The secret of Nemti - Verlorenes Licht von Runenwölfin (Lucinas Geschichte) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Das Leben ist schön? Dieser Satz gilt nun mal nicht für alle, ganz besonders nicht für mich. Ich weiß nicht, ob er überhaupt auf jemanden zutrifft, aber es soll Wesen geben, die denken, dass es so ist. Und ich muss zugeben, dass ich sie darum beneide. Wenn ich eines im meinem bisherigen Leben gelernt habe, dann das Liebe immer mit Schmerz endet. Nichts hält ewig und zum Schluss bleibt nur dieses vernichtende Leid. Es zerfrisst einen von innen, bis einfach nichts mehr übrig ist. Deswegen will ich nie wieder lieben. Nie wieder etwas für jemanden empfinden. Es fällt mir nicht immer leicht, mich daran zu halten, aber meine Angst vor dem Schmerz hilft mir diese Zweifel zu überwinden. Andere interessieren mich nicht, es ist nur wichtig, dass ich mich auf mich selbst verlassen kann. Andere betrügen, belügen und verletzen einen nur. Ich brauche sie nicht, außer ich kann sie für meine Zwecke benutzen. Wie ich zu dem geworden bin, was ich jetzt bin? Meine Geschichte beginnt mit meiner ersten Erinnerung … Kapitel 1: Außenseiterin ------------------------ Am Anfang war da nur die Geborgenheit, die meine Mutter mir gab. Sie nährte mich mit ihrer wohlschmeckenden Milch, leckte mich mit ihrer Zunge sauber und wärmte mich, wenn ich fror. Wenn ich die glücklichsten Tage meines Lebens nennen sollte, dann wäre es wohl diese gewesen, denn zu dieser Zeit wusste ich nichts über die Regeln des Rudels und die Umstände meiner Geburt. Ich lebte einfach ohne mir Gedanken darüber machen zu müssen, ob ich überhaupt das Recht hatte, ein Teil dieser Welt zu sein. Die Wochen vergingen und eines Tages stieß mich meine Mutter sanft aus der Höhle und meinte: „Los meine Kleine, es wird Zeit, dass du Welt draußen kennen lernt.“ Voller Freunde tapste ich zum Ausgang und zum ersten Mal blickte ich ins helle Sonnenlicht, das mich unerbittlich blendete. Die Gerüche, die auf mich einströmten, verunsicherten mich etwas, aber schienen mich auch magisch anzuziehen. Nicht sicher was ich zuerst erforschen sollte, lief ich auf der Wiese unruhig hin und her und beschnupperte alles was ich finden konnte, bis ich plötzlich einen sehr starken Duft witterte, der mich alles andere vergessen ließ. Neugierig hob ich meinen Kopf in die Richtung, aus der er kam, und erblickte die vier Welpen, die schnurstracks auf mich zukamen. Fröhlich wedelte ich mit dem Schwanz, doch als ich in ihre Gesichter sah, ließ ich ihn auf der Stelle sinken, weil ich Arroganz und Abneigung bei ihnen bemerkte. „Du bist also dieses Drecksbalg?“, sagte die Anführerin der Gruppe. Mit angelegten Ohren sah ich sie an, aber das schien ihren Hass nur zu verstärken, weil Schwäche etwas war, das ein Wolf nicht zeigen sollte. „Mein Name ist Lucina“, sagte ich leise. „Als würde mich dein dummer Name interessieren“, geiferte die dunkle Wölfin. „Aber damit du es weißt: Ich bin Saira und ich werde nicht zulassen, dass so eine Verräterin, wie du, das Rudel stört.“ „Aber..“, stammelte ich überrascht. „Wieso Verräterin? Was habe ich denn getan?“ „Du weißt es nicht?“, kam es von dem brauen Welpen im Hintergrund. Später erfuhr ich, dass sein Name Digo war. „Du hättest niemals geboren werden dürfen. Nur der Alphawölfin des Rudels ist es gestattet Welpen zu haben. Und ist deine Mutter Alphawölfin?“ „Nein, ist sie nicht“, meinte ich aufgebracht. „Selbst wenn das so ist, kann ich doch nichts dafür.