All Your Other Ways von -Moonshine- ================================================================================ Kapitel 8: - John - ------------------- John stöhnte und kniff vor Schmerz die Augen zusammen, um seinen Bruder Phil einen grimmigen Blick zuzuwerfen, dabei hielt er sich ein Kühlpad an die Stirn und konnte sich gut vorstellen, wie dämlich er damit aussah. "Tut mir wirklich leid, John. Ich hab dich nicht kommen sehen", sagte Phil mit einem entschuldigenden Lächeln, aber sein Glucksen strafte ihn Lügen. "Du hast mir die Tür vor der Nase zugeschlagen", brummte John. "Warum war die überhaupt offen?" Phil zuckte nur mit den Schultern. "Keine Ahnung. Anscheinend haben wir vergessen, sie zuzumachen, als wir nach Hause gekommen sind. Wir waren wirklich müde." "Seit gestern?!" "Und wenn schon", winkte Phil ab, "kann doch jedem mal passieren." John seufzte. Sein Bruder war das komplette Gegenteil von ihm. Sorglos, blond, ein Sonnenschein. Und er wohnte zusammen mit seiner Freundin Faye ganz in der Nähe von John's Wohnung, weshalb sie sich sehen konnten, wann immer sie wollten. An diesem Sonntag hatte John entschieden, dass er seinen Bruder besuchen sollte, auch, um ihm ein bisschen auf den Zahn wegen der Hochzeitsfeier seines Dads zu fühlen, doch als er bei ihnen ankam, hatte er festgestellt, dass die Tür nur angelehnt war. John hatte sich schon sonst was ausgemalt und gerade, als er den Mut aufgebracht hatte, einen Schritt in die Wohnung zu setzen, hörte er Phil's Stimme, der sich über die offene Tür wunderte, und schon hatte er genau diese im Gesicht gehabt. Jetzt prangte eine große Beule, die schmerzhaft pochte, auf seinem Vorderkopf und er saß hier wie ein Trottel mit Kühlpads und musste sich das dämliche Gegrinse seines Bruders antun. "Wie war die Feier?", wechselte er dann das Thema und versuchte, so unbeteiligt wie möglich dabei zu klingen. In Wahrheit aber brannte er darauf zu erfahren, dass... dass sein Vater total enttäuscht gewesen war, dass er nicht aufgetaucht war. John wusste, dass das nur seiner Fantasie entsprang und natürlich auch ohne ihn alles gut verlaufen war und alle sich amüsiert hatten, ohne seine Abwesenheit zu vermissen. "Gut. Wir haben uns alle toll amüsiert. Schade, dass du nicht da warst. Dad meinte, du hättest arbeiten müssen." Phil warf ihm einen fragenden Blick zu. "Ich vermute ja eher, du hattest keine Lust." John zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. Er war niemandem eine Rechenschaft schuldig. Weder seinem Bruder und schon gar nicht seinem sogenannten Vater. "Ich weiß gar nicht, was du gegen Caroline hast. Sie ist sehr nett." "Ich habe schon eine Mutter", erwiderte John, schärfer als er eigentlich gewollt hatte, und merkte, dass er sich unnötig aufregte. Aber er konnte nicht anders, wenn die Sprache auf seinen Vater und seine neue Frau kam. Phil zögerte und wählte seine nächsten Worte mit Bedacht. "Das habe ich auch... und ich sag ja gar nicht, dass Caroline ein Ersatz sein soll. Es gibt mehr als nur... Schwarz und Weiß da draußen." Johns schnaubte und warf seinem Bruder das Kühlpad hin. "Seit wann bist du denn zum Moralapostel mutiert, Phil?" "Bin ich gar nicht. Ach." Phil schüttelte verärgert den Kopf. "Du bist hoffnungslos. Und unfähig, über deinen Tellerrand hinwegzusehen." "Vielen Dank für deine realistische Einschätzung der Lage", brummte John genervt. Wann war sein Bruder eigentlich so erwachsen geworden? Er hatte immer sich für den reiferen von ihnen gehalten, für denjenigen, der auf Phil und seine Mutter aufpasste und ihre Interessen vertrat. Aber nun merkte John, dass er möglicherweise nur Phil's Wut mitgetragen hatte, weil Phil selbst überhaupt keine empfand. "Ich sag ja nur", beschwichtigte Phil ihn. "Wenn du mal aus deinem Schneckenhaus herauskriechen würdest, würdest du merken, dass du eine noch größere Familie haben könntest." "Du, Mum und Faye, das reicht mir", winkte John brüsk ab. Dass Thema hatte ihn wieder mal verärgert, genauso wie es immer der Fall war. Er sollte es einfach gar nicht mehr ansprechen. Nie wieder. Was sich schwierig erweisen würde, denn deshalb würden sein Dad und Caroline noch lange nicht aufhören, zu existieren oder sich bei