Du und Ich von _t_e_m_a_ ================================================================================ Kapitel 2: Wer bist du? ----------------------- Viel Spaß mit dem 2. Kapitel ^^ ______ Yui, kannst du eben aus dem Nebenraum Mehl holen?“, ruft Shouta mir zu. „Klar!“ Ich eile zum besagten Raum um festzustellen, dass gerade noch circa 500 Gramm Mehl übrig sind. Der Raum ist düster und staubig, wir kommen hier selten zum Putzen, weswegen ich genau überprüfe ob wirklich in keiner Ecke noch ein voller Sack steht. Fehlanzeige. „Yui? Kommst du?“ ruft Shouta. „Wir haben kein Mehl mehr“, entgegne ich und bringe ihm das Bisschen, was ich gefunden habe. „Das reicht aber nicht lange!“ In dem Moment betritt Namine die Backstube. „Die Brötchen gehen aus!“ „Und bei uns das Mehl. Yui und ich verarbeiten noch das bisschen, was wir haben, schieben es in den Backofen und gehen dann zur Mühle. Holst du die Brötchen dann wieder raus, Namine?“ „Okay“, sagt sie, gibt Shouta einen Kuss und verschwindet wieder nach vorne. „Gut, dann halten wir und mal ran, Yui.“ Der Montag ist im Grunde ein schöner Tag. Normalerweise bin ich montags noch fröhlich, wegen meinem sonntäglichen Besuch bei Mayu und Haruko. Früher lenkte mich das Erlernen neuer Dinge vom Nachdenken ab, doch Brötchen backen gehört zur Grundübung jedes Bäckers und die Produktion lässt mir leider genügend Gedankenfreiheit. Ich versuche negative Gedanken zu verdrängen und darüber nachzusinnen, dass heute mal etwas außerhalb der Routine passiert. Wir gehen gleich zur Mühle, dass heißt, wir müssen einmal quer durch das Dorf. Ich laufe selten durch das Dorf, wieso sollte ich auch allein herumlaufen? Am Ende ignorieren mich die anderen eh nur oder ärgern mich sogar. Das tun sie aber nur, wenn Nanami auch dabei ist. Es ist fast so, als würde sie die anderen gegen mich hetzen… wieso nur? Deswegen ist es eigentlich ganz nett, mit einem Ziel durchs Dorf zu laufen. Das gibt etwas Selbstbewusstsein, ich weiß dann, wieso ich da bin und das ich auch einen berechtigten Grund habe. Auf den Platz, das ist der allgemeine Treffpunkt in der Mitte unseres Dorfes, gehe ich nie nur zu meinem eigenen Vergnügen. Die Blicke der anderen und ihr tuscheln lassen mich sofort bezweifeln, ob ich überhaupt berechtigt bin, den Platz zu betreten. Das Blech mit den Brötchen schiebt Shouta in den Backofen und streicht sich mit der mehligen Hand über die Stirn. „Gut. Lass uns losgehen.“ Ich nicke. Shouta schiebt die leere Schubkarre, die wir nachher mit Mehlsäcken beladen werden, während ich neben ihm hergehe. In einer Backstube hat es die konstante Temperatur von 30°C, weswegen mich der Umschwung auf 15°C Außentemperatur frösteln lässt. Jedoch strahlt die Frühlingssonne hell vom Himmel herab und wärmt mich. Auch die Tiere genießen die warmen Sonnenstrahlen, nicht weit vom Weg entfernt sonnt sich ein Kätzchen. Hinter dem Tier erstrecken sich die Wiesen. Ich bin 23 Jahre alt. Damit noch eine Jugendliche, obwohl mein Verhalten darauf gar nicht schließen lässt. Jugendliche wird Nanami auch schon genannt, meist ist man das ab zehn Jahre bis man dreißig wird. Dann gilt man bis zum 100. Lebensjahr als „Junge Erwachsene“. Die nächsten 100 Jahre verändert man sich äußerlich gar nicht mehr, ganz im Gegensatz zu meiner Alterklasse, auch ich bin noch im Wachstum. Ob ich noch größer werde? Ich bin ja relativ klein… „Hat Namine es dir gesagt? Deine Ausbildung ist so gut wie fertig. Hast du dir schon überlegt was du dann machen willst, Yui?