Für Rum und Ähre von _Kima_ ("Erdnuss, Captain!") ================================================================================ Kapitel 15: Marcia ------------------ „Wir haben keinen Musiker an Bord“, erwiderte Marcia abwesend auf die Frage, was sie denn mit dem „Milchgesicht“ wolle. „Wir brauchen auch keinen Musiker an Bord! Erst recht kein Kind! Schau ihn dir an, Marcia, der Junge ist noch feucht hinter den Ohren!“ „Na und? Du warst sechs Jahre alt, als du dein erstes Ruderboot geentert hast!“ „Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?“, wollte Julia wissen. „Nichts.“ Marcia zuckte mit den Schultern. „Kümmer du dich um deinen Stoff, ich schau mir Goldlöckchen näher an.“ „Aber …“ „Ach, schrei einfach, wenn was passiert.“ Marcia ließ ihre Schwester stehen und ging langsam auf den Jungen zu, der so vertieft in sein Spiel schien, dass er sie erst bemerkte, als sie sich vor ihm auf den Boden hockte. Erschrocken zuckte er zusammen und starrte sie aus weit aufgerissenen, grasgrünen Augen an. „Hallo.“ Marcia schenkte ihm ihr seltenstes Lächeln und musterte den Jungen aufmerksam. „Wie heißt du?“ „N- Nathanael, Ma’am.“ Marcia schnaubte und wedelte abfällig mit der rechten Hand. „Ich bin keine Ma’am“, stellte sie fest. „Und keine Lady. Mein Name ist Marcia. Ich bin Piratin.“ Wenn überhaupt möglich, wurden die Augen des Jungen noch größer und ängstlicher. Innerlich schmunzelnd griff sie nach dem Hut, in dem nicht mal eine Handvoll Goldmünzen schimmerten. „Du spielst gut“, sagte sie dabei und nickte auf seine Panflöte. „Kannst du auch etwas Schnelleres spielen?“ Mit der rechten Hand tastete sie ihre Taschen nach Gold ab, während der Junge, immer noch mit dem verschüchterten Blick eines Kaninchens in der Falle, die Panflöte wieder an seine Lippen hob. Die Töne, die er ihr entlockte, waren fröhlich, waren schnell, und innerhalb weniger Augenblicke hatte Marcia ihre Entscheidung gefällt. „Nathanael“, begann sie langsam, jedes Wort dreimal überdenkend, um den Jungen mit den unschuldigen grünen Augen nicht sofort in die Flucht zu schlagen. „Leider habe ich gerade kein Gold bei mir … aber du könntest uns begleiten. Meine Schwester und mich. Wir haben die Mari(an)ne an uns genommen, eine Crew zusammengestellt und sind auf dem Weg … einige Dinge zu erledigen.“ Seine Augen wurden größer und größer, seine Lippen, zerbissen und blutig, zitterten und er sah aus, als würde er im nächsten Moment in Tränen ausbrechen. War sie wirklich so furchteinflößend? „Was uns allerdings noch fehlt, ist jemand, der mit einem Instrument umgehen kann. Schwertkämpfe ohne Musik sind so … langweilig! Wie alt bist du, Nathanael?“ Jedes Mal, wenn sie seinen Namen aussprach, machte er den Eindruck, als hätte sie ihm gedroht, ihn zu vierteilen und aufzufressen … hatte der Junge etwa schon irgendwelche schlechten Erfahrungen mit Piraten gemacht …? Nun, hier in Tortuga wäre das nicht weiter verwunderlich … „S- Siebzehn.“ Marcia zog beide Augenbrauen hoch. Er war wirklich noch ein Kind … „Möchtest du uns begleiten, Nathanael?“ Sie fischte die paar Goldmünzen aus seinem Hut und warf eine nach der anderen zurück auf den schwarzen Filz. „Möchtest du Abenteuer erleben? Die Welt entdecken? Schätze finden?“ Mit jedem Wort wurden seine Augen größer, aber er sagte immer noch kein Wort dazu. „Natürlich ist es gefährlich“, fuhr Marcia gelassen fort, den Blick fest auf sein schmales, blasses, verdrecktes Gesicht gerichtet. „Aber ich garantiere dir, ich werde persönlich für deine Sicherheit sorgen.“ Hätte Julia sie in diesem Moment gefragt, warum sie so hartnäckig versuchte, den Jungen zu überreden, sie hätte ihr keine Antwort geben können … sie wusste nur, dass sie unbedingt wollte, dass dieser Junge Teil ihrer Crew wurde, weil … er nicht auf der Straße leben sollte, wo seine Unschuld nur zu schnell ausgelöscht werden konnte. „Willst du mitkommen, Nathanael?“, fragte sie direkt. Und endlich nickte der Junge zaghaft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)