Licht der Finsternis von Sahva ================================================================================ Kapitel 1: Die Einladung ------------------------ Die Sonne stand hoch am Himmel und beschien einladend die Laube im Schloss des Weisen Volkes. Sechs junge Frauen hatten sich dort auf Bitten der Königin eingefunden. Scherzend unterhielten sie sich, während Larscha, besagte Königin, mit einem milden Lächeln das fröhliche Schwatzen beobachtete. Unter den sechs jungen Frauen saßen auch ihre beiden Enkelinnen Raven, die von allen Shino nur bei ihrem zweiten Vornamen Sahva angesprochen wurde, und deren jüngerer Schwester Serena. Von der Anzahl ihrer Lebensjahren waren die beiden eigentlich noch Kleinkinder, dennoch waren sie schon mehr oder weniger erwachsen. Raven mehr als ihre jüngere Schwester, doch ihre älteste Enkelin war auch einige Jahre älter als ihre Schwester. Beide waren im Lebensrhythmus des Volkes ihres Vaters herangewachsen und deshalb mit ihren 28 Sommern beziehungsweise 18 Frühlingen junge Frauen geworden. Als Lachen laut wurde kehrte Larscha aus ihren Gedanken zurück und betrachtete die Gruppe, die sich ihr zu Füßen auf dem warmen Sandstein niedergelassen hatten. Alle waren mehr oder weniger ausgelassen, wobei aber Raven der gelassene Ruhepol zu sein schien. Sie war nicht nur in dieser Hinsicht anders als die anderen Frauen des kleines Kreises. Auch Äußerlich unterschied sie sich von den anderen. Jede der anderen Frauen hatten das typische hellblonde Haar und die himmelblauen Augen der Shino, Raven hingegen hatte die dicken kastanienbraunen Haare ihres Vaters geerbt, wenn auch nicht dessen Lockenmähne. Auch ihre bernsteinfarbenen Augen waren Erbe ihres geliebten Vaters. Ihre Haut wirkte zu jeder Zeit des Jahres wie von der Sonne geküsst, was ihr bei vielen der jungen Frauen des Volkes der Shino insgeheim leichten Neid einbrachte, wie Larscha bei einigen zufällig belauschten Gesprächen vernommen hatte. Doch es war eher Bewunderung als wirklicher Neid, denn eine solche Haut wurde von allen Shino als Zeichen angesehen, dass der Träger ein besonderes Kind der geliebten Göttin des Lichts und der Sonne sein musste. Und das dies bei ihrer ältesten Enkelin sogar durchaus zutraf, dessen war sich Larscha durchaus bewusst. Raven hatte schließlich zu ihrer anderen Großmutter ein besonders inniges Verhältnis, doch das wussten nur sehr wenige. Als sie mit einem Mal einen ruhigen Blick auf sich gerichtet fühlte sah sie auf und blickte in Ravens goldene Augen, die ihr liebevoll entgegen blickten. „Ich danke euch, dass ihr so schnell auf meine Einladung reagiert habt, meine Lieben.“, begann sie schließlich, nachdem sie Raven zugenickt hatte als Zeichen, dass sie nun beginnen würde. Immerhin hatte ihre Enkelin in der Welt ihres Vaters als Offizierin der Föderation eine wichtige Aufgabe zu erfüllen und war immer sehr eingespannt. „Worum geht es, Königin?“, fragte Becki, die Tochter ihrer liebsten Freundin und Kammerzofe. „Ihr kennt doch sicher die Geschichten über den König meines alten Volkes.“, begann Larscha. Sie entstammte eigentlich nicht dem Volk der Shino, sondern war vor einigen Jahrhunderten, gerechnet nach der Zeit der Föderation, mit dem damals noch jungen König der Shino verheiratet worden. Sie hatte ihren alten Herrscher immer sehr verehrt und tat dies auch immer noch und diese Verehrung, das wusste sie, war unter den Shino legendär. Ein leises Kichern unter den jungen Frauen zeigte ihr, dass sich daran anscheinend immer noch nichts geändert hatte. „Er soll ein unsterblicher Zauberer sein.