt schon nicht bekommen. Im Makai ist diese noch um ein Vielfaches stärker. Ihr könntet bei uns schlicht und ergreifend nicht überleben, selbst wenn Rayne einen Schutzschild errichten würde. Das Land würde euch die Energie entziehen und es existiert bei uns keine Quelle, die eure Kräfte wieder auffüllen würde. Ihr würdet sterben, sobald ihr unsere Welt betretet. Ihr seid schlicht und ergreifend zu licht.“ „Und Marc würde nichts geschehen?“, hakte sie nach. „Nein. Es kann durchaus seine Vorteile haben, nicht magisch zu sein. Außerdem gibt es Mittel und Wege ergriffen werden können, dass ihm die Atmosphäre nicht schadet.“, versprach Tarabas. Larmas sah Tarabas an. „Hast du zufällig einen Stein vom Schloss da? Daran könnten wir das doch schon mal testen.“, fragte der Rothaarige leise und zeigte unbewusst, dass zwischen ihnen wirklich eine enge Freundschaft bestand, da er auf sämtliche Ränge verzichtete. „Natürlich.“, meinte Tarabas und stand auf, um das Wohnzimmer zu durchqueren und von einem Regalbrett neben seinem Schreibtisch eine Schatulle zu holen. Diese öffnete er während er zurückkehrte und holte etwas heraus. „Versucht das einmal zu berührten.“, forderte er Marc auf und streckte ihm seine rechte Hand entgegen, auf der ein Stück polierter schwarzer Stein lag, der an Onyx erinnerte. Ganz vorsichtig hob Marc seine Hand über den Stein und hielt wenige Zentimeter inne, dann sah er Tarabas an. „Darf ich ihn in die Hand nehmen?“, fragte er nach. „Sicher. Bitte.“ Tarabas öffnete seine Hand mehr und Ravens Vater ergriff das fremde Gestein. „Es ist warm. Speichert es Körperwärme?“, stellte er verblüfft fest. Tarabas und Larmas sahen sich beide mit hochgezogenen Augenbrauen an, dann berührte er behutsam Marcs Hand. „Eher nicht.“, meinte Tarabas amüsiert, während Marc ihn fast schon schockiert ansah. „Eure Haut ist ja eiskalt.“ „Einen Nachteil muss unnatürlich langes Leben ja haben. Das ist meine normale Körpertemperatur.“, erklärte Tarabas mit einem kleinen Lächeln. „Darf ich auch einmal?“, fragte Shana neugierig. „Ihr könnt gerne versuchen euch zu nähern, aber ich befürchte, ihr werdet es nicht berühren können. Aber seit bitte vorsichtig.“, meinte Tarabas, während Larmas nur kritisch die Stirn runzelte. So hob Shana langsamer als sie sicherlich erst beabsichtigt hatte ihre Hand und näherte sich dem Stein in Marcs Hand. Doch sie konnte dem Stein kaum näher als zwanzig Zentimeter nahe kommen, da erklang deutlich hörbar ein Geräusch, was an elektrisches Knistern erinnerte. Shana zog sofort ihre Hand zurück und zischte leise auf, so, als hätte sie sich verbrannt. Wenig begeistert betrachtete sie das schwarze Gestein in der Hand ihres Mannes. „Ich nehme das zurück. Versucht bitte direkt danach eure Gefährtin zu berühren, Admiral.“, forderte Tarabas den Mann auf und nahm den Stein aus dessen Hand. Marc tat wie ihm geheißen und ohne dass etwas passierte konnte er die Haut seiner Frau berühren. „Er ist anscheinend auch immun gegen schwarze Existenzen.“, stellte Larmas fasziniert fest. „Schön, dass sich mein Verdacht bestätigt.“, meinte Tarabas mit einem Lächeln, sah dann aber auf und richtete seinen Blick auf eine Tür, die vom Wohnzimmer abging. Diese öffnete sich auch gleich darauf und Raven trat noch sichtlich verschlafen ein. Als sie ihre Eltern erblickte hellte ein Lächeln ihre Miene auf und sie kam näher. „Haben wir dich geweckt, Sonnenschein?“, fragte Shana erschrocken. „Schon okay.“, meinte sie leise, trat dann an die beiden heran und begrüßte sie mit einem kleinen Kuss auf die Wange, bevor sie sich Tarabas zuwendete und auch ihn küsste, nur gänzlich anders als ihre Eltern. Dessen Gesichtsausdruck war kurz etwas ernst geworden, ganz so, als wollte er tatsächlich ein wenig eifersüchtig werden, dass sie ihre Eltern so begrüßt hatte. Doch als er einen ganz und gar unfamiliären Kuss bekam, verschwand diese Miene so schnell wie sie gekommen war. „Was macht ihr hier?“, fragte sie danach und blickte dann auf den Stein in seiner Hand. „Oh, ist das vom Schloss?“, fragte sie mit einem Lächeln und ihre Müdigkeit war wie von Geisterhand verschwunden. Tarabas legte den Stein in ihre Hand. „Ja. Wir wollten etwas testen.“ Der Stein in ihrer Hand schimmerte leicht auf und Raven hatte sofort das Gefühl, wieder diese freundliche Präsenz zu spüren, die sie schon im Schloss bemerkt hatte. „Bei ihr leuchtet der Stein.“, stellte Shana überrascht fest. „Das ist noch gar nichts. Im Makai leuchtet das Gestein so hell, dass wir keine Lampen brauchen.“, meinte Larmas und betrachtete den Stein in Ravens Hand. „Ich würde echt behaupten, das lebende Gestein mag deine Gefährtin.“, meinte der Rothaarige zu Tarabas. „Das wundert mich nicht.“, meinte Tarabas schmunzelnd, bevor er sich wieder Ravens Eltern widmete. „Dieses Gestein ist etwas besonderes, denn es ist eigentlich ein eigenes fühlendes Lebewesen. Es kommt nur im Makai vor und existiert wohl schon seit Beginn des Universums. Eure Tochter kann seine Existenz spüren wie wir im Makai festgestellt hatten. Das ist auch den Makaianern nur bedingt möglich. Das es warm wird wie bei euch...“, er sah Marc an, „… oder leuchtet wir Sahva bedeutet wohl, dass es euch beide mag. Denke ich zumindest. Diese Reaktionen sind nämlich auch mir neu.“ Raven behielt den Stein in ihrer Hand, denn sie spürte überdeutlich, dass das Gestein sich freute bei ihr zu sein. Damit setzte sie sich dann im Schneidersitz vor ihre Eltern auf den Boden. „Geht es dir wieder besser, Mom?“, fragte sie Shana leise. Diese nickte. „Viel besser, Liam hat mir sehr geholfen. Dir macht es wirklich nichts aus, den Stein zu halten?“ Raven schüttelte den Kopf. „Überhaupt nichts, es ist sogar sehr angenehm. Wieso?“ „Ich kann es nicht berühren. Es tut sogar weh, wenn ich mich nähere. Dein Vater kann den Stein übrigens auch problemlos halten, nur leuchtet er nicht wie bei dir.“, meinte Shana bedauernd. „Nun ja, das du es nicht berühren kannst ist kein Wunder. Das Gestein entstammt immerhin einer schwarzmagischen Welt.“ Raven berührte sanft mit ihrer freien Hand die Hand ihrer Mutter, was ohne irgendwelche Resonanzen funktionierte, obwohl sie noch immer den Stein in der Hand hielt. „Konnte ich dir doch etwas positives vererben.“, meinte Marc mit einem Schmunzeln. „Du hast mir viel Gutes vererbt, Dad, mach dich nicht schlechter als du bist. Warum seid ihr eigentlich hier ins Schloss gekommen?“ „Beim Gespräch mit deinem neuen Freund Rayne kamen einige Fragen auf, die er uns nicht erklären konnte. Liam meinte, wir sollten Tarabas fragen und sind nun auch ein bisschen schlauer.“ Tarabas nahm ebenfalls wieder Platz, während Larmas sich in Richtung Tür orientierte. „Ich kehr mal wieder zu den anderen Pappenheimern zurück. Nicht, dass die sich im Wald verlaufen.“ Tarabas zog aufgrund dieser Aussage einfach nur eine Augenbraue in die Höhe, was diese Aussage stark in Zweifel zog. Und ohne ein weiteres Wort abzuwarten war der Rothaarige dann verschwunden. Auch Raven sah ihm kurz hinterher, bevor sie sich wieder ihren Eltern zuwandte. „Darf man fragen, worum es in eurem Gespräch ging? Ich gehe mal davon aus, dass es um mich ging, oder?“ Marc nickte. „Es wurde eine Theorie aufgestellt, warum du sowohl weiße wie schwarze Magie vertragen kannst. Als wir nicht weiter kamen brachte und Larmas hierher.“ //Es ist noch viel zu früh deinen Eltern zu erklären, welche Rolle dir zugedacht wurde, mein Herz.//, erklang kurz Tarabas‘ Stimme in Ravens Kopf, woraufhin sie kaum merklich nickte. „Und seid ihr schon zu irgendeinem Schluss diesbezüglich gekommen?“, fragte sie nach. „Ja. Wenn du möchtest kannst du dich im Makai ausbilden lassen. Ich stelle dich dafür in der Föderation frei, wenn du zustimmst und wir nach Alpha zurückkehren.“ Wahrhaft überrascht sah sie ihre Eltern an. „Ich… oh, wow.“, meinte sie nur. Marcs Lächeln wurde weicher. „Du möchtest dich dort wirklich versuchen, richtig?“ Raven nickte etwas verlegen. „Dann sieh dein neues Studium als genehmigt an, Kleines. Geh aber davon aus, dass ich dich zwischendurch besuchen werde.“ Raven drehte sich zu Tarabas um. „Das geht?“ „Deswegen hatte ich ihm den Stein gegeben. Er erträgt schwarze Magie. Deswegen wird er auch mit der einmaligen Gewöhnung an die Atmosphäre ebenso umgehen können.“, stimmte Tarabas mit einem sanften Lächeln zu. „Aber du kommst uns auch besuchen, Sonnenschein, ja?“, fragte Shana etwas verunsichert. Sofort sah Raven ihre Mutter an. „Natürlich.“, äußerte sie und ließ daran keinen Zweifel, dass dies selbstverständlich wäre. „Also dann ist das beschlossen. Komm einfach noch kurz mit nach Alpha und organisiere alles, was du für dein neues Studium mitnehmen willst, dann kannst du von mir aus auch schon anfangen.“, meinte Marc, der dann Tarabas zunickte. Dieser neigte dann schweigend mit einem kleinen Lächeln seinen Kopf als Zustimmung. Kapitel 20: Zurück in den Makai ------------------------------- Raven blickte auf ein Arsenal an verkleinerten Boxen, die in ihrer Wohnung auf Alpha zur Abreise bereit standen. Sie hatte nahezu ihre gesamte Garderobe eingepackt, etliche neue Bücher waren gekauft worden, um mögliche Freizeit gut auszugestalten. Zudem hatte sie noch diverse Geschenke von ihrer gesamten Familie bekommen, die sie allerdings erst am Zielort auspacken durfte. Dies alles war so stark verkleinert worden, dass es in eine einzige große Tasche passen würde. Nur ihr Gitarrenkoffer stand unverkleinert neben den Boxen, da sie bezüglich des Instruments immer Bedenken hatte, ob ein Vergrößern und Verkleinern sich nicht doch negativ auf den Klang auswirken könne. „Hast du alles?“, fragte der blondhaarige junge Mann neben ihr, der ihr beim Packen geholfen hatte. Raven lächelte ihren kleinen Bruder an. „Ich denke schon. Ansonsten komme ich her und hole es mir. Solange du mich dann rein lässt, Sean.“ Der junge, sehr ansehnliche Mann schnaubte etwas amüsiert, bevor er sich eine Strähne seines welligen Haares aus dem Gesicht pustete. „Das ist und bleibt deine Wohnung, Rav. Aber danke, dass ich während deiner Abwesenheit hier wohnen darf.“ Raven strich ihrem Bruder die störrische Strähne zurück und sah ihm in die blauen Augen. Er war etwas größer als sie selbst und hatte als Einziger von ihnen zumindest in Ansätzen die Locken ihres Vaters geerbt. Ansonsten sah er Serena sehr ähnlich. „Hey, wenn du in Ruhe studieren willst ist eine eigene Bude die beste Lösung. Ich bin echt froh, dass du jetzt doch auf Alpha bleibst.“ Sean zuckte nur kurz mit seinen Schultern. „Die medizinische Fakultät hier ist klasse, für das Grundstudium sehe ich nicht ein, irgendwo anders hinzugehen. Außerdem muss doch jemand auf Mom und Sera aufpassen, wenn du nicht da bist. Und ich kann hier in deinen bestimmten Büchern ein bisschen weiter forschen.“ Ihr Bruder war ihr in den Interessen was die Glaubensrichtungen anging sehr ähnlich. „Du packst das schon, Süßer. Ich bin ganz sicher, dass du ein klasse Arzt wirst.“ „Ich gebe mir auf jeden Fall die größte Mühe.“, versprach er ihr, dennoch war seine Miene ein wenig verschlossen. „Och komm schon, Sean, bist du etwa immer noch grummelig, weil du Tarabas noch nicht kennenlernen konntest?“, neckte Raven ihren Bruder freundlich. Er sah sie mit einer ähnlich ernsten Miene an, die auch ihr Vater bis zur Perfektion beherrschte, dann seufzte er leise. „Ein bisschen. Immerhin haben die anderen ihn schon treffen können.“, meinte er leise. Raven wollte grade etwas sagen, da spürte sie einen ganz leichten Schauer auf ihrer Haut. Sie blickte an Sean vorbei, da wurde die besagte Person sichtbar. „Dreh dich mal um.“, forderte Raven ihren Bruder mit einem Schmunzeln auf, woraufhin dieser tat, wie ihm geheißen wurde. Tarabas lehnte mit vor der Brust verschränkten Armen an der Wand hinter Ravens Bruder, hatte den Kopf ein wenig zur linken Schulter geneigt und lächelte ein sowohl geheimnisvolles wie auch amüsiertes Lächeln. Er hatte dieses Mal kaum etwas von der aristokratischen Zurückhaltung, die er auf Laos immer ausstrahlte, sondern wirkte lockerer, da er in seiner eigentlichen Gestalt erschienen war. Seine Kleidung, die er dieses Mal gewählt hatte, unterstrich dies noch, denn er trug zu seiner obligatorischen schwarzen Stoffhose ein körperbetontes Sakko in weinrot, welches ein weites Revers hatte, das an der Brust offen stand. Darunter trug er ein weißes Hemd, ähnlich wie die Jacke geschnitten und das nur wenig mehr von seiner Brust verbarg wie das Sakko. Sean schrak tatsächlich zusammen, als er den Schwarzhaarigen wahrnahm. „Alter!“, murmelte er erst, doch dann bemerkte Raven mit einer gewissen Genugtuung, dass ihr kleiner Bruder ihren neuen Freund fasziniert ansah. „Das ist Tarabas.“, meinte Raven amüsiert. „Wär ich nicht drauf gekommen.“, zischte Sean seiner Schwester zu, dann lächelte er erstmals und trat auf den Neuankömmling zu. „Hi. Ich bis Sean.“, meinte er und reichte Tarabas seine Hand. „Ich weiß. Ich freue mich, euch endlich persönlich kennenzulernen, Prinz Sean.“, meinte Tarabas freundlich und schlug behutsam ein, darauf achtend, dass seine langen Fingernägel die Haut des jungen Mannes nicht berührten. „Lass das Prinz bitte weg. So spricht mich niemand an und es klingt einfach nur falsch.“, bat er und schüttelte sich leicht. „Ja, ihr seid definitiv verwandt.“, lachte Tarabas leicht, dann trat er auf Raven zu und schenkte ihr einen sanften Begrüßungskuss. „Hallo mein Herz. Ich sehe du bist aufbruchbereit.“ „Hatte ich doch versprochen.“, meinte sie schmunzelnd, dann glitt auch schon die Wohnungstür auf und Serena kam hereingeeilt. „Rav, hast du alles oder kann ich dir noch bei irgendwas helfen? Oh, hallo Tarabas.“, begrüßte Seans Zwillingsschwester Ravens Freund. „Serena.“, begrüßte Tarabas die junge Frau mit einem Lächeln und seinem typischen Neigen des Kopfes. „Nein, Kleines, ich hab alles. Denke ich zumindest.“, meinte Raven amüsiert. „Und was sie nicht mit hat bekommt sie im Makai.“, fügte Tarabas ebenso amüsiert an. Dann blickte er auf den Stapel mit Boxen, der auch gleich darauf einfach verschwand. Kaum war das geschehen, da glitt die Tür zu Ravens Wohnung auch schon wieder auf und Ravens Eltern und ein weiterer Mann trat ein, der Marc wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich sah, nur wesentlich mehr weiße Strähnen in den dunklen Locken hatte. Zudem trug er sein Haar kürzer als Ravens Vater. „Hey, Terry, was machst du denn hier?“, fragte Raven überrascht und mehr als erfreut, eilte auf Marcs Zwilling zu und nahm ihren Onkel stürmisch in die Arme. „Du glaubst doch nicht, dass ich dich so einfach verreisen lasse, ohne dich noch einmal zu sehen, Rav.“, meinte der Mann und drückte Raven kurz an sich. Marc schmunzelte, dann entdeckte er Tarabas. Dieser hatte es grade noch geschafft, vor dem Eintreffen von Ravens Eltern und Onkel sein Aussehen anzupassen. „Tarabas. Willkommen auf Alpha.“, meinte Marc, nachdem dieser auf Tarabas zugegangen war und reichte ihm seine Hand. „Admiral.“, erwiderte Tarabas den Gruß freundlich, bevor er sich die Versammlung an Personen betrachtete und auch vor Shana kurz den Kopf neigte. „Donnerwetter, es ist voll hier geworden.“ „Tja, alle wollten sich noch einmal von meiner Tochter verabschieden. Das bei Raven ist übrigens Terrence, mein Zwillingsbruder. Terry, das hier ist Tarabas, Ravens neuer Freund. Er hat ihr den neuen Studienplatz ermöglicht.“ Marcs Zwillingsbruder ließ seine Nichte los und kam näher. „Hi. Schön dich kennenzulernen.“, meinte Terrence freundlich und musterte Tarabas kurz. „Du hast einen guten Geschmack, Kleines.“, lobte dieser Raven, woraufhin auch Sean nickte. „Ich weiß.“, grinste Raven und kehrte an Tarabas‘ Seite zurück. „Hast du alles, Sonnenschein?“, wiederholte nun Shana Serenas Frage und sah sich etwas irritiert nach den Boxen um, die Tarabas grade hatte verschwinden lassen. „Wo sind denn deine Sachen?“ „Ich habe sie bereits an mich genommen, Prinzessin. Sahva muss sich darum nicht kümmern.“, erklärte Tarabas. „Danke.“, meinte Shana nur mit sanftem Lächeln. „Für alles.“ „Ich habe für Sahva zu danken.“, meinte Tarabas, unterließ aber eine weitere Erklärung für seine Worte. „Ach Scheiße!“, meinte mit einem Mal Serena, die plötzlich ihre Arme um ihre Schwester schlang und sich fest an sie drückte. „Hey, Kleines, alles gut. Ich komme doch wieder.“, lachte Raven und schlang ihre Arme liebevoll um ihre Schwester. Tarabas konnte anhand des leichten Bebens von Serenas Schultern sehen, dass Ravens Schwester am weinen war. „Du warst noch nie wirklich lange weg.“, raunte Serena ihrer Schwester so leise zu, dass nur diese ihre Worte hören konnte. „Ach Süße.“, meinte Raven sanft lächelnd und drückte Serena eng an sich. „Serena ist kein Mama- oder Papakind, sondern eher ein Große-Schwester-Kind.“, meinte Marc schmunzelnd, während Raven ihre Schwester hielt. „Ihr könnt froh sein, dass sich eure Kinder so gut verstehen, Admiral. Ich kenne das durchaus anders.“, meinte Tarabas zu ihm. Marc zog amüsiert seine Augenbrauen in die Höhe. „Ich denke, das mit den militärischen oder gesellschaftlichen Titeln können wir bleiben lassen, oder? Ich bin Marc.“ Marc reichte Tarabas seine Hand und dieser schlug nach einem verblüfften Zögern mit einem Lächeln ein. „Damit habe ich so schnell nicht gerechnet.“, gestand dieser ein. „Nun ja, du bist nicht nur der Freund meiner Tochter geworden, an den Gedanken habe ich mich übrigens so langsam gewöhnt, du hast auch ziemlich viel für meine Familie getan. Da ist das doch wohl das Mindeste. Und Raven lacht wieder richtig seit sie dich kennt. Die Trennung von ihrem letzten Freund hatte ihr sehr zugesetzt und einen Teil ihrer Fröhlichkeit genommen.“ Tarabas sah Marc überrascht an, während sich Shana, Terrence und Sean zu den Schwestern gesellten, um Serena wieder etwas zu beruhigen. Auch wenn er Ravens Erinnerungen in sich aufgenommen hatte, er griff absichtlich nicht darauf zurück. Wahrscheinlich sollte er das in diesem Fall einmal ändern. Marc bemerkte seine Überraschung. „War eine ziemlich unschöne Geschichte, Raven wird sie dir sicherlich irgendwann mal erzählen. Sie hat jetzt einen neuen Lebensabschnitt begonnen und ich denke, mit dir wird sie wieder zu ihrem alten Selbst finden. Zumindest wäre es schön, wenn sie wieder lockerer werden würde.“ „Ich gebe mir die größte Mühe, dass dies geschehen wird. Und alle anderen im Makai werden sicherlich auch ihren Teil dazu geben.“, versprach Tarabas, doch seine Miene war nun ernst. „Sie bedeutet dir wirklich viel, richtig?“, fragte Marc mit einem kleinen Lächeln nach. Tarabas nickte. Raven strich noch einmal ihrer Schwester über das lange blonde Haar. Serena hatte sich wieder gefangen und die Tränen waren versiegt. Dennoch war ihre Traurigkeit mehr als ersichtlich. „Du kommst uns bald wieder besuchen?“, fragte sie. „Natürlich Kleines.“ „Dennoch solltest du dir etwas Zeit nehmen und dich einleben, Sonnenschein. Versprochen?“, fragte Shana ihre Älteste. „Auch das, Mom.“ Sean legte seinen Arm um seine Zwillingsschwester und zog sie ein wenig von Raven fort. „Na komm, lassen wir die beiden aufbrechen, Sera.“, meinte er sanft. Serenas Miene wurde zwar düster, doch sie nickte ihrem Bruder zustimmend zu. „Ich komme sobald es geht wieder zu Besuch, versprochen.“, meinte Raven, küsste ihre Schwester auf die Wange und umarmte dann erst ihren Onkel, dann ihren Bruder. „Ich bin ein bisschen neidisch muss ich gestehen. Tarabas sieht wirklich klasse aus.“, wisperte Sean seiner Schwester ins Ohr. Lächelnd sah Raven ihren Bruder an. „Du findest auch noch den oder die richtige, Kleiner. Du bist grade erst 19 geworden. Setz dich nicht so unter Druck. Selbst Sera hatte noch keinen Freund.“ „Sera wird aber von ner Unmenge an angehenden Priesterinnen und Priestern angehimmelt, du hast das schon mal selbst miterlebt. Da kann man neidisch oder eifersüchtig werden.“ Sanft streichelte Raven über Seans Wange. „Du musst weder das eine oder andere sein und das weißt du auch. Du bist so ein hübscher Kerl, Sean. Und die Aufmerksamkeit der angehenden Priesterschaft brauchst du ganz sicher nicht. Du findest schon jemanden für dich, da bin ich mir ganz sicher.“ Sie küsste Sean noch einmal kurz auf die Wange, dann nahm sie ihren Onkel in die Arme. „Zeig den Leuten in deiner neuen Heimat, was ich dir beigebracht habe, Kleines, okay?“, riet Terrence ihr und sah ihr mit einem strahlenden Lächeln in die Augen. „Das mache ich auf jeden Fall. Immerhin hast du meine Gelenkigkeit geschult.“, versicherte sie ihm. Shana hatte sich unterdessen mit Serena zu Marc und Tarabas gestellt. „Ich frage mich immer noch, wie ich euch eure Hilfe bei meiner Befreiung vergelten kann.“, meinte Shana leise zu Tarabas, doch dieser winkte ab. „Das habt ihr schon längst, Prinzessin.“, meinte Tarabas. Verwundert sah sie ihn an. „Ihr habt eurer Tochter das Leben geschenkt.