Mit Zähnen und Klauen von Ryucama (Die Geschichte eines asmodischen Daevas) ================================================================================ Kapitel 1: Kalte Tränen und schwarze Federn ------------------------------------------- „Vater! Vater, wo bist du?“ Er hob den Kopf, als das schlanke Mädchen in die einfache Hütte stürmte und sich kräftig schüttelte. Tropfen flogen ihr aus Haar und Kleidern. Megana lächelte und streckte die Arme aus, lief auf ihn zu, als sie ihn entdeckte. Obwohl sie eigentlich zu alt war für solches Benehmen, tat er ihr den Gefallen immer wieder gerne und nahm seine Tochter auf die Arme. Ihre noch weichen Krallen schlossen sich um seine starke Schulter und hielten sie fest. Ihre Augen blitzten voller Freude und er fragte: „Na, was gibt es, Kleines? Wie war dein Tag?“ Das Mädchen lachte und kuschelte sich an ihn. Er legte sanft die Hand auf ihren Rücken, seine Finger in ihrem weichen, feuchten Rückenfell vergraben. „Es war großartig! Wir haben über die Bekämpfung von wilden Tieren auf den Feldern gesprochen! Ich durfte Segerns Dolch in die Hand nehmen! Und wir haben mit Holzwaffen trainiert! Ich habe das Ziel dreimal getroffen! Segern meinte sogar, ich hätte Talent und solle weiterüben! Wenn ich fleißig wäre, meinte er, könne ich eine Daeva werden, vor der sich die Asmodischen Legionen verneigen würden! Wie gern würde ich das wirklich werden!“, sprudelte sie hervor. Er erschrak. Seine Züge verschlossen sich und er setzte seine Tochter rasch ab. Megana, die seinen Stimmungswandel natürlich mitbekam, sah zu ihm auf und fragte: „Was hast du, Vater?“ Müde schüttelte er den Kopf und ging hinüber zu der gepolsterten Bank an der rückwärtigen Wand, ließ sich schwer darauf fallen und seufzte. Das Mädchen kam zu ihm, sah zu ihm auf. Nicht zum ersten Mal wurde ihm klar, wie jung seine Tochter noch immer war. Selbst im Sitzen war er noch über einen Kopf größer als sie im Stehen. Meganas Schweif zuckte. „Vater?“ Er fuhr sich über das Gesicht. „Ich möchte nicht, dass du eine Daeva wirst, Megana. Das ist alles.“ Sie legte den Kopf schief. „Warum denn nicht? Die Daeva sind unsere Beschützer! Sie kämpfen gegen die bösen Elyos, die alles zerstören wollen, was uns gehört, nicht wahr?“ Seufzend strich er seiner Tochter über die goldblonden Haare, die ihn so sehr an ihre Mutter erinnerten, dass er einen Moment lang tatsächlich Milana vor sich sah. „Das ist richtig.“ Er zögerte. „Doch die Daeva sind noch mehr. Sie sind unsterblich, mächtige Krieger oder furchterregende Zauberer. Aber das ist noch nicht alles!“, fügte er rasch hinzu, als er den Glanz in Meganas Augen sah. „Sie sind keine Menschen mehr. Sie glauben, sie würden so weit über uns stehen, wie wir über unserem Vieh stehen. Sie haben keine menschlichen Gefühle mehr. Mitgefühl oder Trauer kennen sie nicht mehr. Das ist kein Leben, das ich mir für dich wünsche, Kleines, denn trotz allem ist es eine bedauernswerte Existenz.“ Megana runzelte die Stirn. „Aber möchtest du denn kein Daeva werden, Vater?“ Entschlossen schüttelte er den Kopf. „Sicher nicht. Ich möchte nicht ewig gleich alt bleiben, möchte nicht die Menschen um mich herum altern und sterben sehen, während ich mich selbst nicht verändere. Ich möchte nicht in den Kampf gegen unsere Verwandten – die Elyos – ziehen und Blut vergießen müssen und dabei nicht einmal Trauer empfinden können. Ich möchte irgendwann, wenn ich alt und müde bin, friedlich in meinem Bett einschlafen und nicht mehr aufwachen – ich möchte nicht unter Schmerzen in einem Krieg sterben, der nicht der meine ist. Alles, was ich will ist, ein erfülltes, freudenvolles Leben führen. Und meiner Meinung nach gehört dazu auch, im Alter in Frieden gehen zu können. Als Daeva ist uns das nicht mehr möglich. Die Daeva leben für den Kampf. Nicht mehr und nicht weniger.“ Megana sah ernst zu ihm auf. Alle Fröhlichkeit und Unbeschwertheit war aus ihrem Gesicht gewichen. Einen Moment lang verfluchte er sich selbst, dass er so offen gewesen war. Sie fragte erschüttert: „Glaubst du, es ist so schlimm?