Licht der Finsternis von Sahva ================================================================================ Kapitel 7: Laos' Schutzwächter ------------------------------ Nach ihrem Gespräch mit Tarabas schaffte sie es ziemlich zeitnah ihn davon zu überzeugen, wieder an der Konferenz teilzunehmen, auch wenn es dem König sichtlich missfiel, nicht selbst aufzubrechen und möglicherweise die Eindringlinge zur Rechenschaft zu ziehen. Sie bewunderte Männer und Frauen der Tat, doch in diesem Fall war es wirklich besser wenn er hier blieb. Schon allein deswegen weil ihr Vater ihr die Haut gerben würde, sollte Tarabas bei ihr sein und ihm etwas zustoßen. So nett Marc auch war, darin war er absolut kompromisslos. So packte sie systematisch all das zusammen, was sie für die Reise zu dem Invasionsgebiet benötigte. Glücklicherweise war es nicht wirklich viel, doch es nahm etwas Zeit in Anspruch, die Dinge, die sie für die Analyse und deren Übermittlung brauchte, sicher einzuwickeln. Sie war beinahe fertig als es an ihrer Zimmertür klopfte und der junge Diener Mikosch ihr mit einem kleinen Lächeln wortlos Satteltaschen brachte. „Seine Hoheit meinte, dass ihr dies brauchen könntet, Prinzessin. Sagt mir bitte, was ihr noch brauchen könnt.“, meinte der junge Mann freundlich. Wieder einmal war sie über Tarabas‘ Zuvorkommenheit überrascht. Er war zwar gegen ihre Reise allein mit dem Boten, doch er stellte ihr wieder einmal alle Möglichkeiten offen, die sie in der aktuellen Situation brauchte. Auch wenn dies sicher weitaus mehr war als ein Spaziergang in der nahen Hauptstadt in angenehmer Begleitung, nur weil ihr langweilig war. „Es gibt in der Tat etwas, womit ihr mir einen großen Gefallen erweisen würdet, Mikosch. Wenn ich reise möchte ich nicht auffallen, was mir als Frau sicherlich schwerfallen wird, oder?“, fragte sie. Der junge Diener runzelte kurz seine Stirn, nickte dann aber. „Gibt es etwas, womit ich mich als junger Reisender verkleiden könnte? Hosen und entsprechendes Schuhwerk habe ich dabei, aber bei allem anderen werde ich auf jeden Fall auffallen.“ Verblüfft sah Mikosch sie an und es verstrichen einige Sekunden, dann musterte er ihre Erscheinung genauestens, bevor er nickte. „Ich denke, ich habe da eine Idee. Ich bin bald zurück, Prinzessin.“ Damit war der junge Mann auch schon wieder verschwunden. So packte Raven die zuvor in Stoff verborgenen hier unbekannten Gerätschaften in die robusten Satteltaschen und sicherte sie so gut es ging, dann holte sie eine schwarze Wildlederhose, ein Shirt und ihre Schnürstiefel aus den Tiefen des Schrankes hervor und kleidete sich an. Sie ging sogar so weit, dass sie ihre Brüste etwas zurückband. Diesen Trick hatte sie schon einige Male verwenden müssen, wenn sie bei einer Mission inkognito unterwegs sein musste und ihr ihr Geschlecht im Weg war. Dann öffnete sie ihr aufgestecktes Haar und schüttelte es, um es schließlich so lange auszukämmen, bis ihr Haar nicht mehr allzu wellig erschien. Zudem entfernte sie sämtliche Kosmetik aus ihrem Gesicht und wusch sich grade, als es wieder an der Tür klopfte und Mikosch mit einigen Kleidungsstücken im Arm herein kam. „Ihr seht auch so gut aus, wenn ihr mir diese Bemerkung nachsehen würdet, Prinzessin.“, meinte der junge Mann mit einem scheuen Lächeln. „Danke Mikosch.“, meinte sie mit einem kleinen Schmunzeln, dann trat sie an ihn heran. „Versucht einmal das hier bitte. Das müsste euch eigentlich passen.“, meinte der junge Mann und reichte ihr eine Jacke. Raven betrachtete das Stück, welches stabil, aber dennoch nur aus dünnem rotbraunem Leder gefertigt worden war. Es erinnerte sie entfernt an eine Uniformjacke. Diese Mutmaßung bestätigte sich, als sie die Jacke schließlich trug. Sie saß zwar nicht hundertprozentig perfekt, aber gut genug, um nicht weiter aufzufallen. „Das habe ich von meinem älteren Bruder bekommen. Er gehört hier zur Schlosswache und hatte eine ähnliche Statur wie ihr, als er hier angefangen hatte.“, erklärte Mikosch, während er ihr geschickt und sicher einige Schnallen richtete, damit das Ganze noch besser saß. „So, fertig. Wenn ihr euer Haar jetzt noch im Nacken zusammenfasst müsstet ihr eigentlich problemlos als Bote des Schlosses durchgehen.“ „Danke Mikosch.“, meinte Raven mit einem Lächeln, dann fasste sie auch schon ihr zusammen und nahm dann noch ihre Stecker aus den Ohrlöchern, weil ihr dies grade noch einfiel. Schließlich schulterte sie die gepackten Satteltaschen. „In Ordnung. Von mir aus können wir aufbrechen. Ich hoffe der Bote wird nicht allzu enttäuscht sein, dass ich sofort aufbrechen möchte und er nicht noch etwas bleiben kann.“ Doch Mikosch schüttelte nur leicht seinen Kopf. „Meister Miram wäre eh nicht wesentlich länger geblieben. Er gehört zum Regionalrat und will sicher schnellstens wieder vor Ort sein. Da macht euch bitte keine Gedanken.“ Sie verließen beide das Zimmer und strebten den Gang entlang. Nun fühlte Raven sich wieder richtig wohl, sie konnte weitgreifendere Schritte tun als in den Kleidern und sie trug Schuhe, die nicht nach kürzester Zeit drücken würden, sondern in denen sie Stundenlang würde laufen können. „Wow, wie immer ihr das macht, Prinzessin, so wie ihr euch jetzt bewegt würde euch jeder abkaufen, dass ihr ein junger Soldat seid.“, lobte Mikosch erstaunt, was sie leise kichern ließ.   Auf dem Innenhof wartete der Bote bereits bei zwei Pferden, an denen letzte Hand für eine lange Reise angelegt wurden. Sie waren groß, größer noch als die, die Raven von Terra gewöhnt war. „Wollte die Prinzessin mich nicht begleiten?“, fragte der Bote  Mikosch etwas ungeduldig, als sie beide auf ihn zustrebten. „Ich bin anwesend, Meister Miram.“, wies sie den Boten freundlich auf diese Tatsache hin, welcher sie dann sofort völlig entsetzt anstarrte. „Prinzessin… verzeiht…“ Doch sie wischte seinen Ansatz für eine Entschuldigung mit einem Lächeln und einer einfachen Handbewegung beiseite. „Vergesst das mit der Prinzessin, Meister Miram. Ich bin Soldat, nicht mehr und nicht weniger. Mein Name ist übrigens Raven. Ich würde mich freuen, wenn ihr mich so nennen würdet.