“ Er sieht mich nur kurz von der Seite an. Mein Blick gleitet über den Lupek Karistos, ein Kalkstein, mit dem der Platz gepflastert ist. Haruko-san hält mir oft den Wert von Lupek Karistos vor Augen und wie teuer es war, den ganzen Platz damit einzudecken. Selbst der Brunnen in der Mitte ist aus diesem Kalkstein. Für mich ist Geld nicht von Wert. Als wertlos würde ich es nicht beschreiben, aber für mich ist dieser Anblick, wenn die Sonne auf den Stein fällt und Schatten und Licht auf dem gut polierten Stein sich spiegeln, während der Brunnen munter vor sich hin plätschert, viel wertvoller. An meine Zukunft hatte ich gar nicht mehr gedacht. Die negativen Gedanken und ihre Verdrängung haben mich viel zu sehr abgelenkt. Auch jetzt lenken mich meine Gedanken so ab, dass ich fast vergesse Shouta zu antworten. Wie peinlich! „Oh, ähm, stimmt genau, hat sie. Ich hab mir noch nichts überlegt. Vielleicht mache ich noch einmal eine Ausbildung im Dorf.“ „Ach so.“ Die Antwort enttäuscht mich etwas. Er hatte nur gefragt, weil das die Höflichkeit gebietet. Hätte er wirklich Interesse an einer Antwort oder an meiner Zukunft, hätte er mehr gesagt. Etwas wie: „Wieso?“, oder „Du bist doch eine gute Bäckerin, wieso willst du nicht ein eigenes Geschäft eröffnen?“, aber ich weiß das Shouta so nicht ist. Höflich ist er mir gegenüber und auch ein gerechter Lehrer, aber nicht mehr. So in den Gedanken bemerke ich erst vor den Toren, dass wir bei der Mühle angelangt sind. „Shouta! Wie geht’s?“ Mit einem festen Handschlag begrüßt der Mühlenbesitzer, dessen Name mir nicht einfallen will, Shouta. „Hey, und Yui Kazumi! Schön dich zu sehen!“ Dieser fröhlicher, immer positive, recht laute und ehrliche Mensch ist wohl einer der wenigstens die, bei den Worten >schön dich zu sehen, Yui<, das meinen, was sie sagen. Nanami meint es sarkastisch und die meisten anderen sagen es aus reiner Höflichkeit… Eigentlich tun wir alles aus Höflichkeit. Wir sind friedlich und freundlich, aber selten sind wir das, weil wir einander wirklich gern haben, sondern weil es sich so geziemt. „Kazumi… Stimmt, du durftest dir auch schon einen Zweitnamen aussuchen. Darf man das nicht schon mit zehn Jahren? Ich erinnere mich gar nicht mehr an meinen Zweitnamen, so lange bin ich schon verheiratet und habe meinen Familiennamen!“ Er lacht fröhlich auf. Sein Lachen ist nie ein ironisches oder bösartiges. Ich mag ihn. Shouta stört es eher das der Mühlenbesitzer mit mir redet, er möchte lieber das Mehl holen und wieder gehen, da er unter Zeitdruck steht. Er möchte nicht, dass die Produktion zum Stillstand kommt. Besonders im Frühling und Sommer reisen viele Dorfler umher, um sich ein neues Dorf zum Niederlassen auszusuchen. Unser Dorf liegt in der Nähe einer Hauptstraße, die Reisenden kommen hierher um ihr Proviant aufzufüllen. Deswegen haben wir in diesen Jahreszeiten den meisten Absatz. Auch der Mühlenbesitzer bemerkt es und führt uns zum Lager. „Hier bitte. Ihr wollt vier Säcke, richtig? Kieko, kannst du hier mal vier Mal Weizenmehl aufladen? Danke!“ Weiter an Shouta gewandt: „Kommst du kurz mit ins Büro wegen der Zahlung? Ich hab grad keinen Geldbeutel zur Hand. Yui kann ja darauf achten das mein Neuling, Kieko, alles richtig macht.