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Nachtglitzer

AltairxAlena
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben, hier ist nun das vorletzte Kapitel. Ich hoffe es gefällt euch etwas. Im letzten Kapitel werden wir dann noch einmal einen Altairx Alena Moment haben XD.
Ob und wann es vielleicht eine Fortsetzung gibt kann ich noch nicht sagen aber im moment denke ich bleibt es ein offenes Ende.

Ein großes Dankeschön geht an

  mamoon
-Solid-Snake-
Kizame
Yami-No-Yuuki


LG

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Prolog - Sternennacht

Prolog - Sternennacht
 


 

Helle Sterne verteilten sich über dem tiefschwarzen Horizont. Ebenso erfüllte die Fenster der meisten Häuser tiefe Schwärze, nur vereinzelt brannte dann und wann in einem der Häuser ein Feuer. Eines dieser Häuser befand sich im Armenviertel von Damaskus, es lag in der schlimmsten Ecke der Stadt.

Das Haus, nun es glich wohl eher einer Ruine, bestand aus einem großen Zimmer, welches als Küche, Wohnzimmer und als Schlafstätte der Eltern herhalten musste, während der kleinere angrenzende Raum für die beiden Kinder war. Etwas Stroh und verdreckte, zerrissene Decken bildeten die Betten. Eine kleine Feuerstelle in der Mitte der Räume spendete etwas Licht und Wärme, gerade an so kalten Nächten wie dieser. Abgesehen von etwas Essbarem und Wäsche waren die Räume leer. In dem kleinen Zimmer, auf dem Stroh, lag sie. Leer blickten ihre Augen aus dem Fenster in die sternenbenetzte Nacht. Ihre braungelockten Haare verteilten sich um ihr Gesicht herum, während ihre ebenfalls tiefbraunen Augen wässrig schimmerten. Ihre Hände hatten sich in dem Stofffetzen, das ihr als Kleid diente, verkrampft.

Wie konnte er ihr so etwas antun? Sie war immer ein sittsames und gehorsames Mädchen gewesen. Hatte getan was er wollte, ihm nie widersprochen. Und nun wollte er sie wegschicken. Sie, seine eigene Tochter. Ihr Vater, sie hatte immer zu ihm aufgesehen, hatte ihn bewundert, wie stark und klug er war, und jetzt wollte er, dass sie ging. Warum? Sie konnte es einfach nicht verstehen. Was hatte sie falsch gemacht? Sie dachte immer, dass auch er sie lieb haben würde. Er hatte sie immer beschützt, jeder der die Familie sah, sah, dass der Vater seine Tochter liebte. Warum nur schickte er sie also nun weg?

Der Vorhang wurde beiseitegeschoben. „Hier Tochter, ich habe dir etwas von der Suppe aufgehoben.“ Eine ältere Frau trat ein, stellte die Schale neben der Schlafstätte ab. „Danke Mutter.“ Murmelte das Mädchen abwesend. Mit einem mitleidigen Gesichtsausdruck strich die Mutter ihrer Tochter durch die Haare. „Ach meine Tochter. Meine Alena.“ Tränen sammelten sich in den Augen der Älteren. Alena wandte sich ihrer Mutter zu. „Nicht weinen Mutter.“ Am allerwenigsten konnte sie es nun verkraften, wenn ihre Mutter wegen ihr Kummer litt. „Ich komme zurecht.“ Beide wussten, dass das Gesagte nicht der Wahrheit entsprach. Alena war behütet aufgewachsen, kannte nichts von der Welt, deren Regeln oder gar den Gefahren, die auf sie warteten. „Ich werde dich vermissen, meine Alena. Ich werde jeden Tag zu Allah beten, dass er dich beschützen möge.“ „Ich danke Euch.“ Zögerlich umarmte Alena ihre Mutter. Wie sollte sie nur ohne ihre Familie zurecht kommen? Wo sollte sie hin?

Alena löste sich aus der Umarmung. „Geht zu Bett Mutter. Ihr seht müde aus.“ Ihre Mutter strich ihr durch das braungelockte Haar. „Meine Alena.“ Mit einem Kuss auf die Stirn verabschiedete sie sich.

Seufzend sah Alena auf die Suppe. Was würde aus ihr werden? Wie sollte es nur mit ihr weitergehen? Erneut seufzend begann sie, die mittlerweile lauwarme Suppe zu löffeln, als der Vorhang abermals zur Seite geschoben wurde. „Farid.“ Alena stellte rasch die Schüssel beiseite, nur um dann aufzustehen und den jungen Mann zu umarmen. „Schwester.“ Farid strich über ihr Haar. Eine Weile standen sie dort. „Ich mag nicht gehen. Warum schickt er mich weg? Hat er mich nicht mehr lieb?“ Das rasche Heben und Senken ihrer Schultern verriet dem jungen Mann, dass sie weinte. „Schh. Ich bin sicher, er hat seinen Grund.“ Alena sah zu ihm auf. „Was für ein Grund sollte das sein?“ Farid blickte beiseite. „Ich weiß es nicht“, wich er aus. „Komm du solltest schlafen.“ Gemeinsam legten sie sich auf das Stroh.

Lange nachdem Alena eingeschlafen war, richtete Farid sich auf und strich ihr eine verwirrte Haarsträhne hinter das Ohr. Er hatte es nicht fertiggebracht, ihr zu sagen, warum sie gehen musste, ebenso wie sein Vater es ihr nicht sagen würde. Es zählte nur, dass sie weg kam von hier, dass niemand sie mit ihrem Vater sehen würde. Es war besser so. Besser für alle. Sie würde zurechtkommen. Dessen war er sich sicher, sie war stark.
 

Der Morgen kam zu früh. Ihr Vater kam herein, als gerade erst der erste Sonnenstrahl die tiefschwarze Nacht durchbrach. Die meisten Menschen schliefen noch, weshalb es ruhig auf den Straßen war. „Alena!“ Ihr Vater rüttelte an ihrer Schulter, was das Mädchen dazu veranlasste, verschlafen die Augen zu öffnen. „Vater?“ Ihre rechte Hand fuhr über ihr Gesicht. „Steh auf! Du musst gehen.“ Ruckartig sah sie auf. Sie hatte verdrängt, was heute für ein Tag war. Der Tag ihrer Abreise. Gezwungenermaßen. „Komm.“ Rasch, jedoch ohne ihr weh zu tun, hob er Alena am Oberarm von der Schlafstätte. „Vater, bitte! Ich möchte nicht gehen!“ Flehte sie. Sie würde alles machen, wenn sie dafür nur bei ihrer Familie bleiben könnte. „Das geht nicht, Alena!“ Ihr Vater ließ sie erst vor dem Hütteneingang wieder los. „Warum nicht?“ Tränen schimmerten in ihren Augen. „Weil ich es sage!“ Sie schüttelte den Kopf. „Wo ist Mutter?“ Hasim führte seine Tochter nach draußen. „Sie schläft.“ „Darf ich mich nicht einmal von ihr verabschieden?“ Ihr Vater schüttelte ernst den Kopf, er schien gehetzt. „Keine Zeit. – Du musst die Stadt verlassen!“ Er strich über ihre Wange, sein Ton wurde sanfter und ein trauriger Ausdruck erschien in seinen Augen. „Passe auf dich auf, Alena. Ich wünschte, ich müsste das nicht tun, aber es ist das Beste.“ „Was nicht tun? Was ist das Beste? Sag es mir.“ Er schüttelte den Kopf. „Nun geh! – Pass auf dich auf meine geliebte Tochter.“ Damit verschwand er im Inneren der Hütte und ließ das vielleicht gerade mal siebzehnjährige Mädchen alleine draußen stehen. Diese starrte auf einen unbestimmten Fleck. Warum nur schickte man sie weg? Was hatte sie getan? Wovon sprach ihr Vater? Sie schüttelte die Gedanken ab, ehe sie sich unschlüssig umsah und seufzte. Wo sollte sie hin, die Sonne war ja noch nicht einmal aufgegangen. Sie hatte keinerlei Verwandten zu denen sie hätte gehen können, ebenso wenig hatte sie Freunde, die sie hätte aufsuchen können. Langsam setzten sich ihre Füße in Bewegung. Sie sollte die Stadt verlassen? Wohin sollte sie denn? Mit gesenktem Kopf ging sie die dunklen Straßen entlang, bei jedem Geräusch fuhr sie zusammen. Wer wusste schon, was hinter der nächsten Ecke lauerte.

Mit nichts weiter außer dem Gewand, das sie am Leibe trug, und einer kleinen Decke, in welcher ein Brotlaib und etwas Käse eingewickelt waren, erreichte Alena die Stadtmitte. Unsicher huschten ihre Augen über die Fassaden, ohne jedoch wirklich etwas erkennen zu können. Es war einfach unheimlich des Nachts. Das Gefühl, dass sie beobachtet wurde, wollte einfach nicht verschwinden, denn das würde es erst, wenn die Sonne ganz aufgegangen war. Im Dunkeln hatte sie sich schon immer gefürchtet. Abermals seufzend sah sie in den Himmel empor. Langsam begannen die leuchtenden Sterne unter dem heller werden des Himmels zu verblassen. Bald würde die Sonne endgültig die Nacht vertrieben haben und mit ihr die Sterne, welche nur darauf warteten, dass es wieder dunkel wurde, um ihr Licht zu entfalten.

Ihr Körper versteifte sich, als sie plötzlich Schritte hörte. Leise wandte sie sich um, wobei sie langsam begann, rückwärts zu laufen. Panik erfasste sie, obwohl nicht einmal sicher war, dass da jemand war oder dieser jemand hinter ihr her war. Aber Alena konnte nicht anders, hastig drehte sie sich wieder nach vorne und begann, immer schneller zu laufen, ehe das Laufen in Rennen umschlug. Das Gefühl beobachtet zu werden, die schwarze Nacht, die ganzen Geräusche, sie begann durchzudrehen und das, obwohl sie gerade mal einige Minuten ihr Zuhause verlassen hatte.
 

Mit klopfendem Herzen kam sie schließlich an einer Ecke zum stehen, was nicht auch daran lag, dass sie fast das Stadttor erreicht hatte. Noch einmal huschten ihre braunen Augen über die Häuser. Sie würde die Stadt vermissen, würde ihre Familie vermissen, ihre Heimat. Ihr Blick wanderte zum Tor, an dem schwer bewaffnete Soldaten standen. Sechs an der Zahl, soweit sie das erkennen konnte. Würde sie einfach hinaus spazieren können? Noch nie hatte sie Damaskus verlassen. Langsam, Schritt für Schritt ging sie weiter auf das Tor zu. Es dämmerte bereits, in wenigen Augenblicken würde es hell sein. Alena versuchte, nicht auf die Waffen der Männer zu achten, aber das gelang ihr nur mittelmäßig. Wie viele Menschen wohl schon von den Klingen ermordet wurden? Zu ihrer Angst kam auch noch die Nervosität hinzu, als sie bemerkte, dass die Soldaten sie beobachteten, immerhin war noch nicht viel los und es war ungewohnt, dass jemand so früh die Stadt verließ und dazu noch ein Mädchen. Ein Mädchen, das alleine war. Mit gesenktem Kopf schritt sie rasch auf das Tor zu. Sie betete zu Allah, dass man sie einfach durch das Tor schreiten ließe. Für eine Auseinandersetzung war sie nicht in geeigneter geistlicher Verfassung, zumal sie gegen sechs bewaffnete Männer keine Chance hatte. Wahrscheinlich nicht einmal gegen einen, der unbewaffnet war. Nein, sie hatte sich nie verteidigen müssen, immer waren ihr Bruder oder ihr Vater da gewesen. Ihrer Bedenken zum Trotz ließen die Soldaten Alena passieren, wenn auch nicht ohne ihr eigenartige Blicke zuzuwerfen. Teils verwundert, teils erstaunt und teils verärgert oder gar missbilligend, so schien es. Vor dem Stadttor blieb sie einen Augenblick stehen. Alena ließ ihren Blick über die Weite der Wüste schweifen, in der dann und wann einige Felsen emporragten. Pflanzen gab es nur spärlich bis keine, aber das hatte sie auch nicht erwartet, ebenso bezweifelte sie, dass es dort in der sengenden Hitze der Wüste eine Wasserquelle gab und wenn doch, dann sicherlich nur vereinzelt. Sie hatte gehört, dass es Menschen gab, welche ausschließlich in der Wüste lebten, ohne festes Heim, ob sie einem solchen begegnen würde? „Mein Kind, ist alles in Ordnung?“ Überrascht wandte sie den Kopf. Ein in weiß gekleideter älterer Mann stand mit fragendem Gesichtsausdruck neben ihr. Er lächelte freundlich, was Alena zögerlich erwiderte. „Danke, mir geht es gut.“ Der alte Mann nickte. „Es ist gefährlich außerhalb der Stadt.“ Nun wobei es in der Stadt auch nicht immer sicherer war. „Ihr solltet nicht alleine hier draußen herumlaufen“, riet er ihr. Alena neigte den Kopf. „Ich danke Euch für den Rat. Friede sei mit Euch.“ „Und mit dir“, erwiderte er. Alena schritt weiter voran und ließ den Mann hinter sich. Was dachte er sich? Sie war keineswegs freiwillig hier. Sie verließ keineswegs freiwillig die Stadt, ihre Heimat. Als sie dem Weg den Hügel hinauf gefolgt war, welcher jedoch ab dann in der Weiten öde der Wüste endete, war die Sonne endgültig aufgegangen. Die Sonne hatte die Sterne vertrieben, nur um ihnen irgendwann wieder Platz zu machen. Seufzend wandte sie sich ein letztes Mal der Stadt zu, welche immer kleiner wurde, je weiter sie schritt. Ihre braunen Augen wanderten gen Himmel. Und wo sollte sie nun lang? Nicht einmal einen Weg hatte ihr Vater ihr erklärt, wichtig war nur gewesen, dass sie ging und das hatte sie nun getan. Wohin würde sie ihre Reise bringen? Jerusalem? Wie hätte sie ahnen sollen, dass das Schicksal etwas anderes für sie im Sinn hatte?

Wehmütig lächelnd machte sie kehrt und schritt über den gelb-roten Sand, dem Nichts entgegen.

Kapitel 1: Windhauch

Kapitel 1: Windhauch
 


 

Seit Stunden, so kam es ihr vor, lief sie nun schon über den gelb-roten Sand. Niemandem war sie begegnet. Keine Pflanze und keine Wasserquelle hatte sie gesehen. Es gab nichts außer dem Sand unter ihr und der sengenden Hitze über ihr. Die Sonne stand mittlerweile so hoch am Himmel, dass sie davon ausging, dass es sicherlich schon Mittag war, aber so genau konnte sie das nicht sagen. Sie hatte es nicht gelernt, die Stunden an der Sonne und dem Mond ablesen zu können. Wozu hätte sie es auch lernen sollen? Bislang hatte sie darin keine Notwendigkeit gesehen.

Alena blieb stehen und sah sich um. Trotz der nunmehr herrschenden Helligkeit und der Tatsache, dass sie niemanden sehen konnte, fühlte sie sich unwohl. Ganz so als wenn man sie beobachtete. Sie wusste, dass es unsinnig war, wer sollte sie schon verfolgen? Wo sollte dieser Verfolger sich verstecken? Hier gab es nichts, wo man sich hätte verstecken können und doch war es ihr, als sähe sie dann und wann weiße und schwarze Gestalten am Horizont. Kopfschüttelnd wandte sie sich ab, ehe sie sich in den weichen, warmen Sand sinken ließ. Eine Pause war genau das, was sie jetzt brauchte. Alena riss ein Stück des Brotes ab, steckte es sich in den Mund und biss dann einmal vom Käsestück ab. Das müsste bis heute Abend reichen. Sie konnte nicht sagen, wie lange sie noch durch die Wüste wandern musste, da sollte sie lieber nicht zu verschwenderisch mit den Lebensmitten sein. Außerdem, das wurde ihr erst jetzt bei der drückenden Wärme bewusst, hatte sie Wasser vergessen. Hoffentlich würde sie nicht verdursten, ehe sie die nächste Stadt oder eine kleine Oase erreichte. Seufzend ließ sie sich rücklings in den Sand fallen. Es war so verdammt warm. In der Stadt hatte sie immer zugesehen, dass sie unter einem Dach oder Stand oder auch einfach nur im Schatten stand. Leider gab es hier weit und breit nichts, was sie vor der Sonne schützte. Ihre Augen musste sie – selbst wenn diese geschlossen waren – zusammenkneifen, damit die Sonne erträglich war und nicht zu sehr blendete. Was hatte sich ihr Vater nur dabei gedacht? Wollte er sie umbringen? Wusste er denn nicht, wie unerträglich es hier war? Oder hatte er es verdrängt? Oder hatte es ihn gar nicht interessiert?

Ein Schatten ließ Alena aufschrecken. Hastig sah sie sich um. Es war ganz klar ein Schatten gewesen, der plötzlich über ihr aufgetaucht war. Ihr Gesicht wurde davon bedeckt, nur wo kam der Schatten her? Eine Einbildung oder vielleicht eine Wolke, die sich vor die Sonne geschoben hatte? Es wäre wohl besser, wenn sie weitergehen würde, nicht dass sie noch vollkommen paranoid werden würde. Also schlug sie Brot und Käse wieder in die Decke ein und ging raschen Schrittes weiter. Das Gefühl beobachtet zu werden blieb jedoch. Es wurde auch gegen den späten Mittag nicht besser und erst recht nicht, als die Sonne langsam schwächer wurde und allmählich unterging. So heiß der Tag auch gewesen sein mochte, so kalt waren die Nächte in der Wüste. Wind wehte auf, der das Ganze auch nicht besser machte. Alena ging so lange, bis sie schließlich nicht einmal mehr die Hand vor ihren Augen sehen konnte. Erst dann wurde sie langsamer und ließ sich nieder. Bei jedem Geräusch ruckte ihr Kopf in die Höhe. Ihre Beine zitterten, ob vor Kälte oder vor Angst konnte sie nicht sagen, vielleicht auch etwas von beiden. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie befürchtete, sein Schlagen noch meterweit entfernt hören zu können. Die Augen hatte sie geschlossen, in die dunkle Nacht zu starren ließ sie nur noch mehr in Panik verfallen. Die Sterne, die am Himmel strahlten, erzeugten leider nicht das erhoffte Licht, um viel sehen zu können. Wie konnte ihr Vater ihr das antun? Wie sollte sie hier überleben? Was wohl ihre Familie gerade tat? Wahrscheinlich waren sie alle bereits am Schlafen und sie wünschte sich, sie könnte das auch. Aber diese Kälte und die Angst machten es ihr unmöglich. Andererseits wem sollte sie hier schon über den Weg laufen? Sicherlich war niemand so verrückt, in der Nacht durch die Wüte zu laufen und dennoch konnte sie die kleine Stimme in ihrem Kopf nicht abstellen die flüsterte: „Und wenn doch jemand kommt?“
 

Nach weiteren vergeblichen Versuchen einzuschlafen richtete Alena sich in eine sitzende Position auf. Leider wusste sie nicht, wie man ein Feuer machte und selbst wenn sie es gekonnt hätte, würde hier sicherlich nichts sein, was sie dazu benutzen konnte. „Warum tust du das?“, flüsterte sie und sah zu den Sternen. „Ich dachte immer du hättest mich lieb, Papa.“ Gedankenverloren spielte sie mit den Sandkörnern. „Wieso nu-…“ Alena wurde unterbrochen, als sie ein Rascheln vernahm, kurz darauf legte sich eine starke, in einen Handschuh gekleidete, Hand auf ihren Mund. Instinktiv, obwohl ihr Herz schmerzhaft pochte vor Angst, begann sie, sich zu wehren. Vergebens schlug sie nach hinten aus, mit ihren Beinen strampelte sie wild. Eine weitere Gestalt tauchte neben ihr auf. Trotz des schwachen Lichts bemerkte sie, wie sich ebenjene Person zu ihr kniete, was Alena dazu veranlasste, zurückweichen zu wollen, nur die starken Hände auf Mund und Schlüsselbein hinderten sie daran. Panisch musste sie feststellen, dass noch eine weitere Person vor ihr auftauchte. Also drei an der Zahl. Alena schossen die Tränen in die Augen, ihr Herz schlug so heftig gegen ihre Brust, dass sie kaum atmen konnte. Drei gegen einen, das war unfair. Ihr Wimmern wurde durch die Hand auf ihrem Mund gedämpft. Noch einmal versuchte sie sich vergebens aufzubäumen, was die Person neben ihr kurz auflachen ließ. Ein Mann, wie sie anhand der Stimme erkennen konnte, meinte: „Wild die Kleine.“ Alenas Augen huschten kurz zu der Person vor ihr, zu der Person die gesprochen hatte, zu der Person die ebenfalls ein Mann war. Der andere nickte, ehe er, wie es schien, einen kurzen Blick mit der Person hinter ihr tauschte. Erst dann wandte er sich ihr zu. „Mein Bruder wird dich nun loslassen, solltest du etwas Dummes versuchen, finden und töten wir dich. Verstanden?“ Alena nickte, auch wenn ihr Herz kurz aussetzte. Was waren das für Menschen? Was wollten diese von ihr? Sie hatte nichts, an das sie hätten interessiert sein können. „Gut.“ Mit einem Ruck verschwanden die Hände. Alena fasste sich an die stellte ihres schlagenden Herzen, ohne dabei die Männer aus den Augen zulassen. Sie alle standen nun vor ihr, wobei sie sich unwillkürlich klein vorkam. Wie sollte sie nur aus dieser Situation wieder herauskommen? Was wollten diese Männer von ihr? Alena beobachtete, wie die Männer sich leise unterhielten, wobei sie immer wieder kurz zu ihr herüber sahen. Sprachen sie etwa von ihr? Wenn ja, weswegen? Was hatte sie getan? Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als die Männer nickten und sich im Sand niederließen. Zwei unterhielten sich leise, während der dritte seinen Gedanken nachzuhängen schien. Alena ließ ihren Blick umherwandern. Wenn sie nun aufstand und in die Dunkelheit rannte, würden die Männer sie nicht mehr sehen können, oder? Sie schielte zu den Männern. Sollte sie? Wer konnte schon sagen, was diese mit ihr anstellen würden. Sie atmete einmal tief ein, die Drei schienen nichts bemerkt zu haben, soweit sie das sagen konnte. Immerhin trugen sie alle eine weiße Robe mit einer Kapuze, die sie tief ins Gesicht gezogen hatten, sodass sie die Gesichter nicht erkennen konnte. Eine rote Schärpe hing vom Gürtel hinab. An ebenjenem Gürtel befanden sich auch ein Schwert und kleinere Dolche. Alena sah noch einmal ins Dunkle. Nein, sie musste es versuchen, sie konnte nicht einfach hier sitzen und abwarten, was werden würde. Sie atmete tief durch, rappelte sich so schnell wie möglich auf und rannte. Ihr Herz raste, ihr Blut rauschte in ihren Ohren. Sie rannte immer weiter, so schnell sie konnte, ohne sich umzudrehen.

1 Sekunde…..2 Sekunden…..3 Sekunden…..4 Sekunden…..5 Sekunden….

Dann, als sie dachte sie hätte es geschafft, spürte sie eine Hand in ihrem Nacken, die sie zu Boden zwang. Eine zweite Hand fasste ihren Oberarm. Alena schrie auf, als sie zu Boden gezwungen wurde. Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie hatte es nicht geschafft. Schmerzhaft wurde sie in die Höhe gerissen und starrte in das verdeckte Gesicht von einem der Männer. Lediglich die untere Mundpartie war zu erkennen. Sie sah wie er den Kopf schüttelte. „Habe ich dir nicht gesagt was passiert, wenn du etwas Unüberlegtes tust?“ Alena schluchzte, nickte aber. „Bist du mutig oder einfach nur blöd, wenn du trotzdem etwas Dummes tust, trotz meiner Warnung.“ Einen Moment schwieg er. Musterte er sie? Oder dachte er über etwas nach? „Was also soll ich nun mit dir machen?“ Er legte den Kopf schief. Alenas Herz hämmerte wild. „Mich gehen lassen“, flüsterte sie, ihr ganzer Körper zitterte. Ihr Oberarm, der noch immer von der starken Hand umfasst wurde, pochte schmerzhaft. Das Schnauben des Mannes vor ihr, ließ ihre Nackenhaare zu Berge stehen. „Das geht nicht, Kleine.“ Alena schluchzte. „Warum?“ „Das weißt du, Kleine.“ Damit zerrte er sie zu den anderen beiden Männern zurück, wo er sie unsanft in den Sand drückte. Die beiden schienen nicht einmal Notiz von ihr zu nehmen, nun gut sie konnte jedoch auch nicht sehen, wo sie hinblickten. Alena sah zu jenem Mann, der sie eingefangen hatte. Er hatte gesagt, sie wüsste, warum die Männer sie gefangen hielten. Doch ihr fiel nichts ein, was jemanden dazu veranlasst hätte, nach ihr zu suchen. Sie wusste nicht, warum man sie so unfreundlich behandelte. Einige Zeit begnügte sie sich damit, angestrengt den Gesprächen zu lauschen, jedoch verstand sie nichts von dem, was die Männer untereinander sagten. „Du solltest schlafen, Kleine.“ Alena schreckte auf, ehe sie den Kopf schüttelte. Sie würde nicht schlafen, solange sie bei diesen Männern war, wer wusste schon, was diese mit ihr machen würden. Jener der sie gefangen hatte, richtete ein weiteres Mal das Wort an sie. „Wir reisen mit dem Sonnenaufgang weiter und werden keine Rücksicht auf dich nehmen, Kleine. Schlaf. Wir werden dich schon nicht im Schlaf meucheln.“ Daraufhin ertönte das kurze, leise lachen der Drei. Alena runzelte die Stirn. Hatte sie etwas verpasst? Hatte sie ein Detail übersehen, oder warum zierte ein Lächeln die Münder der Männer. „Ich bin nicht müde.“ Alenas Stimme klang in ihren eigenen Ohren brüchig und verschüchtert wie die eines kleinen Kindes. Einer der Männer zuckte mit den Schultern. Alena seufzte, blickte dann zu den Männern. Zwei hatten sich auf dem Sand zusammengerollt, wahrscheinlich schliefen sie. Nur der Dritte saß im Sand und schien irgendwohin zu blicken. „W-wo bringt Ihr mich hin?“ Der Mann schnaubte. „Tu nicht so, Mädchen, du weißt genau, warum wir hier sind. Du weißt auch, wohin die Reise gehen wird.“ Alena schüttelte prompt den Kopf. Nein, eben das wusste sie nicht. „Ich verstehe nicht.“ Der Mann wandte ihr den Kopf zu, das Gesicht noch immer verdeckt. „Wir werden sehen – nun schlaf und nerv nicht!“ Seine Tonlage ließ keinen Wiederspruch zu, weswegen sie sich langsam in den Sand fallen ließ, jedoch so, dass sie die Männer beobachten konnte. Tränen hatten sich in ihren Augen gesammelt, die nun ihre Wange hinab liefen und dann leise auf dem Sand aufschlugen. „Papa“, flüsterte sie. Wie gerne wollte sie nun bei ihm, in seiner Umarmung, sein. Stattdessen lag sie hier, im Beisein fremder, eigenartiger Männer und sie wusste nicht einmal, was diese mit ihr vorhatten oder wo diese sie hinbringen wollten. Irgendwann driftete sie doch in einen leichten schlaf ab und sah somit nicht, wie der Mann seine Kapuze zurückschlug. Zum Vorschein kamen Bernstein-braune Augen, kurzes dunkelbraunes Haar und eine Narbe, die sich auf der rechten Seite über die Unter- und Oberlippe zog. Seufzend fuhr sich der Mann durchs Haar, ehe er zu der Schlafenden blickte. Welch undankbare Aufgabe. Ein Mädchen einzufangen und das nur, weil er zum Novizen degradiert worden war und nun seine Ehre wiederherstellen musste.

Kapitel 2: Dämmerung

Kapitel 2: Dämmerung
 


 

Alena wurde durch ein schmerzhaftes Ziehen in der Bauchgegend geweckt. Stöhnend schlug sie die Augen auf und sah gerade noch einen Stiefel, ehe dieser wieder in ihrem Magen landete. „Es reicht Faruk! Sie ist wach.“ Der Stiefel wurde von ihrem Magen genommen. Gepresst atmend richtete sie sich in eine sitzende Position auf und warf diesem „Faruk“ heimlich einen bösen Blick zu. „Bist du endlich wach.“ Alena sah zu einem weiteren Mann und erst jetzt realisierte sie die drei schwarzen Pferde, die in einigem Abstand zu ihr standen. Gestern im Dunkeln da hatte sie diese nicht wahrgenommen, zu sehr war sie mit ihren neuen „Begleitern“ beschäftigt gewesen. Sie nickte schließlich auf die Aussage des anderen. Ja, sie war wach und ihr Magen schmerzte nun auch. „Dann können wir endlich aufbrechen.“ Alena wurde in die Höhe gezogen. „Hier Altair. Nehmt sie!“ Sie musterte den angesprochenen, der überhaupt nicht glücklich über diese Aufforderung zu sein schien. „Nehmt Ihr sie doch, Doran“, knurrte er. Doran, der Mann, der sie festhielt, schüttelte lediglich den Kopf. „Ich habe bei diesem Auftrag das sagen. – Also nehmt Ihr sie.“ Damit schubste er Alena in die Richtung ebenjenes Mannes. Altair rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel, was Alena still beobachtete. Der Mann vor ihr schien kein geselliger Zeitgenosse zu sein und sie hielt es für besser, ihn nicht mehr zu verstimmen, als er es anscheinend schon war. Sie beobachtete, wie sich die drei Männer mit einer eleganten Bewegung in den Sattel schwangen, sodass sie sich fragte, wie man sich nur so geschmeidig bewegen konnte. „Komm schon Mädchen!“ Erst jetzt sah Alena auf und bemerkte die ihr hingehaltene Hand. Zögerlich ergriff sie diese und fand sich wenig später oben auf dem Pferd wieder. Dieser Altair saß hinter ihr, seine Arme waren links und rechts von ihr, damit er die Zügel halten konnte. Ihr war es unangenehmen, sie wollte diesem Mann nicht so nah sein. Sie spürte seinen Körper direkt hinter ihrem, der sich im Rhythmus des Pferdes bewegte, als er das Tier zum Laufen antrieb. Schon bald hatte Alena Schwierigkeiten, sich am Sattelknauf festzuhalten, was der Mann hinter ihr entweder nicht bemerkte oder strikt ignorierte. Faruk und Doran ritten in einem ebenfalls halsbrecherischen Tempo und doch schafften sie es, sich zu unterhalten. Alena schwieg. Sie hätte auch nicht gewusst, was sie hätte sagen sollen, doch sie wunderte sich, warum ihr Reiter sich nicht mit den anderen unterhielt. Er schien nicht der Gesprächigste zu sein. Sie seufzte leise. Sie hatte keine Ahnung, was diese Männer von ihr wollten. Sie wusste nicht einmal, wer sie waren. Sie hatte die Drei noch nie zuvor gesehen.

Erst als die Sonne bereits einige Zeit aufgegangen war, wagte sie es, ihre Stimme zu erheben. „Wann werden wir einen Halt einlegen?“ Ihre Stimme klang kratzig und brüchig. „Nun so wie es aussieht… jetzt“, gab er mit einem trockenen und zynischen Ton in der Stimme zurück, ehe er sich an seine Brüder wandte um ihnen mitzuteilen, dass sie eine Pause machten. Alena war froh, als sie endlich von dem Pferd hinuntersteigen konnte. Der ritt war nicht wirklich angenehm gewesen. Seufzend ließ sie sich zu Boden sinken. Sie hatte ihre Schenkel so fest an das Tier gepresst um nicht hinunter zu fallen, dass diese nun schmerzten. „Hier!“ Einer der in Weiß gekleideten Männer – Doran, wenn sie nach der Stimme ging, denn die Gesichter konnte sie unter den Kapuzen nicht erkennen – hielt ihr etwas zu essen entgegen, sowie einen Wasserschlauch. Alena musterte das Essen, ehe sie verstohlen zu den anderen blicke. Zögerlich, in kleinen Bissen, biss sie schließlich von dem Brotstück ab und kaute langsam. Sie kam nicht umhin die Männer zu beobachteten, nicht nur weil sie ihnen nicht traute, sondern auch weil sie sich fragte, was diese von ihr wollten und wohin sie sie bringen würden. Auf Fragen ihrerseits würde sie gewiss keine Antwort erhalten. Sie seufzte. Alles was sie wollte war bei ihrer Familie zu sein. War das zu viel verlangt? War sie vielleicht ein schlechter Mensch? Hatte sie es verdient, dass Allah sie strafte? Alena kam erst in die Realität zurück, als ein Schatten über ihr auftauchte. „Wir reisen weiter! – Trink etwas, bis heute Abend halten wir nicht mehr!“ Sie nickte, trank hastig einen Schluck Wasser und reichte ihm den Schlauch zurück. „Danke“, flüsterte sie, da sie sich nicht sicher war, ob ihre Stimme nicht brechen würde. Der Mann nickte, nahm den Wasserschlauch entgegen und deutete auf einen seiner Brüder. „Geh.“
 

Es war ein höllischer Ritt, so empfand es zumindest Alena. Ihre Schenkel schmerzten und ihre Hände brannten, so fest hatte sie sich an den Sattelknauf geklammert. Sie seufzte ein weiteres Mal, wie oft sie das in den letzten Stunden schon gemacht hatte, wusste sie nicht mehr. Sie erschrak, als sie die Stimme des Mannes hinter sich vernahm, die ihrer Meinung viel zu nah an ihrem Ohr war. „Gib noch einen Laut von dir und ich schneide dir die Kehle durch.“ Alena nickte hastig. Ihr Körper versteifte sich. Sie ahnte, dass er seine Worte ernst meinte, sodass sie den restlichen Ritt damit verbrachte, Geräusche jeder Art zu unterdrücken. Selbst atmen tat sie so flach wie möglich.

Alena fröstelte. Langsam wurde es dunkel und mit der Dunkelheit kehrte die Kälte zurück. Der ihnen entgegen preschende Wind war ebenfalls eiskalt und schon bald zitterte sie am ganzen Körper. „Wir sind bald da.“ Alena sah auf, bemerkte erst jetzt, dass sie das Tempo verlangsamten und nun in einen schnellen Trab verfielen. Die beiden Männer hatten sich links und rechts neben dem Pferd, auf dem sie saß, eingefunden. Sie nickte. „Wo bringt Ihr mich hin?“ Doran wandte sich Alena zu und musterte sie eine Weile. „Das weißt du, Mädchen.“ Ehe sie nachgedacht hatte, schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich weiß es nicht.“ Faruk schnaubte. „Lüg nicht Weib!“ Alena zuckte bei dem scharfen Ton zusammen. Warum nur nahmen sie an, dass sie wüsste, wo man sie hinbrachte? Das war doch irrsinnig. Sie war diesen Menschen noch nie begegnet, genauso wenig konnte und wollte sie wissen wer sie waren. „Tue ich nicht“, flüsterte sie so leise, dass sie niemand verstand. Doran, welcher sich rechts von ihr befand, hob die Hand um Faruk zu signalisieren, dass dieser sich zusammenreißen sollte. Erst dann wandte er sich Alena zu. „Siehst du den Berg? Dort müssen wir hin und dann wird sich zeigen, was du weißt und was nicht.“ Sie folgte mit ihrem Blick seiner ausgestreckten Hand. Am Horizont zeichnete sich ein Berg ab, ein Weg führte über diesen hinauf zu einer Burg während am Fuße des Berges Rauch aufstieg, wahrscheinlich ein Dorf. Den Rest des Weges verbrachte sie damit, sich zu fragen, was sie erwarten würde, was man von ihr wollen würde.
 

Als die Pferde schließlich zum Anhalten gezwungen wurden, konnte sie nicht verhindern, dass ihr Herz schneller schlug. Sie hatten vor einem hohen Zaun aus Holzpfählen halt gemacht. Zwei Männer in ebenfalls weißen Gewändern standen am Tor, beugten jedoch kurz den Oberkörper als die Drei von ihren Pferden gestiegen waren. „Komm schon!“ Alena wurde unsanft von dem Pferd geholt. Der Griff an ihrem Oberarm war fester als nötig. Mit einem, „Ihr tut mir weh“ versuchte sie sich von dem eisernen Griff zu befreien, jedoch ohne Erfolg. Ihre Worte wurden ebenfalls einfach überhört, denn im nächsten Moment wurde sie durch das Tor gezogen und erst dann ließ man sie los. „Altair, Ihr kommt mit mir! – Faruk Ihr könnt Euch erholen.“ Doran trat an Alena heran. „Komm Mädchen.“ Alena folgte den beiden verbliebenen Männern durch das Dorf. Nur noch wenige Menschen waren auf den Straßen, die meisten befanden sich bereits in ihren Häusern. Alena seufzte. Sie wollte auch bei ihrer Familie sein. Sie wandte den Blick den beiden Männern vor sich zu. Stattdessen wurde sie durch irgendein Dorf zu einer Burg geführt. Sie fühlte sich immer unbehaglicher. Nicht nur weil die Burg im Dunkeln irgendwie unheimlich aussah, sondern auch weil es hier immer mehr der Männer in den weißen Roben gab, allesamt bewaffnet. Was war das hier? Nervös knetete sie ihre Hände, die mit einem mal eiskalt geworden waren. Es herrschte eine recht seltsame Stimmung, wie sie fand. Ihre Knie fingen an zu zittern, während sie den beiden eine Treppe hinauf durch ein Tor folgte. Alena sah sich flüchtig um, ehe sie eine Hand am Oberarm packte und sie zu Boden in eine kniende Position zwang. „Meister.“ Die beiden Männer neben ihr verbeugten sich vor dem in schwarz gekleideten Mann der nur einige Schritte von ihnen entfernt stand. Wo kam er so schnell her? Der Mann klatschte in die Hände. „Ah! Wie ich sehe habt ihr gefunden, wonach wir suchten.“ Alena lief es kalt den Rücken herunter, als sie dem Blick des Mannes begegnete. „Ja, Meister.“ Doran war der erste der sich wieder aufrichtete, ehe es Altair ihm nachtat. „Gut.“ Der Mann sah sie noch immer unverwandt an, dann überbrückte er die letzten Schritte und blieb vor Alena stehen, sodass diese sein Gesicht nun gut erkennen konnte. Er war alt, sein langer weißer Bart ragte hervor. Falten zeichneten sein Gesicht. Alena sah noch aus den Augenwinkeln wie er die Hand hob, ehe ihr Kopf nach rechts ruckte. Keuchend hielt sie sich die schmerzende Wange. Warum schlug er sie? „Wage es nie wieder mich anzusehen, Weib!“ Tränen bildeten sich in ihren Augen. „Ja.“ Ihr Kopf ruckte nach links. „Du sprichst nur, wenn ich es dir erlaube!“ Alena bekam seine Worte nur noch am Rande mit. Ihre Wangen pochten schmerzhaft, Tränen verhinderten ihre Sicht. Warum tat man das mit ihr? Was hatte sie getan, um so behandelt zu werden? Sie schluchzte, wagte es aber nicht aufzusehen oder gar ein Wort zu sprechen. „Doran, Altair, bringt das Weib in den Kerker! – Danach kommt zu mir.“ Al Mualim wandte sich ab. In Alenas Kopf wiederholte sich jedoch nur noch ein Wort. Kerker! Sie war doch keine Verbrecherin! Das konnten sie nicht machen. Abermals wurde sie am Oberarm gefasst und in die Höhe gezogen. „Komm.“ Alena ließ sich mitziehen, schüttelte jedoch ununterbrochen den Kopf. „Ich habe nichts gemacht“, flüsterte sie immer wieder.