“ „Werde jetzt nicht noch frech“, knurrte Saira und griff mich ohne Vorwahrung an. Wir kugelten ein Stück über den Untergrund und wirbelten jede Menge des staubigen Bodens auf. Wütend biss ich nach ihrem Vorderfuß, aber mir gelang es nicht ihn zu erwischen. Saira war mindestens zwei Wochen älter als ich und deswegen drückte sie mich mit ihrem Körpergewicht ganz leicht weg. Schließlich musste ich aufgeben und nahm eine unterwürfige Haltung an, in dem ich mich auf den Rücken legte und den Schwanz einzog. Meine Gegnerin kniff mich fest in den Bauch und ließ dann von mir ab. „So schwach, wie ich mir gedacht habe“, lachte sie. „Gehen wir.“ Digo und sein heller Bruder Ais folgten Saira, die mir schon den Rücken zugewandt hatte und stolz davon ging, nur der kleinste der Welpen blieb bei mir stehen. „Alles in Ordnung mit dir?“, fragte er, als er sicher sein konnte, dass seine Geschwister es nicht mehr hören würden. Ich rappelte mich mühsam auf: „Ja, es geht schon.“ „Mach dir nichts draus. Die sind immer so. Auch ich bekomme eine Menge von denen ab.“ Enttäuscht schaute ich zur Seite. Ich schämte mich, dass ich mich nicht besser hatte verteidigen können. „Ich bin Toka“, stellte sich der kleine Welpe vor. Seine brauen Augen leuchteten mich an und ich musste einfach Lächeln. „Schön dich kennen zu lernen“, erwiderte ich. „Wie ich schon sagte, ich bin Lucina.“ „Wollen wir spielen?“, meinte Toka fröhlich. „Klar!“ Toka wurde mein bester Freund, auch wenn er dadurch öfters Schwierigkeiten mit seinen Geschwistern bekam. Mich ärgerten sie sowieso von Tag zu Tag, aber schnell wurde ich kräftiger und konnte mich besser wehren, als der kleine Toka, der kaum wuchs und so mager war, dass man an seiner Flanke deutlich die Rippen erkennen konnte. Oft hörte ich die erwachsenen Wölfe sagen, dass der kleine, braue Welpe niemals sein erstes Lebensjahr erreichen würde, weil der den Winter nicht überstehen konnte, aber daran wollte ich nicht glauben. Ein Leben ohne meinen Freund konnte ich mir nicht vorstellen. Außer meiner Mutter, die wie ich von den anderen Wölfen im Rudel nur mit Verachtung gestraft wurde, hatte ich niemanden sonst. Und zu dieser Zeit war mir der Lauf des Lebens nicht wirklich bekannt. Ich verstand nicht, dass der Tod nun mal zum Leben gehört, aber das sollte sich an einem sonnigen Frühlingstag ändern. Toka und ich liefen fröhlich über eine Wiese und jagten Schmetterlinge und Insekten. Mein Freund kam mir, wie so oft, mit seinen kurzen und schwachen Beinen nicht hinterher und ich feuerte ihn an schneller zu laufen. „Lucina, ich kann wirklich nicht mehr“, rief er mir zu. „Na, komm schon. Ich weiß das du es kannst“, erwiderte ich fröhlich und flitzte noch ein Stück voraus. Zu spät bemerkte ich den Schatten, der über die Gräser streifte. Erschrocken sah ich nach oben und was ich da entdeckte, trieb mir den Schrecken in die Knochen. Ein riesiger Raubvogel raste auf den Boden zu. „Toka, versteck dich!“, brüllte ich dem Welpen zu, doch es war zu spät. Der Vogel hatte bereits seine Beute erreicht und schlug seine scharfen Krallen in den Braunen. Das Einzige was er noch von sich gab, war ein leises, erschrockenes Wimmern, dann erhob sich der Vogel auch wieder und trug Tokas leblosen Körper mit sich. „NEIN!“, schrie ich mit voller Kraft, doch es half alles nichts. Er war weg. Für immer. Und ich blieb zurück - Alleine. Lange starrte ich ihnen noch hinterher. Ich sah einfach in den Himmel und wartete, dass sie zurückkamen. Natürlich wusste ich, dass es niemals geschehen würde, aber in diesem Moment spielte die Wirklichkeit keine Rolle. Erst als es dunkel wurde und ich langsam die Kälte spürte, die für eine Frühlingsnacht nicht ungewöhnlich war, kehrte ich zurück zum Bau meiner Mutter. Die Geräusche der Nacht machen mir ziemliche Angst und ich begann zu rennen so schnell ich konnte, so dass ich fast mit einem Rüden aus dem Rudel zusammenstieß. Es war Titan, der Betawolf, der den Anführer oft vertrat. „Verzeih mir“, flüsterte ich mit trauriger Stimme. Titan beugte sich zu mir herunter und sah mich mit seinen leuchtenden Augen an: „Was ist denn los, Welpe?