“ Er nickte. Er hatte schon Daeva getroffen, und sie alle waren verbissene, teils verbitterte Gestalten gewesen, die hergekommen waren, um über den weiten Feldern von Brusthonin ihren Kampfeswillen wiederzufinden. Ihr Schicksal war es gewesen, sich hier zu regenerieren, um dann nach Morheim und Beluslan, jene von Elyos heimgesuchten Landstriche, oder gar in den schrecklichen Abyss zurückzukehren und erneut ihre Leben aufs Spiel zu setzen. Es war schwer, einen Daeva zu töten, aber nicht unmöglich. Bei all ihrer Stärke waren sie dennoch nicht untötbar. Unsterblich ja, aber nicht unverletzbar. Er hatte Daeva gesehen, denen Finger, Hände oder ganze Arme gefehlt hatten, die Augen oder Beine verloren hatten im Krieg. Wunden, an denen Menschen wie sie schon längst gestorben wären, hatten die Unsterblichen, die Geflügelten, überlebt. Schrecklich entstellt an Körper und Geist, abgeschoben in das ländliche Idyll Brusthonins, um dort ihren Lebenswillen wiederzufinden. Er wusste, viele hatten Selbstmord begangen, um aus dem ewigen Leben, das ihnen verliehen worden war, zu entkommen. Wahrlich, er wusste, es war nicht wünschenswert, unsterblich zu sein. Aber das konnte er Megana nicht erzählen. Also fuhr er ihr durchs Haar, zog sie zu sich auf den Schoß und lächelte. „Aber wir sind ja glücklicherweise keine Daeva. Wir brauchen also keine Angst davor zu haben, was einem von ihnen zustoßen könnte.“ Nach einem Moment des Schweigens meinte seine Tochter leise: „Wir haben auch noch über etwas anderes gesprochen.“ Leicht besorgt wegen ihres ernsten Tonfalls fragte er: „Und was war es, Meg? Möchtest du mit mir darüber reden?“ Megana stieg das Blut in den Kopf, sodass es aussah, als färbte sich ihre helle blassblaue Haut violett. Sie kicherte nervös. Er grinste, als sie herumdruckste: „Wir... na ja... äh... wir haben über... äh... Schönheit gesprochen...“ Ein Frauenthema. Eigentlich nichts, was man so direkt mit seinem Vater besprechen würde. Er lachte. „Nicht doch. Du brauchst es mir nicht erzählen, wenn du nicht möchtest.“ „Ich will aber, dass du es erfährst. Tante Veria hat ziemlich gelästert über Victoria. Du weißt schon, die Neue, die sich immer schminkt, selbst wenn sie aufs Feld geht, um ein Porgus einzufangen, das sich davongemacht hat!“ Grinsend nickte er und Megana fuhr fort: „Sie hat gesagt, die Frau wäre zwar bildhübsch, aber hätte absolut kein Gehirn in ihrem schönen Kopf!“ Sie schwieg, und ihrem Vater wurde erst nach einem Moment klar, dass sie auf seine Antwort wartete. Er verbiss sich den bösen Kommentar, der ihm auf der Zunge lag – er wollte seine Tochter nicht zu einer Scharfzunge wie Veria erziehen. „Nun, Victoria stammt aus Baltasar. Dort wird eine etwas gehobenere Kultur gepflegt, auch wenn es, verglichen mit den Metropolen, nur ein weiteres Bauerndorf ist. Soweit ich weiß, hat sie auch schon die Festung von Altgard besucht. Und dort ist es üblich, sich herzurichten, wenn man das Haus verlässt.“ Er hatte noch mehr gehört. Victoria war, wenn man Bestels Aussagen – ihrem Ehemann – Glauben schenken durfte, die Tochter eines Schankmädchens und eines adligen Daevas aus Pandämonium. Doch Bestel galt als Tratschtante, ihm durfte man nicht alles glauben, was er im Suff von sich gab. Erst recht nicht, wenn es sich um seinen ganzen Stolz, seine wunderschöne junge Frau, drehte. Unbestritten jedoch war, dass sich Victoria eine Menge auf ihre Person einbildete. Die junge Frau hielt sich für zu gut, um wie der Rest der Dorfbevölkerung zu arbeiten. Er mochte sie nicht besonders, und Milana hielt sich ebenso von ihr fern, wenn es ihr möglich war, worum er froh war. „Jedenfalls, sie hat ein wenig von gutaussehenden Männern unseres Dorfes geschwärmt. Wusstest du, dass sie Gorman heimlich anbetet?“ Megana kicherte und er runzelte die Stirn. „Gorman? Na das passt zu Veria!“, kommentierte er unverbindlich und seine Tochter sah mit einem gespielt unschuldigen Blick zu ihr auf. „Sie sagen alle, du seist... nun ja... nicht unbedingt ein gesuchtes Ziel ihrer Aufmerksamkeit...“ Er grinste breit und entblößte seine Fänge. „Oh, ist dem so?“ Megana sah ihm in die Augen, schien nach Unsicherheit seinerseits zu suchen. „Ja. Sie gehen sogar so weit, dass sie sagen, es wäre unmöglich, dass ich deine Tochter sein könnte! Wo doch Mutter so schön ist und... na ja... du...