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Revue of Dreams

Takarazuka
von

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Kapitel 1

„Haruno! Steh endlich auf!!“

Die Stimme drang nur schwach durch den Strudel an bunten Luftballons und sprechenden Briefkästen von denen sie gerade träumte, an Harunos Ohr.

„Hmgmm..Jun..was ist denn..?“

Im Halbdunkel des Zimmers sah sie das Gesicht ihrer besten Freundin Jun über sich.

„Mann, hast du Alzheimer?! Heute ist unser letzter Tag! Ab morgen heißt es nie wieder morgens um vier zum Putzen aufstehen! Ab Morgen heißt es nie wieder diese blöde Uniform tragen! Ab morgen bricht endlich unser zweites Jahr an!! Haruno, wach endlich auf!!“

Haruno öffnete langsam ihre Augen. Hatte sie sich wirklich der Illusion hingegeben, sie könne ausschlafen? Nein..die Ferien begannen erst morgen..heute war ihr letzter Tag..?

Das erste Jahr war wirklich schon um? Morgen war die Abschlusszeremonie?

Sie konnte es nicht glauben und richtete sich langsam auf.

Jun war schon fertig angezogen, band sich gerade die Haare zu einem Zopf zurück und pfiff dabei ein Lied aus der aktuellen Revue.

Wie konnte Jun nur schon so früh am Morgen so eine Energie haben?

Das hatte sie sich im Laufe des letzten Jahres so oft gefragt..in diesem Jar in dem sie beide zu unzertrennlichen Freundinnen geworden waren..

Plötzlich riss sie die Stimme ihrer Freundin wieder aus ihren Tagträumereien.

„Du solltest dich langsam beeilen!“, mit missbilligendem Blick sah Jun sie an und strich den langen Rock ihres grauen Kleides glatt. „Ist ja gut..“, Haruno rieb sich über die Augen und sah auf die Uhr. „Ah! Schon 4:30h!!! Warum hast du mich nicht geweckt?!“ Panisch sprang sie auf und kramte ihre Sachen zusammen, verfing sich in ihren Socken und zog ihr Kleid auf links an. Jun stand an der Tür und lachte. „Du hast tief und fest geschlafen und vor dich hingemurmelt! Komm schon, ist doch sowieso unser letzter Tag!“

Zehn Minuten später knieten die Mädchen nebeneinander im großen Tanzraum und polierten das Parkett. Es war Tradition an der Takarazuka Music School, dass die Erstklässlerinnen jeden Tag in aller Frühe aufstanden und die Räumlichkeiten der Schule putzten.

So auch Jun und Haruno heute morgen, allerdings zum letzten Mal. Denn ihr erstes Jahr war nun vorüber und nach den Ferien würden sie beide in die zweite Klasse aufsteigen und ihr letztes Ausbildungsjahr an der Schule beginnen. Es würde sich entscheiden ob sie Otokoyaku oder Musumeyaku, also Männer- oder Frauendarstellerinnen werden würden und dementsprechend würde sich ihre Uniform und in gewisser Weise ihr Leben ändern.

„Ist Wao schon hier?“, fragte Haruno ihre Freundin und rieb feste über eine raue Stelle auf dem Parkett.

„Keine Ahnung..eben hat sie noch den Flur geputzt. Hey, Hikaru! Wo ist Wao?“

Das angesprochene Mädchen sah schlecht gelaunt auf und murmelte. „Weiß nicht. Vielleicht ist sie wieder bei Mari.“

Jun zwinkerte Haruno zu und wippte vielsagend mit den Augenbrauen.

„Hast du gehört? Sie ist wohl wieder bei Mari.“

Haruno verdrehte die Augen. „Ach komm schon, sie sind nur Freundinnen.“

Jun grinste in sich hinein. „Ich weiß nicht..ich finde sie passen ganz wunderbar zusammen. Wenn die beiden nicht das nächste Traumpaar werden, weiß ich auch nicht.“

Haruno sah ihre Freundin empört an. Warum war Jun nur so locker mit solchen Themen?

„Jun! Nur weil sie aussehen wie Mann und Frau?! Das heißt noch lange nichts..“

Jun seufzte. „Du bist so verklemmt. Und du willst Otokoyaku werden?“

Haruno sah sie an und überlegte was sie sagen sollte. „Da ist noch was!“, sagte sie leise und deutete auf den Boden, drehte sich dann weg.

Wenn Jun wüsste..

Wenn sie wüsste, dass sie sich noch nie weiblich gefühlt hatte...

Dass sie wohl niemals für ihre Familie die erfolgreiche Tochter sein würde die ihrer Familie Ehre brachte..

Dass sie niemals vor hatte nach ihrer Takarazuka-Karriere zu heiraten und Kinder zu bekommen..

Wenn sie wüsste..dass sie vor allem auf die Takarazuka Music School hatte gehen wollen weil das für sie die einzige Möglichkeit war, hier im intoleranten Japan in eine Traumwelt zu flüchten in der sie sich nicht für ihre Persönlichkeit schämen musste..
 

Nachdem die Mädchen mit dem Putzen der Räume fertig waren, nahm der Tag seinen Lauf. Nur waren alle Schülerinnen heute gelöster und fröhlicher, überall wurde gelacht und der Duft der Zukunft lag in der Luft. Nach dem Frühstück gingen Haruno und Jun zu der großen Tafel an der die Namen der jenigen standen die heute die Türöffner für die Seniors sein mussten.

Jun stöhnte gequält auf. „Oh nein!! Wir sind wieder mal dran!“

Während sie in den Westflügel der Schule gingen wo die ‚Upper Class’ probte, dass waren die Takarasienne die schon mit der Ausbildung fertig waren und in richtigen Stücken spielten, fluchte Jun unaufhörlich vor sich hin. „Wieso müssen wir eigentlich immer da rüber und denen die Türen aufmachen? Dürfen sich wohl nicht ihre talentierten Händchen überanstrengen..“

Haruno lächelte. „Jun! Halt dich zurück oder willst du Ärger mit den Seniors?“

Jun grummelte vor sich hin. Sie war zu temperamentvoll und jähzornig. Während des ersten Jahres hatte sie sich noch zurückgehalten aber Haruno fürchtete, dass die Tatsache dass sie nun ein Jahr weiter sein würde und wenn sie dann auch noch Otokoyaku werden würde, ihren Rebbelionsgeist zu sehr steigern würde.

Auf dem Flur trafen sie schließlich Wao. „Ohayou!“, grüßten sich die Mädchen und stellten sich zusammen an die Tür des großen Spiegelsaals.

„Wo warst du heute Morgen, Wao?“, fragte Haruno und lehnte sich an die Wand.

Wao kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Äh..ich war mit Mari unterwegs..hat jemand nach mir gefragt?“

Jun grinste. „Nee, keiner hat was gemerkt. Was habt ihr denn gemacht?“

Wao grinste wieder. „Äh..nur so geredet halt.“

Haruno sah Jun mahnend an aber noch bevor Jun irgendetwas sagen konnte, wurde die verglaste Tür des Spiegelsaals aufgerissen und – sie stand vor ihnen:

Sei Matubo!

Gerade zur Top Star-Otokoyaku der Hanagumi geworden, sie spielte seit einem Jahr alle männlichen Hauptrollen in jedem Stück der Gruppe, sie hatte vor eineinhalb Jahren einen richtigen Vertrag mit der Takarazuka-Company abgeschlossen und war schon seit acht Jahren fest angestellt in der Company, sie war umwerfend maskulin: Groß, schlank, mit breiten Schultern und harten Gesichtszügen, ihr eiskalter Blick ließ jeden sofort im Boden versinken – kurz: Vor ihr hatte man Respekt zu haben.

Wütend funkelte sie die Noch-Erstklässlerinnen an.

„Hey, seit ihr blind?! Ich wollte zufällig rausgehen?!! Steht hier gefälligst nicht rum und redet sondern erfüllt eure Pflichten, ihr Nichtsnutze!!“, fauchte sie die Mädchen an.

Haruno senkte eingeschüchtert den Blick aber Jun wollte aufmucken. Noch bevor sie einen Ton sagen konnte, stieß Haruno sie in die Seite und verbeugte sich tief. „Gomen nasai, Todoroki-san. Es tut uns sehr leid und es wird nicht wieder vorkommen.”

Wao verbeugte sich ebenfalls und nach einigen zornigen Zögern erniedrigte sich auch Jun vor der Älteren.

