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Liebe Yasmine

von

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Worte

Liebe Yasmine,
 

es ist lange her, dass wir uns geschrieben haben, geschweige denn gesprochen. Aber es mir geht viel zu viel durch den Kopf, als dass ich es für mich behalten könnte.
 

Mir fehlen unsere Gespräche sehr. Du hast ja keine Ahnung, wie selten ich noch richtig tiefgründige Gespräche führe. Um ehrlich zu sein spreche ich kaum noch, außer mit mir selbst. Vielleicht liegt es daran, dass ich das Gefühl habe, dass mir niemand zuhört oder zuhören will. Dabei habe ich manchmal so viel zu sagen; soviel zu erzählen.
 

Aber Worte reichen heutzutage nicht mehr aus, um zu zeigen wer man wirklich ist, oder? Taten zählen, obwohl manchmal nicht einmal die beachtet werden. Geht es dir da genauso?
 

Worte sind doch im Grunde nur hohle Töne, die, einmal ausgesprochen, wirr durch die Luft schwirren bis sie verklingen. Und man hört die Lüge nicht aus ihnen heraus. Das können die wenigsten Menschen; Lügen hören. Wenn man das könnte, die Gefühle aus den Worten filtern, dann wäre das Leben einfacher, oder?

Doch dann bräuchten die Menschen ihre Mimik nicht mehr, weil Worte alles sagen würden. Und nicht jeder kann sprechen. Das heißt stumme Menschen würden dann immer undurchschaubar sein.
 

Vermutlich ist es besser, dass Worte nur durch die Luft klingen oder auf Papier verblassen. Die Gefühle eines Menschen wird man auch so erkennen. Solange man nicht total unsensibel ist.
 

Trotzdem ist es schade, dass Worte oftmals nur Seifenblasen sind, die schnell in der Luft zerplatzen; vor allen Dingen in belanglosen Gesprächen-.
 

Was ist mit dir, Yasmine? Führst du noch gute Gespräche?
 

Gruß, Linda

Angst

Liebe Yasmine,
 

weißt du noch, wie wir damals über unsere Ängste gesprochen haben? Es ist schon lange her, aber in letzter Zeit muss ich immer öfter daran denken, weil Angst mich fast täglich begleitet.
 

Dabei sind meine Ängste so oft unbegründet, trotzdem sind sie da. Aber warum? Warum haben Menschen Ängste? Als Schutz vielleicht? Um uns vor Gefahren zu bewahren? - Möglich, aber es gibt so viele Formen von Angst und nicht jede birgt Gefahr.

Ich denke dabei nur an meine große Angst vor diesen eigentlich schönen Geschöpfen, die mich immer in den Wahnsinn treiben. Was eine Kindheitserinnerung so alles auslösen kann.
 

In letzter Zeit fällt mir auch immer wieder auf, dass fast jede meiner Ängste oder Unsicherheiten auf eines hinausläuft: die Angst vor der eigenen Sterblichkeit, dem Tod.

Ob alle Menschen davor Angst haben? – Bestimmt. Oder viele. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen. Jeder hat doch Angst davor. Irgendwie. Oder wenigstens Respekt; auch einer Form der Angst, wie ich finde.
 

Sag Yasmine, wovor hast du Angst? Sind es immer noch Spinnen?
 

Gruß, Linda

Meer

Liebe Yasmine,
 

weißt du noch, wie wir zusammen am Meer waren?

Damals haben wir im Sand gespielt, Muscheln gesammelt oder einfach nur das Rauschen der Wellen genossen.
 

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich das Meer vermisse. Wir waren lange nicht mehr dort und ich sehne mich nach dem Rauschen der Wellen, die uns Geschichten aus fernen Ländern erzählten. Oder der Sand der sich so herrlich an unseren nackten Füßen angefühlt hat.
 

Meine Sehnsucht nach dem Meer ist nur noch größer geworden, seit ich wieder Vollblutfan dieser Piratengeschichte bin. Sie segeln so unbeschwert über das kühle Nass und das will ich auch.
 

Weißt du was?

Vergiss das Abitur – ich werd‘ Piratin!

Nein, war nur ein Spaß, aber es wäre schön.
 

Schon lustig, dass so etwas Belangloses eine alte Sehnsucht wieder wecken kann, oder was denkst du?
 

Yasmine, vermisst du das Meer auch?
 