“ Dies brachte ihn wirklich zum Lachen. „Das ist nichts Neues für mich, Kleines.“, stieß er schließlich unter Gelächter hervor. „Ich weiß, dass ich nicht das bin, was andere als hübsch bezeichnen. Aber glücklicherweise heißt das nicht automatisch, dass auch du vollkommen hässlich sein musst! Du kommst nach deiner Mutter, Meg. Sei froh, dass es so ist, denn welche Tochter wollte schon wie ihr Vater aussehen?“ Er lachte und Megana lächelte scheu. „Also macht es dir nichts aus, hässlich zu sein?“ Das machte ihn nachdenklich, aber er schüttelte den Kopf, um sie nicht traurig zu machen. Er seufzte. „Megana. Weißt du, Schönheit zeigt sich nicht immer gleich auf den ersten Blick. Manche Menschen mögen zwar äußerlich schön sein, sind aber innerlich verrottet und bösartig. Worauf es ankommt ist, dass du da drin gut bist.“ Er tippte ihr mit der Krallenspitze auf die Brust. Megana sah auf ihre Brust hinab. „Warum?“ „Dein Herz. Darum geht es. Wenn das Herz nicht gut ist, ist der ganze Mensch schlecht. Das ist der Grund, weshalb sich deine Mutter mit einem hässlichen Tropf wie mir abgibt!“ Er zwinkerte und Megana lachte. „Also so unansehnlich bist du auch wieder nicht, Vater! Du bist halt einfach nicht so zierlich wie manche Söldner, die hier durchkommen!“ Erstaunt hob er die rechte Augenbraue. „Bitte? So hässlich bin ich nicht? Was soll das denn jetzt heißen? Meine eigene Tochter hält mich für unansehnlich?“ Sie seufzte und lachte. „So hab ich das nicht gemeint! Ich dachte nur...“ Grinsend strich der Ältere ihr über das Haar. „Ich weiß, Kleines. Mach dir keine Sorgen.“ Er sah zum Fenster hinaus. Draußen regnete es noch immer, doch nun nicht mehr gar so schlimm. Er konnte beinahe zusehen, wie es aufhörte. „Fütterst du die Tiere? Ich muss noch die Kures von der Weide holen.“ Megana nickte gehorsam. „Sicher. Mutter wird auch bald zurück sein. Dann können wir das Abendessen vorbereiten.“ Sie flitzte zur Tür hinaus, ohne ihm die Gelegenheit zu geben, ihr zu antworten. Seufzend verließ auch er schließlich die Hütte, um seine Arbeit zu erledigen. Mochte Megana ein Energiebündel sein, er war es jedenfalls nicht. Aber niemand konnte ihm nachsagen, er wäre faul. Er war es nicht, er wusste, dass nur Fleiß das benötigte Geld brachte, das ihm ein angenehmes Leben ermöglichte. Dennoch musste man nicht alles im Laufschritt erledigen, Stress ergab sich auch so schon genug, da musste er ihn nicht auch noch künstlich produzieren. Langsam schritt er den Weg entlang, der ihn zur Weide führen würde. Seine Krallen gruben sich tief in den schlammigen Weg. Er seufzte. Irgendetwas war seltsam in diesen Tagen. Es war immer matschig, es regnete dauernd, wie als weinte der Himmel. Seltsame Gerüche zogen über die Felder, wie als ob der verfaulte Atem eines Großen Drachen in der Luft liegen würde. Die Tiere waren reizbar und griffen manchmal ihre Besitzer an, außerdem waren immer wieder seltsame Kreaturen aufgetaucht. Er legte sein Schwert so gut wie nie mehr ab, und er ließ Megana nicht mehr allein aus dem Dorf. Milana wollte er eigentlich auch nicht fort lassen, aber sie musste auf den Feldern arbeiten, ebenso wie er selbst. Sie konnte ebenfalls mit dem Schwert umgehen, aber dennoch fürchtete er um ihre Sicherheit. Sie hatte nicht so viel Kraft wie die Männer des Dorfes und er, sie sollte nicht hinausgehen müssen. Aber sein Schicksal konnte man sich eben nicht aussuchen. Als er die Weide erreichte sah er bereits, dass etwas nicht stimmte. Von seinen sechs Kures waren nur noch zwei auf der matschigen Wiese. Ein weiteres entdeckte er ein wenig entfernt an dem Bach, der den Hang hinab in Richtung Dorf floss. Resigniert fing er die großen Tiere ein und trieb sie rasch hinab in den heimatlichen Stall. Die Kures waren zwar keine hübsch anzusehenden Kreaturen, aber sie produzierten äußerst wohlschmeckendes, saftiges Fleisch, außerdem brauchte man sie – im Gegensatz zu den trägen Porgus – so gut wie nie gegen Wildtiere verteidigen. Im Gegenteil, ihre Hauer und Klauen und ihr furchterregendes Äußeres vertrieben Karnifs und Worgs, die sich doch immer wieder hierher verirrten, um Beute zu machen. Dabei waren die zahmen Kures, die im Dorf gezüchtet wurden in der Regel sanft, selbst zu kleinen Kindern. Er seufzte und verschloss den Stall, ehe er ihn verließ. An der Haustür traf er auf Milana, die bereits mit einer Kanne Milch die Hütte betrat. „Milana! Drei unserer Kures sind ausgerissen! Ich muss noch einmal los, um sie zu finden!