“ Der Bote, der noch immer ein wenig bleich um die Nase war, was Raven erneut vor Augen führte, wie streng die Bewohner von Laos anscheinend auf die sozialen Ränge achteten, nickte nur. So reichte sie die Satteltaschen einfach an einen der Stallburschen, der diese sofort auf den Rücken eines schönen braunen Hengstes legte. Neugierig und langsam näherte sie sich dem Tier, welches sie sofort aufmerksam musterte. „Hallo mein Schöner.“, raunte sie dem Tier mit sanfter Stimme zu und hielt ihm ihre Hand hin, damit dieser sich an ihren Geruch gewöhnen konnte. Und wie immer wenn sie es mit Tieren zu tun hatte fasste auch dieser Hengst schnell Vertrauen und schnupperte an ihrer Hand, nur um ihr gleich darauf dagegen zu schnauben. Sie lachte leise und streichelte dem Tier dann sanft über den Hals und sprach leise auf es ein. Sie widmete sich einige Minuten dem Tier, bis sie wieder diese leichte Kühle spürte, die durch ihr Innerstes strich. „Wie mir scheint habe ich ein neues Mitglied in der Schlosswache.“, erklang Tarabas‘ Stimme, noch bevor sie sich umdrehen konnte. Sanft klopfte sie dem Tier den Hals, dann wandte sie sich Tarabas zu. Es hatten ihn einige Männer begleitet, die sie noch nicht kannte, so legte sie ihre rechte Hand auf ihr Herz und neigte ihren Kopf vor ihm, während Miram sich verbeugte. „Mein König.“, begrüßten sie ihn beide beinahe unisono, was sicherlich etwas seltsam erschien. Als Raven dann aufsah meinte sie dann auch ein amüsiertes Funkeln in Tarabas‘ Augen zu sehen. „Und ihr meint wirklich dass es notwendig ist, jemanden zu schicken, der diese Vorgänge überprüft, mein König? Das waren meiner Meinung nach doch nur Streiche von Bauern…“, wandte einer der Männer ein, die Raven noch nicht gesehen hatte. Sie konnte sich nicht helfen, ihr war dieser Mann irgendwie gleich unsympathisch. Und anscheinend nicht nur ihr, denn Meister Miram versteifte sich auch gleich ein wenig, auch wenn er sich redlich bemühte, sich nichts anmerken zu lassen. „Lord Xerem, es reicht!“, wies Tarabas den Mann laut und mit einer strengen, ja fast kalten Stimme zurecht, die beinahe jegliches Geräusch in der Umgebung verstummen ließ. Nicht nur Raven zuckte dabei leicht zusammen, auch ihr zukünftiger Begleiter tat dies. „Wir haben dies bereits besprochen und ich habe in diesem Punkt eine Entscheidung gefällt. Ob ihr sie für notwendig erachtet oder nicht ist mir grade gelinde gesagt vollkommen gleich. Oder wäre es euch lieber das ein Ereignis eintritt, was unseren Wächter hervorruft?“ Raven hatte absolut keine Ahnung wovon Tarabas grade sprach, doch alle Anwesenden holten kurz zischend Luft. „Nein, natürlich nicht, mein König.“ Verwundert sah Raven die Männer an, doch da diese grade allesamt etwas blass um die Nase erschienen würde sie an dieser Stelle nicht nachfragen, was es mit diesem Wächter auf sich hatte, dass selbst dieser großmäulig erscheinende Mann sofort seinen Mund hielt.   Tarabas hingegen schnaubte leise und schloss kurz seine Augen, um seine gefährlich gereizten Nerven ein wenig zu beruhigen. Der Mann, der soeben die fleißig und hart arbeitenden Menschen der Küste so abfällig betitelt hatte, ging ihm jedes Mal, wenn er ihn sah, mehr auf die Nerven, weshalb er immer ungeduldiger diesem gegenüber wurde. Als er seine Augen wieder öffnete blickte er direkt in die bernsteinfarbenen Augen der jungen Prinzessin. Hier musste er sich wieder einmal ihr gegenüber korrigieren. Sie war jetzt Kriegerin. Sie wirkte nun vollkommen natürlich, jegliche strenge Zurückhaltung, die ihre Rolle als Prinzessin erforderte, ruhten. Sie erwiderte seinen Blick vollkommen ruhig und diese Ruhe ging irgendwie sofort auf ihn über, obwohl er ahnte, dass sie Fragen über Fragen haben musste.  Für einen kurzen Moment blendete sich sämtliche Umgebung aus seiner Wahrnehmung aus. Er wollte sie augenblicklich spielerisch prüfen, sie herausfordern, ihr Können erfahren. Sie sein Wissen lehren… Das brachte ihn ins Hier und Jetzt zurück. //Bitte nicht, tu ihr das nicht an.//, rief er sich selbst zurecht, doch das Interesse des Teils in sich, den er schon so lange mit Macht zu unterdrücken suchte, war geweckt und wuchs von Tag zu Tag, bis es nun ein fast unerträgliches Maß angenommen hatte. Er musste sich dringend etwas einfallen lassen, sonst würde sich das Leben seines jungen Gastes, so wie sie es bislang geführt hatte, unwiderruflich verändern und das in seinen Augen alles andere als zum besseren.   Raven beobachtete Tarabas genauestens, denn seine Gereiztheit hatte ein neues Level angenommen wie es ihr erschien. Nun war ihre Mutmaßung, dass in ihm so etwas wie zwei Seiten existierten, bestätigt. Und als er ihr in die Augen sah meinte sie eine Wildheit zu spüren, die sie nie für möglich gehalten hatte. Und noch mehr, doch sie konnte nicht benennen, was dieses mehr war, denn so etwas hatte sie noch nie gespürt. Aber sie konnte sofort sagen, dass sie keinerlei Angst davor hatte. Dann räusperte sich Tarabas und dieses Gefühl, als wollte dieses etwas in ihm ihr seine Hand entgegen strecken, verschwand. „Meister Miram, ihr macht euch mit Raven bitte umgehend auf den Weg. Die Untersuchung, von der wir gesprochen haben, müssen schnellstmöglich durchgeführt werden. Ich zähle auch euch. Und auf euch auch, Raven.“ Verblüfft registrierte Raven, dass Tarabas sie tatsächlich mit ihrem ersten Vornamen angesprochen hatte und das sogar zweimal. Sie neigte mit ihrem Begleiter in Einverständnis den Kopf. Als sie wieder aufsah stand Tarabas fast direkt vor ihr, was sie irgendwo etwas erschreckte, denn sie hatte ihn überhaupt nicht gehört. „Bitte verzeiht, dass ich euch jetzt einfach als einen meiner Soldaten hinstelle, Sahva, aber die Herren, die mich unbedingt begleiten wollten, würden es nicht akzeptieren, wenn sie wüssten, dass eine Frau eine solche Aufgabe übernimmt.“, sprach er sie sehr leise an. Da er sie aufgrund seiner Körpergröße mehr oder weniger dem Blick seiner Begleiter entzog wagte sie es wieder sanft zu lächeln. „Es ist in Ordnung, euer Hoheit. Ich bin so etwas gewöhnt. Das hier ist nicht die erste Welt, die es nicht gewöhnt ist, dass Frauen Berufe wie den meinen wählen. Und es wird sicherlich auch nicht die letzte Welt sein.