Schmerz ist vergänglich von Inan (Aber nur Mittwochs.) ================================================================================ Kapitel 1: Stark sein. ---------------------- Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal in dieser Situation wiederfinden würde; verzweifelt die Beine angezogen, weinend und ununterbrochen von Schluchzern geschüttelt, die mir das Atmen schwer machten. Ich hatte nie geweint, seit ich aus dem Kindergartenalter raus war. Nie. Nicht, als ich sah, wie mein Vater meine Mutter krankenhausreif schlug, nicht, als meine Eltern sich hatten scheiden lassen und ich der dramatischen und von den Tränen meiner Mutter geprägten Gerichtsverhandlung beiwohnen musste und auch nicht, als meine Mutter schließlich gestorben war. Nie. Und jetzt weinte ich doch. Wegen Chris. Nur, weil er mich verlassen hatte, mir mit kalten Augen verkündend, ich hätte ihm nie etwas bedeutet und jetzt hätte er eben keine Lust mehr auf mich. Ich hatte ihn geliebt, verdammt noch mal! Hatte mein Leben nach ihm gerichtet, ihm mein Herz und meine Seele geschenkt! Hatte alles gegeben, was ich hatte und meine Freunde für ihn links liegen lassen, hätte absolut alles für ihn getan. Warum tat er mir das an?! Und warum hatte ich es soweit kommen lassen? Warum hatte ich ihm mein Herz geöffnet, obwohl ich schon viele Beziehungen in Tränen hatte enden sehen, allen voran die meiner Eltern? Hatte ich wirklich geglaubt, das mit uns wäre etwas auf ewig? Etwas, dass einfach nicht zuende gehen konnte, einfach nur, weil wir Beide Männer waren, alleine und vor allem zusammen etwas Besonderes? Meine Schluchzer verstärkten sich und ich krallte mich mit meinen Fingernägeln immer fester an meine Jeans. Meine bester Freund Alex, der nun schon seit einer ganzen Weile versuchte, mich zu beruhigen, machte das Ganze eher schlimmer als besser. Es würde wieder gut werden, meinte er, offensichtlich bemüht, den nervösen Unterton aus seiner Stimme zu verbannen. Nichts würde jemals wieder gut werden! Er hatte seinen Arm um meine Schultern gelegt, doch ich beachtete ihn gar nicht. Ich konnte einfach nicht. Je mehr Zeit verging, je mehr Bilder von mir und Chris an meinem inneren Auge vorbei zogen, desto verzweifelter wurde ich und desto weniger hätte sein Arm auf meiner Schulter bei mir ausrichten können. Auf einmal spürte ich Alex’ starke Arme, die mich in eine feste Umarmung zogen und nach kurzem zögern ließ ich mich auf sie ein, klammerte mich fest an ihn. Ich wusste nicht, wie lange diese Umarmung anhielt oder wie viele Kratzer und blaue Flecke ich ihm dabei zufügte, doch irgendwann ging es mir tatsächlich soweit besser, dass die Schluchzer trockener wurden und ich ihn langsam losließ. Geistesgegenwärtig hielt mir mein bester Freund ein Taschentuch hin, mit dem ich mir erst mal die Nase putzte. Wieder zog ich die Beine an. Wie konnte ich jemals wieder jemandem vertrauen? Wie mich darauf verlassen, dass die Dinge so lagen, wie sie zu sein schienen? Wie nicht alles und Jeden in meiner Umgebung anzweifeln? Ich stutzte. Nein. Nicht Alles und Jeden. Da war ja noch Alex. Alex, der mich getröstet hatte, als er mich heute Nachmittag in meinem Zimmer unserer WG am Boden und absolut fertig mit der Welt aufgefunden hatte, obwohl er eigentlich noch sauer auf mich war, weil ich ihn in letzter Zeit fast schon ignoriert und sage und schreibe 20 Mal –Er hatte das notiert, aus welchem Grund auch immer- hintereinander versetzt hatte, ohne ein Wort zu sagen, weil Chris gemeint hatte, das ginge schon klar. Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht sofort wieder in Tränen auszubrechen. Von niemandem wollte ich mich je wieder so abhängig machen, beschloss ich und lehnte mich erschöpft an Alex’ Schulter, an der ich schließlich einschlief. Als ich wieder aufwachte, lag ich in meinem Bett, klammerte mich förmlich an Alex, der mir schützend seinen Arm zu einer Umarmung um die Schulter gelegt hatte und meine Wangen waren benetzt von Tränen. Ich hatte geträumt. Das war zwar schon dramatisch genug, ich träumte in dem Sinne eigentlich genauso wenig, wie ich weinte, aber ich hatte von Chris geträumt, von unserer gemeinsamen Zeit. Er war ein guter Freund gewesen, zuverlässig, aufmerksam und liebevoll. Er hatte immer an unsere Monatstage gedacht und mich zu diesen Gelegenheiten stets mit etwas tollem überrascht. Ich hatte ihm dafür mich, mein Leben und alles, was ich gefühlt und gedacht hatte mitgeteilt, ihm meine Liebe geschenkt. Natürlich hatte ich ihm auch Materielles gegeben, doch das war, meiner Meinung nach, in einer Beziehung eher zweitrangig. Das mir schon wieder die Tränen über das Gesicht rannen, merkte ich erst, als Alex mir einen besorgten Blick zuwarf und mich mit seinen Armen noch fester umfing, bis ich mich in seinen Armen leicht entspannte. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass er aufgewacht war. Nach einer Weile stand er auf. Mit einem Blick, der ein unheimlich schlechtes Gewissen ausdrückte und den entschuldigend gemurmelten Worten: „Bin gleich wieder da...“ verschwand er im Bad, von wo ich kurz darauf das Geräusch laufenden Wassers vernahm. Ich seufzte. Ich könnte es verstehen, wenn er mit dieser Situation nicht umgehen konnte. Einen weinenden oder eine Träne verdrückenden Jan hatte es für keinen meiner Freunde je gegeben und das, obwohl ich die Meisten von ihnen seit c.a 10 Jahren kannte. Ich war immer der große Bruder gewesen, der, der seine Schwächen nicht nur nicht offen zeigte, sondern einfach keine zu haben schien. So war es zwar nie gewesen, aber auch, wenn ich traurig gewesen war, hatte ich niemanden damit belasten wollen und auch nie einen einzigen Gedanken daran verschwendet, irgendwelchen Tränen irgendwie irgendwann freien Lauf zu lassen. Damit war schließlich Niemandem geholfen, meinen Freunden oder sogar mir selbst am wenigsten. Ich seufzte erneut. Und als Alex zurückkam, starrte ich, ein Bein angezogen an der Wand lehnend, ins Leere. Dieser Anblick schien ihn mehr zu beunruhigen, als der, den ich ihm vor ein Paar Stunden geboten hatte, denn er setzte sich sofort neben mich und sah mich fast schon ängstlich an. „Hey Jan...“ Ich sah ihn nur an, hielt seinem Blick jedoch nicht lange Stand und schaute apathisch auf die Gegenüberliegende Wand – was ich aber auch nicht lange beibehielt, da dort ein Poster von Escape the Fate hing, dass mir Chris vor ein paar Wochen geschenkt hatte. Schließlich blieb mein Blick in meinem Schoß kleben, da ich nicht schon wieder zur Heulsuse mutieren wollte, und das würde ich, wenn ich meinen Kopf heben würde, da war ich mir sicher. Verdammt, was nur los mit mir?! „Es wird nicht wieder gut werden, Alex“, murmelte ich leise und mit dünner Stimme, als ich mich an seine Worte erinnerte, mit denen er gestern versucht hatte, mich zu beruhigen. Eine Weile war es still. „Doch, das wird es. Irgendwann wird es das“, antwortete er mir, woraufhin ich fast vom Bett gefallen wäre, da ich nicht mehr mit einer Antwort gerechnet hatte, was ihm ein kleines Lächeln entlockte. Auch ich versuchte mich daran, scheiterte jedoch kläglich. „Vielleicht hast du recht..“ sagte ich stattdessen und lehnte mich unbewusst wieder an seine Schulter. Zwar teilte ich seine Meinung nicht, doch ich hatte gelernt, dass ich mich irren konnte. Und wie ich das konnte! Das war ein deprimierender Gedanke, den ich so schnell wie möglich in die hinterste Ecke meines Unterbewusstseins zu schieben versuchte, wobei ich jedoch recht schnell aufgab. Es hing viel an diesem Gedanken. Auch die schönen Zeiten. Und die wollte ich nicht verdrängen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)