“ „Toka….er….da war ein Raubvogel…er …“, stammelte ich. „Ich verstehe. Auch wenn du das jetzt sicher nicht hören willst, aber es war nur eine Frage der Zeit. Lucina, im Leben zählt nur die Stärke und Toka war viel zu schwach.“ „Aber er war mein Freund“, rief ich. „Freundschaft kann einen nicht ernähren. Sie kann einem nicht helfen, wenn man um seinen Rang im Rudel kämpft. Du musst lernen, dass das Leben nun mal so ist. Die Schwachen sterben. Und deswegen, Kleine, musst du stark werden, verstehst du?“ Ich nickte. Vermutlich hatte er Recht. „Und nun gehe zu deiner Mutter, Welpe. Vergiss niemals meine Worte.“ So schnell ich konnte lief ich weiter. Titans Worte hallten noch immer in meinem Kopf. Ich nahm sie mir wirklich zu Herzen. Kapitel 2: Ein neues Leben -------------------------- Wie so oft saß ich da und beobachtete die anderen Welpen beim Spielen. Seit Toka nicht mehr da war, langweilte ich mich sehr oft. Heute beschloss ich, dass ich es riskieren konnte, die Anderen einmal zu fragen, ob ich mitmachen dürfte. Langsam, mit angelegten Ohren, näherte ich mich. Ais bemerkte mich sofort. „Seht mal wer da kommt. Lucina!“, spottete er. Die anderen zwei Welpen drehten sich sofort um. Zögerlich sah ich sie an: „Lass ihr mich mitspielen?“ Saira lachte laut und auch Digo konnte sich kaum zurückhalten, als er sagte: „Mit dir sollten wir nicht einmal reden. Unsere Mutter meint, du hättest niemals geboren werden dürfen.“ Saira setzte noch einen drauf, in dem sie knurrte: „Verschwinde!“ Enttäuscht drehte ich mich weg und ging. Sie riefen mir noch gemeine Sachen hinterher, aber ich verstand sie nicht mehr, weil ich mittlerweile rannte. Ich lief eine Weile einfach so umher. So war es immer. Ich streifte alleine durch die Gegend, doch plötzlich überkam mich so ein komisches Gefühl. Es war wie eine Ahnung, dass etwas Schlimmes geschehen sein konnte. Und dann hörte ich einen lauten Ruf: „LUCINA!“ Ich blieb wie angewurzelt stehen und drehte mich zu meiner Mutter um, die mit weit aufgerissenen Augen auf mich zugeflitzt kam. „Was ist passiert?“, fragte ich erschrocken. „Lauf, Lucina, lauf!“, antwortete meine Mutter hechelnd. „Menschen sind hinter mir her. Sie haben fast das ganze Rudel getötet.“ Das konnte doch nicht wahr sein. Ich wusste wenig über Menschen, aber genug um sie zu fürchteten. Jeder Wolf tat das. Mein Rudel hatte mich immer schlecht behandelt, aber trotzdem empfand ich einen tiefen Schmerz, denn ich gehörte diesem Rudel an. Sie waren meine Familie und jetzt sollten alle tot sein. Und dann hörte ich es. Die Schritte der Menschen. Sie waren auf einmal überall. „Oh nein, es ist zu spät. Wir sind bereits umzingelt“, meinte meine Mutter ernst. Ich begann am ganzen Körper zu zittern und versuchte mich unter meiner Mutter zu verstecken. „Ich habe fürchterliche Angst, Mama“, wimmerte ich verzweifelt. „Ich auch, Lucina, aber du musst jetzt stark sein.“ Diese Worte erinnerten mich an Titan, der jetzt vermutlich nicht mehr am Leben war, und ich riss mich zusammen und blieb ruhig hinter meiner Mutter stehen. „Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, dann fliehe. Egal was passiert. Hör auf mich, Lucina!“ „Was hast du vor?