“ Die junge Frau – seine Frau – sah sich um. Ihr schönes helles Haar glänzte im schwachen Licht wie flüssiges Gold. Er beobachtete, wie sie die Augen verdrehte und ausrief: „Oh, schon wieder! Diese strohdummen Kreaturen! ...Ich werde dich begleiten. Vier Augen sehen mehr als zwei!“ Seufzend schüttelte er den Kopf. „Nein, Milana. Ich möchte, dass du bei Megana bleibst. Sie soll nicht allein zu Hause sein.“ „Mach dich nicht lächerlich, Schatz. Es steht ein Gewitter am Himmel, wir müssen uns beeilen, um die Tiere rechtzeitig zu finden! Ich helfe dir, ob es dir passt oder nicht!“ Milana schüttelte ihr lockiges, langes Haar und sah ihn so eindringlich an, dass ihm schließlich keine andere Wahl blieb, als zu nicken. Sie klatschte in die Hände. „Sehr gut! Lass uns gehen!“ Es begann wieder zu regnen, gerade als sie die Weide erreichten. Milana sah zum Himmel auf und fluchte leise. „Ausgerechnet jetzt! Na egal. Teilen wir uns auf. Ich gehe nach links, du nach rechts. Wir werden sie schon finden, wenn wir in Rufreichweite bleiben!“ Er neigte den Kopf. „In Ordnung. Also los!“ Gemeinsam machten sie sich auf die Suche, wobei es schon nach kurzer Zeit erneut zu schütten begann. Doch in den über zwei Stunden, in denen sie suchten, fanden sie nicht einmal den Hauch einer Spur der verlorenen Kures. Sie fanden zwar Hufspuren, doch diese verloren sich bald darauf auf Gestein und im Wasser eines weiteren Baches. Es war, als hätten sie sich mit Absicht versteckt. Schließlich, als sie zusammen auf einer Waldlichtung standen und immer noch nichts entdeckt hatten, nahm er seine zitternde Ehefrau in den Arm. Milana lehnte sich dankbar an ihn. „Es ist kalt... zu kalt für die Jahreszeit!“ Nickend sah er in die dunklen Wolken hinauf. Es hatte erneut aufgehört zu regnen, doch die Kälte war geblieben. Zudem grollte noch immer der Donner, und Blitze erhellten den dunklen Himmel. Er strich über Milanas Rückenfell und sie seufzte. „Wir müssen sie finden. Aber ich bin mir nicht sicher...“ Sie versteifte sich in seinem Arm und er war sofort alarmiert. Milana flüsterte: „Da... da ist jemand!“ Er sah in die Richtung, in die sie deutete und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Halb unter einem Felsblock verborgen stand eine hochgewachsene Gestalt, bestimmt so groß wie er und nicht weniger breit. An ihrer Hüfte hing ein langes Schwert. Das Gesicht konnte er in der Düsternis nicht erkennen. Doch er spürte deutlich die Bedrohung, die von der Person ausging, so deutlich, dass sich ihm das Fell sträubte. Seine Krallen gruben sich tiefer ins Erdreich, während seine Hand Milana fester fasste. Er rief: „Tretet heraus, Herr! Weshalb versteckt Ihr Euch?“ Der Andere jedoch regte sich nicht. Ein fein verästelter Blitz zuckte über den schwarzen Himmel, erleuchtete die Szene mit seinem geisterhaften, unsteten Licht. „Herr?“ Der Fremde hob die Hand und deutete auf sie. Ein markerschütterndes Heulen, begleitet von einem krachenden Donnerschlag war zu hören, dann stürzte sich eine Meute verhüllter Gestalten aus dem Wald auf sie. Milana schrie auf, während ihr Mann bereits das Schwert zog. Binnen Sekunden entspann sich ein Kampf. Er konnte zwei in Schach halten, die ihn arg in Bedrängnis brachten, während Milana sich zwei weiteren Fremden erwehren musste. Ihr Dolch sauste durch die Luft, zog eine schimmernde Bahn hinter sich her. Das Licht der Blitze erhellte die Lichtung, das Kampffeld. Der Fremde mit der Kapuze stand noch immer am Rand des Waldes, beobachtete das Ganze. Offenbar wollte der Mann sich die Hände nicht schmutzig machen, dachte der kräftige Asmodier, schlug mit dem Schwert nach einem seiner Gegner. Kurz darauf sah er, wie seine Frau auch den zweiten Dolch aus der Stiefelscheide zog und gegen ihre Gegner wandte. Ihm jedoch blieb nicht die Zeit, es ihr gleichzutun. Die beiden Männer vor ihm waren mit Langschwertern bewaffnet, die ihnen eine größere Reichweite gaben, als er selbst mit seinem Kurzschwert bekam. Folglich musste er sich konzentrieren, um nicht verletzt oder gar getötet zu werden. „Warum greift ihr uns an? Wir haben euch nichts getan!