“, meinte Serena schmunzelnd. „Oder zumindest jemand mit einer unglaublich langen Lebensspanne.“ „Das ist richtig, Serena. Er herrscht immerhin schon seit 600 Zyklen über mein altes Volk.“, stimmte Larscha zu. Erstauntes Keuchen war von Seiten der jungen Frauen zu hören und auch Raven, die man mit nicht wirklich viel aus der Ruhe bringen konnte, sah wirklich erschrocken aus. Umgerechnet auf die Zeitrechnung ihres terranischen Vaters waren das immerhin beinahe 6000 Jahre. „Unser alter König ist ein gütiger Herrscher, doch seine lange Lebensspanne hat jedes Gefühl in ihm absterben lassen. Niemand von uns kann sich daran erinnern, ihn jemals lächeln gesehen zu haben. Wir haben schon seit sehr langer Zeit die Sorge, dass er in tiefer Depression versinken könnte und deshalb versuchen wir ihn so gut es geht mit immer neuen Bekanntschaften aufzumuntern. Er ist neuen Dingen sehr aufgeschlossen und er mochte in der Zeit, als ich noch in meiner alten Heimat lebte, den Kontakt zu den jungen Gästen, die uns besuchten. Als ich schließlich hierher kam, um den König zu heiraten, haben mir meine alten Freunde das Versprechen abgenommen, geeignete Kandidaten aus meinem neuen Volk auszuwählen und mit ihnen immer wieder zurückzukehren. Nun, dieser Aufgabe bin ich bislang sträflicher Weise nicht nachgekommen...“, sie lächelte ein wenig verlegen, „...aber da ihr nun ein Alter erreicht habt, dass eine solche Reise auch für euch interessant werden könnte, habe ich überlegt, nach und nach mit einer von euch in meine alte Heimat zu reisen. Der Kontakt mit dem Volk dort wird sicher auch für euch interessant werden.“ „Vor allen, da wir alle im heiratsfähigen Alter sind.“, wisperte Serena ihrer älteren Schwester zu, die daraufhin leise kicherte. „Und wir würden den legendären König auch kennenlernen dürfen?“, fragte Marina, eine weitere der jungen Frauen ein wenig aufgeregt. „Aber natürlich, Liebes.“, stimmte Larscha zu. „Wie aufregend!“, schwärmte nun Becki lautstark, während sie mit einer beinahe dramatisch anmutenden Geste ihre Hände vor ihren beachtlichen Brüsten zusammendrückte und ein wenig wie eine Darstellerin aus einem Theaterstück wirkte. „Ja, stellt euch nur vor, was für ein Wissen sich der König in all den Jahren angeeignet haben muss. Es muss eine Wonne sein, mit ihm zu diskutieren und von ihm zu lernen.“, stimmte nun auch Serena die die aufgeregten Stimmen ihrer Freundinnen, denn nichts anderes waren die jungen Frauen für sie, mit ein. Nur Raven blieb ruhig und beteiligte sich nicht an der allgemeinen Euphorie. Im Gegenteil, sie sah sogar ein wenig kummervoll aus. „Er tut mir leid.“, murmelte sie sichtlich erschüttert, als sie ihre Großmutter ansah. „Wieso das denn?“, fragte Becki ein wenig erzürnt, als sie die beinahe gehauchten Worte dennoch vernahm. Es war bekannt, dass sie Raven aufgrund ihrer Andersartigkeit nicht besonders mochte. „Der Kummer in ihm muss doch unglaublich groß sein, wenn man bedenkt, wie viele Freunde und Vertraute er in der Zeit, die er nun bereits über sein Volk herrscht, verloren haben muss. Kein Wunder, dass er alles Gefühl verloren hat. Anders müsste man doch vor Schmerz beinahe wahnsinnig werden.