“ Aber sie war schon losgelaufen und sprang mit aufgerissenem Maul auf einen der Menschen zu. Dieser nahm seinen langen, spitzen Stock und warf ihn nach ihr. Mit Schrecken musste ich mit ansehen, wie der Stock durch sie hindurch stieß. Ihr schriller Aufschrei ging mir durch Mark und Bein. „NEIN!!“, brüllte ich verzweifelt und rannte auf meine Mutter zu. „Los lauf schon, ….fliehe….“ Doch ich ignorierte ihre Worte und meinte: „Mama, du wirst bestimmt wieder gesund. Es wird alles gut.“ Ich glaubte das wirklich. Wahrscheinlich wollte ich es einfach glauben, egal was mein Verstand mir sagte. Sie war meine Mutter und ich konnte sie nicht gehen lassen. Doch bevor ich sie erreichte, schloss sie ihre Augen. Ich wimmerte und stupste sie wie wild an, doch sie regte sich nicht mehr. Aber ich wollte das nicht akzeptieren, rief weiter nach ihr und klammerte mich an sie. „Bitte verlass mich nicht. Bleib bei mir“, flüsterte ich ihr verzweifelt zu, doch sie reagierte nicht und ich schloss nur die Augen und wünschte mir, dass ich ihr folgen könnte. Ich hörte einen der Menschen auf mich zukommen und erwartete schon den tödlichen Stich, der auch meine Leben beenden würde, doch der Mensch blieb vor mir stehen und ich öffnete meine Augen wieder, weil ich wissen wollte, was er vorhatte. Es waren so seltsame Wesen. Sie hatten kein Fell und standen auf zwei Beinen. Ihr Geruch war so abstoßend, dass es mir kalt den Rücken herunter lief. Plötzlich streckte der Mensch seine Pfote nach mir aus und ich wich erschrocken von den langen Krallen, oder was immer das war, zurück. „Was wollt ihr von mir?“, winselte ich. „Bitte geht weg.“ Er verstand mich natürlich nicht, sondern packte mich im Genick, wie es meine Mutter bei mir immer gemacht hatte, und schleppte mich zu einem seltsamen viereckigen Kasten mit Stäben – einem Käfig. Darin hatte ich kaum Platz und begann verzweifelt zu fiepen. Ich sah zu meiner Mutter, wie sie so bewegungslos dalag, und rief nach ihr, wie sinnlos es auch war. Es tat so weh, auch wenn der Schmerz bald noch viel schlimmer werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt stand ich noch unter Schock und konnte das alles nicht begreifen. Einem der Menschen schien ich mit meinem Gewinsel auf die Nerven zu gehen und er schimpfte und schüttelte den Käfig mit voller Wucht hin und her. Ein paar Mal stieß ich mit dem Kopf gegen die harten Gitterstäbe, dann verlor ich das Bewusstsein. Sie hielt mich sanft zwischen ihren Pfoten und leckte mir über den Kopf. Ich fühlte mich so wohl und lächelte sie an. Meine Mutter - so wunderschön. Ihre sanften, blauen Augen strahlten mich an und sagten mir, dass sie immer bei mir sein würde, egal was auch geschah. Ich liebte sie so sehr. Sie war immer da gewesen, hatte sich immer um mich gekümmert und mich mit allem verteidigt, was sie hatte. Doch dann kamen die schlimmen Bilder. Ein Speer, der durch die Luft flog und überall Blut… Mit einem lauten Schrei riss ich aus dem Schlaf und rief: „MAMA!“ Ich brauchte eine Weile um mich zu orientieren und erkannte, dass ich jetzt in einem viel größeren Käfig saß und es bereits Nacht war. Auch schienen sich der Käfig zu bewegen, was mich gruselte. „Deine Mutter ist nicht hier“, sagte auf einmal eine Stimme aus dem Hintergrund. Darauf hin drehte ich mich langsam um und erblickte einen erwachsenen Wolf mit ungewöhnlicher Fellfarbe hinter mir, der mich ernst ansah. Er kam langsam auf mich zu, doch ich wich mit eingezogener Rute und unterwürfiger Haltung zurück. „Keine Angst, Kleine. Ich werde dir nichts tun“, sagte der Wolf ruhig. „Wer bist du?