Mister Bad Cop von -Moonshine- ================================================================================ Montagmorgen ------------ Montagmorgen. Verkehrskontrolle. Er konnte sich wirklich etwas Schöneres vorstellen. Etwas Schöneres, als in dieser Kälte zu stehen und ungeduldige Geschäftsmänner, verärgerte Frauen und verängstigte Fahranfänger von der Straße zu winken und jedem einzelnen von ihnen mit monotoner Stimme zu erklären, was sie sowieso schon wussten: "Sie haben die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten. Führerschein und Fahrzeugbrief bitte." Montagmorgen. Verkehrskontrolle. Sie konnte sich wirklich etwas Schöneres vorstellen. Etwas Schöneres, als von so einem Polizeischnösel, der sich wahrscheinlich für den tollsten Hecht im Karpfenteich hielt, angehalten und überprüft zu werden. Und das nur, weil sie es nicht rechtzeitig geschafft hatte, sich die Haare zu föhnen und deshalb zu spät dran war. Was machte es schon, wenn sie da etwas auf das Gaspedal trat? Ungeduldig fummelte sie in ihrer Tasche herum, um ihre Dokumente herauszuholen und sie dem Polizisten zu reichen. Dabei riskierte sie einen heimlichen Blick auf diesen Mann. Sandbraune Haare, die Nase ein bisschen schief, als wäre sie schon einmal gebrochen gewesen, ein schmaler Mund, kleine Fältchen um die Augen herum, die Ohren eng am Kopf anliegend. Groß. Hübsch. Müde. Er sah sie an und verglich sie mit dem Foto auf ihrem Führerschein, das schon Jahre – gefühlte Jahrhunderte - zurücklag und sie stöhnte genervt auf. "Stellen Sie mir endlich diesen verdammten Strafzettel aus", forderte sie ihn auf und rutschte unruhig auf dem Sitz hin und her; langsam kam sie wirklich unter Zeitdruck und der Typ hätte einer Schnecke auf Gras Konkurrenz machen können. "Haben Sie etwas getrunken?", fragte er routiniert und sie verdrehte die Augen, aber so, dass er es nicht sehen konnte. "Ja!" Da blickte er sie zum ersten Mal wachsam an und nahm eine straffere, aufrechtere Haltung an. "Was?" "Kaffee, mit Milch und Zucker. Wasser", zählte sie auf und fügte dann sarkastisch hinzu: "Ich hoffe, deswegen werden Sie mich nicht gleich ins Kittchen stecken." Er schien keinen Humor zu haben. "Bitte steigen Sie aus dem Wagen." "Wie bitte?!" "Ich muss einen Atemalkoholtest mit Ihnen durchführen." Die Frau - runde Gesichtsform, kleine Nase, blondes Haar, das zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war -, riss erschrocken die Augen auf, aber diese Regung dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde an, bis sie einer anderen Emotion Platz machte: Ärger. "Das war ein Scherz", sagte sie langsam und betonte gereizt jedes Wort einzeln, als spreche sie mit einem Kind. "Ich bin nicht betrunken." "Das sehen wir gleich", sagte der Polizist tonlos. "Steigen Sie bitte aus." Er war weder interessiert an irgendwelchen Späßen, noch an dem Geschehen selbst. Sie leistete seiner Aufforderung Folge und stieg aus, stand mit verkniffenem Gesichtsausdruck vor ihm, ihr Blick eisig wie die Antarktis. Sie hatte nicht vor, sich ihm zu beugen. Er holte ein kleines, schwarzes Gerät hervor und hielt es ihr hin. "Da bitte reinpusten." Die Frau betrachtete das Messgerät skeptisch und verzog angewidert das Gesicht. "Wird das eigentlich jemals sauber gemacht, nachdem das jemand im Mund gehabt hatte?" Er ließ seine Hand sinken und runzelte sie Stirn. So eine Frage hatte ihm bis jetzt noch niemand gestellt und er war nicht darauf vorbereitet gewesen. Er schaute erst die junge Frau an, dann das Ding in seiner Hand. "Das