Sie kam erst zu sich, als man ihren Oberarm losließ. Sie wollte nicht hier bleiben. Doran stand vor ihr. „Altair wird dir etwas zu essen bringen“, damit schloss er das eiserne Gitter und entfernte sich. Abermals schluchzte sie. Es war so dunkel und kalt. Zitternd zog sie ihre Knie an ihren Körper und legte ihren Kopf auf ihre verschränkten Arme. Wie konnte ihr Leben nur so schnell aus den Fugen geraten? Sie hatte nichts gemacht! Das man sie so behandelte, war eine Frechheit. Wäre nur ihr Vater oder ihr Bruder hier! Schritte ließen sie zusammenzucken. Die weiße Robe sah man zuerst aus der Dunkelheit stechen, ehe die dazugehörige Person auftauchte. Ebenjene Person öffnete die Tür zu ihrer Zelle und stellte eine Schale mit dampfendem Inhalt vor ihr ab. „Iss!“ Alena schüttelte den Kopf. Das Letzte, an das sie im Moment denken konnte, war essen. „Iss!“ Die Stimme ihres Gegenübers wurde schärfer. „Ich habe keinen Hunger.“ Altair schnaubte, ehe er vor Alena in die Hocke ging und ihr die Schale mit der Suppe hinhielt. „Iss oder ich werde sie dir einflößen. – Ich habe den Auftrag bekommen, dass du noch nicht stirbst.“ Alenas Kopf fuhr in die Höhe. Noch nicht, hatte er gesagt. Dass sie noch nicht stirbt. „Ihr wollt mich töten?“ Der Mann vor ihr legte den Kopf schief. „Nicht, wenn du dich kooperativ verhältst und nun iss endlich.“ Zögerlich, mit zittrigen Händen nahm sie ihm die Schale ab. „Danke.“ Altair nickte, warf ihr noch eine kleine zerrissene Decke zu und ging. Alena starrte auf die Suppe. Wenn sie sich kooperativ verhielt? Zu was? Was verlangte man von ihr? Sie würde es herausfinden, das hatte sie im Gefühl – und auch, dass es ihr nicht gefallen würde.

Kapitel 3: Regentropfen

Kapitel 3: Regentropfen
 


 

Die Nacht war die Schlimmste ihres Lebens gewesen. Nicht nur weil sie ständig das Quieken der Ratten hörte, die um sie herum schlichen, sondern auch weil es im Kerker trotz der Decke eiskalt gewesen war. Alena saß noch immer in derselben Position wie am Abend. Die Beine angewinkelt und den Kopf auf den verschränkten Armen abgelegt. Ihre geröteten Augen schmerzten, sie hatte eindeutig zu viel geweint und zu wenig geschlafen. Ob es wohl schon Morgen war? Der Kerker beherbergte leider kein Fenster, sodass sie nur erahnen konnte, wie viel Zeit vergangen war. Ihr Magen knurrte, was sie dazu veranlasste, den Kopf zu heben und auf die Schale vor ihr zu schauen. Sie hatte die Suppe gestern nicht gegessen. Sie hatte Angst, dass diese vergiftet sein könnte. Immerhin wäre das ein eleganter Weg gewesen, sie loszuwerden, auch wenn der Mann – Altair – ihr sagte, dass sie die Suppe essen könnte. Ihr Kopf fiel zurück auf ihre Arme. So schlecht hatte sie sich nie zuvor gefühlt und sie fragte sich abermals, warum man ihr das antat. Alena fuhr mit einem Schrei in die Höhe, als etwas Kaltes ihre Füße berührte. Mit klopfendem Herzen sah sie zu der Ratte, die erschrocken von ihrem Fuß geklettert war. Sie wollte nicht von Ratten gefressen werden. „Verschwinde“, zischte sie dem Tier zu, das noch immer an Ort und Stelle verweilte und sie aus dunklen Knopfaugen ansah.
 

Das Schließen einer Tür und leise, beinahe lautlose Schritte ließen Alena erstarren. Gebannt starrte sie in die Dunkelheit. Wer mochte wohl kommen? Was würde man von ihr wollen? Die Schritte nahmen an Klang zu und schon bald blieb eine in weiß gekleidete Gestalt vor ihrer Zelle stehen, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, sodass sie nicht sah, wer da gekommen war. Der Mann öffnete mit geschickten Handgriffen ihre Zelle und streckte auffordernd die Hand nach ihr aus, sodass sie ängstlich an die Wand hinter sich zurückwich. „Wo bringt Ihr mich hin?“ Sollte das ihr Weg zum Scheiterhaufen werden? Der Mann war mit zwei großen Schritten bei ihr, packte sie am Oberarm und zog Alena ungeachtet ihres schmerzhaften Keuchens aus dem Kerker. Eilig überquerte er den Hof, dass es ihr schwer fiel mitzuhalten. Er führte sie durch eine Tür in einem großen Saal, der einige Regale und Bücher beinhaltete, eine Treppe hinauf, nach rechts, eine weitere kleine Treppe nach oben und blieb letzten Endes vor einem Schreibtisch stehen. Links und rechts befanden sich ebenfalls Regale mit Unmengen an Büchern. Durch ein großes Fenster fielen einige Sonnenstrahlen und erst jetzt nahm sie die schwarz gekleidete Gestalt an eben jenem Fenster war. Und auch die beiden in weiß gekleideten Männer, die etwas abseits standen, bemerkte sie jetzt erst. Al Mualim, wie die anderen ihn nannten, wandte sich vom Fenster ab. „Danke Faruk. Du kannst das Weib nun loslassen und deiner Arbeit nachgehen.“ Alena seufzte. Nun wusste sie auch, warum der Griff um ihren Oberarm härter als nötig gewesen war. Dieser Faruk konnte sie augenscheinlich nicht leiden. „Meister.“ Er deutete eine Verbeugung an und verschwand lautlos.

Alena traute sich kaum zu atmen. Ihre Wange schmerzte noch immer und sie hatte keine Lust, sich eine weitere Ohrfeige einzufangen. Stattdessen stand sie einfach nur da und blickte auf den Steinboden vor ihren Füßen, das Muster war mit einem mal wirklich interessant. „Du bist also Hasims Tochter.“ Die Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Erschrocken sah sie auf, bis sie bemerkte, wie sich seine Augenbrauen verärgert kräuselten. Hastig blickte sie wieder zu Boden. Woher kannte dieser Mann ihren Vater? Zögerlich nickte sie. Ja sie war seine Tochter, wenn sie beide von dem gleichen Mann redeten. „Sag mir, Weib, an wen dein Vater alles Informationen weitergegeben hat!“ Alenas Augenbrauen zogen sich verwirrt zusammen. „Antworte!“ Donnerte er und kam mit energischen Schritten auf sie zu. Grob packte er ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. „Wen!“ Alena schüttelte den Kopf. „Ich verstehe nicht.“ „Lüge mich nicht an!“ „Das tue ich nicht. Bitte, ich weiß wirklich ni….“ Die Ohrfeige ließ sie verstummen. „Du willst mir sagen, dass du nicht weißt, dass dein Vater ein Verräter ist!?“ „Mein Vater ist kein Verräter“, flüsterte sie. „Natürlich ist er das. Er war unser Informant. Jedoch beliebte es ihm, die Seite zu wechseln und stattdessen den Templern seinen Dienst zu erweisen“, erklärte Al Mualim nun ruhiger und musterte sie mit einem langen intensiven Blick. „Bleibst du dabei, nicht zu wissen, wovon ich rede?“ Der lauernde Unterton gefiel Alena gar nicht. Sie mochte nicht gebildet sein, aber sie merkte, wenn ihr Gegenüber etwas vorhatte. Sie nickte trotzdem. Sie wusste nicht, was man von ihr wollte. Al Mualim nickte, wandte sich wieder dem Fenster zu und blickte eine Weile hinaus. Irgendwann sah er dann wieder zu der zitternden Alena. „Komm her, Mädchen!“ Er deutete mit der Hand nach draußen. „Sieh hin.“ Alena trat zögerlich vor, immer in der Erwartung einer Ohrfeige und erstarrte. Ihre Augen weiteten sich und mit Schrecken verfolgte sie das Geschehen im Hof. „Nein“, hauchte sie, während ihre Augen sich mit Tränen füllten. „Nein!“, schrie sie nun und wandte sich Al Mualim zu. „Warum tut Ihr das?!“ Sie deutete nach draußen, ehe sie weinend in die Knie ging. „Das passiert mit Verrätern.“ Al Mualim wandte sich – von ihrem Ausbruch unberührt – dem Schreibtisch zu. „Bleibst du dabei, dass du nichts weißt?!“ „Ja.“ Er winkte die beiden anderen Männer näher, die bisher reglos abseits gestanden hatten. „Geht und bringt sie nach unten. Sie soll sie genau sehen.“ Die beiden verbeugten sich. „Wie Ihr wünscht, Meister.“
 

Alena wehrte sich, als jemand sie am Arm packte und die Treppe hinunter zerrte. „Lasst mich los!“, schluchzte sie und riss demonstrativ an ihrem Arm. „Halt still, sonst wird es schmerzhafter, Mädchen!“ Sie schüttelte den Kopf. Mittlerweile waren sie unten angekommen und was sie sah, ließ ihr ihre nächsten Worte im Hals stecken bleiben. Immer mehr Tränen kullerten ihren Wangen hinab, ehe sie lautlos auf ihr Gewand fielen. Alena konnte ihren Blick nicht abwenden, obgleich es ihr das Herz zerriss. Warum tat man ihnen das an? Warum nur geschah das alles? „Vater!“ Ein Ruck ging durch ihren bebenden Körper, ehe er sich in Bewegung setzte und sie mit schnellen Schritten zu den drei Personen rannte, die jeweils an einen Pfahl gebunden in der Hocke knieten. Blutige Striemen zogen sich über ihre Rücken. „Alena.“ Der ältere Mann hob den Kopf, ein trauriges Lächeln zierte seine Lippen, während seine Augen vor Schmerz vernebelt waren. „Vater.“ Alena ging vor ihm in die Hocke. „Warum tut man das mit euch?“ „Meine Alena…“ Hasim hustete stark, sodass kleine Blutstropfen von seinem Mundwinkel zu Boden fielen. „Alena.“ Die Angesprochene wandte den Kopf. „Farid. Sag mir, warum machen die das?“ „Was haben sie dir gesagt?“ Alena schüttelte den Kopf. „Sie behaupten, dass Vater ein Verräter ist“, flüsterte sie. Ihr Herz blieb einen Moment stehen, als ihr Bruder langsam nickte. „Sie lügen oder?“ Sie wollte das nicht wahrhaben. „Nein, meine Kleine.“ Alena sah zu ihrer Mutter. Von allen Dreien sah sie am Schlimmsten aus. „Nicht weinen, meine Alena.“ Alena schluchzte. „Wie kann ich euch helfen?“

„Das kannst du nicht, Mädchen!“ Erschrocken fuhr Alena in die Höhe und drehte sich aus derselben Bewegung heraus um. Wie lange stand er schon da? „Lasst sie gehen.“ Alenas Forderung zauberte ein kleines Lächeln auf seine Lippen. Man wurde aus diesem Mann einfach nicht schlau. Kopfschüttelnd trat er näher. „Das geht leider nicht, denn deine Familie möchte einfach nicht reden.“ „Weil wir nichts wissen!“, behauptete sie, wobei sie es vermied ihn anzusehen. „Weißt du…“, nachdenklich legte Al Mualim den Kopf schief, „..es mag sein, dass du wirklich nichts weißt, Mädchen. Aber dein Vater weiß sicher etwas. Und wenn er dich fortgeschickt hat, damit dir nichts passiert, liegt ihm wahrscheinlich mehr an dir als an dem Rest deiner Familie“, spekulierte der Meister, wobei er jede Reaktion Hasims beobachtete. Beobachtete, ob er eine verräterische Reaktion bemerkte. „Und wenn dies so sein sollte, dann sollten wir vielleicht dich anstatt der anderen als Druckmittel verwenden.“ Alena schluckte. Druckmittel? Kurz huschte ihr Blick zu ihrem Vater. „Druckmittel?“ Ihre Stimme zitterte. „Natürlich, Mädchen. Wenn ihm so viel an dir liegt, dann wird er sicherlich nicht sehen wollen, wozu wir alles im Stande sind mit dir zu tun. Er wird reden, um dich zu beschützen, oder er wird schweigen und mit ansehen wie du leidest. Wobei er irgendwann sterben wird, egal wie er sich entscheidet.“ Der plötzliche Regen, der einsetzte, verwischte Alenas Tränen, die nun wieder wie Sturzbäche aus ihr heraus strömten. „Ihr seid grausam.“ Al Mualim lachte auf. „Grausam? Du hast keine Ahnung von der Bedeutung dieses Wortes, Mädchen.“ Alena zuckte mit den Schultern. Warum auch sollte sie jetzt noch mit ihm diskutieren? Mit solchen Menschen konnte man einfach nicht reden und dennoch musste sie ihre Familie in Sicherheit wissen. Am besten mit ihr zusammen. „Ich bitte Euch, lasst sie gehen.“ Ihre dunklen Augen huschten zu den beiden Männern in Weiß, die sie, wie sie erst nun bemerkte, anscheinend ansahen. „Sei nicht lächerlich, Mädchen.“ Al Mualim wandte sich an die anderen beiden. „Bringt sie zurück in den Kerker, ich werde mir etwas Nettes überlegen!“ Alena zappelte und wehrte sich vehement, als sie wieder am Oberarm gepackt wurde. Nein, sie wollte ihre Familie nicht alleine lassen, wollte nicht in der dunklen Zelle sitzen, während ihre Familie im Regen knien musste. „Lasst mich!“ Mit mehr Kraft als die Männer anscheinend angenommen hatten, wehrte sie sich gegen die zwei nun eisernen Griffe. Alenas Geschrei hallte durch den Kerker, während die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel. „Altair, holt ihr etwas zu essen!“ Der Angesprochene verschwand in der Dunkelheit, während Doran Alena in die Zelle schubste, sodass sie das Gleichgewicht verlor und fiel. „Ihr seid Monster“, schluchzte sie. „Nein, Kleine. Monster sind diejenigen, mit denen dein Vater sich nun verbündete.“ „Lüge!“, schrie sie, wobei immer mehr Tränen ihre Wangen hinab rollten. Alles Lügen die man ihr erzählte! Doran seufzte. „Nein Kleine. Sei froh, dass wir dich fanden, bevor es die Templer taten. – Altair wird dir etwas zu essen bringen.“ Damit wandte er sich ab und verschwand.

Alena krabbelte zur Wand, um sich an diese anzulehnen. Wieder eine Nacht, die sie hier verbringen müsste. Eine Nacht in der Kälte. Eine Nacht mit den Ratten. Eine Nacht alleine. Sie schluchzte. Wie schlimm konnte es noch werden? Was würde als nächstes auf sie zukommen? Noch mehr Ohrfeigen? Würde man ihre Familie foltern? Sie schüttelte den Kopf. Nein daran wollte sie nicht denken. Immerhin hatten sie alle damit nichts zu tun, oder? Warum sollten ihre Eltern und ihr Bruder etwas wissen, das ihr verschwiegen wurde? Das war absurd. Alena sah auf, als sie das Quietschen der Zellentür vernahm. Wie schaffte er es, sich so lautlos zu bewegen? Was war er? Altair hielt ihr Brot, Käse und eine Schale mit Wasser hin. „D-danke.“ Er nickte lediglich und wandte sich ab. „Warte!“ Altair blieb stehen, machte aber keine Anstalten, sich zu ihr umzudrehen. „Was ist?!“ Seine tiefe, raue Stimme ließ Alena eine Gänsehaut bekommen. Sie atmete tief durch. „Was passiert mit meiner Familie? Werdet Ihr ihnen weh tun?“ Dass er nicht antwortete, sondern einfach ohne ein Wort verschwand, beruhigte Alena nicht. Hieß dies nun ja oder nein?

Sie würde es herausfinden. Viel eher als ihr lieb war.

Kapitel 4: Morgenschleier

Kapitel 4: Morgenschleier
 


 

Diese Nacht hatte sie noch schlechter verbracht als die Vorherige. Lag es daran, dass sie sich Sorgen um ihre Familie machte? Wahrscheinlich. Zudem dachte sie darüber nach, was sie in dem Ganzen für einen Platz hatte. Was man mit ihr tun würde? Sie hatte keine Ahnung, was diese Menschen in der Lage waren zu tun. Würden sie über Leichen gehen? Alena seufzte und musste einmal mehr feststellen, dass sie das in letzter Zeit eindeutig zu häufig tat. Unruhig rutschte sie immer wieder auf dem Boden hin und her. Diese grässliche Ungewissheit war für sie schwerer zu ertragen, als wenn sie gewusst hätte, was auf sie zukommen würde. So konnte sie nur beten, dass es bald Tag wurde und sie hoffentlich ihre Familie wiedersehen könnte. Würde man sie eventuell sogar gehen lassen? Würde man herausfinden, dass ihr Vater unschuldig war? Sie seufzte abermals, ehe das Geräusch der Kerkertür sie erstarren ließ. Daran würde sie sich wohl nie gewöhnen. Angespannt lauschte sie den beinahe lautlosen Schritten, ehe eine in Weiß gekleidete Person an ihrer Zelle erschien. In der einen Hand hielt sie Brot, während sie mit der anderen die Zellentür öffnete und eintrat. „Hier!“ Altair – mittlerweile hatte Alena sich die Namen und die dazu gehörigen Stimmen einiger Personen merken können – ging vor dem Mädchen in die Hocke. „Iss!“ „Ich möchte meine Familie sehen.“ Wie konnte er nur denken, dass sie nun etwas essen wollte. „Ich sagte, iss!“ Seine Stimme wurde schärfer, sodass sie sich fügte und widerwillig etwas des Brotes aß, während Altair sie dabei betrachtete. Als sie aß, huschten ihre Augen immer wieder zu Altair herüber. Hatte sie etwas im Gesicht? Oder warum sah er die ganze Zeit zu ihr herüber? „Darf ich nun meine Familie sehen?“, fragte sie flüsternd, als sie mit dem Essen fertig war. „Du möchtest sie im Moment nicht sehen.“ Altair erhob sich. „Doch, möchte ich. Bitte.“ Er zögerte. „Dann komm. – Ich habe dich gewarnt.“ Sie erhob sich eiligst, um ihm keinen Grund zu geben, sie wieder am Oberarm durch die Gänge zu ziehen. Schweigend folgte sie ihm, den Gang entlang, die kleine steinerne Treppe hinauf. An der Kerkertür blieb sie dann jedoch wie angewurzelt stehen. Ihre Augen nahmen das Geschehen vor ihr wahr und doch wollte ihr Gehirn nicht wirklich registrieren, was sie da gerade sah. Erst der Schrei ihrer Mutter brachte wieder Bewegung in ihren nun zitternden Körper. Eilig schritt sie auf die Mitte des Hofes zu, wurde jedoch nach wenigen Metern von einer Hand an ihrem Handgelenk daran gehindert weiterzugehen. „Lasst mich!“ Alena riss und zerrte, doch ihr Gegenüber dachte nicht daran, sie loszulassen. „Du kannst ihnen nicht helfen!“ „Monster!“, schrie sie, während Tränen unaufhaltsam an ihren Wangen hinabglitten. Warum tat man das ihrer Familie an? Alenas Gegenwehr erschlaffte. Allein Altair, der sie noch immer hielt, hinderte sie daran zu Boden zu fallen. „Ihr seid Monster“, schluchzte sie.
 

„Ah Altair. Kommt näher.“ Al Mualim winkte den Assassinen zu sich, der noch immer Alena am Oberarm festhielt. In seiner Reichweite angekommen, ergriff der Ordensmeister ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. „Siehst du Mädchen, niemand kommt uns ungestraft davon.“ Sie zuckte bei dem Schrei ihres Vaters zusammen. „Warum tut Ihr das? – Ihr seid ein Monster.“ Das junge Mädchen fiel unter Al Mualims Ohrfeige in sich zusammen. „Rede gefälligst nur, wenn ich es dir erlaube!“ Er wandte sich wieder dem Schauspiel zu. „Das reicht Faruk!“ Der Assassine hielt in seiner Tätigkeit inne. Langsam ließ er die Hand samt Peitsche sinken und trat etwas zurück. Al Mualim ging zu Alenas Vater, welcher bereits am Boden kniete. Teils gelangweilt, teils gespielt traurig wandte er sich an ihn. „Willst du uns nicht sagen, was du weißt? Du würdest deiner Familie eine Menge Pein ersparen. Sicherlich könnten wir uns auf eine gerechte Strafe für euch einigen.“ Hasim, Alenas Vater, schüttelte träge den Kopf. „Nichts wird mich dazu bringen, Euch etwas zu erzählen.“ Der Ordensmeister furchte die Stirn. „Du solltest vorsichtig sein mit dem, was du sagst! Deine Frau und dein Sohn scheinen dir egal zu sein, aber wie steht es mit ihr?!“ Dabei deutete er auf Alena, die etwas abseits stand und aus tränenverschleierten Augen zu ihm herüber sah. „Ist es dir egal, was wir alles mit deiner hübschen Tochter anstellen könnten?“ Er bemerkte wie Hasim zögerlich nickte. Al Mualim seufzte. „Das ist traurig.“ Der schwarzgekleidete Assassinenmeister bedeutete Altair mit einer einfachen Handbewegung, näher zu kommen. „Altair, bringt mir das Weib!“ Alena zitterte, während sie von dem Assassinen nach vorn gezogen wurde. Was hatten diese Leute vor? Was wollte man von ihr? Sie keuchte erschrocken, als Al Mualim sie plötzlich am Oberarm fasste und in eine kniende Position drückte, ehe ihre Handgelenke zusammengebunden und an einem Metallring befestigt wurden, der in den Stein gehauen war. Hektisch sah sie sich nach ihrem Vater um. Warum tat man ihr das an? „Faruk fang an, doch bitte beachte, dass du sie nicht umbringst. Wir brauchen das Weib noch.“ Al Mualim hob die Hand, um dem Assassinen mit der Peitsche zu zeigen, dass er beginnen konnte. Was dieser sicherlich auch genießen würde.

Als die Peitsche das erste Mal auf ihrem Rücken aufschlug, schrie sie wie nie zuvor. Alle Luft wurde aus ihren Lungen gedrückt, sodass sie begann, immer hektischer zu atmen. Alena sackte beim zweiten Peitschenhieb in sich zusammen. Es war als würde man ihr die Haut vom Rücken ziehen. Weitere drei Hiebe musste sie über sich ergehen lassen. Ihre Umgebung nahm sie schon fast gar nicht mehr war. Alles drehte sich um den Schmerz und den Willen nicht bewusstlos zu werden. Sie hörte, wie der Meister mit ihrem Vater redete. Irgendetwas davon, dass er ihm erzählen sollte, was er wusste. Ihr Vater schüttelte wahrscheinlich den Kopf, denn es folgten weitere Hiebe. Wäre sie noch in der Lage gewesen mitzuzählen, hätte sie gewusst, dass es fünf waren. Immer öfter umfing sie Schwärze, die sie jedoch krampfhaft zurückdrängte. Dass sie bei jedem Hieb schrie, bemerkte sie nicht einmal. Abermals entstand eine Pause, dann wieder diese Schmerzen, ehe es endgültig schwarz um sie herum wurde.
 

Ihre Augenlider zuckten, ehe sie das Geräusch von tropfendem Wasser vernahm. Was war passiert? Sie erinnerte sich nur noch an die ersten Peitschenhiebe, danach war alles verschwommen. Lag sie schon lange hier? Wer hatte sie hierher gebracht? Wo war sie? Mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, öffnete sie ihre Augen und blickte an eine steinerne Wand, da man sie auf den Bauch gelegt hatte. Das Geräusch der Ratten veranlasste sie dazu, sich eiligst erheben zu wollen, doch ihr Rücken protestierte schmerzhaft pochend. Alena zog scharf die Luft durch den Mund ein und blieb auf allen vieren knien. „Du solltest dich nicht bewegen.“ Sie seufzte. Warum war er hier? Wollte er sich etwa an ihrem Leid ergötzen? „Verschwindet“, presste sie schwer atmend zwischen den Zähnen hervor. Er sollte sie nicht so sehen. Sie durfte nicht schwach sein. Der Mann schien ihre Worte strikt zu ignorieren, denn er öffnete die Zellentür und trat ein. „Lass mich dir helfen.“ Er kniete sich neben Alena, welche jedoch prompt den Kopf schüttelte. Sie brauchte keine Hilfe! Und Hilfe von diesen Menschen wollte sie schon gar nicht. „Ich brauche keine Hilfe! Geht, ich komme alleine zurecht.“ Abermals versuchte sie, sich aufzurichten, doch es scheiterte wieder.

Altair betrachtete das Ganze schweigend. Dieses Weib war störrisch keine Frage, doch leider war sie auch genauso dumm. Wenn man die Wunden nicht behandeln würde, würden sie sich sicherlich entzünden. Deswegen legte er die Verbände und das Tuch samt der Wasserschale beiseite, ehe er ihr mit geschickten Griffen Beine und Füße wegzog. Sie keuchte, als sie auf dem Boden aufkam und die Luft aus ihren Lungen gedrückt wurde. Das Weib wollte sich wieder aufrichten, doch er hielt sie mit den Händen am Boden. „Weib, entweder du bleibst ruhig liegen, oder ich werde Gewalt anwenden müssen.“ „Bastard“, fluchte sie, blieb jedoch liegen als er seine Hände von ihren Schultern nahm. Er benetzte das Tuch mit Wasser, um ihr die Wunden zu säubern. Sie stieß einen zischenden Laut aus, als er begann den ersten Striemen zu reinigen. Unbeirrt machte er weiter. Immerhin brauchten sie noch Informationen und die würde man wohl kaum bekommen, wenn sie halbtot war. Deswegen – und nur deswegen – half er ihr aus freien Stücken!

„Euer Freund musste auch so fest zuschlagen.“ Ihre Stimme zitterte, sicherlich musste sie sich beherrschen um nicht zu weinen. Altair warf ihr einen kurzen prüfenden Blick zu, den sie zum Glück wegen der Kapuze nicht sehen konnte. „Faruk macht keine Unterschiede zwischen Mann und Frau bei solchen Angelegenheiten.“ Sie atmete schwer. „Aber Ihr?“ Das klang spöttisch, wie er feststellen musste, doch war es auch nicht weiter verwunderlich. Die Antwort blieb er ihr dennoch schuldig. „Zieh dich aus“, erörterte er trocken und spürte wie sie sich prompt unter seiner Hand versteifte. „Niemals!“ Altair rieb sich genervt mit der Hand über die Stirn, ehe er ihr erklärte: „Ich habe kein Interesse an deinem Körper, doch ich muss den Verband anlegen.“ Und wie sollte er das tun, wenn sie das Gewand trug? „Nein!!“ Störrisches Weib. Kurzerhand riss er sie in die Höhe und zog ihr in derselben Bewegung das Kleid von den Schultern. Sie wandte ihm schnell den Rücken zu und doch sah er noch, wie sie errötete. Mit flinken Griffen legte er ihr den Verband an und knotete ihn zusammen. „Du kannst dich wieder ankleiden.“

Alena zog sich hastig das Kleid – oder eher das, was davon übrig war – über die Schultern. Das Ganze war ihr so unangenehm. „Danke“, sagte sie dennoch, immerhin hatte er ihr geholfen, wenn auch sicherlich nicht aus reiner Nächstenliebe. Altair nickte lediglich, ehe er sich erhob. Mit den Worten „Ich werde dir noch etwas zu essen bringen“ verschwand er dann auch schon, nur um nach wenigen Minuten wieder in die Zelle zu treten. „Lebt meine Familie noch?“ Die Worte waren einfach so aus ihr herausgesprudelt. Der Mann – Altair – nickte. „Sicherlich tun sie das.“ Alenas Augenbrauen zogen sich zusammen. So wie er es sagte, schien es das Normalste der Welt zu sein. „Natürlich, Ihr müsst sie ja noch weiter quälen.“

Altairs Hand zuckte. „Weib, passe auf wie du mit mir redest!“ Sie sollte sich wirklich lieber zusammenreißen. Er warf ihr das Brot vor die Füße und verschwand dann. Er war nicht der Typ, der Frauen schlug, doch er müsste sich irgendwo abreagieren. Da kam ihm das Novizentraining gerade recht. Sonne begrüßte ihn, als er die Kerkertür hinter sich schloss und schnellen Schrittes zum Übungsplatz schritt. „Altair.“ Doran kam ihm ein Stück entgegen. „Wie ich sehe, wart Ihr bei dem Weib.“ Er nickte. „Al Mualims Befehl“, log er. Nun lag es an Doran zu nicken. „Er erwartet Euch.“ Altair seufzte leise. Da musste das Training noch etwas warten, immerhin war es nicht klug, seinen Meister zu verärgern. „Ich Danke Euch.“ Damit wandte er sich ab und lief die Treppen zum Schloss hinauf, wobei ihm plötzlich das Bild des Mädchens im Kopf erschien, wie sie kauernd auf dem Boden lag. Doch das schob er schnell beiseite, als er vor dem Schreibtisch seines Herrn stehen blieb. Immerhin hatte er ihr nur geholfen, weil sie noch nützlich war und aus keinem anderen Grund...!

Kapitel 5: Mittagssonne

Kapitel 5: Mittagssonne
 


 

Al Mualim stand am Fenster, während er eine Brieftaube hinaus sandte. Erst dann wandte er sich Altair zu, der die ganze Zeit ruhig dagestanden hatte. „Hasim will nicht reden“, begann er. „Doch seine Tochter scheint ihm nicht egal zu sein, das sollten wir nutzen.“ Altair nickte. Egal welcher Befehl seines Meisters nun folgte, er würde ihn ausführen. Al Mualim deutete auf sein Pult. „Dort liegen Euer Kurzschwert und Eure Wurfmesser, nehmt sie an Euch!“ Der Ordensmeister entzündete eine Kerze. „Ich will, dass Ihr das Weib aus dem Kerker schafft. Hasim soll sehen, das sich seine geliebte Tochter nicht mehr dort befindet.“ Er lächelte kurz. Abermals nickte Altair. Wenn es der Wunsch seines Meisters war, so würde er ihn ausführen. Nur warum Al Mualim das wollte war ihm noch nicht klar. Der Meister nickte zufrieden. „Nun geht und bringt das Weib in das Turmzimmer! Danach erwarte ich Euch bei den Gefangenen.“ Altair verneigte sich. „Wie Ihr wünscht, Meister.“ Am liebsten wäre es ihm, wenn jemand anderes diese Aufgabe übernehmen würde. Dieses Weib war nervig und er würde ihr sicherlich irgendwann den Kopf von den Schultern trennen. Ohne weitere Worte wandte er sich ab.

Rasch überquerte er abermals den Hof, wobei er einen Blick zu den übenden Novizen warf. Er wollte keine Zeit damit verschwenden, das Weib zu hüten. Stattdessen sollte er trainieren und wieder Aufträge annehmen. Unter seiner Kapuze zogen sich seine Augenbrauen empor. Nur kurz warf er einen Blick auf die Familie des Weibs. Faruk nickte ihm zu, ehe er die Peitsche wieder auf ihren Vater niedersausen ließ. Kopfschüttelnd öffnete er die Kerkertür.

Alena schreckte auf, als sie das Quietschen der Tür vernahm. Wer mochte das sein? Wollte man sie weiter quälen? Die in weiß gekleidete Person öffnete ohne ein Wort ihre Zelle und hielt ihr auffordernd die Hand hin. Langsam erhob sie sich, wobei sie den Neuankömmling misstrauisch beobachtete. „Komm, Weib!“ Alena atmete tief durch. Was wollte dieser Mann – Altair – nun schon wieder von ihr? Hatte er sie nicht schon genug gedemütigt? „Wohin?“ Sie versuchte einen Blick auf sein Gesicht zu erhaschen, doch leider vergebens. Altair schien in keiner guten Stimmung zu sein. Er schnellte vor und packte sie grob am Arm. „Was passiert jetzt?“ Sie zerrte an ihrem Arm, doch er hielt diesen in einem eisernen Griff. Alena versuchte abermals, seine Hand abzuschütteln, als sie den Innenhof erreichten. „Ich muss zu meiner Familie.“ Panisch stellte sie fest, dass ihr Weg keineswegs zu ihrer Familie führte. Im Gegenteil: Altair zog sie immer weiter fort. Das letzte was sie sah ehe sie ins Schlossinnere gezerrte wurde, waren die geweiteten Augen ihres Vaters. „Bitte.“ Tränen sammelten sich in ihren Augen. „Lasst mich zu ihnen.“

Altair schnaubte. Dieses Weib sollte lieber den Mund halten. Er bemerkte ihr Zerren durchaus, doch es war ihre Schuld, sollte sie sich dadurch weh tun. Er versuchte sie weitestgehend zu ignorieren, was leider nicht so einfach war. Sie sollte lieber weniger zappeln. „Hör auf zu zappeln, sonst reißen die Striemen wieder auf“, knurrte er. Schließlich hatte er das Ganze nicht umsonst gemacht. Sollten die Peitschenabdrücke wegen ihrer Dummheit wieder aufreißen, er würde ihr kein zweites mal helfen. Rasch zog er sie die vielen Stufen der Wendeltreppe hinauf und stellte ohne es zu zeigen überrascht fest, dass bereits zwei Wachen vor der Türe standen. Das Weib schien etwas unsicher zu wirken, stellte er fest, als er sich ihr zuwandte. „Dort wirst du nun hinein gehen und mache keinen Unsinn.“ Ihre Augen huschten von den Wachen zu ihm. „Warum bringt Ihr mich hierher?“, flüsterte sie. „Al Mualims Befehl!“ Dann blickte er zu den beiden Novizen. „Ihr tut gut daran, sie in Ruhe zu lassen.“ Die Warnung war den beiden jungen Männern nicht entgangen, sodass sie eiligst nickten und dann die Tür öffneten. „Geh!“ Altair deutete ihr an einzutreten.
 

Als Altair abermals bei den Gefangenen ankam, stellte er fest, dass Al Mualim bereits anwesend war. Lautlos stellte er sich hinter seinen Meister und beobachtete das Gespräch. Hasim knurrte Al Mualim an. „Wo ist meine Tochter! – Ich will sie sehen.“ Das Ziehen der Wunden ignorierte er. Viel wichtiger war, was diese Bastarde mit seiner geliebten Alena taten. Der Ordensmeister lächelte flüchtig. „Ich denke nicht, dass du in der Position bist Forderungen zu stellen.“ Er zuckte kurz mit den Schultern. „Deine Tochter…sagen wir: sie ist beschäftigt.“ Mit Genugtuung registrierte er die geweiteten Augen seines Gegenübers. Altairs Augenbraue zuckte in die Höhe, was man dank der Kapuze nicht erkennen konnte. Aber nun verstand er den Befehl seines Meisters. Wusste, was er Hasim denken lassen wollte und dieser ging prompt darauf ein. „Fasst sie nicht an, ihr Schweine!“ Hasim zerrte an den Fesseln. „Erzähle mir was du weißt, dann lassen wir deine Tochter gehen.“ Al Mualim wartete vergebens auf eine Antwort und seufzte, wandte er den Kopf Altair zu. Dieser hatte das ungute Gefühl, dass der nächste Befehl seines Meisters ihm genauso wenig gefallen würde wie der Erste. Und er behielt recht. „Altair, gehe nach dem Weib sehen. Unterhalte sie etwas.“ Keineswegs würde er das tun, an was der Gefangene gerade dachte. „Meister.“ Er verneigte sich rasch, beobachtete, wie Hasim abermals an den Fesseln zerrte, „Fass sie nicht an!“ Ohne weitere Worte wandte er sich innerlich seufzend ab.

„Solltet Ihr meiner Tochter auch nur ein Haar krümmen, dann wird Euch das Leid tun.“ Er fiel unter der Ohrfeige nach hinten. „Du, Verräter, wagst es, mir drohen zu wollen?! – Sag mir, was für Informationen du weitergegeben hast.“ Hasim schwieg beharrlich. So sehr er seine Tochter liebte, er musste unbedingt noch etwas Zeit schaffen. Vielleicht würden die Templer kommen. Wenn sie seine Informationen denn für wahr hielten. „Faruk, mache weiter.“ Kurz darauf surrte die Peitsche durch die Luft. Al Mualim schüttelte den Kopf. Dieser Narr! Dann ging auch er.

Altair erreichte innerlich seufzend den oberen Treppenabsatz. Warum musste er sich immer mit dem Weib herumschlagen. Die Wachen vor der Tür verneigten sich rasch. Auch wenn er seinen Rang im Moment verloren hatte, er galt immer noch als einer der Besten. Lautlos öffnete er die Türe, in der Erwartung das Weib würde direkt auf ihn zulaufen und nerven. Stattdessen fand er sie am Fenster sitzend vor. Den Rücken ihm zugewandt, sodass sie ihn nicht bemerkt hatte. Die herein fallende Sonne beschien sie und ließ ihr Haar glänzen. Ebenso lautlos trat er ein, hörte sie schluchzen. Weinte sie? Ihr Magen knurrte, doch das schien sie nicht einmal zu bemerken. Altair war leise hinter sie getreten. „Was gibt es Interessantes zu sehen?“ Erschrocken fuhr sie herum, während sie sich gleichzeitig erhob. Ihr Herz schlug schnell. „Was tut Ihr hier? Was wollt Ihr nun wieder?“ Was wollte er? Wie war er so leise an sie herangekommen? War sie etwa so sehr in Gedanken gewesen? „Du hast sicherlich Hunger.“ Ihr Magen knurrte zustimmend und dennoch schüttelte sie den Kopf. Seine Augenbraue zuckte in die Höhe. Wusste sie, dass sie schlecht im Lügen war? „Komm.“ Er wandte sich ab.