“, fragte ich vorsichtig. „Mein Name ist Mahaf. Ich bin nur ein unbedeutender, alter Wolf, der schon lange Zeit in diesem Käfig lebt“, erwiderte er mit etwas Traurigkeit in der Stimme. Plötzlich überkam mich die Trauer, als mir wieder bewusst wurde, was an dem heutigen Tag alles geschehen war. „Mein Mutter, mein Rudel, sie alle…“, winselte ich vor mich hin und ließ den Kopf hängen. Mitleidig sah mich der Rüde an und meinte: „Du wirst sie nie wieder sehen. Vergesse deine Vergangenheit, denn sie ist jetzt vollkommen bedeutungslos. Sie werden uns in ein weit entferntes Land bringen. Das wird deine neue Heimat sein. Finde dich damit ab.“ Ich war entsetzt über seine harten Worte und wimmerte: „Aber das kann ich doch nicht so einfach….“ Er wendete den Kopf ab und legte sich in eine Ecke: „Dir wird nichts anderes übrig bleiben, Kleine. Verabschiede dich von dieser Welt, denn dich erwartet ein Land, in dem es nichts als Sand gibt.“ Das konnte ich ihm nicht glauben. Nichts als Sand? So etwas gab es einfach nicht. Er schloss seine Augen und ich wagte nicht weiter etwas darüber zu fragen und starrte einfach hinaus auf die grünen Wiesen. Die ganze Nacht hatte ich keine Auge zugetan, weil ich zu aufgewühlt war und auch die Angst vor weiteren Alpträumen hielt mich wach. Wir fuhren immer weiter und ich fragte mich, wohin die Menschen wohl unterwegs waren. Als die Sonne aufging, erwachte Mahaf und setzte sich neben mich. Er schwieg und ich genoss einfach die Ruhe, die er mir ließ. Ich wollte weder reden, noch mir sonst über etwas Gedanken machen, doch ich bekam die gestrigen Geschehnisse nicht aus dem Kopf. Schließlich kam der fahrende Käfig zum Stehen und die Menschen begangen herumzuwerkeln. „Sie bauen das Zelt auf“, meinte Mahaf, als er meinen fragenden Blick sah. „Zelt?“, meinte ich verwirrt. „Das hier ist ein Zirkus, meine Liebe. Sie fangen sich Tiere, damit diese vor anderen Menschen Kunststücke vorführen. Auch du wirst das irgendwann machen müssen.“ „Niemals“, erwiderte ich aufgebracht. „Hör mir zu“, meinte der Rüde ernst, „du wirst tun, was sie dir sagen. Spiel einfach mit. Es ist nicht deine Bestimmung dein ganzen Leben hier zu verbringen, aber vorerst musst du dich mit der Situation abfinden.“ „Ich will aber nicht. Ich will zu meiner Mutter und meinem Rudel. Ich will….“ Ich wurde still. Was redete ich da? Sie waren doch tot. „Außerdem werde ich dich trainieren“, erzählte Mahaf weiter, als hätte er meinen Einwand nicht einmal gehört. „Du wirst lernen wie man kämpft und jagt. Wenn wir dort angekommen sind, wo dein Schicksal liegt, dann solltest du vorbereitet sein.“ „Vorbereitet auf was?“, wollte ich wissen. „Das erfährst du früh genug. Also wie gut bist du im Jagen?“ „Ich bin noch ein Welpe. Vielleicht habe ich schon mal einen Schmetterling gefangen, mehr nicht.“ „Gut, wir werden das schon verbessern, auch wenn es hier nicht leicht werden wird. Nicht viel Platz, verstehst du?“, sagte der Wolf. Das Einzige was ich wollte, war hier zu verschwinden. Weg von diesem seltsamen Wolf und diesen komischen Menschen, aber nur Mahaf war mir geblieben und ich würde ihm gehorchen. Ich nickte niedergeschlagen und wir begannen damit mich auszubilden. Kapitel 3: Zirkuskind --------------------- Die Möwen weckten mich früh am Morgen. Wie immer war Mahaf schon wach und sah auffordernd zu mir herüber. Das Schaukeln des Schiffes, auf dem wir uns befanden, störte uns beide nicht mehr, weil wir schon so lange auf dem Meer unterwegs waren. Ich sprang auf und rannte auf ihn zu, dann kugelten wir eine Weile über den Boden, bis ich ihn schließlich unter mir hatte und seine freigelegte Kehle mit meinem Maul umschließen konnte. Natürlich biss ich nicht zu, sondern ließ gleich wieder von ihm ab, als ich den Kampf gewonnen hatte. Das war unser morgendliches Trainingsritual und ich hatte es noch nicht oft gewonnen. Meistens holte ich mir mehr wunde Stellen, als mir lieb war, aber mittlerweile schien ich dem alten Wolf überlegen zu sein. „Sehr gut, Lucina“, meinte der Rüde. Stolz setzte ich mich hin und erwiderte: „Welch ein Sieg gegen so ein alten Wolf wie dich.