Gruß, Linda

Lulu

Liebe Yasmine,
 

erinnerst du dich noch an meine kleine Schwester, Marie-Luise oder Lulu, wie sie jetzt genannt wird? Dieses kleine, lebensfrohe Mädchen, das in manchen Situationen emotional total überreagiert hat und für Stunden nicht mehr zu trösten war?
 

Erinnerst du dich?
 

Wir dachten immer, dass sie sich nie ändern würde, aber da haben wir wohl beide falsch gelegen. Ich beobachte sie schon lange, seit es angefangen hat und es macht mich traurig. Ich vermisse die alte Lulu irgendwie, denn die neue gefällt mir so gar nicht. Wenn du mich fragst, ist sie irgendwie kälter geworden. Sie zeigt ihre Gefühle nicht mehr so stark, zumindest nicht mir und das verletzt mich am meisten. Früher war sie viel offener zu mir und wir konnten über so vieles reden, doch das ist vorbei. Sie spricht kaum noch mit mir, ist abweisend und hält mich zum großen Teil aus ihrem Leben raus. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie mich hasst und will, dass ich einfach nur aus ihrem Leben verschwinde.

Es ist ja auch natürlich, dass sie jetzt ihre eigenen Freunde mehr in ihr Leben einbezieht, aber ich habe immer mehr das Gefühl, dass sie mir gänzlich entgleitet.
 

Das mag vielleicht seltsam klingen, aber ich habe Angst um sie, Yasmine. Ich mache mir Sorgen um meine kleine Schwester. So langsam wird sie nämlich zu dem Menschen, der ich nie sein wollte. Aber vielleicht täuscht mich mein Eindruck, aber das werde ich nie vollkommen sagen können, denn sie spricht nicht mehr mit mir. Ich habe Angst, dass sie mir eines Tages völlig fremd sein wird.
 

Yasmine, gib mir doch einen Rat, bitte.

Ich will nicht, dass sie mich eines Tages wirklich hasst.
 

Sag geht es dir mit deiner Schwester auch so?
 

Gruß, Linda

Leere

Liebe Yasmine,
 

es ist schwer seine Gefühle in Worte zu packen, vor allem wenn man von einer unheimlichen Trauer gefasst wird und nicht einmal weiß, warum man urplötzlich anfängt zu weinen.
 

Da ist ein Gefühl der Leere, das mich so plötzlich durchzuckt und nun nicht mehr loslässt. Und dabei habe ich diese alte Erkenntnis schon so oft gehabt und doch schmerzt sie in den Stunden der Einsamkeit am meisten. Zu wissen, dass mein Leben nur so dahingelebt und ohne jeglichen Sinn ist, macht mich traurig. Und doch finde ich keinen Weg es zu ändern. Bin ich etwa schon so masochistisch geworden, dass es mir Spaß macht, mich selbst leiden zu lassen, nur um meiner Existenz irgendeine Note zu verpassen? Ich weiß es nicht.

Wenn ich doch nur eine Aufgabe hätte, bei der ich mich nicht auf mich selbst konzentrieren dürfte. Ich habe zu viel Zeit zum Nachdenken, was vermutlich auch der einzige Grund ist, dass ich mal wieder diesen Punkt erreicht habe, an dem ich mit mir und meinem Leben total unglücklich bin. Und wie so oft bin ich mal wieder vollkommen allein mit mir selbst, sodass niemand weiß, wie schrecklich sich diese Leere anfühlt. Ein tiefes Loch in meiner Brust, das sich schmerzend durch meinen Körper frisst und mir keine Chance zum Atmen gibt. Eine bleierne Schwere, die sich wie dunkle Gewitterwolken auf mein Gemüt legt und verhindert, dass ich auch nur einen positiven Gedanken habe.
 

Noch nicht einmal in meine heile Fantasiewelt kann ich in diesen Minuten flüchten, weil sie nur ein weiteres Beispiel dafür ist, dass sich mein Leben nur in meinen Gedanken abspielt und nicht in der Welt, die direkt vor mir liegt und nur darauf wartet entdeckt zu werden. Doch ich habe nicht das Bedürfnis dazu. Ich will von der grausamen Realität nichts wissen und bleibe lieber allein mit meinen Gedanken. So schlimm diese leeren Momente auch sein mögen, sie ziehen vorüber und ich kann mich wieder in mir selbst verkriechen.
 

Sag Yasmine, geht es dir manchmal auch so?
 