Mundstück wird ausgewechselt", erklärte er perplex. "Noch nie was davon gehört", widersprach sie störrisch. Er musterte sie von oben bis unten und versuchte abzuschätzen, was für einen Exemplar Frau er vor sich hatte. Stur, dickköpfig, frech. Das fiel ihm als erstes zu ihr ein. Streitlustig, sinnierte er dann weiter, eine, die möglicherweise Herausforderungen liebte. Aber ging er da nicht schon ein wenig zu weit? Er seufzte entnervt. "Warum sollten Sie auch? Ich schätze, in Ihrem Beruf bekommt man so etwas eher seltener zu Gesicht." Sie lächelte ironisch. "Das ist gut geschätzt." "Pusten Sie nun?" "Nein." Er sah sie lange und auffordernd an. "Ich bin nicht betrunken. Kein normaler Mensch trinkt am Montagmorgen und macht sich den doppelten Stress, wo doch sowieso schon feststeht, dass der ganze Tag zum Scheitern verurteilt ist." "Kein normaler Mensch behauptet bei einer Polizeikontrolle, getrunken zu haben, obwohl es nicht so ist", konterte er seelenruhig, aber seine Mundwinkel zuckten amüsiert. "Sie glauben mir also, dass ich nicht betrunken bin!?" Er schnaubte verächtlich. "Natürlich sind Sie nicht betrunken. Nur nüchterne Menschen sind in der Lage, solche dämlichen Diskussionen zu führen." Sie wirkte erleichtert und gar nicht mehr so kratzbürstig und zum Streiten aufgelegt, wie noch vor wenigen Sekunden. "Na also, dann können Sie mich ja fahren lassen. Ich bin nämlich spät dran. Da gibt es so was, das nennt sich 'Arbeit', jemals davon gehört?" Er musste grinsen, er konnte gar nicht anders. Diese Frau war der Knaller! "Ja, stellen Sie sich vor", sagte er vergnügt. "Der Begriff kommt mir entfernt bekannt vor." "Tz. Sie können unmöglich der gute Cop in dieser Geschichte sein", tadelte sie ihn empört. "Aber ihr Freund da hinten, der gerade den armen, wandweißen Teenager filzt, der aussieht, als ob er sich gleich in die Hose macht, macht auch nicht gerade einen vertrauenserweckenden Eindruck." "Stimmt. Mit mir sind Sie eindeutig besser dran." Irgendwo tief drin in den Windungen seines Gehirns registrierte er, dass er mit dieser Frau flirtete. Hm. Interessant. "Darf ich jetzt fahren?", fragte sie ihn genervt. "Wenn Sie mal gepustet haben, ja. Wir könnten natürlich auch einen Bluttest machen lassen..." "Ich warne Sie. Sie können mich nicht dazu zwingen. Ich gehe zur Blutspende, wenn ich es für nötig halte." Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn entschlossen und mit verkniffenen Gesichtsausdruck an. "Außerdem geht es Ihnen doch nur um's Prinzip", stellte sie anklagend fest. "Stimmt", gab er gelassen zu. "Mann. Dann müssen Sie aber ein furchtbar schwieriger Mensch sein. Was sagt denn Ihre Freundin zu dieser Prinzipienreiterei?" Er musste ein Glucksen unterdrücken. "Ich habe keine Freundin." Sie warf einen Blick auf seine linke Hand. "Und verheiratet sind Sie auch nicht." Dann maß sie ihn abschätzend. "Kein Wunder, bei dem Charakter." Irgendwie hatte er diese Frau nicht im Griff. Sie besaß ein freches Mundwerk und schien ihm immer eine Länge voraus zu sein. Oder zwei, oder drei. Oder dreitausend. Ihm gefiel das, diese kleinen Kabbelein machten ihm Spaß und seine Laune hatte sich erheblich gebessert, und das innerhalb von nur einigen Minuten. Normalerweise gehörten Verkehrskontrollen nicht unbedingt zu seinen Lieblingsaufgaben, aber heute konnte kommen, was wollte, das spürte er bereits. Er entschied, sie endlich von der Angel zu lassen, aber nicht, ohne sie vorher auf etwas festzunageln. "Was halten Sie von Abendessen?", wechselte er abrupt das Thema. "Ich