“ Er lacht wieder. Dieser Kerl lacht wirklich gern, stelle ich grinsend fest. Er bringt einen auch zum Lachen. Doch etwas mulmig ist mir schon, allein auf Shouta zu warten. Während Shouta davongeht, kommt ein Junge in meinem Alter auf mich zu. Ich habe ihn noch nie gesehen. Das überrascht mich, bei uns im Dorf war noch nie ein Fremder. Ich hatte gedachte, es wäre ein anderer Kieko… Oder ist das nicht Kieko? Ohne mich zu beachten lädt er den ersten Mehlsack auf. Gerne würde ich ihn fragen, ob er Kieko ist. Woher er kommt. Seit wann er im Dorf ist. Theoretisch ist es doch ganz einfach, ich müsste ihm doch nur eine ganz normale Frage stellen! Wieso bekomme ich das nicht hin? Es ist doch nicht schwer! Einfach nur den Mund aufmachen… Auf einmal bekomme ich richtig Panik, dabei habe ich noch gar nichts gemacht oder gesagt. So sehr wirft mich der Versuch, jemand Fremdes anzusprechen, aus der Bahn. Über diese Tatsache erschrocken, zucke ich zusammen. Bin ich das - ? Bin ich das geworden? Er lädt den dritten Mehlsack auf. Gleich ist er fertig, dann ist meine Chance vorbei! Meine Hände werden feucht und ich kann meine Stimme kaum kontrollieren als ich ihn halblaut frage: „Bist du Kieko?“ Erleichtert sehe ich auf. Ich habe es ausgesprochen. „Ja.“ Es klingt richtig kühl, abweisend. Habe ich etwa etwas Falsches gesagt? Nein, bestimmt nicht… Vielleicht mag mich einfach niemand. Möglicherweise hat das mit meiner Aura zu tun? Wenn er schon abgeneigt ist mit mir zu reden, wenn ich ihn nur nach seinem Namen frage! Ich werde nie Freunde finden… Ich bin dazu unfähig. Dann brauch ich mich auch nicht mehr überwinden… Es hatte sich nicht gelohnt… Es wird sich nie lohnen. Nein Yui, so darfst du nicht denken!!! Enttäuscht blicke ich zur Seite, der fremde Kieko lädt den vierten und letzten Mehlsack auf und verschwindet. Als er geht, sehe ich ihm hinterher. Es ist das erste Mal, dass ich ihn direkt anschaue. Er sieht recht gut aus, fällt mir auf. Größer als ich, mit wuscheligen Haaren. Im Nacken sind die Haare kurz, aber der Pony fällt ihm in die Augen. Ansatzweise erkenne ich Muskeln, jedoch ist er dürr. Was nicht unbedingt schlecht aussieht. Es ist etwas ungewöhnlich, Geschmackssache vermutlich. Mir gefällt es. Plötzlich dreht er sich um. „Mein Name ist Kieko Ai Kazuya.“ Dann entschwindet er um die Ecke. Er lässt mich verwirrt zurück. Warum hat er sich noch einmal umgedreht? Shouta kommt auf mich zu. „Lass uns gehen.“ Wortlos laufe ich neben ihm her. Wieso hatte dieser Kieko es für nötig gehalten, mir seinen ganzen Namen zu verraten? Wieso mir unbedeutendes Ding? War das eine Entschuldigung für seinen kühlen Tonfall von davor? Ich kann mir keinen Reim daraus machen, doch langsam schleicht eine tief vergrabene Hoffnung in mir hoch. Etwas, dass ich eigentlich für immer verbannt habe, weil es mich eh nur verletzt. Die Hoffnung Freunde zu finden. Ohne es zu wollen, steigt meine Hoffnung Schritt für Schritt. Ich habe mich überwunden, ihn angesprochen! Und er hat mir zweimal eine Antwort zu geben… Kann ich ihn dann vielleicht erneut ansprechen? Möglicherweise heute nach der Arbeit? Jeden Tag sehe ich meine glücklichen, herumtobenden und Spaß habenden Gleichaltrigen, nur ich schaukle im Schatten. Gibt es nun zum ersten Mal in meinem Leben etwa eine Situation daran etwas zu ändern?! Meine Hoffnung steigt ins unermessliche und meine realistische Seite befürchtet, dass ich sehr enttäuscht werde. Tut sie das zu Recht? Aber gegen die Hoffnung komme ich nicht mehr an. Sie ist eine gewaltige, positive Kraft die in mir förmlich anfängt zu kochen und zu sprudeln. Doch der Deckel des Topfes ist