Alena starrte seinen Rücken an. Hatte sie etwas verpasst? Sie hatte ihm doch mit dem Kopfschütteln zu verstehen gegeben, das sie nichts essen wollte. Sein jedoch auffordernder Blick ließ sie lediglich seufzen. Was brachte es zu diskutieren? Ihr Wort galt hier sowieso noch weniger, als irgendwo sonst. Das hatte sie bereits begriffen. Immerhin war sie eine Gefangene, jemand der nur solange zu leben hatte, bis der Ordensmeister bekam was er wollte. Sie schüttelte abermals den Kopf. Daran wollte sie nicht denken. Sie war dem Assassinen still gefolgt, doch nun sah sie zu ihm auf. „Was ist?“ Warum blieben sie stehen. Alena folgte mit ihren Augen seiner ausgestreckten Hand. „Die Küche. – Wir werden etwas Essbares für dich besorgen.“ Damit trat er ein. Alena folgte ihm nur unsicher. Die verschiedensten Gerüche schlugen ihr entgegen. Ungewöhnliche aber einige die ihren Magen wieder knurren ließen. Sie blieb unschlüssig am Eingang stehen, während Altair zielsicher den Raum durchquerte und sich herzlich wenig um die kochenden Frauen kümmerte. Mit etwas warmer Suppe kam er schließlich wieder zu ihr. „Hier. Iss.“ „Danke.“ Mit zittrigen Fingern nahm sie ihm die Schüssel ab. Wie lange war es her, dass sie etwas Warmes gegessen hatte? „Setz dich, Weib.“ Er deutete auf einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen, der in einer Ecke stand. Er beobachtete Alena während des Essens und ihm war durchaus bewusst, dass sie seine Blicke bemerkte, immerhin zeigte dies ihr unsicherer Blick, den sie ihm immer wieder zuwarf. „Danke.“ Sie sah zu ihm herüber. „Danke, für die Suppe.“ Altair nickte, musterte ihre dünne Gestalt. „Komm.“ Er erhob sich.
 

Alena folgte ihm schweigend. Was hätte sie ihm auch sagen sollen? Worüber sich unterhalten sollen? Sie hatte so viele Fragen, doch traute sie sich nicht eine einzige davon an ihn zu richten. Ihre Augen blickten zu der Burg zurück. Wohin er sie bringen wollte? Was er wohl vorhatte? Sie beschlich ein böser Gedanke, sodass ihre Knie prompt anfingen zu zittern. „Wo bringt Ihr mich hin?“ Selbst ihre Stimme klang alles andere als fest. Der Mann vor ihr blickte über die Schulter zu ihr. „Du wirst es sehen, wenn wir da sind.“ Alena schüttelte den Kopf, blieb stehen. „N-nein! Ich gehe nicht weiter ehe Ihr mir sagt, wohin.“ Altair blieb nun ebenfalls stehen und wandte sich ihr ganz zu. Hätte sie sein Gesicht sehen können, so hätten ihr verengte Augen entgegen geblickt. „Komm!“ Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, als sie abermals den Kopf schüttelte. Was hatte das Weib denn auf einmal? War sie verrückt geworden? Mit einem großen Schritt war er bei ihr und fasste sie am Handgelenk. „Lasst mich.“ Alena zog an ihrem Arm, doch das einzige was sie damit erreichte war, dass der Druck seinerseits verstärkt wurde. Entsetzt stellte sie fest, dass er einen Weg etwas abseits des Dorfes einschlug. Ihr Herz setzte für einen Moment aus. Alena zog abermals an ihrer Hand. „Nicht!“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich will das nicht.“ Altairs Augenbraue rutschte in die Höhe. Was redete sie denn da? Er blieb schließlich an dem Fluss stehen. „Wasche dich!“ Endlich ließ er ihr Handgelenk los. Seine Augen glitten über ihr Gesicht. Warum sah sie ihn so… fassungslos an? „Was ist? – Wasche dich.“ Ihre Augen huschten zu dem Wasser. „W-waschen?“ Er wollte, dass sie sich wusch? „Was dachtest du denn, Weib!?“ Ihr Gesicht wurde bleich, ihre Gesichtszüge unsicher. Altair schüttelte den Kopf. Was hatte sie? Es gab nichts wovor sie im Moment Angst zu haben bräuchte. „I-ich dachte…Ihr wolltet…“, sie seufzte. „Ich meine es sah so aus, weil Ihr mich von der Burg weggebracht habt, alleine, als wolltet Ihr… mich benutzen.“ Sie senkte beschämt den Kopf. Altair schnaubte. Wie kam sie nur auf eine solche irrwitzige Idee? „So etwas habe ich nicht nötig.“ Immerhin war er nichts das Monster, das sie in ihm sah. „Nun wasche dich, damit wir zurück können.“ Alena nickte, ehe sie sich an den Rand niederkniete und sich etwas erfrischte. Erst das Geräusch von Pferdegetrampel ließ sie zu Altair hinüber sehen. Dieser stand scheinbar gelassen da und fixierte einen Punkt in der Ferne. Dann vernahm sie das Schreien der Menschen und plötzlich schienen alle in Aufruhr. „Verstecke dich“, Altair blickte zu ihr herüber. „Komme erst heraus, wenn es still geworden ist. – Geh!“ Dann zog er sein Schwert und verschwand. Alena sah sich unschlüssig um. Was war denn los?

Kapitel 6: Albtraum

Kapitel 6: Albtraum
 


 

Unschlüssig sah sie sich um. Von Weitem hörte sie das Weinen der Kinder, das Schreien der Frauen und das Aufeinanderprallen von Metall. Alenas Blick wanderte an der Burgmauer empor. Sie konnte nicht einfach fliehen und ihre Familie zurücklassen. Sie musste diese erst befreien und dann konnte sie sie mitnehmen. Rasch setzte sie sich in Bewegung und lief den Weg zurück, den sie zuvor mit Altair gegangen war. Ihr entgegen laufende Assassinen beachteten sie nicht, worüber sie sehr froh war. Grob schubste sie die anderen Menschen beiseite. Sie durfte keine Zeit verlieren! Alena hastete den sandigen Weg hoch, durchquerte das Tor und blieb wie angewurzelt stehen. Ihre Augen fixierten das Geschehen. In weiß gekleidete Personen standen um ihre Familie herum. Ein rotes Kreuz war auf die Roben genäht worden. Sie trugen Helme und eiserne Handschuhe. Es sah nicht danach aus, als würden diese Personen zu den Assassinen gehören. Einer der Männer unterhielt sich mit ihrem Vater, doch worüber das konnte sie leider nicht verstehen. Jedenfalls schien er wütend zu sein, dies zeigte seine Körperhaltung deutlich. Alenas Augen weiteten sich, als der eine Krieger sein Schwert zog, und dann… dann schien die Welt still zu stehen. Unwillkürlich drückte sie sich an die Burgmauer. Sie sah nichts mehr außer den panischen Augen ihrer Familie. Hörte nur noch die Körper, die leblos zu Boden sackten. Kälte ergriff ihr Herz, sodass ihr das Atmen mit einem mal schwer fiel. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die an ihren Wangen hinab rollten. Ihr Verstand schien sich ausgeschaltet zu haben. Dass ihre Beine sich in Bewegung setzten, schien sie nicht mehr wirklich mitzubekommen. Ihre Sicht verschwamm durch die Tränen, doch sie rannte weiter. Sie wollte einfach nur weg. Weg von diesem Ort, diesen Monstern, die ihre Familie getötet hatten. Hatte die ganze Welt sich gegen sie verschworen? Wollte Allah sie bestrafen, indem er ihr ihre Familie nahm? Nicht einmal beerdigen würde sie diese können. Nicht einmal verabschieden konnte sie sich. Schließlich stolperte sie und fiel der Länge nach zu Boden. Den Schmerz, der ihren Körper durchzuckte, bemerkte sie kaum. Ihr Körper fühlte sich taub an. Schluchzend vergrub sie ihr Gesicht in den Händen.

Sie wusste nicht, wie lange sie dort lag – wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Doch irgendwann vernahm sie das Knirschen des Sandes und ein darauffolgendes Lachen. Ehe sie den Kopf heben konnte, wurde ebendieser an ihren Haaren brutal in die Höhe gerissen. Ihre braunen Augen starrten geradewegs in spöttisch funkelnde blaue Augen. „Was haben wir denn hier?“ Ihr Körper wurde an den Haaren in eine kniende Position gezogen. Keuchend vor Schmerz legte sich ihre Rechte auf die des anderen. „Ihr tut mir weh“, protestierte sie und handelte sich ein weiteres kurzes Lachen der anderen ein. Vier an der Zahl, wie sie erst jetzt bemerkte. „Das ist gar nichts im Gegensatz zu dem, was wir mit dir tun könnten, Ungläubige.“ Seine Augen wanderten an ihrem Körper anzüglich auf und ab. „Ich muss sagen, für eine Ungläubige bist du recht hübsch.“ Ihre Augen huschten zu seinem Gesicht, bis seine Robe ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein rotes Kreuz auf weißem Stoff. Ihr Herz pochte holprig in ihrer Brust. „Bitte lasst mich.“ Hatte sie nicht schon genug gelitten? „Steh auf!“ Grob wurde sie an den Oberarmen hochgezogen und von Zweien der Vieren festgehalten. Ohne ihr Zerren zu beachten, Schleiften sie sie mit. „Lasst mich los.“ Ihre Beine zitterten vor Angst. Sie wollte das nicht. „Weib! Ich rate dir, dich still zu verhalten“, zischte der Rechte ihr ins Ohr, doch sie schüttelte den Kopf. „Nein, erst wenn Ihr mich gehen lasst!“ Das letzte was sie bemerkte, bevor Dunkelheit sie umhüllte, war die Hand in ihrem Gesicht und der Schmerz an ihrem Kopf.
 

Verbranntes Holz und Rauch stachen ihr in die Nase. Stimmen erreichten ihr Ohr. Mehrere, wie viele genau konnte sie nicht sagen. Ihre Augenlider zuckten mehrmals, ehe sie es schaffte, die Augen endgültig zu öffnen. Harter Boden unter ihr ließ ihren Rücken schmerzen. Stöhnend richtete sie sich in eine sitzende Position auf. Ihr wurde schwindelig, ihr Kopf brummte. „Unser Gast ist erwacht.“ Alenas Kopf fuhr in die Höhe. Ein Mann mit blonden Haaren und grünen Augen sah sie an. Erst jetzt realisierte sie ihr Umfeld. Steiniger Boden, vereinzelte Sträucher und keine Häuser, kein Dorf. Wo war sie? Der Fremde hielt ihr einen Wasserschlauch entgegen. „Hier Ungläubige, trink.“ Alena schüttelte den Kopf. „Wo bin ich?“ Sie vernahm das Verengen seiner Augenbrauen, kurz darauf zuckte ihr Kopf unter der Wucht der Ohrfeige zur Seite. Unwillkürlich schossen ihr Tränen in die Augen. „Weib, ich rate dir den Mund zu halten.“ Sie nickte, ohne dabei den Kopf zu heben. Ihre Finger gruben sich in die Steine unter ihren Händen. Was waren das für Monster? Sie schüttelte den Kopf. Das war ein Albtraum, alles nur ein schlimmer Albtraum aus dem sie sofort erwachen wollte, damit sie feststellen konnte, dass ihre Familie noch lebte, dass sie alle bei sich zuhause in Damaskus waren. Ihre pochende Wange und ihr schmerzender Kopf jedoch ließen sie wissen, dass das alles nicht geträumt war. Nie wieder würde sie ihre Familie sehen, etwas das ihr am meisten das Herz zerriss. Wo sollte sie hin? Was sollte sie jetzt tun? Sie schien von Monstern umgeben, ohne sagen zu können, welche die Schlimmere Sorte war. Ihre braunen Augen wanderten über die ganzen Männer. Wie viele wohl schon von deren Schwertern getötet wurden? Blut klebte ihnen an den Händen und das würden sie nie wieder los werden. Ihr Blick wanderte gen Himmel. Langsam färbte sich die untergehende Sonne rötlich. Sicherlich würde es in der nächsten Zeit dunkel werden. Sollte sie diese Gelegenheit nutzen, um zu fliehen. Wohin? Sie seufzte.

Unruhig rutschte sie hin und her. Es war rascher dunkel geworden, als sie zuvor vermutet hatte. Helle Sterne leuchteten am Firmament. Ihre Augen ließen die Fremden nicht eine Minute länger als nötig außer Sicht. Sie traute ihnen nicht, fürchtete sie. Immerhin spielte sich die Szene vom Tod ihrer Familie immer wieder in ihrem Kopf ab. Immer wieder sah sie ihren Vater leblos zu Boden sacken. Schuldbewusst senkte sie ihr Haupt, ihre Hände krallten sich in ihr Gewand. Sie hatte sie nicht beschützt, es nicht einmal versucht. Sie war Schuld, dass sie alle gestorben waren. Sie hatte einfach nur zugesehen und war – feige wie sie war – davon gerannt. Lautlos fiel die erste Träne von ihrer Wange und schlug auf dem rauen Stoff ihres Ärmels auf. Ihr Körper zitterte vor unterdrückten Schluchzern. Sie war schlecht. Ein schlechter Mensch, durch und durch. Sie verachtete die anderen, da sie Menschen töten, aber sie… Sie hatte nicht geholfen, war sie deswegen vielleicht genauso schlecht wie die anderen? Sie schüttelte den Kopf. Nein, sie war nicht besser als diese Monster. Blut klebte auch an ihren Händen, wenn auch aus anderen Gründen. Schmerzhaft wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, als eine Hand ihr Haar packte und ihren Kopf nach oben zwang. „So in Gedanken?“, lächelte der Fremde vor ihr, ehe er sie in die Höhe riss. „Komm.“ Die Hand in ihrem Haar verschwand und legte sich stattdessen fest um ihren Oberarm. Widerstandslos ließ sie sich mitziehen, zu gut war ihr in Erinnerung geblieben, was man das letzte Mal getan hatte. Der Fremde führte sie in die Mitte des Lagers an eine kleine Feuerstelle, um die sich einige Männer, Fünf an der Zahl, versammelt hatten. Sie alle sahen auf, als der Fremde mit Alena zu ihnen trat. Ihr Herz begann wild zu pochen, das Atmen fiel ihr plötzlich schwer. Unsicher huschten ihre braunen Augen über die Männer. „Männer“, begann ihr nebenan zu sprechen. „Wir waren heute erfolgreich, auch wenn diese Schweine uns mit ihrer Falle überrascht und einige unserer Männer getötet haben.“ Zustimmendes Nicken erfolgte. „Dafür haben wir diese recht ansehnliche Ungläubige gefunden.“ Alena bemerkte, wie es um die Mundwinkel einiger amüsiert zuckte. „Und ich denke, wir haben es uns verdient etwas Spaß zu haben, ehe wir die Wachen abwechseln.“ Ihr Herz setzte kurz aus, ihre Augen weiteten sich geschockt. „Hasim wäre sicherlich erfreut zu wissen, dass wir seine geliebte Tochter in unserer Obhut haben.“ Brutal wurde sie nach vorne gestoßen, sodass sie abermals an diesem Tag der Länge nach zu Boden fiel. Ihr Verstand überschlug sich. Sie wussten wer sie war! Wussten wer ihr Vater war! Nur langsam sickerten all diese Informationen zu ihr durch. Sie wollte sich aufrichten, sich hinsetzten, doch sie wurde bereits herumgedreht und zu Boden gedrückt. Koordinationslos fuchtelte sie mit den Armen um sich, während sie überall auf ihrem Körper Hände spürte. Immer mehr Tränen rannen ihr an den Wangen hinab. Sie wollte das nicht! „Nicht! Lasst mich.“ Ihr Betteln wurde von mehreren Lachern begleitet. Hände ergriffen die ihre und drückten diese eisern zu Boden. Sie zappelte, wand sich unter den Händen der Männer.
 

Sie waren abgelenkt, Alena bemerkte es ebenfalls nicht. Die Wachen kamen nach dem Rundgang nicht wieder zurück. Blieben weg und auch sonst hörte man nichts. Kein Knirschen von Metall auf Stein, wenn die Füße beim gehen auf dem Boden aufkamen. Die Zirpen waren verstummt und selbst der Wind schien stehengeblieben zu sein. Die vereinzelten Feuerstellen warfen tanzende Schatten an die Zelte und Steinwände. Schatten huschten von einer Seite zur anderen. Das einzige, was man vernahm, war das Lachen der Männer und Alenas Schluchzen. Die Flamme der Feuerstelle flackerte, die Schatten taten es gleich, ehe sich Schatten aus den Schatten zu lösen schienen und nach vorn preschten.

Alena schrie solange, bis sich eine Hand auf ihren Mund legte. Das Lachen der Männer dröhnte in ihren Ohren. Sie zitterte vor Panik, ihre Sicht verschwamm unter all den Tränen. Hände waren überall auf ihrem Körper. Gequält schloss sie die Augen. Warum sie? Ihre Strafe? Wieder vernahm sie das Lachen der Krieger, ehe dies plötzlich in ein würgendes Gurgeln umschlug. Die Hände verschwanden von ihr, doch sie bemerkte es nicht. Bemerkte genauso wenig die anderen in weiß gekleideten Männer, die hinzugekommen waren. Weiße Kapuzen tief ins Gesicht gezogen. Generell realisierte sie nicht fiel, was in ihrer Umgebung passierte. Sie lag einfach da und schluchzte. Schluchzte, bis jemand sie an der Schulter berührte. Panisch schlug sie ihre Augen auf, schrie erschrocken auf und krabbelte etwas zurück. Sie wollte das nicht! „Bitte….“, wimmerte sie, stockte dann jedoch. Ihre Augen huschten panisch umher und blieben schließlich an jener Person hängen, die vor ihr Stand. Die tief herunter gezogene Kapuze legte das Gesicht des Fremden in Schatten. Ihr Blick fiel auf die Brust ihres Vordermannes. Kein rotes Kreuz. Das war nicht einer der Männer, die gerade eben noch über ihr knieten. Ihr Blick huschte zur Seite, sie keuchte entsetzt auf. Nein, denn diese Männer lagen tot auf dem Boden. Blut quoll aus den Wunden, die sie am Körper erlitten haben. Einige hatten die Augen geschlossen, während andere die Augen entsetzt geweitet hatten. Ihre braunen Augen sahen zu dem Neuankömmling auf. Nein, das waren diese Assassinen. Alenas Herz schmerzte. Sie wusste nicht ob sie wirklich froh darüber sein konnte, dass man sie gefunden hatte. Immerhin war sie nichts mehr Wert. Ihr Vater war tot. Sie zuckte zusammen, als der Fremde ihr die Hand hinhielt. Unsicher sah sie zwischen der Hand und dem Mann hin und her. Sie wollte nicht zurück. Sicherlich würde man mit ihr nichts anderes machen als das, was auch die Männer davor mit ihr machen wollten. Unwillkürlich schluchzte sie auf. Im nächsten Moment lief es ihr eiskalt den Rücken herunter, Schrecken durchfuhr sie, als eine Hand sich auf ihren Kopf legte. Wollte man sie töten?

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Kapitel 7: Zuhause?

Kapitel 7: Zuhause?
 


 

Alena war wie erstarrt. Ihr Herz schlug holprig und dennoch rasch in ihrer Brust. Ihre Hände zitterten, während sie langsam zu dem Mann aufsah. „Bitte tötet mich nicht.“ Ihre Augen wanderten zu ihm empor. „Das habe ich nicht vor“, schnaube der Fremde, den sie nun erkannte. Altair! Was tat er hier? Würde er… wollte er…? „Steh auf.“ Alena gehorchte, auch wenn ihre Beine zitterten als wären sie aus Pudding. Ein zweiter Mann kam heran, ebenfalls eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen. „Scheint so, als hätte das Weib noch einmal Glück gehabt.“ Doran ließ seinen Blick einmal prüfend über sie gleiten. Altair nickte. „Ich werde sie zu Al Mualim bringen.“ Er bemerkte wie sie zusammenzuckte, beachtete es aber nicht weiter. „Tut das, wir kümmern uns um die restlichen Templer.“ Verwirrt hörte Alena eine gewisse Vorfreude dabei heraus. Machte es ihm Spaß zu töten? Würde man sie töten? Al Mualim persönlich? Sie schüttelte innerlich den Kopf. Nein sie wollte nicht sterben! Nicht jetzt, ihr Vater hätte das nicht gewollt. Alena beobachtete die beiden Männer, die sich leise unterhielten, während sie einen Schritt nach dem anderen nach hinten ging, ehe sie sich umwandte und davonlief. Sie sah nicht zurück, sondern lief einfach weiter. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass sie bereits nach wenigen Metern eingeholt werden würde, aber dem war nicht so. Leider ging ihr bereits nach einigen Metern die Puste aus. Sie war es einfach nicht gewöhnt, schnell, lange und durch die Wüste zu laufen. Erst jetzt erlaubte sie es sich, stehen zu bleiben. Vor ihr lag nichts außer Sand. Alena ging in die Knie. Ihre Seiten schmerzten, sie war es wirklich nicht gewohnt. Ein großer Schatten zeichnete sich auf dem Sand ab. Etwas…jemand war hinter ihr. Noch während sie sich hastig herumdrehte, vernahm sie das Schnauben eines Pferdes. Sie musste ihre Augen mit der Hand abdecken, um zu der Person aufschauen zu können. „Was sollte das!?“, der Assassine glitt elegant vom Pferd. „Es ist dumm von dir, ohne Wasser in die Wüste flüchten zu wollen.“ Altair blieb vor ihr stehen. Hastig senkte sie den Blick. „Außerdem verschwendest du damit meine Zeit“, knurrte er dann und packte sie am Arm. „Steig auf!“, befahl er ihr. Sie zögerte, schüttelte dann jedoch den Kopf. Nein, sollte er sie sofort töten dann war es endlich vorbei.

Altair schien das jedoch etwas anders zu sehen. Kurzerhand packte er sie an den Hüften und hob sie auf den schwarzen Hengst, ehe er ebenfalls aufstieg, sodass Alena vor ihm saß. Nicht dass das Weib auf noch mehr dumme Gedanken kam. Er konnte nicht verstehen, warum sie sich so zierte. Hätte er sie töten sollen, dann wäre sie auch bereits tot. Er schnaubte. Frauen. Er stieß dem Pferd mit dem Stiefel in die Seite, welches sich daraufhin sofort in Bewegung setzte. Zielsicher führte er den schwarzen Hengst über die Dünen zurück. Seine braun-goldenen Augen wechselten von dem Weg zu dem schwarzen Schopf vor ihm. Was ging nur in diesem Weib vor? Er verstand sie wirklich nicht. Altair schnaubte, was kümmerte es ihn?
 

Alena schwieg während dem Ritt. Sie hätte auch nicht gewusst, was sie hätte sagen sollen. In ihren Gedanken schwirrte so viel umher. Würde man sie töten? Sie… benutzen? Unwillkürlich zitterten ihre Hände. Natürlich würde man sie töten. Warum auch sollte sie am Leben bleiben? Ihr Vater war tot, die Assassinen brauchten sie nicht mehr und wollten nun wohl einen möglichen Informanten erledigen. Sie. Als das Pferd schließlich langsamer wurde, wäre sie am liebsten hinuntergesprungen und geflüchtet. Wenn Altair langsamer wurde, bedeutete das, dass sie bald da wären. Sie wollte diesem Al Mualim nicht gegenübertreten. Die Wachen vor dem Dorftor waren verstärkt worden. Waren es bei ihrer ersten Ankunft nur zwei gewesen, so standen dort nun insgesamt acht bewaffnete Männer. Sie wurde kurzerhand von dem Pferd gehoben. Altair nickte seinen Brüdern zu, bevor er sie am Handgelenk fasste und zur Burg zog. Sein eiliger Schritt machte ihr Schwierigkeiten. Konnte er nicht etwas langsamer laufen? Auch am Burgtor waren die Wachen verstärkt worden. Rechneten sie mit einem weiteren Angriff? „Komm schon.“ Altair zog an ihrem Handgelenk. Eilig schloss sie zu ihm auf und ließ sich mehr oder weniger freiwillig von ihm ins Innere führen. Eine Treppe hinauf auf eine kleine Plattform, von der eine weitere Treppe nach oben führte. Sie blieben an einem Schreibtisch stehen. Alena sah sich unsicher um und bemerkte erst jetzt, dass auch hier viele dieser Assassinen waren. „Ihr habt sie gefunden, Altair.“ Aus dem Schatten trat eine in schwarz gekleidete Person. Al Mualim. Alena senkte hastig den Blick, auf eine Ohrfeige konnte sie nun wirklich verzichten. Es war mehr als genug für einen Tag. „Meister.“ Altair verneigte sich leicht. „Sind die Templer tot?“ Der Meister nahm am Schreibtisch Platz. „Ja.“ Al Mualim nickte. „Sehr gut. – Weib, sieh mich an!“ Alena hob langsam den Blick. Ihre Augen glitten unsicher in dem Raum umher. „Weißt du, warum du hier bist?“ Sie nickte. „Ihr wollt mich t-töten.“ Al Mualim lachte so plötzlich auf, dass sie heftig zusammenzuckte. Was war daran so lustig? „Es scheint, als wärest du falsch informiert, Weib.“ Er bedeutete Altair sie loszulassen. „I-ich verstehe nicht.“ „Das scheint mir auch so.“, der Ordensmeister erhob sich wieder, kam um den Schreibtisch herum und blieb vor ihr stehen. „Deine Familie ist tot, das weißt du.“ Sie nickte. Sie hatte es immerhin selbst gesehen. „Gut. Dein Vater verriet mir, welche Informationen er weitergegeben hatte und bat mich um einen gefallen. Im Gegensatz verlangte ich etwas von ihm.“ Alena sagte nichts. Um was hatte er ihn gebeten? Von was redete der alte Mann da? „Du weißt nicht, wovon ich spreche“, vermutete er, als sie auch nach einer Weile nicht reagierte. „Dein Vater bat mich dich aufzunehmen.“ Ihr Kopf schoss in die Höhe. Was? „Du scheinst überrascht. – Nun denn, wie dem auch sei, ich werde seiner Bitte nachkommen, denn im Gegenzug erzählte er uns Interessantes über die Templer.“ Alenas Kopf hämmerte schmerzhaft. Sie sollte hier bleiben? Bei all den Männern? Alleine? Was hatte ihr Vater sich dabei gedacht? Sie wollte keineswegs bei diesen Monstern bleiben. „Ich möchte Euch keine Umstände machen. Ich werde gehen.“ Die Ohrfeige, die sie unvorbereitet traf, beförderte sie zu Boden. „Wiedersprich mir nicht Weib! Du bleibst! Die Frauen im Dorf können fleißige Hände immer gebrauchen, aber vergiss nicht, dass ich meine Meinung ändern kann, falls dir der Tod lieber ist.“ Alena hielt sich die pochende Wange. Sie sollte hier arbeiten? Für immer? Sie schien nichts anderes zu sein als eine Gefangene, wenn auch nun aus anderen Gründen. Schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen, ehe es vollkommen schwarz wurde und Dunkelheit sie umhüllte.
 

Etwas Kaltes legte sich auf ihre Stirn. Ihre Lider zuckten, ehe sie langsam die Augen öffnete. Das erste was sie sah, war die steinerne Decke über ihr. Ihre Augen wanderten weiter zu dem Rascheln neben ihr. Unruhig huschte ihr Blick zwischen dem Mann, der Wasserschale in seinen Händen und ihren Händen hin und her. „Du bist wach.“ Altair erhob sich. „Ich werde nach Azrael schicken, er soll dich noch einmal untersuchen.“ Damit erhob er sich und verschwand lautlos aus dem Raum. Alena sah ihm nach. Langsam kamen ihre Erinnerungen zurück. Die Assassinen hatten sie vor den Templern gerettet und mitgenommen. Bei dem Gedanken an Al Mualim wurde ihr heiß und kalt gleichzeitig. Er sagte, sie solle hier bleiben. Wollte sie das? Gehen konnte sie nicht, das hatte man ihr schon deutlich gemacht. Sie rieb sich über die Wange. Aber was sollte sie hier tun? Außer putzen, nähen und kochen? So hatte sie sich ihr Leben sicherlich nicht vorgestellt. Sie wollte heiraten, Kinder bekommen. Ein mehr oder weniger normales Leben haben.

Die Tür wurde aufgestoßen. Ein älterer Mann trat freundlich lächelnd ein. „Ah, da haben wir die Patientin.“ Er ließ sich auf dem Schemel neben dem Bett nieder. „Wie fühlst du dich mein Kind?“ Alena nickte. Abgesehen von ihrer momentanen Situation ging es ihr soweit ganz gut. „Gut, gut. Ich bin Azrael der Heiler. Und du?“ Alena erstarrte. Niemand hatte bisher nach ihrem Namen gefragt. Warum auch? Sie war schließlich nichts weiter als ein Druckmittel gewesen. Weib, Mädchen, Ungläubige – so hatte man sie bisher gerufen. „A-alena“, zögerte sie, doch Azrael nickte lediglich. „Ein schöner Name für eine schöne junge Frau.“ Unwillkürlich schoss ihr die Röte ins Gesicht. Komplimente hatte sie noch nie bekommen. „Das reicht alter Mann. Kümmere dich um deine Arbeit und sonst nichts.“ Alena bemerkte Altair erst, als dieser aus dem Schatten trat und den Alten leicht an der Schulter anstieß. „Altair, ich versuche nur nett zu dem Mädchen zu sein. Immerhin soll sie sich doch wie Zuhause fühlen.“ Die Bemerkung brachte ihm ein Schnauben von dem Assassinen ein. „Tue einfach deine Arbeit“, knurrte der in weiß gekleidete dann. Irgendwie schien er gereizt, zumal sie nicht verstand, warum er sie so anstarrte. Zumindest nahm sie das an, denn die Kapuze verdeckte sein Gesicht und dennoch war es in ihre Richtung gedreht. Alena schüttelte den Kopf, ehe sie ihre Aufmerksamkeit dem Mann neben sich schenkte. Er tastete sie behutsam ab, fragte ob sie Schmerzen hätte, doch sie verneinte. Azrael war ein netter alter Mann und sie verstand nicht, warum Altair diesen mit seinen Blicken zu erdolchen schien, wenn er mit ihr sprach. Ächzend erhob er sich von dem kleinen Schemel. Azrael trat an den Assassinen heran. „Es geht ihr gut. Sie sollte sich ein wenig ausruhen, dann ist sie morgen wieder in Ordnung.“ Altair nickte, ohne den Blick von ihr zu nehmen, was Alena immer nervöser machte. Als der Heiler schließlich das Zimmer verlassen hatte, herrschte eine Weile Schweigen. Ein unangenehmes Schweigen, das sie mit einem Seufzer durchbrach. „D-danke.“ Sie sah zu dem Assassinen. „Danke, dass Ihr mich gerettet habt.“ Altair nickte lediglich und überging das Thema. „Komm.“ „Wohin?“, sie runzelte die Stirn. „Ich zeige dir deine Kammer.“
 

Sie folgte Altair schweigend den Gang entlang, eine Treppe nach oben, nur um sich in einem weiteren Gang wiederzufinden. Altair führte sie bis ans Ende ebenjenes Ganges und blieb schließlich vor einer einfachen hölzernen Tür stehen. „Deine Kammer.“ Er deutete auf die einfache Tür, bevor er diese öffnete. „Dir ist es nicht gestattet, sie ohne Begleitung zu verlassen. Es wird dich jemand abholen und begleiten.“ Er bedeutete ihr einzutreten. Alena nickte. Sie wollte nun wirklich nicht mit ihm darüber diskutieren, dass sie sich sicherlich auch bald alleine zurecht fand. Die Kammer war klein, aber was hatte sie auch erwartet? Ein einfaches, kleines Bett mit Kissen und Laken stand in der rechten Ecke. An der Wand gegenüber der Tür war ein kleines Fenster eingelassen worden, wodurch sie nun den Mond sehen konnte. An der linken Wand standen ein Schrank und eine kleine Truhe sowie ein Teppich vor dem Bett. Es wirkte trostlos. Ob alle Kammern so aussahen? Sie bezweifelte es. „Essen wirst du mit den anderen zusammen. – Morgen früh holt dich jemand ab.“ Damit schloss er die Tür und ließ sie allein im Zimmer stehen. Alena sah sich einen Moment unschlüssig um. Hier sollte sie bleiben? So ganz wohl war ihr bei der Sache nicht. Lieber würde sie in einem kleinen Haus mit Mann und Kindern wohnen, aber von diesem Gedanken konnte sie sich nun wohl endgültig verabschieden. Wer wollte schon eine Frau, die alleine unter Männern gelebt hatte? Unbehaglich ließ sie sich auf dem Bett nieder. Es fühlte sich nicht so an, als wenn dies hier ihr Zimmer war, sie dachte eher, jeden Moment würde jemand hereinkommen, dem diese Kammer gehörte. Sie seufzte, ehe sie sich langsam auf das Bett sinken ließ. Es war alles zu viel gewesen für einen Tag. Mehr verkraftete sie nicht. Ihre Gedanken schweiften zu ihrer Familie. Wo hatte man ihre Körper hingebracht? Wieder schossen ihr die Tränen in die Augen. Sie hatte sich nicht verabschieden können. Sie war zu feige gewesen einzugreifen. Würden sie sonst vielleicht noch leben? Alena schüttelte den Kopf und drehte sich auf die Seite. Die dunkle Kammer behagte ihr nicht. Sollte sie vielleicht nach einer Lampe fragen? Oder wäre das für Al Mualim Grund genug, sie steinigen zu lassen? Dieser Meister, wie ihn alle nannten, machte ihr das Leben wirklich schwer. Zumal sie ihn nicht wirklich einschätzen konnte. Er schien ein Spiel zu spielen, von dem sie nun wirklich keine Ahnung hatte wie man es spielte. Sicherlich waren alle diese Männer hier in diesem Spiel aus Intrige, Erpressung und Verrat geübt. Vielleicht war es auch nur etwas, das Männer verstanden? Sie wusste es nicht. Langsam aber sicher wurden ihre Lider schwerer, bevor sich ihre Augen gänzlich schlossen.

Dass etwas später jemand ihr Zimmer betrat, um zu schauen, ob sie noch da war, bemerkte sie nicht mehr und würde es wohl auch nie erfahren. Leise schloss ebenjene Person die Tür wieder und verschwand ein Stück weiter hinter der Nächsten. Seine Kammer. Warum Al Mualim dem Weib ein Zimmer neben dem seinen gab, verstand er nicht. Vielleicht sollte er auf sie achten. Darauf hatte er wirklich keine Lust. Immerhin war er Assassine und nicht der Aufpasser eines Weibes.

Kapitel 8: Mondschein

Kapitel 8: Mondschein
 


 

Der Morgen kam zu früh. Unruhig wandte sie sich von der einen Seite auf die andere. Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen, als bereits auf dem Gang mehrere Schritte zu hören waren. Alena dachte sich nichts dabei – umso mehr erschreckte sie sich, als ihre Tür plötzlich aufging. „Aufstehen!“ Alena fuhr in die Höhe. Noch immer verschlafen sah sie sich etwas orientierungslos um. Der Assassine, der bisher in dem Türrahmen gestanden hatte, trat vollends ein, um die Tür hinter sich zu schließen. „Hier sind frische Kleider für dich.“ Er legte ein Bündel Stoffe auf die Truhe. „Zieh dich an, ich warte vor der Tür.“ Damit war er auch schon wieder verschwunden. Alena fuhr sich mit der Hand durch ihr Haar. Nicht einmal Wasser zum waschen hatte sie. Noch immer schlaftrunken erhob sie sich und schlüpfte rasch in das neue Kleid, das überraschend weich war. Dann holte sie ihre Schuhe unter dem Bett hervor und zog sie sich an, ehe sie ihre Haare mit einem Leinenband im Nacken zusammenband. Seufzend trat sie dann schließlich auf den Gang hinaus. Tatsächlich stand der Assassine gegenüber an der Wand, stieß sich jedoch ab, als sie die Tür schloss. „Komm.“ Alena folgte ihm. Ihre Augen huschten an der Rückseite ihres Vordermanns auf und ab. Das war nicht Altair, denn den hätte sie an seiner Stimme erkannt, aber auch dieser Mann war ihr nicht fremd, leider war ihr der Name entfallen. Mittlerweile kamen ihnen immer mehr Assassinen entgegen, wieder andere gingen in dieselbe Richtung wie sie und ihr Begleiter. Nervös nestelte sie an ihrem Ärmel. Sie fühlte sich unwohl und obwohl sie die Gesichter der Assassinen nicht sehen konnte, war sie sich sicher, dass man sie ansah. Das alleine machte es auch nicht besser. Wie sollte sie sich an das alles nur gewöhnen? Es erschien ihr unmöglich. Ihr Begleiter führte sie in einen vollen Speiseraum. Lange Tische und Bänke waren aufgebaut worden. Auf den Tischen standen Tabletts mit allen möglichen Dingen. Stimmen hallten durch den Raum, denn es schien als würden die meisten Assassinen gemeinsam Speisen. Alena schloss näher zu ihrem Begleiter auf. Dieser schritt durch den Raum und ließ sich an dem Tischt rechts außen nieder. „Setz dich“, er deutete auf einen freien Platz ihm gegenüber. Alena schluckte als sie sich mehr als zögerlich auf die Bank setzte. Die anderen Assassinen wanden die Köpfe nach ihr, sodass sie am liebsten im Erdboden versunken wäre. „Iss etwas.“ Ihr Begleiter deutete auf das Obst und die anderen Sachen, doch sie schüttelte den Kopf. „Iss!“ Die Stimme ihres Begleiters wurde schärfer. Der Assassine neben ihr meldete sich zu Wort. „Lasst das Weib, Doran. Wenn sie nicht essen will, soll sie doch tot umfallen.“ Alena erstarrte. Der Assassine konnte sie wohl nicht leiden. Immerhin wusste sie nun, wie ihr Begleiter hieß. Doran, er war damals dabei gewesen, um sie einzufangen, und er war auch bei den Templern gewesen. „Hütet Eure Zunge, Faruk.“ Ein weiteres Mal versteifte sie sich. Faruk, an diesen Assassinen konnte sie sich ebenfalls erinnern. Er hatte ihre Eltern ausgepeitscht und sie selbst mehr als schmerzhaft behandelt, als er sie zu Al Mualim bringen sollte. Faruk schnalzte mit der Zunge und wandte sich seinem Nachbarn zu. „Iss jetzt, sonst helfe ich nach.“ Doran tat Alena etwas Obst auf den Teller. „D-danke“, stotterte sie, es wäre ihr unangenehm gewesen sich selbst etwas zu nehmen. Mit zittrigen Fingern griff sie nach einer Traube und schob sie sich in den Mund. Ihr Blick fiel auf Dorans Hand, entsetzt bemerkte sie, dass ihm der linke Ringfinger fehlte. Vorsichtig schielte sie zu seinem Nachbarn, aber auch dem fehlte der Finger. Unwillkürlich griff sie nach ihrem. Warum fehlten ihnen allen die Ringfinger? Immer an der linken Hand?