“, keuchte Milana zwischen zwei Donnerschlägen und hieb um sich. Er biss die Zähne zusammen und schaffte es doch, endlich auch seinen Dolch aus dem Stiefel zu ziehen. Der Grund, auf dem sie kämpften war zwar nicht schlammig, aber die nassen Nadeln der Bäume, die den Boden bedeckten, machten es riskant, sich allzu sorglos zu bewegen. Er musste aufpassen, wo er hintrat – und wie er es tat, denn zwischen die Tannennadeln mischten sich scharfkantige Steine, die seine Füße in Gefahr brachten. Doch mit zwei Waffen tat er sich bedeutend leichter, seine Gegner abzuwehren. Zumindest blieb es so ein harter Kampf, den keiner für sich entscheiden konnte, auch wenn sie alle kleinere Schnitte an Gesicht und Körper einstecken mussten. Dann jedoch gab Milanas Schmerzensschrei den Ausschlag. Er war für einen Sekundenbruchteil abgelenkt – genug für die zwei Fechter, ihn zu überwältigen. Ihm wurde der Dolch aus der Hand geschlagen und einer seiner Gegner trieb ihm das Schwert in die Schulter. Er sog die Luft ein, schrie schließlich, als der Mann das Schwert herumdrehte. Sein eigenes Schwert rutschte ihm aus der erschlaffenden Rechten und fiel klirrend zu Boden. Die Waffe wurde aus seiner Schulter gerissen und er taumelte zurück, sah, wie sie Milana an einen Baum drängten, ihr die Waffen entwanden. Er sank zu Boden, als ihm ein zweites Mal ein Schwert in den Leib gerammt wurde. Milana schrie. „Danvan! DANVAN!“ Mit ersterbendem Bewusstsein und Tränen in den Augen sah er, wie sie sie fortzerrten, fort in den dunklen, furchterregenden Wald. Dann wurde alles schwarz. „DANVAN!“ Er erwachte mit einem leisen Schrei. Zunächst wusste er nicht, wo er war. Er konnte sich nicht bewegen, es war, als seien seine Beine gefesselt, und seine Waffe war nicht in Reichweite. Dann jedoch gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit und ihm wurde klar, dass er sich in seinem eigenen Zimmer befand. Seine Bettdecke hatte sich fest um seine langen Beine geschlungen und ihn so „gefesselt“. Sein Schwert lag wie immer auf dem Boden vor dem Bett. Danvan fuhr sich seufzend über das Gesicht, entdeckte verwirrt, dass Tränen seine Wangen benetzten. Weshalb ließ es ihn nur nicht los? Jener schreckliche Tag, der sein ganzes Leben vollkommen umgekrempelt hatte, ihm das Herz binnen so kurzer Zeit zweimal gebrochen hatte? Dann gab er sich selbst die Antwort. Er hatte nie gewollt, dass es passierte. Es hatte eine Tragödie erfordert, um ihn zu dem zu machen, was er war. Er durfte es nicht vergessen. Niemals. Als er erwacht war, hatte er noch immer auf der Waldlichtung gelegen. Blut hatte sein Lederhemd getränkt, sein eigenes Blut. Er hätte sterben sollen. Doch stattdessen sah er die riesigen schwarzgefiederten Schwingen, die links und rechts von ihm auf dem Boden lagen. Danvan erinnerte sich nur schemenhaft daran, wie er ins Dorf zurückgekehrt war. Er war völlig entkräftet und unterkühlt gewesen vom Blutverlust. Er hatte nicht die Kraft gehabt zu realisieren, was geschehen war. Müde hatte er sich zurück nach Hause gekämpft. Er war Gorman in die Arme gelaufen, der voller Entsetzen die Arme in die Luft geworfen hatte. Sein Bruder Albin, der, durch Gormans Ehefrau herbeigeholt, ihn in Empfang genommen hatte, hatte ihn erschrocken angesehen und gesagt: „Danvan, was ist nur passiert? Was in Aions Namen hast du getan, dass dir so etwas widerfahren musste?“ Zu diesem Zeitpunkt hatte er begriffen, dass es mehr sein musste als sein Aufzug, weshalb sie solch einen Aufstand machten. Ein Schatten der kalten Angst, die ihn damals umfangen hatte, flutete auch jetzt noch durch seine Adern, als er sich erinnerte. Er war zu seiner Hütte getaumelt – oder besser das, was davon noch übrig gewesen war. Eine Schlammlawine war vom Berg her niedergegangen und hatte mehrere Häuser mit sich gerissen. Unter ihnen war auch das Haus von Danvans Familie gewesen. Megana, die bereits geschlafen hatte, war von den Trümmern, die die Lawine mit sich geführt hatte, erschlagen worden. Er erinnerte sich noch daran, ihren zerstörten Körper in den Armen gewiegt zu haben, doch an ihr Gesicht konnte er sich