geschlossen und die Kraft kämpft dagegen an… Dagegen, dass alles beim alten bleibt. So geht es nicht weiter! Ich will nicht dass es so weiter geht! Ich will es nicht! Will es nicht! Wie ein elektrischer Schlag durchzuckt es mich. Innerlich stehe ich so unter Druck, dass ich am zusammenbrechen bin. Ich muss mich total konzentrieren um noch ganz normal geradeaus laufen zu können, soviel Energie ist in mir plötzlich frei geworden. Meine Schritte wanken und ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen… Arg! Ich muss mich sammeln und zusammenreisen! Okay Yui, du wirst ihn noch einmal ansprechen. Wie ganz normale Jugendliche das eben machen. Keine große Sache. Du schaffst das! Einatmen, Ausatmen. Es befreit mich nicht wirklich. Ich fühle mich hochexplosiv. Hoffentlich geht es nicht nach hinten los! Wie, weiß ich nicht, aber ich überlebe die restliche Arbeitszeit. Als Shouta endlich „Feierabend!“ ruft, ist das erste was ich tue, blinzeln. Das erste was ich denke ist: Warum blinzelst du? Die restlichen Gedanken lassen nicht auf sich warten und überfluten mich. Ich stürze in die Küche und mache mir erstmal einen Tee, das sollte mich beruhigen. Die Nervosität lässt mich so zittern, dass mir fast das Porzellan aus den Händen gleitet. Ein großer Schwall Gedanken drängen sich heran, überfluten mich. Ich versuche diese zerspaltenden Gedanken mit viel Macht weg zu schieben. Endlich ist die Möglichkeit gekommen, du kannst Freunde finden!! Und was ist, wenn ich es nicht hinbekomme? Wie ich zittere! Ach was! Mach dich doch nicht selber fertig! Komm, beweg dich, Yui! Mein Kopf fühlt sich an, als würde er gleich in die Luft gehen. Beim ersten Schluck des Tees verbrenne ich mir die Zunge. Heiß, heiß, heiß! Der körperliche Schmerz lenkt mich ab. Meine Gedanken kreisen für einen kurzen Augenblick nur um meine leidende Zunge. Ich trinke noch einen Schluck. Diesmal verbrenne ich mir nicht die Zunge, jedoch glätten sich die Sturmwellen in mir etwas. Mit jedem Schluck des Tees werde ich ruhiger. Tatsu-chan tappst auf mich zu und ihn zu streicheln lässt mich zur Ruhe kommen und meine Gedanken eindämmen. Dann gehe ich los. Einfach so. Nachdem ich die Haustüre hinter mir zuziehe, überkommen mich wieder Zweifel, aber ich ignoriere sie so gut wie möglich. Auf dem Platz angekommen sehe ich den Grund, weshalb ich abends auf meinem Balkon die Natur genieße und nicht hier. Unverholen und feindselig starren mich >die Gleichaltrigen< an und fangen an zu tuscheln. Ich bin wie vor den Kopf geschlagen. Wieso bin ich noch einmal hier? Nein, ignorier sie! Diesmal machst du keinen Rückzieher! Du bist schon so weit! Willst du dass es so weitergeht wie bisher? Nein? Also!, schimpfe ich mit mir selbst und blicke mich nach dem Fremden um. So weit bin ich noch nie gekommen. Wo mag er nur sein? Hoffentlich nicht bei denen da! Immer hastiger wandert mein Blick und sucht alles ab. Hier nicht, da auch nicht… Um diese Uhrzeit sind doch fast alle auf dem Platz! Wo mag nur er sein? Meine Ruhe rinnt dahin, langsam werde ich panisch. Da fällt mir ein, ich stehe ja immer noch auf demselben Fleck, mitten auf dem Platz. Dort, wo ich die beste Sicht habe und die anderen mich auch alle sehen können! Ich sollte lieber aus dem allgemeinen Blickfeld gehen… Doch es ist zu spät. Nanami hat mich entdeckt. „Was willst du hier? Verschwinde!