Sie blickte wieder auf ihren Teller und hob den Blick auch nicht mehr, bis sie schließlich den Teller leer gegessen hatte. Doran war selbst schon seit einer längeren Zeit fertig und erhob sich nun. „Komm.“ Sie war mehr als erleichtert, endlich von den anderen wegzukommen. Doran wandte ihr den Kopf zu. „Ich zeige dir den Weg ins Dorf, damit du bald alleine zurechtkommst. Es kann nicht immer jemand auf dich achten.“ Alena nickte. Ihr war es sowieso viel lieber, sich alleine bewegen zu können. „Jeden Morgen nach der Speisung wirst du dich bei Devra melden. Ich zeige dir, wo sie wohnt. Sie wird dir Arbeit geben.“ Abermals nickte Alena und folgte Doran schweigend in das kleine Dorf am Fuße des Berges. Trotz dass die Sonne erst vor kurzen ganz aufgegangen war, herrschte bereits reges Treiben im Dorf. Doran blieb schließlich an einem kleinen Häuschen stehen. Den Weg konnte sie sich relativ gut merken. Zweimal klopfte er an, da waren von innen auch schon Schritte zu hören. Eine Frau öffnete und sah leicht überrascht aus. „Ja?“ Sie sah von dem Assassinen zu Alena und wieder zurück. „Ist sie das?“ Doran nickte. „Gib ihr Arbeit.“ Damit wandte er sich von der Frau an Alena. „Mache keinen Ärger.“ Sie schüttelte den Kopf. Die Frau wartete bis Doran außer Hörweite war. „So Kind, komm doch herein.“ Devra machte Alena Platz. „Danke.“ Alena sah sich um. Es war ein kleines, gemütliches Haus. Ob Devra hier alleine wohnte? Nein, sicherlich war sie bereits verheiratet und hatte Kinder, denn sie schien älter als sie selbst zu sein. Vielleicht Mitte Zwanzig? „So, wie wäre es, wenn wir erst einmal etwas trinken.“ Devra zwinkerte ihr zu. „Immerzu nur arbeiten macht auch keinen Spaß.“ Devra reichte Alena einen Kelch mit Wasser. „Danke.“ Doch Devra winkte ab. „Um eine arme Seele wie dich muss man sich doch kümmern. So, du lebst also oben auf der Burg?“ Alena nickte. „Ich hoffe doch, sie sind alle nett zu dir?“ Das Wort nett betonte sie extra. „Ja“, antwortete Alena zögerlich. „Sie sind nett oder aber sie gehen mir aus dem Weg“, gab sie dann offen zu. „Männer.“ Devra stellte den Kelch beiseite. „So dann wollen wir mal.“ Alena verstand das als Aufforderung ihr nachzugehen. Devra verschwand kurz in einer kleinen Kammer und kam mit mehreren Säcken wieder. „Die Wäsche müssen wir waschen.“ damit reichte sie Alena zwei der Vier Säcke. Alena nickte. „Na dann komm, wir gehen zum Fluss.“
 

Seufzend strich sich Alena einige ihrer Haarsträhnen aus dem Gesicht. Mittlerweile war die Sonne am Zenit angekommen und schien heiß auf sie herab. Wie viele der Assassinengewänder hatte sie nun schon gewaschen und geflickt? Sie hatte aufgehört zu zählen. Aber es waren etliche Hemden, Hosen und Kutten gewesen. Devra war vor kurzem gegangen, da einige der anderen Frauen Hilfe brauchten, sie sagte sie wäre gleich zurück. Alena ließ die Kutte in ihren Händen in den Fluss gleiten, damit es sie vollsog, erst dann rieb sie die Kutte auf dem Waschbrett bis sie sauber war. Schließlich erhob sie sich und hängte die Kutte zum Trocknen auf ein Seil, das Devra zwischen zwei Bäumen gespannt hatte. Sie hatte keine Lust mehr. Zögerlich raffte sie ihr Gewand und setzte sich an den Fluss um ihre Beine in das kühle Nass hängen zu lassen. Vereinzelt zwitscherten die Vögel in den Baumkronen und sie genoss diesen Moment einige Minuten. Alena bemerkte nicht, wie jemand an sie heran trat. „Machst du eine Pause, hmh?“ Erschreckt ruckte Alenas Kopf nach hinten. „Entschuldigt.“ Doch Devra winkte abermals ab. „Ach was, wie ich sehe hast du schon eine Menge geschafft.“ Dabei fiel ihr Blick auf das Seil und die gestapelten Kleider auf einem Stein. „Den Rest machen wir zusammen, dann geht es schneller.“ Devra griff nach einem Leinenhemd und kniete sich an den Fluss. Sie seufzte, als sie das Hemd auf dem Waschbrett rieb und sich das Wasser darum leicht rötlich verfärbte. „Immer kommen sie verletzt heim.“ Alena machte ebenfalls weiter. Das war ihre Chance. Sie hatte noch nie von Assassinen gehört und wusste nicht wirklich was das für Leute waren. „Verletzt heim?“, fragte sie deswegen und tunkte die Hose ins Wasser. Devra nickte. „Sicherlich. Mal mehr, mal weniger…. Mal überhaupt nicht.“ Alena stutze, „Was machen sie denn so gefährliches?“ Devra sah sie verdutzt an. „Sie kämpfen.“ Alena nickte, dessen war sie sich bewusst und hatte es auch mitbekommen, aber was waren Assassinen genau? Sie wusste es nicht, aber fragen würde sie auch nicht. Irgendwann würde sie es sicherlich erfahren. Den Rest des Nachmittages verbrachten sie beide mit waschen. Erschöpft ließen die beiden sich nach getaner Arbeit in Devras Haus auf einen der Stühle fallen. „Ich denke das reicht für heute mit waschen.“ Devra begann, Gemüse zu schneiden. „Mädchen?“ „Hmh?“ Devra drehte sich lächelnd zu ihr um. „Sag, wie heißt du eigentlich?“ Im ersten Moment war sie überrascht. „Alena.“ Devra nickte. „Ein hübscher Name. – Magst du zum Essen bleiben?“ Sollte sie? Würde sie Ärger bekommen, wenn sie spät wieder kam? Aber dann nickte sie. „Wenn das keine Umstände macht.“ Devra verneinte. „Ich lebe alleine, ich freue mich über Gesellschaft.“ Devra stellte sich als eine wirklich nette Person heraus und Alena mochte sie am Abend schon sehr. Das Essen war köstlich und es war schön, etwas weibliche Gesellschaft zu haben, was Devra anscheinend ebenso ging. Schon bald hatten sich die beiden Frauen in einem Gespräch ereifert, sodass sie überhaupt nicht bemerkten, wie schnell die Zeit eigentlich vergangen war. Irgendwann war Alena dann schließlich aufgestanden, als sie einen Blick aus dem Fenster geworfen hatte. Devra nickte verständnisvoll und verabschiedete sie an der Tür. „Bis Morgen.“ Alena winkte. „Bis Morgen, Devra.“ Einzig der Mond erhellte ihren Weg, wobei Alena nicht wirklich schnell ging. Immerhin hatte sie es nicht eilig zur Burg zu kommen. Ihre Füße trugen sie zum Fluss, wo sie sich umsah. Sie hatte sich so lange nicht mehr gewaschen. Mit einem weiteren Blick ließ sie ihr Gewand von den Schultern gleiten und begab sich schnell in den Fluss. Die Luft zog sie scharf zwischen ihren Zähnen ein, als das kalte Wasser sie umschloss. Das Wasser ging ihr bis zu dem Oberschenkel, wenn sie stand, weswegen sie sich kurzerhand hineinkniete, um sich auch ihre Haare zu waschen.
 

Alena schrie auf, als sie ihren Kopf wieder hob und zeitglich mehr ins Wasser eintauchte. Ihr Blick wanderte zu ihrem Gewand, das am Flussufer lag, dann sah sie wieder zu dem Assassinen. War sie doch zu lange weg gewesen? Der Assassinen kam langsam näher, was ihr Herz zum Rasen brachte, aber dann sah sie es, als er in das Mondlicht trat. Sein Gewand war voll mit Blut. Sein eigenes? Der Assassine kniete sich ein Stück von ihr Weg ans Ufer und rollte seine Hose nach oben. Zum Vorschein kam ein langer blutiger schnitt. Allerdings schien das auch seine einzige Verletzung zu sein. Da er gerade nicht zu gucken schien, steig sie rasch aus dem Fluss und zog sich schnell das Gewand über. Ihre nassen Haare wrang sie aus. „K-kann ich helfen?“ Sie konnte ihn doch nicht verletzt zurücklassen, wenigstens fragen musste sie. Doch er schüttelte den Kopf. „Ich komme zurecht.“ Die Stimme kannte sie nur zu gut. Altair! Aber was hatte er getan, um sich zu verletzen? Sie hatte ihn heute den ganzen Tag nicht gesehen. Zögerlich ging sie neben ihm auf die Knie. „Lasst mich mal sehen.“ Altair schnaubte, was ein klares nein war. Seufzend erhob sie sich. Dann eben nicht. Sie wandte sich ab und lief den Weg wieder zur Burg hinauf. Unterwegs pflückte sie nachdenklich einige Blumen, die am Wegesrand wuchsen. Ein Schatten neben ihr ließ sie aufschauen, wobei ihr Blick wieder zu seinem Bein wanderte. „Ihr solltet die Wunde verbinden“, sagte sie schließlich, als sie an der Burg ankamen. Altair ging schweigend weiter. Überrascht stellte sie fest, dass er den gleichen Weg wie sie einschlug. Wo wollte er hin? Alena beobachtete, wie er in die Tür neben der ihren verschwand. War das seine Kammer? War ihr Zimmer neben dem seinen? Sie wusste nicht wieso, aber ihr Herz schlug bei dem Gedanken schneller. Sie seufzte, ehe sie an seiner Tür lauschte. Zaghaft hob sie die Hand und klopfte einmal an. „Was?“ Er schien zu wissen, dass sie es war. Alena öffnete langsam die Tür. „Dein Zimmer ist eins weiter, Weib“, knurrte er. „Ich weiß.“ Ihr Blick fiel auf sein hochgekrempeltes Hosenbein. „Seid Ihr sicher, dass ich Euch nicht helfen soll? Nicht dass sich die Wunde entzündet.“ Altair schüttelte verneinend den Kopf. „Es geht schon. Du solltest schlafen gehen.“ Er zog sich die Kapuze vom Kopf. Für Alena war es das erste Mal, dass sie sein Gesicht richtig sehen konnte. Er hatte kurzes braunes Haar und Gold-braune Augen. Eine Narbe zeichnete sich an einer Seite seiner Unter – und Oberlippe ab. Was wohl passiert war? „Nun geh“, bat er sie in einem normalen Ton. Alena nickte. „W-wenn etwas ist…Ihr wisst wo Ihr mich findet.“

In ihrem Zimmer zog sie sich rasch um und begab sich zu Bett. Es dauerte auch nicht lange, da war sie schon eingeschlafen. Der Tag war wohl doch härter als gedacht gewesen. Ihre Lippen zierte ein leichtes Lächeln, als sie von dem Mann mit den Gold-braunen Augen träumte. Und ebendieser Mann war es, der etwas später nach ihr sah, doch dies bekam sie – wie auch schon zuvor, beim ersten Mal – nicht mit. Seine Augen glitten einmal sorgfältig über ihren Körper, der unter der Decke lag. Dann schüttelte er den Kopf. Warum tat er das eigentlich? Altair schloss leise die Tür, wobei er nachdenklich die in Blut getränkte Feder in seiner Hand betrachtete. Morgen früh würde er mit Al Mualim sprechen. Sein Auftrag war erfolgreich, also verdiente er sich einen weiteren Rang dazu. Nicht mehr lange und er hätte seinen alten Status wiederhergestellt.

Kapitel 9: Zwischenfall

Kapitel 9: Zwischenfall
 


 

Die Nacht war besser, auch wenn sie eher unruhig geschlafen hatte. Immerhin war sie in der Nacht nicht mehr so oft erwacht. Die Sonne war bereits aufgegangen und reges Treiben herrschte in der Burg. Altair, der schon bei Al Mualim war, um ihm die Feder zu überreichen an der das Blut des Mannes klebte, den er gestern in Akkon getötet hatte, trat nun leise in Alenas Kammer. Lautlos schloss er die Tür hinter sich und betrachtete sie einen Moment, ehe er seufzend an das Bett trat. „Aufstehen!“ Er rüttelte unsanft an ihrer Schulter. Hastig schreckte sie aus dem Schlaf hoch. „Hmh?“, fragte sie noch immer verschlafen. So geweckt zu werden, brachte sie völlig aus dem Konzept. „Aufstehen!“, wiederholte Altair noch einmal, wobei er einige Schritte vom Bett wegtrat. „Ich werde draußen warten, Weib. Beeile dich.“ Damit verschwand er wieder und ließ die Tür unsanft ins Schloss fallen. Alena sah ihm noch einige Momente lang verwirrt nach, bis seine Worte ihren Verstand erreichten. Erst dann erhob sie sich noch wackelig und tauschte rasch das Nachtgewand gegen jenes, welches sie gestern von Doran bekommen hatte. Mit ihren Händen strich sie sich ihre Haare zurück, um sie dann mit einem Band im Nacken zusammenzubinden. Tief atmete sie noch einmal durch, öffnete dann die Tür und trat auf den Gang hinaus. „Komm.“ Altair schritt zügig voran. Warum hatte er es so eilig? Alena hatte Mühe, mit ihm mitzuhalten, und war froh, als sie den Speisesaal betraten. Schweigend folgte sie dem Assassinen, welcher sich auf der Bank niederließ und auf den Platz sich gegenüber deutete. „Setz dich und iss.“ Alena nahm zaghaft neben dem anderen Platz, dessen Gesicht sie nicht sehen konnte. „Iss Mädchen.“ Doran, der neben ihr saß, reichte ihr einen Teller mit Früchten. „D-danke.“ Vorsichtig nahm sie sich eine getrocknete Dattel. „Mehr“, verlangte er, sodass Alena flüchtig zu ihm aufsah. „Eine reicht“, versuchte sie zaghaft zu protestieren, doch Doran schüttelte den Kopf. „Tut es nicht.“ Er legte ihr vier weitere Datteln auf den Teller und dazu noch etwas anderes Obst. Alena wusste nicht, wie sie das alles essen sollte. Das war viel zu viel. Alena begann langsam zu essen und bemerkte nicht den Blick, den Altair Doran zuwarf. Etwas später war sie dann so satt, dass sie die letzte Dattel nicht mehr schaffte. „I-ich gehe dann jetzt zu Devra“, verkündete sie, weil es ihr blöd vorgekommen wäre einfach aufzustehen. „Du weißt bereits, wo du sie findest?“ Altair schob seinen Teller beiseite. „Ja danke. Doran war so nett und hat mir den Weg gezeigt.“ „Hat er das“, murmelte Altair und erhob sich rasch und verschwand. Alena sah ihm seufzend hinterher. Hatte sie schon wieder etwas Falsches getan? „Mach dir keine Sorgen um ihn.“ Doran erhob sich ebenfalls, im Gegensatz zu Altair jedoch eher gemächlich. Alena nickte. „Ich begleite dich ins Dorf.“ „Ich finde den Weg alleine, Ihr müsst nic…“ Doran brachte sie zum Schweigen, indem er kurz die Hand hob. „Ich muss ohnehin etwas erledigen. – Nun komm.“
 

Wenig später stand sie bei Devra in der Stube. Diese verschwand im Nebenraum und kam wieder mit Säcken voll Wäsche nach vorne. „Hier die beiden Säcke wirst du wohl alleine waschen müssen. Eine Nachbarin braucht meine Hilfe beim Herstellen von Verbänden und anderen Dingen. Sobald ich fertig bin, komme ich zu dir. In Ordnung?“ Alena nickte lächelnd. Devra hatte viel zu tun und es wäre unhöflich gewesen, sie dazu zu bringen, bei ihr zu bleiben. Immerhin war sie kein kleines Kind mehr. Sie kam auch alleine zurecht. Seufzend nahm sie die beiden Leinensäcke. „Mach langsam, ja?“ Devra sah sie mit erhobener Augenbraue an. „Nicht, dass du uns noch tot umfällst, dafür bist du einfach ein zu hübsches Ding.“ Devra zwinkerte ihr zu. Alena nickte. „Werde ich, auch wenn ich deiner Behauptung keinen Glauben schenken kann“, immerhin war sie nicht hübsch. Mittelmäßig, aber nicht hübsch. „Natürlich bist du das“, beharrte Devra. „Und bald werden dir die Männer aus der Hand fressen.“ „Unsinn“, Alena schüttelte den Kopf. „Ich werde jetzt gehen.“ In der Tür hielt Devra sie noch einmal zurück. „Bleibst du wieder zum essen?“ Fragend lehnte Devra an dem Tisch. „Ich weiß nicht, ich möchte dir wirklich keine Umstände machen.“ Sicherlich hatte sie doch einen Mann. „Das tust du nicht. Ich würde mich freuen.“ „In Ordnung.“ Sie konnte Devra einfach keinen Wunsch abschlagen. Dazu war diese einfach viel zu nett.

Am Fluss zog Alena die Kleidung aus den Säcken, ehe sie das Waschbrett in den Fluss stellte. Ihre Finger schmerzten schon jetzt, wenn sie nur an die ganze Arbeit dachte. Frustriert seufzend machte sie sich jedoch an das erste Hemd, das ihr zwischen die Finger kam. Zum Glück hatte Devra das Seil zwischen den Bäumen gespannt gelassen, so musste sie die Wäsche nur waschen und konnte diese sofort aufhängen. Die ersten gefühlten 500 Kleidungsstücke brachte sie in einem Rutsch hinter sich. Erst dann bemerkte sie, dass die Sonne schon hoch oben am Himmel stand. Eine Pause wäre genau das, was sie bräuchte. Ihr Blick glitt zu den letzten Hosen. Diese konnte sie auch gleich noch machen. Es war immerhin Devras Anweisung gewesen, dass sie langsam machen sollte. Ihre Füße hingen in dem Fluss, während ihr Oberkörper flach auf der Wiese lag. Die Augen geschlossen genoss sie einen Moment einfach nur die Sonne auf ihrer Haut. Ein Schatten fiel über sie, sodass sie rasch die Augen öffnete, um die Wolke zu betrachten, die sich vor die Sonne geschoben hatte, ehe sie wieder die Augen schloss. Sollte jeder Tag nun so aussehen, dass sie Wäsche waschen durfte? Wenn es denn wenigstens mal eine andere Arbeit wäre. Der leichte Wind, der aufkam, tat gut im Gegensatz zu der warmen Sonne. Alena lauschte dem Rauschen des Wassers und dem Zwitschern der Vögel. Es wirkte so friedlich, dass sie glatt hätte einschlafen können.

Ein weiterer Schatten fiel auf sie, sodass sie lediglich unzufrieden grummelte. Warum mussten ihr diese Wolken die Sonne verwehren? Das war nicht fair. Der Schock durchfuhr sie, als etwas Kaltes ihre Kehle berührte. Ihr erster Impuls, sich aufzurichten, wurde durch etwas an ihrem Haar gehindert, sodass sie nur die Augen öffnen konnte. Mit schneller werdendem Herzschlag verfolgte sie den Dolch an ihrem Hals, über den Arm zu dem Gesicht des Fremden, das durch eine weiße Kapuze verdeckt war. Erschrocken keuchte sie auf. Wollte man sie nun doch töten? „Du wirst nicht zum Faulenzen am Leben erhalten.“ Abermals durchfuhr sie ein Schrecken. „F-faruk“, hauchte sie panisch. Der Assassine machte kein Geheimnis daraus, dass er sie nicht leiden konnte. Faruk lachte dunkel, sodass ihre Nackenhaare sich prompt aufrichteten. „Wie schön, dass du dir meinen Namen gemerkt hast.“ Der Griff in ihrem Haar verstärkte sich, während er sich zu ihr herabbeugte. „Bitte“, wimmerte sie, nur zu deutlich erinnerte sie sich an die Templer und an das, was sie mit ihr machen wollten. „Dein Jammern bringt dir nichts. Du solltest arbeiten, immerhin bist du deswegen hier, aber sei dir gewiss. Sollte Al Mualim dich nicht mehr gebrauchen können, bin ich der Erste der sich meldet, um deinem kümmerlichen Leben ein Ende zu setzten. Ganz langsam natürlich.“ Der Dolch an ihrem Hals verschwand, jedoch nicht ohne dabei einen kleinen Kratzer zu hinterlassen. „Und nun mach weiter mit deiner Arbeit.“ Er warf Alena eine Kutte zu die er in seiner Hand hatte.
 

Alena wartete, bis sie ihn nicht mehr sehen konnte. Erst dann richtete sie sich auf und ließ den Tränen freien Lauf. Schluchzer schüttelten sie, während sie ihre Knie an sich heranzog, um den Kopf darauf zu betten. Was hatte sie ihm getan? Was hätte er getan, wenn es nicht sie sondern Devra gewesen wäre, die die Wäsche gewaschen hätte? Sie traute ihm durchaus zu, dass er etwas tat, das eigentlich verboten war. Noch immer weinend machte sie sich daran, die restlichen Kleidungsstücke zu waschen, auch wenn dies durch den Tränenschleier nicht wirklich funktionierte. Noch immer zitterte ihr Körper und wollte selbst nach einigen Minuten nicht damit aufhören. Warum hasste dieser Mann sie so? Was hatte sie ihm denn getan? Hatte ihre Familie ihm etwas getan? Oder war er einfach ein von Grund auf schlechter Mensch? Sie erschrak heftig, als sich jemand neben sie kniete. Hatte Faruk sie beobachtet? Ihr Kopf fuhr in die Höhe, ehe sie wimmernd ein Stück zurück krabbelte, da sie vor Schreck das Gleichgewicht verloren hatte. Der Assassine, der neben ihr kniete, streckte die Hand nach ihr aus. „Nicht“, wimmerte sie schluchzend. Was immer er vorhatte – sie wollte es nicht. Tatsächlich erstarrte er und schob sich nach kurzem Zögern die Kapuze vom Kopf. Alenas Bewusstsein verarbeitete erst etwas später die eine elementare Tatsache. Das war nicht Faruk! „Altair“, flüsterte sie, während genannter sie einfach mit einer erhobenen Augenbraue ansah. „Was ist geschehen?“ Doch sie schüttelte den Kopf. „Es…er…“, stammelte sie. „Er? Wer?“ Altair hatte sich noch immer keinen Zentimeter bewegt. Alena jedoch krabbelte hastig auf ihn zu und warf sich zaghaft an ihn. Ihr Körper zitterte noch immer, aber sie erstarrte, als Altair nach einigen Sekunden seine Arme um sie schlang. Warum er das tat? Das konnte er selbst nicht sagen. „Alena.“ Sie hielt die Luft an. Es war das erste Mal, dass er sie so nannte und dann auch noch mit einer solchen Intensität, dass sie den Kopf hob, um ihn ansehen zu können. „J-ja?“ „Was ist geschehen?“ Seine dunkle Stimme war angenehm und beruhigte sie. „Ich…E-er war einfach da. Ganz plötzlich.“ „Wer?“ Altair schob sie etwas weg, wobei sein Blick auf den Kratzer an ihrem Hals fiel. „Wer hat das getan?“ Beinahe schon vorsichtig strich er über das Rinnsal an Blut an ihrem Hals. „F-faruk“, stotterte sie.

„Faruk“, wiederholte er nachdenklich. Dieser elende Bastard. „Was ist passiert?“, verlangte er ein weiteres mal zu wissen. Alena seufzte und wandte den Blick ab. „I-ich habe eine Pause gemacht“, begann sie. „Ich hatte seit heute Morgen die Kleider gewaschen. Ich lag im Gras und hatte die Augen geschlossen, bis etwas Kaltes meine Kehle berührte. Er sagte mir, dass ich nicht zum Faulenzen am Leben bleibe“, ihre Stimme zitterte. „Und er sagte, dass, wenn Al Mualim mich nicht mehr braucht, er der erste wäre, der sich melden würde, um mich umzubringen. Ganz langsam.“ Sie schüttelte den Kopf, ehe sie aus tränenden Augen zu ihm aufsah. „Ich will nicht sterben“, schluchzte sie. Altair musterte sie einen Moment reglos. „Das wirst du nicht“, versprach er dann. Warum konnte er selbst nicht sagen, aber sie weinen zu sehen, erweckte etwas in ihm. Das Weib konnte nichts dafür, dass ihr Vater ein Verräter war und sie war nicht freiwillig hier. „Und wenn… wenn er… doch…“, Altair schüttelte bestimmt den Kopf. „Das lasse ich nicht zu.“ Was er machen würde, wenn es tatsächlich soweit käme, wusste er zwar selbst noch nicht genau, aber das musste sie ja nicht wissen. Alena nickte und schien ihm zu glauben, denn nach und nach ließen die Tränen nach und auch ihr Zittern wurde weniger. „D-danke Altair.“ Sie löste sich von ihm und griff nach der letzten Hose. Altair beobachtete sie schweigend. Sie schien dünner geworden zu sein, seit sie hier war. Sie aß einfach zu wenig. Aß sie nur morgens? Denn Doran erzählte ihm, er habe sie gestern nicht beim Abendmahl gesehen. Dafür hatte er sie gesehen. Hier am Fluss im Mondschein. Sie war wirklich hübsch. Aber was interessierte ihn das. Altair erhob sich kopfschüttelnd, als auch Alena sich mit der letzten Hose erhob und sie über das Seil hängte. „Ich begleite dich zurück.“ Sie schüttelte zögerlich den Kopf. „Das braucht Ihr nicht… Ich… Devra wartet auf mich.“ „Du hast genug gearbeitet für heute. Du solltest etwas essen.“ Alena lächelte kurz. „ Das werde ich. Devra lud mich ein.“ „Wirklich?“, hakte er nach. „Dann werde ich dich dorthin bringen.“ Alena kräuselte die Augenbrauen. Glaubte er ihr etwa nicht? Warum sollte sie lügen? Aber sie seufzte. „In Ordnung.“
 

Etwas später standen sie beide dann an Devras Tür. Alena klopfte ohne zu zögern an und schon bald konnte man Schritte im Inneren vernehmen. „Komme!“ Devra sah überrascht von Alena zu Altair. „Alena“, meinte sie dann. „Komm doch rein.“ Devra trat beiseite, sodass sie eintreten konnte. Jedoch versperrte sie dem Assassinen den Weg. „Und was wollt Ihr?“, schroff verließen die Worte ihren Mund. Alena sah fragend zwischen den beiden hin und her. Devra konnte wohl kaum auf Altair sauer sein, denn dieser hatte seine Kapuze wieder aufgesetzt und somit konnte sie ihn nicht erkennen. Warum also schien sie etwas gegen die Assassinen zu haben? Und erst jetzt fiel ihr ein, dass sie auch Doran gegenüber abweisend gewesen war. „Verschwindet!“ Damit schlug sie Altair die Tür vor der Nase zu, erst dann wandte sie sich seufzend ihrem Gast zu. „Entschuldige“, lächelte sie wieder. „Das Essen ist fast fertig.“ Alena nickte leicht verwirrt. Wie konnte man von dem einen auf den anderen Moment seine Gemütslage so schnell verändern. „Devra?“, fragte sie dann leise und zaghaft. „Hmh?“, kam es von ihr während sie die Suppe noch einmal umrührte. „W-warum magst du die A-assassinen nicht?“ Immerhin war das offensichtlich gewesen. Devra ließ den nun erhobenen Kochlöffel fallen, der klappernd zu Boden ging. „Verzeih“, bat Alena hastig. Was hatte sie nur wieder angestellt? Devra schüttelte den Kopf. „Es ist in Ordnung.“ Als sie sich Alena zuwandte, stand ihr tiefe Trauer ins Gesicht geschrieben. „Setz dich. Ich denke, ich muss los werden, was ich seit Jahren niemandem anvertraut habe.“ Sie schien eher mit sich selbst zu reden, als mit Alena. Diese nahm dennoch Platz und wartete auf das, was kommen möge. Was nur würde Devra ihr erzählen?

Kapitel 10: Devra

Kapitel 10: Devra
 


 

Es war geradezu gespenstisch still in der Stube. Während Devra anscheinend überlegte, wie sie anfangen sollte, saß Alena ruhig da und wartete. Sie wollte Devra nicht drängen und sie wollte nicht, dass Devra etwas erzählte, was sie vielleicht gar nicht erzählen wollte.

Devras Gedanken schienen aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurückzukommen, denn der starre Blick wurde traurig und sie seufzte. „Ich war verheiratet“, erzählte sie dann. Alena nickte. „Ich war gerade 16 geworden, als er mich fragte, ob ich ihn heiraten wollte.“ Sie lächelte verträumt. „Er war ein wirklich liebenswerter Mann, der sich immerzu Sorgen um mich gemacht hat. Er kam aus diesem Dorf hier, während ich aus Damaskus komme. Wir haben uns einige Male auf dem Markt gesehen. Ich habe mich sofort in ihn verliebt und war so unendlich glücklich, als er mich fragte.“ Devra spielte gedankenverloren an der Kette, die um ihren Hals hing. „Natürlich stimmte ich zu und meine Familie freute sie ebenso sehr, wie ich es tat. Es ist wichtig, dass die Töchter so früh wie möglich verheiratet werden. Alles war perfekt. Er aß des Öfteren bei meiner Familie und mir, bis ich ihn hierher begleitet habe, als er wieder abreisen musste.“ Ihre Stirn legte sich in Falten. „Etwas später haben wir geheiratet. Es war ein so schöner Tag gewesen, den ich wohl nie vergessen werde. Das ganze Dorf hat mit uns gefeiert. Die ganze Nacht hindurch. Die Jahre danach waren sicherlich die Schönsten, die ich hatte.“

Devras Miene wurde traurig und so viel Schmerz war in ihren Augen zu lesen, dass Alena das Herz weh tat, als sie sie so sah. „Wir waren mittlerweile fünf Jahre verheiratet, als ich endlich schwanger wurde. Mit 21 Jahren das erste Kind. Du kannst dir vorstellen, was hinter vorgehaltender Hand getuschelt wurde. Aber es störte mich nicht. Und ihn störte es genauso wenig. Jeden Tag brachte er mir eine Blume mit, während ich daheim das Essen gekocht hatte.“ Devra schüttelte den Kopf, als wolle sie einen Gedanken abschütteln. „Neun Monate vergingen wie im Flug. Wir freuten uns schon sehr auf das kleine neue Familienmitglied, als es geschah...“ Devra brach ab. Alena ergriff zögerlich ihre Hand, die auf der Tischplatte lag.

„Du musst nicht, wenn...“ Devra schüttelte den Kopf. „Nein ich will aber. – Der Ordensmeister ließ meinen Mann zu sich kommen. Ich hatte sofort ein ungutes Gefühl dabei, aber wenn er nicht gegangen wäre, hätte es sicherlich Konsequenzen gegeben.“

„Du meinst Al Mualim?“, hakte Alena nach, doch Devra schüttelte den Kopf. „Nein… ich weiß nicht. Seinen Namen habe ich nie erfahren und nur selten erfährt man überhaupt etwas, das dort oben passiert. – Jedenfalls wurde mein Mann gebeten, mit einer wichtigen Information nach Jerusalem zu reisen und dort einem Assassinen diese Information zu übergeben. Da er sowieso geschäftlich dorthin gereist wäre, stimmte er zu. Was sollte auch schon passieren, hatte er mir gesagt und sich am nächsten Morgen von mir verabschiedet. Er hatte mir versprochen, zur Geburt wieder hier zu sein.“ Devras Augen schimmerten feucht. „Er kam nicht wieder“, flüsterte sie erstickt. „Der Assassine dort war unvorsichtig und wurde mit meinem Mann gesehen. Templer nahmen ihn gefangen und als er nicht sagen wollte, was er wusste, da… da…“, durch Devras Körper ging ein Zittern, als sie zu weinen anfing.

Alena schmerzte es, sie so zu sehen. Sie mochte sich nicht vorstellen, was so etwas in einem Menschen auslöste. „Schh“, sie strich der Anderen fürsorglich durch das seidige Haar. „Er ist also gestorben?“, fragte Alena und erhielt ein Nicken zur Antwort. „Und deswegen hasst du die Assassinen?“

Devra zögerte. „Nicht nur deswegen.“ Ihre Miene schwankte zwischen harten Zügen und trauriger Maske. „Mein Kind“, flüsterte sie. „Ich hätte es fast verloren. Der Tod meines Mannes war zu viel für mich. Aber er überlebte“, kurz huschte ein schwaches Lächeln über ihre Lippen. „Er war ein niedlicher Junge und kam ganz nach seinem Vater. Er war das Einzige, für das es sich noch zu leben lohnte. Wie ein Adler habe ich auf ihn aufgepasst. Und Vier Jahre später, ich war gerade 25 geworden, folgte das nächste Unglück, das mein Leben zerstörte.“ Devras Hand ballte sich zu einer Faust. „Man hat mir meinen Jungen genommen. Mein Mann wollte gerne, dass unser Junge zum Assassinen ausgebildet wurde. Der Ordensmeister stimmte vor Jahren schon zu, noch bevor mein Mann starb und als er vier Jahre alt war, kamen sie und haben es mir gesagt. Es war der Wunsch meines Mannes, ich konnte es ihm nicht verwehren, obwohl er schon tot war. Mein kleiner Junge war begabt und fleißig. Ich war so stolz. Aber er war ein Junge. Und Kinder haben nun einmal Unsinn im Kopf. Er hat mit einigen anderen Jungs den Älteren beim Training zugeschaut, ehe sie echte Dolche geklaut haben, um genauso toll zu sein wie die Erwachsenen. Aus Spaß haben sie gegeneinander gekämpft und nicht aufgepasst. Der Dolch des Anderen stach direkt in das Herz meines Jungen. – Und es ist, als sei meines damals mit gestorben. Die Assassinen haben mir alles genommen, was mir lieb war. Ich hasse sie dafür. Sie alle!“ Devra atmete mehrmals tief durch. Beide schwiegen.
 

Alena sah mitfühlend zu Devra herüber, während ihre Finger über Devras Hand strichen. „Es tut mir leid.“

„Das braucht es nicht. Du kannst nichts dafür. Aber danke, dass du zugehört hast.“ Devra erhob sich und nahm die Suppe vom Feuer. Schweigend aßen die beiden. Alena hatte eigentlich keinen Hunger mehr und es schien, als würde es Devra nicht anders ergehen. „Vielen Dank für das Essen, Devra. Wir sehen uns dann morgen“, verabschiedete Alena sich später an der Tür.

„Pass auf dich auf.“ Devra strich Alena eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. „Du erinnerst mich immer ein bisschen an meine jüngere Schwester.“

„Und du mich an meine ältere Schwester, die ich nie hatte.“

Devra lachte auf. „Das freut mich. Und nun geh, wir sehen uns morgen.“

Alena dachte immer wieder an Devras Geschichte. Selbst als sie das Dorf verlassen hatte und den steinigen Weg nach oben ging, der durch ein Tor zur Burg führte, schwirrten ihre Gedanken immer wieder um Devra. Es war sicherlich nicht leicht gewesen und sicherlich hätte sie nicht anders reagiert, wenn ihr so etwas passiert wäre. Alena seufzte. Nur würde sie wohl nie einen Mann oder gar Kinder haben. Wer wollte schon ein Mädchen, das unter Männern lebte? Ohne Familie und Stand? Seufzend sah sie auf und erblickte von Weitem das bewachte Tor, das zur Burg führte. Die beiden Assassinen beachtete sie nicht, ebenso wie diese nicht wirklich Notiz von ihr nahmen.

Leise schlich sie sich durch die Gänge, die Treppe empor, den Flur entlang. Ihre Tür knirschte, so sehr sie sich auch bemühte, leise zu sein. Alena schlüpfte durch den Spalt und schloss die Tür. Abermals seufzend ließ sie ihren Kopf gegen die Holztür sinken. Was war das nur für ein Leben, das sie führte? Nein, Leben konnte man das, was sie tat, wohl nicht nennen. Aufstehen, arbeiten, schlafen. Sklaverei passte wohl eher. Und dann war da auch noch Faruk. Wie sollte sie nur ruhig schlafen, wenn sie befürchten musste, er könnte in der Nacht kommen und tun, was er wohl schon die ganze Zeit gerne mit ihr tun würde? Sicherlich würde er sich zeit nehmen, um sie zu töten. Sie schüttelte den Kopf. Es wa…

Alena erstarrte. Etwas raschelte hinter ihr. Nur widerwillig schaffte sie es, sich herumzudrehen. Unwillkürlich drückte sie sich näher an die Tür hinter sich.

Der Assassine vor ihr bewegte sich nicht, zog sich jedoch nach kurzem Zögern die Kapuze vom Kopf. Alena atmete erleichtert auf, ehe sie ihre Schultern nach unten sacken ließ. „Ihr seid es“, entkam es ihr.

„Wen hast du denn erwartet?“ Altair trat auf sie zu.

„Niemanden“, flüsterte sie, wobei sie zu Boden sah, den Kopf gesenkt. „Altair?“

Der Angesprochene ließ ein kurzes „Hmh?“ vernehmen.

„W-wo… I-ich meine… In welchem Zimmer ist Faruk?“ Der Gedanke, er könnte die Kammer ihr gegenüber haben, machte sie wahnsinnig.

„Keines in deiner Nähe. - Du bist spät“, wechselte er das Thema.

Alena nickte. „Devra… Wir haben uns unterhalten.“ Immerhin hatte ihr niemand verboten, sich frei zu bewegen.

„Ich weiß.“ Alena sah bei Altairs Aussage auf.

„Ihr wisst? Woher?“ Ein kurzes wissendes Lächeln zierte seine Lippen.

„Die Wände, der Boden, das ganze Dorf hat Ohren“, er zuckte mit den Schultern. Dass er die beiden belauscht hatte, würde er ihr sicherlich nicht sagen. Immerhin ging es sie nichts an.

