Deutschland. Nichts geht mehr. von Phillia (Aus glücklichen Familien besteht das Wohl des Staates.) ================================================================================ Der Teufel steckt im Detail --------------------------- Nur spärlich war das Gässchen inmitten von Potsdam erleuchtet. Es war eine Winternacht, aber es war warm genug, dass man eingepackt in einen dicken Mantel noch würde spazieren gehen können. Von dieser Möglichkeit machte Albrecht allerdings keinen Gebrauch. Er saß auf seinem dünnen Bett in einer zugigen Wohnung, die nur spärlich möbiliert war, hauptsächlich mit Büchern, die jeden Gang halb blockierten, aber tadellos aufgeräumt waren. Ein eigenes Zimmer war einer eindrucksvollen Messersammlung gewidmet; der Schlüssel für dieses Zimmer hing sicher um Albrechts Hals. Der einzige Lichtschein in seinem Schlafzimmer kam von dem Handy, das er an sein Ohr gepresst hielt. „Verstehe... vielen Dank. Und was die Angelegenheit mit dem Fabrikat- achso? Tatsächlich. Ja. Ja.“ Eine etwas längere Pause. „Morgen um 1300 am üblichen Ort. Ja. Schleswig-Holstein hat einen- was? Ich soll auf mich-?“ Albrecht konnte nicht verhindern, dass ein kleines Lächeln auf sein Gesicht schlich. „Natürlich. Mir wird nichts geschehen. Bis morgen, Berlin.“ Damit legte er auf. Da sollte er allerdings nicht so sicher sein, wie er tat. In einem alten Mercedes Benz – Hessen weigerte sich, genug Geld zu bewilligen, um Dominus Tecum Neuwagen zu kaufen, und zumindest das Attentäterduo war damit einverstanden – fuhren Baden-Württemberg durch die Straßen von Potsdam und man konnte schon von Weitem hören, wie Baden sich bei offenem Fenster über „sell und jenes“, hauptsächlich im Zusammenhang mit Württemberg, beschwerte und kein Ende finden wollte. Als die beiden jedoch ausstiegen, nicht weit von der Gasse entfernt, in der Brandenburg seine Wohnung hatte, verstummte er augenblicklich und hatte den Blick ernst in Richtung der Gasse gerichtet. Sein Partner ging zu sich selbst nuschelnd noch einmal den Plan durch, und in dem Moment, in dem er geendet hatte, huschten die beiden los, und nicht einmal eine Katze hätte ihnen noch folgen können durch die enge, verwinkelte Altstadt – das perfekte Territorium zum Morden. Albrecht machte gerade die Lampe aus. Es war schon spät, und morgen würde er gegen die Mittagszeit in Berlin ankommen müssen zum Treffen mit seinem Informanten. So Leid es ihm tat, er konnte nicht noch länger über die Pläne brüten, die ausgebreitet auf seinem Schreibtisch lagen, und dann schloss er, den Kopf gegen das Kissen gepresst, die Augen in Erwartung einer unruhigen Nacht. Das Türschloss gab nach wenigen Momenten Bearbeitung auf und ließ Württemberg in die Wohnung eintreten. Sie hatten sich zuvor bei Berlin Informationen über den Bauplan der Wohnung besorgt. Es war praktisch, einen Doppelagenten bei den Fischen eingeschleust zu haben, wobei er natürlich kein offizielles Mitglied irgendwo war, sondern beiden Banden nur als Informant diente. Die Gänge waren von Büchern versperrt, und vorsichtig schloss der Assassine die Tür hinter sich, damit die Nachbarn nicht auf dumme Ideen kamen. Alles war dunkel, Brandenburg hatte kein Licht brennen lassen, nirgends. In Gedanken sah Württemberg den Bauplan der Wohnung vor sich liegen, und er schloss die Augen, um sich fortzubewegen, die Ohren gespitzt, aufmerksam auf jedes Geräusch achtend. Aber der einzige Laut war das gleichmäßige Ticken einer Küchenuhr. Einmal stieß er fast gegen einen Stapel Bücher, aber im letzten Moment konnte er noch alle auffangen, balancierte sie auf beiden Armen und legte sie dann direkt auf die Stelle zurück, von der sie gekommen waren. Dünne weiße Handschuhen halfen, nicht die Spur einer genetischen Codes am Ort zurückzulassen. Am Fenster derweil hing Baden und er flüsterte durch das winzige Headset, durch das die beiden jederzeit Informationen austauschen konnten, dass das Opfer zu schlafen schien – das Licht war ausgeschaltet. Württemberg war im Wohnzimmer angekommen. Vorsichtig und fast unendlich langsam legten sich seine Finger auf den Türknauf der Tür, die zu Brandenburgs Schlafzimmer führte. Die Scharniere quietschten leise, aber Brandenburg schien davon nicht aufzuwachen. Alles war still, nur das regelmäßige Atmen zweier Leute durchbrach die erstickende Ruhe. Zuerst öffnete der Schwabe das Fenster für seinen Partner, dann standen sie zu zweit vor dem Bett mit dem selig schlafenden Menschen, und sie tauschten nur einen kurzen Blick aus, um zu bestimmen, dass sie nach Vorgehensweise 12-b handeln würden. In einer langwierig eingeübten Handlungsfolge, die ausschloss, dass einer der beiden verletzt werden konnte, sollte Brandenburg plötzlich aufwachen, näherten sie sich dem Bett. Wie immer nahmen sie dem Opfer, nachdem sein Blut die Laken rot färbte, den kleinen Finger ab. Sorgfältig wurde geprüft, ob sein Puls noch schlug. Dann wandte man sich fast synchron angewidert ab. Es war kein schöner Beruf, und gäbe es eine andere Möglichkeit, schnell so viel Geld wie in der Mafia zu verdienen, hätten die beiden sich schon längst von ihrem blutigen Geschäft abgewandt. Baden stopfte den Finger in die Tasche seines Anzugs – noch immer trug man ordentlich Anzüge, die wie immer nicht einen einzigen Tropfen Blut abbekommen hatten – und kletterte wieder über das Fenster hinaus, gefolgt von Württemberg, der das Fenster hinter sich schloss. Auf dem langen Weg nach Hause, zurück in die Zentrale von München, war der alte Kassettenspieler laut aufgedreht, und die Stimmung war wieder so gut, wie sie es nun einmal sein konnte, wenn eine der Personen die ganze Zeit Streit suchte und die andere sie einfach ignorierte. Gegen fünf Uhr morgens kamen sie in Bayern an und meldeten der Madre, dass alles ohne Komplikationen verlaufen war. Sie bekam unfreundlich den kleinen Finger entgegengeschleudert, worauf die resolute Frau nur die Nase rümpfte und das tote Stück Menschenfleisch von ihrem Tisch wischte. Sie stellte den beiden einen Scheck aus, in der üblichen Höhe, und beide waren unzufrieden damit, denn Berlin hatte sich für seine Informationen teuer bezahlen lassen und das Geld reichte kaum, um noch das Benzingeld zu bezahlen. Aber sie sagten nichts, sondern beschlossen nur, möglichst schnell ihren Plan fortzusetzen, Bayern aus ihrer Position zu entheben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)