“ Es klingt nicht sarkastisch oder herablassend, es klingt ernst und bösartig. Noch nie habe ich sie so reden hören. Dass wir überhaupt so reden können! Die Blicke der anderen brennen mich förmlich nieder. Bilde ich mir das ein? Oder starren mich wirklich alle so zornig an? Ich fühle mich klein, verloren, allein und zurückgelassen. Nackt und wehrlos bin ich dem Angriff der anderen ausgesetzt. Ist es ein Angriff, oder bilde ich mir das alles nur ein?? Angst und Panik kriecht in mir empor. Als würden sie gleich einen Mob bilden und mich zu einem Scheiterhaufen führen, so komme ich mir vor. Sekunde für Sekunde bröckelt und fällt all der aufgebrachte Mut. Schließlich, ohne einen Befehl von meinem Gehirn zu bekommen, tritt mein einer Fuß zurück. Gaanz langsam Yui! Dann passiert auch nichts! Die anderen kommen mir mehr wie wilde Tiger als Menschen vor. Du lebst noch! Wenn du jetzt gehst, bist du noch nicht gebrochen… Ich drehe mich um und will langsam gehen. Du gehst, weil er nicht da ist und du bist deswegen enttäuscht, versuche ich mir einzureden. Es ist tausendmal angenehmer als der Gedanke an das, was direkt hinter mir ist. Du hast es nicht geschafft, du bist eine Niete, Yui! Rückzug? Wie immer! Für was lebst du überhaupt?! Geknickt lasse ich den Kopf hängen. Es soll wohl nicht so sein. „Wird’s bald?!“, fauchte Nanami wütend. Andere würden sich umdrehen, auf Nanami zu rennen und ihr eine reinhauen. Nur ich gehorche. Meine Beine fangen an zu rennen, als würde mich etwas verfolgen. Ich investiere in jeden Schritt soviel Kraft, meine schlechte Kondition sollte schnell spürbar sein, aber sie erreicht mich nicht. Die Tränen rinnen lautlos herab. Der Schmerz zereist mich. Die Gedanken sprudeln nur so, ich kann sie kaum in Worte fassen, sie sind so schnell wie Pistolenkugeln und durchlöchern mich. Was hast du nur gedacht, Yui? Ein höhnisches Grinsen. Du könntest deine Situation ändern?! Sie spukt auf den Boden, als wäre ich das. Die böse blitzenden Augen starren mich an, aus dem Mund kommen noch viele hässliche Worte. So sehe ich Nanami vor mir, höre ihre Stimme meine Gedanken sagen. Ein kleines Piepsen in mir sagt: Du machst dich selber fertig. Ich weiß das, kann aber nichts dagegen tun. Die Tränen strömen und ich fühle mich geohrfeigt, geprügelt. Der Schmerz in den Beinen wird unerträglich, aber er lässt mich nur schneller rennen. Der körperliche Schmerz lenkt mich etwas von meinem, nun unermesslichen inneren Schmerzen ab. Ich habe es davor doch schon gewusst. Längst habe ich das Dorf hinter mir gelassen. Auf meiner Brust springt eine Kette mit Anhänger hin und her. Haruko-san hat sie mir geschenkt. Er hat gesagt: „Für meine Yui. Weil du das schönste, tollste, liebste Mädchen auf der Welt bist! Es soll dir Glück bringen.“ Glück. Meine zerfetzenden Gedanken rufen: „Schön?! Niemand ist hässlicher als ich! Toll?! Ich bin ein Stück Dreck! Lieb?! Ich bin es nicht wert, dass mich jemand lieb hat! Ich bin nicht Wert zu leben!“ Mit diesen Worten, die ich ohne zu merken laut ausgesprochen habe, reiße ich die Kette ab und lasse sie fallen. Ich komme aus dem Schritt und stolpere fast, kann mich gerade noch auffangen und weiter rennen. Unter meinem tränengläsernen Blick sehe ich mich auf einen Baum zu rennen, kurz vor ihm stolpere ich erneut, fange mich am Stamm ab und lasse meinen Rücken daran herunter rutschen und mich ins Gras fallen. Ich beuge mich vor und hebe die Hände vor die Augen. Ich fange laut zu schluchzen an und der Tränenkrampf beutelt mich. Ich höre nur noch dumpf und leise den Gedankensturm im Hintergrund. Wie lange hatte ich nicht mehr so richtig geweint? Wie lange hatte ich diese Gedanken unterdrückt? Wie ein gebrochener Damm strömt alles auf mich ein. Ich weiß nicht, wie lange ich schon hier sitze. Die Hände im Schoss. Kurz fahre ich mit dem Handrücken über meine Nase. Dann starre ich wieder meine Hände an, ihre Oberfläche, die Kerben und Linien. Raschelndes Gras lassen mich aufblicken. 