Hausarrest + Schokosauce = ♂+♂ ? von -striped- (Von Thunfischen und Algebra ...) ================================================================================ Kapitel 2: .Hausarrest. ----------------------- Mein Handy läutet. Genervt befördere ich den Bleistift, den ich eben noch in meiner Hand gehalten habe, in die andere Ecke meines Zimmers. Schon seit drei Stunden sitze ich an diesen – verflucht sollen sie sein! – Hausaufgaben. Warum sind Lehrer immer so unbarmherzig …? Jetzt haben wir Mal eine Woche frei, und die knallen uns zu mit Aufgaben … Ich greife nach meinem Scheppernden Telefon und hebe ab. „Hallo …?“ Genervt schnauze ich den Typen an der anderen Leitung an. „Hey Dennis.“ „Oh!“ Sofort werde ich rot und lasse mich aufs Bett fallen. Jonas. „Sorry, hab nicht auf den Display geguckt.“ „Schon okay!“, erwidert Jonas fröhlich und ich muss lächeln. „Wie lange hast du noch?“ „Zwei Wochen …“, antworte ich bedrückt und lasse mich rücklings aufs Bett fallen. „Mir is richtig langweilig!“ „Hahaha“, lacht Jonas sarkastisch und meint noch: „Zwei Wochen … ich wünschte, ich hätte nur mehr zwei Wochen …“ „Wie viel …“, frage ich neugierig. Jonas seufzt und antwortet: „Vier Wochen.“ „Ein Monat?!“, erwidere ich entsetzt und schlucke. Wow, hat der strenge Eltern. Ihr fragt euch jetzt sicher, wie das alles gekommen ist. Nun ja … Jonas liegt da halb auf mir, wir knutschen so am Sofa rum, alles wunderbar, Schmetterlinge im Bauch, und dann kommt da diese berühmte plötzlich-kommen-die-Eltern-rein-Szene. Na ja, die haben schön geguckt, als die ihren Sohn mit dem Nachbarjungen knutschend auf dem Sofa erwischt haben … Jonas weicht aber auch erst circa ein bis zwei Minuten später von mir weg, als er plötzlich gehört hat, wie seiner Mutter die Handtasche auf den Boden gefallen ist. Man, die Frau muss da wohl Ziegelsteine drinnen gehabt haben … „Wissen deine Eltern, dass du schwul bist?“, frage ich vorsichtig. Jonas schnaubt. „Ja. Und am liebsten hätten sie mich wahrscheinlich schon längst aus der Familie ausgeschlossen …“ „Was ist so schlimm dran?“ „Na ja“, beginnt Jonas, „für meine Eltern existiert Homosexualität nicht. Wenn ich schwul bin, ist es für sie, als hätte ich irgendeinen tödlichen, ansteckenden Virus. Ekelhaft halt …“ Ich bin erstaunt. So schlimm … „Was ist mit deinen Eltern?“, fragt Jonas und ich grinse, obwohl ich weiß, dass Jonas das nicht hören kann. „Wir sind gestern Abend noch zusammen am Tisch gesessen. Meine Mutter war fast happy, mein Vater zutiefst geschockt. Der hat vielleicht eine Miene gezogen. Dann hat er mich gefragt, ob ich denn jetzt wirklich schwul sei, oder nur bi…“ „Was hast du gesagt?“, unterbricht mich Jonas aufgeregt. „Also, ich steh schon auch auf Mädchen … aber gestern …“, ich räuspere mich, „das war schon aufregend.“ „Also hast du gesagt…“ „…das ich wahrscheinlich bi bin. Jep, meinem Vater ist wortwörtlich die Kinnlade heruntergefallen. Meine Mutter hat so komisch gekreischt und mich stürmisch umarmt … schon verrückt …“ „Ach Dennis, du hast’s gut …“, seufzt Jonas, „meine Eltern haben mich nicht mehr angesehen, mir nur eine Nachricht auf meinen Nachttisch gelegt.“ „Scheiße, was hast du für kaltblütige Eltern …“ „Ich kann sie dir vorlesen, was hältst du davon?“ „Ja, sicher.