Erst als die Otokoyaku, nicht ohne die Mädchen noch einmal zu beleidigen, vorbei gegangen war, richteten sich die Mädchen wieder auf. Jun sah Haruno wütend an.

„Haruno! Warum machst du das immer mit?! Sie haben nicht das Recht so mit uns zu reden! Nur weil sie Senior sind?! Wann wehrst du dich endlich mal gegen die?!!“

Haruno seufzte. „Jun, so ist es eben. Solang wir noch Schülerinnen sind, müssen wir das eben aushalten. Wir müssen ihnen Respekt erweisen. Sie haben es geschafft. Sie sind richtige Takarasienne! Als sie noch so alt waren wie wir, mussten sie den Älteren auch Respekt erweisen und wenn du einmal ‚Lower Class’ oder ‚Upper Class’ bist, wird man vor dir auch Respekt haben.“

Jun fluchte weiter. „Ich werde ganz bestimmt ‚Upper Class’ werden und dann werde ich nicht so asozial sein, das kannst du mir glauben!“ Wütend funkelte Jun der Otokoyaku nach. „Booaa, ich hasse die!“

Wao gab Haruno recht. „Jun, halt dich zurück. Es wird immer so sein. Außerdem gibt es Schlimmeres.“

„Aber..“

„Sssht!“, zischte Haruno und öffnete die Tür, als eine anmutige Musumeyaku den Raum verließ. „Ohayou gozaimass!“ Und die drei Mädchen verbeugten sich tief.
 

~*~
 

Am nächsten Morgen wachte Haruno früh auf und konnte nicht mehr einschlafen.

Ein Blick auf ihren Wecker verriet ihr, dass es 4:00 Uhr war aber heute musste sie nicht aufstehen und nicht putzen. Heute würden keine Proben stattfinden.

Heute war die Abschlusszeremonie der Erstklässlerinnen und sie würden endlich Zweitklässlerinnen werden. Es würde sich endlich entscheiden!

Haruno stand leise auf, vergewisserte sich kurz, dass Jun noch schlief, zog sich schnell an und trat leise hinaus auf den Gang. Sie suchte nach ihren Schuhen, die zwischen den anderen vor der Tür des Schlafsaales aufgereiht waren und schlüpfte hinein.

Sie wollte zu dem kleinen hauseigenen Schrein gehen und beten. Sie wollte beten, dass sie Otokoyaku werden würde, sie wollte beten, dass ihre Eltern zu der Zeremonie kommen würden und stolz auf sie sein würden und sie wollte um Glück und Talent bitten, damit sie ihren Traum verwirklichen konnte.

Die Schule war noch dunkel, heute nahm alles einen anderen Rhythmus. Durch die Fenster fiel das Mondlicht herein und ließ das stille Gebäude blau schimmern.

Haruno kniete sich vor den kleinen Schrein und zündete ein Räucherstäbchen an, klatschte dann leise in die Hände. „Bitte seit mir wohl gesonnen, liebe Götter. Lasst diese Hallen zu meinem zweiten Zu Hause werden, bitte lasst mich Otokoyaku werden, lasst mich Glück finden...und Liebe.“ Ganz versunken in ihr Gebet hörte Haruno nicht, wie sich eine schmale Gestalt näherte. Erst als das Mädchen ganz dicht neben ihr stand und ebenfalls ein Räucherstäbchen anzündete, sah Haruno auf – und ihr stockte der Atem.

Neben ihr kniete ein so hübsches und anmutiges Mädchen wie sie sie noch nie gesehen hatte.

Das schwarze lange Haar, dass im Mondlicht blau leuchtete, fiel ihr über die schmalen Schultern und reichte ihr bis an die Schultern. Haruno betrachtete völlig fassungslos ihr schönes Profil: ein kleines Kinn, ein anmutig geschwungener Mund, eine hübsche gerade Nase und geschlossene Mandelaugen die von langen dichten Wimpern bedeckt wurden. Ihr Körper war schmal und zierlich aber wunderschön weiblich geformt und ihre langen schlanken Finger hatte sie zum Gebet zusammen gelegt. Haruno starrte sie völlig weggetreten an. Warum hatte sie dieses hübsche Wesen nur noch nie gesehen? Sie trug die Uniform der Erstklässlerinnen..sie war zweifellos in ihrem Jahrgang..warum war sie ihr in dem vergangenen Jahr noch kein einziges Mal aufgefallen? So ein hübsches..anmutiges..perfektes Mädchen... Sie musste zweifellos ein großes Talent sein..

Haruno konnte nicht aufhören sie anzuschauen, ihr Gebet hatte sie vollkommen vergessen, war völlig vertieft in de Anblick des Mädchens.

Plötzlich öffnete das Mädchen die Augen und sah sie an. Haruno zuckte ertappt zusammen und wandte den Blick ab, schloss die Augen schnell wieder, betete weiter und wartete angespannt bis das Mädchen nach einigen Augenblicken leise aufstand und sich entfernte. Erleichtert atmete Haruno auf aber ihr Herz klopfte wild und ließ sie keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie dachte nur noch an das hübsche Mädchen.

Kapitel 2

„Liebe Schülerinnen!“ Als die Stimme ihres Gesangslehrers, Shibata-sensei, durch das Mikrofon schall, verstummten die Mädchen, die in langen Reihen in dem großen Saal saßen und aufgeregt miteinander flüsterten. Gebannt schauten alle auf die Bühne, wo nun hinter dem Gesangslehrer die Tanzlehrer Takashi-sensei und der Musiklehrer Noboru-sensei, unter Applaus die Bühne betraten und sich nebeneinander aufreihten.

Die Mädchen erhoben sich und lauschten den Reden der Lehrkräfte.

Shibata-sensei, der für seine Strenge und Humorlosigkeit bekannt war, fuhr nun fort:

„Heute ist der letzte Tag an eures ersten Jahres hier an der Takarazuka Music School! Nach, in manchen Fällen, langem Nachdenken, haben wir nun entschieden wer von euch Otokoyaku und wer Musumeyaku werden wird! Zu diesem Thema wird euch nun Takashi-san die wichtigen Informationen mitteilen!“

Takashi-sensei bedankte sich und trat an das Podium. Er war ein großer und kräftiger Mann, der den Mädchen im erstem Jahr unter strenger Disziplin die Grundzüge des Tanzens beigebracht hatte. „Die Aufgabe der Otokoyaku ist es, die Männerrollen oder sehr männliche Frauenrollen zu spielen! Ihr solltet euch schnell von dem glitzernden Traum der Top-Stars entfernen und beachten, dass Otokoyaku werden eine schwere Aufgabe ist und nur wenige von euch haben überhaupt auch nur annähernd das Talent um eine halbwegs akzeptable Otokoyaku zu werden! Im kommenden Jahr werdet ihr eure Haare abschneiden, ihr werdet Hosen und Jacken tragen und nur noch in der männlichen Form sprechen! Ihr werdet Herrenballett und männliches Auftreten und Benehmen, sowie männlichen Gesang lernen!

Der Unterricht wird von den Musumeyaku getrennt stattfinden und wesentlich strenger werden!

Nun zu den Musumeyaku. Als Musumeyaku habt ihr die Aufgabe die Frauenrollen zu spielen! Als Musumeyaku müsst ihr intensiven Gesangsunterricht nehmen und vor allem euer Tanzunterricht wird um einiges anstrengender werden als bei den Otokoyaku! Wie ihr wisst, gibt es immer mehr Musumeyaku als Otokoyaku, also ist die Konkurrenz bei euch größer und ihr müsst doppelt so viel Einsatz zeigen damit ihr uns, beziehungsweise euren neuen Lehrern auffallt! Beachtet dies immer! Nun die Aufteilung, wer in welchen Unterricht gehen wird. Wer überhaupt nicht mit dem was wir entschieden haben, einverstanden ist, kann mit uns in ein persönliches Gespräch kommen und Änderungen sind demnach möglich, jedoch sind diese Änderungen verbindlich.

Nun denn.“

Und die Verlesung der Namen begann.

Fieberhaft warteten Haruno, Jun und Wao darauf, dass ihre Namen aufgerufen wurden. Alle anderen Mädchen waren zufrieden und die Entscheidungen überraschten niemanden. Mari wurde natürlich eine Musumeyaku und Haruno beobachtete wie Wao noch nervöser an ihrem Kleid herumknibbelte, sodass der Rock schon ganz zerknittert war.