nicht mehr erinnern. Albin hatte versucht, ihn zurückzuhalten, doch er hatte Megana sehen müssen. Schließlich hatte er die Ruine seines Hauses verlassen, seine tote Tochter auf den Armen tragend wie einen Säugling. Tränen hatten seine Sicht verschleiert, als er den kleinen Tempel betreten hatte, sie auf den Stufen abgelegt und für sie gebetet hatte. Dann war er aufgestanden und hatte den Tempel verlassen wollen. Sein Bruder hatte ihn aufzuhalten versucht. Albin hatte all das Blut gesehen, das auf seinem Hemd war, das Fehlen seines Schwertes erkannt und die richtigen Schlüsse gezogen. Er hatte Danvan nicht mehr fortlassen wollen und ihn höchstselbst ins Bett verfrachtet, ehe er Gorman und Segern aufgefordert hatte, nach Milana zu suchen. Die Männer des Dorfes waren geschlossen und bis an die Zähne bewaffnet aufgebrochen, um die schöne junge Frau zu retten. Danvan jedoch war, kaum dass er im Bett lag, erneut in Ohnmacht gefallen. Als er erwacht war, war der Himmel klar gewesen. Wie als ob er ihn verspotten wollte. Er hatte nur dagelegen, die warme Luft geatmet und die Decke des Zimmers angestarrt. Er konnte nicht weinen. Seine Tränen waren versiegt. In ihm war nur namenloser Schrecken gewesen. Megana tot, Milana entführt, er verletzt und... ja... was eigentlich? Noch immer hatte er sich verboten, darüber nachzudenken, was eigentlich passiert war. Dann war Bestel ins Dorf gerannt, wild schreiend und wild mit den Armen rudernd, hatte nach Albin gerufen. Danvan war aufgestanden, hatte gesehen, wie Bestel seinen Bruder fortzog und war ihnen gefolgt – obwohl Albin ihn angewiesen hatte, im Bett zu bleiben. Doch er hatte seinen jüngeren Bruder einfach ignoriert, war Bestel gefolgt. Jetzt dachte er, es wäre besser gewesen, er hätte es nicht getan. Im Gegensatz zu Meganas Gesicht erinnerte er sich an Milanas Antlitz noch so gut, als hätte er sie erst gestern gesehen. Seine Frau war brutal misshandelt worden, ihr Gesicht geschwollen und voller Schnitte und Blutergüsse gewesen. Man hatte ihr beide Beine und das Handgelenk gebrochen. Milanas Körper war übersät gewesen von Prellungen, Blut und Schmutz. Die Fetzen ihrer Kleidung hatten um sie herum verstreut im Wald gelegen. Sie musste sich gegen ihre Peiniger gewehrt haben, mit allem was ihr geblieben war: Zähnen und Klauen. Ihre Fänge waren zersplittert, zwei ihrer Krallen abgebrochen, die anderen abgeschabt bis sie geblutet hatten. Albins Gesicht hatte alle Farbe verloren damals, er war ebenso blass gewesen wie Danvan, als er wie betäubt versucht hatte, seinen älteren Bruder zurückzuhalten. Doch Danvan hatte ihn beiseite geschoben und sich auf Milanas Leichnam gestürzt, sie in die Arme genommen und geschrien. Verzweifelt hatte er versucht, sie aufzuwecken, nicht begreifend, dass es für sie zu spät war. Viel zu spät. An alle Einzelheiten erinnerte er sich nicht mehr. Nur noch daran, dass alles in ihm taub war, alles bis auf sein Herz, das vor Schmerz zu bersten drohte. Er hatte geweint. Lange. Bis Albin ihn endlich aufgehoben hatte, ihn an Bestel und Gormen weitergereicht hatte mit der Anweisung, ihn nach Hause zu bringen. Später, Danvan wusste nicht, wie viel später, waren seine Ehefrau und seine Tochter zu Grabe getragen worden. Als er auf die schlichten Särge hinabsah und sich die Erkenntnis, jetzt vollkommen allein zu sein, in sein Bewusstsein schlich, hatte er aufgeschrien und in seinem Schmerz seine Schwingen zum Vorschein gebracht und voll entfaltet. Er erinnerte sich noch an die erschrockenen Gesichter seiner Freunde und Verwandten, die geglaubt hatten, er wäre in eben diesem Moment verwandelt worden. Albin hatte er danach erzählt, was sich in Wahrheit zugetragen hatte, wann es passiert war. Wann er zum Daeva geworden war. Unsterblich. Wann ihm der Weg in den Tod verwehrt worden war. Bei dem Gespräch war ihm klar geworden, was es bedeutete, ein Daeva zu sein. Er würde alle, die er kannte, altern und schließlich sterben sehen, während er sich niemals mehr verändern würde, auf ewig dazu verdammt, dasselbe Gesicht zu tragen wie an jenem schrecklichen Tag, der ihm seine Familie und seine Zukunft geraubt hatte. Albin hatte ihn angesehen und gesagt: „Ich glaubte, dich zu kennen, Danvan. Doch jetzt begreife ich, dass wir einander niemals wahrlich kennen können, ebenso wenig wie wir den Lauf der Welt erkennen können. Doch im Gegensatz zu mir hast du nun unendlich viel mehr Zeit, die Welt und ihre Geschöpfe begreifen zu lernen. Nutze diese Chance, sie mag dein einziger Weg sein, dem Schmerz entkommen zu können.