ihm zu melden. Phil konnte ein kleines Lächeln nicht unterdrücken. "Dass du Faye als deine Familie ansiehst, ist ja schon mal ein Anfang..." John wusste, dass er Phil damit besänftigt hatte. Aber es war die Wahrheit. Phil war schon seit jeher mit Faye zusammen und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sich verloben und heiraten würden. Für ihn war Faye wie eine kleine Schwester, und sie passte hervorragend zu Phil. Wo sein Bruder aufmüpfig und störrisch war, war sie geduldig und vernünftig. Sie erinnerte ihn in gewisser Weise an ihn selber - nur dass sie das Leben mit viel mehr Humor nahm und viel öfter lachte. Er liebte Faye. Und mehr Familie als diese drei brauchte er nicht. "Ich hab euch Jungs eine Tüte Chips aufgemacht." Faye kam ins Wohnzimmer und stellte eine Schüssel Knabberein auf den Couchtisch, dann setzte sie sich neben Phil auf das Sofa und ließ ihn einen Arm um sich legen. "Und ich hab gewartet, bis ihr endlich aufhört, euch anzuzicken." John lachte. "Sehr diplomatisch." "Trotzdem hat Phil recht." Sie ließ ihre Worte ein wenig wirken und fügte dann sanfter hinzu: "Du kannst nicht ewig auf deinen Dad sauer sein. Es ist schon so lange her." "Und Mum ist seitdem immer noch alleine", verteidigte John sich. Von gleich zwei von denen in die Mangel genommen zu werden war einfach... nicht fair! Seltsamerweise schwiegen Phil und Faye verlegen und mieden seinen Blick, was ihn stutzig machte. "Was ist?", fragte er misstrauisch und legte seine Stirn in Falten. "Ihr verheimlicht mir doch etwas?" Faye räusperte sich und sah ihm noch immer nicht in die Augen. "Sieh mal, John... Manchmal ist es so, dass Eltern sich nicht trauen, ihren Kindern..." "Mum hat einen Freund", fiel Phil ihr genervt ins Wort, und als sie ihn anklagend ansah, verteidigte er sich sogleich: "Was? John ist alt genug, um das auch zu wissen." John jedoch war die Kinnlade heruntergeklappt. Er konnte erst mal eine Weile gar nichts sagen. Seine Mutter? Einen Freund? Der erste Gedanke, der ihm durch den Kopf ging, war: In ihrem Alter? Aber dann besann er sich darauf, dass das Alter eigentlich gar keine Rolle spielte. Aber... wieso wussten Phil und Faye davon, und er nicht? Wieso hatten sie ihm das alle verheimlicht? "W... wie lange schon?" "Na ja...", druckste Faye herum, die Phil mit Blicken zu verstehen gegeben hatte, dass er besser den Mund halten sollte. "Ein paar Monate schon..." "Und warum sagt mir niemand was?!", polterte John empört drauf los. "Weil", mischte sich Phil nun doch ein und ignorierte Faye's verärgerten Blick, "Mum sagt, du bist noch nicht bereit dazu." Er rollte genervt mit den Augen. "Sie sagt, du bist noch nicht über Dad hinweg." John machte den Mund auf, doch dann schloss er ihn wieder. Er fühlte sich wie ein Idiot. Alle - anscheinend auch seine Mum, von der er es am wenigstens gedacht hatte - lebten ihr Leben weiter und anscheinend störte sich niemand mehr an dem Verrat seines Vaters vor etlichen von Jahren... er war der einzige, der die ganzen enttäuschten Gefühle und die Wut mit sich herumtrug und es nicht schaffte, darüber hinwegzusehen. "Phil, du bist ein Arsch." Faye boxte seinen Bruder auf die Schulter. "Das kann man auch netter sagen." "Autsch." Er rieb sich die Schulter und warf ihr einen skeptischen Blick zu, als vermutete er, sie wäre noch nicht fertig damit, ihn zu schlagen. "Tut mir leid, John, Aber du bist alt genug, um es auch zu erfahren. Wir sind doch keine zehn mehr." John schwieg, und Faye auch. Als er einen Blick mit ihr wechselte, konnte er sehen, dass sie Mitleid mit ihm hatte. Das hasste er, deshalb war es wirklich an der Zeit, sich zusammenzureißen. Gequält lächelte er. "Ich finde", sagte Faye und hob den Zeigefinger in die Höhe wie eine Lehrerin. "John könnte eine Freundin auch ganz gut tun. Wann hattest du deine letzte?" "Schon ewig her", murmelte Phil leise und kassierte einen zweiten Schlag von seiner Freundin. John dachte nach. "Schon ewig her", gab er zu. "Vor ein paar Wochen bin ich mit einer Kollegin ausgegangen..." "Aber? Sie war nichts für dich?" "So ähnlich." John dachte an Liz. Im Grunde hatte er das ganze Wochenende an sie gedacht - und lächelte. Es war das dämliche Grinsen eines