“, beruhigte sie ihn ebenso leise. „Dass ich euren zweiten Vornamen für diese Rolle benutze stört euch hoffentlich nicht.“ Er war etwas unsicher und verlegen stellte Ravens romantischer Kern fest, was sie niedlich fand. „Überhaupt nicht. Da mich alle so nennen kann es sogar sein, dass ich auf diesen Namen eher reagiere als auf den anderen.“, gestand sie mit einem Schmunzeln. Er schwieg wieder und betrachtete sie, schien zu überlegen, was er sagen wollte. „Ich passe auf mich auch, versprochen.“, meinte sie noch einmal leise, denn das schien eine logische Aussage zu sein. Er entspannte sich etwas und wieder einmal spürte sie dieses leichte Gefühl eines Schmunzelns bei ihm. „Dieses beinahe unheimliche Verständnis für mich muss bei euch in der Familie liegen, Sahva. Eure Großmutter hatte damals auch ein Talent dafür.“ Sie konnte nicht anders und kicherte leise, dann nickte sie ihm zu und ging dann zu dem mittlerweile fertig gesattelten und ausgerüsteten Pferd zu, um sich dann schwungvoll hochzuziehen, wie sie es schon seit Jahren tat. Meister Miram schien auf dieses Zeichen gewartet zu haben, denn auch er schwang sich gleich in den Sattel seines Pferdes. „Mein König.“, verabschiedete dieser sich von Tarabas und auch Raven verabschiedete sich, wenn auch nur mit einem Senken ihres Kopfes. Dann drückte sie ihren Hengst sanft mit den Schenkeln und dieser setzte sich sofort in Bewegung, um mit ihrem Begleiter aus dem Innenhof zu reiten.   Es war schon spät am Tag als sie die Hauptstadt verließen und eine Straße zügig entlang ritten. Dies taten sie lange Zeit schweigend, jeder von ihnen hing erst einmal seinen eigenen Gedanken nach. Bis Meister Miram schließlich das Tempo etwas zurücknahm und dann neben ihr ritt. „Es macht euch wirklich nichts aus, dass wir noch heute Abend aufgebrochen sind, Prinzessin?“, fragte der blondhaarige Mann. Erst jetzt nahm Raven sich die Zeit, diesen genauer anzusehen. Wenn er alt war, dann war er so alt wie ihr Onkel, der jüngste Bruder ihres Vaters. Aber er lebte sichtbar ein Leben im Freien mit ehrlicher, durchaus harter Arbeit. Seine Haut war gebräunter als es das Licht im Schloss erst vermuten ließ und sie konnte Schwielen an seinen Händen sehen. „Überhaupt nichts, Meister Miram. Ich bin sogar richtig dankbar dafür, dass wir gleich aufbrechen konnten. Nicht nur weil es die Situation erfordert, sondern weil mir, aber bitte verratet das nicht weiter, schlicht und ergreifend fürchterlich langweilig war.“ Anscheinend sprach sie mit großer Glaubwürdigkeit, denn der Mann begann zu schmunzeln. „Seltsam. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass das Leben der Adeligen mit all seinem Müßiggang so erstrebenswert ist.“ „Ist es nicht, glaubt mir. Außerdem lebe ich kein Leben als Adelige. Dort wo ich herkomme bin ich keine Adelige, sondern einfach nur Raven.“ „Raven ist euer richtiger Name? Ich hörte, dass seine Hoheit euch während der Konferenz noch anders ansprach.“ Er ließ seine Distanz langsam sinken, was sie erfreute. „Sahva ist auch mein Name. Meine Eltern haben meine Geschwister und mich mit jeweils zwei Vornamen bedacht. Einen aus der Heimat meiner Mutter und einen aus der meines Vaters.“, klärte sie ihn freundlich auf. „Ah, eine kluge Wahl.“, meinte er mit einem freundlichen Nicken. Sie ritten wieder eine Weile schweigend nebeneinander, bevor Raven sich ein Herz fasste und ihren Begleiter nach der Bedeutung von Tarabas‘ Warnung ansprach. „Meister Miram, bitte verzeiht mir meine möglicherweise unverschämte Frage, zumal ich bemerkt hatte, wie ihr und alle anderen Anwesenden auf die Erwähnung reagiert hattet. Aber… was hatte es mit der Erwähnung dieses Wächters auf sich, den seine Hoheit angesprochen hatte. Ich bin ja leider nicht von hier und habe noch nie davon gehört.“ Mirams Gesichtsausdruck wurde ein wenig verschlossen und sie rechnete schon mit einer Zurückweisung. „In unseren Chroniken steht vermerkt, dass unsere Heimat eine Art Schutzgeist hat, der immer dann erscheint, wenn unsere Welt in Gefahr schwebt. Normalerweise sind Geister freundliche und hilfreiche Wesen, die unseren Alltag bereichern und uns beschützen. Dieser Geist allerdings ist anders und uns wurde beigebracht, dass, wenn wir den schwarzen Geisterreiter sehen, wir uns zurückziehen sollen. Sein Los ist es, uns vor Schaden zu bewahren, doch er ist kein freundlicher Geist. Es steht geschrieben, dass Gewalt und Tod in der Luft liegt, wenn er einschreiten muss. Wenn er dies tut ist es festgeschrieben, dass die Bewohner dieser Welt für einige Tage die Häuser nicht verlassen dürfen, bis die Aura der Finsternis vorüber ist.“, erklärte er ernst und anscheinend auch so knapp wie nötig. „Habt ihr diesen Geist schon einmal gesehen oder ist er ein Mythos?“, fragte sie behutsam nach. „Einmal. Als ich ein Knabe war. Im Licht der beinahe untergegangenen Sonne. Und nicht nur ich hatte ihn gesehen, sondern auch noch einige andere aus meiner Familie und meinem Dorf. Das war als Ärger mit einem Nachbardorf drohte. Er schien zu beobachten und verschwand nach kurzer Zeit wieder, doch es war eine unheimliche Begegnung, die ich wahrscheinlich niemals vergessen werde. Zwar glaube ich dass ich keine Gefahr spürte, doch an die Finsternis, die von ihm ausging, kann ich mich noch immer gut erinnern. Mir war eisig kalt bei seiner Betrachtung.“ Ein wenig entgeistert sah Raven den Mann an. Nach dem, was er soeben beschrieben hatte, schloss sie auf einen Dämon. Nicht das sie in dieser Hinsicht irgendwelche persönlichen Erfahrungen hatte, doch sie beschäftigte sich nun schon lange genug mit Themen der dunklen Seite der Magie und der entsprechenden Religionen, dass sie sofort gewisse Parallelen erkannte. Und anhand dessen, was Miram erzählte, war es ein mächtiger Dämon, wenn man seine Kraft und Dunkelheit so deutlich spüren konnte. Aber es verwunderte sie, dass er so selten erschien. „Ich habe euch richtig verstanden, dass er nur erscheint, wenn Gefahr droht, richtig?