Als Haruno wieder zur Bühne blickte, stockte ihr erneut der Atem und ihr Herz schlug ihr hart gegen die Brust. Bei dem Namen „Rei-san!“, war sie aufgestanden! Sie, die hübsche wunderschöne Gestalt vom Schrein! Das eleganteste, vollkommenste und anmutigste Wesen das Haruno je gesehen hatte. Sie hieß also Rei. Rei...kein Name konnte besser zu diesem Mädchen passen. Schüchtern verbeugte sie sich vor den Lehrern und nahm ihre Urkunde als Musumeyaku entgegen.

Haruno folgte ihr mit den Augen als sie mit trippelnden Schritten die Bühne verließ und sich zu den anderen Mädchen setzte. Sie war so hübsch..allein, wie sie jetzt lächelnd auf ihre Urkunde blickte..wie ihre zarten Finger das Papier festhielten als sei es etwas Zerbrechliches..

So vorsichtig, so...

„HARUNO-SAN!“

Laut schallte ihr Name zu ihr herüber und Jun stieß ihr ihren Ellebogen in die Seite. Hastig sprang Haruno auf und wäre fast über ihren eigenen Rock gestolpert. Schnell hastete sie auf die Bühne und verbeugte sich tief vor den Lehrern. Mit zitternden Fingern nahm sie ihre Urkunde entgegen...Otokoyaku! Da stand wirklich...Otokoyaku!!!

Völlig fassungslos starrte sie auf das Papier und vergaß fast, die Bühne wieder zu verlassen. Völlig geistesabwesend schwebte sie zurück zu ihrem Platz und hörte kaum wie Jun ihr leise gratulierte. Otokoyaku..ein Teil ihres Traums war wirklich in Erfüllung gegangen! Dann riss sie sich aber los und folgte ihrer besten Freundin mit den Augen zur Bühne, sah das freudige Grinsen auf Juns Gesicht und bemerkte wie Wao Mari später freudig zunickte, als sie ihre Bescheinigung zu Otokoyaku bekommen hatte. Was hatte das nur zu bedeuten? Es schien als hätten sie beiden abgemacht dass Mari Musumeyaku und Wao Otokoyaku werden würde..seltsam..

Haruno vergaß den Gedanken schnell wieder und wandte sich wieder Rei zu. Sie saß inmitten der anderen Musumeyaku und verglich mit ihnen ihr Erstjahrszeugnis. Sie kicherte hinter vorgehaltener Hand..wie niedlich. Allein wie vorsichtig sie das Papier in ihren zarten Fingern hielt, als wäre es etwas Wertvolles..okay, es war ja auch wertvoll, aber dennoch..Haruno fand dass niemand hier das Papier so schön festhielt wie Rei.

Sie wurde aus ihren Schwärmereien gerissen als ihr Musiklehrer Noboru-sensei das Podium betrat und mit seiner tiefen und langsamen Stimme das Schlusswort begann.

„Nun, ihr habt nun eure Zuteilungen erhalten. Nach den Ferien trefft ihr euch alle in der großen Eingangshalle wo ihr euch auch schon zu Beginn des ersten Jahres versammelt habt. Dort werdet ihr dann gemäß eurer Rollenzuteilung getrennt und von euren Lehrern abgeholt. Ihr bekommt noch einen paar Papiere auf denen alles weitere steht, unter anderem wie die Otokoyaku sich in den Ferien die Haare zu schneiden haben und wie das kommende Schuljahr für euch ablaufen wird. Des weiteren seid ihr und eure Familien natürlich herzlich zu einer unserer zahlreichen Aufführungen während der Sommerferien eingeladen. Momentan wird hier in Takarazuka gerade von der Hanagumi die Show ‚The Scarlet Pimpernel’ gespielt, mit Sei Matubo und Ayane Sakurano in den Hauptrollen und in Tokyo wird von der Tsukigumi das Musical‚Oklahoma!’ gespielt, mit Natzuki Mizu und Yuri Shirahane in den Hauptrollen, übrigens sind alle vier seit einem Jahr Top-Stars ihrer jeweiligen Gruppen und es lohnt sich wirklich für euch Schülerinnen euch diese Meisterinnen einmal anzusehen!

Nun denn, alles weitere erfahrt ihr dann nach den Ferien. Meines Wissens nach warten eure Eltern draußen vor dem Tor. Wir wünschen allen im Namen der Takarazuka Music School und der Takarazuka Company schöne Ferien!“
 

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Als die Mädchen glücklich und beladen mit Taschen und Koffern aus der Schule strömten, warteten schon Scharen von Eltern auf dem Vorhof und schwitzten in der Sommerhitze. Alle hatten die grauen bideren Schuluniformen abgelegt und trugen ihre Freizeitkleidung. Sie sahen nicht aus wie angehende Show-Stars sondern wieder wie ganz normale Teenager: In Miniröcken, T-Shirts und Turnschuhen.

Haruno und Jun standen zusammen und verabschiedeten sich von einander.

„Also dann!“, grinste Jun und umarmte Haruno. „Wir sehen uns dann nach den Ferien, in alter Frische um uns zu ordentlichen Otokoyaku abrichten zu lassen!“ Sie zwinkerte lachend und knuffte ihre beste Freundin in die Seite.

Haruno lachte, sah aber etwas bestürtzt aus. „Können wir uns in den Ferien gar nicht sehen?“

Jun schüttelte schuldbewusst den Kopf. „Iee, meine Eltern entführen mich nach Okinawa zum Urlaub und wir kommen erst drei Tage vor Schulbeginn wieder. Da werde ich dann wohl alles erledigen müssen, einkaufen und Haare schneiden und so. Gomen nasai, Osa..“

Haruno winkte ab. „Schon okay. Ah, da sind deine Eltern..“

Juns Eltern, zwei herzensgute Menschen kamen herüber und begrüßten ihre Tochter.

Wie fast alle anderen Mädchen auch hatte Jun ihren Eltern am vorigen Abend per Telefon mitgeteilt, ob sie Musumeyaku oder Otokoyaku geworden war.

„Hallo Jun-chan!“, ihre Mutter umarmte sie. „Wir sind ja so stolz auf dich!“

Nachdem sie Jun ausgiebeig gratuliert hatten, drehte sich erst ihr Vater, ein kleiner dicker und freundlicher Mann und dann ihre Mutter, noch kleiner und mit einem Gesicht wie ein Apfel, zu Haruno um. „Hallo Haruno. Wie geht es dir?“

Haruno verbeugte sich leicht und lächelte. „Gut, ich bin auch Otokoyaku geworden.“

Juns Mutter strahlte. „Das wissen wir, Jun hat es uns gestern Abend am Telefon gesagt! Herzlichen Glückwunsch!“

„Arigato gozaimass.“

Juns Vater klopfte Haruno auf die Schulter. Er klopfte kraftvoll aber Haruno konnte ihm ohne Schwierigkeiten standhalten. „Oh, Haruno! Du bist ja schon richtig stark! Und dabei bist du so schmal.“, lachte Juns Vater. Haruno errötete leicht. Insgeheim war sie stolz darauf, nicht so weich und schwach wie andere Mädchen zu sein. Das gab ihr ein gutes Gefühl„Na dann, verabschiedet euch! Wir müssen los.“.

Jun und Haruno umarmten sich noch einmal und sahen sich dann suchend nach Wao und Mari um. „Mensch, wo bleiben die nur?!“, murrte Jun und suchte den vollen Hof mit den Augen ab.

Endlich kamen Wao und Mari um die Ecke, sie gingen nah bei einander, zu nah. Man konnte die Verbindung zwischen ihnen fast spüren.

Jun grinste Haruno nur vielsagend an und die vier Freundinnen umarmten sich.

„Was macht ihr in den Ferien?“, fragte Jun die beiden.

Wao sah traurig zu Mari. „Meine Eltern fliegen mit mir in die USA. Fast die ganzen Ferien über.“ Sie ging noch ein Stück näher zu Mari und ganz kurz berührten sich ihreHände, fast wie zufällig.

Jun und Haruno sahen sie mitfühlend an.

„Und was machst du?“, fragte Haruno an Mari gewandt. Das zierliche Mädchen senkte den Blick. „Ich fahre mit meinen Eltern zu meinen Großeltern auf’s Land. Meine Oma ist ein riesiger Takarazuka-Fan und will alles darüber wissen. Sie lieben mich alle weil ich jetzt die Ausbildung mache.“ Sie lächelte leicht und ihre schmalen Augen verengten sich zu kleinen Halbmonden. Einen Augenblick später wurden ihre Augen wieder traurig und ihr Lächeln vereiste. „Aber ich würde viel lieber hier bleiben..“, fügte sie leise hinzu und senkte den Kopf. Wao legte ihr die Hand auf die Schulter und ihr Gesicht kam ganz nahe an Maris Wange. „Lass deinen hübschen Kopf nicht hängen. Ich schreib dir tausend Postkarten.“

Sofort lächelte Mari wieder

Nun musste auch Haruno lächeln. Das war zu süß.