„Also wisst Ihr, was Devra passiert ist?“ Irgendwie beunruhigte Alena das. Devra hatte ihr ihre Geschichte im Vertrauen erzählt. Zwar konnte sie nichts dafür, dass es nun der Assassine wusste, aber trotzdem fühlte sie sich irgendwie schuldig. „Sagt es ihr nicht“, bat sie, was Altair fragend eine Augenbraue emporheben ließ.

„Und warum nicht?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. Alena zuckte mit den Schultern.

„Ihr würde es sicherlich unangenehm sein. Also bitte ich Euch, es niemandem zu erzählen“, sie hatte einfach das Gefühl, Devra verteidigen zu müssen. Devra war immer nett und kochte für sie, irgendwie musste sie es wieder gut machen. „Ja?“, fragte sie dann noch einmal.

Altair nickte schließlich. „Schön, ich werde niemandem etwas verraten. Aber dafür wirst du mehr essen“, meinte er bestimmt.

„Ich esse genug.“

„Nein“, widersprach Altair prompt. „Du bist dünner geworden. Soweit das noch geht. Niemand kann eine kränkliche helfende Hand gebrauchen.“

Alena schluckte ihren Trotz hinunter und nickte stattdessen. Sie war nicht kränklich! „Gute Nacht.“ Alena trat zur Seite, damit Altair durch die Tür gehen konnte. Verwirrt starrte sie noch einige Minuten auf einen unbestimmten Punkt. Frustriert wechselte sie ihr Gewand und löste das Haarband.
 

Alena träumte schlecht. Sie träumte von Devra, ihrem Mann, dem Baby und Faruk. Der Zusammenhang war verwirrend und unrealistisch und trotzdem warf sie sich im Bett hektisch hin und her. Dass sie schrie, bemerkte sie nicht einmal. Faruk sorgte dafür, dass Devras Mann starb, ehe er tatenlos zusah, wie der eine Junge Devras Sohn tötete. Ein schelmisches Lächeln lag auf Faruks Zügen und es schien, als würde er sie ansehen. Alena wurde an der Schulter gefasst, noch immer im Traum gefangen, schlug sie um sich und schrie. „Weib! Alena!“, rief jemand ihren Namen.

Mit einem erschrockenen Keuchen fuhr sie in die Höhe. Ihr Herz klopfte wild in ihrer Brust. „Alena“, wieder berührte sie jemand sacht an der Schulter. „Sieh mich an!“ Bestimmend, aber sanft, wurde ihr Kinn gefasst und zur Seite gedreht. Alena registrierte erst einige Sekunden später Altair, der neben ihrem Bett kniete. Sie bemerkte erst, dass sie weinte, als er ihr die Tränen von der Wange wischte. „Du hast geträumt“, beruhigte er sie und erhob sich rasch, als die Tür aufging.

„Was ist los?“ Doran betrat ihren Raum, nur – wie Altair – in einer einfachen Leinenhose und einem Hemd, und blickte fragend zwischen Altair und Alena hin und her.

„Das Weib hat schlecht geträumt.“ Altair warf Alena noch einen kurzen Blick zu. Doran nickte.

„Haben mich viele gehört?“ Alena zog sich die Decke bis zum Hals hinauf. Die Vorstellung, dass sie die anderen auch alle geweckt hatte, war ihr unendlich peinlich.

Doran schüttelte den Kopf. „Wohl eher nicht. Altair und ich sind die Einzigen. Du solltest noch etwas schlafen. – Altair.“ Doran verschwand wieder lautlos auf dem Gang.

„Es tut mir leid“, murmelte Alena. Was er nun von ihr denken würde? Wie ein kleines Kind hatte sie sich gefürchtet.

Altair hob beschwichtigend die Hand. „Schlaf noch etwas“, er wandte sich zum gehen, hielt an der Tür jedoch noch einmal an, seufzte und drehte den Kopf zu ihr. „Wenn etwas ist, du weißt wo du mich findest.“

„Danke.“ Alena lächelte schüchtern.

„Wofür?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Einfach so.“

Altair nickte, ehe er endgültig den Raum verließ.

Seufzend strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sank wieder zurück ins Bett. Wie peinlich. Sie hatte doch tatsächlich geschrien – wegen eines Alptraums. Aber der Gedanke, Faruk hätte Devras Familie getötet, erschien noch nicht einmal so abwegig, so wie sie Faruk kannte. Abermals fuhr sie sich mit der Hand durchs Gesicht. Sie machte sich einfach zu viele Sorgen. Es war schlicht und ergreifend zu viel geschehen. Aber es war nett gewesen von den beiden, nach ihr zu sehen, auch wenn es ihr lieber gewesen wäre, es hätte niemand mitbekommen. Sich in die Decke kuschelnd, drehte sie sich zur Seite und schloss die Augen. Es war nicht mehr zu ändern, aber sie hoffte doch, dass ihr so etwas nie wieder passieren würde. Langsam driftete sie wieder in den Schlaf ab, träumte dieses mal von Dingen, an die sie sich nicht erinnern können würde, wenn sie aufwachte. Sie spürte noch die Hand, die durch ihr Haar strich und dass jemand die Decke über sie legte, da diese anscheinend verrutscht war.

Kapitel 11 - Peitschenhieb

Kapitel 11 – Peitschenhieb
 


 

Seufzend ließ sie die Kleidung in ihren Händen sinken, ehe sie sich einmal mit der Hand über die Haare fuhr. Bisher war der Tag nicht wirklich gut für sie verlaufen, aber es war ja nun auch erst einmal fast Mittag. Vielleicht würde es ja noch besser werden. Nachdem sie unsanft von Doran geweckt und zum Speisesaal begleitet worden war, wartete dort schon Altair auf sie. Sie war sich nicht sicher, aber es kam ihr vor als wolle er schauen, ob sie ihr Versprechen wirklich hielt.

Sie hatte an diesem Morgen mehr gegessen als wahrscheinlich in der ganzen Zeit die sie bereits hier war zusammen. Er hatte immer wieder zu ihr herüber gesehen, sodass ihr das Essen schon schwer fiel. Auch wenn sie sein Gesicht nicht hatte erkennen können, war sie sich sicher gewesen, dass er sie aus zusammengekniffenen Augen angesehen hatte. Generell war die Stimmung etwas seltsam gewesen, doch woran das lag, hatte sie nicht bestimmen können.

Auf dem Weg zu Devra war sie dann so in Gedanken darüber gewesen, dass sie gar nicht auf den Weg geachtet hatte. Sie schreckte erst aus ihren Gedanken, als ihr Fuß umknickte und sie der Länge nach zu Boden fiel. Der grobe Sand schürfte ihr Knie auf, das auch jetzt noch brannte. Etwas Schlimmes schien es jedoch nicht zu sein.

Nachdenklich sah Alena auf die Kleidung in ihrer Hand. Devra war heute Morgen ruhig gewesen und Alena war sich nicht sicher, ob es an gestern Abend lag oder ob sie heute einfach nur einen schlechten Tag hatte.

Aber nun saß sie hier in Devras Stube und durfte die Kleidung der Assassinen flicken. Bis auf das Geräusch, das die Nadel verursachte, wenn sie durch den Stoff gezogen wurde, war es still. Selbst von draußen drangen nur ab und an Geräusche herein. Abermals frustriert seufzend legte sie die Kleidung beiseite und stand auf. Ihre Beine fühlten sich schwer vom ganzen Sitzen an und kribbelten unangenehm, als sie sich erhob.

Alena blickte aus dem Fenster, während ihre Augenbrauen sich immer mehr zusammenzogen. Was war da los? Sie streckte ihren Hals, um das Geschehen besser sehen zu können, doch es war zu weit weg. Um mehr erkennen zu können, lief sie rasch aus der Hütte und blickte zum Dorfplatz. Eine Menschentraube schien sich um irgendetwas zu versammeln. Was ging dort vor sich?

Langsam und eher unsicher lief sie den Weg, der von Devras Hütte zum Dorfplatz führte, entlang. Einige der Menschen unterhielten sich hektisch, andere lachten, wieder andere sahen betroffen aus, das erkannte sie, als sie an den ersten Leuten vorbeiging. Vorsichtig drängelte sie sich zwischen den Menschen hindurch, die ihr nicht wirklich Platz machten. Was konnte nur so interessant sein?
 

„Alena.“ Die Angesprochene fuhr herum und blickte prompt in dunkle Augen.

„Was geht hier vor, Devra?“

Devra packte Alena am Arm. „Es ist besser, wenn wir gehen und uns das nicht ansehen.“

„Was ansehen?“, fragte Alena verständnislos. Was war denn los? Alena blickte Devra eindringlich an. Sie schien nervös und etwas betroffen. Ihre Stirn hatte sich in Falten gelegt.

„Sie lassen jemanden auspeitschen. Das willst du nicht sehen.“ Devra zog nochmals an Alenas Hand.

„Wen lassen sie auspeitschen?“, sie erinnerte sich noch gut an das eine Mal, als sie selbst ausgepeitscht wurde. Es war, als würde einem die Haut vom Körper gezogen werden, ehe man darauf herumdrückte. Nein, das wünschte sie niemandem.

Devra setzte zu einer Antwort an, doch da ertönte ein klagender Laut, der Alena durch Mark und Bein ging. Die Schreie wurden lauter, vermischt mit einem Schluchzen. Alena erstarrte. „Devra? Wen peitschen sie aus?“, das klang keineswegs nach einem erwachsenen Mann. Zumal niemand der Erwachsenen sich die Blöße geben würde, zu weinen.

„Er hat einen Apfel gestohlen.“ Alena seufzte. Devra würde ihr wohl nicht sagen, wer da ausgepeitscht wurde.

Entschlossen riss sie sich von der anderen los. „Wenn du es mir nicht sagst, dann gehe ich selbst nachsehen.“ Abermals fing sie an, sich an den anderen Menschen vorbei zu drängeln. Als sie vorn angekommen war, blieb sie entsetzt stehen. Ihre Augen weiteten sich, während ihr Blick der niedersausenden Peitsche folgte und hinterher an dem kleinen Jungen hängen blieb.

Verängstigt kauerte er auf dem Boden, der Rücken ganz blutig. Wie konnte man einem kleinen Kind so etwas nur antun? Wer konnte einem Kind so etwas nur antun? Durch ihren Kopf zuckte ein Name: Faruk. Sicherlich würde der Assassine davor nicht zurück schrecken. Der kleine Junge blickte hilfesuchend in die Menschenmenge. Suchte womöglich nach seiner Mutter oder seinem Vater. Es war grauenvoll.
 

Entschlossen löste sie sich aus der Menge und lief, so eilig sie konnte, auf den Assassinen mit der Peitsche zu.

„Nicht“, bat sie, während sie den Arm festhielt, der die Peitsche schwang. „Bitte lasst ihn. Er ist doch nur ein Kind.“

Der Assassine machte sich grob von Alena frei, sodass diese einige Schritte zurücktaumelte. „Haltet Euch da raus Weib.“ Abermals traf die Peitsche auf den Rücken des Jungen. Ihre Augen verengten sich.

Faruk.

„Hört auf!“ Alena hörte die klagenden Laute des Jungen. Er war doch nur ein Kind. Ein weiterer Assassine kam heran, umfasste grob ihren Oberarm.

„Holt Al Mualim!“, schrie er einem weiteren zu. Alena zerrte an ihrem Arm, doch der Griff lockerte sich keineswegs.

„Fünf“, ertönte es von dem anderen Assassinen, der die Peitsche wieder an seinem Gürtel befestigte. „Bringt das Balg weg.“

Die Mutter, oder vielleicht auch die Schwester, trat an den Jungen heran und führte ihn vom Platz und damit weg von den Schaulustigen.

„Ich übernehme.“ Faruk trat an Alena heran und umfasste ihr Handgelenk härter, als es nötig gewesen wäre. Der andere ließ sie los und verschwand.

„Du Monster“, flüsterte sie noch immer erschrocken. Wie konnte jemand nur so grausam sein?

Faruk neben ihr lachte. „Es wird mir ein Vergnügen sein, dir eine Lektion zu erteilen.“ Er hatte sich etwas vorgebeugt, sodass sein warmer Atem unangenehm auf ihrer Haut brannte.

„Lektion?“, murmelte sie. Was meinte er?

„Dachtest du wirklich, du kommst ungestraft davon?“

Alena schüttelte den Kopf. „Ich habe nichts gemacht.“ Wovon redete er da?

„Du hast dich eingemischt, Weibsbild.“

Alena kam nicht mehr dazu, etwas zu sagen, denn die Menschenmenge teilte sich. Das Erste, was sie erkannte, waren eine schwarze Robe und ein langer weißer Bart. Al Mualim. Hinter ihm zwei weitere Assassinen. Ihr Blick schweifte weiter nach hinten. Devra stand erschrocken da und schüttelte den Kopf, mit ihrem Mund formte sie vier Worte. „Was hast du getan?“ Alena zuckte mit den Schultern und signalisierte ihr somit, dass sie es selbst nicht wusste.

Alena war viel zu verwirrt um noch irgendetwas zu realisieren. Erst als Al Mualim direkt vor ihr stand und ihre Wange daraufhin höllisch schmerzte, kam sie halbwegs wieder zu sich. „Ich sagte dir schon einmal, dass du mich nicht ansehen sollst, Weib.“ Al Mualim sagte es so ruhig, als würde er vom Wetter reden. Er war verrückt!

„Was ist hier los, Faruk?“, wandte er sich dann an den Assassinen, der ihren Oberarm noch immer schmerzhaft festhielt.

„Verzeiht Meister“, Faruk neigte leicht seinen Kopf. Nur zu gerne hätte sie sein Gesicht gesehen. „Aber das Weibsbild mischte sich ein. Sie verdient eine Strafe.“ Alena konnte beinahe die Vorfreude heraushören, die in seiner Stimme mitschwang. Faruk hatte nie einen Hehl daraus gemacht, wie sehr es ihn erfreuen würde, ihr weh zu tun.
 

Al Mualims Augen fixierten sie, ohne dass sie es wusste, da sie ihren Kopf starr zu Boden gerichtet hatte. Unsicherheit und auch Angst spiegelten sich in ihrem Gesicht wieder. Die Sonne brannte unangenehm auf ihrem Kopf, während der Wind nur eine geringe Abkühlung verschaffte. Al Mualim seufzte, ehe er sprach. „Hier herrschen Regeln, Mädchen“, er klang beinahe wie ein Vater, der einem Kind etwas erklärte. „Wer sich diesen Regeln widersetzt, wird bestraft.“ Noch immer klang seine Stimme freundlich und ruhig. „Deswegen lasse ich dir fünf Peitschenhiebe zuteilwerden, damit du das nächste Mal zweimal nachdenkst, bevor du dich irgendwo einmischst.“

Alenas Herz stockte. Ihr Rücken brannte unangenehm, in Erwartung dessen was gleich passieren würde. „Faruk“, war alles, was Al Mualim noch sagte, ehe er sich wieder umdrehte und ging.

Die beiden Assassinen, die ihn hierher begleitet hatten, folgten ihm zurück. Niemand würde ihr helfen. Warum auch? Sie war selbst schuld. Faruk stieß sie unsanft von sich, sodass sie taumelte und schließlich das Gleichgewicht verlor. Faruk stand hinter ihr, bevor sie überhaupt die Chance hatte sich wieder aufzurichten.

Ein reißendes Geräusch ertönte, als er ihr Gewand am Rücken aufriss. Unwillkürlich zitterte sie. Sie verharrte in der Hocke, die Arme um die Knie geschlungen. Sie spürte den Wind in ihrem Haar, Devras dunkle Augen, die mitfühlend auf ihr ruhten, ehe etwas surrte und auf ihren Rücken traf. Vor Schmerz schloss sie die Augen, versuchte die aufkommenden Tränen zu unterdrücken.

Eins.

Die Luft wurde aus ihren Lungen gedrückt, das Atmen fiel ihr schwer.

Zwei.

Alles begann sich zu drehen und verschwamm.

Drei.

Alena atmete einmal tief ein, sie würde nicht umkippen. Die Blöße würde sie sich nicht geben. Sie wimmerte.

Vier.

Mit dem fünften Schlag entwich ihr ein Laut des Schmerzes und sie kippte um, war jedoch noch immer bei Bewusstsein.

Die Menschentraube löste sich auf, als sie sicher waren, dass es nichts mehr zu sehen gab. Selbst Faruk drehte sich einfach um und verschwand. Einzig Devra kam zu ihr hingeeilt und fiel vor Alena auf die Knie. „Mein Gott“, hauchte sie. „Sei vorsichtig. Ich helfe dir.“ Nur mühsam kam Alena wieder hoch. Es schmerzte noch mehr als beim ersten Mal, das hatte sie nicht für möglich gehalten. „Was hast du dir nur gedacht?“

Alena zischte, als ihre Haare auf einen der Striemen fielen. „I-ich..musste dem… Jungen helfen.“, selbst das sprechen fiel ihr schwer.

„Komm.“
 

Ihren Kopf hatte sie auf ihren Armen abgelegt, während ihre Arme sich auf dem Tisch in Devras Stube abstützten. Devra war vorsichtig, als sie Alena die Striemen säuberte, aber dennoch brannte es höllisch. Alena hörte Devra immer wieder seufzen und immer wieder murmelte sie etwas vor sich her, das Alena bei ihren Schmerzen aber nur halb mitbekam. Immer wieder fragte sie sich, was sie denn falsch gemacht hatte? War es nicht richtig gewesen, dem kleinen Jungen zu helfen? Er war doch vielleicht gerade mal fünf Jahre alt gewesen, lebte sicherlich auf der Straße, vielleicht hatte er auch keine Eltern mehr. Wegen eines Apfels hatte man ihm das angetan. Alena schüttelte den Kopf. Sie verstand es nicht.

Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und tropfte auf den Tisch. Ihre Eltern hatten ihr immer gesagt, dass man anderen helfen musste, soweit man eben konnte. Und das würde sie. Das Knarren der Tür ließ sie träge ihren Kopf heben.

„Was wollt Ihr hier?“ Devra hatte das mittlerweile rote Tuch in die Wasserschale zurückgelegt und sich erhoben. Sie schien alles andere als erfreut. „Es ist unhöflich, in andere Häuser ohne Erlaubnis einzutreten“, meckerte sie weiter, ohne jegliche Angst vor dem Assassinen.

„Geh beiseite, Weib.“ Der Assassine trat vollends ein und schloss die Tür, ehe er die Kapuze von seinem Kopf zog.

„Doran“, zischte Alena, da sie gerade eine weitere Schmerzenswelle durchflutete.

„Zeig her, Weib.“ Der Assassine trat hinter sie, strich ihr vorsichtig das Haar beiseite und betrachtete die Striemen. „Faruk hat wie immer ganze Arbeit geleistet.“

Alena seufzte. Das hatte sie auch bereits festgestellt. Devra schnaubte. „Man muss auch nicht sofort zu solchen Methoden greifen, Assassine.“ Aus ihrem Mund hörte sich das Wort wie eine Beleidigung an.

„Schweig, Weib!“, meinte er herrisch und hob dabei die Hand. Alena konnte sich jedoch nicht wirklich vorstellen, dass er ernsthaft dazu fähig gewesen wäre, Devra zu schlagen. Und das tat er auch nicht. Er ließ die Hand wieder sinken und drehte sich erneut mit einem fragenden Gesicht zu Alena herum. „Kannst du laufen?“

Alena nickte. Wenn es sein musste, würde sie es sicherlich schaffen.

„Dann komm.“ Doran zog sich seine Kapuze über den Kopf.

„Wohin?“, fragte Devra und stellte sich dem Assassinen in den Weg. Es war wirklich nett von ihr, sich solche Sorgen um sie zu machen.

„In die Burg, Weib. Dort kann ich sie besser verarzten.“

Alena lächelte Devra an. „Schon in Ordnung. Wir sehen uns morgen“, meinte sie, als Devra Alena einen fragenden und ebenso besorgten Blick zuwarf.

„Ich erwarte dich dann morgen, Alena.“ Die Nachricht dahinter war für jeden verständlich gewesen. Kommst du morgen nicht, mache ich mir Sorgen und werde zu dir kommen. Alena nickte. Devra brauchte sich keine Sorgen machen. Etwas Schlaf würde sie sicherlich schnell wieder gesund machen. Sie brauchte nur etwas Ruhe und vielleicht einen sauberen Verband.

Kapitel 12 – Fieberträume

Kapitel 12 – Fieberträume
 


 

Sie war froh, dass Doran ihr den Weg hinauf auf die Burg half, denn alleine wäre sie wohl doch nicht so weit gekommen, wie sie zunächst angenommen hatte. Auch die Schmerzen schienen immer schlimmer anstatt besser zu werden. Ihr Griff klammerte sich stärker in Dorans weißes Gewand. Den kleinen steinigen Hügel hinauf zum Burgtor war wohl das Schlimmste des ganzen Weges. Alena konnte nicht verhindern, dass sie schmerzhaft aufkeuchte und in die Knie ging. Sie konnte nicht mehr!
 

Nur dank Doran prallte sie nicht hart auf den Steinen auf. „Gleich hast du es geschafft.“ Seine Stimme drang beinahe wie ein Flüstern zu ihr herüber. „Nein“, sie schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht mehr.“ Und das meinte sie vollkommen ernst. Ihre Umgebung drehte sich bereits und mittlerweile wurde sie immer mal wieder dunkel. Auch Dorans Worte hörte sie nur aus einem dichten Nebel zu ihr durchdringen. Sie spürte seine eine Hand um ihre Hüfte, während die andere ihren Oberarm hielt. Sein Gesicht, das unter der Kapuze nur halb hervorschaute, verzerrte sich und verschmolz mit der Umgebung. Seine nächsten Worte bemerkte sie nicht mehr, denn abermals verdunkelte sich ihre Umgebung und wurde nicht mehr heller. Ihr Körper erschlaffte und nur wegen Doran fiel sie nicht zu Boden. Dass sie von dem Assassinen hochgehoben und zur Burg getragen wurde, daran würde sie sich nicht mehr erinnern, wenn sie wieder erwachte.
 

Das Nächste was sie erst wieder bemerkte, war der kühle Lappen auf ihrer Stirn. Leise Stimmen drangen an ihr Ohr und schienen sich zu unterhalten. Außerdem fühlte sie unter ihren Fingern Stoff. Sie schien auf dem Bauch zu liegen. Ihre Augenlider flatterten, ehe sie es schaffte, die Augen zu öffnen. Das erste was sie sah waren Doran und Altair, die an der Wand gelehnt mit herunter gelassener Kapuze sich leise unterhielten. Alena bewegte sich nur ein kleines bisschen, um auf der Seite zu liegen, doch sofort verstummte das Gespräch und die beiden Männer sahen zu ihr herüber. Schwer atmend schlug sie die Decke beiseite, die über ihrem Oberkörper lag. Ihr war so warm! Ein Schatten über ihr ließ sie langsam den Blick heben. Aus glasigen Augen sah sie zu dem anderen auf. „Lass die Decke, wo sie war“, bestimmend breitete der Assassine wieder die Decke über ihr aus. „Warm“, raunte sie mit rauer Stimme. Altair sah zu ihrem Gesicht auf. „Du hast Fieber, Weib“, war seine knappe Erklärung dazu. „Ich hole dir etwas Suppe.“ Doran, der noch immer an der Wand gelehnt stand, wartete bis Altair das Zimmer verlassen hatte, ehe er sich von der Wand abstieß und an das Bett heran trat.

„Wir müssen deine Wunden versorgen, sonst entzünden sie sich noch schlimmer.“ Erst jetzt bemerkte Alena, dass er eine dunkle Schale in den Händen hielt, in der sich eine braune zähflüssige Salbe befand. Sie nickte, zu protestieren oder diskutieren hätte sie zurzeit einfach nicht geschafft. „Danke“, sagte sie stattdessen und schloss die Augen. Sie hörte das Rascheln von Stoff, als Doran sich an ihr Bett kniete. Sie spürte die Kühle, die ihren Rücken streifte, als er die Decke beiseite schlug. Ihr Gewand war noch immer vom Nacken bis hinunter zum Rücken aufgerissen, so war es ein leichtes für Doran, die Salbe auf ihren Wunden zu verstreichen.

Alena krallte sich keuchend in das Kissen unter ihr, als die kühle Creme ihren Rücken berührte. „Doran“, keuchte sie vor Schmerzen. Die Creme, die anfangs angenehm kühl war, wurde langsam immer wärmer. Was war das? Instinktiv wollte sie sich erheben und von Doran wegrutschen. „Liegen bleiben, Weib!“, meinte er bestimmend und drückte sie zurück auf das Bett.

Sie war mehr als froh, als Doran die Schale endlich beiseite stellte. Immer mehr verschwamm die Umgebung um sie herum. Ob das nun an der Salbe lag oder nicht, vermochte sie nicht zu sagen. Die Wärme, die von ihrem Rücken ausging, breitete sich langsam in ihrem ganzen Körper aus. Schwärze umfing sie, als sich ihre Augen schlossen.
 

Sie schlief bereits, als er wiederkam. Lautlos stellte er die Schale mit der Suppe beiseite. Doran lehnte an der Wand dem Bett gegenüber. Ohne ihn weiter zu beachten, kniete er sich neben die schlafende junge Frau. Sie war anders. Jedes andere Weib hätte geheult und geschrien. Sie jedoch verzog lediglich das Gesicht und versuchte, so wenig wie möglich zu jammern. Aber dumm war sie, wie es jede Frau war. Hätte sie sich nicht eingemischt, dann müsste sie nun nicht mit Fieber hier liegen.

„Faruk hat ganz schön zugeschlagen“, ertönte Dorans leise Stimme neben ihm, was Altair einfach nur mit einem Nicken quittierte. Ja das hatte er. Es war bekannt, dass er etwas gegen Alena hatte. Sie selbst hatte ihm ebenfalls schon gesagt, dass Faruk etwas gegen sie hatte. Ein Grund mehr für sie, sich nicht einzumischen.

Schweißperlen glitzerten auf ihrer Stirn, die Hände hatte sie noch immer verkrampft in das Laken gekrallt.

Seufzend beugte er sich vor, drehte sie vorsichtig so, dass er ihren Oberkörper in eine senkrechte Position bringen konnte. Mit seinem Arm und Oberkörper hielt er sie aufrecht, während er mit seiner freien rechten Hand nach der Schale griff. Sie schien nicht einmal richtig wahrzunehmen, was gerade passierte. Ihr Kopf ruhte an seiner Brust. Sachte rüttelte er sie, wartete bis sie ihre Augen öffnete. „Was…?“ Ihre Stimme war nicht mehr als ein Krächzen. „Trink.“ Die warme Brühe würde ihr helfen, wieder zu Kräften zu kommen. Die Hälfte trank sie, ehe sie ihm mit einem Kopfschütteln signalisierte, dass sie nichts mehr haben wollte. Dann war sie auch schon wieder in den unruhigen Schlaf abgedriftet. Doran übergab Altair einen kühlen Lappen für ihre Stirn. „Ich werde nach Azrael schicken lassen. Nicht dass sie uns noch wegstirbt“, meinte er mit einem kurzen Blick auf Alena. „Tut das, Bruder.“ Doran nickte, ehe er leise wie ein Schatten die Kammer verließ.

Er selbst könnte auch gehen, immerhin schlief sie und er war nicht für sie verantwortlich. Und dennoch, er konnte sie nicht so einfach alleine lassen. Al Mualim verweigerte, ihm in nächster Zeit einen Auftrag zu geben. Auch große Männer brauchen gelegentlich etwas Ruhe. Völliger Blödsinn – nur wenn er tötete, konnte er sein was er war. Seufzend fuhr er sich mit einer Hand über das Gesicht.

Seinen Rang als Assassine hatte er soweit wiederhergestellt. Noch einmal würde ihm ein solch schwerwiegender Fehler nicht passieren. Dafür würde er sorgen.
 

Als sie ihre Augen öffnete, war das Erste, das sie sah, die Kerze, die auf einem kleinen Tisch etwas weiter weg neben dem Bett stand, auf dem sie lag. Wie lange hatte sie geschlafen? Einen Tag? Ein paar Stunden? Sie wusste es nicht, nur dass es draußen bereits dunkel war. Langsam wanderte ihr Blick durch die Kammer. Sie war etwas erfreut, als sie bemerkte, dass niemand anwesend war. Niemand sollte sie so sehen.

Krächzend stemmte sie sich in eine sitzende Position, auch wenn ihr Rücken unangenehm pochend protestierte. Gedankenverloren fuhr sie mit einer Hand über ihren Oberarm. Sie hatte einen seltsamen Traum. Altair war in ihrem Zimmer gewesen und hatte sie gepflegt. Hin und wieder hatte er mit seiner Hand über ihr Haar gestreichelt – oder auch über ihren Arm. Unsinn, schalt sie sich selbst. Warum sollte er das auch tun? Sie kannte ihn nicht und er sie nicht. Aber ein schöner Traum war es trotzdem gewesen und es war, als könnte sie seine Berührung noch immer auf ihrem Körper fühlen.

Sie sehnte sich nach jemandem, der sie einfach mal in den Arm nahm, sie tröstete und stärkte. Ihre Familie war bisher ihr einziger Halt gewesen, doch diese wurde ihr genommen. So wie ihr alles genommen wurde. Leicht schwindelte es ihr, als sie sich vollends erhob. Mit einer Hand musste sie sich an der kühlen Wand abstützen. „Was tust du da, mein Kind?“

Überrascht hob sie den Kopf. Eine Bewegung, die sie vielleicht besser gelassen hätte, denn wieder begann sich die Kammer um sie herum zu drehen.
 

Azrael trat vollends in die kleine Kammer ein. Dicht gefolgt von Altair, der seine Kapuze wieder einmal tief ins Gesicht gezogen hatte. Mit zusammengefurchten Augenbrauen betrachtete er das Weib. Was tat sie da? Wie dumm konnte ein Weib eigentlich sein? Wütend darüber, dass sie so leichtfertig handelte, trat er an dem Heiler vorbei und packte sie unsanft an den Schultern. Die beschwichtigenden Worte des alten Mannes ignorierte er. Bestimmend drückt er Alena wieder zurück auf das Bett, ihre mehr als schwache Gegenwehr bemerkte er nicht einmal.

„Altair“, erst als Azrael den Assassinen am Arm packte, ließ dieser von Alena ab. „So tut ihr dem Mädchen sicherlich keinen gefallen.“ Schnaubend blickte der Assassinen unter seiner Kapuze zu dem Heiler herüber. „Ich denke, das geht Euch nichts an.“ Der alte Heiler lächelte kurz. „Ich denke schon. Immerhin bin ich wegen ihrer Gesundheit hierher geschickt worden.“ Damit ließ er Altair stehen und wandte sich an Alena, welche noch immer leicht perplex auf dem Bettrand saß. „Wie fühlst du dich?“ „Gut“, ihre Stimme klang noch immer rau und belegt.

Der Heiler nickte, ehe er ihr eine Hand auf die Stirn legte und ihre Augen untersuchte. „Das Fieber scheint besser zu werden. Nun lege dich doch bitte hin.“ Alena gehorchte ohne Widerworte. Konzentriert begutachtete Azrael die Striemen auf ihrem Rücken. „Du solltest dich noch einige Tage schonen“, riet er Alena dann, die jedoch prompt den Kopf schüttelte. „Ich kann nicht“, flüsterte sie heiser.

Azrael sah zu Altair herüber. „Ihr solltet dafür sorgen, dass sie sich nicht anstrengt, Altair.“ Der Assassine nickte lediglich. „Ich lasse noch eine Salbe hier, aber mehr kann ich leider nicht tun. Gegen das Fieber muss sie selbst kämpfen.“
 

Alena erschrak leicht, als Altair plötzlich in ihrem Sichtfeld erschien, hatte sie doch angenommen, er hätte zusammen mit Azrael die Kammer verlassen. Unschlüssig sah sie zu ihm auf, ehe sie rasch wieder weg sah. „Hast du Hunger?“ Altairs dunkle, raue aber nicht unangenehme leise Stimme verschaffte ihre eine Gänsehaut. „Nein. Danke.“ Der Assassine ließ sich an der Wand neben dem Bett in die Hocke gleiten. „Du solltest schlafen.“ Alena nickte. Ja, das sollte sie vielleicht tun, immerhin konnte sie es sich nicht leisten, krank zu sein. Es graute ihr vor Al Mualim, und dem was er mit ihr tun könnte, wenn er dachte sie sei kränklich. Ob er sie töten würde? Eines Tages, wenn sie ihm eine Last wurde?

Kopfschüttelnd schloss sie die Augen. Sie hoffte nicht.

Altair wartete, bis ihre Atmung ebenmäßig war. Erst dann wandte er den Blick, den er zuvor starr auf die Tür gerichtet hatte, zu Alena. Das Fieber schien langsam besser zu werden, was man von den Striemen auf dem Rücken jedoch nicht behaupten konnte. Sicherlich würde sie einige Narben davontragen, die man jedoch nicht stark sehen würde, vorausgesetzt sie würde sich in den nächsten Tagen noch schonen. Pflichtbewusst war sie, aber wieso schien sie so vernarrt in die Arbeit zu sein? Sie sollte froh sein, das man ihr einige Tage der Ruhe gönnte.

Seine Hand strich wie von selbst eine ihrer Haarsträhnen zurück, die ihr ins Gesicht gefallen waren. Die Tür schwang leise quietschend auf, sodass Altair rasch seine Hand zurückzog. Gefühlsduseleien konnte er sich nicht leisten.

Altairs Augenbrauen zogen sich nachdenklich zusammen, während er Doran knapp zunickte. Der Assassine schien sehr besorgt um Alena zu sein. Generell verbrachte er viel Zeit in ihrer Nähe und aus irgendeinem unerfindlichen Grund störte ihn das. Es war absurd, aber es störte ihn. Doran war es auch gewesen, der Alena auf die Burg gebracht hatte. Etwas an dem Anblick der bewusstlosen Frau in den Armen seines Bruders hatte ihn wütend gemacht. Doran sollte sie nicht berühren, sie am besten nicht einmal zu lange ansehen. Der Gedanke, dass sie sich vielleicht sogar gut verstanden, wenn sie alleine waren machte ihn rasend.
 

Kopfschüttelnd erhob er sich und verschwand widerwillig aus der Kammer. Ein Stunde Training war genau das, was er jetzt brauchte. Langsam schien er verrückt zu werden. Er würde warten, bis Doran sich schlafen legte, erst dann würde er noch einmal nach Alena sehen. Er musste einfach wissen, wie es ihr ging. Wütend auf sich selbst begann er im Hof eine lange Reihe von Schwertabläufen.

Kapitel 13 – Ungewiss

Kapitel 13 – Ungewiss
 


 

Bleierne Schwere hatte sich über ihre Muskeln gelegt. Selbst das heben der Augenlider fühlte sich tausendmal schwerer an wie sonst. Doch es waren nicht ihre schmerzenden Muskeln die sie geweckt hatten, sondern das Geräusch der Türe gefolgt von beinahe lautlosen Schritten. Ihre Augen, die noch immer matt und getrübt waren, sahen verschlafen zu dem eintretenden Assassinen empor. Beinahe mechanisch setzte sie sich prompt auf und spannte sich an.

Da die Kapuze tief ins Gesicht gezogen war, konnte Alena nicht wissen wer vor ihr stand. Doran? Altair? Faruk? Oder jemanden den sie überhaupt nicht kannte? Ihre Finger krallten sich in den kratzigen Stoff der Decke. Ihre braunen Augen huschten nervös hin und her. Der Assassine selbst trat ruhig an den kleinen Tisch heran und stellte eine Tasse darauf ab. „Trink das!“, er deutete unnötigerweise auf den dampfenden Inhalt der Tasse.
 

Alena nickte, machte jedoch keine Anstalten aus dem Bett hervor zu kommen. Die Stimme des Mannes war ihr gänzlich unbekannt. „W-werde ich.“ Der Assassine nickte, kehrte auf dem Absatz um und verschwand wieder. Erst als das Schloss der dicken Holztür zugefallen war, wagte sie es sich langsam zu erheben. Ihr Rücken schmerzte. Sie mochte sich nicht vorstellen wie dieser wohl aussah.

Und wahrscheinlich mochte es sich auch sonst niemand wirklich anschauen. Alena zog scharf die Luft ein, als ihr Rücken bei einer falschen Bewegung heftig protestierte. Es brannte und zog. Wie oft sie Faruk dafür schon in die Hölle gewünscht hatte wusste sie nicht. Vorsichtig griff sie nach der Tasse und umschloss diese mit beiden Händen. Die eigentlich warme Tasse fühlte sich in ihren kalten Händen heiß an, aber dennoch nicht unangenehm. Sachte pustete sie auf den Inhalt, damit dieser sich etwas abkühlte, ehe sie das Gefäß an ihre Lippen setzte, die rau und spröde waren. Jedoch war das Schwindelgefühl, das sie gestern immer wieder befallen hatte, verschwunden. Sie sah überrascht auf, als die Tür ein weiteres Mal auf ging.
 

Er stocke im Türrahmen. Er war überrascht. Er hatte nicht erwartet, dass sie bereits wach war. Das Fieber gestern war schlimm gewesen, weswegen er angenommen hatte das sie sich noch etwas ausruhen würde. Zäh war dieses Weib, das stand wohl zur Gänze außer Frage. Einen Moment noch verharrte er an der Tür, froh darüber das sie sein Gesicht zu diesem Augenblick nicht erkennen konnte. Langsam trat er gänzlich in die kleine Kammer ein und ließ die Tür ins Schloss fallen. Das Bündel aus Stoff, das er in der rechten Hand hielt legte er sachte neben der Schale mit dem Wasser auf dem Boden ab. „D-danke.“

Er nickte, sah ihre Verunsicherung. So ging es den meisten Menschen die auf ein Mitglied der Bruderschaft trafen. Allerdings und er wusste nicht ob ihn das stören sollte, schien dieses Weib nicht generell vor jemanden wie ihm Angst zu haben. Kurz musste er den Kopf schütteln als er daran dachte, das sie wohl keine Ahnung hatte was er alles getan hatte, was die Bruderschaft tat. Wofür sie standen. Selbst ob sie es verstehen würde, wenn sie es wüsste wäre fraglich. Das taten die meisten nicht, nur wenige schlossen sich wegen derselben Überzeugung an.
 