“, meinte er nur schmunzelnd. Eine weitere Erklärung gab er nicht, da Sahva auf sie zukam. „Von mir aus können wir gerne aufbrechen.“, meinte sie zu dem Schwarzhaarigen. Ihn so im Kreise ihrer Familie zu sehen, die ihn wie selbstverständlich akzeptiert hatten, war schon ein schönes Bild, da er zum ersten Mal nicht so distanziert wirkte wie sie es sonst bei ihm kannte. Dennoch musste sie gestehen, dass sie sich darauf freute, ihn für eine längere Zeit in seiner Heimat zu erleben. Er hatte im Makai anders gewirkt als auf Laos, wilder, ungezügelter. Und sie konnte es nicht bestreiten, es machte sie jedes Mal schier an, wenn sie an ihr kurzes Beisammensein im Makai dachte. „Dann macht das.“, meinte Marc. „Gibt es keine Möglichkeit, wie wir Kontakt halten können? Es fühlt sich komisch an, wenn es nichts diesbezüglich geben würde.“, fragte Shana Tarabas. Tarabas sah Ravens Mutter mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Ich überlege mir eine Lösung, Prinzessin, die ihr auch nutzen könnt.“, versprach er ihr. Sie lächelte strahlend. „Danke.“ Raven nahm noch einmal ihre Eltern und Geschwister in die Arme, dann wandte sie sich ganz Tarabas zu. „Von mir aus können wir jetzt gerne aufbrechen.“, meinte sie sanft lächelnd. Zustimmend neigte er ebenfalls lächelnd seinen Kopf und breitete seine Arme ein wenig aus. Vertrauensvoll trat sie direkt vor ihn und genoss es, wie sich seine Arme um sie schlossen. Ein wenig fürchtete sie sich vor dem Schwindel und der Übelkeit, die sie sicherlich wieder überkommen würde, wenn sie die Welten gewechselt hätten. Doch sie wusste, dass Tarabas auf sie aufpassen würde und das nahm ihr irgendwie auch wieder ihre Angst. „Gute Reise.“, hörte sie noch, wie ihre Mutter ihnen wünschte, dann wurde sie Welt um sie herum schwarz. Wieder einmal dauerte die völlige Finsternis um Raven etliche Sekunden an, doch sie spürte die gesamte Zeit, wie sie sanft gehalten wurde. Und ihr fiel auf, dass der Druck und das Zerren an ihr fehlte. Bei ihrem ersten Wechsel der Welten hatte sie das Gefühl gehabt zerrissen zu werden und war ohnmächtig geworden. Sie dachte noch kurz daran, dann wurde mit einem Mal die Finsternis heller und sie hatte das Gefühl, als würde sie mit einem Mal verschwommen so etwas wie eine Tür vor sich sehen, aus der die Helligkeit kam. Dann wurde es so hell, dass sie kurz ihre Augen schließen musste. Sie stöhnte leise und protestierend, da es nach der Finsternis ihn ihren Augen schmerzte, doch auch dieses Gefühl war nur sehr kurz. „Alles in Ordnung?“, hörte sie Tarabas Stimme leise fragen. Sie wagte es sofort ihre Augen wieder zu öffnen und blinzelte etwas verwirrt. Ihr Blick wurde sofort wieder klar und sie sah zu ihm auf. Glühend silberne Augen blickten besorgt auf sie herab, sie konnte gar keine Pupillen bei Tarabas ausmachen. „Mir ist gar nicht schlecht.“, stellte sie verblüfft fest. „Warum sollte dir schlecht sein?“, war seine ebenfalls verblüffte Frage. „Das war es mir doch auch bei meiner letzten Ankunft. Oder sind wir noch gar nicht im Makai?“ Nun kicherte Tarabas leise und ließ sie los, dann trat er einen Schritt zur Seite. „Schau.“, meinte er nur. Raven tat dies. Sie standen inmitten des riesigen Wohnbereichs, in dem sie die makaianischen Generäle kennengelernt hatte. Sie konnte die bogenartigen Durchgänge zum verzauberten Garten sehen, die anscheinend gar keine Fensterscheiben hatten, sondern einen immerwährenden Durchgang in den Garten bildeten. „Willkommen zurück im Makai, Wächterin.“, raunte Tarabas ihr mit leiser Stimme ins Ohr, nachdem er wieder unbemerkt hinter sie getreten war. Seine Stimme wurde dabei noch etwas tiefer als sie eh schon war und verursachte ein unglaubliches Kribbeln in ihr. Sofort drehte sie sich wieder zu ihm um, sodass sie sich wieder ansehen konnte. Tarabas‘ Augen schienen noch immer zu glühen, auch wenn die Intensität etwas nachgelassen hatte. „Danke, das ich wieder hier sein darf.“, meinte sie mit einem Lächeln, dann streichelte sie die Haut an seiner Brust, die Sakko und Hemd frei ließen. Als sie dies tat stieß er einen wohligen, tiefen Ton aus, wie sie ihn noch nie gehört hatte, sie spürte ihn auch eher durch ihre Fingerspitzen als dass sie ihn wirklich hörte. Er ließ es auch nicht lange zu, dass sie ihn so berührte, sondern ergriff relativ zeitnah ihre neckende Hand und hob sie sich an seine Lippen, um ihr dann einen Kuss auf die Handfläche zu geben. „Wenn du nicht möchtest, dass ich dich hier und jetzt auf dem Boden nehme gleich was kommt und ja, so schlimm steht es schon um mich, dann lass uns damit noch ein klein wenig warten. Ich befürchte, wir werden schon bald Besuch von deinen Geschwistern bekommen.“ Verwirrt sah Raven Tarabas kurz an und fragte sich, wie ihre Geschwister mit einem Mal hier sein konnten, da sie sie doch grade erst auf Alpha zurück gelassen hatten, da strich seine Zungenspitze neckend über ihre Handfläche. Sein immer kühler Körper war auch dort kühl, dennoch jagte es ihr einen Schauer purer Lust durch den Körper. Stockend holte sie Luft, dann spürte sie mit einem Mal, wie tatsächlich jemand näher kam. Es war ein seltsames Gefühl, wie ein warmes Kribbeln in ihrem tiefsten Inneren. „Geschwister?“, schaffte sie es dennoch zu fragen, dann stürmte auch schon eine riesige weiße Raubkatze zur Terrassentür herein. Tarabas trat anscheinend geistesgegenwärtig einen Schritt zurück, dann fand sich Raven unter den Tatzen der Raubkatze wieder. Und auch gleich darauf auf dem Boden des Wohnzimmers, wo eine raue Katzenzunge ihr Gesicht abgeleckt wurde. Erst war sie erschrocken, doch jadefarbene Augen und das Gefühl puren Glücks nahm dieses Gefühl sofort von ihr fort. „Hallo Liam.“, lachte sie und tauchte ihre Hände in das lange, unglaublich weiche Fell des Imunas. Gleich darauf rieb sich auch schon das zweite Katzengesicht an ihr und das laute Schnurren der beiden erfüllte den Raum. „Hallo Rayne.“, begrüßte sie den Älteren der beiden ebenso liebevoll. „Deine Kampfgeschwister meinte ich.“, hörte sie Tarabas‘ amüsierte Stimme. „Wow, das sieht gemütlich aus, darf ich mitmachen?“, erklang die nächste, wohlbekannte Stimme von Durchgang zum Garten her. Raven schaffte es sich aufzusetzen, dann sah sie auch schon Larmas das Wohnzimmer betreten. „Kommt ihr immer durch den Garten hier rein?“, fragte sie, kuschelte noch einmal Liam, dann stand sie wieder auf. Rayne hatte in der Zwischenzeit seine menschliche Gestalt wieder angenommen. „Meistens. Ist der kürzeste Weg. Hallo Kleines.“, begrüßte der Feuerdämon sie, der wieder seine intensivroten Haare hatte und zu seiner Lederhose und Kampfstiefeln nur eine offenstehende Weste trug. //Deswegen meinte ich, dass wir etwas abwarten sollten.//, hörte sie Tarabas‘ Stimme in ihren Gedanken. //Ja, das war ein guter Vorschlag. Ich hoffe dennoch, dass unser Vorhaben nur auf später verschoben ist.//, antwortete sie ihm und sah ihn an. Sie hatte ihm zwar schon ein paar Mal kurz telepathisch geantwortet, doch irgendwie hatte sie das Gefühl, dass ihr Senden dieses Mal intensiver war als sonst. Dass sie sich dabei nicht täuschte sah sie sie daran, dass er kurz und tief durch seinen leicht geöffneten Mund Luft holte und das Glühen seiner silbernen Augen für einen Augenblick intensiver wurde. //Ganz bestimmt ist es das.//, kam dann seine Antwort mit einer gewissen Verzögerung. Glücklicherweise schien niemand der Anwesenden seine Reaktion zu bemerken. „Also, steht schon etwas für heute an? Willkommensparty mit einem riesigen Besäufnis oder sowas?“, fragte Larmas und ließ sich einfach im Schneidersitz auf einem nahen Tisch nieder. „Wie alt bist du nochmal, Larmas?“, lachte Raven und bekam das breiteste Grinsen zu sehen, welches sie jemals erlebt hatte. „Kein Rakas!“, ermahnte Tarabas und kam nun auch näher, um sich dann auf einen nahen Sessel zu setzen und die Beine übereinander zu schlagen. „Was ist Rakas?“, fragte Raven verblüfft. „Ein wirklich starkes alkoholisches Getränk, was Larmas destilliert. Du willst es nicht trinken, mein Herz, außer, du willst sofort betrunken sein.“ Eine Windböe kam mit einem Mal in den Raum. Dieser wurde blitzschnell milchig, dann nahm Jebrill Gestalt an. //Hallo Raven. Ich hab schon gehört deine Mutter ist gut in eurer Heimat angekommen?//, fragte dieser mit einem kleinen Lächeln und so, als wäre dies selbstverständlich umarmte auch er sie kurz. „Ja, es geht ihr auch wieder richtig gut. Ich soll euch allen ihren Dank ausrichten.“, meinte Raven. Das erste Mal ging die Tür zu Tarabas‘ Wohnung auf und Balin trat ein, grade rechtzeitig, um ihre Worte noch zu hören. „Den Dank nehmen wir doch gerne an. Hallo kleine Schwester. Willkommen im Makai.“ So bullig der Wasserdämon auch aussah, seine Umarmung war sanft und liebevoll. „Danke Balin.“, freute Raven sich. „Roxa und Gabrielle sind derzeit unterwegs, ihr seid eher hier als wir mit euch gerechnet hatten. Deine Schwester wird eurem Clanältesten mehr Feuer unterm Hintern bereiten als ihm lieb sein kann, weil er sie zum Vulkandorf beordert hat.“, meinte Balin und ließ sich ebenfalls auf einen Sessel nieder, der neben dem Tisch stand, auf dem Larmas saß. Dieser zog nur Schultern und Augenbrauen in die Höhe. „Ich hab ihn gewarnt das sie austicken wird, sollte ihre neue Herrin hier ankommen und sie nicht da wäre, um sie zu begrüßen wie es sich gehört. Er bestand darauf, dass sie umgehend wieder in den Clan integriert wird. Nicht mein Problem.“, meinte Larmas nur. „Also, was stellen wir dann mit unserem neuen Lehrling an, wenn wir schon nicht ordentlich mit ihr Einstand feiern dürfen?“, fragte Larmas weiter. //Was haltet ihr davon, wenn sie erst einmal ihr Quartier bezieht und sich einrichtet. Sicherlich möchte Tarabas ihr auch schon die ersten Räumlichkeiten zur Orientierung zeigen. Ab Morgen ist für uns mehr als genug Zeit. Und du kannst deiner Schwester unterdessen eine Nachricht schicken, Larmas.//, meinte Jebrill und Raven bemerkte, wie er einen kurzen Blick auf Tarabas warf, der alles andere als begeistert wirkte, dass die anwesenden Generäle anscheinend ihren Tag hatten verplanen wollen. „Was haltet ihr davon, wenn wir später zusammen essen? Ich habe zwar keine Idee welche Tageszeit wir hier derzeit haben, aber ein gemeinsames Abendessen wäre doch sicherlich machbar, oder?“, versuchte Raven eine Lösung zu finden. „Klasse Idee. Essen ist immer gut.“, meinte Larmas und erntete dafür gutmütig-spöttisches Gelächter seiner Kameraden. „Das dir der Vorschlag gefällt ist nicht weiter verwunderlich.“, spottete Balin. „Hey, ich habe einen hohen Energiehaushalt, ich kann nichts dafür, dass ich fast immer Hunger habe.“ Tarabas‘ Schmunzeln kehrte aus seine Lippen zurück und er schüttelte leicht seinen Kopf. „Lasst uns ein gemeinsames Abendmahl einnehmen, am Übergang vom blauen in den weißen Mond. Die Planung dafür überlasse ich euch, dafür lasst ihr uns ein wenig Ruhe, damit Sahva ankommen kann. Und Larmas, sag zum Wohl der Finsternis deiner Schwester Bescheid, sie ist auch eingeladen. Ich möchte keine schlecht gelaunte Feuerdämonen-Prinzessin hier im Schloss haben.“, ordnete er an. Larmas tippte mit zwei Fingern in salutierender Weise an die Stirn, was aber nur mit sehr viel Fantasie als Salut bezeichnet werden konnte. „Wird umgehend erledigt.“, meinte dieser grinsend und erhob sich auch gleich. Die anderen Generäle taten es ihm gleich, traten aber zuerst noch an Raven heran und umarmten sie liebevoll. „Nochmal Willkommen im Makai, kleine Schwester.“, begrüßten sie sie alle und Raven dankte ihnen glücklich. Nie hätte sie gedacht, dass sie sich bei einem Neubeginn so wohlfühlen würde. Als letzter verabschiedete sich Jebrill auf diese Weise und legte hauchzart seine Wange an ihre. //Darf ich dir einen Tipp geben? Nick einfach nur, Tarabas soll das grade nicht mitbekommen.//, erklang seine Stimme in ihrem Kopf. Ganz leicht nickte sie verwundert. //Tarabas ist sehr angespannt, nicht gut für einen so mächtigen Fürsten. Also sehe ich mal zu, dass ihr für die nächste Zeit in diesem Gebäude ungestört seid. Was du dann mit ihm machst, dass er sich entspannt… überlasse ich dir. Übrigens: Er liebt Wasser.// Dann richtete er sich auf und zwinkerte ihr zu, nur um dann mit den anderen Tarabas‘ Wohnung durch die Tür zu verlassen. Verblüfft sah Raven Jebrill hinterher und schrak dann ein wenig zusammen, als sie mit einem Mal von hinten in die Arme genommen wurde. Tarabas hatte sich vollkommen lautlos und schnell bewegt, denn soeben hatte er noch auf dem Sofa gesessen. Sein Kinn lehnte er auf ihrem Kopf ab, was bei seiner Körpergröße alles andere als schwer war und drückte sich regelrecht an sie. Dabei spürte sie, dass er ganz leicht am Beben war. Sie wollte etwas fragen, doch er kam ihr zuvor. „Die sechs können froh sein, dass ich sie so sehr respektiere.“, grollte er leise und der leicht aggressive Ton seiner Stimme sorgte dafür, dass sich ihre Haare leicht aufstellten. Aber nicht aus Furcht. Ihm hatte es anscheinend grade nicht gefallen, dass die anderen sie zum Abschied umarmt hatten. So berührte sie mit ihren Händen seine Unterarme und lehnte sich von sich aus noch etwas an ihn. Er war angespannt wie Marmor und sie spürte, wie sich seine Brust deutlich hob und senkte. „Wohne ich jetzt hier bei dir?“, fragte sie dann leise und auch ein bisschen unsicher, denn sie war sich nicht sicher, ob es okay war, wenn sie einfach so bei ihm einzog. „Das hoffe ich doch. Das entscheidest ganz allein du, mein Herz.“, schnurrte er nun regelrecht und seine tiefe Stimme sorgte erneut dafür, dass das Kribbeln in ihrem Innern zunahm. Er hielt sie noch für einen Moment in seinem festen Griff, dann ließ er los und kam um sie herum. Seine Augen schienen wieder leicht von sich aus zu glühen. „Aber ich habe das Schloss dennoch gebeten, dass du einen eigenen Bereich bekommst, in den du dich zurückziehen kannst. Ich zeige ihn dir.“ Er verschränkte seine Hand mit der ihren und seine langen Fingernägel kamen kühl auf ihrer Haut zum liegen, was Raven überdeutlich spürte, dann zog er sie sanft mit sich durch den Wohnbereich. Sie hielten auf sein Schlafzimmer zu, dessen Tür sich automatisch vor ihnen öffnete. Dahinter lag sein Schlafzimmer, in dem sie bei ihrem ersten Aufenthalt hier erwacht war. Auch dieses durchquerte er und hielt auf eine Tür zu, an die sie sich nicht erinnern konnte. „Öffne sie.“, forderte er sie mit einem sanften Lächeln auf und ließ ihre Hand wieder los. Ein wenig nervös legte sie ihre Hand auf den Türgriff und verharrte einen Augenblick, bevor sie den Griff herunter drückte. Lautlos bewegte sich die Tür aus honigfarbenem Holz in ihren Angeln und schwang nach innen auf. Zuerst war es dunkel im Innern, doch kaum war die Tür geöffnet entflammte Licht. Woher es kam konnte Raven nicht sagen, denn sie sah keine Lampen. Was sich dann aber vor ihr ausbreitete schien einem ihrer Träume entsprungen zu sein. Der Raum war annähernd so groß wie ihre Wohnung auf Alpha und eingerichtet mit genau der Art von Möbeln, die sie so sehr liebte. Wundervolle antik wirkende Schränke, ein wirklich großes und tiefes Polstersofa, das zum darauf ausstrecken und verweilen einlud, Kissen, mehr als ausreichend Kerzen in schmiedeeisernen Haltern und ein dicker, weicher Teppich auf dem Boden. Ein großer Schreibtisch mit bequem aussehendem Stuhl wartete darauf, dass an ihm gearbeitet wurde, es lagen sogar Papier und Stifte bereit. Sie entdeckte sogar ein großes Bett eingelassen in etwas, was wie ein Alkoven wirkte. Und Türen eines groß wirkenden Schrankes, der ebenfalls in die Wand eingelassen war. Die Boxen, die Tarabas an sich genommen hatte, standen direkt vor diesem Schrank und warteten darauf ausgepackt zu werden. Es war genau so, wie sie es liebte, sogar Felldecken lagen auf dem Sofa zum darin kuscheln bereit. „Oh mein Gott…“, hauchte sie perplex und überwältigt. „Ich hoffe es gefällt dir. Ich bemühe mich, nicht auf das Echo deiner Seele zurückzugreifen, welches in mir geblieben ist, nachdem ich sie gehalten habe, doch in diesem Fall fand ich es für angebracht.“, meinte er mit einem kleinen Lächeln. Sie drehte sich zu ihm um, legte ihre Hände um seinen Nacken und zog seinen Kopf zu sich herunter. Es dauerte einen Augenblick bis er dies zuließ, doch dann beugte er sich und sie küsste ihn aus Dankbarkeit und Glück. Es wurde ein langer Kuss und das leise Grollen kehrte zurück. Dann verstärkte sich sein Griff um ihren Po und er zog sie an seinem Körper empor, sodass sie sich sofort auf Augenhöhe mit ihm befand. Den Kuss unterbrach er nicht, er hielt sie einfach vollkommen mühelos, als würde sie nichts wiegen. „Das Zimmer ist perfekt. Danke.“, wisperte sie an seinen Lippen. „Das freut mich.“, antwortete er ihr ebenso leise und sie spürte, wie sich seine Lippen zu einem zufriedenen Lächeln verzogen. Dann setzte er sich in Bewegung, doch Raven war es vollkommen egal, wohin er sie trug. Sie küsste ihn lieber weiter und begann dann, mit ihren Fingerspitzen über die freiliegende Haut seines Halses und dann tiefer zu seiner Brust zu streicheln. Er reagierte sofort, stockte in seiner Bewegung und holte tief Luft an ihren Lippen. Und an einer anderen Stelle, die sie genau spüren konnte, bemerkte sie auch sofort die Reaktion seines Körpers auf ihre zaghaften Streicheleinheiten. Er wollte definitiv mehr. So stahlen sich ihre Hände tiefer unter die Stofflagen und sie fuhr seinen Oberkörper ab. Die Haut war unglaublich weich und zart, nie hätte sie die Haut eines Erwachsenen derart samtig erwartet. Wie immer war seine Haut kühl, für sie beinahe unnatürlich, wie die eines Toten. Dennoch spürte sie unter seinem Brustbein einen leichten, langsamen Herzschlag und sie lächelte. Also hatte auch er ein Herz, welches seine Arbeit versah. Gleichzeitig spürte sie wohl definierte, harte Muskelstränge, die einen sportlichen Körper zeichneten. „Mein Herz… ich kann nicht…“, wisperte er an ihren Lippen, mehr ein Stöhnen als eine normale Artikulation, dann knabberte er an ihrer Unterlippe. Sein Atem hatte sich verändert und ging schwerer. Er wollte eindeutig mehr, dennoch stand er momentan mitten im Raum mit ihr und bewegte sich nicht mehr. „Was?“, fragte sie lockend, nachdem er ihre Unterlippe wieder freigegeben hatte. Er lehnte seine Stirn an ihre, die Augen geschlossen. Erst jetzt bemerkte sie, dass er wieder ganz leicht zu beben schien. Er ließ sie behutsam los und die rutschte an seinem Körper herunter, bis sie von allein wieder stand. Dabei zischte er leise, als sie einen ganz bestimmten Körperteil streifte. „Es ist zu lange her…“, murmelte er und es klang fast wie eine Entschuldigung. Dann öffnete er seine Augen und das Silber in ihnen brannte wortwörtlich. Das Leuchten in ihnen überstrahlte seine Pupillen. Zudem hatte Raven das Gefühl, als würde etwas anderes in ihm erwachen, etwas Wildes, etwas, was er mühsam unter Kontrolle hielt. Etwas, das sie schon einmal erlebt hatte, bevor ihre Kollegen sie auf Laos unterbrochen hatten. „Darf ich dich ansehen?“, fragte sie und zupfte ein wenig an den Knöpfen, die seine Jacke geschlossen hielten. Sofort öffnete er seine Jacke und Raven streifte den edlen Stoff von seinen Schultern. Das Hemd, welches er darunter trug, knöpfte sie selbst auf und zog es aus seiner Hose. Darunter offenbarte sich ein schlanker, sehr trainierter Körper und sie erblickte die Muskelstränge, die sie ertastet hatte. Er hatte einen Körper mit einer Bauchmuskulatur zum neidisch werden. „Wow.“, murmelte sie, sorgte noch dafür, dass auch das Hemd auf dem Boden landete und begann dann einfach mit beiden Händen über seine Körpermitte zu streicheln. Seine Muskeln spannten sich bei ihrer ersten Berührung sofort an, fast ein wenig erschrocken, doch sogleich entspannte er sich wieder, senkte dabei dann seinen Kopf ein klein wenig. „Warum versteckst du diesen Körper?“, fragte Raven wahrhaft fasziniert, während sie die fast weiße Haut streichelte. Dann ging sie ganz langsam um ihn herum, die Hände weiterhin dafür nutzend, seinen Oberkörper streichelnd zu ertasten. Er drehte seinen Kopf soweit es die Anatomie zuließ und verfolgte sie mit seinem Blick. Raven hatte sich noch nie so kühn gefunden wie in diesem Augenblick, doch sie ließ sich einfach von ihrer Intuition leiten. Als sie hinter ihm stand und er ihren Bewegungen nicht mehr folgen konnte ohne völlig unnatürliche Verrenkungen zu machen hielt sie einen Moment inne. Sie hatte vieles über Dämonen und Dunkle gelesen und wusste, dass sie es ablehnten, wenn sich jemand in ihrem Rücken aufhielt. Tarabas war vollkommen still dabei, sie hörte nur sein leicht keuchendes Ein- und Ausatmen. Schließlich drehte er seinen Kopf nach vorn und senkte ihn wieder leicht, ebenso spürte sie, wie er sich weiter entspannte, ein absoluter Vertrauensbeweis in ihren Augen. Da erst schlang sie langsam und zärtlich ihre Arme um seine Hüften, trat dicht an ihn heran und schmiegte ihre Wange an sein langes, dickes Haar, das seinen Rücken bedeckte. „Du bist so unglaublich schön.