30 Meter von mir entfernt bückt sich jemand im Gras und hebt etwas auf – meine Kette. Er richtet sich auf, es ist Kieko. Ich habe es mir schon fast gedacht, der Körperbau hat mich an ihn erinnert. Beinahe lockt sein unpassendes Auftauchen ein Lächeln auf mein tränennasses Gesicht – aber nur beinahe. Mir geht es lange noch nicht wieder so gut. Jetzt hat er mich auch entdeckt. Vermutlich sitze ich recht geschützt vor Blicken, hier unter dieser Weide. Aber er fixiert mich, nicht böse, jedoch so das ich merke, er hat mich gesehen. Langsam läuft er auf mich zu. Geh doch weg! Jetzt brauchst du auch nicht mehr zu kommen! Gerade hat sich mein Verstand beruhigt, schon kommt der Gedankenwirbel wieder auf. Ich habe von diesem Typ genug und dem ganzen Wirbel in meinem Kopf! Nun will ich mich auch nicht mehr überwinden, denke ich schon leicht beleidigt. Sag kein falsches Wort, ist mein Gedanke, als er vor mir steht. Ich sehe nicht zu ihm auf. Vor meinen Augen lässt er den Anhänger baumeln, als würde er fragen: Ist das deiner? Ich ignoriere ihn. Wie mich alle anderen ignorieren. Reagiere kein bisschen auf ihn. Soll er doch wieder gehen! Es ist fast befriedigend, ihn zu ignorieren. Die Zeit vergeht. Hätte ich nur eine Uhr… Wieso steht er da so lange? Ist das ein Dickkopf-Wettbewerb? Wer länger durchhält? Nur damit du es weißt, ich gebe nicht auf! Innerlich werde ich langsam unruhig. Er verhält sich so seltsam. Er sieht ungewöhnlich aus. Selbst seine Aura! Sie ist faszinierend… So einem Wesen bin ich noch nie begegnet. Wer ist er wirklich? Und dann hebe ich meine Hand und nehme ihm die Kette ab. Während ich die Hände wieder in meinen Schoss lege, setzt er sich nicht direkt neben mich, sondern ein Meter entfernt und lehnt sich auch an den Baumstamm. Er hockt einfach nur da, wie er davor vor mir gestanden hat. Jedoch verstreicht diesmal noch mehr Zeit, als vorhin. Aus irgendeinem Grund beruhigt jedoch seine Anwesenheit diesmal mich. Es kommen nicht tausend Fragen auf. Seine Aura strahlt soviel Ruhe aus. Ich könnte hier schlafen, denke ich, so sicher fühle ich mich. Heute Morgen habe ich noch Schweißausbrüche in seiner Gegenwart gehabt und jetzt gefällt es mir, diese total verquere und komische Situation fühlt sich so gut an. Die ganze Zeit war mein Blick auf die untergehende Sonne gerichtet, doch erst eben realisiere ich, dass sie untergeht! Bäcker müssen früh aufstehen, langsam sollte ich ins Bett gehen. Mir wird bewusst, dass ich gar nicht weg will. Am liebsten würde ich für immer hier sitzen! Mir fällt auf, dass ich noch nie so glücklich in meinem Leben war. Und in diesem Moment stehe ich auf. Man soll gehen, wenn es am schönsten ist. Ich laufe einfach los. Nach ein paar Schritten drehe ich mich kurz um und sage: „Aufwiedersehen!“, und laufe weiter. Wieder ein paar Schritte weiter höre ich hinter mir ein leises: „Auf Wiedersehen.“ Heißt das Auf-Ein-Wiedersehen? _____ danke fürs lesen! In kürze lade ich das nächste chap hoch Freue mich über kommis~ tema Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)