„Lass mich deinen Rücken sehen.“ Seinen geschulten Augen entging nicht, dass ihre angespannte Körperhaltung sich lockerte. Schweigend betrachtete er sie dabei, wie sie die halbleere Schale auf dem Tisch abstellte und ihm aus den Augenwinkeln immer wieder einen Blick zu warf. Ebenfalls bemerkte er ihr zögern, bevor sie sich mit dem Rücken zu ihm auf das Lager setzte und ihr Kleid von den Schultern gleiten ließ. Die Decke hatte sie sich geschnappt und hielt sie schützen vor ihren Oberkörper. Altair schüttelte den Kopf. Lautlos trat er an die junge Frau heran. Seine von der Sonne gebräunten, leicht rauen Finger strichen vorsichtig über ihren Rücken.
 

Kurz schloss sie die Augen, als seine Finger ihre Haut berührten. Wie schlimm es wohl aussah? „Ich werde dir noch einmal die Heilsalbe auftragen.“ Sie nickte, umklammerte die raue Decke noch fester. Ihre Haare hatte er in einer einzigen Bewegung beiseite gestrichen, sodass sie ihr nun über die Schulter nach vorn fielen. Die unangenehme kühle, die die Salbe auf ihrer Haut auslöste, wandelte sich schon bald in unangenehme Hitze um. Dennoch unterdrückte sie den zischenden Laut der ihr am liebsten über die Lippen gekommen wäre.

„Al Mualim will dich sehen.“ Augenblicklich versteifte sie sich. Das Zittern das ihren Körper daraufhin erfasste war beinahe unerträglich. Was konnte dieses Monster von ihr wollen? Alena sah schon ihre schlimmsten Befürchtungen Wahrheit werden. Was sollte er auch mit einer kränklichen Frau anstellen? Sie war eben nichts wert. Dennoch nickte sie schließlich. „J-ja.“, ihre Stimme nicht mehr als ein krächzen. Altair trat einige Schritte zurück.
 

„Ich warte vor der Tür.“ Erst als ein weiteres mal das Geräusch der Tür verklungen war, drehte Alena sich noch immer sitzend um. Sie bemerkte selbst wie ihre Hände zitterten als sie nach dem Lappen griff, der in der Wasserschale lag und sich dürftig wusch. Das alte schlichte Gewand ersetzte sie durch das neue, ebenfalls einfache Leinengewand.
 

Kurz schloss sie die Augen als sie auf den Flur hinaus trat. Wie der Weg zur Hinrichtung, genauso fühlte es sich an. Der Assassine – Altair - der neben der Tür an der Wand gelehnt hatte, stieß sich von den Steinen ab. „Komm.“ Alena wäre am liebsten geflüchtet, irgendwohin Hauptsache sie konnte dem entgehen was auch immer nun auf sie zukommen würde. Altair führte sie die mittlerweile vertrauten Gänge entlang und bog dann in einen Gang ab, der wie sie wusste zur Bibliothek führte.

Dorthin wo Al Mualim sich meistens aufhielt. Seit dem letzten mal hatte sich das Bild, das sich ihr bot nicht verändert. Noch immer standen an den Wänden einige Assassinen, während Al Mualim am Pult saß oder dahinter am großen Fenster stand, wie jetzt. Die schwarze Robe schien die Sonnenstrahlen die darauf trafen gänzlich einzusaugen. Altair verneigte sich, eine Geste die Alena ihm rasch nachtat. „Mein Herr.“, mehr brauchte er nicht zu sagen. Al Mualim wandte sich von dem Fenster ab. Rasch senkte sie ihre Augen auf den Boden. Sie hörte wie der Stoff der Robe über den steinernen Boden schliff als er um das Pult herum trat. Unwillkürlich beschleunigte sich ihr Herzschlag, sodass es beinahe schmerzte.
 

„Wie ich sehe geht es dir nach dem kleinen Zwischenfall schon wieder besser.“ Alena nickte lediglich, ihre Hand krampfhaft in das Gewand gekrallt. Zwischenfall? Wusste er wie sehr Faruk sie zugerichtet hatte? Natürlich wusste er es, schallt sie sich ebenso selbst. Aber es interessiert ihn nicht. „Weißt du Mädchen, ich kann nur fleißige Hände gebrauchen.“ Der Plauderton indem er mit Alena redete, gefiel dieser gar nicht. Sie sah sich schon am Galgen hängen.

„Weißt du was mit jenen passiert die nicht von nutzen sind?“ Al Mualim war mit einem großen Schritt bei ihr, noch während sie nickte. Ja, sie konnte sich denken was passierte. Einen Moment schien er sie zu mustern, soweit sie das erkennen konnte. Seine Hand die daraufhin ihr Kinn anhob, hinterließ ein unangenehmes Gefühl auf ihrer Haut. „Immerhin scheinst du lernfähig zu sein.“ Wie ein Tier bei der Musterung, genauso kam sie sich vor.
 

„Schade das ich hier keine weitere Verwendung für dich habe.“ Sie nickte ein weiteres mal, wartete darauf das er endlich ihr Todesurteil verkünden mochte und hoffte das es nicht Faruk war, der dies vollstrecken würde. Al Mualim entließ ihr Kinn seinem schmerzhaften Griff. „Altair.“, ihr Herz setzte kurz aus. Krampfhaft kämpfte sie die aufkommenden Tränen hinunter. „Mein Herr.“, abermals verneigte er sich, wenn auch etwas zögerlich wie sie fand.

„Ich möchte das du dieses Weib mit nach Jerusalem nimmst, wenn du in den nächsten Tagen deine Reise antrittst. Bringe sie zu Kaya, er wird unterdessen von ihrer Ankunft unterrichtet.“ Alena zitterte noch immer. Würde sie dort sterben? Versklavt werden? Ausgesetzte werden? Wer war Kaya? Was sollte sie dort? Ihr war nicht möglich erleichtert aufzuatmen, auch wenn sie wohl weder heute noch morgen sterben würde. „Wie Ihr wünscht Mein Herr.“ Al Mualim machte eine scheuchende Handbewegung. „Gut, bringe sie zu Devra.“
 

Zügig schritt er voran, blickte aus den Augenwinkeln jedoch immer wieder nach hinten, um zu sehen ob Alena mit ihm mithielt. Das Weib schien in Gedanken, er konnte es ihr nicht verübeln. Andererseits glaubte er nicht das sie sterben würde, dafür hätte Al Mualim ansonsten auf der Stelle Sicherheit getragen. Altair klopfte einmal gegen die Holztür und trat ohne abzuwarten ein. Devra, die am Tisch saß und kaputte Kleidung nähte sah überrascht auf, lächelte jedoch als sie Alena erblickte. „Wie schön das es dir besser geht. – Was ist?“ Devra musterte Alenas verkrampfte Körperhaltung. „Ihr solltet euch verabschieden.“
 

„Alena?“ Devra erhob sich eilig. „Was meint er?“, sie deutete auf die Tür, durch die der Assassine verschwunden war. „I-ich muss gehen. In einigen T-tagen.“ „Setz dich.“, Devra zog sie mit zu den Stühlen. „Wohin?“ „Jerusalem.“ Devra nickte, auch wenn sie nicht wusste was in Jerusalem sein sollte. Schließlich war sie nur für das waschen der Wäsche verantwortlich. Alena griff nach einem Kleidungsstück, Faden und Nadel.

„Du musst nicht..“ „Ich möchte mich noch etwas nützlich machen und dir helfen.“ Eigentlich wollte sie sich nur etwas ablenken. Sie würde also nach Jerusalem reisen, mit Altair. Dort würde er sie zu einem Mann namens Kaya bringen. Nur was würde dann sein? Wer war Kaya? Damals war sie auf dem Weg nach Jerusalem gewesen, als ihr Vater sie wegschickte und sie mitten in der Wüste von den Assassinen eingefangen worden war. Und nun würde sie wieder die Reise nach Jerusalem antreten.

Wenn es alles nicht so beängstigend für sie gewesen wäre, hätte sie wohl gelacht. Wäre sie damals in der Wüste einfach gestorben. Beinahe in Rekordzeit flickte sie ein Loch nach dem anderen. Devra selbst sah immer wieder auf und schüttelte mitfühlend den Kopf. Auch ihr schmerzte es, das Alena Masyaf verlassen würde. Mit der Zeit war sie eine gute Freundin und Vertraute geworden. Außer ihr kannte niemand die Geschichte mit ihrem Mann, außer den Assassinen selbst natürlich.
 

Seufzend kniete sie sich am Ufer des Flusses nieder. Das Flicken der Wäsche war getan, nur zur Burg zurück wollte sie auch nicht. Stattdessen saß sie da und blickte auf die von letzten Sonnenstrahlen glitzernde Wasseroberfläche. Ihre Finger glitten immer wieder ins Wasser und spielten damit. Erst lautlose Schritte ließen sie aufstehen. „Faszinierend dieses glitzern, nicht?“ Alena nickte. Ja, das war es. Der Assassine trat neben sie, blickte jedoch weiterhin einige Minuten auf die Wasseroberfläche.

„Ihr werdet morgen früh bei Sonnenaufgang abreisen.“ „Ja.“, flüsterte sie auch wenn sie am liebsten geschrien hätte. „Wir sollten essen gehen.“ Abermals nickte sie. „J-ja.“ Der junge Mann, der seine Kapuze nach hinten gezogen hatte lächelte sie flüchtig an. „Dann komm.“ Alena hielt ihm am Ärmel noch einmal auf, als er sich umdrehen wollte. „Danke. Doran.“
 

Das Essen bekam Alena nur am Rande mit. Vielmehr war sie damit beschäftig einfach nur da zu sitzen und auf die dunkle Tischplatte zu starren. „Du solltest etwas essen, Weib.“ Altair, der neben der verstörten jungen Frau saß, musterte sie. Sie schien blasser als sonst zu sein. Er schüttelte den Kopf. Was ging ihn das an? Morgen würde er sie mitnehmen und im Assassinenbüro absetzen, danach ging sie ihn nichts mehr an. Danach hatte sie in seinen Gedanken nichts mehr zu suchen. Dies zumindest redete er sich ein.

„Gehe früh nächtigen.“, Altair erhob sich. Er selbst musste bevor er sich zu ruhe legte, die Pferde für morgen vorbereiten. Alena sah ihm nach und seufzte. Sie wollte nicht gehen. So ungläubig es sich anhören mochte, so hatte sie dich doch an die Tage hier gewohnt. Hatte sich an Devra gewöhnt, die mehr war als eine Freundin. Und irgendwie wollte sie das alles hier nicht missen.
 


 

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Vierzehntes Kapitel – Jerusalem

Vierzehntes Kapitel – Jerusalem
 


 

Dunkelheit lag über der Wüste, sodass selbst die eigentlich hellen Sandkörner eher dunkelgrau erschienen. Der Himmel war von einem intensiven dunklen blau, der nur von einigen Sternen beleuchtet wurde. Eben jene Sterne waren das einzige was die Dunkelheit etwas erhellte. Wenn man genau hinsah, konnte man schwarze Silhouetten erkennen, die rasch über die Ebene hinweg liefen.

Die schwarzen Pferde verschmolzen perfekt mit der Nacht, genau so wie es gedacht war. Die Reiter der Pferde hüllten sich in schwarze Kapuzen Umhänge, sodass auch sie mit dem Schwarz der Nacht eins wurden. Bei eben jenen Reitern handelte es sich um niemand anderen als Alena und Altair. Während der Assassine vorneweg ritt, war Alena etwas hinter ihm.

Mitten in der Nacht war er in ihrer Kammer aufgetaucht. Sie hatte sich fast zu Tode erschrocken als sich plötzlich eine Hand über ihren Mund gelegt hatte. Es hatte einige Minuten gedauert bis sie realisierte wer vor ihr stand und warum. Die ganze Burg schien noch zu schlafen außer Altair.

Alena war das nur recht. Auf die Blicke der anderen Assassinen konnte sie verzichten. Und auf deren Anführer erst recht. Altair führte sie auf direktem Weg auf den Hof, auf dem schon die beiden Pferde auf sie warteten.

„Kannst du von alleine aufsteigen?“, hatte er sie mit ruhiger Stimme gefragt, woraufhin sie prompt nickte. Natürlich schaffte sie das!

„Gut.“ Altair schwang sich in einer einzigen fließend eleganten Bewegung auf das Pferd und sah sie abwartend an. Nun zugegeben, Alena gelang dies nicht ganz so elegant, aber dennoch beim ersten Anlauf. Sie konnte wegen der Weißen Kapuze nicht sehen, ob er das Gesicht verzog.

„Zieh das an.“ Altair reichte ihr einen schwarzen Umhang und zog sich selbst ebenfalls einen über. Danach war er los geritten, während Alenas Pferd dem anderen folgte.
 

Alena hatte sich schon bald den Umhang enger um den Körper geschlungen, da es verdammt kalt in der Wüste war. „Wir machen eine Rast bei der nächsten Oase. Wir sollten sie gegen Sonnenaufgang erreichen.“ Alena nickte stumm. Bis Sonnenaufgang würde es sicherlich noch zwei Stunden dauern. Es sollte ihr nur recht sein. Sie musste es sowieso so hinnehmen wie es kam.

Sie hatte schnell begriffen das man sie nicht fragen würde was sie wollte. Das hatte ihr Vater nicht. Das würde Altair nicht und Al Mualim war dies erst recht egal. Eine Antwort blieb sie Altair schuldig. Ihr war nicht wirklich nach reden zumute.

Zu sehr beschäftigte sie noch immer die Fragen was wohl mit ihr passieren würde. Was sie erwarten würde? Ihr Pferd wieherte leise, als sie ihm sachte über den Hals strich.

Alena beobachtete wie die beiden Pferde gierig von dem hellen sauberen Wasser der Oase tranken, die in einem kleinen Tal lag. Einige Pflanzen wuchsen an den Seiten der Oase und selbst Blumen die Alena noch nie gesehen hatte wuchsen dort. Die Sonne war seit knapp einer Stunde aufgegangen und die Wärme konnte man schon deutlich spüren. Dennoch wurde sie von Altair belehrt den schwarzen Umhang nicht abzulegen, da sie so einem Sonnenstich entkam. Alena nickte ohne ihren Blick von den Pferden zu nehmen. Sie sah erst kurz zu dem Assassinen auf, als sich dieser in einigem Abstand neben ihr setzte.

„Hier. - Iss.“ Alena nahm dankend das Stück Brot und den Käse entgegen. Anstatt jedoch zu essen, drehte sie das Brot nachdenklich in ihren Händen.

„W-was erwartet mich in Jerusalem?“ Sie konnte aus den Augenwinkel sehen wie Altair zu ihr herüber sah. Sie konnte sich vorstellen wie seine dunklen Augen sie gerade durchdringend anblickten.

„Du wirst dort erst einmal im Assassinenbüro untergebracht.“ Alena nickte unzufrieden. Altair hätte ruhig etwas ausführlicher Antworten können, aber sie würde sich nicht die Blöße geben noch einmal zu Fragen.
 

„Steige von deinem Pferd ab und gehe durch das Stadttor, warte dort am Brunnen auf mich.“ Alena blickte fragend zu Altair herüber. Wieso sie? Kam er nicht mich? Alena blickte von dem Berg auf dem sie standen hinunter, von wo sie die Mauern der Stadt sehen konnten. „In Ordnung.“ Altair nickte.

„Dann geh.“ Alena ritt mit gemischten Gefühlen den Weg hinunter. Es war das erste mal das sie seit die Assassinen sie gefunden hatten, alleine unterwegs war. Alena blickte zurück. Sie konnte Altair nicht mehr sehen, war sich dennoch sicher das er irgendwo in ihrer Nähe war. Er würde es nicht riskieren das sie womöglich abhaute. Sie wusste auch das sie keine Chance gegen ihn haben würde. Vielleicht konnte sie fliehen, wenn sie erst einmal etwas in Jerusalem war. Wenn man ihr dort vielleicht etwas vertraute, wenn man sie vielleicht alleine ließ.

Die Soldaten bedeutete ihr das sie von ihrem Pferd absteigen musste. Pferde waren in der Stadt nicht geduldet, sie wurden außerhalb der Mauern in den Pferdeställen untergebracht. Alena nickte und glitt von dem schwarzen Pferd um es an einem der Balken festzubinden. Danach durfte sie unter misstrauischen Blicken das Tor passieren. Kurz schloss sie die Augen.

Das rege Treiben auf den Straßen, die Leute die alle durcheinander redeten, all das ließ sie leicht lächeln. Es war ganz so wie früher. Nur das sie keine Familie und kein Zuhause mehr hatte. Alena ließ sich auf eine der Bänke nieder, die um den großen Brunnen standen und wartete. Sie betrachtete lächelnd die spielenden Kinder, die Mütter die ihrer Arbeit nachgingen und die älteren Männer die sich über vergangene Zeiten unterhielten.

Seufzend wandte sie ihren Blick ab. Sie würde nie eine Mutter sein, nie Kinder haben und nie einen Ehemann haben der sich mit einem guten Freund über die Vergangenheit unterhielt. Leben ist nicht gerecht, sondern hart, dass hatte ihr Vater ihr immer gesagt aber erst jetzt merkte sie wie recht er doch hatte. Alena blickte auf als sich jemand neben sie setzte.

Die Arme auf den Beinen abgestützt und den Kopf gesenkt. Laute rufe ließen sie wieder aufsehen. Einige Soldaten rannten hektisch von rechts nach links und schienen etwas zu suchen. Alena blickte wieder zu Altair herüber. „Sind sie weg?“, fragte er nach einer Weile und hob den Kopf erst als Alena nach einem kurzen Blick über die Straßen genickt hatte. „Ja.“ „Gut. - Komm.“
 

Ächzend zog Alena sich an der Wand auf das Dach hoch. Musste sie verstehen wieso sie über die Dächer sprangen, anstatt wie jeder normale Mensch die Straßen zu benutzen. Alena warf ihrem Vordermann einen zweifelnden Blick zu. Ihm schien diese Tortur nichts auszumachen.

„Es ist nicht mehr weit.“ Gut, dachte sie sich und sprang über eine schmale Gasse hinweg auf das gegenüber liegende Dach. Zwei weitere Dächer mussten sie überqueren, ehe Altair vor einer Öffnung im Dach anhielt. Und nun? Altair warf ihr einen kurzen Blick zu, ehe er hinunter sprang und unten auf beiden Beinen landete.

Zweifelnd sah sie hinunter. „Nun komm.“ Altair sah wartend zu ihr auf. Alena nickte und setzte sich an den Rand der Öffnung. Nun hieß es wohl Augen zu und durch. Mit schnell schlagendem Herzen drückte sie sich ab und fiel. Mit einem ersticktem Laut kam sie unten an und wurde von zwei Händen festgehalten, bis sie ihr Gleichgewicht wieder hatte.

„Danke.“ Altair nickte kam merklich und wandte sich um, während Alena ihm schweigend folgte.

„Ah Altair.“ Alena sah zu dem Mann in der schwarzen Kutte, der hinter einer Theke stand. Der Bart reichte ihm bis zum Schlüsselbein, so zumindest schätzte es Alena auf den ersten Blick. „Kaya.“ Altair zog Alena am Handgelenk zu sich.

„Ist das das Mädchen?“, der Schwarz gekleidete musterte sie eingehend. Altair nickte. „Ja das ist sie.“ „Nun gut Mädchen, gehe den Gang dort entlang, das letzte Zimmer rechts. Dort bleibst du bis ich dich hole.“ Alena warf Altair einen raschen Blick zu. Die plötzliche Panik die sie überkam drohte sie Ohnmächtig werden zu lassen. „Nun geh schon.“ Alena schreckte zusammen und nickte hastig, ehe sie sich abwandte und mit schmerzenden Magen sich ihrem Schicksal fügte.

Was die beiden Assassinen wohl beredeten? Ob Altair weg sein würde, wenn sie diese Kammer verlassen durfte? Wie dieser Kaya wohl so war? Alena sah sich aufmerksam in dem Raum um. Er hatte ein Bett, eine kleine Kommode, auf der eine Schale mit klarem Wasser stand und einen kleinen Tisch mit einem Stuhl. Auf eben jenen Stuhl saß sie und blickte vor sich auf die Obstschale. Ihre Finger trommelten ungeduldig auf dem Tisch herum.

Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis sich die Tür öffnete. Erschrocken sprang sie auf. „Ruhig Mädchen.“, lächelte ihr Gegenüber. „Komm.“ Alena folgte ihm in einen anderen Raum, der mit mehreren Betten und einem Schrank bestückt war. Im hinteren Teil des Raums stand ebenfalls ein Tisch mit mehreren Stühlen. „Die Kleidung muss geflickt werden.“ Sie sah auf den Tisch, auf dem sich Hosen und Kutten stapelten. „Wenn du fertig bist räumst du sie in den Schrank und kommst nach vorne.“ Alena nickte und bewegte sich erst als sie hörte wie die Tür ins Schloss fiel.

Seufzend setzte sie sich und begann die Löcher in der Kleidung zu flicken. Ein trauriges Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie daran dachte wie oft sie dies mit Devra getan hatte. Wie viel Spaß sie dabei hatten. Aber hier? Alles war so still, das man bei dem kleinsten Geräusch aufschreckte. Sie würde hier Wahnsinnig werden.
 

Als sie die letzten Hosen in den Schrank geräumt hatte und zögernd den Raum verließ war es schon so dunkel das die Öllampen an den Wänden schon brannten. Ebenso drang Licht aus dem vorderen Raum zu ihr. Leise Stimmen drangen an ihr Ohr, sodass Alena kurz in der Bewegung inne hielt. Sie lehnte neben dem Eingang an der Wand und lauschte. Allerdings waren die Stimmen so leise, das sie kaum etwas verstehen konnte.

Als das Lachen der Männer in dem Raum ertönte, zuckte sie erschrocken zusammen. „Komm ruhig herein Mädchen.“ Alena erstarrte. Woher wussten sie das sie hier war? Alena straffte die Schultern und trat um die Ecke. Altair, der seine Kapuze zurück geschlagen hatte, sah sie aus dunklen Augen an. Auch in Kayas Augen blitzte es amüsiert auf.

„Bist du hungrig? Komm und iss.“ Alena nahm unsicher auf dem ihr zugewiesenen Kissen platz. Zwischen den beiden Männern, war ihr noch unwohler als es ihr sowieso schon war. Alena aß schweigend ihr Essen, sich Altairs Blick durchaus bewusst.

„Du bist also Hasims Tochter.“ Alena verschluckte sich beinahe an dem Stück Obst. Es war so lange her, das sie oder jemand anderes über ihren Vater gesprochen hatte. Schließlich nickte sie unsicher. „War.“ „Bitte?“ Alena schluckte.

„Ich war Hasims Tochter. Er ist tot.“ Kaya nickte verstehend und warf Altair dabei einen nachdenklichen Blick zu. „Verstehe.“ Alena blickte zwischen den beiden Männern hin und her. „Nun dann Hasims Tochter, du solltest früh schlafen gehen.“ „Alena. I-ich heiße Alena.“ „Wie auch immer. - Geh nun in das Zimmer das ich dir zuwies.“
 

Alena lag zusammen gerollt auf dem Bett und starrte an die Wand. Sie wusste nicht wie lange sie schon da lag. Wie spät es wohl war? Seufzend rollte sie sich weiter zusammen und machte sich nicht die Mühe die Tränen wegzuwischen, die an ihren Wangen hinab liefen.

Die Stille die über ihr lag, war drückend und ließ nur noch mehr Tränen in ihr aufsteigen. Sie wollte nicht hier bleiben! Die Gewissheit Altair würde bald gehen und sie würde alleine hier bleiben schmerzte in ihrem Magen. Irgendwie hatte sie sich an ihn gewöhnt. - Der einzige unter all den Assassinen, der ihr nie Gewalt angetan hatte.

Alena schreckte auf, als sie durch den Tränenschleier hindurch einen Schatten bemerkte, der zuvor noch nicht da gewesen war.

„Fürchtest du dich vor mir?“ Alena saß sich eilig auf und wischte sich grob die Tränen weg.

„N-nein.“ Altair trat an ihr Bett heran. Seine dunklen Augen leuchteten in der Dunkelheit, hielten ihren Blick gefangen. Seufzend setzte er sich auf die Bettkante und fuhr sich über das Gesicht. Er schien selbst nicht zu wissen warum er eigentlich hier war. - Bei ihr.

„Versprich mir etwas.“ Bei seiner rauen Stimme zog sich eine Gänsehaut über ihre Arme.

„W-was denn?“ Was sollte er schon von ihr wollen? Altair lächelte leicht.

Der leichte Bart stand ihm wirklich gut.
 


 


 

Tbc..

Fünfzehntes Kapitel - Stadtleben

@Kizame: Vielen lieben Dank für dein Kommi, es freut mich das dir die Stor soweit gefällt und ich anscheinend alles soweit richtig mache.^^ Viel Spaß beim Lesen, es wird sogar zwei neue Kapitel geben.
 

@Yami-No-Yuuki: Auch dir danke ich natürlich herzlich für dein Kommi. Mehr zu lesen gibt es ab jetzt XD, zwei neue Kapitel warten darauf gelesen zu werden. Viel Spaß dabei.
 

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Fünfzehntes Kapitel - Stadtleben
 


 

„Pass auf dich auf und stell nichts dummes an.“

Alena war überrascht und das war wohl auch deutlich auf ihrem Gesicht abzulesen. Altair war nie jemand gewesen der in ihrer Nähe Gefühle gezeigt hatte, sie hatte angenommen das er entweder keine hatte, oder aber das sie ihm einfach egal war.

Deswegen errötete sie etwas als er ihr indirekt damit offenbarte das er sich doch um sie sorgte. Es verwirrte sie und war mehr als Alena sich vorgestellt hatte. Alena´s Hände spielten nervös mit dem Laken, das über ihre Beine lag.

Altair umfasste sachte ihr Kinn, seine Hände sanfter als sie gedacht hatte und hob ihren Kopf an. Seine dunklen Augen schienen sich in ihre zu bohren, hielten ihren Blick gefangen.

„Versprichst du mir das?“ Alena nickte mechanisch.

„Ja, ich verspreche es.“ Altair sah sie noch einen Moment an, wobei sein Blick zweimal kurz auf ihre Lippen fiel und ließ ihr Kinn dann los.

„Gut. Du solltest schlafen. Kaya wird dich sicherlich nicht schonen, aber du brauchst dich auch nicht vor ihm fürchten.“ Altair erhob sich so elegant wie sie es von ihm gewohnt war. Ihr Herz machte einen Hüpfer als er ihre Stirn küsste. Noch nie hatte ein Mann außer ihrem Vater und ihrem Bruder sie geküsst.

„Altair?“ Dieser stand bereits an der Tür und hielt bei seinem Namen inne. „Sehen wir uns irgendwann wieder?“ Irgendwie schmerzte der Gedanke ihn nie wieder zu sehen.

„Möglich.“ Alena nickte, als Altair die Tür öffnete und ging. Die Tränen die in ihr aufstiegen hielt sie krampfhaft zurück.

Möglich. - Das war immerhin kein nein. Alena ließ sich wieder in das Kissen sinken. Seufzend fuhr sie sich durch ihr Haar. Sie sollte nun wirklich versuchen zu schlafen.
 

Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen, als ihre Tür mit einem lauten Knall gegen die Wand donnerte. Erschrocken fuhr sie aus dem leichten Schlaf auf und blickte sich hektisch um.

Alena konnte Kaya in der Tür stehen sehen. Die Arme hatte er vor der Brust verschränkt, jedoch lag ein leichtes Lächeln um seine Lippen. Ihr Herz schlug wieder ruhiger, als sie das Lächeln sah.

„Aufstehen ! Es gibt viel zu tun. Ich erwarte dich Vorne.“

Alena durchquerte noch leicht schlaftrunken den Raum, auf die Kommode zu auf der sich eine Schüssel mit Wasser befand. Sie ging sicher das ihre Kammertür geschossen war, ehe sie das Gewand von ihren Schultern gleiten ließ.

Sie zitterte leicht, als sie den Lappen ergriff, der in dem kühlen Wasser lag. Allerdings roch das Wasser leicht nach etwas das sie nicht bestimmen konnte. Es war frisch und dennoch dezent. Alena ergriff das frische Gewand das gefaltet auf dem Hocker neben der Kommode lag und zog es sich über, ehe sie es vorn zusammenschnürte.
 

Als Alena endlich in den vorderen Raum trat, konnte sie Kaya auf einem der Kissen ausmachen. Auf dem Tisch vor ihm standen mehrere Schalen und Teller mit verschiedenem Essen. Kaya deutete auf eines der weiteren Kissen.

„Nun komm und setze dich. - Ich werde dir schon nichts tun.“, fügte er mit erhobener Augenbraue hinzu als Alena sich immer noch nicht rührte. Alena blickte von dem Tisch zu Kaya, ehe sie sich wieder in Bewegung setzte.

Schweigend aß sie etwas von dem Brot, dem Obst und selbst von der Suppe probierte sie etwas. Hier konnte man immerhin etwas essen ohne gleich von mehreren Augenpaaren angestarrt zu werden, denn Kaya war in seine Pergamente vertieft, die ausgebreitet vor ihm lagen.

Alena sah sich unauffällig in dem Raum um. Gestern hatte sie nicht wirklich auf ihre Umgebung geachtet. Hinter dem Tresen stapelten sich hohe Regal mit Pergamenten und Krügen. In der anderen Ecke war ebenfalls ein hohes Regal, vor dem ein Tisch mit zwei Stühlen stand. Die ganze Einrichtung war aus dunklem Holz gemacht worden.

„Also.“ Alena wandte erschrocken den Kopf, als Kaya´s Stimme plötzlich durch ihre Gedanken schnitt.

„J-ja?“ Kaya maß sie mit einem kurzen musternden Blick. „Wie du sicherlich weißt, wirst du einige Zeit hier verweilen müssen.“ Alena nickte.

„Gut. - Allerdings gibt es einige Regeln und Pflichten die du einzuhalten hast. Immerhin wollen wir gut miteinander auskommen.“ Alena nickte abermals, was wiederum ein kleines lächeln auf Kaya´s Lippen brachte.

„Zu aller erst wirst du aufhören wie ein geprügelter Hund dazusitzen. Solange du nichts anstellst hast du auch nichts zu befürchten vor mir. Verstanden?“ „Ja.“ Kaya strich sich über den langen Bart und nickte zufrieden.

„Gut. Es gibt vier Regeln an die du dich zu halten hast. - Du wirst nicht ohne meine Erlaubnis das Büro verlassen. Du wirst tun was ich sage, wenn ich es sage. Du solltest besser keine Unruhe in der Stadt stiften. Und du wirst ab Sonnenuntergang in deiner Kammer sein, außer ich sage etwas anderes. Da du Halim´s Tochter bist, denke ich du bist nicht allzu blöd um dir das zu merken, oder Mädchen?“

Alena schüttelte den Kopf. Nein diese Dinge konnte sie sich merken und waren auch leicht einzuhalten.

„Sehr schön, dann kommen wir zu deinen Pflichten. Du wirst dir dein Essen und dein Bett verdienen müssen.“ Alena legte den Kopf leicht schief.

„Was meint Ihr?“ Kaya lachte kurz auf, als er ihr ängstliches Gesicht sah. „Nicht das was du denkst, Kind. Du wirst Einkäufe in der Stadt tätigen und nur kaufen was ihr dir sage. Du wirst kaputte Kleidung nähen, für Ordnung sorgen und die Betten der Assassinen herrichten.“ Alena ließ unwillkürlich ihre angespannten Schultern los. „Ja.“
 

Kaya erhob sich und trat um den Tresen herum. Auch Alena erhob sich und betrachtete ihn schweigend als er anscheinend etwas suchte. „Hier.“ Alena nahm die lederne Börse entgegen.

„Darin ist Geld. Gehe auf den Markt und kaufe Lebensmittel und Pergamente, danach kommst du wieder her und versuche erst gar nicht zu fliehen, denn auch in dieser Stadt sind die Assassinen nicht weit und vermutlich bereits von dir Informiert.“

Alena zuckte etwas zusammen, wenn sie daran dachte das überall Mörder herumliefen die sie auf Schritt und Tritt beobachteten. Sie verstaute den Beutel sicher an ihrer Hüfte und machte sich daran durch die Öffnung des Daches zu klettern. Mit etwas Übung sollte dies bald wohl schneller und besser klappen.

Sie genoss es. Sie genoss es in vollen Zügen. Wie lange war es schon her, das sie sich alleine frei bewegen konnte? - Eindeutig zu lang. Gemütlich schlenderte sie durch die Gasse, sog die Gerüche und die vielen Geräusche in sich auf, die sie damals noch als lästig empfand.

Lächelnd sah sie den Kindern nach, die spielend an ihr vorbei liefen. Sie konnte sich noch erinnern als kleines Kind ebenfalls mit den Nachbarskindern gespielt zu haben. Ihr Bruder war mit den älteren Jungen immer in der Nähe gewesen, um notfalls einzugreifen.

Ihr Blick huschte über den großen Marktplatz um die passenden Stände ausfindig zu machen. Auf ihrem geistigen Einkaufszettel standen verschiedene Obst und Gemüsesorten, Reis, Huhn und Baumwolle und Pergamente. Alena packte den Korb in ihrer Hand fester und trat an den ersten Stand, der Reis und Gemüse anbot. Kaya sagte ihr zwar nicht das sie sich beeilen sollte, aber sie wollte seine Gutmütigkeit auch nicht zu weit ausreizen. Die ältere Dame hinter dem Stand lächelte Alena mütterlich an.

„Mein Kind?“, fragte sie und wartete das Alena ihr sagte was sie gerne kaufen möchte. Alena nickte und begann aufzuzählen was sie brauchte, während die alte Dame ihr alles in den Korb tat. „Mehr brauche ich nicht.“ Alena öffnete vorsichtig den Geldbeutel und reichte der noch immer lächelnden Dame das Geld.

„Vielen Dank.“ Alena nickte, nahm den Korb entgegen und wandte sich ab. Das Obst und die Pergament-rollen fand sie ebenfalls rasch.

Allerdings sah sie nirgends einen Stand mit Stoffen. Unsicher drehte sie sich abermals um die Achse. Was sollte sie denn nun machen? Sie konnte nicht einschätzen wie Kaya reagieren würde, wenn sie ohne die Baumwolle zurück kam.
 

„Entschuldigen Sie!“ Alena trat abermals zu der alten Dame, von der sie den Reis und das Gemüse gekauft hatte.

„Mein Kind, kann ich dir doch noch mit etwas behilflich sein?“ „Ich würde gerne wissen, ob ich hier irgendwo Stoffe kaufen kann?“ Einen Moment stand ihr Gegenüber da, mit einem fragenden Gesichtsausdruck, ehe sie entschuldigend lächelte.

„Wir haben nur einen Stoffhändler hier, allerdings ist er nicht immer hier. Da müsstest du morgen wieder kommen, Kindchen.“ Alena nickte. „Danke.“ Seufzend wandte sie sich ab und begab sich zurück in das Assassinen Büro, blieb nur zu hoffen das Kaya nicht allzu böse mit ihr sein würde.

Ächzend zog sie sich an der letzten Häuserwand hinauf. Den Korb stellte sie neben sich ab. Wieso nur war der Eingang auf dem Dach? War dies nicht etwas zu offensichtlich? Alena streckte sich, ehe sie den Korb wieder auf nahm und über die drei Dächer ging, bis sie beim Eingang ankam. Den Henkel des Korbs schob sie sich auf die Arme, damit sie die Hände frei hatte.

„Bin wieder da!“, rief sie halbwegs laut, als sie in den leeren Vorraum trat. „Da bist du ja, Mädchen!“ Alena nickte und reichte ihm den Korb, sowie das Geld.

Kaya reagierte auf die fehlenden Stoffe gelassener als sie zunächst befürchtet hatte. Er zuckte lediglich mit den Schultern und trug ihr auf gleich am nächsten Tag noch einmal auf dem Markt zu schauen ob der Händler anwesend war.
 

Alena beobachte schweigend wie Kaya all die Lebensmittel in einem kleinen Raum abstellte, ehe er sich zu ihr an den Tisch setzte.

„Irgendwelche Zwischenfälle?“ Rasch schüttelte sie den Kopf. „Nein.“, immerhin war sie kein kleines Kind mehr das in jeden Fettnapf trat.

„Gut. - Anscheinend bist du doch nicht so nutzlos wie Meister Al Mualim schrieb.“ Alena sah bei seinen Worten auf den Boden. Sie war auch nicht nutzlos! Sie konnte nichts dafür, das sein Meister sie nicht leiden konnte.

„I-ich gebe mir Mühe.“, murmelte sie und griff nach dem Essen. Kaya lachte und trank etwas aus dem Kelch, den er in den Händen hielt.

„Nach dem Essen wirst du deine Kammer nicht verlassen.“ Alena sah ihn fragend an.

„Einige meiner Brüder werden hier eintreffen und sie brauchen dich nicht sehen.“ Ihre Augenbraue kräuselte sich verwirrt. „Ich dachte die Assassinen hier wissen, das ich hier bin.“

„Tun sie.“, stimmte Kaya ihr zu. „Aber...“, Alena stoppte als Kaya seine Hand hob.

„Trotzdem ist es besser wenn sie gar nicht erst auf bestimmte Gedanken kommen.“ Kaya´s Ton wurde zum Ende hin derart bestimmend, dass sie sich nicht traute noch irgendwas zu sagen. Sie nickte einfach und aß noch etwas.

Sie ahnte was für welche Gedanken Kaya meinte, doch ganz konnte sie es doch nicht nach vollziehen. Was war daran so schlimm, wenn man sie sah? Ihr Blick wanderte kurz zu Kaya, der wieder einmal in all die Pergamente vertieft war. Er selbst schien auch nicht auf irgendwelche Gedanken zu kommen, die sich nicht gehörten.
 

Alena half noch beim abräumen des Tisches, ehe sie Kaya eine angenehme Nacht wünschte und in ihr Zimmer ging. Wie es schien auch gerade rechtzeitig, denn sie hörte mehrere Stimmen, die Kaya begrüßten, ehe sie ihre Kammertür hinter sich schloss.

Alena legte sich seufzend auf den Rücken und lauschte den Stimmen im Vorraum, zu leise als das sie etwas verstehen konnte.
 


 

Tbc...

Sechzehntes Kapitel - Überfall

Sechzehntes Kapitel - Überfall
 


 

Die nächsten Wochen verbrachte sie immer mit den gleichen Tätigkeiten. Lediglich die Gespräche am Abend mit Kaya waren abwechslungsreich. Zu ihrer großen Überraschung hatte er ihr etwas das lesen beigebracht und bald sollte sie das schreiben lernen. Mit den neuen erlernten Fähigkeiten fühlte sie sich am Anfang beinahe unbesiegbar. Natürlich wusste sie das dies Blödsinn war, aber trotzdem war sie stolz als Frau lesen und bald schreiben zu können.