Plötzlich räusperte sich jemand laut hinter ihnen.

„Jun-san!!“, ihr Vater sah sie etwas ungeduldig an und Jun riss sich schließlich, nachdem sie ihre Freundinnen noch einmal umarmt hatte los und verschwand winkend mit ihren Eltern und ihrem Gepäck vom Gelände der Schule.
 

Haruno sah ihr lächelnd nach und drehte sich dann wieder zu Wao und Mari um.

Auch deren Eltern näherten sich schon und die Mädchen verabschiedeten sich.
 

Allein stand Haruno nun mit ihrem Gepäck auf dem Hof und beobachtete, wie die anderen Schülerinnen von ihren Eltern oder Verwandten abgeholt wurden, hörte wie das freudige Lachen leiser wurde und nur noch wenige Mädchen zusammen standen und plauderten, während die Sonne hinter den Bergen von Takarazuka langsam unterging.
 

„Sumimasen“

Haruno fuhr herum. Die leise Stimme war hinter ihr erklungen und hatte sie erschreckt. Es war..Rei.

Haruno spürte augenblicklich wie sie zu zittern begann und ihr Herz ihr bis in den Hals schlug. Ihre Knie wurden weich und es verschlug ihr buchstäblich die Sprache.

Rei stand da, in der einen Hand ihren Koffer, in der anderen einige Tüten und sah sie schüchtern an. Die Abendsonne tauchte Reis Gesicht in ein orangenes Licht und der leichte Wind der aufgekommen war, ließ ihre schulterlangen Haare leicht fliegen. Ihre Augen leuchteten.

Plötzlich räusperte sich Rei und Haruno wurde schmerzlich bewusst, dass sie sie ungeniert angestarrt hatte. Errötend senkte sie den Blick und versuchte irgend etwas zu sagen, aber es wollte ihr nichts über die Lippen kommen.

Irgendwann hörte sie wieder Reis leise Stimme. „Du..bist doch Otokoyaku geworden oder?“

Sie hob den Blick und glaubte unter diesem schmerzlich süßen Blick nicht antworten zu können, nicht einmal einen klaren Gedanken fassen zu können.

Irgendwann kam ihr dann aber doch ein trockenes „Hai“ über die Lippen.

Rei sah nervös nach unten und wieder herrschte zwischen ihnen nur Schweigen.

„Ich..ich hab dich beim Schrein gesehen..“, begann sie wieder unsicher. „Betest du oft?“

Haruno zwinkerte, um wieder normal denken zu können. Sie war so verzaubert von diesem Anblick gewesen..diese braunen Augen..so tiefliegend.

„Sumimasen?“

Verdammt! Konnte sie sich nicht einmal zusammen reißen?!

„Eto..willst du nicht mit mir reden?“, fragte Rei fast erschrocken und plötzlich bekam Haruno Panik dass sie weggehen könnte.

„Ie, Ie! Ich..also...ja, ich bete oft.“, sagte sie schnell und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

Dass sie so gläubig war, weil sie sonst kaum jemanden hatte der sie unterstützte, sagte sie nicht.

Rei lächelte. „Ich bete auch oft...weißt du, ich bekomme nicht so viel Unterstützung von zu Hause..“

Haruno starrte sie an. „Das ist ja wie bei..“

Doch plötzlich wurden sie unterbrochen.

„Rei!“ Eine laute Stimme schallte zu ihnen herüber und als sie Haruno sich umdrehte, stand dort ein großer Mann im Anzug, mit der einen Hand hielt er eine Aktentasche, mit der anderen Hand hielt er sich ein Handy ans Ohr und schaute finster zu den Mädchen herüber.

„Komm schon, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!“

Rei senkte den Blick.

„Gomen nasai.“

Schnell ging sie an Haruno vorbei und eilte zu ihrem Vater, verließ mit ihm das Gelände und verschwand hinter den Schulmauern.

Haruno sah ihr mit flatterndem Herzen nach und erst als sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, realisierte sie dass sie ganz allein war. Alle anderen waren weg und die Schule wirkte plötzlich dunkel und bedrückend.

War ja klar, dass ihre Eltern sich Zeit ließen..dass sie sie warten ließen.

Die Sonne verschwand ganz und fast sclagartig wurde es kühl. Zwar nicht kalt, aber es war einfach diese Kühle, die entsteht wenn die Sonne untergegangen ist.

Haruno hatte sich gerade damit abgefunden, dass ihre Eltern sie wohl vergessen hatten, als der dunkle Wagen ihres Vaters auf dem Hof hielt. Niemand stieg aus, niemand begrüßte sie, niemand freute sich sie nach fast einem Jahr wieder zu sehen.

Etwas in ihr sträubte sich dagegen, zu ihrer Familie zu gehen aber es musste.

Sie griff nach ihrem Koffer und schleppte ihn zum Wagen, verstaute ihn im Kofferraum und setzte sich auf die Rückbank.

Am Steuer saß ihre Mutter. Haruno hatte kaum die Tür geschlossen, da brauste sie auch schon los.

Haruno starrte aus dem Fenster in den dunklen Abendhimmel und das ein Jahr weg gewesene Gefühl der Kälte nahm wieder von ihr Besitz.

Irgendwann als sie an einer Ampel standen, sah ihre Mutter kurz in den Rückspiegel.

„Ayumi wird nächsten Monat heiraten. Den jungen Arzt Kawasaki. Eine vortreffliche Wahl. Wir sind sehr stolz auf sie, deine Schwester bringt unserer Familie Ehre.“

Haruno schwieg und blickte weiter aus dem Fenster.

„Und Maki hat ihre Ausbildung zur Bürokauffrau abgeschlossen und arbeitet seit einem Monat bei Cannon als Sekretärin. Sie hat schon Bekanntschaft mit einigen Vorsitzenden des Konzerns gemacht. Sie sind so gute Töchter.“

Haruno schwieg. Sie wusste was ihre Mutter damit sagen wollte:

Deine Schwestern bringen uns Ehre. Deine intelligenten, braven, weiblichen Schwestern. Sie heiraten, bekommen Kinder, werden gute Ehefrauen und Mütter. Sie lernen einen für sie angemessene Beruf und arbeiten in einer großen Firma, um einen einflussreichen Mann kennen zu lernen und zu heiraten. Deine Schwestern haben Pflichtgefühl! Sie machen etwas aus ihrem Leben!

Sie wusste, dass ihre Eltern nie stolz auf sie sein würden.

Warum auch? Sie war anstatt ein braves kleines Mädchen das Kleidchen trägt, immer das stille ernste und eigensinnige Kind gewesen. Sie hatte sich nie für Make up, Fingernägel, Frisuren und vor allem nie für Jungen interessiert. Sie war nicht so eine schöne junge Frau wie ihre Schwestern geworden, mit Rundungen und bis oben hin voll gestopft mit Weiblichkeit, sie war groß und schmal, mit breiten Schultern und bei ihr wollten sich einfach keine richtigen Rundungen bilden. Ihr Gesicht war nicht so symmetrisch und glatt wie das ihrer Schwestern.

Das einzig Positive in den Augen ihrer Eltern waren immer ihre Schulnoten gewesen. Sie hatte ihre Schwestern immer um Meilen überragt war stets Klassebeste gewesen, ein weiterer Grund warum sie immer Außenseiter gewesen war und nie viele Freunde gehabt hatte.

Und was machte sie mit ihrem überdurchschnittlich guten Abschlusszeugnis der Mittelschule?

Sie ging nicht auf die Oberschule und dachte erst recht nicht daran auf die High School zu gehen. Sie erklärte ihren Eltern, dass sie auf die Takarazuka Music School gehen wolle.

Von dem Moment an, als ihre Eltern einsehen mussten dass sie es ernst meinte und sich auch nicht umstimmen lassen würde, war es mit der Familienidylle dahin.

Ihre Familie verachtete jede Form von Showbusiness.

Ihre Mutter hatte Medizin studiert und nach dem Studium sofort ihren Vater geheiratet, der wiederum war Anwalt und stammte aus einer ganzen Anwaltsfamilie.