dämlichen Narren, das wusste er genau, aber er konnte es nicht unterdrücken. Faye sprang sofort darauf an. Wenn sie erst mal ihre Fühler ausstreckte, konnte man nichts vor ihr verbergen. "Was?", fragte sie aufgeregt. "Da ist noch was!" Phil sah sie zweifelnd von der Seite an und zeigte John dann vielsagend den Vogel. Faye rammte ihm ihren Ellbogen in die Rippen und er heulte leidend auf. "Spinnst du?!" "Halt die Klappe, Phil!" "Ich sag’ doch gar nichts!", empörte sich dieser und rückte ein Stück von Faye weg. John musste lachen. So ging es zwischen den beiden schon seitdem sie kleine Kinder gewesen waren. Er liebte das. "Ich sehe alles", warnte sie ihn mit einem eisigen Blick und gebot John dann mit einem ungeduldigen Wink, weiterzureden. "Weiter, weiter." "Da war nichts", log John und wusste sofort, dass alle anderen auch wussten, dass er log. Er seufzte, noch bevor jemand etwas sagen konnte. "Okay, okay. Ich hab Luke ausgeholfen mit seiner Band. Sie spielten in Mayfair. Er hat sich verletzt und ich bin für ihn eingesprungen." Phil machte große Augen. "Soll das heißen, du bist... aufgetreten? Auf der Bühne?" Dann lachte er laut. "Sehr witzig. Verarschen kann ich mich auch alleine." Faye verdrehte die Augen und zeigte John nun ihrerseits den Vogel. "Ignorier ihn. Der kriegt keinen Zucker mehr zum Frühstück." John tat, wie ihm geheißen. "Danach war da diese Frau... sie hat behauptet, sie wollte einen Artikel über die Band schreiben, aber als ich sagte, ich wäre gar nicht von der Band, hat sie das Interesse schnell verloren. Zumindest an den anderen Jungs. Wir sind an die Bar und sie hat die ganze Zeit gedacht, ich spiele auch in einer Band..." "Und du hast sie aufgeklärt?", vermutete Faye. "Dann ist sie gegangen, weil sie dich langweilig fand." John fand es ganz und gar nicht schmeichelhaft, wie viel Vertrauen Faye in ihn hatte. Er schüttelte den Kopf. "Ich hab sie in dem Glauben gelassen. Ich hab ja nicht gedacht, dass ich sie je wiedersehe nach diesem Abend." Phil, der sich auf der Couch ausgebreitet und bis dato einen ziemlich desinteressierten Eindruck gemacht hatte, richtete sich mit gespitzten Ohren auf. "Was soll das heißen?" "Äh, wir... irgendwie ist eins zum anderen gekommen. Heute morgen hat sie mir ihre Telefonnummer dagelassen, bevor sie verschwunden ist." Phil glotzte ihn an. "Heißt das, du hast sie fla-" Er bemerkte Faye’s schneidenden Blick und räusperte sich. "Die Nacht mit ihr verbracht? Wow. Mein großer Bruder wird ja ein richtiges Partytier. Ich bin stolz wie eine Mami." Phil grinste dämlich. Faye sah aus, als wollte sie ihn auf der Stelle erwürgen. "Phil. Ich sag's dir. Halt endlich deine Klappe!" Dann wandte sie sich wieder John zu. "Entschuldige. Aber du weißt ja besten, wie er ist..." "Ja." John grinste. "Ihm fehlte eine starke männliche Hand." "Also, wie heißt sie und wann wirst du sie anrufen? Warte - ich hab's! Ruf sie jetzt an!" Faye sprang vom Sofa und griff sich das Telefon, um es ihm hinzuhalten. John sah es skeptisch an. "Na los, hier. Überall auf der Welt warten Frauen darauf, dass der Kerl sie anruft. Du kannst das ändern und jetzt gleich ein kleines Stückchen Gerechtigkeit in die Sache hineinbringen!" Sie sah ihn streng an. "Nette Rede...", kommentierte Phil ironisch. "Setz ihn ja nicht unter Druck." John hob abwehrend die Hände und lachte verlegen. "Faye, das ist... echt nett, danke, aber ich glaub’, ich ruf sie doch erst lieber... zu Hause an. Vielleicht morgen oder so..." Der Gedanke, jetzt hier, vor den Augen und Ohren von Phil und Faye mit Liz zu reden.... ließ ihm einen kalten Schauder über den Rücken gleiten. Wahrscheinlich würde er nur herumstottern und Quatsch erzählen, während er die Blicke der beiden im Rücken fühlte wie Messerstiche. Nein. Das war nun wirklich etwas, wobei er kein Publikum brauchte. Faye sah enttäuscht aus. "Aber ruf’ sie auch wirklich an, ja?", bettelte sie. John nickte. "Na klar... und danach werd ich dir erzählen, wie's gelaufen ist." Eigentlich sollte das nur ein Scherz sein, aber das Gesicht seiner "Schwester" hellte sich im Nu auf und sie nickte begeistert. Wie hätte er sie dann noch enttäuschen können? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)