“ Es raschelt kurz, dann beginnt Jonas zu lesen: „Jonas, Wir sind zutiefst entsetzt, was deine Liebesinteressen anbelangt. Das war das Letzte, was wir von dir erwartet hätten. Du warst immer so ein braver Junge, und jetzt das? Willst du uns damit irgendetwas heimzahlen? Wenn ja, was haben wir falsch gemacht? War es deine Erziehung? Du bist beim Essen gerade gesessen, du hast immer ‚Bitte’ und ‚Danke’ gesagt, das alles haben wir dir beigebracht. Du weißt genau, was wir davon halten. Und das ausgerechnet du jetzt Homosexuell bist, wir haben letzte Nacht nicht geschlafen. Unsere Sorgen, wir haben uns Vorwürfe gemacht, uns den Kopf zerbrochen. Warum tust du uns das an? Jonas, wenn du das liest, bitte denk noch einmal nach. Sei ein schlaues Kind und such dir eine nette Freundin. Deine Eltern.“ Jonas schweigt. Ich lasse mir die Worte noch einmal durch den Kopf gehen. „Man, was ist denn das?“, bringe ich nur heraus. „Ich bin dann heute schnurstracks ins Arbeitszimmer gerannt, hab ihnen einmal gründlich die Meinung gesagt, und dann finde ich vor einer halben Stunde wieder so nen blöden Zettel!“, schimpft er. „Wird mir der auch vorgelesen?“ „Klar!“, schnauzt Jonas wütend ins Telefon und fängt an zu lesen: „Jonas, Deine Entscheidung, homosexuell zu bleiben, hat uns abermals schockiert. Wir haben uns von dir mehr Vernunft erhofft. Vier Wochen Hausarrest. Außerdem bekommst du Besucherverbot und darfst diesen Nachbarjungen nicht mehr treffen. Deine Eltern.“ Ein Klos bildet sich in meinem Hals. „Schrecklich, oder?“, meint Jonas bedrückt. „Du darfst mich nicht mehr treffen?“, frage ich mit belegter Stimme und warte auf eine Antwort. „Ja. Die Schule wird wohl der einzige Ort sein, wo wir uns sehen können.“ Shit. „Ja, bis morgen dann …“ Ich lege auf. Lange hat unser Gespräch nicht mehr gedauert. Ein paar lästernde Kommentare über seine Eltern, das war’s auch schon. Na ja. Ich werfe mein Handy also auf den Schreibtisch, dabei fällt wieder einmal der Akku heraus, ich stehe auf, baue es wieder zusammen, stopfe die Hefte in eine Lade und schmeiße mich wieder auf mein Bett. Und ich stelle mir wieder die eine Frage. Wie kann man wohl die Beziehung zwischen Jonas und mir beschreiben? Freunde? Weiß nicht, wir kennen uns erst eine Woche lang. Kann man da schon Freunde werden? Ist es mehr? Na ja, wenn wir noch nicht Mal Freunde sind, können wir doch wohl nicht mehr sein, oder? Also greife ich wieder nach meinem Uralttelefon und schreibe Jonas eine SMS. Dann lasse ich die Hand mit dem Handy wieder aufs Bett sinken und starre an die Decke. Eine Spinne hockt dort, klein und schwarz. Ich hasse Spinnen. Die beißen mich immer, und das juckt höllisch. Soll ich sie mit dem Sauger holen? Nö, am Besten, ich kill sie demnächst mit nem Taschentuch und meiner Hand. Mein Handy vibriert. Ich öffne die SMS. „Klar sind wir Freunde!“, steht da, schwarz auf weiß. Ich muss lächeln. Jonas hat wohl versucht, eine Animation mitzusenden. Da stehen haufenweise Formeln auf dem Display. Tja, mein Handy halt … Nach einer halben Stunde rumlümmeln beschließe ich, etwas trainieren zu gehen. Auf den Dachboden. Manch einer glaubt jetzt wohl, der Dachboden sei alt, staubig, lauter Kisten stehen dort herum, aber nein, unser Dachboden ist mit Laufband und Dusche ausgestattet, alles ist ausgefliest und immer schön geputzt. Der Dachboden ist eigentlich der schönste Raum in unserem Haus, und auch der teuerste. Also ziehe ich mir meinen Trainingsanzug an, hol mir nen Energydrink und sause rauf auf den Dachboden. Als ich im weißen Raum ankomme, sehe ich die wunderschön glänzende Trainingsmaschine vor mir stehen. Ich lasse meinen Drink neben das Waschbecken fallen, öffne das Fenster und schalte das Laufband ein. Es beginnt zu surren. Langsam drehe ich die Geschwindigkeit höher und steige gekonnt auf das Band. Sofort habe ich den Takt und laufe. Beim Laufen fallen mir immer haufenweise Sachen ein. Tests, Träume, Aufgaben, und so manch eine Erkenntnis. Zum Beispiel habe ich einmal die Erkenntnis gehabt, dass ich mich in ein