“, murmelte sie in die tiefschwarzen Haare und spürte wieder das sanfte Grollen, welches er ausstieß und seinen Körper vibrieren ließ. „Dir gefällt… was du siehst?“, fragte er leise, wobei seine Stimme vor Lust nochmals etwas tiefer geworden war. Sie lächelte. „Ja, sehr sogar. Du erfüllt vollkommen mein Schönheitsideal bei Männern.“, gestand sie ihm, woraufhin das Grollen stärker wurde, ebenso wie seine Atmung. Sie bemerkte, wie er seine Hände immer wieder zu Fäusten ballte und entspannte, so, als wüsste er nicht genau, was er nun machen sollte, wo sie ihn einfach nur umarmte. So löste sie langsam wieder ihre Umarmung, blieb aber direkt hinter ihm stehen. Nur ihre Hände begaben sich wieder auf Wanderschaft, während sie den feinen Geruch seiner Haare einatmete. Sie hatte keine Ahnung was sie da roch, doch es war angenehm und sie hatte das Gefühl, dass sie stundenlang so dastehen könnte. Ihre linke Hand streichelte weiter und ging nach oben zu seinem Brustbein. Mit der Rechten indes fuhr nach unten, ließ das Bündchen seiner Hose hinter sich und spürte sofort den Beweis seines derzeitigen Zustands. Auch dort war er wohldefiniert und vor allem hart wie Stein. Und sobald sie ihre Hand dort drauf legte fing er an zu fauchen, bevor sich die Lautstärke des Grollens verstärkte und er seine Hände nun fest zu Fäusten ballte und sie auch so beließ. „Sahva… geliebte Finsternis…“, stöhnte er und sein Kopf legte sich ein wenig in den Nacken. Sie hielt mit ihren Streicheleinheiten inne. „Soll ich aufhören?“, fragte sie neckend und fühlte sich wahrhaft wagemutig, denn seine Reaktionen sorgten dafür, dass auch ihr Körper vor Vorfreude prickelte. So löste sie ihre Umarmung ganz und gab seinen Körper frei. Er reagierte so blitzschnell, dass sie gar nicht verstand, warum sie auf einmal auf dem Boden lag. Ausgestreckt lag sie auf dem Rücken auf dem weichen Teppich, über sich der große Mann mit den grell glühenden Augen, der wie ein schwarzer Panter wirkte. Alles kultivierte, was sie von ihm kannte, jegliche Zurückhaltung war verschwunden. „Wage es ja nicht.“, grollte er tief und auch eine Spur aggressiv. Andere hätten an dieser Stelle sicherlich Angst verspürt, denn ein Teil ihres Verstands sagte ihr, dass sie sich in absoluter Gefahr befand. Doch der Großteil ihres Selbst wusste, dass er ihr niemals etwas antun würde. So hob sie wieder ihre Hände, langsamer dieses Mal und begann, die Knöpfe ihrer Bluse aufzuknöpfen. Sie war froh, dass sie diesen Morgen auf die Idee gekommen war, ausnahmsweise einmal eine anzuziehen. Normalerweise tat sie das nur in Ausnahmefällen. Jetzt tat ihr dieses Kleidungsstück gute Dienste, denn sein Blick ruckte sofort nach unten, als sie ihre Hände bewegt hatte. Jeder Handgriff wurde mit der Intensität eines Raubtiers verfolgt und sie hatte das Gefühl, das Glühen seiner Augen wurde noch greller, je mehr Stoff auseinander geschoben wurde. „Wenn du magst kannst du mich auch gerne berühren.“, forderte sie ihn sanft auf. Wieder erstarrte er einen Augenblick, bevor er ihr wieder in die Augen sah. Ganz leicht schüttelte er seinen Kopf. Zuerst war sie verwundert warum er das tat, doch es erschien, als wolle er einen klaren Kopf bekommen. „Ich werde dich verletzen.“, wisperte er. Seine Stimme hatte das aggressive Grollen fast verloren. Anscheinend wollte er sich wieder unter Kontrolle bringen. „Das wirst du nicht.“, versicherte sie ihm mit einem sanften Lächeln und schloss ihre rechte Hand um sein linkes Handgelenk, welches sich fast auf Höhe ihrer Schulter befand. „Sahva, wenn ich so bin wie jetzt bin ich gefährlich. Meine Hände können dann alles durchdringen, die Nägel tiefe Wunden schlagen. Ich habe darüber keine Kontrolle. Wenn ich dich verletze könnte ich mir das niemals verzeihen.“, erklärte er ihr und sie spürte, wie er sich zurückziehen wollte. „Du wirst mir nichts tun.“, sprach sie mit tiefster Überzeugung. „Versuch es einfach.“ Sie zog sanft an seinem Handgelenk und nach einiger Zeit gab er nach. Langsam führte sie seine Hand zu ihrem Herz und legte diese, die er wieder zu einer lockeren Faust geschlossen hatte, direkt über ihr schnell schlagendes Lebensorgan. Sobald seine Haut die ihre berührte und er ihren Herzschlag spürte begann er wieder schwerer zu atmen. „So lebendig…“, murmelte er beinahe wie hypnotisiert und ganz automatisch öffnete sich seine Hand, um dann sanft auf dem schlagenden Herzmuskel zu ruhen, genau zwischen ihren Brüsten. „Das letzte Mal spürte ich kaum noch etwas davon.“ Etwas an seinem Blick veränderte sich, auch wenn sie das ob des Glühens eigentlich mehr erahnte als sah. Sein Blick schien ein wenig entrückt, als würde er nach etwas suchen. Und anscheinend finden, denn mit einem Mal fing er sanft an zu Lächeln. „Deine Seele hat sich wirklich wieder vollkommen an ihrem angestammten Platz verankert.“ „Du kannst sie sehen?“, fragte Raven leise, obwohl sie die Antwort eigentlich kannte. „Natürlich. Ich bin der Tod, der erste Seelenwächter. Ich kann jede Seele sehen. Deine ist besonders schön. Sie leuchtet kraftvoll aber in einer Art, die ich ohne Probleme betrachten kann.“ Seine Stimme wurde immer leiser und er schien wie wegzutreten, je länger er sie in dieser Art betrachtete. „Und die singt einen wunderschönen Ton...“, murmelte er. Raven legte ihre Hand zurück in seinen Schritt, was ihn augenblicklich aus dieser Trance holte. Das Grollen kehrte zurück, so laut wie bislang noch nie, dann änderte sich die Intensität seines Blicks. Auch spürte Raven, dass das Wilde in ihm schlagartig zurück war. „Meinst du nicht, dass es unfair ist, wenn nur ich dich berühre?“, lockte sie ihn mutig und hob langsam ihre freie Hand, um ihren BH etwas nach unten zu ziehen. Es passierte nicht wirklich viel, doch es bewirkte genau das, was sie beabsichtigt hatte. Ohne ein weiteres Wort oder Zögern beugte er sich tiefer, nahm seine Hand, die ihren Herzschlag erspürt hatte dazu, eine ihrer Brüste freizulegen. Dann nahm er sofort die mittlerweile feste Knospe in seinen Mund und umspielte sie mit seiner Zunge. Nun war es an ihr wohlig zu schnurren, zumindest kam ihr der Ton, den sie ausstieß, so vor. Sie räkelte sich ein wenig bei dieser Liebkosung unter ihm, denn das Kribbeln in ihrem Innern nahm stetig zu. Und wurde kurz darauf von einem kühlen Lufthauch begleitet, der über ihren Körper strich. Sogleich spürte sie, dass ihre Kleidung komplett verschwunden war. Tarabas richtete sich etwas auf und schenkte ihr ein dunkles Lächeln, dann strich er behutsam mit einer Hand über die Haut. „Ich denke jetzt ist es an mir zu betrachten, was du so unter deiner Kleidung versteckst.“, meinte er und ließ seinen Worten Taten folgen. Doch er betrachtete nicht nur, sondern verwöhnte die betrachteten Bereiche gleich ausgiebig mit Küssen und leichtem Knabbern. Er wusste was er tat, denn schon recht schnell war es an Raven, kaum noch einen klaren Gedanken zu haben und nur noch zu fühlen. Als wüsste er instinktiv wie sie Liebkosungen am liebsten mochte verwöhnte er abwechselnd ihren Körper und ihre Lippen, bis sie das Gefühl hatte, kein Zentimeter ihrer Haut war ungekostet geblieben. Sie zitterte vor Lust und wimmerte leicht, wenn seine nun doch wandernden Finger und langen Nägel über die Haut strichen, aber nicht in die Richtung gingen, an der es sie am meisten nach Berührung verlangte. „Tarabas… bitte…“, flehte sie leise und legte ihre Hand um sein Handgelenk, um diese endlich an eine bestimmte Stelle zu zwingen. Das dunkle Lächeln war die ganze Zeit geblieben, in der er sie verwöhnt hatte, und sie spürte wie das Wilde in ihm völlig die Oberhand gewonnen hatte. „Schon so ungeduldig?“, raunte er und beugte sich tief über ihren Körper, sodass sein Haar über ihre Haut strich. Erneut verstärkte sich das Zittern bei ihr und wie als Belohnung berührte er die magische Stelle zwischen ihren Beinen und übte ganz leichten Druck aus. Ihr Körper dankte es ihm beinahe augenblicklich indem er sie vor Lust aufschreien und zucken ließ. Doch noch war die Erlösung fern. „Mehr… bitte!“, flehte sie weiter. Er hielt inne und seine Miene wurde kurz ernst, was Raven allerdings nicht mitbekam, da sein Gesicht nahe dem ihren war. „Bist du dir wirklich sicher?“, raunte er in ihr Ohr und zupfte behutsam mit den Zähnen an ihrem Ohrläppchen. „Es wird kein Zurück mehr geben, wenn ich weiter gehe.“ „Willst du… mich nicht?“, fragte sie und ein Hauch von Panik war in ihrer Stimme zu hören. Sofort nahm er ihre Hand, die kurz zuvor sein Handgelenk umklammert hatte, und legte sie an seinen Schritt. Er war noch immer steinhart und der Stoff seiner Hose spannte sich fest um die große Wölbung. „Sieht das so aus, als würde ich nicht wollen?“, knurrte er aggressiv, bevor er ihr dann fest in die Augen sah. „Nur bist du dann die Gefährtin eines Dunklen und keine Lichtprinzessin mehr. Es kann sein, dass die Priester deiner Mutter das bemerken. Und ich warne dich, ich befürchte, ich werde was dich angeht sehr besitzergreifend sein.“ Raven griff fest in seine Haare und zog fest daran, sodass er drohend knurrte. „Du sagst, du kannst meine Erinnerungen sehen. Dann weißt du auch, wie meine Einstellung zum Thema Lichtpriester ist. Finde die Antwort selbst!“, forderte sie ihn auf, während ihr Körper nach Erlösung verlangte. Er schüttelte leicht seinen Kopf als Zeichen, dass er nicht auf ihre Erinnerungen zugreifen wollte und knurrte aggressiv weiter. „Sieh nach, verdammter Sturkopf!“, zischte sie ihn an. Um seinen Widerstand zu umgehen knöpfte sie seine Hose auf, was alles andere als einfach war, und schob ihre Hand unter den Stoff, nachdem ihr dies gelungen war. Unter dem Stoff der Hose trug er nichts außer sich selbst, so glitt ihre Hand gleich an dem Zeichen seiner Lust entlang. Keuchend holte er Luft und stöhnte sofort auf, dann knickten seine Arme ein und er landete quasi auf ihr. Es gelang Raven ihre Position zu drehen, sodass sie sich dann auf ihm befand. Und das, was sie wünschte, quasi kurz vor der richtigen Stelle hatte. „Ich bin keine gottverdammte Lichtprinzessin, merk dir das. Und die Meinung der Priester ist mir mehr als egal. Ich entscheide für mich selbst.“ Und sie bewies es ihm damit, dass sie die Initiative ergriff und sich das nahm, wonach sie beide grade am meisten verlangten. Kapitel 21: Willkommen im neuen Leben ------------------------------------- Das sie jemals das erste Mal mit ihrem neuen Partner auf dem Boden vollziehen würde hätte Raven niemals für möglich gehalten, doch irgendwie hatte es sich bei ihnen so abgezeichnet. Das waren ihre ersten Gedanken, nachdem sie völlig erschöpft aber glücklich auf dem Boden wieder zu Atem gekommen war. Tarabas hatte sie an sich gezogen und sie fühlte sich beschützt und absolut wohl, auch wenn ihr langsam etwas kühl wurde. „Wieder wach?“, hörte sie seine leise, leicht amüsierte Stimme neben sich, woraufhin sie zu ihm aufsah. „Ich bin eingeschlafen?“, fragte sie überrascht. Er kicherte leise. „Nachdem du mit einem alten Dämon auf besondere Art getanzt hast ist das glaube ich nicht weiter verwunderlich, oder? Du bist eine kleine Wildkatze wenn man dich reizt, weißt du das?“ Sie kuschelte sich etwas enger an ihn. Seltsamerweise hatte sie nicht mehr das Gefühl, dass seine kühle Haut sie störte. Es war fast schon, als würde er sie wärmen. Denn dort wo sie sich nicht an ihn schmiegte war ihr mittlerweile doch etwas kalt. Ein leichter Schauder lief über ihre Haut, den sie aber zu unterdrücken versuchte. Natürlich wurde er dennoch bemerkt, denn Tarabas richtete sich sofort auf und betrachtete sie. „Du frierst.“, stellte er mit einem leisen Vorwurf in der Stimme fest. „Na ja, wir liegen auf dem Fußboden.“, erinnerte sie ihn schmunzelnd und quietschte leise auf, als er blitzschnell aufstand und sie sich sogleich auf seinen Armen wiederfand. „Dennoch sollte ich es nicht zulassen, dass du frierst.“, meinte er und trug sie sofort aus ihrem neuen Zimmer hinaus in sein Schlafzimmer. Hier fiel ihr Blick auf sein Bett und mit einem kleinen Grinsen kam ihr die Überlegung, wie sich hier wohl ein weiteres Mal anfühlen würde. „Du erinnerst dich daran, dass ich deine Gedanken lesen kann, ja?“, fragte Tarabas und seine Stimme nahm wieder dieses wundervolle Schnurren an, welches sie jetzt schon ein paar Mal an ihrem Ohr gehört hatte. Ein wenig verlegen lachend lehnte sie ihr Gesicht an seine Brust und war gespannt, was er nun vorhatte, denn er steuerte in seinem Schlafzimmer die eine Tür an, die bislang immer verschlossen gewesen war. Wie schon zuvor öffnete sich auch diese Tür wie von Zauberhand und Licht entflammte im Inneren dieses Raumes, allerdings war es hier eine Vielzahl an Kerzen, die aufleuchteten und diesem Raum in ein warmes Licht tauchte. Es war ein wahrhaft großes Bad, welches sich vor Raven auftat. Ein wenig erinnerte sie dieser Raum an eine Grotte, in deren Mitte ein großes Becken im Boden eingelassen war. Es war groß genug, dass sie darin einige Schwimmzüge machen konnte mutmaßte sie. Und über der Wasseroberfläche kräuselte sich leichter Dampf, der wohlig warmes Wasser versprach. Auch so war der Raum wundervoll warm. „Wow.“, meinte sie und sah sich um, auch, als Tarabas sie auf ihre Füße stellte. Selbst der Boden war wundervoll warm, fast so, als hätte Sonne das Gestein über Tag aufgewärmt. „Ich denke, wir könnten beide eine Dusche vertragen, bevor wir das Becken nutzen.“, schlug er vor und schob sie behutsam zu einer Nische. Verwundert trat sie dort ein und fand sich dort dann vor einer Wand wieder, aus der gut einen Meter über ihr mit einem Mal Wasser in Form eines Wasserfalls aus einem Vorsprung in der Wand sprudelte. Staunend trat sie vor und stellte sich dann einfach unter das weiche Wasser, welches genau die richtige Temperatur für sie hatte. Mit einem wohligen Seufzen schloss sie die Augen und genoss so die Wärme, während sie ihr immer noch langes Haar aus dem Gesicht strich. So bekam sie erst nicht mit, wie sich Tarabas mit einem Mal hinter sie stellte und dann behutsam ihre Schulter berührte. „Erschreck nicht.“, meinte er leise und sanft, dann spürte sie, wie er etwas in die langen Strähnen goss und dann damit ihre Haare einschäumte. „Das musst du nicht.“, versuchte sie ihm verwirrt klar zu machen. „Das weiß ich.“, meinte er nur und ließ sich nicht von ihrem kleinen Unbehagen abhalten. Raven entspannte sich auch schnell wieder, denn es war ein wundervolles Gefühl, wie er trotz seiner hier langen und scharfen Fingernägel mit einer festen Massage ihren Kopf umsorgte. „Wir Makaianer sind etwas eigen, wenn wir unsere Partner gefunden haben.“, erklärte er schließlich leise und schob sie dann so unter das fallende Wasser, dass der Schaum aus ihren Haaren ausgespült werden konnte. „Der Ältere sieht es als selbstverständlich an, den jüngeren Partner in intimen Dingen zu umsorgen.“ Raven drehte ihren Kopf so, dass sie ihn sehen konnte. Seine Augenlider waren gesenkt und seine Haut wirkte aufgrund seiner tiefschwarzen Haare im Licht der Dusche noch einmal bleicher und er somit geheimnisvoller. „Dürfen die Jüngeren den Älteren denn auch zur Hand gehen?“, fragte sie lockend. Seine Augenlider hoben sich wieder und er sah sie kurz schweigend an. „Selbstverständlich.“, meinte er dann und zog dann einen Hocker herbei, der an der Wand neben dem Durchgang zur Nische gestanden hatte. Auf dieses setzte er sich dann. „Was für eine Seife bevorzugst du für deine Haare?“, fragte Raven sanft, woraufhin er kurz mit seinem Zeigefinger in die Luft zeigte. Direkt vor ihnen erschien eine kleine Karaffe mit einer sehr dunklen, etwas zäh wirkenden Flüssigkeit darin. „Nimm das.“, meinte Tarabas. Raven zog den gläsernen Stopfen aus dem Hals der Karaffe und goss sich die dunkle Flüssigkeit in ihre linke Hand. Ein wundervoller Duft erfüllte die Dusche der erklärte, woher die feine Note kam, die sie erst vor kurzem in Tarabas‘ Haaren bemerkt hatte. „Das riecht gut. Woraus wird die Seife gemacht?“, fragte sie und stellte die Karaffe auf den Boden, bevor sie die dunkle Flüssigkeit in seinem Haar verteilte. „Der Duft kommt von einer Blume, die wir Nachtblume nennen. Hier im Makai ist sie eine Art allgegenwärtige Waldpflanze.“, erklärte er ihr. „Deine Lieblingsblume nehme ich an.“, stellte Raven fest und begann nun seine Kopfhaut zu massieren. „Ich denke, das könnte man so sagen.“, war seine Antwort, bevor sich seine Augenlider schlossen und ein leises und genießerisches Seufzen zu hören war. Zufrieden lächelnd massierte Raven weiter und ließ ihre Hände durch die langen und durch die Nässe nun wirklich schweren Haarsträhnen gleiten, während sich die Seife zu einer weichen und duftenden Wolke aus Schaum entwickelte. „Was erwartet mich jetzt eigentlich?“, stellte sie dann nach einigen Sekunden des friedlichen Schweigens die Frage, die ihr durch den Kopf waberte, seit es feststand, dass sie in den Makai umziehen würde. Tarabas öffnete seine Augen wieder und sah sie über die Schulter hinweg an. „Du wirst zu einem Mitglied des Inneren Kreises ausgebildet werden. Das bedeutet wohl, dass du dich zuerst einer kritischen Begutachtung deiner Fähigkeiten stellen musst und dann von jedem im Kreis unterrichtet wirst. Ich gehe davon aus, dass du während der Unterrichtszeit bei jedem einzelnen auch deren Clan kennenlernen wirst.“ „Also werde ich fünf Lehrer haben.“, meinte Raven nachdenklich. „Sechs.“, korrigierte Tarabas mit einem sanften Lächeln. Verwundert sah sie ihn an. „Ich gehöre auch dem Inneren Kreis an, mein Herz. Nur kann ich nicht mit einem eigenen Clan aufwarten.“ Raven errötete leicht verlegen. „Natürlich. Verzeih.“ Er stand auf und stellte sich vor sie. „Das ist nichts, worum du um Verzeihung bitten müsstest.“ „Ich bin immerhin hier, weil ich deine Wächterin sein möchte. Dass ich dann bei meinen Lehrern ausgerechnet den Hauptlehrer vergesse spricht nicht grade für mich, meinst du nicht?“ Sie goss sich erneut Seife in die Hand und begann damit seine Brust sanft einzuseifen. „Und was erwartet mich bei meinem… Lieblingslehrer?“, fragte sie dann fast schon ein wenig lockend und war gespannt, ob er auf ihre doch etwas unbeholfene Art der Verführung ansprach. Sanft und mit wenig Druck ihrer Finger verteilte sie die Seife auf seiner Brust und stellte wieder fasziniert fest, wie austrainiert er zu sein schien. Es zeigte Wirkung, denn seine Augenlider senkten sich wieder, sein Lächeln verschwand und wurde von etwas ersetzt, was sie nur als erste Lust bezeichnen konnte. „Geliebte Finsternis…“, murmelte er und blieb vollkommen regungslos vor ihr stehen. Regungslos bis auf einen bestimmten Körperteil wie Raven zufrieden feststellte, denn genau dieser Körperteil verdeutlichte ihr, dass sie mit ihrer Aktion den gewünschten Effekt erzielte. So kümmerte sie sich ausgiebig um seine Körperhygiene. Sie reinigte ihn vom Hals bis zu den Hüften, nahm sich dann seine Arme und die schlanken Hände mit dem langen Fingern und Nägeln vor. Er ließ sie gewähren, sie spürte nur die ganze Zeit seinen Blick aus den halb verhangenen Augen auf sich ruhen. Als sie damit fertig war setzte sie ihre Arbeit an seinen Füßen fort. Sie ließ sich auf dem Boden der Nische auf die Knie sinken und fuhr langsam von den Füßen über die Fesseln hinauf bis zum Knie. Nun endlich spürte sie, dass Tarabas langsam unruhig wurde. Mit einem wissenden Lächeln wusch sie dann Außenschenkel bis zum Gesäß – welches wirklich fest war wie sie sich eingestehen musste – bevor sie dann nichts anderes mehr zum Ausweichen hatte. So strich sie dann mit ihrer rechten Hand über seinen Innenschenkel. Sofort erfüllte tiefes Grollen die Nische und sie fand sich gleich darauf an die Wand am Wasserfall gedrückt. Viel Wasser bekam sie nicht ab, da Tarabas sich zu ihr herab beugte und das Wasser abschirmte. Dabei küsste er sie derart stürmisch, dass dies fast einem Angriff gleichkam. //Du spielst mit dem Feuer, Wächterin.//, erklang gleich darauf seine Stimme in ihrem Kopf, während er weiterhin mit ihrer Zunge spielte und seine Arme fest um ihren Körper geschlungen hatte. Seine Gedanken waren nun intensiv und sie spürte die Finsternis und Macht in seinem Innern, die er anscheinend immer abgemildert hatte, wenn sie miteinander telepatisch kommuniziert hatten. Es fühlte sich an wie ein erregender Strudel, der sich in ihrem Innern ausbreitete. //Ich weiß.