Für Rum und Ähre von _Kima_ ("Erdnuss, Captain!") ================================================================================ Kapitel 16: Julia ----------------- Recht schnell hatte Julia den Stoff, den sie hatte haben wollen, so weit heruntergehandelt, dass er nicht mehr gnadenlos überteuert war – ein weiter Ausschnitt wirkte wirklich Wunder, warum sah Marcia das nicht ein? Es war ein guter, reißfester Stoff, der ideal für eine Flagge war… Wo hatte man das denn schon gesehen, ein Piratenschiff ohne Flagge? Genug, dass Julia ihre heißgeliebte Sea Screamer verloren hatte, noch mehr blamieren wollte sie sich nun wirklich nicht… Und wenn sie ihren eigenen Jolly Roger persönlich auf die Flagge pinseln musste!! Mit dem Stoffballen unterm Arm wandte sie sich ihrer Schwester zu, die mit dem Goldlöckchen sprach, und sah gerade noch, wie der Junge nickte und ein zufriedenes Lächeln sich auf Marcias Gesicht ausbreitete. „Beim Bart von Davy Jones“, murrte Julia leise, während sie auf die zwei zuhielt, „sie hat tatsächlich ein Kind an Bord geholt!“ Als sie vor ihnen zum Stehen kam, sagte sie nichts, sondern zog nur vielsagend eine Augenbraue hoch. Wer wohl zuerst nachgab und sprach? „M-Ma’am…?“ Riesige, grasgrüne Augen, halb verborgen unter blonden Locken, starrten sie ängstlich an – der Junge sah aus, als würde er im nächsten Moment entweder die Flucht ergreifen oder in Ohnmacht fallen. Na toll. Erst strafte sie der bestaussehendste Mann ihrer Crew mit Nichtbeachtung und nun flößte ihr bloßer Anblick diesem Burschen eine solche Angst ein, dass er fast umkippte? Sie knurrte leise. Irgendwas war hier einfach falsch! Bei dem Geräusch, das ihrer Kehle entkam, zuckte der Junge erschrocken zusammen und machte Anstalten, aufzuspringen, um wer weiß was zu tun, doch im gleichen Augenblick regte sich irgendwo in ihrem Inneren etwas, von dessen Existenz sie bisher nichts gewusst hatte – nicht einmal geahnt hatte sie davon. Etwas, das bei einer Piratin einfach nur fehl am Platz war: gottverdammte Muttergefühle. „Ganz ruhig“, hörte sie sich selbst ungewöhnlich sanft sagen, „ich tu dir schon nichts. Wie heißt du?“ „N-Nathanael.“ Zu jung, zu jung… Zu klein, zu unschuldig, zu jung! „Und du willst mit uns segeln?“ Die großen, grünen Augen fixierten sie noch immer verschreckt, doch er nickte zaghaft. Bei Davy Jones… Sie räusperte sich, zwang sich, den ekelhaft-zärtlichen Ausdruck von ihrem Gesicht zu vertreiben und sagte: „Ich bin Julia Cavenhaugh, dein Captain. Ab sofort stehst du unter meinem Kommando und kämpfst unter meiner Flagge!“ Die noch nicht einmal fertig war. „Roger?“ „A-Aye, Captain“, lautete seine hastige Antwort. „Dann pack deine Sachen zusammen“, nickte Marcia, „wir haben keine Zeit zu verlieren.“ Der Junge warf den Schwestern einen ängstlichen Blick zu und murmelte: „Ich… habe keine Sachen zu packen…“ „Umso besser!“, rief Julia, die plötzlich das irrationale und seltsame Bedürfnis verspürte, den Jungen so schnell wie möglich von den Straßen Tortugas zu bekommen – auch, wenn seine Sicherheit auf einem Piratenschiff nicht unbedingt gewährleistet war, aber dort konnte sie ihn wenigstens im Auge behalten, „Dann lass uns gehen.“ Vielleicht bildete sie es sich ein, aber Nathanael wirkte weniger ängstlich, als sie sich in Bewegung setzten. Fast schon… dankbar. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)