Kaya war ihr ein wirklich guter Freund geworden, mit dem sie über fast alles reden konnte. All ihre Befürchtungen vom Anfang waren wie weggewischt. Die Assassinen die manchmal einige Nächte im Büro übernachtete sah sie nie. Kaya sorgte immer dafür das sie den anderen nicht begegnete.

Er sagte ihr das viele von ihnen nicht einmal wussten das sie dort war und er wolle dies so beibehalten. Alena war damit einverstanden, sie legte sowieso keinen Wert auf das Aufeinandertreffen mit ihnen. Sie wollte nicht die Gesichter der Männer sehen und sich fragen wie viele Leute diese schon getötet oder verletzt hatten.
 

Seufzend strich sie sich die Haarsträhne zurück, die sich permanent aus ihrem Haarknoten löste und machte sich an den Abstieg. Diese ganze Kletterei musste sie wirklich noch verbessern. Sie war eben keine geborene Athletin.

Ächzend kam sie schließlich im Vorraum des Assassinenbüros an. „Kaya?“, rufend trat sie langsam in den großen Raum, indem sie sich die meiste Zeit aufhielt.

„Kaya?“, rief sie abermals, bekam jedoch noch immer keine Antwort. Unwillkürlich zogen sich ihre Augenbrauen stutzend zusammen. Wo war er der hin? Es war überhaupt nicht seine Art einfach zu verschwinden, ohne ihr nicht vorher genauste Anweisungen zu geben.

„Kaya? Bist du hier irgendwo?“ Langsam schritt sie den Flur entlang, nachdem sie den Korb hinter der Theke abgestellt hatte. Alena zögerte als sie an seiner Kammertür ankam, klopfte dann jedoch und wartete. Unsicher trat sie von einem Fuß auf den anderen, als niemand ihr öffnete. Sollte sie es wagen einfach reinzugehen? Was wenn er beschäftigt war? Was wenn er verletzt war, flüsterte ihr eine andere innere Stimme. Seufzend sich sie sich abermals die Haarsträhne aus dem Gesicht ehe sie langsam die Klinke der Tür herunter drückte.

„Kaya?“, flüsterte sie nachdem sie die Tür einen Spalt geöffnet hatte. Als noch immer keine Erwiderung kann gab sie sich einen Ruck und trat in die Kammer ein. Kurz huschte ihr Blick durch den kleinen Raum, der ihrem identisch war.

Kaya befand sich wie vermutet nicht in dem Raum, dafür zog etwas anderes Alenas Aufmerksamkeit auf sich. Es lag auf Kaya´s Bett, das Metall glänzte wegen der darauf fallenden Sonne. Die kurze Klinge war an einer Armschiene befestigt.

Langsam ging sie darauf zu, so etwas hatte sie noch nie gesehen. Vorsichtig strich sie über das lederne Material. Wo hatte Kaya dieses „Ding“ her? Ob er jemanden damit bereits verletzt hatte? Das konnte sie sich bei ihm beinahe gar nicht vorstellen, er wirkte immer so ruhig und gelassen, niemand von dem man denken würde, dass er anderen Menschen Leid zufügen könnte.
 

„Hat man dir nicht gesagt, das man nicht in anderen Leuten Sachen wühlt?“ Alena fuhr mit einem erschrockenen Aufschrei herum und blickte zu Kaya auf, der mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen lehnte. Eine Hand wanderte zu ihrem schnell schlagenden Herzen.

„Wie lange steht Ihr schon da?“ Kaya zuckte mit den Schultern, ehe er sich mit dem Fuß vom Türrahmen abstieß.

„Wie lange ist es her, das du meine Kammer betreten hast?“ Alena schluckte. Sie hatte bestimmt einige Minuten einfach nur da gestanden.

„Was ist das?“, versuchte sie schließlich der unangenehmen Situation zu entgehen, indem sie auf die Waffe zeigte die auf seinem Bett lag. Kaya bedachte sie mit einer erhobenen Augenbraue.

„Wie lange warst du in Masyaf?“ „Weiß nicht.“ Tage und Wochen hatten für sie da keine Bedeutung gehabt.

„Das du dummes Kind;“ Kaya deutete auf die Waffe. „; ist die bevorzugte Waffe mit der Assassinen ihrem Handwerk nachkommen.“ Alena sah von Kaya zur Waffe und wieder zurück. „Wie soll das funktionieren?“ Sie beobachtete unsicher wie Kaya seufzte, ehe er an das Bett trat und die Armschiene nahm um sie sich umzulegen.

„Was macht Ihr?“ Kaya rückte das Leder zurecht. „Ich zeige dir wie sie funktioniert.“ Instinktiv wich sie etwas zurück. Ihre Frage war alles andere als ernst gemeint. „Schon in Ordnung.“ „Sieh hin!“

Alena wagte es nicht Kaya in diesem Moment den Rücken zu zukehren und gehorchte. Mit größer werdenden Augen beobachtete sie wie er seine Hand etwas anwinkelte um sie sich nicht zu verletzen als die Klinge aus seiner Halterung nach vorne zischte. Dabei bemerkte sie das ihm ein Ringfinger fehlte. „Ich..“ Sie wusste nicht was sie sagen sollte. „Danke.“, murmelte sie und flüchtete aus dem Raum.
 

Alena hatte sich in ihrer Kammer verschanzt und war nicht einmal zum Essen heraus gekommen. Nun knurrte ihr zwar der Magen, aber es war bereits zu spät um die Kammer zu verlassen. Vor einigen Stunden hatte sie mitbekommen wie jemand das Büro betreten hatte und noch immer konnte sie die beiden Stimmen hören, von der eine Kaya gehören musste.

Leider waren sie zu leise und zu dumpf als das sie etwas verstanden hätte. Sie lag seit einer gefühlten Ewigkeit auf dem Bett und starrte an die Decke und versuchte vergebens einzuschlafen. Immer wieder sah sie vor ihrem inneren Auge wie sicher Kaya diese Waffe Handhabte und dies behagte ihr gar nicht. Alena hielt inne als Schritte auf dem Flur erklangen. Vermutlich begaben sich die Assassinen nun ebenfalls zu Bett. Seufzend rollte sie sich auf die Seite, das Gesicht der Wand zugewandt, eine Angewohnheit die sie einfach nicht abstellen konnte.

Sie war beinahe eingeschlafen als sie etwas wieder aufschrecken ließ. Das leise quietschen ihrer Kammertür ließ ihr Herz kurz aussetzten. Langsam drehte sie den Kopf und versuchte etwas in der Dunkelheit zu erkennen.

„Kaya?“, flüsterte sie immer nervöser werdend. Sie hörte das knirschen von Stiefeln auf dem Steinboden.

„Kaya? – Das ist nicht lustig.“, ihre Stimme schaffte es nicht lauter zu werden.

Die plötzliche Hand auf ihrem Mund ließ sie panisch um sich schlagen. Ihre Beine begannen die Bettdecke beiseite zu strampeln, während sie versuchte die Hand von ihrem Mund zu bekommen, welche sich brutal darauf gelegt hatte. Eine zweite Hand lag plötzlich auf ihrer Schulter und hielt sie auf das Bett gedrückt.

„Schön dich wieder zu sehen.“ Alena erstarrte komplett. Tränen sammelten sich in ihren Augen. Das durfte nicht wahr sein! „Wie ich merkte erinnerst du dich noch an mich. – Wie schön.“

„Faruk.“, murmelte sie hinter seiner Hand, die ihre Stimme so dämpfte das Kaya nichts mitbekommen würde. „Du warst so plötzlich weg und ich hatte keine Möglichkeit mich bei dir zu verabschieden.“ Sein Unheil versprechendes lachen ließ sie am ganzen Körper erzittern. Mittlerweile konnte sie seine Silhouette im Dunklen erkennen und musste panisch feststellten das er sich auf ihre Hüfte setzte, damit sie ihre Beine nicht mehr benutzen konnte um nach ihm zu treten.

Die eine Hand noch immer auf ihrem Mund und sie in das Laken drückend, wanderte die andere von ihrer Schulter über ihr Schlüsselbein. Bitte nicht!, war alles was sie in dem Moment zu denken fähig war. „Ich bin gespannt wie du dich machst.“, flüsterte er, beugte sich vor und küsste ihren Hals. Wimmernd begann sie sich unter ihm zu winden, was Faruk jedoch nur noch mehr anzustacheln schien. Ihre Hände versuchte sein Gesicht von ihrem Körper zu bekommen, doch er schien dies nicht einmal zu bemerken. Alena´s Finger krallten sich unkontrolliert in den Stoff seiner weißen Roben und versuchten ihn von sich zu schieben.

„Hör auf dich zu wehren, dann tut es auch nicht weh.“ Panisch schüttelte sie hektisch den Kopf. Ihr Kopf war wie leer gefegt, geistesgegenwärtig verpasste sie ihm einen Kinnhaken, sodass er tatsächlich einen kurzen Moment von ihr abließ auch wenn er eher der Überraschung wegen war als das sie ihn wirklich verletzt hatte.

„Nanana, wohin so schnell.“, er hatte sie eingeholt als sie die Tür erreicht hatte. „Nicht!“ Sie erwischte eine Vase die laut klirrend zu Boden fiel, als sie begann wild um sich zu schlagen. „Wer nicht hören will muss fühlen.“ Grob packte Faruk sie und schmiss sie zurück auf das Bett, ehe e wenig später über ihr kniete und ihre Handgelenke mit einer Hand festhielt. „Lasst mich!“ Seinem Grinsen nach zu urteilen war das das letzte was er mit ihr machen wollte.
 

„Faruk! Habt Ihr nicht gehört!“ Dieser wurde an den Schulter gepackt und von Alena gerissen. „Kommt schon Bruder.“ Faruk strich sie die Robe glatt ehe er von einer zitternden, auf dem Bett kauernden Alena zu Kaya sah, der neben dem Bett stand und alles andere als erfreut zu sein schien. „Sagt mir nicht Euch ist dieser Gedanke nicht auch schon gekommen.“ Kaya´s Augen verengten sich beängstigend.

„Es ist besser wenn Ihr geht. Ich werde Meister Al Mualim über Euer Fehlverhalten in Kenntnis setzen.“

Kaya wartete geduldig bis Faruk die Kammer verlassen hatte, ehe er sich langsam zu Alena herunter kniete um mit ihr auf einer Höhe zu sein. „Schh. Er ist weg.“ Alena zuckte erschrocken zusammen als sich seine Hand auf ihre legte. Sie nickte und wischte sich vergebens die Tränen weg, denn immer weitere folgten.

„D-danke.“ Kaya nickte dem zitternden Mädchen zu. „Ich werde dir einen Tee machen, damit du besser schlafen kannst.“ Sie wartete bis er gegangen war, ehe sie vollends in sich zusammen sackte und von Heulkrämpfen erschüttert wurde. Sie wollte gar nicht daran denken, oder sich versuchen vorzustellen was Faruk alles getan hätte wenn Kaya nicht gekommen wäre.

„Hier trink das, es wird helfen.“ Vorsichtig nahm sie ihm den Becher mit dem dampfenden Inhalt entgegen. „Warum seid Ihr nicht früher gekommen?“ Kaya nahm neben ihr auf dem Bett platz.

„Ich habe das zersplittern der Vase vernommen und dachte ich komme mal nachsehen.“ Sie war noch nie so froh gewesen wie in diesem Moment, das sie etwas zerstört hatte.

„Kommt er wieder?“, frage sie als sie Kaya den leeren Becher reichte. „Nicht in nächster Zeit. – Schlaft.“
 

Sie konnte es einfach nicht! Konnte einfach nicht einschlafen und wenn doch schreckt sie panisch bei jedem kleinsten Geräusch auf und brauchte Minuten um ihr schnell schlagendes Herz zu beruhigen. Alena bis sich auf die Unterlippe als sie zur Tür sah. Es brachte doch alles nichts! Zitternd wickelte sie sich ihre Decke um den Körper und huschte auf den Flur.

„Kaya?“, flüsterte sie, nachdem sie sachte an seine Tür geklopft hatte. Ein weiteres Geräusch ließ sie unüberlegt in Kaya´s Kammer huschen. Auf Zehnspitzen schlich sie sich zu dem Bett und rüttelte sachte an seiner Schulter.

„Kaya? – Kaya wach auf.“ Abermals rüttelte sie an seiner Schulter. Sie spürte wie Kaya sich plötzlich rasch erhob, sie umdrehte, sodass ihr Rücken an seiner Brust lag und spürte das kalte Metall an ihrem Hals.

„Kaya!“, ihre panische Stimme hallte durch den Raum. „Alena?“ Kaya entließ sie aus seinem festen Griff.

„Tu das nie wieder!“ Alena hätte geschnaubt wenn sie nicht soviel Angst gehabt hätte. Das musste er sagen! „Verzeiht, aber ich kann einfach nicht schlafen.“ Sie musste ihm nicht erklären warum, sein seufzend war genug.

„Noch einen Tee?“ Sie schüttelte den Kopf, ehe sie bemerkte das er dies womöglich nicht sehen konnte. „Nein.“ Kaya verstaute den kleinen Dolch wieder unter seinem Kopfkissen.

„Sondern?“ Alena nestelte plötzlich beschämt an ihrer Decke. „Sprich schon.“, forderte er sie auf und klang dadurch das er aus dem schlaf gerissen wurde alles andere als freundlich.

„Naja..ich dachte... also ich meine... vielleicht könnte… bei Euch schlafen?“ Sie befürchtete fast zu weit gegangen zu sein und schämte sich wegen ihres Verhaltens nur noch mehr. Er hatte doch gesagt Faruk würde nicht wieder kommen.

Seufzend rückte Kaya ein Stück nach hinten und klopfte neben sich. „Dann komm Mädchen. – Das erste und letzte Mal.“ „Ja.“ Alena legte sich neben ihn, darauf gedacht das jeder unter seiner eigenen Decke lag und sie sich nicht berührten. „Danke.“, flüsterte sie und schloss die Augen.

Als Antwort erntete sie ein mürrisches Murmeln, dessen Inhalt sie nicht verstehen konnte. Dennoch lächelte sie sachte. Nein, Kaya war wirklich kein schlechter Mensch. Alena schreckte in der Nacht noch einmal aus dem Schlaf, da Kaya sich von der Seite auf den Rücken gedreht hatte und leise am schnarchen war. Sie lauschte dem gleichmäßigen Geräusch eine Weile, ehe sie sich auf den Bauch rollte und abermals ins Land der Träume abdriftete.
 


 


 

Tbc...

Siebzehntes Kapitel – Rückkehr

Siebzehntes Kapitel – Rückkehr
 


 

Als sie am morgen erwachte war Kaya nicht mehr da, aber sie hatte auch nichts anderes erwartet. Wahrscheinlich hatte er schon wieder tausende Dinge erledigt, während sie geschlafen hatte. Wie konnte man nur so früh aufstehen? Sie musste ihn gehört haben, da war die Sonne noch nicht einmal aufgegangen. Seufzend setzte sie sich auf und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Nachdenklich saß sie da und blickte zu der Tür. Ob Faruk wieder hier war? Alleine der Gedanke sie könnte ihn vielleicht auf dem Flur antreffen ließ sie erzittern. Allerdings konnte sie sich hier nicht ewig einmauern und Kaya würde nicht zulassen das ihr etwas passierte. Dennoch hatte sie ein mulmiges Gefühl als sie auf den Gang trat und rasch in ihrer Kammer verschwand. Den Blick auf ihr Bett mied sie bewusst. Fahrig wusch sie sich und band sich die Haare zu einem Zopf zusammen, ehe sie den Mut fasste und abermals auf den Gang trat. Langsam ging sie Schritt für Schritt und hielt am Eingang inne.

Erleichtert musste sie feststellen das außer Kaya niemand da war, dann allerdings kräuselten sich ihre Augenbrauen dennoch unsicher.

„Kaya?“, dieser sah von dem Haufen Pergamenten auf, über die er sich gebeugt hatte. „Hmh?“

„Was ist das?“ Alena deutete auf die mehrere Säcke, die Abreise gepackt im Raum standen. Hatte sie irgendetwas verpasst? „Oh das.“ Alena nickte auffordernd. „Wir reißen nach Masyaf.“ „Was!“, entfuhr es ihr unkontrolliert. Warum?

Vor wenigen Wochen erst hatte man sie hierher verfrachtet. Kaya winkte ab. „Mach dir keinen Kopf. Altair und ich haben etwas Wichtiges zu besprechen, etwas das keinen Aufschub haben kann. Einige Dinge sind in den letzten Tagen vorgefallen. – Also ich habe alles in die Wege geleitet. Mache dich fertig Alena in wenigen Stunden brechen wir auf.“

Sie wusste nicht wie sie die Stunden überbrücken sollte, zumal Kaya sie irgendwann in ihre Kammer geschickt hatte da sie nur im Weg stand. Sie war froh aber auch ungemein aufgeregt als Kaya sie holte und über die Dächer zu den Stadtmauern führte. Wie Altair auf sie reagieren würde? Bei seinem Abschied war er so nett zu ihr gewesen, das sie noch immer lächelte wenn sie daran dachte.

Ob er überhaupt auf ihre Anwesenheit reagieren würde? Oder auch nicht? All die Fragen in ihrem Kopf veranlassten ihren Magen dazu sich unangenehm zu verkrampfen.
 

„Alena?“ Überrascht sah sie auf und direkt in Kayas genervtes Gesicht. „J-ja?“ Kaya schüttelte den Kopf, anscheinend frustriert. „Kletter die Leiter hier herunter und warte an den Pferdeställen auf mich.“ „Ok.“, rasch nickte sie und machte sie an den Abstieg.

Wider erwarten ließen die Soldaten sie ohne weiteres passieren. Allerdings schien Kaya etwas länger auf sich warten zu lassen. Ungeduldig trat sie von einem Bein auf das andere. Wo blieb er nur? Langsam wurde es dunkel und alleine dieser Umstand trug nicht dazu bei das sie sich entspannen konnte.

Das plötzliche Rascheln ließ sie herumfahren, während ihre Augen versuchten die Quelle des Geräusches ausfindig zu machen.

Ihr Blick blieb auf einer kleinen Gestalt hängen, die zusammengekauert im Heu lag. „Hallo?“, langsam ging sie zu der Gestalt herüber und sah bald, den kleinen Jungen der dort lag. Sein Körper wurde in unregelmäßigen Abständen von Schluchzern erschüttert.

„Hey.“ Flüsterte sie und kniete sie neben das Heu. Was machte ein Kind nur alleine hier draußen?

„Schh.“, lächelte sie als der kleine Junge erschrocken zurück wich, als sie ihn sachte an der Schulter berührte.

„Keine Angst, ich tue dir nichts. – Mein Name ist Alena und deiner?“ Sie versuchte so viel Warmherzigkeit auszustrahlen wie es nur ging. Immerhin wollte sie den Kleinen nicht verängstigen. Herzzerreißend schluchzte er auf. „M-marek.“ Alena nickte.

„Und was tust du hier ganz alleine?“ Abermals schluchzte das Kind. „I-ich wollte etwas zu essen s-suchen.“ „Und dann? Hast du etwas gefunden?“ Tränen quollen aus den kleinen Kinderaugen hervor, als er nickte und dann den Kopf senkte.

„J-ja. – A-aber ein Junge hat es mir w-weggenommen. Dabei habe ich solchen hunger..“, Marek schluchzte laut auf, sodass Alena selbst fast die Tränen in die Augen steigen. Ihr Blick glitt an dem Jungen hinab, wobei man deutlich sehen konnte wie abgemagert er war, ehe ihr Blick an dem kleinen Beutel hängen blieb den Kaya ihr in die Hand gedrückt hatte. Hoffend etwas zu finden durchwühlte sie den Beutel, fand allerdings nichts anderes außer einer Decke und mehreren Pergamenten.
 

„Alena.“ Erschrocken sahen sie und Marek auf. Während das Kind verängstigt zurück wich, sah Alena von dem Kind zu Kaya.

„Hast du etwas zu essen Kaya? Der kleine Junge ist abgemagert und hat sicherlich seit Tagen nichts mehr gegessen.“

„Nein habe ich nicht. – Nun komm.“ Alena schnaubte und legte den Kopf schief. „Wir reiten Tage durch die Wüste ohne etwas zu essen? Wirklich?“, man merkte ihrer Stimme an, das sie genau wusste das Kaya etwas dabei hatte. Dieser sah von ihr zu dem Jungen, seufzte dann als Alena sich nicht rührte und griff zielsicher in eine der Taschen.

„Ihr Weiber und eure mütterliche Fürsorge.“ Alena verstand nicht was er meinte, war aber froh als Kaya dem Kind etwas Brot und Käse reichte.

„Nimm nur.“, ermunterte Alena ihn. Hastig griff Marek danach und drückte seine Beute an sich.

„Komm nun.“, drängte Kaya. „Einen Moment. – Also Marek, ich möchte das du nun in die Stadt gehst und dir einen sicheren Platz für die Nacht suchst, ja?“ Der Kleine nickte lächelnd und entblößte so eine Zahnlücke. „Ja.“, nickte er und lief davon.

Kaya seufzte. „Kommst du nun Weib?“ „Ja.“ Kaya blickte dankend in den Himmel und führte Alena dann zu zwei gesattelten Pferden. „Wir reiten bis in die Nacht hinein und machen erst dann eine kurze Pause.“ Alena nickte als Zeichen das sie verstanden hatte. Rasch sattelte sie auf und wartete auf Kaya, er ihr dabei zu gesehen hatte. Dieser lächelte und reichte ihr einen schwarzen Umhang. „Hier trag ihn.“
 

Alena konnte wenn sie ehrlich war nur an eines denken, als sie irgendwann, irgendwo hielten. Sie wusste nicht wie spät es war, noch wusste sie wo sie waren, alles was sie wusste war das sie schlafen wollte. – Sofort! Stöhnend sank sie schließlich ins Gras und rollte sich zusammen.

„Magst du etwas essen?“ „Nein.“, gähnte sie und sah zu Kaya auf, der sich wenige Meter von ihr entfernt ebenfalls in den Sand hatte sinken lassen. „Schlaf, ich wecke dich wenn wir weiter reißen.“ Alena nickte und sah zu den Pferden die an der kleinen Wasserquelle standen und sich an dem mittelmäßigen klaren Wasser erfrischten. Ihre Augen fühlten sich an als würden sie tausend Kilo wiegen. Seufzend schlang sie den Umhang enger um sich und schloss die Augen. Alena lauschte den Geräuschen die Kaya verursachte, als er sich leise bewegte. Wie lange sie wohl hier rasten würden? Wann sie wohl in Masyaf ankamen? Um welches dringende Problem es sich handelte, das Kaya alles liegen ließ und aufbrach?

Alena stöhnte als Kaya sie geweckt hatte. Es fühlte sich an als hätte sie nur Minuten geschlafen. Seufzend hatte sie sich mehr schlecht als recht auf das Pferd geschwungen. Am Anfang, bis die kalte Luft sie richtig wach machte, hatte sie mühe sich auf dem Rücken des Tieres zu halten. Ihr Blick wanderte zu Kaya herüber, der keine Schwierigkeiten zu haben schien. Ob er überhaupt geschlafen hatte? Schuldig musste sie sich eingestehen, dass sie ihm nicht angeboten hatte, einen Teil der Rast wach zu bleiben damit er etwas schlafen konnte.

„Kaya? Habt Ihr etwas geschlafen?“, murmelte sie halbwegs wach. Kaya wandte den Kopf um Alena kurz einen musternden Blick zu zuwerfen. „Nein, ich werde mich ausruhen sobald wir Masyaf erreichen.“ Sie nickte.

„Wann werden wir Masyaf erreichen?“ „Ohne Zwischenfälle müssten wir Masyaf bald erreichen.“ Alena seufzte.

Das war keine Zeitangabe die sie sich erhofft hatte. Alena hüllte sich in Schweigen, ebenso wie Kaya der etwas weiter vorne ritt um die Landschaft überblicken zu können. Ob er nach etwas bestimmten suchte, konnte sie nicht sagen und wenn sie ehrlich war interessierte es sie auch nicht. Alles was sie wollte war endlich anzukommen. Alena befürchtete das sie die ganze Nacht durchreiten würden, als die Sonne unterging und Kaya noch immer keine Anstalten machte zu halten.
 

„Alena?“ „Hmh?“ Kaya verlangsamte sein Pferd, sodass er neben Alena reiten konnte. „Dort ist Masyaf.“ Kaya streckte seinem Arm aus und deutete auf die Mauern die auf dem hohen Berg das Schloss umgaben. „Wie lange dauert es noch?“ Kaya lächelte und schüttelte den Kopf.

„Sei nicht so ungeduldig Mädchen.“ „Bin ich nicht!“, protestierte sie prompt. Kaya legte den Kopf schief und lächelte leicht, etwas das ihm wirklich gut stand.

„Alle Weibsbilder sind neugierig.“ „Ihr müsst da wohl aus Erfahrung sprechen?“ Erschrocken hielt sie sich die Hand vor dem Mund und sah vorsichtig zu Kaya auf. Sie befürchtete schon zu weit gegangen zu sein, doch alles was er tat war in schallendes Gelächter auszubrechen, das einige Sekunden anhielt.

„Du solltest deine Zunge in Zaun halten.“, die Bedeutung der Worte verlor bei seinem Lächeln die Bedrohlichkeit. „Verzeiht.“, murmelte sie dennoch und wandte ihren Blick wieder nach vorne.
 

Masyaf erreichten sie in tiefster Nacht. Die beiden Wachen vor der Mauer unterhielten sich leise mit Kaya, während Alena einige Meter entfernt bei dem Gepäck stand und wartete. Kurz deutete einer der Männer auf sie, sodass sie sich prompt unwohl fühlte. Ob Kaya Probleme bekam weil sie wieder da war? Ob man sich noch an sie erinnerte?

„Alena.“ „Hmh?“ Kaya kam mit wenigen Schritten zu ihr herüber und griff nach den Sachen. „Komm.“ Wider erwarten führte Kaya sie nicht zu der Burg, wie sie zunächst angenommen hatte, sondern zu einer kleinen Hütte am Rande des Dorfes das am Fuße der Burg errichtet worden war.

„Ruhe dich aus Alena.“ Kaya deutete auf einen kleinen Nebenraum. „Und Ihr?“ Sie wollte nicht wieder egoistisch erscheinen.

„Ich werde hier auf Altair warten und mich dann ebenfalls ausruhen. - Nun geh.“ Sie nickte und folgte seinem Befehl gehorsam. Die Beutel die sie noch in den Händen hielt stellte sie zu den restlichen und verschwand mit einem „Gute Nacht.“, im Nebenraum.

Seufzend setzte sie sich auf die Bettkante und starrte an die Wand. Es war ein seltsames Gefühl wieder hier zu sein. Das knirschen von Holz ließ sie innehalten.
 

„Kaya, gut das Ihr so schnell kommen konntet, Bruder.“ Alenas Herz setzte kurz aus. – Altair! Alena lege sich auf das Bett und lauschte den beiden Stimmen, die an ihre Ohren drangen.

„Sicher Altair. Nun sagt mir was so eilt.“ Eine Weile war es still im Nebenraum, sodass sie sich fragte ob sie die Hütte vielleicht verlassen hatten.

„AL Mualim hat den Edensplitter.“ „Unmöglich!“ Alena kräuselte die Stirn. Was bitte war ein Edensplitter? Und warum schien Kaya darüber so erschrocken?

„Was gedenkt Ihr zu tun Altair?“ Alena hörte da Geplapper von Bechern auf dem Holztisch.

„Wir warten auf Malik und dann werden wir gegen Al Mualim zu Felde ziehen. Wir müssen ihm den Splitter abnehmen. Bereits jetzt kontrolliert er die halbe Bruderschaft.“ Alena runzelte die Stirn. Über was bitte redeten die beiden da? Gegen Al Mualim zu Felde ziehen? Und was bitte meint er damit, wenn er sagt er kontrolliert die halbe Bruderschaft? Irgendwie verstand sie nicht was die beiden dort gerade beredeten.

„Tut das Altair. Ich werde Euch unterstützen wo ich nur kann.“

„Gut. – Ist sie da?“ „Ja sie liegt im Nebenraum.“ Es dauerte einen Moment bis sie verstand das die beiden das Thema gewechselt hatten und nun über sie redeten.

„Verlief alles ohne Zwischenfälle?“ „Nicht ganz Altair.“ „Was ist geschehen?“ „Faruk ist geschehen. Ich muss wohl kaum erwähnen was er im Sinn hatte.“ Alena zuckte zusammen als es plötzlich krachte als wenn etwas in tausend Teile zerbrochen wäre.

„Beruhigt Euch Altair. Es ist nichts Schlimmeres passiert. – Geht und seht selbst.“

Alena schloss hastig die Augen als sie hörte wie Holz über den Boden schrapte. Kurz darauf hörte sie wie leise Schritte ertönten und neben ihr hielten. Ihr Herz schlug schneller und sie betete das er es nicht bemerken würde.

Sie spürte sein Blick auf sich und brauchte alle Kraft um nicht zusammen zu zucken als seine Hand über ihre Stirn, an ihrer Wange hinab glitt.

„Sie bedeutet Euch einiges, nicht wahr?“, flüsterte Kaya, der an dem Türrahmen lehnte. „Sie ist so unschuldig in jeder erdenklichen Weise. In ihrer Nähe denke ich nicht an Krieg, Intrigen und all da Blut vergießen. – Danke das Ihr auf sie acht gegeben habt.“ Kaya zuckte mit den Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Der große Altair zeigt Gefühle, das ich dies noch erleben darf. – Jedenfalls habe ich gerne auf sie aufgepasst. Mir ist sie ebenfalls ans Herz gewachsen.“ Kaya lachte leise.

„Kommt Altair, gönnen wir dem Mädchen die Ruhe.“ Altair nickte ohne seinen Blick von der jungen Frau vor ihm zu nehmen.

Ein letztes mal ließ er seine Hand über ihr Gesicht gleiten und deckte sie zu, ehe er lautlos Kaya folgte.
 


 


 

Tbc...

Achtzehntes Kapitel – Ausgestorben

@mamoon: Hey, schön das dir die Geschichte so gefällt.^^ Nja Frauen waren eben damals nicht gerne gesehen und schon gar nicht als Assassinen=). Ich wünsche dir viel viel Spaß beim Lsen.
 

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Achtzehntes Kapitel – Ausgestorben
 


 

Der nächste Morgen begann mit Sonnenstrahlen. Eben jene Strahlen waren es, die Alena erwachen ließen, da sie ihr direkt ins Gesicht schienen. Zunächst hatte sie sich grummelnd auf die andere Seite gedreht, bemerkte jedoch schnell das sie keinen Schlaf mehr finden würde. Seufzend erhob sie sich und brauchte einen Moment um ihre Umwelt klar wahrzunehmen. Das sie wieder in Masyaf war, war für Alena noch immer seltsam. Sie hegte keine guten Erinnerungen hier, alles was hier stattgefunden hatte war Leid, Schmerz und Trauer. – Wenn man von ihren Tagen bei Devra absah.

Alena lauschte in die Stille hinein und versuchte etwas aus dem vorderen Raum zu hören. Vielleicht leises Gerede, das klappern von bechern, aber es war nichts zuhören. Es war so still, das es schon wieder zu still war. Das beklemmende Gefühl das hier etwas nicht stimmte nahm mit einem mal zu. Wo war Kaya? Wo war Altair? Sie war ganz alleine. – Ein seltsames Gefühl. Sie war so lange schon nicht mehr alleine gewesen. Sicher sie hatte alleine in einer Kammer geschlafen, aber dennoch waren stets Menschen um sie herum gewesen. Aber nun? Niemand würde es wahrscheinlich bemerken wenn sie einfach ging, Kaya und Altair schienen mit etwas sehr wichtigem beschäftigt zu sein, wenn sie sie ohne Aufsicht ließen.

Alena erhob sich vollständig und trat langsam in den Vorraum, der wie erwartet leer war. Seufzend sah sie sich um und schnappte sich das kleine Brotlaib das sie auf dem Tisch fand. Sie setzte sich auf einen der Hocker und blickte sich unwohl um. Wer hier wohl wohnte? Es war derart verstaubt, als wenn hier Jahre niemand mehr gewesen wäre. Abermals lauschte sie, versuchte die vertrauten Geräusche ausfindig zu machen, die auf den Straßen immer herrschten. Egal ob es das Geschnatter der Frauen war, das Lachen und Schreien der Kinder, das rufen der Markthändler oder das aufeinanderschlagen von Metall beim Schmied. Aber wieder war nichts zu hören.

Ihre Stirn zog sich in Falten als sie langsam aufstand und nach kurzem zögern hinaus trat. Alena hielt prompt wieder inne. Nicht eine Menschenseele war auch nur irgendwo zu sehen. Es war als wäre das Dorf am Fuße Masyafs komplett ausgestorben. Wo waren alle hin, war das erste das sie sich fragte. Ein ganzes Dorf konnte doch nicht einfach verschwinden.

Langsam trat sie einen Fuß vor den anderen, ging durch die Leeren Gassen, ging an den Marktständen vorbei die aussahen als wären die Besitzer in Panik davongelaufen, denn noch all die Ware lag auf den Tischen verstaut. Unwillkürlich zuckte ihr Kopf in eine ganz bestimmte Richtung. – Devra!
 

Alenas Herz blieb stehen als sie das Devras Tür nicht ganz verschlossen war. In all den Stunden die sie mit der freundlichen Frau verbracht hat, hatte Alena nicht einmal gesehen das diese ihre Tür unverschlossen hielt. Mit drei weiteren Schritten stand sie vor der Tür, sie konnte sehen wie ihre Finger zitterten als sie diese nach der Tür ausstreckte und langsam aufdrückte.

„Devra?“, flüsterte sie. – Nichts. Vielleicht war sie gar nicht da, versuchte sie sich zu beruhigen. Dann hatte sie ihre Tür nicht offen gelassen, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Alena biss sich auf die Unterlippe. Obwohl sie panische Angst hatte, über das was sie vielleicht sehen mochte trat sie weiter ein, ging langsam durch den Vorderraum auf den hinteren Teil zu. Alena stoppte wie erstarrt als ein Wimmern ertönte. Es brauchte einige Momente um zu realisieren das es aus dem hinteren Teil kam. Als das Wimmern abermals ertönte zuckte Alena sogar etwas zusammen. Wollte sie wissen was sie dahinten fand? Eigentlich nicht, so mutig war sie nicht. – Andererseits.. vielleicht brauchte Devra Hilfe und war verletzt. Aber vielleicht lag sie auch da, Blutüberströmt und schon beinahe dem Totenreich näher als diesem.

Alena schüttelte den Kopf. Sie musste nachsehen gehen, das war sie Devra schuldig. Sie hatte sie so höflich und warm empfangen das sie immer wieder für einige Stunde vergessen konnte in welche einer aussichtslosen Situation sie sich eigentlich befand. Wenn Devra Hilfe brauchte, dann würde sie tun was in ihrer Macht stand… und wenn Devra wirklich dem Tod näher sein sollte als dem Leben, wollte Alena das sie etwas sah, das vertraut war und nicht alleine sterben musste.

Als das Wimmern ein drittes mal ertönte, atmete Alena tief durch und schritt durch den Vorhang der die beiden Räume trennte. Es war so dunkel das sie einen Moment brauchte um etwas sehen zu können. Das erste das sie bemerkte war die Unordnung die herrschte, ganz so als hätte ein Kampf stattgefunden. Neben der Unordnung bemerkte sie diesen unangenehmen Geruch, als würde etwas Essbares ganz und gar nicht mehr essbar sein. Und dann nach endlosen Sekunden, wie Alena fand, sah sie die Gestalt die zusammengekauert in der Ecke saß. Die Beine an den Körper gezogen und die Arme schützend um den Oberkörper gelegt. Einen Moment war Alena erstarrt. Was war hier nur passiert? Was war generell hier los?

„Devra?“, flüsterte sie ein weiteres mal. Alena zuckte erschrocken zurück, als Devra panisch den Kopf hob und zwischen Wimmern und schreien hin und her wechselte. „Nicht…“, flüsterte sie immer wieder und wiegte den Körper vor und zurück. Sie schien Alena gar nicht wahrzunehmen.
 

„Alles ist in Ordnung.“ Alena tat das erstbeste das ihr einfiel. Langsam ging sie in die Hocke. „Devra? Sieh mich an, bitte.“ Alena wartete einen Augenblick, bis Devra tatsächlich den Kopf etwas hob. „Ich bin es Alena.“ Es schien so, als würde in Devras Kopf ein Schalter umgelegt werden. Plötzlich schoss sie aus ihrer Ecke heraus, das Alena befürchtete sie würde sie nun angreifen. – Und irgendwie tat sie das auch, nur nicht das sie ihr wehtat, sondern eher so das sie Alena umarmte und es schien als würde sie diese nie wieder loslassen. Krokodils-Tränen rannen ihre Wange hinab, während Schluchzer immer wieder ihren Körper erzittern erließen. Alena wurde von ihren Füßen gehauen, blieb jedoch sitzen und strich der offensichtlich verängstigten Frau immer wieder über Kopf und Rücken. „Ist ja gut. Ich bin hier und gehe auch nicht mehr weg.“, redete sie auf Devra ein, so wie ihre Mutter es früher bei ihr getan hatte. „Oh Alena.“, schluchzte diese irgendwann und weinte nur noch heftiger als zuvor. „Schhh.“ Ohne es zu bemerken begann Alena sich selbst und Devra sachte hin und her zu schaukeln, wie man es oft bei einem weinenden Kleinkind tat.

„Devra? Was ist passiert?“ „Es passierte so… schnell.“ Alena nickte, auch wenn sie gar nicht wusste was genau passierte. „Das ganze Dorf… schien immer seltsamer zu werden. – Leerer.“ Abermals nickte Alena. – Das war ihr bereits auch aufgefallen. „Weißt du wieso?“

Devra hob langsam den Kopf und sah aus geröteten Augen zu Alena auf. „Ich habe sie reden gehört.“; flüsterte sie. „Wen?“ Devra sah sich unsicher um, als befürchtete sie, das irgendwo Spione sein könnten. „Die Assassinen.“, ihre Schluchzer verebbten langsam, aber der panische Ausdruck auf dem Gesicht blieb. „Was haben sie gesagt?“ „Sie sagten…“

Alena wartete aber Devra sagte nichts mehr. „Was Devra, was haben sie gesagt?“ Die verängstige Frau schüttelte den Kopf, als wenn sie eine Erinnerung vertreiben wollte. „Sie sagten sie hören seine Stimme in ihren Köpfen.“ „Wesen?“ „Die des Meisters natürlich.“

Alena stutzte. Warum sollten die Assassinen die Stimme Al Mualims in ihren Köpfen hören? „Aber Devra das ergibt gar kei…“ „Sie sagten er besäße etwas das ihn solche Macht verleihe. – Einen Gegenstand aus der Hölle.“ Das war absurd! – Oder?