Gruß, Linda

Freundschaft

Liebe Yasmine,
 

weißt du noch, als es mir vor vielen Jahren so schlecht ging und wir über die Bedeutung von Freundschaft gesprochen haben? Noch heute kann ich deine Worte hören. „Freundschaft ist ein geschützter Pfad durch die Regentropfen hindurch.“ Weißt du das noch?
 

Deine Worte kamen mir heute wieder in den Sinn, weil ich in letzter Zeit oft Menschen sehe, denen Freundschaft nichts mehr zu bedeuten scheint. Sie nehmen das Wort in den Mund, ohne seine wahre Bedeutung zu kennen und bezeichnen jemand als ihren „besten Freund“, obwohl sie ihn in Wirklichkeit gar nicht mögen. Yasmine, ich verstehe das nicht. Warum umgibt man sich Menschen und nennt sie seine Freunde, obwohl man sie hasst und hinter ihren Rücken über sie herzieht? Heißt Freundschaft denn nicht eigentlich bedingungsloses Vertrauen in den anderen? Oder haben sich die Zeiten inzwischen so sehr geändert, dass man einfach nicht mehr allein sein möchte und jemanden braucht, an dem man sich festhalten kann, auch wenn man genau weiß, dass dieser Jemand einen fallen lässt, sobald die Last zu schwer wird?
 

Was ist dann aber mit denen, die noch echte Freundschaft verspüren? Die das Wort noch in seiner ursprünglichen Bedeutung kennen? Es gibt sie noch. Irgendwo, da ganz weit draußen in der großen Welt gibt es bestimmt noch Träumer, die einander vertrauen und sich so unendlich nahe stehen wie zwei Wassertropfen im Ozean.
 

Sag Yasmine, stehen wir uns auch noch immer so nahe?

Ich vermisse dich. Ich vermisse deine Freundschaft.
 

Gruß, Linda

Wald

Liebe Yasmine,
 

heute bin ich mit dem Fahrrad durch den Wald gefahren und mir ist nicht nur klargeworden, dass ich verdammt unsportlich bin, sondern auch dass der Wald etwas sehr beeindruckendes hat.
 

Vermutlich hat er mehr Bäume als meine Heimat Einwohner zählt. Sie sind so zahlreich und wenn ich sie zählen würde, so würde ich sicher nicht damit fertig werden. Nicht in diesem Leben. Ich würde mich verzählen und müsste von vorn anfangen. Und irgendwann würde mir klarwerden, dass ich die Bäume gar nicht zählen kann. Die Bäume wollen gar nicht gezählt werden. Denn wenn man sie zählen würde, dann würde man sie voneinander trennen und sie ganz allein und für sich betrachten und das wollen sie nicht. Sie stehen alle so dicht beieinander fast wie Brüder und Schwestern; eine riesig große Familie, die immer zusammenhält. Ein bisschen so wie du und ich immer zusammenhalten. Die Bäume atmen, wenn ein Windstoß durch sie hindurch weht. Sie singen, die Blätter rauschen. Sie flüstern mir Geschichten zu. Abenteuer. Sagen. Legenden. Die Bäume sehen alles, was im Wald passiert und mit jedem Rascheln, das die wilden Laubblätter erzeugen, trägt der Wind ihre Beobachtungen an meine Ohren. Dort nistet sich das Rascheln ein wie ein Lied, das einem nicht mehr aus dem Kopf geht.
 

Und dir flüstern sie auch etwas zu, du musst nur ganz genau zuhören. Lausche den Bäumen und vielleicht denkst du dann ja an mich. Ich werde auf jeden Fall an dich denken.
 

Yasmine, ich werde immer an dich denken.
 

Gruß, Linda

Liebe

Liebe Yasmine,
 

kennst du das Lied „Liebe meines Lebens“ von Philipp Poisel? Nun bisweilen schallt es aus den Lautsprechern meiner Musikanlage und es stimmt mich traurig. Du weißt warum, oder?
 

Schon allein der Titel nennt den Grund: die Liebe.
 

Ein solch facettenreiches Gefühl wie ein Diamant und ebenso wertvoll. Es gibt die Liebe auf so viele Weisen. Zwischen Mensch und Natur. Zwischen Mutter und Kind. Zwischen Freunden, also die Liebe zwischen uns beiden. Und die Liebe zwischen überwiegend Mann und Frau, diese partnerschaftliche Liebe. Diese Liebe, die dafür sorgt, dass man sein ganzes Leben nur noch mit dem anderen teilen möchte. Du hast sicher schon erraten, dass mir diese Liebe solch einen Kummer bereitet. Ich hab sie noch nicht erfahren und das stimmt mich traurig. Bin ich denn nicht liebenswert? Wie muss ein Mensch überhaupt sein, damit er dieses starke Gefühl wert ist?