Für sie waren Sänger, Musiker, Schauspieler, Models, alles auch nur irgendwie künstlerisch war, nichts weiter als faule Versager, die es im Leben nie weit bringen würden.

Und Takarazuka...das war das schlimmste überhaupt.

„Ein Hort der abnormalen Liebe!“ hatte es ihr Vater abfällig genannt und Haruno dabei warnend angefunkelt.

Es hatte ihr das Herz gebrochen, dass ihre Eltern sie nicht als das akzeptieren wollten was sie sein wollte..ständig wurde sie mit ihren Schwestern verglichen und fühlte sich stets wie das schwarze Schaf.

Und jetzt..schienen ihre Eltern es akzeptiert zu haben und ignorieten sie dafür.

Haruno seufzte. Sie schaute hinaus in den Nachthimmel und wünschte sich jetzt weit zu sein.

An Rei..mit ihrer leisen sanften Stimme...Rei..mit ihren unendlich tiefen braunen Augen...Rei..mit ihrem schönen zierlichen Körper..Rei...Rei....Rei.....

Kapitel 3

Haruno brachte die Ferien hinter sich so gut sie konnte.

Der Sommer war heiß und drückend und die Tage in ihrem Haus in einem der wohlhabenden Randbezirke von Tokyo zogen sich endlos. Die ersten drei oder vier Tage saß sie nur in ihrem Zimmer, las alte Zeitungen und packte ihre Sachen unzählige mal ein und aus. Sie lag auf ihrem Bett herum und starrte an die Decke oder zählte die Tage im Kalender.

Ihre Mutter war viel außer Haus unterwegs aber Haruno wusste dass ihre Mutter ihr in erster Linie aus dem Weg gehen wollte.

Ihr Vater war wegen einer Geschäftsreise auf Okinawa und würde erst in der dritten Ferienwoche wiederkommen. Haruno genoss die drei Wochen Ruhe denn gemeinsam mit ihrem Vater würden ihre beiden Schwestern und auch ihre Großeltern zu Besuch kommen. Noch war das große Haus leer und still und Haruno genoss es abends, wenn ihre Mutter schlief, durch ihr Elternhaus zu gehen und sich an ihre Kindheit zu erinnern.

So wie heute Abend.

Ihre Mutter war nach dem schweigsamen gemeinsamen Abendessen sofort zu Bett gegangen und nun stand Haruno in dem großen Wohnzimmer und betrachtete die alten Möbelstücke. Das Haus war voll von eleganten und luxuriösen Antiquitäten, die in ihrer Familie immer weiter vererbt worden waren.

Der ganze Stolz ihrer Familie war der breite niedrige Tisch, an den sich an Feiertagen die ganze Familie setzte um traditionell zu essen. Er war aus lackiertem Holz dessen Sorte Haruno nicht kannte und mit kunstvollen Schnitzereien und Malereien versehen. Haruno setzte sich im Dunkeln an den Tisch und legte die Hände auf das Holz. Glatt und eiskalt fühlte es sich an. Sie dachte zurück an die Geschichte dieses Tisches: Schon der Großvater ihres Großvaters hatte ihn besessen und er war viel älter, stammte aus der alten Samurai-Zeit. Sicherlich war so ein Tisch Unmengen an Geld wert aber Haruno interessierte dergleichen nicht wirklich. Ihr Vater hatte diesen Tisch bekommen und er würde ihn höchstwahrscheinlich an seine ehrwürdigste Tochter vererben. Sie wusste, dass sie niemals diese Tochter sein würde aber sie war froh darüber. Schließlich wollte sie dieses Familienspiel gar nicht weiter mitspielen. Sie hatte aufgehört sich dieser Familie zugehörig zu fühlen als sie das erste Mal gespürt hatte, dass sie ganz und gar kein „normales Mädchen“ war und ihre Familie hatte ihr im Laufe der Jahre auch nicht das Gefühl gegeben als vollwertiges Familienmitglied akzeptiert zu werden.

Haruno seufzte leise und erhob sich dann. Sie würde auf ihr Zimmer gehen und bis morgen nicht mehr an jene Dinge denken. Morgen würde ihr Vater mit ihren Schwestern wiederkommen und sie wollte am besten zur Mittagszeit nach Tokyo City fahren um ihre Besorgungen zu machen damit sie ihrer Ankunft so gut es ging aus dem Weg gehen konnte.

Sie konnte es kaum erwarten, sich endlich von ihren langen Haaren verabschieden zu dürfen und endlich wieder in ihren Lieblings-Takarazuka-Stores einkaufen zu können.

Gähnend ging sie auf ihr Zimmer, zog sich aus, rollte ihren Futon aus und legte sich hin. Aber sie kam erst sehr spät zum Schlaf..sie dachte an ihr kommendes Jahr..an die Otokoyaku-Ausbildung, an Jun, Wao und Mari und..an Rei.
 

-The next morning-

Haruno wachte sehr früh auf und griff sofort nach einem Stift um den nächsten Tag im Kalender abstreichen zu können. Nur noch vier lange Wochen...

Eine Stunde später schlich sie sich fertig gemacht aus dem Haus und eilte zur nächsten Bushaltestelle, fuhr zur nächsten U-Bahn-Station und fuhr nach Shibuya-Ku.

Die Straßen waren wie immer voll von größtenteils jungen Leuten: Schulmädchen und -jungen, Punks, Ganguros, Visus, Ökus, Geschäftsmänner, Hausfrauen, Angestellte, Hip Hoppern, ganz normale Jugendliche sowie richtige Gals flanierten durch die engen Gassen, die vollgestopft waren mit bunten Schildern, Aushängen und Kleiderständern. Überall leuchtete es rosa und pink, überall glitzerte irgendein Schild und aus jedem Laden dröhnte laute Pop- und Rockmusik. Doch Haruno zog es nicht in die modernen jungen Geschäfte, sie ging bis in eine etwas ruhigere Nebenstraße in der es viele Takarazuka-Stores und einen eigenen Takarazuka-Friseur gab. Es gab zwar auch in der Schule einen aber Haruno wollte nicht warten und betrat den kleinen aber feinen Laden. Der Friseursalon bot natürlich auch andere Frisuren an, hatte sich aber auf Takarazuka spezialisiert und viele Otokoyaku und Musumeyaku gingen oft hin.

Jetzt waren jedoch nur ein paar Hausfrauen da, die neugierig aufblickten als Haruno ihren Frisurwunsch erläuterte. Die junge Aushilfe lächelte sodann und verschwand in den Privatbereich des Salons. Haruno sah sich derweil in dem Laden um, bestaunte die vielen Fotos von berühmten Takarasienne, die an den Wänden hingen und wich den neugierigen Blicken der anderen Kundinnen aus. Nach kurzer Zeit kam die Aushilfe zurück, zusammen mit einem alten freudig strahlenden Herrn. Es war der alte Meister dem der Salon gehörte.

„Willkommen, Willkommen!“, quiekte er und bot Haruno sofort einen Platz an.

„Einen Otokoyaku-Haarschnitt höre ich da?“

Haruno lächelte und nickte.

„Was für eine Freude!“ Der Alte hüpfte fast vor Glück. „Ein aufsteigender Star am Takarazuka-Himmel! Wie ist denn der Name?“ „Osada“, antwortete Haruno leise. Es war ihr peinlich, dass die anderen Frauen sie jetzt bewundernd bis neidisch anstarrten und sie fühlte sich etwas verloren. Doch der Alte machte sich sofort ans Werk und nach einer kurzen Besprechung entschied er sich für den jugendlichen Stil: Nicht raspelkurz, sondern in der Art eines fransigen jungenhaften Bubikopfes mit einem süßen wandelbaren Pony.

Haruno konnte sich nun ihrerseits ein Lächeln nicht verneifen, so sehr freute sie sich ihrem Traum nun auch äußerlich ein Stück näher gerückt zu sein.
 

Fast den ganzen Tag vebrachte Haruno noch in Shibuya-Ku, kaufte die aktuelle `TCA Press´, aß einen Crépes von `Natzuki Mizu’s Lieblings-Crépes-Stand´, kaufte einige Sporthosen und –Shirts und die geforderten Ballett-, Stepp-, sowie Bühnenschuhe. Alles andere an Kostümen, Utensilien und Requisiten würde die Schule stellen.

Doch es führte kein Weg daran vorbei: Als der Tag sich dem Ende neigte, musste Haruno wieder zurück nach Hause.