„Und du hast dich hier versteckt?“, wechselte Alena das Thema, da sie im Moment nicht über das andere nachdenken wollte. Devra nickte. „Das habe ich. Tag und Nacht, aber sie haben mich gefunden.“ Abermals begann sie zu weinen wenn auch nicht so heftig wie zuvor. „Wer? Was ist passiert?“ „Faruk.“ Alenas Nackenhaare stellten sich auf. Warum von allen musste Faruk Devra finden? „Sie haben alle Häuser durchsucht, jeden mitgenommen.“ „Aber dich nicht?“ Devra schüttelte den Kopf. „Faruk, als er mich fand… ich konnte sehen wie sich dieses Lächeln auf seinen Lippen ausgebreitet hat, kann es sogar jetzt noch vor mir sehen.“ Ihre Gedanken schienen weit weg zu sein, als sie erzählte.
 

Devra´s Erzählung

Faruk stand mit diesem schiefen Lächeln da. Das Lächeln das Männer hatten, wenn sie einen ganz bestimmten Gedanken hatten. Soweit es mir möglich war wich ich zurück. „Raus aus meinem Haus!“, bestimmte ich, erntete jedoch nur ein amüsiertes Funkeln in seinen Augen. „Wen haben wir denn hier? – Devra nicht wahr?“, überging er meinen Einwand und trat näher auf mich zu, wie der Tiger der seine Beute umkreiste. – Er war der Tiger und ich war die Beute. Er würde mich zerreißen, dessen war ich mir in dem Moment sicher, indem ich ihn erkannt hatte. „Raus!“, er bemerkte sicherlich wie Panisch meine Stimme klang, den das Lächeln wurde breiter. „Das ist aber nicht die Art mit der man einen Gast behandelt.“ Ich versuchte seinen Armen auszuweichen, die nach mir griffen, schaffte es jedoch nicht. Ich wehrte mich heftig, als er mich in den hinteren Teil zog, ganz ohne Anstrengung als würde er meine Gegenwehr nicht bemerken. „Hinlegen und Ruhe!“ Der Ruck mit dem er mich auf das Bett warf, war so stark das ich mit dem Kopf gegen die Wand prallte. Panisch musste ich bemerkten das meine Sicht verschwamm und ich nicht fähig war Faruks Hände zu stoppen die ich überall auf meinem Körper spüren konnte.....
 

„Was er getan hat muss ich dir sicherlich nicht erzählen.“ Alena schüttelte getroffen den Kopf. Nein, das konnte sie sich vorstellen auch wenn sie es gar nicht wollte. „Und dann?“ Devra schniefte, sah zu dem Bett. „Er wollte mich mitnehmen aber ich wehrte mich. Er wurde so wütend das er immer wieder auf mich einschlug und mich trat. Irgendwann habe ich dann meine Augen geschlossen und gewartet das es vorbei war. Er musste wohl denken ich sei tot, denn er ging einfach.“ Alena schluckte. Das würde Devras Erscheinung erklären, wie sie jetzt bemerkte. Ihr Kleid war zerrissen und nicht einmal mehr zum Putzen geeignet. Ihr Haar war durcheinander, sie hatte Schrammen an der Wange und getrocknetes Blut überall im Gesicht. „Und seitdem sitzt du hier?“ Devra nickte abwesend. „Wie lange ist das her?“ „Einige Stunden, Tage, Wochen. – Ich weiß es nicht.“ Stille breitete sich in dem verwüsteten Raum aus.

„Komm.“ Alena stand auf und zog Devra an der Hand mit sich. „Wohin?“ Alena wusste selbst nicht genau und zuckte mit den Schultern. „Sehen ob wie Kaya oder Altair finden.“ „Nein!“ Panisch entriss Devra Alena ihren Arm. „Sicherlich sind sie mittlerweile auch unter Al Mualims Bann.“ „Nein, nein. – Gestern Abend saß ich noch mit ihnen zusammen. Sie sind in Ordnung.“, versuchte Alena sie zu beschwichtigen. „Dann sind sie es jetzt!“, beharrte Devra und lief aus dem Raum. „Warte!“ Alena lief ihrer Freundin hinterher, konnte sie jedoch nirgends finden, sobald sie den Ausgang erreicht hatte. Wo war sie nur hin gelaufen? Sie konnte doch nicht so schnell verschwinden.

„Devra?“, rief Alena und trat abermals auf den Markplatz. Sich um die eigene Achse drehend hielt sie nach Devra Ausschau. Sie konnte nicht wie vom Erdboden verschluckt sein.
 

„Du.“ Alena fuhr erschrocken herum. Wenige Meter vor ihr stand einer der Assassinen. Die Kapuze war zurückgeschlagen und sie sah sein Gesicht, konnte ihn aber nirgends zuordnen. Sein Gesicht wirkte starr, als wäre er weit weg. „I-ich?“, fragte Alena und trat einige Schritte zurück. Warum hatte sie auch das Talent immer wieder in solche Situationen zu geraten?

Der Assassine nickte, aber das schien nicht ihr zu galten. Langsam kam er auf sie zu. „Ja töten.“ Alenas Herz setzte kurz aus nur um dann schneller zu schlagen. Töten? Sie? Er schien gar nicht er selbst zu sein. Er sprach kurz und monoton.

Gerade noch sah sie wer er sein Schwert auf sie niedersausen ließ. Alena tat das einzige was ihr einfiel und ließ sich fallen. – Und entging so nur um eine Haarbreite der tödlichen Klinge. Leider war sie keine Kämpferin und auch sonst nicht geübt in etwaiger Art der Verteidigung, als sie aufsah sah sie das die Klinge abermals auf sie zukam. Rasch drehte sie sich zur Seite und als panisch zu ihrem Angreifer sah, konnte sie aus den Augenwinkel die silberne Klinge sehen, der sie diesmal nicht ausweichen würden könnte. – Dazu hatte sie keine Zeit und keinen Platz. Sollte es das also gewesen sein?
 


 


 

Soo, Alena ist nur ein Oc, die kann man doch sterben lassen, oder? ;-)
 


 


 

Tbc...

Neunzehntes Kapitel – Wie eine Gazelle

Neunzehntes Kapitel – Wie eine Gazelle
 


 

Alena zuckte zusammen. – Nicht weil das Schwert des Assassinen sie traf, womit sie eigentlich gerechnet hatte, sondern vielmehr weil eben jenes Schwert auf ein anderes zu treffen schien. Alena öffnete ihre Augen, die sich sofort weiteten als sie das Schauspiel nur wenige Meter vor sich betrachtete. Der weitere Assassine der soeben aufgetaucht war, schob den anderen einige Meter von sich weg. Alena war sich nicht sicher wer ihr gerade zu Hilfe geeilt war, aber sie war dankbar dafür.

„Was ist nur in dich gefahren, Abbas?“, fragte ihr Retter, den sie nun anhand der Stimme als Kaya erkennen konnte. „Ich… muss töten.“ Abbas lief auf Kaya zu, das Schwert zum Angriff erhoben. Kaya allerdings war nicht so hilflos wie sie selbst. Er wich der Klinge geschickt und mit einer Eleganz aus, das Alena ihn darum beneidet hätte, würde es hier nicht gerade um ihr und sein Leben gehen. Kaya selbst startete nun einen Angriff und verfehlte sein Ziel nur um eine Haaresbreite.

Alena bemerkte erst das sie die Luft angehalten hatte, als ihr Körper nach Sauerstoff schrie und sie einatmete. Am liebsten wäre sie aufgestanden und hätte Kaya geholfen, aber sie war sich sicher mehr im Weg zu stehen als das sie helfen würde. – Außerdem musste sie sich gestehen das Kaya anscheinend gut mit Abbas fertig wurde, denn dieser kniete bereits entwaffnet am Boden. Kaya selbst stand über ihm und zögerte seinen Bruder zu töten. „Komm wieder zur Vernunft Abbas.“, grollte Kaya, der ihm die Klinge seines Schwertes fester an die Kehle hielt als Abbas versuchte sich aufzurichten.
 

Alena zuckte heftig zusammen, als ein weiterer Assassine auftauchte. Ihre Hoffnung das es sich dabei um einen Verbündeten handelte zersplitterte, als der Neuankömmling auf Kaya lospreschte, sodass dieser von Abbas ablassen musste und dieser die Gelegenheit nutzte sein Schwert zu ergreifen. Innerhalb weniger Minuten musste Alena feststellen das es um Kayas Chance zu gewinnen nicht so gut stand. Er hatte bereits mehrere Schnittwunden und der Schweiß rann an seinen Wangenknochen hinab während seine Kapuze zurück gerutscht war.

Auf wackligen Beinen erhob Alena sich und griff nach dem größten Stein der in ihrer Nähe lag. Sie zielte fahrig und warf den Stein. – Der den fremden Assassinen traf und nicht wie sie wollte Abbas. Der Fremde ließ von Kaya ab, der sich noch immer gegen Abbas angriffe wehren musste und kam langsam auf Alena zu. Diese trat einen Schritt nach dem anderen zurück, ehe sie die Häuserwand in ihrem Rück spürte.

„Du gingst mir schon immer auf die Nerven, Weib.“, die Stimme, selbst jetzt als sie derart verzehrt klang, würde sie überall wieder erkennen. „F-faruk.“, stammelte sie und wollte seitlich ausweichen, aber Faruk war schneller. Er klemmte Alena zwischen der Häuserwand und sich selbst ein. „Wieso so eilig?“, lächelte er, ohne das seine Augen sich regten. „B-bitte.“; stammelte Alena und dachte an Devra. Ihr Blick glitt zu Kaya, der versuchte zu ihr zu kommen, aber immer wieder von Abbas zurück gedrängt wurde.

„So schwach.“ Alena spürte Faruks versteckte Klinge an ihrer Seite, weswegen sie sich nicht mehr traute zu atmen. Sie spürte wie Tränen an ihrer Wange hinab glitten als Faruks Klinge höher wanderte und knapp neben ihrem Herzen hielt.
 

Das nächste was Alena wieder wahrnahm war, das Faruk von ihr abgelassen hatte. – Der Grund dafür war niemand anderes als Altair. Erleichtert atmete sie aus und krallte sich an seine Kutte. „Geh!“, befiel Altair ihr nachdem er sie kurz gemustert hatte, ehe er auf Faruk zuging. Altair bewegte sich noch eleganter als Kaya es tat. Er wirkte wie eine Gazelle wohin hingegen Faruk aussah als würde er eine Tonnenschwere Rüstung am Leibe tragen.

Alena wollte Altairs Befehl folgen, sie konnte jedoch ihre Augen nicht vor dem Kampf abwenden. – Zu groß war die Angst einem der Beiden könnte etwas passieren. Also ließ sie ihre Augen immer wieder zwischen den Kämpfenden hin und her gleiten.

Durch ihren Körper ging ein Ruck als Altair Faruk mit der Klinge so traf das dieser zu Boden fiel und liegen blieb. Ob er tot war?

Altair eilte indessen zu Kaya herüber und drängte Abbas von ihm weg. Kaya richtete sich langsam auf. Abbas, der nun in der Unterzahl war zögerte einen Moment und floh dann.

„Lass ihn.“, hielt Altair Kaya zurück der Abbas nachsetzen wollte. „Aber Altair wenn er Hilfe holt, dan….“, Kaya stoppte und schüttelte den Kopf als er bemerkte das Altair ihm nicht zu zuhören schien. Altair steckte sein Schwert weg, während er noch einmal in die Richtung sah in die Abbas geflohen war.

Alena eilte zu den beiden Assassinen herüber, die sie mit verengten Augen ansahen. „Hast du denn Verstand verloren, Mädchen?“, fragte Kaya ruhig, obwohl seine Augen ihr wütend entgegen sahen. „Nein.“, antwortete Alena und blieb einige Meter vor ihnen stehen. „Es scheint mir aber so zu sein, wenn du ohne Schutz das Haus erlässt.“, erwiderte Kaya. Nun lag es an Alena die Augen zu verengen.

„Aber ich musste Devra finden! – Sie…“ „Du musst mir zuhören!“, unterbrach Altair Alena nun. In seiner Stimme schwang eindeutig mit das er wütend war. „Aber..“, ersuchte sie es erneut und spürte wie abermals Tränen in ihr aufstiegen. Warum konnten sie nicht verstehen das sie Devra suchen musste? Das sie wissen musste ob es ihr gut ging, was eben nicht der Fall war. „Schweig!“, zischte Altair und fuhr sich einmal über das Gesicht.

Alena unterdessen wandte sich von den beiden ab und ging einige Schritte weg. Man hörte ihr überhaupt nicht zu! Alena versuchte ihre Tränen unter Kontrolle zu bringen und lauschte den beiden, wie sie sich leise unterhielten. – Erst als Altair begann sich über sie aufzuregen, ganz so als wäre sie nicht anwesend drehte sie sich wütend um und wollte ihm so einiges an den Kopf werfen. Die Worte blieben ihr allerdings im Hals stecken als sie sah das Faruk sich erhoben hatte und sich den beiden von hinten anschlich.

Alena hätte sicherlich nach den beiden rufen können, aber das tat sie nicht. Stattdessen hob sie Kayas Schwert auf und lief ebenfalls zu den beiden herüber. Sie konnte auch die verwirrten Gesichter sehen als die beiden sie bemerkten, wie sie mit einem Schwert auf sie zustürmten.

„Alena.“, zischte Altair.

Alena zuckte zusammen als das Schwert das sie in ihren Händen hielt auf Faruks Körper traf. Kaya, sowie auch Altair sprangen beiseite, als sie nicht gestoppt hatte, sodass Faruk geradewegs in Alena hinein gelaufen war.

Diese verlor ihr Gleichgewicht und fiel zu Boden. – Ganz so wie Faruk. Alenas geweitete Augen sahen von Faruk zu ihren Händen. Noch nie hatte sie jemanden getötet.
 

„Vielleicht bist du doch nicht so Schutzlos. – Und deinem Vater ähnlicher als wir dachten.“, murmelte Kaya und sah von Faruks Körper zu Alena und nahm ihr das Schwert aus Faruks Oberkörper. „Wenn auch etwas unbeholfen und nicht koordiniert.“, lächelte er.

„Gehen wir.“, meinte Altair und führte Alena zurück zur Hütte, indem er sie am Oberarm packte, hochzog und sachte mit sich zog. Alena ließ sich widerstandslos mitziehen. Immer wieder spielten sich in ihrem Kopf die letzten Geschehnisse ab.

Altair und Kaya flüchteten in die Hütte, die sie bereits bei ihrer Ankunft genutzt hatten. Schnell aber leise traten sie ein und schlossen die Tür hinter sich. Kaya unterdessen suchte die Hütte nach unerwünschten Besuchern ab, kam jedoch wenige Minuten später wieder. „Nichts.“

Erst jetzt ließ Altair von Alena ab.

Alena erwachte aus ihrer Starre als Altair ihr etwas zu essen hinhielt. „Setz dich und iss.“, forderte er sie auf. „Danke.“, sie setzte sich zögernd zu den beiden Assassinen und biss zaghaft von dem Brot ab. Es war still in der Hütte, außer dann wenn einer der beiden sich erhob und leise hinaus spähte. Seufzend stand Alena auf. „U-und jetzt?“, fragte sie.

„Warten wir.“, antwortete Altair. „Worauf?“, fragte Alena verwirrt. „Darauf das es dunkel wird.“, erklärte Kaya und setzte sich wieder. „Und darauf ob sie nun einen Suchtrupp losschicken dank deines Aufmerksamkeitsmanövers.“, stichelte Altair sarkastisch. „Entschuldige.“, murmelte Alena und hatte nicht gewusst das soviel daneben gehen konnte, wenn sie losging und Devra suchte.
 

Alena rutschte unruhig hin und her. Altair hatte sie in das hintere Zimmer geschickt damit sie schlief, aber irgendwie konnte sie sich einfach nicht entspannen. Bei dem Gedanken das man vielleicht nach ihnen suchte, das jeden Moment jemand hier herein stürzen könnte, stellten sich ihre Nackenhaare auf. Wie sollte man dabei auch noch in Ruhe schlafen können? Außerdem sah sie immer wieder Faruks leblosen Körper vor sich sobald sie die Augen schloss. Frustriert seufzend setzte sie sich auf und fuhr sich durch die Haare.

„Kannst du nicht schlafen?“ Überrascht sah sie auf und konnte Altairs Silhouette am Eingang erkennen. Wie lange er da wohl schon stand und sie beobachtete? Bei dem Gedanken schlug ihr Herz gleich etwas schneller. „Nein.“, meinte sie und sah auf ihre Hände hinab, die nervös mit der Decke spielten, die zuvor ihren Körper bedeckt hatte. „Ich.. habe Angst.“, gestand sie dann und fühlte sich wie ein kleines Kind. „Kaya übernimmt die erste Wache.“, erklärte Altair und trat dann an ihr Lager und ließ sich langsam in die Hocke sinken. „Du brauchst also keine Angst zu haben.“ Alena sah unwillkürlich auf, als Altairs Stimme so klang wie damals in ihrer Kammer in Jerusalem. „Bleibst du hier?“, fragte sie dann.

Einen Moment war es still, in der sie Altair einfach nur in die Augen sah, welche im Mondschien zu glitzern schienen. „Rutsch rüber.“ Altair legte sich neben Alena auf das Lager, die eine Hand hinter unter seinen Kopf geschoben während die andere Alena an sich zog und die Decke über ihren Körper legte. Diese stieß einen überraschten Laut aus, entspannte sich dann jedoch und legte zögerlich ihren Kopf auf seiner Brust ab, ganz so als würde sie befürchten Altair würde sie zurückweisen.

„Schlaf jetzt.“, wies er Alena an, als er zu ihr hinunter sah. „Danke, Altair.“, murmelte sie und schloss die Augen. Altair lauschte Alenas gleichmäßigem Herzschlag, nachdem sie bereits seit einiger Zeit eingeschlafen war.

„Hast du es gemütlich?“, fragte Kaya der irgendwann den Raum betrat. „Hmh.“, schnaubte Altair. Kaya lachte leise und hob abwehrend die Hände. „Nein wirklich. – Sieht gut aus, das Mädchen an deiner Seite.“

Altair erhob sich vorsichtig um Alena nicht zu wecken. „Kann ich mir nicht leisten.“, meinte Altair und strich Alena durch das Haar. „Wieso nicht?“, harkte Kaya nach, als er sich an einer der Wände lehnte. „Steht nirgendwo geschrieben das du es nicht darfst. – Sieh es endlich ein das Mädchen bedeutet dir was.“ Kaya lächelte. „Und sie scheint dich auch sehr zu mögen.“, meinte er und betrachtete wie Alena im Schlaf ihre Hand ausstreckte und sie in Altairs Kutte vergrub.

„Vielleicht.“, murmelte Altair und erhob sich langsam. „Ich übernehme die zweite Wache.“

Kaya lachte leise und schloss dann die Augen nachdem Altair den Raum verlassen hatte. Leicht schüttelte er über Altairs Dickkopf den Kopf. Nicht wissend das seine Worte Altair zum nachdenken angeregt hatten, während er auf dem Dach des Hauses lag und in die Dunkelheit lauschte.
 


 


 

Tbc....

Zwanzigstes Kapitel – Der Edensplitter


 

Zwanzigstes Kapitel – Der Edensplitter

 

 

Stunde um Stunde lag er auf dem Dach des Hauses und lauschte in die Dunkelheit. Dabei kribbelte es ihm bereits in den Fingern endlich sein Schwert ziehen zu können und all dem ein Ende zu bereiten. Er hoffte das es nicht mehr lange dauern würde, bis sich Al Mualim aus seinem Versteck traute. – Er würde noch bis Sonnenaufgang warten, dann würde er ihn selbst suchen gehen.

Das Geräusch von knirschender Erde riss Altair sofort aus seinen Gedanken, während er in derselben Bewegung aufsprang und seine Hand an den Griff seines Schwertes legte. Seine Augen suchten gekonnt die Umgebung ab und bleiben bald darauf an einer Gestalt hängen die sich dem Haus langsam näherte. Leichtfüßig sprang er von dem niedrigen Gebäude und erkannte dabei das es sich nicht wie gedacht um einen von Al Mualims Anhängern handelte, sondern um Alenas Freundin. – Devra.

„Was tust du hier, Weib?“, flüsterte Altair und ließ seine Hand von dem Griff gleiten. Devra stand einfach nur da und nestelte nervös an ihrem Ärmel, ihre Unsicherheit war ihr breit auf die Stirn geschrieben. Etwas das Altair einfach nur als erbärmlich beschreiben konnte, sollte das Weib doch nach Alenas Gespräch wissen das er nicht zu jenen gehörte die unter Al Mualims Einfluss standen. Denn wenn dies so wäre dann wäre Devra wohl bereits nicht mehr am Leben. „I-ich…“, stammelte Devra recht orientierungslos. Altair verdrehte unter seiner Kapuze die Augen, ehe er auf das Haus deutete. „Komm.“

Altair schloss die Tür hinter Devra und lehnte sich an eben jene an. „Also Weib, was tust du hier?“, fragte Altair und klang dabei alles andere als freundlich. „I-ich wollte… Ich wollte Alena suchen.“, brachte Devra schließlich heraus und sah sich in der Hütte um. „Und warum?“, Altair warf einen raschen Blick auf den hinteren dunklen Raum in dem sich Alena befand. Devra unterdessen zuckte mit den Schultern. „I-ich wollte sehen ob es ihr gut geht. – Wollte sehen o-ob… ob sie recht hatte.“ Altair hob fragend eine Augenbraue, sich bewusst das sein gegenüber dies nicht sehen konnte, „Recht hatte womit?“

Devra nahm langsam auf einem der Hocker platz, weil sie das Gefühl hatte das ihre Beine sie nicht mehr länger tragen würden. „Ich hatte mich in meiner Hütte versteckt. Alena kam und fand mich und wollte das ich sie begleite. Sie sagte mir das Ihr noch nicht unter Al Mualims Einfluss stehen würdet. – Aber ich glaubte ihr nicht und lief weg, aber ich wollte sehen ob es ihr gut geht. – Nicht das ihr etwas passiert ist. Faruk, er ….“ „Faruk ist tot.“, unterbrach Altair Devra und stieß sich von der Tür ab. „Er hat Alena angegriffen.“ Altair konnte sehen wie Devra die Farbe aus dem Gesicht wich. „Ist sie…“ „Tod? – Nein.“ Altair hatte für einen Moment das Bild einer leblosen Alena vor den Augen, etwas das ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagen ließ.

Devra nickte erleichtert. „Du kannst dich hinten schlafen legen. Alena und Kaya sind auch dort.“, bot Altair an und verließ mit einem weiteren Blick auf den dunklen Raum die Hütte.

 

Die Sonne ging gerade auf als Alena aus ihren Schlaf erwachte. Sie gähnte und streckte sich, ehe ihr die Ereignisse des gestrigen Tages wieder einfielen. Sie setzte sic auf und blickte auf Kaya der schlafend an der Wand saß. Lächelnd betrachtete sie ihn einen Moment ehe sich etwas weiter hinten bewegte. Langsam erhob sie sich und spähte zu der Gestalt hinüber.

„Sie kam gestern Nacht.“ Alena fuhr erschrocken herum, nur um Kaya zu sehen der sich lautlos erhoben hat. „Hab ich dich geweckt? – Warum hat mir niemand Bescheid gesagt?“, flüsterte sie um Devra nicht zu wecken. Kaya schüttelte auf ihre erste Frage den Kopf und fügte dann hinzu, „Ich wollte dich wecken, aber Altair war strickt dagegen.“ Alena nickte und erstarrte dann. „Wo ist Altair?“

Als Kaya ihr nicht Antwortete packte sie ihn sachte am Ärmel und zog ihn in den vorderen Bereich. „Wo ist er, Kaya?“ Alena wartete vergebens auf eine Antwort. Seufzend wandte sie sich um und ging Richtung Ausgang. „Wohin denkst du, gehst du?“ „Altair suchen.“ „Nein!“, Kaya packte Alena am Oberarm und zog sie zurück. „Ich muss Altair suchen!“, protestierte sie. „Altair möchte das du hier wartest. – Ich soll dafür sorgen dass du das auch machst. Auf die eine oder andere Weise.“ Alena kräuselte verärgert ihre Augenbrauen.

„Aber wir können ihn nicht einfach alleine da draußen lassen.“, meinte sie und sah mit Tränenreichen Augen zu ihm auf. „Dann geh du ihm helfen Kaya.“, flehte sie und legte den Kopf schief. „Bitte.“, fügte sie hinzu.

Kaya seufzte und fuhr sich über den Bart. „Gut.“, gab er schließlich nach. „Aber du bleibst hier und gehst nicht hinaus, egal was passiert.“ „Versprochen. – Danke.“

 

Langsam ging Altair die wenigen Stufen hinunter die in den Garten führten. Seine gesamten Muskeln waren zum zerreißen angespannt, immerhin konnte man nie wissen was genau Al Mualim im Schilde führte. Altair hatte die Mitte der steinernen Plattform erreicht, als sein Körper ihm nicht mehr gehorchte. Ohne es zu wollen drehte er sich um und blickte nach oben.

„Ah, der Schüler kehrt zurück.“*, Al Mualim stand auf dem Balkon und sah auf Altair herab. „“Ich war nie fürs davonlaufen.“*, erwiderte Altair und versuchte vergebens seinen Körper wieder unter seiner Kontrolle zu bekommen.

„Und nie fürs zuhören gleichwohl.“*, meinte Al Mualim und lief auf dem Balkon hin und her. „Deshalb lebe ich noch.“*

„Was soll ich mit Euch machen?“*, fragte Mualim und überging Altairs Bemerkung. „Lasst mich gehen!“*, forderte Altair. Obgleich er wusste das Al Mualim schon etwas im Sinn hatte. „Oh Altair. – Ich höre den Hass in Euren Worten, spüre seine Hitze. Euch gehen lassen? – Das wäre unklug.“*, Al Mualim warf einen kurzen Blick auf den Gegenstand in seinen Händen. „Warum tut Ihr das?“*

„Ich fand beweise.“* „Beweise für was?“*, fragte Altair.

„Das nichts wahr ist und das alles erlaubt ist. – Kommt vernichtet den Verräter!“*, rief Al Mualim, „Stoßt ihn aus dieser Welt!“*

Altair sah sich plötzlich all jenen Opfern gegenüber, die Al Mualim ihn beauftragt hatte zu töten. Altair blieb nichts anderes übrig als eine Verteidigungsposition einzunehmen. Ab und an schaffte er es einen der Angreifer wegzuschubsen um sich so einen Moment von ihnen frei zu machen. Er war bereits in die Ecke gedrängt worden, als er es schaffte Robert de Sablé zu töten. – Abermals.

Kurz darauf folgten Sieben weitere tödliche Angriffe seinerseits.

„Stellt Euch, oder habt Ihr Angst?“*, fragte Altair nachdem er wieder die Kontrolle über seinen Körper verloren hatte. „Ich habe vor tausenden Männern gestanden, jeder davon Euch überlegen. Und sie alle sind gestorben! – Durch meine Hand.“*, Al Mualim kam langsam die wenigen Stufen herunter. In der einen Hand den leuchtenden Gegenstand und in der anderen Hand ein Schwert. „Ich habe keine Angst.“*

„Beweist es!“*, forderte Altair ihn heraus. „Was sollte ich fürchten? – Seht nur über welche Macht ich verfüge.“* Al Mualim leuchtete auf ehe Altair Neun Al Mualims gegenüber stand, doch immerhin konnte er sich bewegen. Zeit sich über die seltsamen Ereignisse Gedanken zu machen hatte er keine. Den ersten Al Mualim erledigte Altair nach wenigen Minuten, musste jedoch direkt einen Angriff eines weiteren parieren.

 

Alena hatte Devra über die wichtigsten Sachen aufgeklärt. Nun saßen die beiden Frauen in der Stube, während Devra einen Tee kochte saß Alena unruhig an dem Tisch und fuhr sich immer wieder durch das Haar. „Ihnen wird schon nichts geschehen.“, versuchte Devra ihre Freundin aufzumuntern, was jedoch kläglich scheiterte. „Was wenn nicht Devra? Was wenn ihnen etwas passiert? – Was wenn Altair verletzt wird oder..“ „Nein.“, unterbrach Devra. „Sie werden wieder kommen. – Altair wird wiederkommen. Du hast sie doch kämpfen sehen.“

Alena nickte. Ja sie hatte sie kämpfen sehen, trotzdem hatte sie Angst. Was wenn Altair alleine einer ganzen Armee gegenüberstand? Was wenn er in eine Falle geraten war?

„Seit wann sorgst du dich so um Altair?“, fragte Devra um ihre Freundin auf andere Gedanken zu bringen. „Ich erinnere mich das du am Anfang mit keinem von ihnen etwas zu tun haben wolltest.“, lächelte sie und zwinkerte dabei. Alena zuckte mit den Schultern. „I-ich weiß auch nicht. – Altair war einfach immer da wenn ich Hilfe brauchte. – Da ist es nur gerecht wenn ich mich etwas um ihn sorge, oder?“, fragte Alena.

„Oder magst du ihn vielleicht? – Du weißt schon..“, stichelte Devra und konnte sehen wie Alena prompt errötete. „N-nein.“, stammelte diese. „Du bist eine schlechte Lügnerin Alena.“, lachte Devra und goss den Tee auf.

„Und wenn schon!“, schnappte Alena und seufzte. „Er würde mich eh nicht wollen.“

„Sagt wer?“, fragte Devra und setzte sich zu Alena. „Sage ich. – Sieh mich an.“, erwiderte Alena als wenn es das doch offensichtlich wäre. „Ich sehe eine hübsche, junge und starke Frau. – Vielleicht solltest du Altair sagen was du empfindest.“, meinte Devra schulterzuckend. „Devra!“, jammerte Alena. „Ich mein nur.“

 

Altair hatte beinahe alle Angreifer getötet, als sie verschwanden und Al Mualim wieder alleine vor ihm stand. „Habt Ihr noch ein letztes Wort?“*, fragte Al Mualim während Altair abermals um Kontrolle kämpfte. „Ihr habt mich belogen. Nanntet Roberts Ziele schändlich während ihr dieselbe verfolgtet.“*

„Ich konnte nie besonders gut Teilen.“*, sagte Al Mualim. „Ihr könnt nicht obsiegen, andere werden die Kraft haben Euch zu wiederstehen.“*, erwiderte Altair gelassen.

„Ah und solange Menschen einen freien Willen haben, kann es keinen Frieden geben.“*

Altair hätte darüber den Kopf geschüttelt wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre. Stattdessen sagte er, „Den letzten der so sprach habe ich getötet.“*

„Kühne Worte; Junge. – Aber nur Worte.“*, sagte Al Mualim.

„Dann lasst mich gehen, ich lasse Taten folgen.“* Al Mualim fing daraufhin an zu lachen, es schien ihn wahrlich zu amüsieren.

„Sagt mir Meister, was macht mich anders als die anderen. Warum durfte ich meinen Verstand behalten?“*, fragte Altair der dieses hin und her langsam satt hatte, wenn er doch nur seinen Körper kontrollieren könnte, dann hätte er all dem bereits ein Ende gesetzt.

„Wer Ihr seid und was Ihr tut ist zu stark verflochten. Euch des einen zu berauben hieße mir das andere nehmen. Und diese Templer mussten sterben. – Ah, aber die Wahrheit ist ich versuchte es. In meiner Kammer als ich Euch den Schatz zeigte, aber Ihr seid nicht wie die andern. Ihr habt di Illusion durchschaut.“*, erklärte Al Mualim.

„Illusion?“*, fragte Altair. „Mehr ist es nie gewesen, dieser Templerschatz. Dieser Edensplitter. – Dieses Wort Gottes. Versteht Ihr nun? Das rote Meer wurde nie geteilt, Wasser nie in Wein verwandelt, nicht die Machenschaften Paris lösten den trojanischen Krieg aus, sondern das!“*, Al Mualim hielt die leuchtende Kugel hoch, sodass Altair sie genau sehen konnte. „Illusionen allesamt!“*

„Was Ihr plant ist nicht weniger eine Illusion! Menschen gegen ihren Willen zu zwingen Euch zu folgen.“*, konterte Altair.

 „Ist es denn weniger real als die Phantome denen die Sarazenen und Kreuzfahrer folgen? Diese feigen Götter, die die Welt im Stich lassen während sich die Menschen sich in ihrem Namen gegenseitig dahin metzeln! Sie leben bereits in einer Illusion. – Es ist einfach ihnen eine andere zu geben. Eine die weniger Blut fordert.“*

„Wenigstens folgen sie diesem freiwillig.“*, sagte Altair. „Tun sie das? Abgesehen von einigen bekehrten und ungläubigen.“*

„Das ist unrecht.“*

“Ah nun hat Euch die Logik verlassen, stattdessen gebt ihr Euch Gefühlen hin. Ich bin Enttäuscht.“*

Altair hätte Al Mualim am liebsten gesagt das Gefühlen zu folgen nicht immer der falsche Weg sein muss, stattdessen fragte er lediglich, „Was wird nun also geschehen?“*

„Ihr werdet mir nicht folgen und ich kann Euch nicht zwingen.“*, sagte Al Mualim. „Und Ihr weigert Euch die teuflischen Pläne aufzugeben.“*, konterte Altair.

„Dann scheint es als steckten wir in einem Engpass.“*, seufzte Altairs ehemaliger Meister. „Nein wir sind am Ende.“*

„Ah ich werde Euch vermissen Altair. Ihr wart mein bester Schüler.“*

Altair zog sein Schwert, sobald er spürte das er sich wieder bewegen konnte. Leider war es schwierig Al Mualim im Nebel auszumachen weswegen er sich auf das leuchten der Kugel konzentrierte.

 

„Ob sie bald zurück kommen?“, fragte Alena als die Sonne hoch am Zenit stand. Ein Kampf konnte nicht einen ganzen Morgen gehen oder? Vielleicht waren sie verletzt und brauchten Hilfe? „Wir sollten sie suchen gehen.“, meinte Alena und stand auf. „Und wenn sie hierhin kommen? Alena wir sollten warten.“, meinte Devra und zog Alena am Ärmel.

„Du wartest hier Devra. – Ich gehe sie suchen.“ „Das ist Selbstmord!“, sagte Devra erschrocken. „Mir wird nichts passieren. – Versprochen.“ Alena schnappte sich das Schwert das auf einem der Truhen lag. Es fühlte sich ungewohnt und schwer in ihrer Hand an. „Alena bitte…“ „Wir sehen uns später Devra.“ Alena warf ihrer Freundin einen letzten Blick zu ehe sie durch den Eingang nach draußen verschwand.

 

„Der Schüler kann den Meister nicht besiegen.“*, murmelte Al Mualim der sterbend am Boden lag. „Nichts ist wahrhaftig, alles ist erlaubt.“* „So scheint es.“* Al Mualim tat seinen letzten Atemzug ehe er die Augen schloss.

„Altair.“ Der angesprochene wandte überrascht den Kopf. „Kaya, sagte ich Euch nicht Ihr solltet bei Alena bleiben!“

Kaya hob abwehrend die Hände. „Das Mädchen wollte selber nach Euch sehen, da habe ich angeboren zu gehen, aber wie es scheint bin ich überflüssig.“, sagte Kaya und deutete dabei auf Al Mualim.

„Was wird jetzt geschehen?“, fragte Altair. Immerhin war die Bruderschaft nun ohne Anführer. „Ihr solltet seinen Platz einnehmen.“, riet Kaya und schob sein Schwert in die Halterung zurück. Altair lachte. „Das überlasse ich dann doch besser Euch, Bruder.“

 

„Altair! Kaya!“ Die beiden drehten erschrocken den Kopf.
 


 

Tbc...



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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Von:  Mukuro-sama
2014-01-13T16:36:55+00:00 13.01.2014 17:36
ich fand die ff einfach wundervoll *-*
mir gefällt auch dein schreibstil

Glg Cherry-
P.s. wirst du noch einen epilog oder irgendwas dazu schreiben oder es so lassen? ich würde mich freuen zu lesen wie es danach weiterging! Also nachdem altair al mualim umgebracht hatte!
Von:  mamoon
2013-02-24T21:35:15+00:00 24.02.2013 22:35
Dann bin ich schonmal sehr gespannt auf das letzte Kapitel. :D
Von:  mamoon
2013-02-17T21:30:48+00:00 17.02.2013 22:30
Hach, süße Bettszene. ♥
Von:  mamoon
2012-09-19T19:33:38+00:00 19.09.2012 21:33
Endlich konnte ich mal das kapitel weiter lesen. >.< Grrr...

Waaas?! Sterben lassen? Nein! Das geht doch nicht... :'(

Von:  mamoon
2012-08-08T13:24:30+00:00 08.08.2012 15:24
Hey ich bins nochmal. :D
Ich hatte lust eine Illu zu deiner Geschichte zu machen. Ich hoffe sie gefällt dir. Welche Szene das ist, weiß man ja wenn man es gelesen hat. *hihi*
http://animexx.onlinewelten.com/fanart/2049719/
Von:  mamoon
2012-08-06T18:01:44+00:00 06.08.2012 20:01
Hallo Pusteblume, :)

ich bin heute schon den ganzen Tag dabei die Geschichte zu lesen. Ich finde sie wirklich interessant und spannend geschrieben.

Und das jetzt die Gefühle zwischen Alena und Altair sich langsam zeigen, find ich umsoschöner. *schmacht*

Ich finde es auch schön das es keine solche Geschichte ist (Mädchen wird plötzlich zu einer Assassinsn und lernt das töten). Sondern das es ein "normales" Mädchen ist und Altair sie beschützen muss. ^.^

Ich freue mich darauf mehr von dir zu lesen.

Ach und ich hoffe Altair schickt Faruk schön in die Hölle. ;D

Von:  Yami-No-Yuuki
2012-04-18T19:17:11+00:00 18.04.2012 21:17
Yeah! Es geht weiter! :)

Ich liiiiiiieeeebe deine Fanfic so dermaßen! <3
Ich mag Alena. Und Altair erst.. *_*

Ich würde mich sehr freuen, bald mehr von dir zu lesen. Immer weiter so!

Liebe Grüße,
Yuuki
Von:  Kizame
2012-04-17T20:59:22+00:00 17.04.2012 22:59
hui hui es geht weiter ;)

Du kannst die damalige Zeit sehr gut rüberbringen ^^
Von:  Whiteclown
2011-03-08T17:38:07+00:00 08.03.2011 18:38
cool
ich mag die Story^^

du kannst echt gut schreiben^^


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