“, fragte sie noch einmal nach.“ Der Mann nickte. „Nicht bei Kleinigkeiten, aber wenn wirklich Gefahr oder Ärger droht, dann schon. Oft reicht es, dass wenige ihn sehen, dann beruhigt sich alles wieder auf ein erträgliches Maß.“ Es musste ein Dämon sein, sämtliche Sinne in ihr waren auf einmal hellwach und freudig erregt, auch wenn sie davon ausgehen musste, dass dieser Dämon durch einen Vertrag hier festgehalten wurde. Zumindest wenn das zutraf, was gewisse Quellen erzählten, die sie heimlich gesammelt hatte und von denen ihre Mutter und vor allem die Priester nichts wissen durften. Irgendwie hoffte sie das dunkle Wesen einmal mit eigenen Augen sehen zu dürfen, es würde die Erfüllung eines geheimen Herzenswunsches sein.   Sie ritten bis weit nach Mitternacht weiter, bis sie eine kurze Nachtruhe in einem Gasthaus am Wegesrand einlegten. Lange blieben sie dort nicht, sondern brachen kurz nach Tagesanbruch nach einem guten Frühstück wieder auf. Sie kamen sogar sehr gut voran, sodass Raven am Ende des folgenden Tages das Salz des Meeres in der Luft riechen konnte. „Zwei Stunden noch, dann haben wir mein Dorf erreicht.“, meinte Miram, der ihr ein freundlicher Bekannter geworden war, den sie sehr schätzte. Von ihm hatte sie viel über die Arbeit der Küstenbewohner erfahren können und nachdem er begriffen hatte, dass sie sich nicht nur aus Höflichkeit, sondern aus wirklichem Interesse für seinen Landstrich interessierte, hatte er ihnen die Zeit mit vielen Geschichten vertrieben. Auch sie hatte ihm einiges aus ihrem Leben erzählt, was er mit wirklichem Staunen aufgenommen hatte. Aber das war auch nicht weiter verwunderlich gewesen, denn in dieser Welt gab es immerhin keine weiblichen Soldaten. „Ist es von eurem Dorf denn weit bis zu dem Feld mit den seltsamen Marken?“, fragte sie sofort nach. „Eine knappe halbe Stunde in normalem Tempo geritten. Wir kommen automatisch daran vorbei auf dem Weg zum Dorf.“, erklärte er ihr freundlich. Ein wenig erleichtert nahm sie diese Aussage auf. So konnte sie schon an diesem Tag eine erste Analyse starten und an die Föderation schicken. „Ich bin ehrlich gesagt dankbar, dass ihr so eine gute Reiterin seid, Raven. Ihr habt nicht einmal geklagt, dass wir die ganze Zeit im Sattel sitzen.“, meinte Miram. „Auch so sind wir erstaunlich gut durch gekommen. So beständig angenehmes Wetter ohne zu große Hitze hatten wir um diese Jahreszeit schon lange nicht mehr.“ Das Wetter war wirklich unglaublich angenehm gewesen und hatte weder Ross noch Reiter nennenswert beeinträchtigt. Im Gegenteil, sie waren alle die ganze Zeit wie erfrischt gewesen, ganz so, als wären sie grade erst nach einer längeren Pause aufgebrochen. So sah sie nach Mirams Kommentar in die langsam untergehende Sonne und hatte einen Verdacht, wieso es ihnen auf dieser Reise so gut ergangen war. //Danke, Großmutter.//, sandte sie ihre Gedanken in Richtung des Tagesgestirns und spürte auch gleich darauf in ihrem Geist ein sanftes, liebevolles Streicheln, was ihre Mutmaßung bestärkte. Ihnen war in der Tat geholfen worden, in dem Rahmen, wie es der Göttin des Lichts, die sich niemals in die Belange der Lebenden einmischen durfte, möglich war. Aber für angenehme Wetterbedingungen zu sorgen und sie mit Energie zu versorgen, das lag dennoch in den Möglichkeiten ihres engen Handlungsrahmens.   Eine knappe Stunde später erreichten sie ein großes Areal mit Seegras an einer Klippe, die direkt auf das sich bis zum Horizont reichende Meer blicken ließ. Die Sonne berührte bereits den Rand des Horizonts und schickte sich an dahinter zu verschwinden und die Nacht einzuläuten. Rot und Gold tauchte die Landschaft in warmes Licht. Mit einem zufriedenen Lächeln atmete Raven die salzige Luft tief ein. Es gab für sie, die an einem Strand geboren worden war, nichts Schöneres als den Anblick eines Meeres, egal zu welcher Tages- oder Jahreszeit auch immer. Das Wellenrauschen, der sanfte aber beständige Wind und der Geruch von Seewasser und Algen wirkten wie immer beruhigend auf sie, sodass sie alles einige Zeit auf sich wirken ließ. „Ihr stammt von einer Küste, das merke ich euch an. Richtig?“, fragte Miram freundlich. Sie nickte. „Ich bin im Haus meiner Großmutter väterlicherseits geboren. Es befindet sich direkt am Strand eines gewaltigen Meeres. Schwimmen kann ich seit ich Laufen kann und jedes Mal, wenn ich an einer Küste bin fühle ich mich geborgen und zuhause.“, versuchte sie ihm ihre Gefühle zu erklären. Miram nickte. „Ich weiß was ihr meint. Ich könnte nirgendwo anders als hier leben.“ Mit einem kleinen zufriedenen Seufzen atmete Raven noch einmal tief durch, dann sah sie sich um. Sie brauchte ihren Blick nicht weit schweifen zu lassen, da entdeckte sie den Ladebereich auch schon. Nachdenklich ließ sie das Muster auf sich wirken. „Es ist nicht mehr weit bis zu meinem Dorf, Raven. Ihr könnt doch sicher auch etwas Ruhe und gutes Essen vertragen.“ „Das ist wohl wahr.“, meinte sie mit einem bedauernden Lächeln. „Aber ich würde gerne mit der ersten Analyse beginnen. Wenn ich das richtig eingeschätzt habe wird es nicht mehr lange dauern, bis es zu einem erneuten Kontakt kommen wird und dann sollte ich meinen Leuten bereits neue Aussagen gemacht haben.“ Miram betrachtete sie nachdenklich. „Wie lange braucht ihr, dann warte ich auf euch.“ „Das ist nett, aber das kann ich nicht sagen. Kehrt ruhig schon in euer Dorf zurück, ich komme dann nach, wenn ich fertig bin. Das Dorf liegt in diese Richtung, oder?“ Sie deutete in Richtung Osten. „Das ist richtig, aber ich kann euch doch nicht allein hier lassen.“ „Doch, ihr könnt. Keine Sorge. Ich weiß mich sehr gut zu wehren, sollte jemand auf die dumme Idee kommen, mir zu dicht auf die Haut rücken zu wollen.“ Er sah alles andere als überzeugt aus. „Aber...“ „Reitet ruhig zu eurem Dorf, Miram. Eure Familie wartet doch sicherlich auf euch. Ich werde hier auf jeden Fall noch eine Weile brauchen. Und zur Not kann ich hier auch ein Weilchen schlafen. Das Gras sieht bequem aus.