Ihre Laune war gut weil sie die ganzen schönen Sachen gekauft hatte und nur an ihre Ausbildung denken konnte..aber als sie vor der Haustür stand und die Autos des Vaters und der Schwestern sah, wurde ihr doch mulmig. Wie würde die Familie auf ihren Haarschnitt und damit auf ihre unumstößliche Entscheidung zum Takarazuka zu gehen, reagieren?
 

Leise schloss sie die Haustür auf und trat in den vertieften Eingangsbereich. Schon hier hörte sie die Familie leise im Wohnzimmer schwatzen. Seufzend zog Haruno ihre Schuhe aus und schlüpfte in ihre Hausschuhe, stieg dann die kleine Stufe zum Wohnbereich hinauf und ging schnell auf ihr Zimmer. Sie wollte sich, bevor sie sich ihrer Familie auslieferte, schnell noch frisch machen und ihre Sachen ablegen. Sie legte die Tüten neben ihren Futon und drehte sich zu ihrem Spiegel. Der Haarschnitt war toll! Sie hatte ihren langen Haaren keine einzige Träne nachgweint. Nein, sie war glücklich sie endlich los zu sein.

An ihrem Schrank hing ihr bester Yukata mit frisch gebundenem Obi und zwei passende Geta standen darunter auf dem Boden. Haruno seufzte. Natürlich, ihre Großmutter war zu Besuch und natürlich schwelgte ihre superspießige Familie, in der bis heute keine Frau jemals eine Hose getragen hatte, wieder mal in den alten Zeiten.

Haruno hasste diese steifen und heuchlerischen Familienbesuche aber sie fügte sich und legte den blassblauen Yukata, der mit weißen Kirschblüten verziert war, an. Der Obi war hellgelb und auch die Riemen der Geta waren gelb. Nachdem sie ihre Füße auch in die weißen engen Tabi gequetscht hatte, betrachtete sie sich im Spiegel. Wie eine japanische Hausfrau. Nur die Frisur stimmte nicht. Mit der Frisur und ihrem Gesicht und Körperbau sah sie eher wie ein Junge aus, der einen Mädchen-Yukata trug.

Schließlich atmete sie tief ein und ging hinunter zu ihrer Familie. Als sie das Wohnzimmer betrat, verstummten die Gespräche schlagartig. Haruno blieb erst in der Schiebetür stehen und warf den Anwesenden unsichere Blicke zu. Ihre beiden älteren Schwestern knieten am Tisch, Ayumi in ihrem roten und Maki in ihrem rosa Yukata mit hochgesteckten Haaren und überschminkten Gesichtern. Ihre Mutter ebenso aufgemacht und daneben ihr Vater in seinem besten Yukata und der typischen herrischen Männer-Pose. Ihre Großmutter in dunkelblauem Kimono musterte sie unter ihrer Halbmondbrille scharf. Haruno gab sich einen Ruck und betrat den Raum. „Konban wa, Obaa-san.“, begrüßte sie ihre Großmutter mit einer Verbeugung und begrüßte auch den Rest ihrer Familie. Sie wartete gar nicht auf einen Rückgruß, setzte sich einfach auf ihren Platz am Tisch und faltete die Hände im Schoß. Spielte sie dieses Spiel eben noch mal mit, bald war sie das sowieso los.

Ihre Verwandten schwiegen immer noch. Schließlich räusperte sich ihre Großmutter pikiert, griff nach ihren Hashi und wandte sich an Ayumi. „Also du wolltest mir gerade erzählen welche Karten ihr für eure Hochzeit ausgewält habt, Ayumi-chan.“

Haruno saß da und starrte auf ihr Abendessen. Sie hatte mit allem gerechnet aber nicht damit, dass sie vollständig ignoriert wurde. Doch so war es und es ging den ganzen Abend weiter.

Haruno aß schweigend ihr Abendessen und hörte zu wie ihre Schwestern von ihrem ach-so-gelungenen Leben schwärmten. Sie versuchte den Schmerz abprallen zu lassen was ihr auch gut gelang aber trotzdem konnte sie ein Gefühl von Verletzheit nicht unterdrücken.

Es wurde später und später und schließlich holte ihr Vater den Sake heraus und die Erwachsenen begannen zu trinken. Haruno verdrehte inerlich die Augen als sie sah wie traditionell und steif ihre Mutter ihrem Vater den Sake einschenkte. In diesem Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher als mit Jun, Wao und Mari auf ihrem Zimmer in der Schule zu sein und einfach nur zu plaudern und dabei Schokolade zu essen.

Als es schon fast Mitternacht war und alle außer ihr schon einen gewissen Alkoholpegel erreicht hatten, sprach ihr Vater sie schließlich doch an. „Und wie willst du mit der..Beschäftigung Geld verdienen?!“, schnauzte er sie an und Haruno sah dass er bereits sehr betrunken war. Wäre er nüchtern gewesen hätte er sie weiterhin ignoriert.

Haruno schwieg und nahm einen Schluck Grünen Tee. Doch ihr Vater ließ nicht locker. „Aus dir wird doch nichts! Du willst wirklich deine ganze Zukunft wegwerfen um ein paar Lieder singen zu können und in perversen Theaterstücken mit zu spielen?!“

Er wurde lauter und alle anderen wurden still. Haruno sah nicht auf. „Es sind keine perversen Theaterstücke, Oto-san.“, sagte sie ruhig. Ein Blick in das hochrote Gesicht ihres Vaters verriet ihr dass er vollkommen betrunken und sehr wütend war. Auch der Rest ihrer Familie war angeheitert, jedoch nicht so sehr wie ihr Vater.

Wütend knallte er seinen Sakebecher auf den Tisch, sodass ihre Mutter zusammen zuckte. Ihre Großmutter jedoch saß kerzengerade da und beobachtete das Geschehen aus kühlen Augen.

„In spätestens drei Jahren stehst du doch wieder vor meiner Tür und dann muss ich dich durchfüttern! Warum kannst du nicht so vernünftig wie deine Schwestern sein?!“

Ayumi und Maki nickten selbstgefällig und Haruno schwieg. Sie wollte sich nicht aufregen und Wiederspruch brachte ohnehin nichts. „Ich werde nicht vor deiner Tür stehen.“, sagte sie leise. „Ich werde Geld verdienen mit Takarazuka.“

Jetzt hatte sie das Wort doch ausgesprochen. Ihre Familie hasste diesen Ausdruck und niemand sprach ihn je aus, als könnte man es durch das pure Verschweigen auslöschen.

Ihr Vater grollte weiter. „Gar nichts wirst du verdienen! Du bist eine Schande für diese Familie! Auf dein Zimmer, ich will dich nicht mehr sehen!!!“

Haruno stand wortlos auf und verließ den Raum.

Sie schaffte es gerade noch bis zu ihrem Zimmer bevor sie weinend zusammenbrach.
 

Ende Story Teil 1

Kapitel 4

„Haruno! Wach endlich auf!“

Diesmal musste Jun sie gar nicht drängen, Haruno wachte freiwillig auf. Vielleicht lag es daran, dass sie nicht wie im letzten Jahr um vier Uhr, sondern erst um 6 Uhr aufstehen mussten. Ja, jetzt waren sie ofiziell Zweitklässlerinnen und Otokoyaku-Schülerinnen und würden nicht mehr Putzen müssen.

Jun war wie immer bester Laune. Auch sie hatte sich schon in den Ferien ihre Haare kurz schneiden lassen und stand nun schon in der neuen Otokoyaku-Uniform vor ihr.

Haruno staunte. „Jun..du siehst aus wie ein Kerl..“

Jun lachte. „Das ist ja auch Sinn der Sache, Mann!“, sagte sie in der männlichen Sprachform und beide mussten lachen.

Haruno beeilte sich, wusch sich schnell und zog sich ebenfalls die Otokoyaku-Uniform an, bestehend aus einer weißen Hose, Turnschuhen und einer weißen Trainingsjacke.

Sie sah zum dritten Bett in ihrem Zimmer hinüber, in dem sonst Wao schlief, doch es war leer.

„Ist Wao schon auf?“, fragte sie etwas verwirrt, sie konnte sich nicht vorstellen dass Wao freiwllig früher als nötig aufstand und auch Jun sah verwirrt aus. „Keine Ahnung, wahrscheinlich. Egal, komm jetzt!“

Wie immer zu spät dran, liefen die beiden Mädchen den Gang entlang zum Speisesaal.
 