“ „Ich war auch einmal ein sehr guter Kämpfer.“ „Die Betonung liegt auf war.“ Mahaf lachte. Ihn beleidigte so etwas niemals. Der Rüde sah dem Meisten gelassen entgegen, was ich immer bewunderte. Ich war nun schon so groß wie er und würde sicher noch ein Stück größer werden. Der Wolf hatte mir erzählt, dass er aus Ägypten, dem Land des Sandes, kam und dort waren die Wölfe für gewöhnlich immer etwas kleiner als ihre europäischen Artgenossen. Er hatte mir beigebracht, dass man nichts an sich herankommen lassen sollte. Andere belügen und betrügen einen nur und deswegen konnte man nur sich selbst vertrauen und die Schwächen der Anderen für sich benutzen. Mit dieser Strategie kam man gut durchs Leben. Doch noch immer hing mit der Verlust meiner Mutter hinterher und ich dachte oft an sie. Mahaf sollte das aber nicht wissen und so vergrub ich den Schmerz tief in mir. Auch die Gefangenschaft hier im Zirkus machte mein Leben nicht leichter. Zwar war ich durch die ganzen Kunststücke, die ich erlernt hatte, ziemlich flink und stark geworden, doch niemals einfach nur nach draußen gehen zu können und frei zu sein, zerrte an meinen Nerven und oft ließ ich das an dem alten Rüden aus, auch wenn er ja nichts dafür konnte. „Wir erreichen bald das Festland“, sagte Mahaf und starrte hinaus auf das Wasser. Dort konnte man schon einen Streifen am Himmel erkennen, der langsam immer größer wurde. „Ägypten?“, fragte ich im kalten Ton. „Ja. Meine Heimat.“ Ich wendete mich uninteressiert ab: „Auf ein Land, in dem es so heiß ist, kann ich wirklich verzichten. Man kann nur hoffen, dass der Zirkus da nicht lange bleiben wird.“ „Aber Lucina, da wartet dein Schicksal auf dich“, erwiderte der Wolf eindringlich. „Du weißt doch, dass ich diesen Quatsch nicht glaube. So etwas wie Schicksal gibt es überhaupt nicht.“ „Eines Tages wirst du erkennen, dass ich Recht habe.“ Gelangweilt ließ ich mich auf den Boden nieder und gähnte. Mahaf war ein Narr. Er glaubte an alte Legenden und Sagen. Seine Geschichten von irgendwelchen ägyptischen Göttern waren einfach zu fantastisch, als dass ich ernst nehmen konnte. Am Abend erreichten wir das Land, das ich eigentlich gar nicht kennen lernen wollte. Die Hitze war um einiges größer, als alles was ich je erlebt hatte und ich hasste es vom ersten Moment an. Die Zirkusleute begannen ihr Zelt aufzubauen, fütterten und tränkten uns, dann war es auch schon mitten in der Nacht und alle gingen zu ihren Schlafstätten. Auch ich wollte mich gerade hinlegen, als ich Mahaf an der Tür zu unserem Käfig entdeckte. „Lucina, komm her“, sagte er aufgeregt. Ohne großes Interesse ging ich zu ihm und was ich da sah, verwirrte mich total. Das Schloss war nicht verriegelt und der alte Rüde stieß die Tür nur etwas an, da öffnete sie sich quietschend. „Das kann doch nicht wahr sein!“, meinte ich überrascht. „Von wegen es gibt keine Schicksal“, gab Mahaf zurück. „Einfach nur Zufall“, knurrte ich und wagte es die Schnauze nach draußen zu stecken. „Wir haben nicht viel Zeit. Weg hier.