“ Er hatte geantwortet: „Ich werde niemals mehr glücklich sein können. Milana und Megana waren mein Leben. Als ich sie verloren habe, habe ich auch mein Glück und meine Freude verloren.“ Das Kopfschütteln seines Bruders hatte er damals als puren Hohn empfunden, doch jetzt wusste er, Albin hatte Recht gehabt damals. Das Leben würde weitergehen. Danvan erhob sich von seinem Bett, sammelte seine Hose auf und schlüpfte hinein. Als er die Läden des Fensters öffnete und die klare, kalte Luft über seine bloße Brust und seine muskulösen Arme strich, atmete er tief ein und schloss kurz die Augen. So viel hatte sich verändert seit damals. Er hatte mehrere Monate im Dorf verbracht, halb betäubt vor Schmerz seine Arbeit zu tun versucht, bei Albin und dessen Familie gelebt. Dann waren die ersten Untoten aufgetaucht, hatten Gormen und dessen Zechkumpanen Themnos umgebracht. Damals hatte Danvan es bereits gespürt. Etwas veränderte sich. Als weitere Untote aufgetaucht waren und begonnen hatten, die Tiere abzuschlachten, hatten sich die Bauern beraten und beschlossen, einen Boten nach Baltasar zu schicken, um um Hilfe zu bitten. Die Wahl war auf Danvan gefallen, da er als einziger über Schwingen verfügte, die ihn schnell den Berg hinabtragen konnten und er, in Ermangelung einer Familie oder eines Hofes, niemandes Magen außer seinem eigenen zu füllen hatte. Er hatte die Wahl angenommen und war hinabgeglitten ins Tal, das ihn schließlich, über das Gebiet der Sudorville-Farmen, bis nach Baltasar führen würde. Auf dem Weg hatte er begriffen, dass das, was zu Hause geschah, kein Einzelfall und erst Recht nicht das Ende war. Untote und Dreck waren überall, wie als weinte die Erde selbst über das, was auf ihrer Oberfläche geschah. Was einst blühender Reichtum und satte Fruchtbarkeit gewesen war, hatte sich gewandelt. Verfall und Fäulnis schienen von allem Besitz zu ergreifen. Noch wehrte sich die Natur, doch Danvans erweiterte Wahrnehmung sagte ihm, dass sich ganz Brusthonin im Wandel befand. In Baltasar hatte er sein Anliegen vorgebracht, ihm war versprochen worden, dass man sich um sein Dorf kümmern würde. Doch als er hatte zurückkehren wollen, hatte man ihn nicht gehen lassen, sondern ihn in Begleitung von zwei Männern durch ein Portal fortgeschickt. Er hatte in Pandämonium trainiert, hatte jedoch von der Stadt so gut wie nichts gesehen außer die Kaserne, in die man ihn gebracht hatte. Etwas mehr als zwei Jahre waren vergangen, in denen er nichts aus seiner Heimat gehört hatte. Dann hatte man ihn nach Morheim, in die Eisfestung geschickt. Und hier war er nun. Danvan sah hinaus in die schneebedeckte Welt. Dieses Land war rauh, verlangte seinen Bewohnern alles ab. Die Menschen hüllten sich dick in ihre Mäntel und Jacken, während Daeva verschiedener Berufe frei unter ihnen herumeilten oder gemütlich durch die Straßen schlenderten. Er sah Geflügelte, die das Äther der Kristalle einsammelten, die über der Stadt schwebten und seufzte. So viel hatte sich geändert seit damals. Er wandte sich vom Fenster ab, schlüpfte in seine Lederrüstung, die ihm nach der kühlen Luft angenehm warm vorkam, gürtete sich seine Schwerter auf den Rücken und verstaute die zwei Dolche in seinen Stiefelscheiden. Den verzauberten Bogen, der nie brechen würde, spannte er neu und hängte ihn sich ebenfalls in das Gestell auf seinem Rücken, das schon seine Schwerter trug. Er fasste sein rotbraunes Haar und band die langen Strähnen in seinem Nacken nachlässig mit einer dünnen Lederschnur zusammen, sah prüfend in den Spiegel, ob noch irgendetwas zu verändern war. Seine graugrünen, hellen Augen stachen aus seinem blassen Gesicht hervor, das von den gewaltigen Koteletten und den Tätowierungen verdunkelt wurde. Alles wirkte wie immer, selbst die leichten, kaum sichtbaren Ringe unter seinen Augen, die fast immer auftauchten, wenn er auch nur ein wenig zu spät ins Bett