Mädchen aus einer Parallelklasse verknallt habe. Ist aber schon drei, vier Jahre aus. Und jetzt habe ich die Erkenntnis, dass ich offenbar wirklich bi bin. Mit dreizehn war’s Lena, jetzt ist es Jonas. Ich steigere die Geschwindigkeit. Man, vor einer Woche wäre mir nie in den Sinn gekommen, einen Jungen zu küssen! Und gestern ist es passiert. Eigentlich macht es mir eh nichts aus. Nein, es war eine positive Erfahrung in meinem Leben. Aber wenn ich jetzt so darüber nachdenke … Wenn ich in der Schule zugeben würde, dass ich bisexuell bin, wäre ich sofort ganz unten durch. Und öffentlich knutschen, hahaha. Sehr lustig. Besonders wenn es zwei Männer sind. Ich greife nach der Flasche, schraube den Verschluss herunter und trinke ein paar Schlucke. Oh man, was ich für Sorgen habe. Am liebsten würde ich die Schule schmeißen, die macht sowieso nur Probleme. Aber andererseits … dann könnte ich Jonas nicht mehr sehen. Und das will ich nun auch wieder nicht. Nach einer Dreiviertelstunde schalte ich schließlich das Laufband ab. Ich ziehe ein Handtuch aus dem untersten Fach eines Regals an der Wand und springe pfeifend zur Dusche. Nach dem Entkleiden schiebe ich die Plastikwand zur Seite und will in die Dusche steigen, als mir mein verschwitzter Trainingsanzug ins Auge fällt. Den vergesse ich sicher wieder nach dem Duschen. Also lege ich ihn auf den Rand des Waschbeckens und stelle mich endlich unter den Duschkopf. Ich schalte das Wasser ein und beginne zu summen. Eine meiner schlechten Angewohnheiten. Ich kann nicht wirklich gut singen. Eine große Portion Shampoo landet auf meinen Haaren, sodass mir der Schaum nach einiger Zeit schon von den Schultern rinnt. Alles wird vom warmen Wasser weggespült. Nach dem Einseifen und abermals Abduschen steige ich aus der Dusche, wickle mir das Handtuch um die Hüften und schmeiße pfeifend meinen Trainingsanzug in die Wäschetonne. Die leere Energydrinkflasche landet mit einem eleganten Wurf im Mülleimer und ich will mich gerade daran machen, das Fenster zu schließen, als ich circa zehn Meter vor mir jemanden winken sehe. Ich glaube, so rot wie ich in diesem Moment werde, bin ich noch nie in meinem Leben gewesen. Nein, absolut nicht. Mit hochroten Wangen starre ich Jonas an. Der grinst mir entgegen. „Hey Dan!“, ruft er fröhlich und winkt noch einmal. „Hallo …“, stottere ich laut. „Du kannst echt schnell laufen! Bist du gut im Sport?“, fragt er neugierig. „Na ja …“, erwidere ich verlegen, da schießt mir eine Frage durch den Kopf, die mich noch röter werden lässt. „Seit wann sitzt du hier und siehst mir zu?!“ „Hm, ich glaub, jetzt sind es ungefähr fünfzehn Minuten.“ „Heißt das, du hast alles gesehen?“ Mein Schädel pocht und wird heiß. „Ich hab dich laufen sehen, dich trinken sehen, und dich …“, sogar in zehn Metern Entfernung kann ich sehen, wie sich ein leichter Rotschimmer auf seine Wangen legt, „… duschen sehen. Und jetzt stehst du hier.“ Ich glaube ich werde ohnmächtig. Wie peinlich! Obwohl … in der Schule dusche ich wöchentlich mit anderen Kerlen. Warum ist es mir genau bei Jonas so unangenehm? „Morgen ist doch wieder Schule, oder?“, höre ich plötzlich seine Stimme in mein Ohr dringen. „Ja, warum?“ Mein Gesicht bekommt langsam wieder eine andere Farbe. „Na ja, ich sitz gerade neben einem ziemlichen Idioten. Kann man das nicht irgendwie ändern?“ „Wir können den Lehrer fragen, ob du dich zu jemand anderem setzen darfst.“ Will er auf etwas hinaus? „Okay. Ähm … ich glaube, unsere Sitznachbarn kennen sich doch, oder? Also, dann könnten wir uns doch zusammensetzen, oder?“ Ich nicke. Ich hab’s doch gewusst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)