Jetzt, da sie im zweiten Jahr ihrer Ausbildung waren, waren sie nicht nur, je zu dritt, in Otokoyaku- und Musumeyaku-Zimmer eingeteilt, sie hatten auch „geschlechtlich“ getrennten Unterricht und waren in einen eigenen Zweit-Klässler-Flur umgezogen. Alle Otokoyaku hatten ihre Haare abgeschnitten und trugen die jungenhafte Uniform und die Musumeyaku trugen die mädchenhafte Uniform. Der Unterricht war härter, länger und anspruchsvoller aber es machte auch mehr Spaß, sie mussten nicht mehr um vier Uhr aufstehen um zu putzen und wurden nicht mehr so schlimm von den Takarasienne geärgert. Trotz der strengen Ausbildung genoss Haruno die Schule mit vollen Zügen, sie fühlte einfach, dass das der richtige Platz für sie war.
 

Zum Frühstück gab es wie immer Miso-Suppe, Natto und Reis.

Jun verzog das Gesicht und schob die Natto zu Haruno hinüber, die die fermentierten Sojabohnen liebend gerne aß. „Bäh, wie kannst du das nur essen?!“, fragte Jun und starrte Haruno an, die schon ihre zweite Portion aß.

Haruno wollte gerade antworten, als ihr die Bohnen im Hals stecken blieben und sie sich fast verschluckte. Jun folgte ihrem Blick stirnrunzelnd und sah genau wie Haruno, dass Rei gerade den Raum betreten hatte. Für Haruno schien die Zeit stehen zu bleiben und sie verfolgte Rei mit den Augen, hoffte dass sie sich an ihren Tisch setzen würde. Plötzlich sah Rei auf und blickte Haruno direkt an. Haruno stockte der Atem und sie verschluckte sich, musste heftig husten und sah gerade noch wie Rei errötend kicherte und sich zu ihren Freundinnen an einen Tisch setzte. Wie anmutig sie doch war..wie süß und hübsch..

„..uno..“

...

„Haruno!!“

Erschrocken sah Haruno auf und drehte sich zu Jun um, die mit den Fingern vor ihren Augen geschnippt hatte. Jun sah sie etwas belustigt an und erhob sich, nahm ihr Frühstückstablett und griff auch nach Harunos.

„Hey, falls du es nicht gemerkt haben solltest, es hat geklingelt!“

„Oh! Was steht als erstes an?“

„Tanzen!“

Schnell liefen sie nochmal in ihr Zimmer und holten ihre Ballettschuhe. Wao war auch nicht zum Frühstück erscheinen, ebenso wie Mari.

Als Haruno und Jun zum großen Spiegelsaal liefen, stieß Wao völlig außer Atem zu ihnen.

Jun sah sie vorwurfsvoll an. „Wao! Wo bist du gewesen?! Du hast das Frühstück verpasst!“

Sie gesellten sich zu den anderen Otokoyaku ihres Jahrgangs und warteten auf ihren Tanzlehrer Takashi-sensei. Der ließ auch nicht lange auf sich warten und es ging sofort los.

Zuerst wärmten sie sich auf und machten einige Bodenübungen.

„Du hältst das nicht lange durch wenn du morgens nichts frühstückst!“, sagte Haruno besorgt zu Wao doch die schüttelte nur den Kopf. „Sumimasen, Mädels. Ich werde versuchen wenigstens zum Mittagessen pünktlich zu sein. Aber wir haben einfach verschlafen..“

Jun kam herüber gekrabbelt und zu dritt machten sie Kniebeugen. „Was heißt hier ‚wir’?“

Wao lief rot an, doch bevor sie etwas sagen konnte, kam hörten sie Takashi-senseis strenge Stimme hinter sich. „Jun-san! Wao-san! Haruno-san! Still da drüben! Und jetzt alle Liegestütze!”

Die Mädchen quälten sich durch die Tanzstunde und auch durch den Gesangsunterricht.

Beim Mittagessen war Wao dann wie versprochen zum Mittagessen, zusammen mit Mari.

Wie immer wurde Wao von allen Seiten bewundernd und Mari neidisch beobachtet.

Und es war offensichtlich warum: Wao war einfach unglaublich gutaussehend. Sie sah schon jetzt aus wie eine Otokoyaku nach ihrer Ausbildung, die kurzen Haare standen ihr unglaublich gut und sie bewegte sich jetzt schon wie ein Junge. Ihr schlacksiger und schmaler Körper taten ihr Übriges sodass sie schon jetzt unter den Erstklässlerinen Fans hatte. Mari jedoch war das perfekte Gegenstück zu Wao. Sie war kleiner, hatte ein wunderschönes Gesicht und war zart wie eine Elfe. Wenn man die beiden sah, konnte man nicht anders als denken dass sie zusammen gehörten und das war es auch was die anderen Mädchen so neidisch auf Mari machte. Sie war sehr talentiert und bekam schon jetzt nur Lobe von den Lehrern für ihren exrem hohen und klaren Sopran.

„Hi ihr zwei!“, grinste Jun mit vollem Mund und auch Haruno grüßte ihre Freundinnen.

Mari grüßte lächelnd und setzte sich, Wao ging los und kam mit zwei Schalen voll Udon-Nudelsuppe zurück, reichte eine Mari.

Mari, Wao und Jun begannen sogleich ein Gespräch doch Haruno bekam davon nichts mit.

Ihre Augen waren starr auf..Rei gerichtet, die soeben den Speisesaal betreten hatte.

Wieder war sie von kichernden Mädchen umgeben aber sie selbst war sehr still und schaute schüchtern zu Boden. Harunos Herz hüpfte und sie hoffte dass Rei sich zu ihr setzen würde.

In der Tat ging Rei nicht sofort zu dem Tisch an dem ihre Freundinnen saßen, auch als sie sich schon ihre Suppe geholt hatte. Wie versteinert stand sie neben dem Suppenausschank und starrte auf den Boden.

Haruno machte sich Sorgen und betete insgeheim, dass sie nun endlich herkommen würde.

Plötzlich hörte sie von rechts eine Stimme nah an ihrem Ohr und Wao wisperte ihr zu: „Sieh wird nicht von alleine herkommen.“ Haruno sah sie verwirrt an und fragte ebenso leise. „Warum denn nicht?“ Wao rollte lächelnd die Augen und fuhr fort: „Für ein Mädchen ist es unhöflich, sich einfach so aufzudrängen. Schalt doch mal deinen Verstand ein!“ „Aber, wir sind doch alle..“ Haruno und blickte wieder zu Rei hinüber.

Immer noch auf den Boden starrend stand sie da und sah ziemlich verloren aus. Ihre Freundinnen riefen nach ihr und einige drehten sich bereits zu ihr um. Was stand diese Musumeyaku da so blöd rum? Rei sah aus als würde sie gleich anfangen zu weinen.

In diesem Augenblick verstand Haruno und erhob sich langsam. Mit zitternden Knien (sie hoffte, dass man es nicht sehen konnte) und pochendem Herzen ging sie zu Rei hinüber, tippte sie sachte auf die Schulter und fragte so männlich und cool wie sie konnte: „Hey, willst du dich nicht zu uns setzen?“ Sofort hellte sich Reis Gesicht auf und dankend folgte sie Haruno zu ihrem Tisch, von verwunderten Blicken verfolgt.

Geschafft!
 

Für Haruno war es als schwebe sie im siebten Himmel. Während des Essens kam sie endlich mit Rei ins Gespräch und endlich fühlte sie sich sicher dabei. Im ersten Jahr noch war sie durch und durch unsicher gewesen in jeder Situation aber jetzt, wo sie Otokoyaku werden sollte, kurze Haare hatte, sich endlich jungenhaft benehmen durfte, fühlte sie sich endlich so als wäre das so wie sie sein wollte. Und wenn beide doch mal schüchtern vor sich hinstarrten und nicht wussten was sie sagen sollten, begann Jun mit ihrer offenen Art sofort ein neues Gespräch und lockerte die Stimmung sofort auf. Auch Wao und Mari waren freundlich zu Rei und nahmen sie sofort mit in die Clique auf.

Doch eigentlich achteten Rei und Haruno nur auf einander.

Rei lächelte sie immer wieder schüchtern und lieb an und Haruno fühlte sich glücklicher denn je.

Nach dem Essen hatten sie frei um ihre Hausaufgaben zu machen doch Haruno und Rei entschieden draußen etwas spazieren zu gehen.

Ganz Takarazuka ertrank in einem Blütenmeer von Lotosbäumen die nun im Spätsommer blühten.