kam und zu viel getrunken hatte. Danvan warf seinem Spiegelbild einen ernsten Blick zu, dann seufzte er und verließ das Zimmer. Draußen erwartete ihn bereits ein Bote, der ihm eine Schriftrolle des Kommandanten von Morheim überbrachte. Man sandte ihn aus, um jene Kreaturen, die die Eisfestungsbewohner peinigten, auszurotten. Nichts außergewöhnliches. Beinahe wehmütig erinnerte er sich an jenen Auftrag, den er vor etwa drei Monaten hatte erledigen sollen. Es ging um die Ermordung eines Beamten, der seine Position missbraucht hatte, um Geld und diverse nicht näher erläuterte Gefälligkeiten einzustreichen. Danvan hatte es zunächst widerstrebt, einen Menschen zu töten, den er doch gar nicht kannte und der ihm nichts böses wollte, doch dann hatte sich herausgestellt, dass der Mann versucht hatte, Daeva in eine Falle zu locken und an die Elyos zu verraten. Als er Danvan gesehen hatte, hatte er ihn verflucht und ihn attackiert. Natürlich war es vergebens gewesen, denn zum Einen war Danvan über einen Kopf größer als der dicke Mann gewesen, zum Anderen war er im Kampf geschult worden. Er hatte den Beamten kalten Herzens getötet. Seitdem waren zwei weitere Menschen durch Danvans Hand gestorben, die hatten verhindern wollten, dass Hilfsgüter nach Brusthonin gelangten. Das einstige Paradies hatte sich zu einer Hölle auf Erden gewandelt. Ganz Asmodae betrauerte den Verlust seiner Schatzkammer, was saubere Luft und blühende Felder anging. Noch hatte Danvan es nicht mit eigenen Augen gesehen, doch er hoffte immer wieder, dass es Albin und den anderen Bewohnern seines Heimatdorfes gut ging. Als Danvan das Stadtgebiet nach Westen hin über die Brücke verließ, sah er auch hier Spuren des Verfalls, der ihm schon in Brusthonin aufgefallen war. Wenn es auch wesentlich weniger schlimm war als in seiner Heimat, so war es doch unübersehbar, dass ihre Welt darunter litt, was geschehen war, damals, als der Turm der Ewigkeit zerstört worden war. Zu Hause hatte er nichts gewusst von alldem. Er hatte auch nicht geahnt, dass die Elyos derart boshaft waren, ihnen tatsächlich den garaus machen wollten. Er zog die Schwerter. Der Mann, der ihm gegenüberstand, hob das schwere Zweihänderschwert, um nach einem anderen Asmodier zu schlagen, der sich gerade eben gebückt hatte, um eine Handvoll Kristall aufzulesen. Danvan zögerte nicht, schoss auf schwarzen Schwingen vor. Seine zwei Schwerter fraßen sich tief in die Schwachstellen der Rüstung des Mannes, in seine Halsbeuge und sein Ellbogengelenk, trennten ihm den linken Arm ab und sandten eine blutrote Fontäne aus dem verletzten Hals, die den Schnee rot färbte. Der Fremde hatte nicht den Hauch einer Chance, wie er so von hinten blitzschnell und von vorn eher überrascht attackiert wurde. Er starb binnen Sekunden an den schweren Wunden, die Danvan und der andere Asmodier ihm beigebracht hatten. Selbst wenn er diese überlebt hätte, so hätte ihn das Gift auf Danvans Klingen binnen kurzer Zeit getötet. Der Daeva hatte gelernt, dass es sich nicht lohnte, mit Elyos allzu sanft umzuspringen. Die Weißgeflügelten neigten dazu, zum Einen äußerst langsam zu sterben, wenn sie sahen, was auf sie zukam, und zum Anderen dazu zu versuchen, ihren Angreifer mit in den Tod zu reißen. Als Danvan nun auf den Fremden hinabsah und dessen Gesicht erkannte, spürte er, dass er wohl doch nicht so abgebrüht war, wie er gedacht hatte. Der Elyos war kaum erwachsen gewesen, ihm spross erst der erste Flaum von einem Bart auf den bleicher werdenden Wangen. Der Tod dieses jungen Mannes berührte ihn, erkannte er erstaunt. Als er die Linke sanft zu seinem Gesicht hob und die bereits gefrierende Nässe auf seiner Klaue sah, hob er den Blick gen Himmel. In der Ferne schimmerte jenes überirdische Licht, das ihn jeden Abend begleitet hatte, wenn er hier den Schlaf gesucht hatte. Nordlicht nannten es die Bewohner Morheims. Es war nur hier zu sehen, in der Eisfestung und ihrer Umgebung. Danvan bemerkte, wie verschleiert sein Gesichtsfeld war. Er sah eine schwarze Feder zu Boden sinken, wohl ein Überbleibsel seines ungestümen Angriffs. Schwarze Federn und kalte Tränen. Sein Schicksal. Ein Daeva Asmodaes. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)