“ Er schüttelte den Kopf. „Ihr seid wirklich die ungewöhnlichste Frau, die mir jemals unter die Augen gekommen ist, wisst ihr das?“ Raven lachte leise. „Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Reitet vor, Miram. Ich komme nach, keine Sorge.“ „Nur unter Protest, aber das wird euch sicher nicht beeindrucken, oder?“ Sie schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein. Mir wurde eine Aufgabe anvertraut und ich möchte seine Hoheit nicht enttäuschen.“ Das schien ein besonders gutes Argument zu sein, denn endlich entspannte er sich ein wenig und nickte dann. „Wenn ihr fertig seid reitet die Straße in diese Richtung. Das Dorf liegt eine halbe Stunde von hier entfernt. Jeder im Dorf weiß, wo sich mein Haus befindet. Es wäre mit eine Ehre, euch dort begrüßen zu dürfen.“ Raven nickte und lächelte dankbar. „Ich werde darauf zurückkommen, versprochen.“, meinte sie, dann wartete sie, bis er sich mit seinem Pferd in Bewegung gesetzt und um die erste leichte Kurve auf dem Weg in Richtung Osten gebogen war. Dann saß auch sie ab und klappte die linke Tasche ihrer Satteltaschen auf. Schnell waren die technischen Dinge aus dem Stoff ausgewickelt und aktiviert. Das Tablet legte sie neben sich ins Gras, während dieses sich initialisierte und Kontakt zur Föderation aufbaute. Dann streichelte sie ihren Hengst, der sie so treu getragen hatte, sanft über Nase und Hals. „Danke, dass du mich so geduldig getragen hast. Ruh dich jetzt ein bisschen aus und nimm etwas vom Gras, ich werde hier ein bisschen Zeit brauchen.“, redete sie leise auf ihn ein, während sie ihn streichelte und kraulte. Als dann ein kleines Piepsen vom Tablet erklang trat sie von dem Tier fort und nahm das Gerät in ihre Hand. Es hatte nicht nur die Verbindung aufgebaut, es zeigte ihr sogar an, dass eine Nachricht mit hoher Priorität für sie hinterlegt worden war. Sie öffnete diese und musste sofort dankbar lächeln. Die Nachricht war von ihrem Vater.   „Einheiten sind unterwegs. Benötige dennoch deine Analyse. Pass auf dich auf.“   „Mache ich, Dad.“, murmelte sie zu sich, dann legte sie das Tablet zurück ins Gras, wo es sanft leuchtete. Das zweite Gerät, welches sie aus der Satteltasche genommen hatte, aktivierte sie ebenfalls und hielt es neben das Tablet, damit die beiden sich automatisch verbinden konnten. „Computer, Analysestatus, Codierung Priorität Eins.“, erklärte sie und nahm dann ein kleines Headset aus ihrer Hosentasche und klemmte es in ihr rechtes Ohr, dann ging sie mit dem zweiten, kastenförmigen Gerät weiter auf die Gradfläche hinaus. Glücklicherweise befand sich fast mittig eine kleine Erhebung, die sie nun als Aussichtspunkt nutzen konnte. Dann hielt sie sich das Gerät an die Augen und blickte hindurch. „Analysiere Landemarken.“, murmelte sie leise und der Computer begann mit seiner Arbeit. Geduldig erfasste sie alle Abdrücke im niedergedrückten Gras und betrachtete immer wieder die Zwischenergebnisse der mit einander verbundenen Computer. Schließlich schritt sie sogar jedes Feld mit Landemarken ab und ließ das Gerät in ihrer Hand dort das Gras und die Luft untersuchen.   Als sie mit allem fertig war, war die Sonne komplett untergegangen und einer der zwei Monde erhellte die Fläche und ließ das Meer im Hintergrund geheimnisvoll glitzern. „Abschließender Bericht der ersten Analyse. Nach dem Muster der Landemarken und der schwachen hinterlassenen Rückstände zu schließen kam es zur Landung ein und desselben Raumschiffes im Abstand von beinahe einem Monat. Ich konnte vier unterschiedliche Landemarken nachweisen, auch wenn der Pilot sich bemüht hat, immer denselben Landebereich zu nutzen, um die Muster zu minimieren. Die Landungen scheinen in einem regelmäßigen Zeitabstand gewesen zu sein, zumindest lassen das die zurückgelassenen Partikel des Antriebs im Boden darauf schließen. Diese Analyse liegt vor.“ Sie sah sich noch einmal um und blickte dabei auf das Meer. „Meine erste Einschätzung bezüglich der Intervalle scheinen sich anhand der vorliegenden Daten zu bestätigen. Wenn die Routine eingehalten wird, wird es zu einer erneuten Landung innerhalb der nächsten Stunden kommen. Commander Tettra erbittet den Status Rot oder Orange für diesen Planeten. Mögliche feindliche Invasion schätze ich ohne maschinelle Analyseunterstützung auf 85% ein.“ Sie seufzte und drehte sich wieder in die Richtung, wo das Tablet im Gras leicht schimmerte. „Computer, zusätzliche doppelte Sicherheitscodierung und sofortiges Absenden an den Zentralcomputer einleiten.“, befahlt sie und nahm das Headset aus ihrem Ohr. In diesem Blick spürte sie einen kühlen Windstoß, der nicht vom Meer hinter ihr kam wie sämtliche andere Luft, sondern direkt von vor ihr. Es war ein Gefühl, wie sie es noch nie in ihrem Leben gespürt hatte, sämtliche Instinkte erwachten und sie sah sofort in die Richtung, aus der der Windstoß gekommen war. Vor ihr erstreckten sich weitere Felder ins Landesinnere hinein und erhoben sich sanft in leichten Hügeln zum Horizont, wo der zweite Mond grade dabei war aufzugehen. Und vor diesem Mond stand mit einem Mal die Silhouette eines Reiters, gehüllt in einen schwarzen, umhangähnlichen Mantel auf einem sehr großen schwarzen Schlachtpferd. Sie hatte die Beschreibung dieses Geisterreiters als ein wenig übertrieben abgetan, doch nun musste sie ihre Meinung revidieren. Dieses Wesen glich in der Tat einem der dunklen Reiter aus ihrem Lieblingsbuch, wie er dort unbewegt stand. Er hatte seinen Blick auf sie gerichtet, das konnte sie deutlich spüren, auch wenn sie sein Gesicht aufgrund der weiten Kapuze und der Entfernung nicht erkennen konnte. Sie straffte ihre Haltung und erwiderte den Blick ohne Furcht, dann konzentrierte sie sich darauf, ihrem Gegenüber nur anhand ihres Auftretens zu signalisieren, dass sie friedfertig war und sich bemühte zu helfen. Schließlich legte sie ihre rechte Hand als Faust an ihr Herz und verneigte sich, nur um danach ihre Hände zu präsentieren. Das Gerät in ihrer linken Hand hielt sie so, dass es deutlich war, dass es sich dabei um keine Waffe handelte. Dann sah sie wieder auf und den Reiter an. Zuerst schien es, als wäre dieser unbeeindruckt und sie fragte sich, ob sie etwas falsch gemacht hatte, denn Dämonen sollten laut ihren Büchern die Absichten eines Gegenübers anhand dessen Auftretens erkennen können. Doch dann neigte auch er leicht seinen Kopf und sie atmete erleichtert auf. Anscheinend war das, was sie an Etikette aus Büchern erfahren hatte, doch nicht so falsch gewesen. Ein plötzlicher Warnton ließ sie unverzüglich ihren Blick auf das Tablet werfen, welches wenige Meter vor ihr im Gras lag. Sie ging die wenigen Schritte dorthin und hob es auf, um festzustellen, dass der Bildschirm rötlich eingefärbt war. „Warnung. Analyseobjekt in Annäherung. Kontakt mit Zielkoordinaten innerhalb der nächsten 30 Minuten.