halte sogar sehr viel von Abendessen. Hungrig ins Bett zu gehen ist nicht gerade eine meine Lieblingsbeschäftigungen. Wann immer ich zu Hause bin oder die Zeit und die Möglichkeit dazu habe, esse ich etwas zu Abend", erläuterte sie bereitwillig und mit vollkommenem Ernst. Er blinzelte irritiert und musste diese indirekte Kritik über seine Vorgehensweise erst einmal verdauen. "Na gut... was halten Sie von Abendessen mit mir?", konkretisierte er dann. Sie setzte wieder diesen misstrauischen Blick auf, mit dem sie ebenfalls das Messgerät bedacht hatte. "Kommt darauf an", sagte sie vorsichtig, als wäre sie auf der Lauer. "Worauf?" "Ob ich dabei auch in irgendetwas Unhygienisches reinblasen muss", erwiderte sie ernst, ohne mit der Wimper zu zucken oder das Gesicht zu verziehen. Der Polizist lachte laut los. "Sie sind mir ja 'ne Nummer." Sie sah ihn ruhig an und schwieg abwartend. "Apropos Nummer...", setzte er an. "Das ist jawohl die schlechteste Überleitung, die ich je gehört habe", unterbrach sie ihn schnaubend. "Ich fass es nicht." "Kommen Sie. Gehen Sie doch nicht direkt vom Schlimmsten aus", versuchte er sie mit einem freundlichen Lächeln zu beschwichtigen, als wollte er sagen: "Ich hab mehr drauf als das." "Okay. Na dann los. Überraschen Sie mich mit etwas echt Kreativem." "Wollen Sie mir nicht Ihre Nummer geben?" Sie rollte die Augen und musste gleichzeitig ein Lachen unterdrücken. Es sagte ihm, dass er auf dem richtigen Weg war. "Das ist so schlecht", stellte sie fest, konnte aber nicht aufhören, zu lächeln. "Also gut. Aber nur, weil ich Mitleid mit Ihnen und Ihren bescheuerten Flirtsprüchen habe. Vielleicht bringe ich Ihnen bei der Gelegenheit auch gleich bei, wie man's richtig macht." "Ach? Und wie macht man's richtig?", fragte er provokant und hob eine Augenbraue hoch, sich wohl der Tatsache bewusst, dass das weder der richtige Ort noch passende Zeitpunkt für diesen kleinen Flirt - oder mehr - war. Sie grinste bis über beide Ohren, und etwas Anzügliches blitze in ihren Augen auf. Dann machte sie einen Schritt auf ihn zu und klopfte ihm mit der flachen Hand leicht gegen die Brust, als wollte sie sagen "Mach dir nichts draus, Kumpel!" "Das sehen Sie ja dann. Darf ich jetzt fahren? Ich bin spät dran." "Warten Sie. Ihr Strafzettel..." Er fummelte an dem Block herum und riss das Blatt heraus, das er bereits beschriftet hatte. Sie runzelte ein wenig verärgert die Stirn und verzog die Mundwinkel, nahm es jedoch entgegen, und schnappte sich auch gleich den Kugelschreiber aus seinen Fingern, um etwas draufzukritzeln. Mit einer gelassenen Ruhe drückte sie ihm beides wieder in die Hände zurück und stieg in ihr Auto ein. Perplex blinzelte er auf den Zettel, auf dem nun in großen Ziffern quer über sein Geschriebenes ihre Telefonnummer prangte. Ihre Festnetznummer, nicht ihre Handynummer. Klug, dachte er. Ihm nicht sofort ihre Handynummer zu geben, damit er sie nicht überall erreichen konnte, sondern nur eben dann, wenn sie auch wirklich erreichbar sein wollte und konnte. Nur zu ihren Zeiten, ihren Bedingungen. Als er den Mund aufmachte und ihr gerade sagen wollte, dass sie die Strafe trotzdem zahlen müsste, lächelte sie ihn charmant und mädchenhaft an und er klappte den Mund wieder zu. "Bis dann, Mister böser Cop", grinste sie, startete den Wagen und fuhr an. Er schaute ihr nachdenklich hinterher. Nicht mal nach ihrem Namen hatte er gefragt. Aber sein neuer Spitzname gefiel ihm außerordentlich gut. Genauso wie diese Frau. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)