//, antwortete sie ihm auf die gleiche Art und Weise und spürte, dass er kurz in seinem Kuss stockte, als sie ihm ihre Gedanken sendete. Anscheinend spürte auch er nun etwas stärkeres, wenn sie auf diese Art mit einander kommunizierten. Dann setzte er seinen Kuss fort, noch einmal wilder als zuvor, bevor er sie wieder anhob, als wäre diese Tat ein Leichtes. Er hob sie so, dass sie ihre Schenkel um seine Hüften schlingen konnte, so, wie sie es schon in ihrem Zimmer getan hatte. Nur dieses Mal war keinerlei störende Kleidung zwischen ihnen, sodass sie sofort seine Härte in sich aufnehmen konnte. Sie stöhnte begeistert auf, als er sie so vollkommen ausfüllte, er knurrte tief und presste sie weiterhin an die Wand hinter dem Wasserfall, während er damit begann, sich in ihr zu bewegen. Im Gegensatz zu ihrem ersten Mal waren diese Stöße nun von Anfang an stärker, wo sie aber nichts dagegen hatte. Im Gegenteil, sie genoss es sogar, ihn mir heißen Küssen weiter anzustacheln. So kam es, dass sie beide dieses Mal recht schnell auf den höchsten Flammen der Lust tanzten. Aber trotz der wieder einmal ungewöhnlichen Ortswahl für ihr Spielchen konnte sie spüren, wie er Tarabas reagierte, wenn ihn die Lust vollkommen übermannte. Er hielt Nase und Mund ganz dicht an ihrer Kehle und atmete stöhnend ihren Duft ein, während er seine letzten harten Stöße tat und sich dann mit tiefem Knurren in ihr verströmte. Nachdem sie beide wieder zu Atem gekommen waren sah Tarabas sie mit einem leicht matten, aber sehr zufriedenen Lächeln an, während noch immer die Massen an Wasser über seinen Kopf liefen. Raven konnte nicht anders und streichelte ihren Dämon liebevoll. Er genoss diese Zärtlichkeit, zog sie dann aber sanft an ihrer freien Hand und mit sich aus der Nische heraus. „Ich denke, wir sollten noch ein wenig Ruhe genießen, bevor die anderen zurückkehren.“, meinte er und ging mit ihr zum Wasserbecken, wo er sie liebevoll wieder auf seine Arme nahm und zusammen mit ihr in die warmen Wassermassen eintauchte. An einem Rand ließ er sich auf eine unter Wasser eingelassene Liege gleiten und ließ sie an seine Seite rutschen. Mit einem absolut sanften Lächeln lehnte er sich zurück, woraufhin Raven sich an seine Seite kuschelte. „Ich habe dir deine Frage noch gar nicht beantwortet.“, meinte er dann sanft und leise. Verwundert sah Raven auf. „Was meinst du?“ Er lachte leise, dann strich er ihr eine Haarsträhne zurück. „Was du von mir lernen wirst.“, erinnerte er sie. Ravens Augen weiteten sich kurz als sie sich an ihre Frage erinnerte, die sie aber aufgrund ihrer erfolgreichen Verführung völlig verdrängt hatte. „Stimmt, da war ja noch was.“, lachte sie dann leise. „Und, was lerne ich von dir?“ „Hauptsächlich geschichtliches denke ich. Als neuer General solltest du die Eigenarten und kulturellen Errungenschaften des Makai kennen. Dann solltest du wissen, mit welchen Welten wir Bündnisse eingegangen sind. Ich werde dir erklären, welche Vorgehensweise ich ich vorziehe, wenn es zu einem neuen Bündnis kommen. Sicherlich wirst du eines Tages auch in die Lage sein, über ein mögliches Bündnis zu einer neuen Welt entscheiden zu müssen.“ „Das traust du mir zu?“, fragte Raven überrascht. Tarabas schmunzelte leicht. „Mein Herz, ich weiß, dass du schon jetzt über ein ausgesprochen feines Gefühl verfügst, ob sich dein Gegenüber dir wohlwollend oder berechnend verhält. Wenn du ausgebildet bist und gelernt hast, wieder auf deine Intuition zu hören und ihr zu vertrauen wirst du eine genauso objektive Herangehensweise entwickelt haben wie alle anderen auch. Im Basar, als der junge Krieger zu uns in die Loge kam, hast du dich von deiner Eingebung leiten lassen und genau so agiert, wie es in unseren Augen richtig ist. So hast du dafür gesorgt, dass der neue Krieger von Anfang an ohne Hass und offen in die neue Welt wechselte.“ „Hat er sich denn schon eingelebt?“, fragte sie neugierig. „Er ist noch dabei. Da er viele Jahrzehnte als Sklave verbracht hat konnte er es erst nicht verstehen, dass er hier in Freiheit leben wird. Er ist sehr misstrauisch, was ich aber mehr als nachvollziehen kann. Aber er wird es lernen, dessen bin ich mir sicher.“ „Hattet ihr nicht gesagt, dass von seinem Volk hier Angehörige leben?“ Tarabas nickte. „Es leben beinahe 100 Angehörige seines Volkes hier. Das hilft ihm sich einzugewöhnen, doch es fällt ihm schwer. Er muss als Kind oder Jugendlicher von seiner Familie fort gekommen sein und wurde dann von diversen Meistern ausgebildet. Er erzählte bislang noch nicht viel, aber wir haben herausgefunden, dass er hauptsächlich zur Belustigung in blutigen Kampfspielen eingesetzt wurde.“ „Ein Gladiator also.“, dachte Raven laut, woraufhin Tarabas sie etwas verwundert ansah. Sie schloss daraus, dass ihm dieser Begriff nicht wirklich geläufig war. „In der Vergangenheit meiner Geburtsheimat, auf Terra, gab es ein Volk, die ebenfalls Kämpfer und Gefangene in Arenen zur Belustigung des Volkes auf einander hetzten. Sie wurden Gladiatoren genannt und waren hauptsächlich Sklaven. Sie wurden aber gut versorgt und bekamen für die damalige Zeit eine wirklich gute ärztliche Betreuung, wenn dies notwendig war. Zudem bekamen sie in entsprechenden Schulen die Ausbildung zum Kämpfer.“ Neugierig hörte Tarabas zu. „Ich sollte mir vielleicht einmal die Geschichte vom Volk deines Vaters aneignen. Das klingt interessant.“ Raven lachte leise. „Da wirst du einiges zum erlesen haben. Es gibt derzeit viele hundert Völker auf Terra und in der Vergangenheit haben viele Kulturen gelebt, die es heute gar nicht mehr gibt. Alle haben eine interessante Geschichte erlebt.“ „Ich liebe Herausforderungen.“, meinte Tarabas mit einem Schmunzeln. Raven schwieg einige Sekunden. Tarabas bemerkte dass ihr anscheinend eine Frage auf den Lippen lag und wartete erst einmal ab, ob sie von selbst damit heraus rückte. Immerhin hatte er schon festgestellt, dass sie ihre eigenen Interessen durchaus zurückstellte. Schließlich sah sie auf. „Was muss ich eigentlich als deine Wächterin wissen oder können?“ Endlich stellte sie die Frage, auf die er mehr oder weniger seit dem Zeitpunkt wartete, an dem Artris ihnen beiden eröffnet hatte, dass sie seine Wächterin war. „Wie das mit dem Können ist weiß ich ehrlich gesagt nicht wirklich, mein Herz.“ Überrascht sah sie ihn an. „Ich bin ausgestoßen, vergiss das nicht. Ich habe bislang nur ein einziges Mal einen der Wächter gesehen. Das ist noch gar nicht mal so lange her und war auch nur ganz kurz. Alles was ich weiß ist die Theorie über die Aufgabe der Wächter. Ihr habt das Talent die Gefühle der Alten zu erkennen und in gewisser Hinsicht zu steuern, sollte dies notwendig sein. Das scheint angeboren zu sein, denn dieses Talent zeigte sich ja von dem Augenblick an, als wir uns kennenlernten. Du hast erkannt wie ich reagieren sollte obwohl ich es nicht konnte. Du spürst Situationen, die für andere außer dir gefährlich wären und kannst mich aufhalten, wie wir im Haus von Meister Minan gemerkt haben. Und ich bemerke sehr wohl wie du reagierst, wenn sich meine Dunkelheit zeigt. Eigentlich fürchtet man sich davor.“ Sanft streichelte er ihr eine nasse Haarsträhne zurück und dann ihre Wange. „Ich habe immer das Gefühl, dass du mir nichts tun wirst.“, versuchte Raven zu erklären. „Und das werde ich auch nicht. Hoffe ich zumindest, garantieren kann ich das aber nicht.“ Ganz vorsichtig, fast schon ein wenig scheu, nahm er ihre Hand und verschränkte ihre mit seiner. „Ich bin gefährlich, Sahva. Das darfst du niemals vergessen. Die Macht und Finsternis in mir lässt mich manchmal Dinge tun, auf die ich alles andere als stolz bin. Ich halte sie eisern zurück doch es kann immer mal wieder vorkommen, dass sie hervorbricht. Wenn das passiert reagiere ich nur noch instinktiv. Und das bedeutet, ich greife an, ohne dass ich darüber nachdenken kann. Mein rationelles Denken setzt dann vollkommen aus. Viele dunkle Völker haben dafür einen passenden Namen.“ Aufmerksam und mit ernster Miene hörte Raven zu und ihr kam eine Bezeichnung in den Sinn, die sie durchaus schon mal gelesen hatte. „Blutrausch?“ Tarabas nickte. „Das passt ganz gut wie ich finde. Ich entwickelte diesen Zug kurz nach meiner von den anderen meiner Art ungeplanten Schöpfung. Deine Großmutter und ich wurden nach unserer Manifestation gewaltsam voneinander getrennt, weil alle spürten, von was ich die Verkörperung bin. Das erste Gefühl, was ich verspürte, war Angst. Und direkt danach kam Zorn, der sich dann in Hass wandelte.“ „Was ja auch nicht wirklich verwunderlich ist, oder? Wie soll man denn etwas anderen empfinden, wenn man so behandelt wird? Da muss doch ein Trauma zurückbleiben.“, ereiferte sie sich empört. Tarabas Augen weiteten sich einen kurzen Augenblick überrascht, dann richtete auch er sich auf und küsste sie sanft, bevor sie zornig werden konnte. Irgendwie überkam ihn nämlich das Gefühl, dass sie das werden wollte. „Ich danke dir, dass du mich in dem Punkt verstehst. Aber du wirst dann sicherlich auch nachvollziehen können, dass es nicht gut gehen kann, wenn jemand mit meinen Fähigkeiten die Kontrolle verliert. Bei mir bedeutet Kontrollverlust nicht nur Blutvergießen. Ich beruhige mich nur dann wirklich, wenn ich töte oder zerstöre. Das ist leider meine Natur. Ich bin das Lebensende.“ Sein Blick wurde mit einem Mal tieftraurig, während sein Daumen wieder über ihre Wange streichelte. „Und das bedeutet auch, dass ich nicht fähig bin, neues Leben zu erschaffen. Solltest du eines Tages den Wunsch haben Kinder bekommen zu wollen und du mich als deinen Partner akzeptierst, dann werde nicht ich es sein, der dir diesen Wunsch erfüllen wird.“ Ein wenig erschrocken sah Raven ihn an, denn eine solche Offenheit zum jetzigen Zeitpunkt hätte sie niemals erwartet. Er spürte das. „Du bedeutest mir wirklich viel, Sahva. Und ich habe dir versprochen, dass ich immer ehrlich zu dir sein werde, sowie du immer eine ehrliche Antwort auf deine Frage erhalten wirst. Deswegen ist es nur berechtigt, dass ich dir von Anfang an diese Tatsache sage.“ „Und du bist sicher, dass du keine Kinder zeugen kannst?“, fragte sie leise. Man sah ihr an, dass ihr seine Offenbarung doch ein wenig zusetzte. Tarabas schmunzelte leicht, doch dieses Mal hatte sein Schmunzeln einen bitteren Ausdruck. „Mein Herz, hast du ungefähr eine Ahnung, wie alt dieses Universum ist?“, fragte er. Raven stutzte und dachte nach. Sie wusste eine grobe Antwort, da dieses Thema in diversen Unterrichtsstunden auf Alpha als wissenschaftliche Schätzung thematisiert worden war. „Auf Alpha schätzen die Forscher das Alter des Universums auf über 13 Milliarden Jahre, wenn ich mit meiner Erinnerung völlig falsch liege? Wieso?“ „Es sind sogar über 13,8 Milliarden Jahre, wenn man die Definition deiner beiden Heimatwelten zugrunde legt. Ich bin ein Hüter der Lebensenergien, mein Herz, denn das sind die Alten, auch wenn ich das Lebensende verkörpere. Ich bin zwar der Jüngste meiner Art, aber ich bin dennoch so alt wie dieses Universum. In dieser Zeit habe ich es durchaus das ein oder andere Mal mit unterschiedlichen Partnern und Methoden versucht Nachwuchs zu zeugen. Es geht nicht. Mein Samen erzeugt keine Früchte. Solltest du einmal Kinder wünschen müssten wir andere Wege finden. Und das bedeutet leider auch einen anderen leiblichen Vater.“ Er sprach so ruhig diese Tatsache aus, doch Raven spürte, dass tief in ihm Kummer über diese Tatsache vorherrschte. So beugte sie sich einfach vor und schlang ihre Arme um ihn. Er versteifte sich etwas verwirrt über ihre Tat. „Du wünschst dir aber eigene Kinder. Das spüre ich.“, wisperte sie leise in sein Ohr. Er holte stockend Luft, als sie diese Erkenntnis aussprach. Dann schlang er seine Arme um sie und lehnte seine Stirn an ihre. „Gütige Finsternis, Sahva. Hast du eine Ahnung wie befremdlich es ist, wenn jemand Dinge in dir erkennt, die du selbst vor dir verborgen hältst?“, fragte er nach einiger Zeit der Stille. „Ja, kenne ich.“, murmelte sie während sie ihn hielt. „Ich habe nur wenige Wünsche für mich selbst, aber ja, das wäre einer davon, wenn ich das zulassen würde. Aber wenn man weiß, dass sich etwas niemals erfüllen wird, sollte man gar nicht erst zu träumen beginnen. Diese Lektion habe ich schon vor sehr langer Zeit gelernt.“ Dann richtete er sich wieder auf und er lächelte sie wieder an, auch wenn er recht melancholisch wirkte. „Außerdem, wer würde schon das Erbe haben wollen, was ich zu vergeben hätte? Die Nachkommen der anderen des ersten Volkes verfügen alle über unglaublich große Macht, sie werden allesamt als Götter angesehen. Noch einen Todeshüter oder eine Todeshüterin braucht das Universum ganz bestimmt nicht.“ Raven setzte sich im warmen Wasser zurück auf ihre Fersen und sah ihn ein wenig betrübt an. „Gibt es denn noch weitere Todeshüter?“, fragte sie. Tarabas nickte. „Natürlich. Ich bin nur der Erste von ihnen und beschütze alle Seelen, bevor sie zurück zum Ursprung allen Lebens zurückkehren. Jeder Planet und jede Dimension hat ihren eigenen Hüter. Ansonsten wäre das wahrhaftig zu viel Arbeit für eine Existenz. Sie alle sind aber weit nach mir entstanden und ihre Macht ist weitaus geringer als die meine. Zumindest was es bei jenen so, denen ich bislang begegnet bin. Ein direkter Nachkomme von mir wäre ein Elementarerbe. Und ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was das in meinem Fall bedeuten würde.“ Er sah sie an und seine Melancholie schwand langsam aus seinem Blick. „Eigentlich hatte ich gehofft, eine unbeschwerte Zeit mit dir hier zu verbringen, nicht, dass mein Geständnis uns beide bekümmern und wir uns über Abstammungmöglichkeiten unterhalten würden.“ Ravens nachdenklicher Blick verschwand und wurde von einem lockenden Lächeln ersetzt. „Hast du etwa schon wieder Lust?“, fragte sie amüsiert. Er näherte sich und knabberte leicht an ihrem Hals. „Ich bin ein Dämon, mein Herz. Das bedeutet, ich kann so oft wie mein Partner es wünscht.“ Ein sanfter Kuss folgte, dann richtete er sich im warmen Wasser ganz auf. „Aber ich befürchte, Jebrill wird die anderen nicht mehr lange fern halten können. Wir waren schließlich einige Zeit mit uns selbst beschäftigt. Auch wenn deine Kampfgeschwister sehr tolerant sind, wir beide wollen die Neckereien nicht über uns ergehen lassen, wenn wir zum Essen zu spät kommen, glaube mir. Ich habe das schon oft genug miterlebt, da unterscheidet sich keine Generation der Generäle von einander. Und seit Larmas mit von der Partie ist hat sich das Ganze noch einmal verschärft.“ „Also raus aus dem Wasser?“, fragte Raven amüsiert. Tarabas nickte. „Aber wir wiederholen das, Wächterin. Da hast du mein Wort drauf.“ Raven hatte sich in ihrem Zimmer grade angezogen und ihre noch immer langen und nassen Haare zu einem fest geflochtenen Zopf zusammengebunden, als sie mit einem Mal das Gefühl hatte, dass sich eine zornige Präsenz näherte. Verwundert hob sie ihren Kopf und lauschte, da sie nicht zuordnen konnte, was sie genau da spürte. Da das Gefühl langsam immer näher zu kommen schien verließ sie dann ihr Zimmer und trat in Tarabas' Wohnzimmer. „Spürst du das auch?“, fragte sie ihren Freund, als sie den riesigen Wohnbereich durchschritt und an seine Seite am großen Kamin kam, wo er in einem Sessel saß. Verwundert sah er sie an und hob dann seinen Kopf und lauschte ebenfalls. „Nein...“, meinte er verwundert. „Was spürst du denn?“ „Ich weiß nicht, es fühlt sich aber irgendwie an, als würde sich jemand nähern, der wütend ist.“, meinte sie nachdenklich. Tarabas nahm ihre Hand in seine während sie neben ihm stand und nahm ihr Gefühl in sich auf. Dann schmunzelte er. „Ah, schon klar.“, meinte er und stand dann auf. „Wir sollten einfach mal zum großen Innenhof gehen.“, schlug er vor und setzte sich in Bewegung. Raven blieb nichts anderes übrig und folgte ihm einfach. „Was meinst du verursacht dieses Gefühl in mir?“, fragte sie noch immer irritiert. „Das was du grade spürst ist eine verärgerte Vertraute. Ich kenne das Gefühl, so ähnlich fühlt es sich an, wenn Larmas schlechte Laune hat, er wird nur dann wahrhaftig hitzig dabei. Glücklicherweise kommt es nicht mehr oft vor, dass er wirklich wütend wird. Ich würde sagen Gabrielle ist auf dem Weg hierher.“ „Warum könnte sie denn wütend sein?“, fragte Raven überrascht, während sie Tarabas den langen, leicht gebogenen Gang entlang folgte. Bei ihrem letzten Aufenthalt hier hatte sie gar nicht auf die Umgebung geachtet, als sie zum Orakelbecken und dann zurück zu seiner Wohnung gegangen waren. Erst jetzt fiel ihr auf, dass der Boden nicht nur mit einem tief violetten Läufer belegt war, der nicht bis zu den Wänden reichte. An den gut einen halben Meter weiten Abständen auf beiden Seiten konnte waren feine Mosaiken zu erkennen, die wunderschöne floral anmutende Muster erkennen ließen, die wirkten, als würden sie ein helles Band neben dem dunklen Teppich bilden. Auch fiel ihr auf, dass in dem Gang nur sehr sporadisch kleine Möbel aufgestellt waren, auf denen dekorative Dinge standen, bei denen sie im Vorübergehen nicht immer erkennen konnte, welche Funktionen diese hatten. Zudem waren zwischen den Türen einige Gemälde aufgehängt. „Wie Larmas vorhin schon sagte, der Clanälteste des Feuerclans hat darauf bestanden, dass Gabrielle umgehend wieder in ihren Clan integriert wird. Dafür musste sie in ihr Heimatdorf reisen. Sie machte den Ältesten darauf aufmerksam, dass du als ihre erwählte Herrin alsbald hier im Makai erwartet wirst, doch dieser bestand darauf, dass sie zuerst in ihr Heimatdorf reisen soll, wenn sie ihren Status zurückerhalten wolle. Ich gehe davon aus, dass er damit rechnete, dass deine Ankunft länger auf sich warten lassen würde als die kleine Zeremonie dauern würde.“ Er führte sie auf einen Ausgang zu und hinaus aus dem Gebäude. Staunend betrachtete sie dort das, was sich vor ihr ausbreitete. Unweit von dem Gebäude, welches sie soeben verlassen hatten, tat sich das nächste schwarze Gebäude auf, dessen Wand den Anschein erweckte, als würde es aus schwarz poliertem Stein erbaut sein. Es war mindestens drei Stockwerke hoch und von dem was sie erkennen konnte recht groß. Dennoch war der Abstand zwischen den beiden Gebäuden recht groß, sodass das Ganze recht geräumig erschien. „Ich werde dir das Schloss morgen ganz in Ruhe von oben zeigen, mein Herz. Von hier kannst du dir gar keinen Eindruck machen.“, meinte Tarabas uns schritt zügig über den mit weißem Kies ausgestreuten Weg, neben dem runde Kugeln auf Knie- und Hüfthöhe schwebten, die einen sanften cremefarbenen Lichtschein verteilten. „Ist es so groß?“, fragte Raven, während sie versuchte mit ihm Schritt zu halten ohne laufen zu müssen und sich gleichzeitig weiter umsah. „Das Schloss hat die Größe einer mittleren Stadt wie du sie kennst.“, antwortete er mit einem amüsierten Lachen in der Stimme. „Die wahren Ausmaße kann man nur von oben erkennen.“ Sofort sah Raven nach oben in den schwarzen Himmel, an dem zahllose Sterne glitzerten. Sie war Pilotin und somit schon oft durch den Orbit geflogen, doch sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals so viele Sterne auf einmal glänzen gesehen zu haben. Zudem leuchtete über ihnen ein fast voller bläulich schimmernder Mond und tauchte das Schloss in ein geheimnisvolles Licht. So entdeckte sie nicht nur einige wirklich hoch erscheinende Türme in der Nähe, sondern auch, dass etwas immer wieder über den Horizont schloss. „Was fliegt denn da über den Horizont?“, fragte sie ein wenig verwirrt und auch neugierig. „Das wirst du gleich sehen.“, meinte Tarabas nur und bog um die Ecke des Gebäudes vor ihnen durch einen Durchgang, der dieses Haus mit einer Brücke aus Metall und Glas einen Stockwerk über ihnen mit dem Nebengebäude verband. Sie schritten hindurch und Raven hielt kurz geschockt inne. Vor ihnen erstreckte sich ein riesiger Platz, der eingefasst von Rasenflächen ein Areal hatte, der mit weißen Steinplatten ausgelegt war. Das Areal war mit niedrigen Zierbüschen eingefasst, über denen ebenfalls diese magischen Leuchten schwebten, die aber hier nicht nur cremefarbenes, sondern auch leicht fliederfarbenes Licht abgaben. Dieser schöne Platz war aber nicht der Grund, warum sie inne hielt, sondern die drei großen, schlanken Drachen, die dort stolz saßen und wohlwollend auf die zweibeinigen Anwesenden sahen, die neben ihnen standen und sich mit anderen Schlossbewohnern unterhielten. „Oh mein Gott... Drachen!“, murmelte sie perplex, als sie die wunderschönen Geschöpfe erblickte. „Sie gehören zur Schlosswache. Das war es, was du grade erblickt hast.“, meinte Tarabas mit einem Schmunzeln, da er wusste, dass Raven Drachen liebte. Ein trompetenartiger Schrei erklang aus der Ferne, woraufhin die drei Drachen ihre Köpfe hoben und sich der langen Allee zuwandten, die auf den Platz zuführte. Sie erwiderten den Ruf melodisch und auch die Zweibeiner wandten sich in diese Richtung. Dann sah Raven, wie über die Allee ein weiterer Drache auf sie zugeflogen kam. Seine Schuppen schimmerten rot und golden auf, als das Licht der Lampen auf diese fiel. Er flog sehr tief, sodass seine Schwingen bei der Abwärtsbewegung fast den Boden berührten. Er war groß und wirkte bulliger als die Drei, die schon auf dem Platz waren. „Da waren wir grade noch rechtzeitig.