Ich glaube, dass das ganz individuell ist. Ob man einen anderen als liebenswert erachtet, hängt vom eigenen Charakter ab. Man kann doch nur lieben, was man schätzt, wie man selbst gern wäre oder was man bewundert. Oder etwa nicht? Kommt es vielleicht auch darauf an, ob der andere schön ist? Doch was ist in diesem Falle dann Schönheit? Sie hängt doch auch wieder vom Betrachter ab. Aber wenn alles vom Betrachter abhängt, dann würde es ja heißen, dass es hier keinen Betrachter gibt, für den ich so bin, dass ich dem Betrachter gefalle. Doch ich will nicht weggehen, nur um vielleicht einen Betrachter zu finden, dem ich gefalle. Dann bleibe ich lieber hier und nicht liebenswert, denn ich erachte meine Heimat als zu liebenswert.
 

Sag mal, Yasmine, hast du bereits den richtigen Betrachter gefunden?

Ich würde es dir wünschen, du hast ihn nämlich verdient. Und wenn nicht, dann bin ich gerne deine Betrachterin, also verstehe das nicht falsch; in reich freundschaftlicher Hinsicht natürlich.
 

Gruß, Linda

Schwarz und weiß

Liebe Yasmine,
 

heute brach zum ersten Mal seit langem wieder die Sonne durch die Wolkendecken, die während des Wochenendes den Himmel verdunkelten. Aber kann man verdunkeln überhaupt sagen? Schließlich waren die Wolken nicht direkt grau, geschweige denn schwarz, nein sie waren weiß. So ein bisschen zumindest.
 

In letzter Zeit muss ich oft über die Farbe nachdenken. Immer wenn ich auf meinen Schreibblock in der Schule ein neues Blatt zücke, sticht vor allem diese Farbe unter den Linien hervor. Obwohl Farbe auch schon wieder falsch ist. Immerhin sind weiß und schwarz nicht direkt im Farbkreis enthalten. Meine Kunstlehrerin hat auch mal gesagt, dass schwarz und weiß keine Farben sind. Aber was sind sie dann? Was ist eine Sache, die keine Farbe ist, die man aber trotzdem sehen kann? Yasmine, ich glaube die Menschen, die sich mit Kunst beschäftigen sind dumm. Schließlich ist alles, was nicht durchsichtig ist, eine Farbe. Und weiß und schwarz sind ja auch nicht durchsichtig, also müssten sie theoretisch Farben sein. Alles andere würde der Logik wiedersprechen. Aber mal angenommen die beiden sind keine Farben, was sind sie dann?
 

Es gibt auf jeden Fall Dinge, die die meisten Menschen mit den Farben verbinden; Assoziationen nennt man das, glaube ich. Ja, Yasmine, ich weiß, dass du das Wort lustig findest. Bestimmt musst du jetzt lächeln oder?

Zurück zu den Assoziationen. Zu schwarz fällt den meisten Menschen sofort ein Wort ein. Traurig. Oder auch trist. Manchmal sogar trostlos. Sie beginnen nicht nur alle mit einem T, sie sind auch irgendwie verstimmend. Leider habe ich noch nie eine typische Assoziation zu weiß gehört. Rein oder unschuldig wird damit oft in Verbindung gebracht, glaube ich. Manchmal auch Licht und Helligkeit. Offenheit. Doch für mich nicht. Ich finde weiß ist leer. Ein leerer Raum. Ein leeres Blatt. Ein leeres Gefühl. Schwarz ist für mich voll. Voller Pigmente. Voller Eindrücke. Aber dennoch irgendwie traurig. Nebeneinander betrachtet werden die beiden Unterschiede der Farben ganz deutlich. Aber weiß und schwarz oder schwarz und weiß ist immer eine gute Kombination, weil sich die beiden wie Freunde ergänzen. Fast so wie du und ich.
 

Aber wenn wir beide schwarz und weiß verkörpern würden, wer von uns wäre dann schwarz und wer wäre weiß? Was sagst du dazu, Yasmine?
 

Gruß, Linda



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