“ Ich sprang nach unten und Mahaf folgte mir so schnell er konnte, doch plötzlich hörte ich ein Geräusch. Einer der Hunde, die nachts das Lager bewachten, musste uns gehört haben. Mit hochgezogenen Lefzen kam er auf uns zu, doch ich hatte nicht vor, mich noch länger einsperren zu lassen und ging auf Angriffsposition. Mit gefletschten Zähnen sprang ich auf ihn zu und biss ihm in die Kehle. Dieser schrie vor Schmerz auf und versuchte mich loszuwerden, doch ich hielt ihn weiter fest und schrie zu meinem Begleiter: „Lauf! Ich komm dir gleich nach!“ Der alte Wolf flitze davon, ich rangelte noch etwas mit dem Hund, bis er schließlich ohnmächtig wurde, weil ich ihm die Luft abdrückte, dann ließ ich von ihm ab und verschwand in der Dunkelheit. Ich rannte einfach immer weiter, bis ich schließlich Mahaf einholte. Wir flohen noch einige weitere Stunden, bis wir uns irgendwann trauten anzuhalten und uns etwas auszuruhen. Nachdem die Sonne aufgegangen war und wir beschlossen weiterzulaufen, um noch etwas Abstand von den Menschen zu bekommen, glaubte ich fast verbrennen zu müssen. Es war unglaublich heiß in der Wüste. Trotzdem tat ich so, als würde mir das Ganze nichts ausmachen und zwang mich immer weiter zu rennen. Schließlich blieb mein Begleiter immer weiter hinter mir zurück und ich sagte zu ihm: „Weiter, Mahaf! Nicht so langsam.“ Hechelnd erwiderte er: „Ich bin etwas älter als du.“ Das wusste ich natürlich und auch ich konnte kaum noch, doch ich fürchtete, dass die Menschen uns verfolgen könnten. „Aber wir haben keine Zeit“, gab ich angespannt zurück. „Bis die Menschen unsere Flucht bemerken, sind wir längst über alle Berge.“ „Wie dumm von ihnen die Tür nicht richtig zu verschließen.“ „Tja, Glück für uns“, meinte Mahaf grinsend und in seinen Augen sah ich ein Funkeln, dass ich noch nie bei ihm gesehen hatte. Hier stand ein anderer Wolf vor mir - ein freier Wolf. „Wir müssen da entlang. In der Richtung müsste eine Oase sein. Wir brauchen dringend frisches Wasser und Futter“, erzählte der Alte schließlich. „Sicher?“, fragte ich. Wie konnte er das nur wissen? Für mich war das alles einfach endloser Sand, in dem man sich nicht orientieren konnte. „Das ist meine Heimat, Schätzchen. Verlass dich auf mein Gespür.“ Was blieb mir schon anderes übrig und ich begann meinem Begleiter zu folgen: „Gut, ich komme ja schon.“ Wir liefen eine Weile, bis Mahaf erschrocken stehen blieb. „Was ist denn?“, wollte ich wissen, doch dann sah ich es selbst. Der Himmel wurde plötzlich ganz dunkel und schien sich auf uns zu zu bewegen. „Ein Sandsturm! Schnell, hier entlang“, rief der alte Rüde und ich folgte ihm ohne zu fragen. In letzter Sekunde fanden wir eine kleine Steinhöhle, in die wir uns verkriechen konnten. Es war unheimlich eng und nicht einmal genug Platz für uns beide darin, so dass meine Rute etwas aus dem kleinen Bau ragte, doch es bot genug Schutz vor dem Sand. „Und hier sollen wir überleben können?“, brüllte ich Mahaf entgegen, weil der Lärm des über uns wütenden Sturmes so furchtbar laut war. Der Rüde antwortete nicht. Entweder hatte er mich nicht gehört oder wusste selbst keine Antwort. Der Sandsturm legte sich schnell und wir konnten bald weiterziehen, doch in der Ferne sahen wir plötzlich etwas im Sand liegen. Eine schwarze Wölfin…… Epilog: Epilog -------------- Das Leben ist schön? Meines war es bis jetzt nicht. Ich habe nur Leid und Tod kennen gelernt. Oft wünsche ich mir, dass ich denken könnte wie Mahaf und wirklich eine Bestimmung hätte. Möglichweise würde es das Leben leichter machen. Ich werde mich weiter durchs das Leben kämpfen und hoffen, dass es auch für mich etwas Glück gibt. Mein Abenteuer beginnt erst und niemand weiß, wie es enden wird… ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)