“, meinte Tarabas und stellte sich an den Rand der Fläche. Raven stellte sich einfach dazu und beobachtete, die der große Rote die Fläche erreichte und landete. Mit einem tiefen Grollen schwenkte er seinen Kopf und betrachtete alle Anwesenden, bevor er seine Schwingen anlegte. Zeitgleich bemerkte sie, wie jemand vom Rücken des Drachen sprang und diesem dankbar an die linke Flanke klopfte, bevor die Person den Augenschutz absetzte, der Raven an eine Art Fliegerbrille erinnerte, und die Kapuze der tiefroten Jacke absetzte, die sie getragen hatte. „Na los, lauf hin und begrüß sie.“, meinte Tarabas mit einem Lächeln. Das ließ sich Raven nicht zweimal sagen und sprang dann einfach über die niedrigen Büsche, um der Feuerdämonin entgegen zu gehen, die nun auf die zukam. Gabrielle sah völlig verwandelt aus. Ihr Haar war noch einmal länger geworden und ringelte sich in wilden roten Locken um ihren Kopf. Nichts erinnerte mehr an die heruntergekommene Frau vom Sklavenmarkt, die ein wenig beschämt zu ihren Füßen gesessen hatte. Stattdessen strahlte Gabrielle eine unglaubliche Souveränität aus. Niemand würde sie als etwas anderes als eine fähige Kämpferin ansehen, was sicherlich auch mit an der beeindruckenden Streitaxt lag, die sie in einer Schlaufe an ihrem Gürtel befestigt trug. „Gabrielle! Schön dich zu sehen.“, begrüßte Raven sie schon freudig, als sie noch etliche Schritte von einander trennten. Gabrielles Miene, die alles andere als freundlich gewirkt hatte, als sie gelandet waren, lockerte sich etwas und sie neigte ihren Kopf zur Begrüßung, noch während sie auf Raven zueilte. „Meine Herrin Raven. Verzeiht bitte mein Zuspätkommen. Meine Familie hat mich aufgehalten.“, brachte sie Feuerdämonin sofort hervor. „Ach, das ist doch nicht schlimm.“, meinte Raven nur fröhlich und nahm dann die Frau einfach zur Begrüßung in den Arm, wie es ihre Art war. Sollte Gabrielle über diese doch sehr vertraute Art der Begrüßung irritiert sein konnte sie es perfekt überspielen, denn sie erwiderte Ravens freundliche Umarmung mit nahezu nicht zu spürenden Zögern. Zudem konnte Tarabas sehen, dass sie Feuerdämonin sanft dabei lächelte. „Du siehst gut aus.“, lobte Raven die Rothaarige, nachdem sie die Umarmung wieder gelöst hatten. „Danke. Hier fühle ich mich auch wieder richtig gut. Auch wenn es etwas ärgerlich war, dass unser Clanältester mich unbedingt im Vulkandorf sehen wollte.“ Tarabas kam nun ebenfalls näher. „Willkommen im Schwarzen Schloss, Gabrielle. Ich hoffe, dein Clan hat dich wieder wohlwollend aufgenommen.“, begrüßte er die Feuerdämonin freundlich, die sich auch gleich leicht verneigte. „Vielen Dank für die Begrüßung mein Gebieter. Wir fremdelten ein wenig, aber das ist nach der langen Zeit sicherlich nicht ungewöhnlich. Außerdem war ich ehrlich gesagt etwas überrascht, wie gut das Dorf aussieht. Und wie sehr sich meine Familie in der Zwischenzeit vergrößert hat.“ Tarabas nickte und bemerkte, wie Raven immer wieder zu dem wirklich beeindruckenden roten Drachen hinüberschaute, der im Gegensatz zu den anderen Dreien wirklich mürrisch wirkte. „Dein Bruder hat wirklich gute Arbeit geleistet, seit er Oberhaupt eures Clans geworden ist, das stimmt. Möchtest du ihn dir mal aus der Nähe ansehen, mein Herz?“, fragte er Raven dann, die vor Verlegenheit ein wenig errötete. „Verzeiht bitte, aber er ist wirklich beeindruckend.“, entschuldigte Raven sich für ihre kurze Unaufmerksamkeit. „Sie.“, korrigierte Gabrielle Raven. „Lakasha ist eine Sie. Und die älteste Drachin, die sich für unseren Clan und den Vulkan zuständig fühlt. Seit ich groß genug war im Sattel zu sitzen bin ich hauptsächlich mit ihr geflogen. Und ich habe mir ganz schön was anhören müssen, wieso ich so lange weg war.“ Mit einer kleinen Handbewegung bat Gabrielle Raven ihr zum Drachen zu folgen, der sie auch gleich kritisch beäugte. „Sie hat meistens schlechte Laune, achte einfach nicht darauf.“, riet Gabrielle ihr. //Und du bist wie immer vorlaut bis ins Mark, Welpe!//, hörte Raven mit einem Mal eine grollende Stimme in ihrem Kopf. Verwirrt sah Raven Tarabas an. „Ja, unsere Drachen kommunizieren telepathisch. Auch dir ein herzliches Willkommen, Lakasha. Es ist lange her, dass wir uns gesehen haben.“, begrüßte er die rote Drachin, die daraufhin kurz schnaubte. Dabei stellte Raven fest, dass ihr Atem wirklich warm war. //Mein Gebieter.//, begrüßte sie ihn einfach, bevor ihr Blick sich einzig und allein auf Raven richtete. Witternd bebten ihre Nasenflügel, als Raven sich mit einem Lächeln vor die Drachin stellte und sich mustern ließ. //Ihr seid klein wie Larmas. Und viel zu dünn. Und euer Haar trägt nicht eure Farbe//, kritisierte Lakasha Raven. „Lakasha!“, empörte sich Gabrielle hinter ihr und Raven bemerkte was Tarabas damit gemeint hatte, dass Larmas eine hitzige Verbindung hätte, wenn er verärgert war. Etwas Ähnliches meinte Raven grade auch zu spüren. „Schon gut, Gabrielle. Sie hat ja nicht unrecht.“, meinte Raven nur. „Ihr habt recht, edle Lakasha. Ich trage noch die Farbe des Feuerclans, weil ich noch nicht dazu gekommen bin, dies rückgängig zu machen. Larmas hat es mir erlaubt und diese Tarnung hat mir dabei geholfen, meine Mutter aus der Gefangenschaft zu befreien.“, erklärte sie. Aufmerksam hörte die Drachin zu, klappte dann aber ein wenig unwirsch ihre Flügel auf, um die anderen drei Drachen auf Abstand zu halten, die sich neugierig näherten. //Eine gute Wahl für eine Tarnung.//, meinte die Drachin und hob dann ihren Hals höher. //Ihr habt eine gute neue Partnerin erwählt, mein Gebieter. Das wurde auch Zeit.// Raven hörte, wie Gabrielle leise hinter ihr aufstöhnte. „Das weiß ich. Aber danke für dein Urteil, Lakasha. Möchtest du in den Höhlen noch ein wenig rasten oder schon zum Vulkan zurückkehren?“, fragte Tarabas. //Die Höhlen sind mir zu zugig. Ich mache mich gleich auf den Rückweg.//, kam nur noch als Antwort, dann klappte sie auch schon wieder ihre Flügel auf. Sofort zogen sich die Zweibeiner einige Schritte zurück, dann schlug die Drachin auch schon mit ihren Flügeln und hob ab. Im ersten Moment wirkte sie etwas plump und unbeholfen, doch sobald sie einigermaßen an Höhe gewonnen hatte schoss sie elegant den breiten Weg entlang. „Ich sehe, sie ist immer noch so speziell wie ich sie in Erinnerung hatte.“, stellte Tarabas mit einem leicht schiefen Lächeln fest. „Wenn ich sie das nächste Mal in die Finger bekomme reiße ich ihr alle Schuppen einzeln aus. Wie kann man nur so unhöflich sein?“, brauste Gabrielle auf, während sie der Drachin hinterher sah, bis sie nicht mehr zu sehen war. Die Luft um sie herum erhitzte sich auf ein fast schon unangenehmes Maß. //Darf ich vorstellen, DAS ist ein wirklich wütender Feuerdämon.//, richtete Tarabas seine Gedanken an Raven, die nur mühsam ein Lachen unterdrücken konnte. Doch dieser Hitzeausbruch war schnell wieder verschwunden und Gabrielle drehte sich ein wenig zerknirscht zu Tarabas und Raven um. „Ich bitte für diesen Drachen um Verzeihung. Leider war Lakasha der einzig anwesende Drache im Dorf als Larmas mich benachrichtigte, das Raven angekommen war. Es hat mich schon einige Überzeugungsarbeit gekostet, dass sie mich überhaupt herbrachte.“ „Nun ja, Lakasha ist ja nun wahrlich nicht mehr die Jüngste.“, meinte Tarabas amüsiert. „Ihr Verhalten hat nun wahrlich nichts mit ihrem Alter zu tun. Lakasha war schon immer maulig, aber das grade schlägt nun wirklich dem Fass den Boden aus. Ich hätte nie gedacht, jemals einen so unhöflichen Drachen zu sehen. Und dann zählt er sich auch noch unserem Clan zugehörig.“ „Wieso bist du überhaupt geflogen, Gabrielle? Ihr habt ein Tor zum Schloss im Vulkandorf. Das wäre doch schneller gewesen.“, hakte Tarabas nach. „Ich habe meine Magie während der ganzen Jahre im Exil nicht genutzt. Ich befürchtete, dass sie nicht sicher genug fließen würde, wenn ich das Tor rufen würde.“, erklärte Gabrielle leise. „Du wirst das Gefühl für deine Magie schneller wiederhaben als du jetzt denkst, Gabrielle. Mach dir deswegen keine Sorgen.“, meinte Tarabas freundlich, dann deutete er mit einem Kopfnicken in die Richtung, aus der er und Raven kurz zuvor gekommen waren. „Lasst uns ins zentrale Gebäude gehen. Der weiße Mond sollte bald aufgehen und ich hatte den Generälen versprochen, dass wir da das gemeinsame Essen einnehmen. Du kannst es dir vielleicht nicht vorstellen, aber dein Bruder ist etwas eigen geworden, was das Einhalten von Terminen angeht.“ Sie setzten sich in Bewegung. „Ich weiß noch wie er früher war. Ihn zum Einhalten von Terminen zu bewegen war nahezu ein Ding der Unmöglichkeit.“, meinte Gabrielle, während sie recht raschen Schrittes über den weißen Kies schritten. „Larmas war etliche Jahre bei mir auf Laos und ich muss sagen, er war der beste Kammerdiener, den ich dort jemals hatte. Er hat sich wirklich gemacht.“ „Unser Ältester sagte mir so etwas schon. Ich muss gestehen, dass sich das in meinen Ohren immer noch ein wenig falsch anhört. Aber ich hatte ja bereits in der Loge und seinem Haus auf Laos gespürt, dass er sich wirklich gemacht hat. Ich muss gestehen, ich freue mich deswegen. Ich hatte durchaus eine Zeit lang Sorge gehabt, er würde wie unser Vater werden.“ Sie bogen wieder durch den Häuserdurchgang. Zum allerersten Mal erblickte Raven das zentrale Gebäude, so zumindest hatte Tarabas es genannt gehabt, und ihr stockte ein wenig der Atem. Dieses Gebäude war eingeschossig und ebenso aus schwarz poliertem Gestein gefertigt wie die anderen, die sie bislang gesehen hatte. Doch auch wenn die gegenüberliegenden beiden Gebäude schon eine wirklich schöne Architektur mit hohen Fenstern in kunstvoll gefertigten Rahmen aufgewiesen und abgesetzten Erkern hatte war dieses Gebäude noch einmal anders. Verzierungen aus kunstvoll verarbeitetem dunklem Silber fassten Fenster und Türrahmen ein, Zierverstrebungen waren ebenfalls mit diesem Material verziert. So wunderschöne Bögen und floral anmutende Formen hatte sie noch nie gesehen. Grade das Eingangstor war besonders elegant und aufwändig verziert. Das Türblatt selbst schien aus Glas zu sein, auch wenn das durchsichtige Material anders schimmerte als sie es kannte. „Dieses Metall ist schön. Silber ist das ja nicht, oder?“, fragte sie nach. „Das ist Lumaj, das Edelmetall des Makai. Es ist sehr gut zu verarbeiten und dennoch nach der Bearbeitung sehr stabil.“, erklärte Tarabas ihr. „Ist das nicht das Metall, aus dem der Ring gefertigt war?“, fragte sie nach. Anerkennend nickte Tarabas. „Das ist richtig. Und da es besonderen Eigenschaften hat und nur hier im Makai gefördert werden kann ist es in den dunklen Welten sehr gefragt und somit kostbar. Hier ist es allerdings recht allgegenwärtig.“ Sie betraten das zentrale Gebäude und gingen den Ganz wieder zurück. Dabei fiel Raven erneut auf, dass dieser recht lang zu sein schien. Was aber nicht weiter verwunderlich war, denn sie wusste ja, dass der Garten wirklich groß war und von den Wohnungen und den Gang umschlossen war. „Mich wundert es ehrlich gesagt, dass ihr den ganzen Weg zum Landeplatz gelaufen seid. Für gewöhnlich hattet ihr doch eine andere Art der Fortbewegung bevorzugt gehabt, mein Gebieter.“, meinte Gabrielle mit einem Mal. „Diese Art ziehe ich immer noch vor, aber Sahva kennt das Schloss noch nicht und ist auch meine Art der schnellen Fortbewegung noch nicht gewöhnt.“, meinte Tarabas und drehte sich dann ein wenig zu Raven. „Und ich denke, das ist das Erste, was ich dich an magischen Nützlichkeiten lehren werde.“ Verwundert sah Raven ihn an und sah ihn schmunzeln, während sie Gabrielle anerkennend pfeifen hörte. „Was meinst du?“, fragte sie verwirrt. „Ich zeige es dir.“, meinte er... und war von einem Augenblick zum anderen verschwunden, nur ein leichter schwarzer Nebel war mit einem Mal an der Stelle, an der er sich soeben noch befunden hatte. „Ich bin hier.“, hörte sie mit einem Mal seine Stimme direkt an ihrem Ohr und spürte, wie sich seine Hand um ihre Schulter legte, bevor sie überhaupt seinen Körper sah. Instinktiv riss sie ihre Hände hoch und krallte sie um sein Handgelenk, ohne dass sie dies steuern konnte, und spannte alle Muskeln an, um den Angriff abzuwehren. „Mein Herz, ich bin es.“, hörte sie seine Stimme an ihrem Ohr schnurren. „Alter, lass den Scheiß! Ich bin darauf gedrillt solche Attacken abzuwehren.“, zischte sie ihn an. „Ich weiß. Ich kenne deine gesamte Vergangenheit, mein Herz.“ Da sie stehen geblieben war trat er um sie herum und sah sie mit einem Lächeln an. „Was ich dir damit zeigen wollte ist, dass es eine Möglichkeit gibt, Schatten zu nutzen, um schnell von einem Ort zum anderen zu gelangen, wenn man sich in einer Welt befindet. Dies ist eine Fähigkeit, die ich mir aufgrund meiner Fähigkeiten und Abstammungen zueigen gemacht habe. Und da du meine Magie verträgst und als meine Wächterin dann auch nutzen kannst werde ich dir beibringen, wie du diese Art der Reise für sich nutzen kannst.“ Damit küsste er sie auf die Wange, als sie ihn vollkommen verdattert anstarrte. „Danke.“, meinte sie nur. „Dank mir erst, wenn ich dir diese Fähigkeit wirklich beigebracht habe, mein Herz.“ Damit ging er wieder an ihr vorbei und auf die nächste Tür zu, die sich direkt vor ihm öffnete. Raven kannte diese Tür nicht, doch als sie eintraten erkannte sie, dass sie eine kleine Bibliothek betreten hatten. Vor ihnen befanden sich Unmengen an Bücherregalen, die vom Boden bis an die Decke reichten und dermaßen mit Büchern und Schriftrollen gefüllt waren, dass sie fast schon unter der Last ächzten. Außerdem entdeckte sie zwei Schreibpulte und bequeme Sitzmöglichkeiten in dem Raum, der mindestens doppelt so groß war wie ihre Wohnung auf Alpha. Tarabas schritt einen Gang zwischen den Regalen entlang auf eine recht unscheinbare Tür zu, aus der recht helles Licht schien. Als sie die Tür durchschritten kamen sie an einem Ende von Tarabas' Wohnung heraus, an der Raven noch nicht gewesen war. Neben der Tür, mit Blick sowohl auf den Garten, als auch direkt in die Wohnung hinein, stand ein gewaltiger Schreibtisch, der vollkommen aufgeräumt darauf zu warten schien, dass wieder an ihm gearbeitet wurde. Durch die Fenster konnte Raven Geräusche von außen hören, stimmen unterhielten sich und sie hörte eindeutig jemanden leise lachen. „Anscheinend warten sie draußen auf uns.“, meinte Tarabas und ging am Schreibtisch vorbei auf einen der immer geöffneten Durchgänge zu, um von dort in den magischen Garten zu gelangen. „Ah, da seid ihr ja schon.“ Larmas, der an einer elegant gedeckten Tafel stand, entdeckte sie, als sie den Durchgang durchschritten. „Hi Gab. Hat der Alte dich endlich aus seinen Fängen gelassen?“ „Hör mir bloß auf. Du brauchst dir nicht einbilden, dass ich in den nächsten Jahren freiwillig zurück ins Dorf gehen werde. Nicht nur dass mich dort alle angestarrt haben als wäre ich ein böser Geist, Jamera und Torm haben ja dermaßen viele Kinder in die Welt gesetzt, dass man meinen könnte, sie wollten allein mit ihren zwei Familien ein neues Dorf füllen.“, grollte Gabrielle hinter Raven. Larmas kicherte, ebenso Balin, der aus dem Innern kam und eine Glaskaraffe mit golden schimmernden Inhalt trug. „Eure Geschwister waren fruchtbar, das muss man ihnen wirklich lassen.“, stimmte er zu und stellte die kostbar aussehende Karaffe auf dem Tisch ab, bevor er auf die Lehne des Stuhls klopfte, der rechts neben dem an der Stirnseite stand. „Komm kleine Schwester, setz dich schon mal. Die anderen werden auch gleich da sein.“ Gehorsam steuerte Raven den Platz an und nahm Platz, während such Tarabas erwartungsgemäß auf den Stuhl an der Stirnseite setzte. „Da das hier heute Abend kein offizielles Essen ist setzt euch wie ihr lustig seit. Essen gibt es gleich.“, informierte Larmas sie, während Rayne und Liam aus einer Terrassentür in der Nähe kamen und durch den Garten auf sie zukamen. Roxa verließ seine Wohnung auf die gleiche Weise, nur lag seine Wohnung beinahe auf der anderen Seite des Gartens. Dennoch war der junge Mann mit der recht dunklen Haut und den schwarzen Haaren schnell bei ihnen. Fast im gleichen Moment, als der Schattenkrieger den Tisch erreicht hatte schwebte von oben Jebrill zu ihnen herab. „Danke das du uns ein wenig Freiraum verschafft hast, Jebrill.“, meinte Tarabas zu ihm und der sehr schlanke Mann verbeugte sich leicht mit einem amüsierten Lächeln, bevor auch er sich einen Platz aussuchte und setzte. //Es ist schön, dass ihr euch endlich etwas Zeit für einander nehmen konntet.//, meinte Jebrill und griff nach einer Karaffe, in der auch dieses goldfarbene Getränk aufbewahrt wurde. Tarabas tat es ihm gleich, goss aber als erstes etwas davon in ein Glas, was vor Raven stand. „Das sollte dir eigentlich schmecken.“, meinte er zu ihr und reichte ihr das Glas dann mit eienm sanften Lächeln. Sie war leicht errötet, denn durch das Gespräch zwischen Tarabas und Jebrill war ihr mehr als klar geworden, dass jeder der Anwesenden wusste, womit sie ihre freie Zeit verbracht hatten. Aber da keinerlei dumme Sprüche kamen nahm Raven an, dass es für alle anderen das als natürlichstes überhaupt ansahen. „Was hast du dir eigentlich fürs Essen überlegt?“, fragte Tarabas Larmas. „Ich hab grade mal Null Ahnung, was wir bekommen.“, erklärte der Feuerdämon fröhlich, woraufhin Tarabas ihn ansah und eine Augenbraue in die Höhe zog. „Ich habe nur zwei Dinge gemacht. Ich war bei deinem Lieblingskoch und habe ihn informiert, dass du mal wieder hier aufgeschlagen bist, was so schon für Begeisterung gesorgt hatte. Dann habe ich erwähnt, dass du in den anderen Welten deine Wächterin gefunden hast, die sich glücklicherweise gleich noch als deine Gefährtin herauskristallisierte...“ Raven bemerkte, dass Tarabas nun beide Augenbrauen in die Höhe zog. „... und das die junge Lady jetzt hier zu uns gekommen ist um zu lernen.“ „Und um was hast du ihn dann gebeten?“, hakte Tarabas nach. „Das Meister Xoam der jungen Dame doch eine Auswahl an makaianischen Köstlichkeiten präsentieren solle. Er bekam nur große Augen, rieb sich die Hände und meinte, ich solle alles ihm überlassen.“, beendete der Rothaarige seine Erklärung. Tarabas legte kurz seine rechte Hand über seine Augen und seufzte, bevor er die Hand wieder senkte und seinen obersten General ansah. „Du hast ihm aber gesagt, dass er nur ein Essen für uns acht auszurichten hat, ja?“, fragte er mit sehr dunkler Stimme, wie Raven es noch nie gehört hatte. „Könnte sein, ja.“, grinste Larmas. Mit einem Brummen lehnte Tarabas seinen Kopf kurz in den Nacken, was Gabrielle und Raven sich kurz etwas ratlos ansehen sah. „Alles okay?“, wagte Raven schließlich zu fragen. „Wir können ein Staatsbankett erwarten.“, meinte Balin amüsiert an Tarabas' Stelle. Die beiden Frauen sahen nun den Wasserdämon an. „Du kennst Tarabas' Koch noch nicht, Gabrielle, da er erst vor knapp 300 Jahren hier angefangen hat und sich schnell zum besten Koch des gesamten Schlosses emporarbeitete. Für ihn gibt es nichts befriedigenderes, wenn er neuen Verbündeten, oder wie in unserem heutigen Fall Bewohnern, die wirklich genialsten Köstlichkeiten vorgesetzt hat. Wenn ich raten soll würde ich sagen, wir bekommen heute Abend eine gewaltige Auswahl an kleinen Beispielen der makaianischen Kochkunst präsentiert, damit unser neues Mitglied des inneren Kreises auch ja herausfinden kann, was ihr schmeckt und was nicht. Und da er der einzige Koch ist, bei dem Tarabas garantiert ist, wird er sich auch dafür verantwortlich fühlen, dass Raven gut versorgt sein wird.“, erklärte der Wasserdämon. Wie aufs Stichwort füllte sich schlagartig der Tisch vor ihnen mit Platten voller kleinster Speisen, die Raven an terranisches Fingerfoot erinnerte. Dabei war alles so derart köstlich und kunstvoll angerichtet, dass sie sich fragte, wie der Koch und sein Team diese Speisen in den wenigen Stunden überhaupt hatte anrichten können. Noch bevor sich jemand etwas nehmen konnte schwebten mit einem Mal einige dieser halb durchsichtigen Geschöpfe herbei und stellten vor jeden von ihnen kleine Schälchen mit dampfender Suppe ab. Raven betrachtete diese Geschöpfe, von denen eines Larmas bei ihrer Einkleidung vor der Befreiungsaktion für ihre Mutter geholfen hatte. „Was sind das für Geschöpfe?“, fragte sie Tarabas leise, als dieser sich auf seinem Stuhl wieder normal hingesetzt hatte. „Danke.“, meinte er zu einem der Geschöpfe, welches nur eine Schale vor ihn stellte. „Das, mein Herz, sind dienstbare Geister. Seelen, die sich freiwillig dazu entschieden haben, hier im Schloss den Bewohnern zu dienen. Sie waren noch nicht bereit in die Finsternis überzugehen oder den Kreislauf zum neuen Leben zu beginnen. Es ist für sie eine Ehre hier zu dienen und es gibt sie auch nur hier im Schwarzen Schloss.“, erklärte er ihr, bevor er mit einem Mal seinen Kopf hob und zu der nahen Terrassentür sah, aus der in diesem Moment ein Mann in weißer Livree kam. Er war körperlich genauso wie Raven sich immer einen Koch vorgestellt hatte, der auch das aß was er kochte. „Mein Gebieter, willkommen zurück. Und auch euch, junge Lady...