“, erklärte Raven der Älteren mit ruhiger Stimme. Eigentlich war Raven immer die Ruhe selbst und nichts brachte sie so schnell aus der Fassung, doch nun war sie sichtlich betroffen. Es war genau die Reaktion, die Larscha sich erhofft hatte. Zwar mochte ihre älteste Enkelin eine Vielzahl an Jahren, verglichen mit den anderen Frauen, jünger sein, doch ihre Menschenkenntnis und ihr Einfühlungsvermögen war denen der anderen weit überlegen. „Sahva, hättest du Zeit, mich in meine Heimat zu begleiten?“, fragte Larscha ihre Enkelin mit einem Mal. Jede der jungen Frauen sah Larscha überrascht an, ein oder zwei von ihnen sahen beinahe schon ein wenig schockiert aus. „Ich?“, fragte Raven sichtlich erschrocken. Larscha nickte mit einem freundlichen Lächeln. „Ich habe derzeit Urlaub, Großmutter, aber...“, begann Raven. „Wunderbar. Dann können wir uns ja sogar recht zeitnah auf die Reise begeben.“, freute sich Larscha sichtlich. „Äh, Großmutter, dein Vertrauen in mich freut mich wirklich, aber denkst du nicht, dass du lieber eine der anderen mitnehmen solltest?“, warf Raven behutsam ein. „Warum?“, fragte Larscha sichtlich verwundert. „Na ja, ich bin nicht grade die Älteste hier...“, versuchte Raven ihre Bedenken in Worte zu fassen. Immerhin konnte sie sich vorstellen, dass sie sich bei der hier anwesenden Becki nicht wirklich beliebt machen würde und eine weitere Vertiefung deren Abneigung wollte sie eigentlich vermeiden. „Du hast nicht so oft Zeit für mich, Sonnenschein, da werde ich die Möglichkeit lieber gleich beim Schopfe packen.“, meinte Larscha nur gut gelaunt. //Soviel zu meiner Absicht, böses Blut zu vermeiden.//, seufzte Raven innerlich und war sich des ungehaltenen Blicks ihrer Gegnerin durchaus bewusst. „Aber...“, wollte Raven weiter entgegnen, doch nun war es Serena, die für ihre Schwester eintrat. „Ich denke auch, dass du fahren solltest.“, meinte ihre kleine Schwester freundlich, warf aber Becki einen intensiven Seitenblick zu. Ihre Schwester war als zukünftige Hohepriesterin der Göttin schon jetzt eine Respektsperson unter den Shino, auch wenn sie noch einige Jahre brauchen würde, um ihr teilweise noch recht ungestümes Verhalten anzupassen. Und sie war vor allem Beckis beste Freundin. „Großmutter hat Recht, du hast immer so viel Arbeit und wenig Zeit, als Prinzessin der Shino zu glänzen. Und niemand kann das besser als du, Schwesterchen.“ Damit hatte Serena mit nur wenigen Worten allen anderen Frauen auf freundliche, aber sehr deutliche Weise daran erinnert, dass Raven rangmäßig höhergestellt war als alle anderen Anwesenden. Nur Serena, die von allen jungen Frauen geliebt und respektiert wurde, konnte sich so etwas erlauben. //Ich regle das mit Becki.//, hörte Raven die sanfte, telepatische Stimme ihrer Schwester in ihrem Kopf und spürte die liebevolle Berührung der Hand ihrer kleinen Schwester auf ihrem Knie. //Danke.//, seufzte Raven erleichtert und nahm ihre Schwester liebevoll in den Arm, um sie kurz zu drücken. „Gib mir zwei oder drei Tage, dann habe ich alles geregelt und meine Vorgesetzten auf Alpha wissen Bescheid.“, meinte Raven schließlich ergeben zu ihrer Großmutter. „Mach das bitte. Und Sahva...“, meinte Larscha freundlich. Raven sah ihre Großmutter verwundert an. „Danke, Sonnenschein.“, beendete Larscha ihren Satz mit einem strahlenden Lächeln. Drei Tage später trafen sich Larscha und ihre älteste Enkelin erneut. Raven war bereits elegant gekleidet, anders als sonst, wenn sie ihrer Großmutter einen Besuch abstattete. „Ich habe meinen Vorgesetzten Bescheid gegeben.