Während sie durch den, der Schule zugehörigen, Park spazierten, unterhielten sich Haruno und Mari weiterhin über alles mögliche. „Wann wolltest du zum Takarazuka?“, fragte Haruno interessiert. Rei überlegte kurz. „Das war...ich hatte als kleines Mädchen mal eine Takarazuka-Aufführung im Fernsehen gesehen..ich weiß nicht mehr welche es war, es ist wirklich schon lang her..aber die Musumeyaku haben mich so beeindruckt! Wie sie über die Bühne schwebten, und sangen, so elegant, so..ach ich übertreibe schon wieder..“, sie lachte verschämt und senkte den Blick. Wieder etwas, das Haruno unglaublich niedlich fand.

„Nein, du übertreibst doch nicht.“, lachte sie und zögerte kurz, strich Rei dann fast wie zufällig mit der Hand leicht über den Rücken. „Ich..ich schwärme doch auch so..allerdings mehr für die Otokoyaku!“, gab sie lächelnd zu.

„Ja..du wirst bestimmt mal eine ganz berühmte Otokoyaku.“, nuschelte Rei leise und senkte wieder verschämt den Kopf, wurde rot.

Harunos Herz hüpfte. Das Mädchen war so unglaublich niedlich!

Sie winkte ab und sah in den schon leicht rosa werdenden Abendhimmel. „Nein, ich glaube nicht..du wirst sicher eine große Musumeyaku! Du hast unheimlich viel Talent..das hab ich schon früher gedacht, wenn ich dich bei Proben sah.“

Rei sah kurz zu ihr herüber. „Danke, Haruno-kun..“

Überrascht sah Haruno zu ihr herüber. Sie hatte sie mit dem männlichen Anhängsel angesprochen.

Stolz und geschmeichelt lächelte Haruno vor sich hin und blieb schließlich stehen. Um sie herum blühten die unzähligen Lotosbäume im rosa-roten Abendlicht, die Sonne ging hinter den Bergen von Takarazuka langsam unter und Haruno fühlte sich noch nie so glücklich wie jetzt. Rei trat neben sie und folgte ihrem Blick über die Blütenpracht.

Plötzlich zupfte sie Haruno am Ärmel.

„Da! Sind das nicht..“

Haruno folgte ihrem Blick zu einem etwas weiter entfernetn Baum. Im Abendlicht hatte sie es fast nicht erkannt aber es gab keinen Zweifel: still und unbeweglich standen Wao und Mari an einem der blühenden Bäume. Mari hatte sich an den Stamm gelehnt und Wao stand dicht vor ihr. Haruno wollte gerade rufen und winken, als ihr Atem stockte. Sie blinzelte.

Wao beugte sich zu Mari hinunter, Mari hob ihren Kopf und..sie küssten sich..

Harunos Mund klappte auf. Das konnte doch nicht sein..

Doch noch einmal..Wao nahm Maris Gesicht in ihre Hände und küsste sie erneut, küsste sie lang, länger..leidenschaftlich. Und es wirkte so..als hätten sie das schon unzählige Male getan.

So vertraut..

Hatte Jun etwa doch Recht gehabt mit ihren ständigen Anspielungen und Sprüchen über die beiden?

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen als sie Reis Stimme neben sich hörte.

„Dürfen sie das?“

Mit großen Augen blickte die Musumeyaku erst die beiden an und dann wieder Haruno.

Harunos Blick wanderte wieder zu dem Pärchen, dann verwunderte es sie fast selbst was sie Rei antwortete.

„Die beiden gehören zusammen. Das ist einfach so..es ist völlig egal welches Geschlecht sie haben oder ob sie das dürfen oder nicht..“, sagte sie leise und schaute wieder zu den beiden hinüber. „Sie gehören einfach zusammen..“, wiederholte sie leise und drehte sich dann um.

„Komm..wir sollten zurückgehen.“

Rei nickte wortlos und schweigend gingen sie nebeneinander her zurück zur Schule.

„Mein Vater wollte mir genau deswegen nicht erlauben auf die Schule zu gehen..“, sagte Rei irgendwann leise. „Er sagt, dass hier alle Mädchen..so sind..und meint dass ich auch so werde..“

Sie senkte den Kopf und schaute bedrückt auf den Boden.

Haruno sah verwundert auf. „Wirklich? Meine Eltern sagen das gleiche! Aber...“

Sie überlegte kurz. „Wenn man Wao und Mari sieht, finde ich, denkt man gar nicht mehr schlecht darüber..die beiden..sie sind einfach so..sie müssen einfach zusammen sein, ich finde das richig.“

Rei nickte langsam. „Ja..“

Plötzlich blieb Rei stehen und sah schüchtern zu Haruno hoch. „Haruno-kun..“, sie biss sich auf die Unterlippe. „Was denn..“ Sanft strich Haruno ihr über die Wange weil sie das Gefühl hatte Rei würde gleich anfangen zu weinen.

„Ich..ich weiß nicht..“ Bildete Haruno sich das nur ein oder zitterte Rei leicht?

„Shht..was ist denn..“, fragte sie sanft und sah Rei zärtlich an.

Wieder sah Rei so wunderhübsch aus..wie das rosa Abendlicht ihr Haar und ihre Augen schimmern ließ..Haruno musste sich zusammen reißen um sich auf ihre Worte zu konzentrieren.

„Ich..hab so ein Gefühl..“, begann Rei wieder leise und murmelte dann errötend: „Ich weiß nicht was es bedeutet..aber ich möchte für immer in deine Nähe bleiben, Haruno-kun..ich möchte mit dir zusammen auf der Bühne stehen..ich möchte nur mit dir zusammen sein..“

Haruno traute ihren Ohren nicht. So unschuldige und ehrlich Zuneigung hatte sie noch nie von jemandem bekommen.

Ihr Herz schien zu zerspringen, so hart klopfte es gegen ihre Brust und sie lächelte sanft, zog Rei dann einfach in ihre Arme.

„Ich auch, Rei-chan..ich will auch immer mit dir zusammen sein..“

Eine weile standen sie noch da, eng umschlungen, bis es allmählich kühl wurde und sie wieder in die Schule gingen.

Es war keine Liebeserklärung gewesen und auch nicht in der Art..aber es war ein Versprechen..ein Versprechen das halten würde.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  Rapmon
2013-09-23T14:29:51+00:00 23.09.2013 16:29
Ich liebe diese FanFic so sehr, meinst du, sie wird irgendwann mal fortgesetzt werden? ♥
Antwort von:  Shouri
02.10.2013 09:48
Danke, das freut mich wirklich! Ganz ehrlich, ich habe vor einigen Tagen noch daran gedacht und möchte das wirklich tun aber sowas erfordert Zeit und ich studiere zur Zeit in Japan und habe nur sehr wenig Zeit :(
Darüber hinaus, spielen einige Figuren in der FF und ich denke, ich muss mich dann auf einzelne 'Paare' konzentrieren und kann mich noch nicht entscheiden, wen ich dann vorziehe..aber ich verspreche, dass ich irgendwann weiterschreibe, ich denke wirklich darüber nach :) Die FF wird nicht sterben :)
Von:  Momotaro
2010-12-11T15:44:04+00:00 11.12.2010 16:44
*.* Waahnsinn, ist das niedlich! ^^ Wär toll, wenn Wao und Mari wirklich zusammen gewesen wären, hach, das perfekte Paar. Und Rei ist Ootori Rei? Muss unbedingt mehr Clips zu den beiden gucken... (Obwohl ich derzeit eher Zunko-süchtig bin. Was für Ohren! Oo) Haruno tut einem wirklich leid, bei der Familie transgender sein ist ne Qual. Andrerseits beneid ich sie grad furchtbar! Otokoyaku sein wär soo cool!! X)
Es kommt nicht oft vor, dass ne FF mich fesselt, aber bei der kann ichs kaum erwarten, bis es weitergeht! *erwartungsvoll anglotz*
Von:  Momotaro
2010-12-06T17:11:20+00:00 06.12.2010 18:11
Perfekt, ein Takarasienne-Shojo-Ai! ^^ Gut, dass du den geschrieben hast, ein vielversprechender Anfang. *.* Bin gespannt, wer die Lichtgestalt des letzten Absatzes sein wird. *abonnier*
Hoff, es geht bald weiter!
Wah, fast vergessen! Matobu Sei ist gar nicht Todoroki, ich glaub, du meinst Todoroki, denn die ist echt kantig im Gesicht... << Oder ich hab den Absatz falsch verstanden. Das kann auch sein... ^^° Dann sorry!


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