“ Er sah Raven an. „... nehmt bitte mein herzliches Willkommen im Makai an.“ Raven konnte nicht anders und schenkte dem rundlichen Mann mit den sehr kurzen grauen Haaren ein Lächeln. „Vielen Dank.“ „Lady Raven war euer Name, richtig?“, fragte der Koch nach. Raven nickte. „Das ist richtig.“ „Lady Raven, ihr würdet mich sehr erfreuen, wenn ihr die kleinen Darbietungen, die ich hier präsentiere, in Ruhe kostet und mir dann sagt, in welche Richtung eure Vorlieben gehen. Dann kann ich beruhigt sein, dass ich euch immer das beste Essen vorsetzen kann.“ Verdattert sah sie den Mann an, nickte aber. „Werde ich machen, habt vielen Dank.“, antwortete sie. Er verneigte sich vor ihr. „Dann wünsche ich allen Anwesenden ein genussvolles Abendessen. Solltet ihr noch andere Wünsche haben lasst es mich bitte wissen, ich werde mich dann umgehend darum kümmern.“ Diesmal verneigte sich der Mann vor ihnen allen und zog sich wieder ins Innere des Schlosses zurück. Erst als der Koch außer Hörweite war, zumindest hoffte Raven das, drehte sie sich wieder zur Tafel um und starrte ein wenig perplex auf die Masse an unterschiedlichen Speisen. „Großer Gott, wer soll das alles essen?“, fragte sie leise. „Wir haben Larmas hier am Tisch, keine Sorge, das wird alles alle.“, meinte Balin, worauf ihm der angesprochene Feuerdämon sofort seine Serviette ins Gesicht warf. „Hey, das klingt so als wäre ich verfressen!“, empörte dieser sich. Man sah ihm aber an, dass er Balins Aussage nicht übel nahm. „Bist du ja auch, Kleiner.“, feuerte der Wasserdämon mit einem Grinsen zurück und hob dann eine der kleinen Schalen an seine Lippen, um den Inhalt zu trinken. „Algensud. Und wie immer perfekt abgeschmeckt. Der Mann weiß einfach was er tut.“, seufzte Balin zufrieden. Larmas verzog gespielt angeekelt sein Gesicht. „Larmas mochte noch nie Speisen, die Algen inne hatten. Anscheinend hat sich das nicht geändert.“, meinte Gabrielle leise zu Raven und lachte leise, bevor auch sie ein Schälchen in die Hand nahm und vorsichtig daran roch. Ihre Miene wurde kurz betroffen. „Merom-Suppe. Wie sehr habe ich diesen Duft vermisst.“, murmelte sie und trank dann ebenfalls langsam den Inhalt aus. Raven ging nicht davon aus, dass sie irgendetwas an Zutaten oder Speisen erkennen würde und sah etwas ratlos auf die drei kleinen Schälchen vor sich. „Versuch sie einfach. Du wirst die Lebensmittel auf jeden Fall vertragen.“, versicherte Tarabas ihr freundlich. Er war der Einzige, der keine Suppe trank, sondern einfach nur ein Glas mit einem tiefroten Wein in der Hand hielt. Er prostete ihr zu und trank mit sichtbarem Genuss einen Schluck. So nahm Raven die erste Schale hoch und roch am Inhalt, der eine cremeweiße Flüssigkeit enthielt. Es roch einfach nur köstlich, sodass sie den Inhalt gleich austrank. Die Suppe schmeckte noch besser als sie roch, ihr war, als würde in ihrem Mund ein Feuerwerk an unterschiedlichen Geschmäckern abgefeuert werden. „Wow.“, meinte sie nur und stellte die Schale ab. Wenn das so weiterging ahnte sie schon jetzt, dass sie eine Menge Extratraining absolvieren müsste, um das köstliche Essen wieder abzutrainieren. „Also dann, was steht jetzt mit Raven an? Gibt es schon einen Plan, wie wir sie in den Inneren Kreis einbinden wollen?“ Es war das erste Mal, dass Roxa längergesprochen hatte. Seine Stimme erinnerte Raven irgendwie an schwarzen Samt. „Morgen werden wir uns alle mal im privaten Trainingsareal versammeln, damit Raven uns zeigen kann, worin ihre Kampfkünste liegen. Viel haben wir alle ja noch nicht gesehen, aber ich haben mit halbem Ohr mitbekommen, wie sie sich im Basar bei den Wachen geschlagen hatte. Das war wahrlich beeindruckend, vor allem für einen Lichtgeborenen.“, meinte Larmas. „Sie ist sehr gut, wenn ihr mein Urteil hören wollt. Ich hatte schließlich schon die Ehre, mit ihr zu ringen. Du verfügst über eine wirklich gute Körperkoordination.“, lobte Gabrielle Raven. „Dem kann ich nur zustimmen. Du bist wirklich schnell, Raven.“, äußerte Rayne, der den besagten Kampf ja miterlebt hatte. „Danke. Ich trainiere aber quasi seit ich laufen kann.“, erklärte Raven. „Das merkt man auch. Wer immer deine Lehrer waren, sie haben eine wirklich gute Arbeit geleistet.“, meinte Rayne, was Tarabas mit einem Nicken bestätigte. „Sie ist auch in beiden Kampfarten gut, sowohl mit dem Körper, als auch mit den Waffen. Zumindest mit dem Schwert und einer Art Lichtwaffe, die unangenehme Wunden schlägt. Ich denke, ihr werdet euren Spaß haben. Und ich hoffe, du erlaubst es auch mir einmal, ein wenig mit dir zu ringen, mein Herz.“ „Natürlich.“, meinte Raven und trank die zweite Suppenprobe. Sie war genauso perfekt wie die erste. Wenn das so weiterging würde sie wirklich Probleme bekommen sich auch nur für eine Richtung zu entscheiden. Kapitel 22: Artris' Bannspruch ------------------------------ „Was für Waffen bevorzugst du?“, fragte Gabrielle, nachdem Raven die zweite kleine Schale mit Suppe abgestellt hatte. „Eine Handfeuerwaffe, die auf meine rechte Hand geschnallt wird und nur auf meine genetischen Codes kalibriert ist. Und eine Laserlanze.“, meinte Raven zur Feuerdämonin, die anscheinend wusste wovon sie sprach, denn die Rothaarige zog anerkennend ihre Augenbrauen in die Höhe und nickte, während Raven bemerkte, dass die anderen Generäle etwas ratlos dem Gespräch lauschten. „Laser… was?“, fragte Larmas neugierig. „Lanze sagt mir ja was, aber Laser…?“ Er sah hilfesuchend die anderen an, die alle etwas verwundert dreinschauten. „Ich habe die Lanze mit, ich kann sie holen und euch zeigen.“, bot Raven an. Tarabas streckte nur seine Hand aus, aus der sich sogleich aus einem Schatten der röhrenartige Griff ihrer deaktivierten Waffe bildete. „Brauchst du nicht.“, meinte er freundlich und reichte ihr das ergonomisch geformte Metall mit dem schwarzen Griffstück. „Danke.“, meinte Raven lächelnd zu ihm und bekam dafür sogleich ein sanftes Lächeln. Sie nahm ihm den Griff aus der Hand und reichte es gleich an Gabrielle weiter, die die deaktivierte Waffe von allen Seiten ansah und an bestimmten Stellen ihren Halt verstärkte wie Raven gleich erkannte. „Ist sie auf dich geeicht?“, fragte die Feuerdämonin. Raven nickte. „In der Föderation bekommen alle Kämpfer personalisierte Waffen, damit Fremde keinen Unsinn mit ihnen anstellen können, sollte der Kämpfer einmal entwaffnet werden.“, erklärte Raven freundlich. „Weise Entscheidung.“, stimmte Gabrielle zu. „Du kennst eine solche Waffe?“, fragte Larmas und nahm das Griffstück entgegen, als seine Schwester ihm das reichte. „Gesehen habe ich schon ein paar als ich in den anderen Welten unterwegs war. Benutzt habe ich allerdings noch nie eine. In den dunklen Welten sind die rar, nur jene, die mit lichten Welten Kontakt hatte, konnten welche haben. Sie waren Statusobjekte und wenn nur den Obersten und deren Lieblingskriegern vorbehalten. Nichts für eine Söldnerin oder Sklavin wie ich eine war.“, meinte Gabrielle zu ihrem Bruder. Larmas betrachtete die deaktivierte Waffe und reichte sie dann an Balin weiter, der das Gerät mit einem Stirnrunzeln betrachtete. „Ein zylindrisches Metallstück, welches in der Mitte gewölbt ist, ist deine Lieblingswaffe?“, fragte der Wasserdämon skeptisch. „Sie ist nicht aktiviert.“, erklärte Raven freundlich. Das Griffstück wanderte rasch von einer Hand zur anderen und kehrte dann schnell zu Tarabas zurück, der sich die deaktivierte Waffe ebenfalls kurz ansah. „Es ist faszinierend, dass so ein unscheinbares Stück solch einen Schaden anrichten kann.“, meinte er und gab Raven dann die Lanze zurück. „Meistens ist es das Unscheinbare, was den meisten Ärger verursacht.“, meinte Raven nur. „Wie sieht das Ding denn aktiviert aus?“, fragte Roxa mit einem Mal. Raven stand auf und trat neben die Tafel, dann aktivierte sie die Lanze mit nur einer leichten, bestimmten Handbewegung. Mit einem leisen Zischen schossen die Laser aus beiden Griffstückenden. Die hellrot leuchtenden zylindrischen Laserbündel waren auf jeder Seite des Griffstücks beinahe einen Meter lang. Tarabas und die Generäle betrachteten die nun um einiges beeindruckendere Waffe aufmerksam. „Ist das Licht?“, fragte Larmas mit einem gewissen Misstrauen. Raven konnte sich vorstellen, weshalb der oberste General des Makai misstrauisch war. Ihre Großmutter hatte sie vor ihrer Abreise aufgesucht und ihr einige Ratschläge und Tipps mit auf den Weg gegeben. Unter anderem auch den Hinweis, dass ihr Zwilling allergisch auf zu starkes Licht reagierte. „Korrekt gesprochen sind es gebündelte elektromagnetische Wellen in hoher Bündelung und Intensität. Aber ja, sie sind ein Teil dessen, was man vereinfacht als Licht bezeichnet.“, erklärte Raven und änderte kurz ihren Halt an der Waffe. Da sie das Griffstück horizontal vor ihrem Körper hielt konnten alle erkennen, wie sie in einem bestimmten Rhythmus mit den Fingern ihrer rechten Hand auf den Griff drückte. Das Summen wurde daraufhin nahezu lautlos und das Grelle der Strahlen nahm ab. „Ich kann die Intensität der Laser ändern, sodass sie vollkommen unschädlich sind bis zu dem Punkt den ihr grade gesehen hattet, in denen die Lichtbündel nahezu alles zerschneiden. Jetzt sind sie auf Training für Anfänger eingestellt. Das Licht ist nun harmlos.“ Sie sah Tarabas etwas zweifelnd an. „Aber ich habe absolut keine Ahnung, ob du die Laserbündel vertragen würdest.“ Tarabas winkte sie herbei und hob dann seine Hand, als sie bis auf wenige Meter an seinen Platz herangetreten war. Vorsichtig näherte sich seine Hand einer Lichtklinge, hielt jedoch wenige Zentimeter bevor er den Laserstrahl berühren konnte inne. Er schien zu lauschen, dann griff er mit einem Mal direkt in den Strahl hinein. Raven hörte, wie zumindest Larmas und noch einer der Anwesenden etwas entsetzt Luft holte, doch sie wandte ihren Blick nicht von Tarabas ab. „Man merkt, dass es künstlich ist.“, meinte er gedankenverloren, während seine Hand weiterhin den Strahl umschloss. „Es schadet dir nicht?“, fragte Raven dennoch nach. Er schüttelte leicht den Kopf. „Nein, aber es kribbelt stark und etwas unangenehm auf meiner Haut. Und ich spüre Wärme. Dennoch denke ich, dass ich da langfristig die Hände von lassen sollte.“, meinte er mit einem Schmunzeln und zog dann seine Hand wieder zurück. „Ich habe die Lanze auch eigentlich nur aus Gewohnheit mit. Nutzen wollte ich sie wenn nur im absoluten Notfall.“, meinte Raven fast schon ein wenig entschuldigend. „Ich wüsste nicht was dagegen spricht das du sie benutzt.“, meinte Tarabas mit einem Schmunzeln. „Deine Unverträglichkeit gegenüber Licht vielleicht.“, warf Larmas immer noch stirnrunzelnd ein. Doch Tarabas winkte ab. „Wie gesagt, das Licht des Lasers ist künstlich. Die Tendenz dass es mich verletzt ist geringer als bei natürlichem Licht. Außerdem vertraue ich Ravens Fähigkeiten.“ Larmas blieb weiterhin misstrauisch und Raven erlebte ihn erstmalig mit wirklich ernster Miene, die auch tatsächlich bestehen blieb. Auch Gabrielle bemerkte die Anspannung ihres Bruders und sah Raven dann an. „Hättest du etwas dagegen dich jetzt mit mir zu messen? Ich würde die Lanze gerne testen.“, schlug die Feuerdämonin mit einem Mal vor. „Jetzt?“, fragte Raven überrascht. „Von mir aus gerne, aber ich weiß nicht...“ Ein wenig hilflos sah sie Tarabas an, der seine Augenbrauen in die Höhe zog, aber nicht aus Abneigung wie sie feststellte. „Ich habe nichts dagegen.“, meinte er und griff nach einem Teller mit kleinen Speisen. Die Generäle sahen aufgrund dieser Antwort etwas verwundert aus, lehnten sich dann aber ebenfalls zurück. So stand Gabrielle auf und trat an Ravens Seite. „Soll ich mich aufwärmen?“, fragte Raven die Rothaarige, während sie beide einige Schritte in den Garten hinein gingen. „Brauchst du nicht. Ich möchte den Kerlen einfach grade mal zeigen, dass du deine Waffe im Griff hast. Tarabas scheint dir in dem Punkt zu vertrauen und ich vertraue dir da auch.“, erklärte Gabrielle ihr leise und konzentrierte sich etwas. Raven spürte Magie aufkommen, auch wenn diese sich etwas unsicher und stockend anfühlte, zudem bemerkte sie Hitze die aufkam. Gleich darauf hielt Gabrielle ebenfalls eine lanzenähnliche Waffe in der Hand. „Ich kann mit einer ähnlichen Waffe umgehen, die auch feuerresistent ist. Stell deine Lanze also ruhig stärker ein.“ Raven ließ die Laserbündel wieder erscheinen und modulierte sie etwas neu. Sie gab nicht die volle Energieladung frei sondern bevorzugte weiterhin eine Art Trainingseinstellung, die aber der letztendlichen Energieeinstellung sehr nahe kam, was das Handling der Waffe anging. Dennoch war die Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung in diesem Fall fast ausgeschlossen. Dann trat sie einige Schritte von Gabrielle fort und nickte der Feuerdämonin dann ernst zu, die dieses Nicken erwiderte. Beide nahmen die Lanzen angriffsbereit in die Hände und sahen sich schweigend einige Sekunden in die Augen. Wie immer weitete Raven dabei ihre Wahrnehmung. Ohne es zu bemerken baute sie so eine Verbindung zu Gabrielle auf, die Raven spüren ließ, wie die rothaarige Frau vor ihr die Spannung ihres Körpers für einen Angriff erhöhte. Sie ließ sich von diesem Gefühl leiten und sprang sofort vor, während sie ihre Waffe zu drehen begann, während Gabrielle im gleichen Augenblick ebenfalls mit dem Angriff startete. Beim Aufeinandertreffen der beiden Waffen verursachte Gabrielles Waffe, dass Ravens Laserlanze ein lauteres, leicht aggressives Geräusch von sich gab. Sie wechselten die Schlagrichtung, wiederum beinahe synchron und ließen die Waffen erneut kraftvoll an einander schlagen. Dann zog sich Gabrielle zwei Schritte zurück und begann ihre Waffen in den Händen zu drehen, sodass sie mit der wirbelnden Waffe einen rotierenden Schild vor sich bildete. Raven akzeptierte die kurze Pause zum sondieren und vollführte die gleiche Drehbewegung mit ihrer Waffe, während sie langsam und lauernd um Gabrielle herum schritt. Diese folgte ihren Bewegungen und ließ sie nicht auf den Augen, begab sich dann aber wieder in den Angriff und hieb erneut auf Ravens Waffe ein. Dieses Mal waren die Schlagbewegungen schneller und kräftiger, doch Raven konnte diese problemlos parieren. Es blieb auch nicht bei nur zwei testenden Schlägen, Gabrielle ließ ihre Schläge nun in dauerhaften Intervallen auf Raven niederprasseln. Diese spürte die Kontakte durch ihren ganzen Körper fahren. Doch auch wenn ihr die Bewegungsabläufe der anderen Frau fremd waren, sie konnte schnell ein Muster in den Aktionen erkennen. So begann sie weitere Körperbewegungen einfließen zu lassen, duckte sich unter zwei Schlägen weg, blockte den Hagel an Einschlägen immer wieder kurz um ihrerseits den Angriff zu übernehmen und ihrer Gegnerin den Halt an ihre Waffe zu erschweren. Sie bemerkten beide nicht, wie die Männer am Tisch aufmerksam alle Bewegungen beobachteten. „Ah, die Waffe wird wie bei einem Stockkampf geführt.“, meinte Larmas, als er die beiden Frauen beobachtete. „Nicht nur. Viel habe ich auch noch nicht gesehen, aber ich weiß aus Sahvas Erinnerungen, dass diese Waffe vielfältiger einsetzbar ist als eine Stockwaffe.“, erklärte Tarabas leise. Sie beobachteten, wie die Bewegungen der beiden Frauen geschmeidiger wurden, je länger ihre Schlagübungen andauerten. Schlagen, blocken, kontern, angreifen. Die Schläge, die Raven mit Gabrielle ausführte, wurden so präzise und kraftvoll wie sie es bislang nur mit ihren Trainern und ihrem Vater ausführen konnte. Sie konnte nicht anders, sie grinste die Feuerdämonin während der Schläge an, die dieses Grinsen auch gleich erwiderte. Sie steigerten das Tempo weiter und blieben nicht mehr hauptsächlich statisch dabei. Sie erweiterten ihren Radius und wichen etwas vom Tisch auf der Terrasse zurück in den Garten. Da Raven sich hier noch nicht auskannte und sich nur auf Gabrielle konzentrierte brachte diese sie an einer Kante ins Straucheln und dann mit einem weiteren Schlag zu Fall. Raven drehte sich mit einer derart flüssigen Bewegung bereits im Fall auf den Rücken, sodass sie mit den Schulterblättern als erstes auf dem Boden inmitten zarter Blumen aufkam. Sofort spannte sie alle Muskeln an und schleuderte sich aus dieser Position wieder auf die Beine. Diese Bewegung war ihr so derart in ihren Bewegungsrhythmus eingegangen, dass sie darüber gar nicht nachzudenken brauchte. Stattdessen konnte sie sich sofort auf Gabrielles Stand konzentrieren und aus der Bewegung einen recht heftigen Angriff starten. Die Feuerdämonin verlor durch die harten Schläge dermaßen die Balance, dass sie mehr nach hinten stürzte als stolperte. Raven sah sofort einen Zusammenstoß mit Rayne und Tarabas voraus, da sie noch immer durch ihre erweiterte Wahrnehmung den Standort der anwesenden Personen in ihrem Innern lokalisiert hatte. Ihr Instinkt übernahm nun die Führung. Mit einer kaum wahrnehmbaren Handbewegung modifizierte sie den Laser ihrer Lanze, der daraufhin einen anderen Zustand annahm. Dann drehte sie sich mit der Waffe, sodass einer der Enden wie ein Stab beim Hochsprung auf dem Boden aufkam. Sie nahm den Schwung aus ihrer Drehung und ließ sich damit in die Luft katapultieren, um über Gabrielle hinweg zu springen und direkt vor Tarabas‘ Stuhl wieder auf die Füße zu kommen. Eine weitere Bewegung ihrer Hände löste die Arretierung in der Mitte des Griffstücks und trennte die Lanze in zwei Teile, die nun automatisch zu zwei Schwertern wurde. Sie überkreuzte die Waffen nun direkt vor ihrem Gesicht und bildete so einen Schutzschild, auf dem die andere Frau prallte. Der Aufprall raubte ihr jeglichen Atem, doch sie konnte einen festen Stand beibehalten, dass niemand am Tisch in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dafür musste sie allerdings einen unkontrollierten Schlag auf ihre linke Wade einstecken, der ihr schmerzhaft durch den Körper schoss. Gabrielle warf sofort ihre Waffe von sich. „Scheiße!“, rief sie aus und ging sofort vor Raven in die Knie, deren Bein auch gleich vor Schmerz nachgab. Liam, der neben seinem Bruder gesessen hatte und nur knapp außerhalb des Areals gewesen war, sprang sofort von seinem Stuhl, um an Ravens Seite zu eilen. „Nicht schlimm. Das kann vorkommen.“, versuchte Raven die beiden zu beruhigen und bekam erst nachdem sie ihre geteilte Waffe senkte mit, dass alle Anwesenden aufgesprungen waren und Rayne ihr sogar Halt bot. „Ist wirklich nicht schlimm. Das wird wahrscheinlich nur blau.“, versuchte sie die Anwesenden zu beruhigen und beobachtete Liam dabei, wie er kurz mit seinen Händen ihren Unterschenkel vom Knöchel zur Wade hinauf strich. Dann hielt er inne und Raven konnte mit einem Mal eine sanfte, tröstende Kühle in ihrem Bein spüren, die ihr sofort jeglichen Schmerz nahm. Mit einem leisen Seufzen schloss sie kurz genießend ihre Augen und ließ die Heilmagie des jüngeren Imunas auf sich wirken. Sie musste für sich feststellen, dass sich die Prozedur einfach nur fantastisch anfühlte. „Donnerwetter, Mädchen, das muss man dir lassen, deine Reflexe sind wirklich erstaunlich schnell für jemanden, der keine Magie nutzt.“, hörte sie mit einem Mal Balins dunkle Stimme und öffnete daraufhin wieder ihre Augen. „Danke.“, meinte sie geschmeichelt. „Dabei nutzt sie Magie.“, meinte Roxa mit einem Mal. Daraufhin sah Raven ihn überrascht an. „Nein, tue ich nicht. Ich bin nicht magisch. Das heißt, ich war es, wenn ich dich richtig verstanden habe.“, meinte sie und sah dann Tarabas an, der seltsamerweise etwas angespannt aussah, diese Anspannung sich allerdings so langsam aus seiner Miene löste. „Das ist richtig. Was hast du bemerkt, Roxa? Mir ist nämlich auch nichts aufgefallen. Dir, Rayne?“ Der ältere Imunas schüttelte nur leicht seinen Kopf. Roxa kam um den Tisch herum und stellte sich von Raven. „Könntest du bitte noch einmal deine Wahrnehmung erweitern, so wie du es beim Kampf getan hast?“, bat der Mann, der wie ein Schatten wirkte. Verwundert sah Raven ihn an, dann senkte sie ihre Augenlider und begab sich in die meditative Übung die sie immer startete, wenn sie sich ihrer erweiterten Wahrnehmung bediente, wenn sie nicht kämpfte. So schickte sie diese einmal soweit durch den riesigen Garten wie sie konnte und stellte für sich zufrieden fest, dass sie das andere Ende des Aareals erreichen konnte. Aber auch, dass sich in der Mitte des Gartens etwas Seltsames befand, etwas, was für sie beinahe die Form einer Senke annahm. „Spürt ihr was ich meine?“, hörte sie Roxa die anderen fragen, woraufhin sie ihre Augen wieder öffnete, die Erweiterung aber aufrecht erhielt. So sah sie, dass die anderen mit einem Kopfschütteln verneinten, auch Tarabas runzelte die Stirn. „Wenn ich es richtig spüre bemerkt sie alles was sich hier im Garten befindet. Richtig?“, fragte er sie dann und sah sie an. Raven nickte. „Die Sucher meines Volkes benutzen eine ähnliche erweiterte Wahrnehmung, um ihre Beute auch über große Strecken verfolgen zu können. Damit spüren wir die Lebensenergien auf. Kannst du auch Lebensenergien zuordnen?