“, warnte das Gerät leise. Sie holte tief Luft und spannte sich etwas an, dann hob sie ihren Kopf und wollte dem Reiter am Horizont erklären was vorgefallen war. Nur war dieser Reiter nicht mehr viele Meter entfernt, sondern stand nun beinahe 5 Meter vor ihr und sah sie und das Tablet in ihrer Hand an. Sie erschrak leicht, denn sie hatte nichts bemerkt, kein einziges Geräusch hatte sie darauf hingewiesen, dass er sich genähert hatte. Sie hatte die ganze Zeit über nur die Kühle gespürt, die er ausstrahlte. Und obwohl er nun so nahe war schien diese sich ebenfalls nicht geändert zu haben. Das einzige, was sie nun wahrnahm war, wie der Wind leise den Stoff des weiten Mantels rascheln ließ. „Verzeiht meine Unaufmerksamkeit.“, begann sie stockend. Stockend aus dem Grund, weil sie mühsam eine Sprache benutzte, die angeblich von allen dunklen Wesen verstanden wurde. Raven konnte diese mittlerweile mühelos lesen, nachdem sie sich alles in Eigenleistung beigebracht hatte. Doch ob sie die Sprache richtig artikulierte, das konnte sie nicht wissen. „Ich bekam grade eine Warnung… die…“ „Ich verstehe eure Heimatsprache sehr gut, junge Kriegerin, auch wenn ich es euch sehr hoch anrechne, dass ihr die meine kennt und sie nutzen wollt.“, erklang eine leise dunkle, fast ein wenig heisere Stimme aus den tiefen Schatten des Mantels. Sie senkte ihren Kopf und ging sogar so weit, dass sie sich kurz auf ein Knie sinken ließ. Es war reiner Instinkt, doch irgendwas sagte ihr, dass sie es mit einem ranghohen Mitglied seiner Art zu tun hatte. „Verzeiht, ich hatte leider keinen Lehrer für eure Sprache.“, meinte sie und stand dann wieder auf, ohne dass er etwas gesagt hatte. Ob dies richtig war wusste sie nicht, aber er schien deswegen nicht verärgert zu sein. „Was sagt das Analysegerät?“, fragte die dunkle Stimme stattdessen. Sie hielt das Tablet hoch, damit der drauf schauen konnte. „Diejenigen, die die Markierungen hier im Gras hinterlassen haben, nähern sich ein weiteres Mal. Der Computer hat sie außerhalb der Atmosphäre entdeckt und schließt auf eine erneute Landung innerhalb der nächsten 30 Minuten.“, erklärte sie dem Reiter. Ein leichtes silbernes Glühen wurde in den Schatten seines verborgenen Gesichts erkennbar, was sie auf seine Augen schließen ließ. Aber sie konnte sein Gesicht trotz dieses Glühens immer noch nicht erahnen. Es war so, als hätte Finsternis Augen. „Bitte lasst mich mit jenen, die ankommen, reden. Ich weiß, dass es eure Aufgabe ist, diesen Planeten zu beschützen, aber dennoch würde ich gerne versuchen, diplomatisch eine Lösung zu erwirken.“, bat sie ihn ruhig. „Ihr glaubt doch selbst nicht daran, dass jene, die Hand an diese Welt legen wollen, auf die Worte einer einzelnen Person hören werden. Vor allem dann nicht, wenn ihr damit möglichen Profit verhagelt.“, wies sie die dunkle Stimme leise und kühl zurecht. Sie ließ ihren Blick auf das silberne Glühen gerichtet. „Ich würde es dennoch gerne versuchen.“ Schweigend wurde sie erneut betrachtet und durch die Monde konnte sie auch an seiner Gestalt etwas mehr erkennen. Seine Hände, die die Zügel dieses komplett Schwarz erscheinenden Pferdes hielten, steckten anscheinend in Handschuhen, doch erschienen sie länger als bei einem menschlichen Wesen. Er war sehr groß, dennoch fühlte sie sich davon nicht bedroht, auch nicht davon, dass er noch immer auf dem Rücken des großen Schlachtrosses saß und auf sie herab sah. „Gut. Ich gewähre euch diesen Versuch. Sollten sie euch aber zu nahe treten werde ich einschreiten, Kriegerin.“, meinte er und seine Stimme, die vorher nur leise und etwas heiser erschienen war, grollte eindeutig gefährlich. Sie neigte ihren Kopf und legte erneut ihre Faust auf ihr Herz, dann trat sie einen Schritt von ihm zurück. Als sie dann wieder aufsah war er verschwunden, dennoch ging sie davon aus, dass er sich nur verborgen hatte und alles genauestens beobachtete. //Mein erster Kontakt mit einem Dämon, wow.//, schoss es ihr durch den Kopf, als sie zu ihrem nun sichtlich nervösen Pferd ging. Es war mehr als ersichtlich, dass das Tier Panik bei dem schwarzen Reiter bekommen hatte. Dennoch war es nicht geflohen, sondern tänzelnd geblieben. „Schon gut, ruhig mein Junge.“, versuchte sie den Hengst zu beruhigen. „Wir brauchen vor ihm derzeit keine Angst zu haben.“ Hoffte sie zumindest. Sanft streichelte sie den Braunen, dann holte sie die restlichen Dinge aus der linken Satteltasche heraus. Es waren ihre Waffen, von denen noch nicht einmal ihre Großmutter ahnte, dass sie diese dabei hatte. Doch sie hatte es sich angewöhnt, immer einen Teil davon bei sich zu haben. So befestigte sie zwei Holster mit Messern an ihren Oberschenkeln, sodass sie diese im Notfall sofort ergreifen konnte. Es folge dann ein metallenes Gebilde, welches sie sich auf dem rechten Handrücken befestigte. Es war eine modifizierte Laserwaffe, die sie sich einmal von einer Menge Erspartem hatte anfertigen lassen. Sie wurde über spezielle Muskel- und Nervenreize gesteuert und war nur auf sie kalibriert. Ganz sicher war es keine Standardwaffe der Föderation, doch sie war geduldet und hatte ihr schon sehr gute Dienste geleistet. Ihre Hauptwaffe jedoch war ihr Laserstab, der deaktiviert als nichts anderes als ein zweieinhalbhändiges Stück Rohr aussah. Dieses behielt sie in ihrer Hand und sah dann zum nächtlichen Himmel. Sie musste nicht lange warten, dann hörte sie ein leises Zischen und Summen und aktivierten Bremsdüsen, die eine Atmosphäre durchdrangen.   