“, meinte sie zu Larscha, während diese die Kleidungsstücke kontrollierte, die ihre Kammerzofe für sie bereitgelegt hatte. „Und was meint dein Vater?“, fragte Larscha mit einem Lachen. Es war für die alte Königin immer wieder amüsant, dass ihre Enkelin immer strikt unterschied, ob sie mit ihrem Vater als ihren Vater oder als ihrem dienstobersten Vorgesetzten sprach. „Ich habe die offizielle Order, dich zu repräsentativen Zwecken zu begleiten. So brauchst du dir keine Gedanken machen, wie lange wir in deiner alten Heimat bleiben.“, erklärte Raven ruhig und fügte dann schmunzelnd hinzu: „Das war kein Befehl von Dad, sondern von seinem Stellvertreter. Von Dad soll ich dir ausrichten, dass du gut auf mich achten sollst.“ „Wie alt bist du nochmal, Sonnenschein?“, fragte Larscha lachend. „Das habe ich ihn auch gefragt, aber du kennst ihn, in mancherlei Hinsicht ist Dad etwas eigen.“, stimmte Raven schmunzelnd zu. Beide Frauen lachten daraufhin herzlich. „Hast du alles beisammen was du für unsere Reise brauchst?“, fragte Larscha, nachdem das amüsierte Lachen abgeebbt war. Raven deutete auf die Reisetasche neben sich. Dank der technischen Errungenschaften der Föderation konnte das gewünschte Gepäck auf angenehm kleines Maß verkleinert werden, was Reisen sehr angenehm machte. „Alles hier drin.“ Larscha warf der Tasche einen skeptischen Blick zu, denn sie konnte sich trotz all der Zeit, in der ihre einzige Tochter mittlerweile in der Föderation lebte, immer noch nicht mit der Technologie anfreunden. „In meiner alten Heimat kann man mit Technik nichts anfangen, Sahva.“ „Ich weiß. Ich werde vorsichtig sein, Grandma.“, versprach Raven freundlich. „Gut. Ich verlasse mich da auf dich.“, meinte Larscha nachdenklich, doch sie kannte ihre Enkelin gut. Sie wusste, dass ihre Enkelin wirklich vorsichtig war. „Und Grandpa lässt dich wirklich so einfach ziehen?“, fragte Raven schließlich amüsiert, denn ihre Großeltern hingen mindestens genauso sehr aneinander wie ihre Eltern und taten eigentlich immer alles gemeinsam. Sie selbst glaubte nicht daran, dass ihr eine solch innige Beziehung beschieden sein würde, denn bislang waren ihre Beziehungen immer recht ernüchternd gewesen. „Er hat keine andere Wahl.“ „Und er wollte uns nicht begleiten?“, fragte Raven schmunzelnd weiter. Larscha wusste, dass ihre Enkelin sie neckte und schmunzelte ebenfalls. „Doch, aber ich konnte ihn davon überzeugen, dass ich aus dem Alter heraus wäre, in der man versuchen würde, mir den Hof machen zu wollen.“ Nun musste Raven doch kichern. „Komm, Sonnenschein, bevor wir noch mehr Zeit verplempern. Ich war so lange nicht mehr in meiner Heimat, dass ich es kaum noch abwarten kann.“, meinte Larscha unternehmenslustig. „Und deine Sachen?“, fragte Raven irritiert, da diese immer noch im Boudour verteilt zu liegen schienen. „Die kommen nach. Lass uns aufbrechen, Liebes.“ Raven schulterte ihre Tasche, dann ergriff sie die dargebotene Hand ihrer Großmutter. Mit Hilfe des magischen Artefakts, welches ihre Großmutter und auch sie selbst in Form eines Kristallsplitters um den Hals trug, würde sie an ihren gewünschten Reiseort bringen. Mit einem Lächeln sah Larscha ihre Enkelin an, der grade noch durch den Kopf ging, dass sie sich von ihrem Großvater noch gar nicht verabschiedet hatten. Doch bevor sie diesbezüglich etwas einwenden konnte, verschwamm die Welt um sie herum und ihre Reise begann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)