“, fragte Roxa wahrlich interessiert. Raven nickte. „Wenn ich sie vorher schon gekannt habe, dann ja.“ „Neue auch?“, fragte er weiter. Sie schüttelte nur mit dem Kopf. „Wirklich interessant. Ich wusste gar nicht, dass lichte Völker auch über diese Fähigkeit verfügen.“, meinte Roxa fasziniert. „Aber Magie ist es nicht.“, wandte Larmas ein. „Doch, zumindest sehen es die Obersten meines Volkes so. Diejenigen von uns, die über diese Fähigkeit verfügen, werden als Jäger und Sucher eingesetzt. So wie ich einer war, bevor ich Mitglied im Inneren Kreis wurde.“, erklärte der junge General. Tarabas setzte sich wieder auf seinen Platz und sah Raven nachdenklich an. „Wie lange bist du schon in der Lage, Lebensenergien zu erspüren, Sahva?“, frage er. Raven zuckte mit den Schultern und belastete ihr Bein wieder richtig. Liams Heilmagie hatte dafür gesorgt, dass jeglicher Schmerz, den die Prellung verursacht hatte, verschwunden war. „Solange ich mich erinnern kann. Ich habe nach und nach festgestellt, dass ich diese Fähigkeit habe. Bei meiner Ausbildung in Kampfkunst hat mir das sehr geholfen, aber auch einiges an Ärger eingebracht, weil ich bei den Prüfungen im Vorteil war, da ich schneller reagieren konnte. Einige meiner Mitschüler haben mir deswegen unterstellt, dass ich aufgrund meines familiären Umfelds bei den Prüfungen bevorzugt wurde, was aber nachweislich nicht so war. Dennoch blieb bei einigen über Jahre der unausgesprochene Vorwurf bestehen, ich würde bevorzugt werden.“ Sie seufzte leise, denn das war eine Geschichte in ihrem Leben, welche sie gerne für sich behielt. „Also kann Raven seit ihrer Geburt Seelen erkennen.“, schloss Balin für sich. „Keine Seelen. Lebensenergien.“, korrigierte Tarabas den Wasserdämon. „Diese Fähigkeit ist selten, selbst in den dunklen Völkern, Sahva. Als du mit auf Laos erzähltest, dass du über diese Fähigkeit verfügst war ich schon überrascht, hatte aber nicht wirklich darüber nachgedacht, wie selten diese Fähigkeit eigentlich ist.“, erklärte er Raven, weil diese ihn erstaunt ansah. „Ich dachte bislang immer, dass nur diejenigen Völker über diese Fähigkeit verfügen, die als Jäger leben. Da die Shino friedfertig sind kann sie diese Fähigkeit doch nur über ihren Vater geerbt haben, oder? Aus dem Nichts erscheint so etwas ja nicht.“, dachte Larmas laut nach. „Sind die Terraner kriegerisch?“, fragte Tarabas Raven mit fragend in die Höhe gezogenen Augenbrauen. „Ziemlich, zumindest in Teilen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Staaten.“, meinte sie nur mit einem bedauernden Seufzen. „Aber ich kann nicht behaupten, dass sie magisch veranlagt sind. Oder es jemals waren.“ „Ist es nicht gleichgültig, woher sie diese Fähigkeit hat? Wichtig ist es, dass sie sie hat und zu ihrem Vorteil nutzen kann.“, warf Rayne mit einem Mal ein. Daraufhin sahen alle den jungen Weißhaarigen an und nickten. „Du hast natürlich Recht.“, stimmte Tarabas mit einem kleinen Lächeln zu. „Obwohl es schon spannend wäre zu wissen, welche Abstammungslinien solche Fähigkeiten gehabt haben können.“ „Ich denke, es muss sich nicht unbedingt um Abstammungslinien handeln. Raven ist die Enkelin der Göttin des Lichts. Es kann ein Geschenk gewesen sein. Immerhin trägt sie ja eine junge Seele in sich.“, warf Rayne weiter ein. „Wie kommst du darauf, dass Raven eine junge Seele ist?“, fragte Roxa verblüfft. „Junge Seele?“, fragte Raven Tarabas leise und etwas verwirrt. „Eine Seele, die ihren ersten Lebenszyklus durchlebt. Die keine früheren Leben hatte. Es ist nicht unüblich, dass Seelen mehrere Lebenszyklen haben.“, erklärte er ihr ebenso leise, sah aber weiterhin Rayne aufmerksam an. „Weil Tarabas die Seele seines Wächters sonst schon viel früher gefunden hätte.“, meinte der Imunas dermaßen trocken, als wäre diese Frage überflüssig gestellt worden und absolut logisch. „Und es ist heutzutage eher selten, dass es noch eine junge Seele gibt.“, führte Tarabas seine Ausführung mit einem kleinen Schmunzeln fort. „Aber ja, Sahva hat eine junge Seele, das kann ich durchaus bestätigen.“, meinte er dann laut. „Meine Großmutter darf sich nicht in die Belange der Lebenden oder entstehenden Seelen einmischen, Rayne. Das zumindest hat sie mir einmal erklärt. Sie hat es nur einmal getan und so ist meine Mutter entstanden.“, warf Raven danach in die Diskussion ein und nahm sich etwas von den dargebotenen Speisen. Nun hatte sie die Aufmerksamkeit aller anderen Anwesenden auf ihrer Seite. „Sie darf… was nicht? Seit wann das?“, fragte Tarabas und eine gewisse Entrüstung war bei ihm seh- und spürbar. „Seit immer denke ich, zumindest hatte ich sie so verstanden. Sie bewacht nur den Strom der Seelen und leitet diesen. Eine Einmischung ist ihr verboten. Es muss gewaltigen Ärger gegeben haben nachdem sie im Geheimen meine Mutter bekam.“ Mit einer ruckhaften Bewegung stellte Tarabas sein Glas auf dem Tisch ab. Es klirrte leise und es war sicherlich ein Wunder, dass der Stiel nicht zerbrach. Das Glas war mit einem Mal mit Raureif überzogen und Raven sah ihm an – ebenso wie sie es spürte – dass er mit einem Mal wirklich verärgert war. Instinktiv schwieg sie, wie ihr auch auffiel, dass die anderen am Tisch ihren Atem anhielten. „Ich fasse es nicht!“, stieß Tarabas aus und erhob sich dermaßen schnell von seinem Platz, dass niemand diese Bewegung sehen konnte. Einige Schritte vor der Tafel stellte er sich mit dem Rücken zu ihnen und ballte seine Hände zu Fäusten, während er in den Garten starrte. Eiseskälte strömte von ihm aus. „Sie ist ihre Königin, die Verkörperung des Lebensquells. Wie können sie es wagen? Dass sie mich verstoßen haben kann ich durchaus nachvollziehen, aber warum sie?“, grollte er wütend. Überaus vorsichtig tauschten alle am Tisch ihren Blick aus und Raven spürte, dass sie es nicht wagten etwas zu sagen, wenn Tarabas in einer solchen Stimmung war. Raven erlebte nun am eigenen Leib wie reizbar er sein konnte, wenn es um bestimmte Themen ging. Er hatte ihr das bereits versucht klar zu machen und auch ihre Großmutter hatte das angedeutet. So nahm sie sich ein Herz und stand dann auf, als sich niemand rührte. Langsam und bedacht näherte sie sich der großen Gestalt und trat an seine Seite. Behutsam blickte sie zu ihm und entdeckte, dass seine Augen ebenso silbern brannten wie noch wenig zuvor bei ihrer privaten Zeit im Bad oder in ihrem Schlafzimmer. „Sie ist glücklich, zumindest jetzt. Das soll ich dir ausrichten.“, meinte sie leise zu ihm, was Tarabas sofort zu ihr blicken ließ. „Sie sagte kurz vor meiner Abreise, dass für sie derzeit die schönste Zeit ist, die sie jemals hatte. Sie hat ihre Familie, auch wenn nur ich sie bislang wie ein wirkliches Familienmitglied behandelt habe. Glücklicherweise schwenkt Sean mittlerweile auch dazu über, sie als seine Großmutter zu sehen und nicht als höheres Wesen, wie es meine Mutter und Sera machen. Zudem scheint sie wirklich glücklich darüber zu sein, dass wir einander gefunden haben. Und…“ Sie wagte es ganz sanft ihre Hand auf seine geballte eiskalte rechte Faust zu legen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er hier im Makai am Mittelfinger einen wirklich beeindruckenden Ring trug. „… sie ist froh, dass du sie nicht mehr hasst für das, was sie tun musste. Auch wenn ich nicht weiß, was sie damit meinte.“, meinte sie leise. Schweigend starrte er sie noch einige Sekunden an, dann bemerkte sie, wie das Brennen seiner Augen zuerst zu einem Glühen wurde und dann wieder vollkommen verschwand. Tarabas starrte Raven einfach nur an. Hätte sie ihm dies alles vor etwas mehr als einem Zyklus erzählt, er hätte ihr vorgehalten, sie würde ihn belügen oder einer Lüge glauben. Doch dafür war mittlerweile zu viel geschehen und er spürte, dass sie die Wahrheit sprach. Schon allein deswegen, weil sie instinktiv eine körperliche Verbindung zu ihm hergestellt hatte, als sie diese Worte sprach. „Ich erzähle dir, was sie meinte, wenn wir nachher allein sind.“, versprach er leise. Sämtliche Wut war aus seiner Stimme verschwunden, dennoch war er tief in sich weiterhin verärgert. Doch je länger sie einfach so bei ihm stand, desto mehr verschwand auch das. Es war, als würde ihre bloße Anwesenheit die negativen Schwingungen in ihm verstummen lassen. Stattdessen spürte er erneut den sanften Klang ihrer Seele. Damit konnte er weiter entspannen. So brauchte er nur noch ein oder zwei Atemzüge mehr, dann konnte er sich wieder zum Tisch umdrehen. Die Gefahr, dass er seinen Generälen - seinen Freunden -, Schaden zufügen würde, war nun gebannt. „Wir sollten uns wirklich dem Essen zuwenden, bevor es seine Frische verliert. Außerdem geht bald der weiße Mond über dem Schloss auf. Bis dahin sollten wir das Essen dann beendet haben.“ „Ihr habt den weißen Mond schon ein paar Mal so betont. Ist an dem etwas Besonderes?“, fragte Raven neugierig, als sie beide sich wieder an den Tisch setzten. Mit einem stummen inneren Seufzen bemerkte er, dass der Inhalt seines Weinglases gefroren war. Das war ärgerlich, denn der Yerbarrath, so nannte man diesen speziellen Wein, vertrug eine solche Temperierung nicht. Wenn er auftaute würde er ungenießbar sein. So ließ er das Glas einfach verschwinden. „Der weiße Mond ist die Lebensquelle des Makai, doch sein Licht ist sehr energetisch und kann für einzelne Gruppen von Lebewesen unangenehm sein. Die meisten von uns ziehen sich in der Zeit, wo er am Himmel steht, in die Häuser zurück. Wir nennen das die stille Tageszeit, was eurer Nachtzeit nahe kommt. Die Wesen, die in diesem Tagesabschnitt unterwegs sind, sind durchaus unangenehme Kreaturen und verursachen oftmals viel Ärger, wenn sie außerhalb ihrer Territorien sind oder auf die friedlicheren Bewohner des Makai treffen.“, erklärte er ihr ruhig, sah dann aber auf, als Larmas eine kurze Handbewegung machte und ein anderes Glas herbeirief, um es dann vor ihm abzustellen. Diesmal war es kein Weinglas, sondern etwas, was bei den Menschen als Art Whiskeyglas gelten konnte. Nur war dieses Glas etwas größer und länglich. Im Innern war eine bernsteinfarbene Flüssigkeit, die im Licht am Tisch einen leicht rötlichen Ton hier und da reflektierte. „Ich denke das kannst du brauchen.“, meinte sein Freund und schmunzelte leicht. „Rakas. Wirklich?“, fragte er nach. „Alter Rakas um genau zu sein. Fast einhundert Jahre alt, aus einer meiner ersten Chargen. Das müsstest sogar du merken.“ Nun kehrte das Grinsen auf das Gesicht des Feuerdämons zurück und ihm schwante nichts Gutes beim Inhalt des Glases. Dennoch nahm er das Glas in die Hand und schnupperte vorsichtig daran, bevor er einen Schluck trank. Vom Geruch her konnte man nichts erahnen, das Getränk hatte einen vollmundigen, leicht karamelligen Geruch mit der leichten Schärfe eines guten Whiskeys. Doch sobald er die Flüssigkeit im Mund hatte kam bei ihm das Gefühl auf, glühende Lava hätte sich einen Weg in seinen Körper gebahnt. Auch wenn er nur mit Mühe ein kleines Aufhusten unterdrücken konnte, da das Getränk derart scharf war, genoss er die Wärme, die dieses Gefühl verursachte. Es linderte zumindest kurzfristig die schneidende Kälte in seinem Innern, die seine Wut hinterlassen hatte. „Ich hoffe du hast dieses Zeug gut unter Verschluss, Larmas, das gehört verboten.“, meinte er und konnte sich dann doch ein Schmunzeln nicht verbeißen. Als Reaktion auf dieses Schmunzeln sah er, dass alle Anwesenden – außer Raven, die in Punkto seiner Wutausbrüche noch vollkommen unbeeinflusst war – sich wieder vollkommen entspannten. „Das Beste bewahre ich immer nur für die auf, die es wirklich brauchen und auch vertragen können. Das Fass ist einzig und allein für dich da.“ „Was ist das?“, fragte Raven neugierig und betrachtete das Glas. „Das ist Rakas. Sehr alter Rakas, also nochmals um ein vielfaches stärker als eh schon. Den kann glaube ich nur noch Tarabas trinken, der merkt sonst ja überhaupt keine Wirkung von Alkohol.“, erklärte der Feuerdämon und bewegte noch einmal seine Hand, woraufhin vor allen anderen ein Glas mit dieser bernsteinfarbenen Flüssigkeit erschienen. „Larmas…“, begann Tarabas etwas unwirsch als auch vor Raven ein Glas erschien, doch dieser winkte ab. „Ich denke, unsere Kleine wird sehr genau wissen, was sie verträgt und wenn wie viel. Außerdem ist das eine recht milde Variante. Ich kann das durchaus auch.“, lachte Larmas, griff nach seinem eigenen Glas und prostete Raven damit zu. Diese nahm ein wenig misstrauisch das Glas in die Hand und roch daran. Das was sie da roch war gar nicht mal so unangenehm stellte Raven für sich fest. Es erinnerte sie ein wenig an Karamell mit der würzigen Note von Whiskey, welches sie auf Terra sehr gerne mit ihren Freunden bei Festivals trank, wenn auch in Maßen. So nippte sie vorsichtig an dem Getränk und riss automatisch ihre Augen ein wenig auf, denn das Getränk war wirklich unglaublich stark. Wie ein fröhliches kleines Feuer brannte sich der Schluck erst durch Mund und Kehle, bis es im Magen ankam und dort eine wohlige Wärme wie sofort ein leichtes Benommenheitsgefühl in ihrem Körper verursachte wie sie es eigentlich nur kannte, wenn sie etwas mehr Alkohol zu sich genommen hatte. „Mild?“, fragte sie nur und hustete leicht. Die Generäle lachten leise und amüsiert, woraufhin auch Gabrielle einen Schluck ihres Getränks nahm. Auch Larmas Schwester musste husten. „Alter, was brennst du? Für das Zeug braucht man einen Waffenschein und ich bin Alkohol durchaus gewöhnt.“, schimpfte sie etwas mit ihrem Bruder. „Flüssiges Feuer. Ist sehr gefragt, wenn ich mich mal Loben darf.“, antwortete Larmas grinsend und prostete den beiden Frauen zu. Raven ließ es sich nicht nehmen und trank noch einen kleinen Schluck. Sie hatte das Gefühl, dass das Gebräu nicht mehr allzu arg in der Kehle brannte sondern durchaus gut schmeckte. „Iss noch etwas, dann steigt dir der Alkohol nicht zu sehr in den Kopf.“, hörte sie Tarabas leise neben sich. Sofort drehte sie sich zu ihm und sah, wie er sie schmunzelnd beobachtete. „Und du? Ich habe noch nicht gesehen, dass du etwas gegessen hättest.“, gab sie ebenso leise und lächelnd zurück. Daraufhin beugte er sich etwas vor und wählte ein besonders schön angerichtetes Stück der Darbietungen zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt ihr das dann an die Lippen. „Ich esse nicht oft.“, meinte er daraufhin. Sie verfolgte seine Bewegungen nachdenklich. Als sie die gut duftende Speise an ihren Lippen spürte sah sie ihm kurz tief in die Augen, dann ließ sie sich einfach von ihrer Intuition leiten. Sie öffnete ihre Lippen und nahm das Stück entgegen. Doch bevor er seine Finger zurückziehen konnte ließ sie ihre Zungenspitze kurz keck über eine Fingerkuppe gleiten. Seine Reaktion kam sofort, das Schmunzeln verschwand kurz und sie hörte, wie er tief Luft einsog und dann etwas schluckte. Diesmal war sie es die grinste und lehnte sich dann auf ihrem Stuhl zurück, wo sie genussvoll die Speise kaute und dann schluckte. Dabei war sie sich seines veränderten Blickes durchaus bewusst, denn ihre laszive Tat hatte anscheinend genau die Reaktion verursacht, die sie sich gewünscht hatte. Natürlich war diese Tat nicht unbemerkt geblieben. //Das war gewagt.//, sendete Balin Larmas zu, der sein mehr als zufriedenes Grinsen damit verbarg, dass er einen Schluck Rakas trank. //Das war genau das, was er in seiner derzeitigen Gemütslage gebraucht hatte. Und er ist besser drauf angesprungen als ich es je zu hoffen gewagt hatte.//, antwortete der Feuerdämon seinem Freund ebenfalls telepatisch. Dabei bemerkte er, dass alle anderen dieses kleine Techtelmechtel zwischen ihrem Herrscher und seiner Gefährtin ebenfalls bemerkt hatten und ebenfalls zufrieden aussahen. //Wir sollten uns dezent verabschieden, was meint ihr?//, hörten sie Jebrills Stimme ihn ihrem Kopf, der ebenfalls recht amüsiert klang. //Wartet noch ein paar Minuten, dann müsste der weiße Mond am Rand des Schlosses erscheinen. Dann haben wir einen guten Grund uns zu verabschieden.//, klinkte sich Rayne in die stumme Unterhaltung ein, bevor auch er sich noch etwas von den Häppchen nahm und genoss. Tarabas hatte nach der kleinen neckenden Herausforderung durchaus seine Mühe, die sofort in ihm aufgekommene Lust so niederzuringen, dass er seine junge Wächterin nicht sofort mit ins Innere seiner Wohnung nahm, um dort das fortzuführen, was sie erst vor weniger als zwei Stunden beendet hatten. Es fiel ihm sehr schwer wie er mit einer gewissen Erschütterung feststellen musste. Nur mühsam konnte er seine Gedanken in normalen Bahnen halten, während sein Innerstes sich schier danach sehnte, die Einladung, die ihm wortlos gegeben worden war, anzunehmen. Noch nie hatte ihn jemand dermaßen schnell derart stark erregen können, sodass er die Reaktionen seines Körpers nicht mehr unter Kontrolle hatte. Er kannte es nur, dass sich aufkommendes Begehren nach den ersten Vereinigungen schnell in ruhige Bahnen abebbte und auch seine lange Abstinenz konnte nicht erklären, dass er grade so vollkommen anders und mit unglaublicher Intensität reagierte, die sich eher steigerte als befriedigt war. So versuchte er sich damit abzulenken, dass er ebenfalls etwas von dem Essen zu sich nahm, doch wirklich schmecken ließ ihn sein verfluchter Körper nicht. Dieser und auch seine Finsternis war an ganz anderen Dingen interessiert und fügten sich nur widerwillig der Tatsache, dass die angebotene Tat nicht augenblicklich vollzogen werden konnte. Raven genoss es durchaus, dass sie Tarabas ein wenig ablenken konnte und bewunderte seine Selbstbeherrschung, denn sie hatte das Gefühl, dass er intensiver auf ihr Spiel angesprochen hatte als geplant. So hörte sie den anderen zu, wie sie kleine Neckereien austauschten. Dann mit einem Mal spürte sie, wie die Luft im Garten mit einem warmen Prickeln erfüllt wurde. Verwundert sah sie auf und über den Garten hinaus in die Dunkelheit über dem Gebäudekomplex, wo sie weitere Gebäude in der Ferne ausmachen konnte. Und darüber entdeckte sie mit einem Mal ein schwaches helles Glühen am Himmel und glaubte die Luft von dort leicht flirren zu sehen. „Wir sollten rein gehen.“, meinte Balin mit einem Mal und erhob sich fast augenblicklich vom Tisch. Die anderen Anwesenden taten es ihm gleich und sie gewahrte, wie Larmas einmal kurz mit der Hand durch die Luft über der Tafel strich. Das Essen verschwand gleich darauf. „Was ist los?“, fragte Raven Tarabas verwundert. „Das spürst du doch.“, meinte er freundlich und deutete mit einem Kopfnicken in die Richtung, in die sie grade gesehen hatte. „Der Mond geht auf. Lass uns auch reingehen. Von dort kannst du ihn dir gleich ansehen.“ Die anderen gingen nach einer kurzen Verabschiedung durch den Garten zu ihren eigenen Wohnungen wie es schien, Raven betrat einfach Tarabas' Wohnung durch den Durchgang. Kaum das sie im Innern war wurde sie ruckartig zur Seite gedreht, sodass sie urplötzlich mit dem Rücken an der Wand neben dem Durchgang gedrückt stand und von ihm völlig abgeschirmt wurde. Fast schon ein wenig aggressiv küsste er sie. Dieser Kuss zog sich in die Länge, bevor Tarabas schließlich sehr schwer atmend von ihren Lippen abließ, sich aber kaum von ihr löste. „Was machst du nur mit mir?“, fragte er leise an ihren Lippen. „Dich necken?“, fragte sie mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen, während sich ihre Hände zum wiederholten Male an diesem Tag sich unter sein Hemd stahlen, um dort seine Haut zu liebkosen. „Zumindest scheint es dir zu gefallen.“ Wieder erklang dieses tiefe Grollen aus seiner Kehle, während sein Atem immer flacher wurde. „Was hältst du davon, wenn wir dieses Mal eines der beiden Betten ausprobieren, die sich hier in der Wohnung befinden?“, lockte sie ihn dann, als er sich nicht wirklich in irgendeiner Weise rührte. Ohne dass noch ein weiteres Wort fiel hüllten sie mit einem Mal Schatten ein, die sie auch sofort wieder frei gaben. Raven spürte nun hinter sich keine Wand mehr, sondern ein Bett und gewahrte nur am Rande, dass sie sich in seinem Schlafzimmer befanden... und keine Kleidung mehr trugen. Mit einem lockenden Lächeln ließ sie sich auf das Bett sinken. Nach ihrem weiteren Spiel mit einander lagen sie an einander gekuschelt unter den weichen Denken und schauten in die Flammen, die mittlerweile im Kamin prasselten. Es war lange her, dass Raven sich so wohl gefühlt hatte wie in diesem Augenblick. „Verzeih mir bitte, dass ich vorhin so wütend geworden bin.“, meinte Tarabas mit einem Mal, worauf sie sich so drehte, dass sie ihn ansehen konnte. „Wusstest du das nicht?“, fragte Raven nach. Er schüttelte leicht den Kopf. „Nein. Es entzieht sich mir auch jeglicher Logik, warum man sie so einschränkt. Und wieso sie sich das gefallen lässt. Keiner der anderen würde sich in irgendeiner Weise einschränken lassen.