Keine zehn Minuten später war das Raumschiff gelandet. Es war nicht übermäßig groß, eher ein Gleiter eines Erkundigungstrupps. Sie kannte diese Art Maschinerie, ihr Kampfgeschwader hatte Flieger dieser Art schon oft genug von einem Ort zum anderen begleitet und sicher abgeliefert. So kannte sie auch die Bauart und somit etliche Schwachstellen des Fliegers. Sollten die Invasoren nicht gravierende Veränderungen vorgenommen haben – und sie die Möglichkeit dazu bekommen – würde sie das Schiff durchaus mit ihren einfachen Waffen zumindest manövrierunfähig machen können. Sie näherte sich dem Gleiter entschlossen und mit äußerst ernster Miene. Dass das Ganze ohne Kampf ausgehen würde, davon ging sie nicht aus. So naiv war sie auch nicht. Zwar hatte sie die Warnung des Wächters nicht vergessen, doch sie hoffte, dass sein Einschreiten nicht notwendig sein würde. Zudem… sie gehörte nicht in seinen Zuständigkeitsbereich, war keines der Lebewesen dieses Planeten und fiel somit nicht in seinen Vertrag. Mit einer bestimmten Bewegung ihrer Finger entsicherte sie daher die Waffe auf ihrer Hand, damit diese einsatzbereit war, wenn sie sie brauchen würde. Schließlich öffnete sich der Zugang zum Innern des Schiffes und gut 5 Männer aus unterschiedlichen Arten strebten ihr entgegen. Dass sie unbemerkt geblieben war, davon war sie genauso wenig von ausgegangen wie von einer möglichen friedlichen Absicht der Mannschaft dieses Schiffes. „Wie es aussieht haben wir heute wirklich ein Empfangskomitee, wenn auch ein erbärmlich kleines.“, höhnte einer der Männer, der grade über eine ausfahrbare Rampe schritt und direkt auf sie zukam. Von Aussehen war er einigermaßen humanoid, womit er wortlos einen Beweis lieferte, dass er zumindest früher einmal in den föderalen Verbund gehört hatte. „Ich bin hier, um euch eine Warnung auszusprechen. Dieser Planet untersteht dem Schutz der Föderation als neutraler Alliierter.“, begann sie die formale Warnung, die, wie sie eh wusste, nichts bringen würde. Diese Männer waren auf Profit und Ärger aus, dass sagte ihr ihr Bauchgefühl. „Märchen kann ich mir selbst erzählen, Süße. Dieser Planet liegt in der neutralen Zone. Ein hübscher Goldklumpen mit Zuckerglasur und Sahnehäubchen, zum einfachen Einsammeln geeignet.“, säuselte der Mann vor ihr. Raven betrachtete ihn mit absolut ausdrucksloser Miene. Seine Haut erschien ihr fast ein wenig ledern, zudem wies sie einen ihr fremden Hautton aus hellem Grau mit einem violetten Unterton auf. Seine Augen waren dunkelgrau wie sprödes Eisen, nur sein strähniges weißes Haar gab irgendeinen freundlicheren Kontrast. Um die Wahrheit ihrer Worte zu unterstreichen hielt sie das Tablet in die Höhe, sodass er die Anzeige lesen konnte, deren Ankunft sie auf dem Weg zu dem Schiff durch ein leichtes Vibrieren gespürt hatte. Wie immer war auf ihren Vater Verlass gewesen. Niemand erarbeitete in Notsituationen so schnell Entscheidungen wie Marc. „Reicht ihnen das?“, fragte sie und zeigte ihnen die Darstellung des föderalen Siegels mit dem Schrieb darunter, dass Laos unter dessen Schutz gestellt wurde. Normalerweise dauerte es Monate, wenn nicht sogar Jahre, bis ein solches Bündnis erstellt wurde und alle wussten das. Aber glücklicherweise befand sich ihre Familie nicht nur auf mütterlicher Seite in einer besonderen politischen Lage. Es hatte etwas für sich, mit dem Leiter der größten und wichtigsten Basis der Föderation verwandt zu sein, der sie ausgebildet und direkt unter seiner Befehlsgewalt hatte. „Ein Punkt für sie, Mädel.“, meinte der Mann, dennoch blieb seine Miene siegessicher, als er sie musterte und schließlich zu einem Urteil kam. Die meisten unterschätzten sie, wenn sie sich das erste Mal sahen. Sie hoffte, dass das auch in diesem Fall zutraf. „Nur zieht das gleich wieder die Tatsache ab, dass wir zu zehnt und sie allein auf weiter Flur sind. Ihre niedlichen Messer auf den Beinen nehme ich grade einmal nicht wirklich wahr, sie verstehen doch.“ Damit hatte sie gerechnet. Ihre Schusswaffe blieb aufgrund ihrer Einzigartigkeit unerkannt, viele hielten sie für den sinnlosen Schmuck einer eitlen Frau. Also würde die die Männer eines Besseren belehren. „Davon bin ich ausgegangen.“, meinte sie und schenkte ihm ein eiskaltes Lächeln, was ihre Gegenüber stutzig werden ließ. Sie strahlte das Wissen über ihre körperlichen Fähigkeiten mit einer geradezu felsenfesten Sicherheit aus, die die Männer irritierte. Dann drückte sie mit einer kaum wahrnehmbaren Handbewegung das rohrförmige Griffstück ihrer Lieblingswaffe. Mit einem aggressiven Zischen und Brummen aktivierte sich der Laserstab, während sie gleichzeitig einen kurzen Befehl murmelte, welcher das Tablet sofort deaktivierte und sicherte. Mit einer raschen Bewegung schleuderte sie es weit von sich in der Hoffnung, dass es durch einen glücklichen Zufall heil bleiben würde. Dass es durch die Luft flog und schließlich im Flug einfach verschwand bemerkte niemand von ihnen. Stattdessen starrten die Männer auf Raven, die mit ihrer Lanze in der linken Hand vor ihnen stand und deutlich sichtbar bereit war, einen Angriff entweder zu starten oder abzuwehren. „Keine Diplomatin.“, hörte Raven die Stimme eines der Männer, der sich im Hintergrund hielt. Ihr kaltes Lächeln vertiefte sich als einzige Antwort darauf. „Nein, eine Diplomatin hat keine solche Nahkampfwaffe.“, stimmte Ravens Gesprächspartner mit nun finsterer Miene zu und er zog seinerseits eine Waffe. Mit einer schnellen Bewegungsfolge wirbelte sie den Stab um sich, schlug damit dem Mann die Waffe aus der Hand und sorgte dafür, dass diese einen Schritt zurück in Richtung Schiff machten. Es war reines Imponiergehabe, was sie abzog und Raven wusste, dass sie eigentlich kaum eine Chance hatte, wenn es zu einem ernstzunehmenden Kampf kommen würde. Doch es war die einzige Möglichkeit zu testen, ob die Männer lediglich Feiglinge waren und einer Konfrontation lieber aus dem Weg gingen, weil dies möglicherweise nicht profitabel genug war oder ob es wirkliche Profis waren, die auch etwas für ihren Job taten. Wenn letzteres der Fall war stand sie ziemlich auf verlorenen Posten. „Ich habe nie behauptet Diplomatin zu sein.