Fotos von pustebluemchen (Momente, die entscheiden.) ================================================================================ Kapitel 7: Fantasie der D. -------------------------- Sie saß an ihrem Schreibtisch und starrte auf das Blatt Papier. Das Blatt war weiß und vollkommen leer. Daneben der Bleistift, den sie nicht einmal berührt hatte. Sie wusste nicht, wie lange sie schon auf das Blatt Papier starrte. Auch nicht wie lange sie schon den Stift nicht mehr angefasst hatte. Normalerweise musste sie sich nur hinsetzen und auf das Blatt starren. An irgendetwas denken. Und dann den Stift in die Hand nehmen und schreiben. Doch heute war es anders. Heute war so vieles anders. Zu viel war geschehen und schwirrte nun durch ihren Kopf. Begann sie einen Gedanken, sprang sie schnell zum nächsten und dann zum übernächsten und wieder zurück zu dem, der vor dem ersten Gedanken da war. In ihrem Kopf kreisten Bilder, die sie einmal gesehen hatte. Musik, die sie einmal gehört hatte. Sie dachte an die Aufführung von „Schwanensee“ und wie elegant sich die Ballerinen gedreht hatten. Immer weiter und immer weiter. So wie die Gedanken, die jetzt in ihrem Kopf waren und unnachgiebig gegen ihren Schädel drückten. Einfach nach draußen wollten auf dieses weiße Blatt Papier, das noch immer so friedlich vor ihr auf dem Tisch lag. Daneben lag noch immer der Bleistift. Sie nahm ihn in die Hand und betrachtete ihn genauer. Er war schon ziemlich abgenutzt. Und er war auch ziemlich klein. Er passte gerade noch zwischen ihren Daumen und ihren Zeigefinger. Aber sie wollte sich noch keinen neuen Stift kaufen. Mit dem hier hatte sie schon so viel durchgemacht. So viel aufgeschrieben. Mit ihm hatte sie schon so viele Gedanken aus ihrem Kopf befreit und auf Papier gebannt. Dorthin, wo sich nicht mehr davonlaufen konnten. Ja, wenn ihre Gedanken auf Papier waren, dann konnten sie sich nicht mehr so einfach in Luft auflösen, so wie sie es in ihrem Kopf taten. Auf Papier sah sie vor sich, was sie dachte. Die Gedanken ihrerseits konnten nicht mehr entkommen. Sie konnten sich nicht einfach aus ihrem Ohr nach draußen schleichen, nur um wieder durch die Luft zu geistern und ungreifbar zu bleiben. Doch heute verschwanden sie so schnell, wie sie gekommen waren. Aber für jeden geflohenen Gedanken nisteten sich zwei Neue in ihrem Kopf ein. Sonst hatte sie nie ein Problem damit, Gedanken einzufangen. Doch heute war es anders. Sie legte den Stift zur Seite und dachte weiter nach. Dachte an alles, was heute passiert war. Sie war aufgestanden. Pünktlich um halb sechs. War mit dem Bus gefahren und hatte das Schulhaus betreten. Hatte alle Stunden über sich ergehen lasse. War wieder nach Hause gekommen. Hatte ihre Hausaufgaben erledigt. Saß nun hier und starrte auf das Blatt Papier. Doch irgendetwas musste doch passiert sein, aber was? Und dann fiel es ihr ein. Vor der ersten Stunde hatte ein Mädchen zu ihr einen Satz gesagt, den sie selbst diesem Mädchen vor einem Jahr an den Kopf geworfen hatte. „Du hast keine Fantasie, Dana.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)