“ „Wie viele deines Volkes gibt es eigentlich?“, fragte Raven und rollte sich auf den Bauch. „Mein Volk sind die Bewohner des Makai und von Laos, Sahva. Ich entstamme nur den sogenannten Alten. Aber ich gehöre nicht zu ihnen.“, korrigiert er sie uns sah sie dann an. „Wir waren einmal 20, als das Universum seinen Neustart bekam. 20 Wächter, die die Energien für die Zeit der Existenz dieses Universums leiten sollten. Jetzt sind wir nur noch 6.“ „Wie kommt es? Ich dachte die Alten sind unsterblich.“ Ein bitteres kleines Lächeln umspielte Tarabas' Lippen und er sah mit einem Mal wirklich traurig aus. „Die Alten sind auch unsterblich. Außer der Jüngste von ihnen richtet seine Macht gegen sie. 5 starben hier im Makai, als sie wie ich hierher verbannt wurden. Die anderen starben, als sie gegen mich kämpften.“ Raven setzte sich nun doch richtig hin und lehnte sich neben ihn an die Stirnseite des Bettes. „Was ist passiert?“, fragte sie sanft nach. Tarabas sah einige Zeit schweigend in die Flammen des Kamins. Raven ließ ihm Zeit, damit er sich sammeln konnte. Schließlich begann er zu erzählen, blickte aber weiterhin in die Flammen.... „Ich hatte dir ja erzählt, dass Artris und ich nach unserer Verkörperlichung voneinander getrennt wurden. Zu dem Zeitpunkt existierten noch die anderen Wächter, die, die vor uns waren. Ihre Aufgabe war es uns anzuleiten und ihre Macht auf die neuen Wächter zu übertragen. Sie trennten uns, weil sie spürten, worin meine Macht bestand und das sie vor niemandem Halt machen würde. Mit der Trennung isolierten sie mich von allen anderen unserer Art, dennoch erlaubten sie mir zu dem Zeitpunkt noch, in der Welt des Lebensquells zu bleiben. Eines Tages wagte ich mich wieder in den Bereich, in denen die anderen lebten, weil ich mich danach sehnte, meine Schwester zu sehen. Zu Beginn konnten wir uns noch berühren musst du wissen. Immerhin waren wir aus einer Quelle erschaffen worden und einmal eins gewesen. Doch ich musste sehr schnell feststellen, dass mir das Licht in ihrem Bereich nicht bekam. Ich konnte mich nur nähern, als ich mich mit Schatten verhüllte. Ich habe es gehasst.“ Er lehnte sich an sie und Raven glaubte zu spüren, dass er leicht am zittern war. „Als ich deine Großmutter wiedersah musste ich feststellen, dass es mir nie mehr möglich sein würde sie berühren können. Unsere Kräfte hatten sich entwickelt und waren komplementär geworden. Das wäre vielleicht nicht schlimm gewesen, doch ich spürte, dass Artris gelernt hatte mich zu fürchten, wie die anderen es auch taten. Ich habe darauf nicht wirklich gut reagiert, denn nur der Gedanke an sie hatte mich überhaupt existieren lassen. Darauf habe ich nicht wirklich gut reagiert, sodass die anderen mich, um Artris zu schützen, hierher verbannt hatten. Der Makai war damals eine trostlose Einöde, in dem nur Stein existierte und ein gefährlicher schwarzmagischer Sturm vorherrschte, der alles Leben zerstörte. Ich sollte hier mein Ende finden, zumindest war es so der Plan gewesen. Leider bin ich das Lebensende. Mir machten weder die Einöde, noch Wasser- und Essensmangel oder der magische Sturm etwas aus. Im Gegenteil, ich habe mir den Sturm Untertan gemacht. Er ist seitdem ein Teil von mir und erweiterte meine zerstörerischen Kräfte. Doch damit bot ich dem Makai die Möglichkeit, überhaupt erst eine Lebensexistenz zu ermöglichen.“ „Also bist du der Schöpfer des Makai?“, fragte Raven. „Nein. Der Makai existierte schon vor mir, ist ein Relikt aus dem alten Universum, wenn er nicht sogar noch älter ist. Ich habe in nur urbar gemacht und das auch nur, weil ich Langeweile hatte.“ „Aber wie kann es sein, dass der Makai aus dem alten Universum übrig geblieben ist? Seit ich vom Neuanfang weiß dachte ich immer, dass alles Alte zerstört wurde und einen neuen Anfang nahm.“, hakte Raven neugierig nach. „Das ist auch richtig. Aber sicherlich erinnerst du dich auch wie ich vor deiner ersten Reise hierher sagte, dass der Makai am Rande der Zeit existiert, fast unbeeinflusst von ihr. Das und die Tatsache, dass die vor uns den Makai als eine Art Gefängnis genutzt haben, wird die Auslöschung verhindert haben.“ Tarabas schwieg und starrte erneut in die Flammen. Raven konnte regelrecht sehen, wie er seinen Erinnerungen nachhing. „Du kannst dir nicht vorstellen wie es ist, wenn eine Welt vor Qual schreit, Sahva. Als Hüter kann ich es spüren, wenn ein Planet oder eine ganze Welt aus den Fugen geraten ist. Jede Welt will jene, die in ihr leben, Obdach geben und nähren. Der Makai konnte es nicht. Durch den Sturm wurde immer wieder alles zerstört, ich spürte den Kummer, dass mir kein sicheres Obdach gegeben werden konnte. Erst als ich mir den Sturm Untertan gemacht hatte konnte das Land überhaupt zu leben beginnen.“ Wieder schwieg er kurz. „Ich kann dir nicht sagen wie lange ich allein hier verbracht habe, aber eines Tages gab es mehrere starke Beben, die sich durch den gesamten Makai zogen. Ich spürte, dass es Einschläge waren und nicht vom Land selbst verursacht worden war. So machte ich mich auf um die Quelle zu lokalisieren. Nach etlicher Zeit, die ich mit Suchen vertrödeln musste fand ich fünf meiner anderen „Geschwister“.“ Er betonte das Wort Geschwister in einer Art und Weise die Raven verdeutlichte, dass er sie nur ungern so bezeichnete. „Sie waren schwer verletzt als ich sie fand. Sie wurden wie ich hierher verbannt und das nur, weil sie einen starken dunklen Kern in sich trugen. In den Augen der anderen mussten sie also meine Verbündeten sein, obwohl ich nie mit einem von ihnen Kontakt hatte.“ „Das ist ein Grund?“, fragte Raven entgeistert. „Angst, Hass und Missgunst herrschen seit Beginn, mein Herz. Sie wurden schon von den Vorgängern gelegt und können nicht getilgt werden. Sie hatten keinerlei Chance auf ein friedliches Leben, auf überhaupt ein Leben. Sowohl ihre Körper wie auch ihre elementarmagischen Existenzen waren so schwer beschädigt worden, dass sie keinerlei Überlebenschancen hatten. Ich habe versuch ihnen zu helfen, musste dabei aber feststellen, dass die Fähigkeit der Heilung nicht die meine ist. Sie bluteten hier langsam aus. Das einzige was ich ihnen nehmen konnte waren ihre Schmerzen, indem ich diese in mir aufnahm. Kurz vor ihrem Ende berichteten sie mir vom Wunsch der anderen, sämtliche dunkle Magie zu tilgen, so groß war ihre Angst. Aufgrund ihrer Worte ging ich all die Zeit davon aus, dass auch Artris diese Ansicht vertrat.“ „Die anderen fünf sind hier dann gestorben?“, fragte Raven betroffen nach. Tarabas schloss kurz seine Augen und nickte. „Sie waren die ersten Seelen, die sich bei mir bildeten und folgten mir auf Schritt und Tritt während ich durch diese Welt zog. Ich erforschte den Makai immer weiter und bekam erst nach und nach mit, dass aus den fünf Seelen viele mehr geworden waren. Ich hatte zu dem Zeitpunkt Gefallen daran gefunden, meinen Körper von einer festen in eine schattenhafte Form zu wandeln, in der sich die Seelen ansammelten. Da es immer mehr wurden suchte ich ihnen einen sicheren Ort, an dem sie verbleiben konnten, während ich weiter versuchte den Makai urbar zu machen. Erst da entdeckte ich den Gebirgszug, in dem jetzt das Schwarze Schloss liegt. Der gesamte Gebirgszug besteht aus dem lebendigen Gestein, welches du ja schon kennengelernt hast. Es war neben mir das einzige Lebewesen hier im Makai und war erfreut, dass endlich jemand da war, der seine Anwesenheit wahrnahm. Es bot mir an den vergangenen Seelen Schutz zu bieten. So habe ich am Herzen des Gebirges das Gegenstück zum Seelenquell begründet, über den deine Großmutter wacht. Der Seelensee ist das größte Heiligtum hier im Makai und quasi die letzte Station aller vergangenen Seelen, wo sie sich entscheiden können, ob sie einen neuen Lebenszyklus beginnen wollen, dann kehren sie zum Beginn zurück, oder ob sie vergehen möchten, dann werden sie ein Teil der immer währenden Finsternis und niemand kann sie jemals wieder zurückbeordern.“ „Deine Geschwister sind dann zur Finsternis geworden?“, fragte Raven behutsam nach. Doch zu ihrer Überraschung schüttelte Tarabas nur leicht seinen Kopf. „Nein. Sie sind immer noch hier, aber in anderer Form. Sie waren zu mächtig um zu vergehen, eben Elementare wie ich auch. Zuerst blieben sie hier im Gebirgszug, gesellten sich aber nicht zum Seelensee. Als ich den Makai weiter formte und diese Arbeit erfolgreich war wählten sie sich Plätze, an denen ihre Seelen in den Boden eingingen. Sie wurden Quellen der Macht, die den Makai nährten und weiter fruchtbar machten.“ „Aber du warst weiterhin allein, oder habe ich das falsch verstanden.“ Er nickte nur. „Wann hat sich das geändert?“, fragte sie behutsam weiter. „Ich wusste ja, dass die anderen Alten alles bekämpfen wollten, was einen dunklen Kern in sich trug. Doch ich muss gestehen, dass ich lange Zeit gar nicht darüber nachgedacht hatte, was für Konsequenzen dies haben könnte. Außerdem war ich lange Zeit davon überzeugt, dass ich den Makai gar nicht verlassen konnte. Doch je mehr Zeit verging desto öfter berichteten mir die ankommenden Seelen von den Verfolgungen, die sie vor ihrem Tod durchleiden mussten, wenn sie dunkler Abstammung waren. Je öfter mir das zugetragen wurde desto wütender wurde ich. Der Makai war zu der Zeit bereits weitestgehend bereit zur Besiedlung, auch wenn er noch lange nicht so fruchtbar war wie er es heute ist. In meinem Zorn erkannte ich dann, dass das Bannsiegel, welches einst über dieser Welt gelegen hatte, verschwunden war. Es musste schon lange vergangen sein, denn ich konnte keine Reste davon ausmachen. So verschmolz ich vollkommen mit der Finsternis und entdeckte, wie ich zwischen der Finsternis und den Welten reisen konnte, die sich in den Bereichen des Lichts gebildet hatten. Ich suchte nach jenen die verfolgt wurden und im Rückblick auf das was da passierte muss ich heute gestehen, dass ich wahrhaft wahnsinnig wurde vor Zorn. Ich nahm jene in mir auf, die aufgrund ihrer Abstammung gejagt wurden, doch ich habe unzählige getötet und Welten zerstört, weil sie die Dunklen gejagt und getötet hatten. Es hat einen Grund, warum die Finsternis so sehr gefürchtet wird, auch heute noch. Bei den Völkern des Lichts ist diese Angst genetisch verankert und das aus gutem Grund.“ Er sprach leise und mit unglaublicher Resignation in der Stimme. „Was hast du mit jenen getan, die verfolgt worden waren?“, fragt sie dann behutsam nach. „Ich brachte sie hierher und sie siedelten sich an. Und als Dank für ihre Rettung boten sie an, die vergangenen Seelen auf ewig zu beschützen.“, gab er als Antwort. „Waren es denn nicht viele Verfolgte?“, fragte sie weiter. Ein kleines bitteres Lächeln huschte kurz über seine Lippen. „Oh ja.“, war seine einige Antwort. „Aber… war der Makai dann nicht irgendwann überbevölkert?“ Nun endlich sah Tarabas sie wieder an. „Mein Herz, der Makai erweitert sich wie Platz benötigt wird, ebenso wie das Schloss Räume anfügt, wenn es neue Bewohner gibt. Er ist nahezu unendlich geworden. Dennoch hast du Recht, es wären zu viele geworden. Glücklicherweise bildete die Finsternis neue Elemente als Schutz aus und diese erschufen neue Welten, die allesamt mit dem Makai als erster Welt verbunden sind. Diese Welten nahmen etliche der Flüchtlinge auf und bildeten neue Rassen und Lebensformen aus. So entstanden die weiteren dunklen Welten. Das musste auch so sein, denn nur so konnte das Gleichgewicht der Mächte erhalten bleiben und das Leben überhaupt existieren. Aber glaub mir, das war ganz sicher nicht meine Absicht gewesen, als ich zum wahnsinnigen Jäger in den Welten des Lichts wurde.“ Raven spürte seinen tiefen Kummer und strich ihm lächelnd und beruhigend mit ihrer Hand eine Haarsträhne zurück. „Aber du hast unzählige Wesen gerettet. Und warst irgendwann nicht mehr wahnsinnig.“ Er sah sie schweigend an, dann ergriff er ihre Hand und küsste ihre Handfläche, bevor er seine Finger mit der ihren verschlang. Dabei fiel Raven mit gewisser Genugtuung auf, dass er anscheinend keinerlei Angst mehr hatte, dass er sie verletzen könnte. „Aber nicht aus eigenem Antrieb.“, gestand Tarabas leise ein. „Ich hatte durchaus Spione in den Welten des Lichts, in denen die übrig gebliebenen Alten außer deiner Großmutter bevorzugt verkehrten. Von allen hatte ich vernommen, dass sie sich in nahezu allen Belangen uneins waren. Sie waren unfähig zusammenzuarbeiten, um gemeinsame Ziele zum Wohl ihrer Schützlinge zu erwirken, weil einfach ihr Ego zu groß war. So habe ich meine Streifzüge durch die Welten des Lichts fortgesetzt und weiterhin Tod und Zerstörung gebracht, ohne die Gefahr von Regressionen zu fürchten. Wobei Furcht, die hatte ich eh nie empfunden.“ „Aber du hattest dich geirrt, richtig?“ Tarabas nickte. „So uneins sie sich waren und sicherlich immer noch sind, es gibt nichts und niemanden den sie so sehr hassen wie mich. Und ich tat mein Übriges dazu, dass dieser Hass nur noch weiter geschürt wurde. So kam es dann dazu, dass sie sich alle zusammentaten und mich stellten. Ich war noch immer in meiner bevorzugten Form unterwegs und machte mir auch keine Sorgen als sie mich lokalisierten und dann umringten. Immerhin hatte ich keinen Körper den sie angreifen konnten und bestand quasi nur noch aus Magie. Ich war arrogant genug zu glauben, dass sie mir nichts anhaben konnten. Vor allem weil zu der Zeit Artris nicht anwesend war, die ja das Äquivalent zu mir war. Ich war den Einzelnen von ihnen an Macht durchaus überlegen, doch sie verbanden ihre Kräfte und kesselten mich ein, hielten mich in einem Bereich der Welten, in dem ich keinerlei Schaden anrichten konnte, gefangen und schufen Artefakte, die sie dabei unterstützten. Geliebte Finsternis, ich habe gewütet und mich gewehrt als ich feststellen musste, dass ich nicht entkommen konnte. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass sie sogar Tote in ihren Reihen akzeptierten würden nur um mich aufzuhalten.“ Er seufzte schwer. „Schließlich erschien deine Großmutter. Allein ihre Anwesenheit festigte meine Erscheinung und ihre Magie und die der anderen zwang mich in einen festen Körper zurück, sodass ich durch die Artefakte gefesselt werden konnte. Ich wütete auch dann noch und konnte meine Magie nutzen, was etlichen von ihnen den absoluten Tod brachte, doch sie hielten stand bis Artris mich schließlich bannte. Sie als meinem Spiegel war als einzige in der Lage dazu und sie hatte aus dem Grund nicht mitgekämpft, um ihre Energie einzig und allein auf diesen Akt zu konzentrieren. Seitdem bin ich nicht mehr in der Lage meinen Körper für mehr als kurze Zeitspannen von Minuten aufzugeben und zu Schatten zu werden. Außerdem banden sie meine Magie an das Gleichgewicht sämtlicher Welten.“ „Und das bedeutet?“, fragte Raven fast atemlos vor Entsetzen von dem, was sie erfahren hatte. „Nichts bis eine Welt stirbt. Ich spüre es als Tod wenn sie vergeht als Erschütterung meiner Macht, wie auch körperlich als reißenden Schmerz. Besonders schlimm ist es, wenn Teile in den Welten gewaltsam vergehen. Diese Gewissheit hatte ich von dem Augenblick an wie der Bannspruch stand, denn ich spürte sofort die Auswirkungen der Taten, die ich vollzogen hatte. Als das Bannsiegel dann gefestigt war und ich wieder in der Lage war unter dem Schmerz etwas wahrzunehmen musste ich feststellen, dass mit mir und Artris nur noch vier andere Alte überlebt hatten. Ich hatte in dem Zeitraum, in dem sie mich gefangen gehalten hatten, neun von uns in die ewige Finsternis befördert, deren Kräfte auf die übrig gebliebenen Alten über ging. So konnten sie mich zurück in den Makai schleudern, wenn auch diesen nicht erneut versiegeln. Sie konnten nur hoffen, dass ich stark genug geschwächt war, um für lange Zeit keinen weiteren Ausbruch zu wagen.“ Raven spürte seinen Kummer bei dieser Erzählung fast körperlich. „Und, kam es zu einem neuen Ausbruch?“, fragte sie dann leise, während ihre Finger beruhigend durch sein Haar strichen. „Nicht im früheren Sinne, nein.“, meinte er. „Aber ich habe den Makai weiterhin verlassen, auch wenn es lange, wirklich lange gedauert hatte, bis ich mich erholt und meine feste Erscheinung akzeptiert hatte. In der Zeit meiner Heilung begann ich dann, mich wirklich um die Bewohner des Makai zu kümmern und eines Tages hatte ich dann für mich festgestellt, dass mein Wahnsinn verschwunden war. Aus meiner Langeweile wurde zuerst das Interesse an meinen Mitbewohnern hier und schließlich meine selbst gewählte Aufgabe, diese zu beschützen und ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen. Das hat aber lange gedauert. Und ich meine wirklich lange.“ Liebevoll streichelte Raven seinen Körper, der dies dieses Mal auch nicht als sexuelle Aufforderung ansah sondern so verstand wie es sein sollte. Nämlich als Beruhigung des Kummers. „Darf ich fragen wie du dann überhaupt nach Laos gekommen bist?“, fragte sie leise weiter. Nun huschte wieder ein kleines Lächeln über die Lippen. „Das kann ich dir gar nicht sagen.“, gestand er ein. „Bitte?“, fragte sie überrascht. „Ich weiß es wirklich nicht. Wie gesagt, ich war weiterhin in den lichten Welten unterwegs, um die Verfolgten in Sicherheit zu bringen, doch es erfüllte mich nicht mehr mit Hass, wenn ich von Verfolgungen erfuhr, sondern nur noch von grenzenlosem Kummer. Nach meiner Bannung und Heilung ging ich dabei mit größter Vorsicht und höchstem Feingefühl bei der Evakuierung vor. Dennoch wurde ich bemerkt, wenn auch nicht direkt durch die anderen Alten, sondern durch deren Vertraute. Eines Tages wurde mir eine Falle gestellt, indem ein dunkles Volk in den lichten Welten nahezu ausgelöscht wurde und das, obwohl dieses Volk eigentlich dem Licht zugetan war.“ „Hattest du geahnt, dass es sich um eine Falle handelte?“, fragte Raven nach, denn sie konnte sich bei all seiner Erfahrung und dem Intellekt, den Tarabas hatte, nicht vorstellen, dass er dies nicht bemerkt hatte. „Natürlich hatte ich das.“, bestätigte er ihren Gedankengang. „Doch im Gegenzug zu den anderen meiner Art ist es nicht mehr an mir, andere dafür leiden zu lassen, nur um meine Ziele zu erreichen. Ich habe gelernt und durch meine zweite Verkörperlichung war ich zumindest in der Lage, Sorge für andere Geschöpfe zu empfinden, die ich als zu mir gehörig ansah. So nahm ich die Herausforderung an und brachte die Imunas in Sicherheit, obwohl die vier anderen meiner Art uns sofort angriffen.“ „Die Imunas?“, keuchte Raven auf. Tarabas nickte. „Sie waren das letzte komplette Volk, deren Überlebende ich hierher in den Makai brachte. Ich konnte hier nichts mehr für sie tun, da ich nach dem Angriff nicht hierher zurückkehren konnte, doch eines der Siegel kümmerte sich um sie und passte für sie einen Lebensraum an, in dem sie leben konnten. Doch diese Evakuierung kostete mich einen hohen Preis, denn ich konnte ihnen nicht durch die Welten folgen, da ich sonst die Übergänge verraten hätte. Ich ahnte zu dem Zeitpunkt bereits, dass sie nach den Toren suchten, die ich erschaffen hatte, um die Welten zu verbinden und dass sie diese zerstören wollten. Ich habe mich zwar gewehrt, aber aufgrund meines Fluchs und der damit verbundenen Verbindung zu den Welten bei Weitem nicht so wie in der Vergangenheit. So wurde ich dermaßen verletzt, dass ich das Bewusstsein verlor. Als ich wieder erwachte fand ich mich auf Laos wieder und die Bevölkerung versorgte meine Verletzungen. Den Rest dürftest du kennen.“ „Haben dich deine Geschwister…“ Er sah sie sofort mit hochgezogener Augenbraue an. „Verzeih, haben dich die anderen nicht gesucht nachdem sie dich verletzt hatten?“, formulierte Raven ihre Frage um. „Doch, haben sie. Das zumindest teilten mir meine Verbündeten mit, nachdem sie mich gefunden hatten. Aber ihnen war es auch kaum möglich mich ausfindig zu machen. Wer immer mich auf Laos in Sicherheit gebracht hat, derjenige muss eine Art Bann um den Planeten errichtet haben, durch den meine magische Erscheinung nicht spürbar zu sein scheint, zumindest nicht für die anderen meiner Art. Sie kamen nie nach Laos, auch wenn ich durchaus gespürt habe, dass sie dem Planeten nahe kamen. Anders wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, dass es einen Bann um den Planeten gibt. Komm, legt dich jetzt wieder neben mich. Du bist müde und ab morgen steht dir ein neuer Lebensabschnitt bevor.“ Raven, die eigentlich vorgehabt hatte, sich den weißen Mond anzusehen, auf den die anderen sie neugierig gemacht hatten, rutschte wieder zurück an seine Seite unter die Decken und kuschelte sich an ihn. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie schläfrig wurde. „Schlaf, mein Herz. Solltest du aufwachen und ich nicht hier sein werde ich sicherlich nebenan sein. Ich brauche leider sehr wenig Schlaf.“, raunte er ihr zu, dann spürte Raven seine Lippen auf der Stirn und sie lächelte glücklich. Gleich darauf schlief die ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)