“, meinte sie und sah dem Hauptredner fest in die Augen, ohne jedoch nur einen der anderen Männer zu ignorieren. Durch die erweiterte Wahrnehmung, die sie als einziges Erbe von den vielfältigen Fähigkeiten ihrer Mutter bekommen hatte, nahm sie alle Anwesenden wahr, auch die verbliebenen vier Männer im Innern des Gleiters. Und so entging ihr nicht, dass diese noch gesichtslosen Personen dabei waren, sich ausreichend zu bewaffnen. Schnell überschlug sie ihre Möglichkeiten und die Zeit, die seit ihrem ersten Bericht an ihren Vater verstrichen waren. Ihre Leute brauchten selbst wenn sie sich beeilten von der Basis, die der Grenze am nächsten war, drei Tage Flugzeit bis nach Laos. Etwas mehr als zwei Tage waren erst verstrichen. Nach sämtlicher Logik war es also ein vollkommen aussichtsloses Unterfangen, was sie hier grade startete. Aber andererseits war da ihr Stolz. Sie hatte diese Welt zu schätzen gelernt, mochte das, was sie bislang von der Hauptstadt und auf dem Weg hierher gesehen hatte. Diese Welt sollte so bleiben wie sie jetzt war und sich selbst entwickeln. Es war der Geburtsort ihrer Großmutter, die sich sicherlich schier zu Tode grämen würde, wenn Laos von Invasoren unterjocht wurde. Und, so musste sie sich eingestehen, wollte sie den Herrscher dieser Welt nicht als Gefangenen irgendwelcher Großmäuler sehen. Sie wollte beschützen, beschützen um jeden Preis. Und wenn der Preis sie selbst war, sie würde ihn leisten.   Der erste Schuss kam wie aus heiterem Himmel aus der geöffneten Schiffsluke heraus. Glücklicherweise hatte sie mit einer solchen Aktion gerechnet und ihre Wahrnehmung warnte sie früh genug. Blitzschnelle Schläge des Stabes wehrten die Schüsse ab und lenkten sie in die Verkleidung des Gleiters. Das war dann schließlich die Initialzündung, die die anderen Crewmitglieder benötigt hatten, um ihrerseits ihren Angriff zu starten. Raven drehte und schlug mit Kraft, Können und einer gehörigen Portion Wildheit um sich. Durch ihre spezielle Technik, mit der sie den Stab schwang und drehte, fungierte dieser wie ein Rotor und bildete sowohl eine Art Schild gegen die Laserwaffen, die auf sie abgefeuert wurden, wie auch eine Sense, mit der sie immer wieder in Richtung der Invasoren ausschlug. Noch immer war das Überraschungsmoment auf ihrer Seite und die Männer gingen davon aus, dass sie leichtes Spiel haben würden. Nachdem sie allerdings drei der Männer auf ziemlich unschöne Art und Weise von den Beinen geholt hatte wuchs die Entschlossenheit ihrer Gegner noch mehr. Zumindest einer von ihnen würde wohl niemals mehr auf kompletten eigenen Beinen durch das Leben laufen. Ein anderer hatte den Schuss ihrer Handwaffe abbekommen, die sie zwischenzeitlich in einer Bewegung abgefeuert hatte. Ob dieser überhaupt noch einmal aufstehen würde war ebenfalls fraglich. Der Schuss hatte, wenn sie sich in der Hitze des Gefechts nicht allzu arg verschätzt hatte, ziemlich mittig den Rumpf getroffen. Es war aber nicht so, dass sie durch ihre ziemlich einzigartige Technik vollkommen geschützt war. Ihr Arm und auch ihr Gesicht hatten Streifschüsse abbekommen, das hatte sie entfernt gespürt. Bis zu einem bestimmten Punkt konnte sie dies ausblenden, doch je länger dieser ungleiche Kampf dauerte, desto mehr bemerkte sie, wie ihre Kraft, die sie eigentlich immer über lange Zeit nicht im Stich ließ, mit einem Mal rapide abnahm. Ein kurzer Blick an sich herunter erklärte dann auch den Grund dazu. Es waren mehr als nur zwei Streifschüsse, die sie hatte einstecken müssen. Ihre geliehene Jacke sah an mehr als einer Stelle zerfetzt aus und Blut verklebte Gewebe und Leder. Komisch, sie hatte wirklich nichts gespürt und sich nur auf ihre Gegner konzentriert, die sie nun auf vier reduziert hatte. Ein weiterer Schuss traf sie aufgrund ihrer kurzen Unaufmerksamkeit. Diesmal war sie es, die einen Schuss in den Bauch bekommen hatte und diesen Schuss spürte sie, wenn auch mit scheinbar einigen Sekunden Verzögerung, denn als Antwort darauf schaffte sie es noch, eine weitere Salve mit ihrer Waffe abzufeuern. Doch sie war nicht mehr präzise, wenn sie jemanden traf dann nur ohne großen Schaden anzurichten. Der Anführer der Schiffscrew schlug ihr daraufhin ihren Stab aus der Hand, den sie nicht mehr halten konnte, weil ihre Kraft nun in einem unheimlichen Tempo schwand. „Habe ich dich.“, knurrte dieser, der nun ebenfalls sehr mitgenommen, aber auch sehr wütend aussah und ihr mitten ins Gesicht schlug, woraufhin sie sich aufgrund der anderen schweren Verletzungen nicht mehr aufrecht halten konnte. Doch gleich darauf war er über ihr und riss sie wieder in die Höhe. „Sag mir deinen Namen, Schlampe, damit ich deine Überreste an deine Einheit zurückschicken kann. Sechs gute Männer hast du mich gekostet. Weiß deine Familie eigentlich von deinen dämonischen Kräften?“ Raven verstand überhaupt nicht was der Mann von ihr wollte, denn der Schmerz, der nun in voller Macht zuschlug, schaltete beinahe ihre Wahrnehmung aus. Das versuchte sie zu sagen, doch kein Laut verließ ihren Mund, sondern nur ein leises Husten, welches ihr Blut durch die Kehle rinnen ließ. Doch ihr Gegenüber hätte eine Antwort ihrerseits nicht mehr mitbekommen, wäre sie dazu in der Lage gewesen. Ein seltsames Aufkeuchen des Mannes über ihr ließ Raven ihre schwindende Wahrnehmung zusammenreißen. Er stand seltsam gekrümmt da und starrte vollkommen verständnislos auf seine Brust. Aus der eine Hand mit langen schwarzen Nägeln ragte, die sein schlagendes Herz hielt. Dann erst wurde die schwarz gekleidete Gestalt hinter ihm sichtbar, aus deren Kapuze, die das Gesicht in Dunkelheit tauchte, aggressives Silber strahlte. „Der Dämon steht hinter dir.“, knurrte ihm das finstere Wesen ins Ohr, bevor es die Hand zurückriss und mit dieser Bewegung den Körper von Ravens Angreifer in zwei Stücke zerriss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)