My angel & my demon von Rosenmaedchen (It is what it is. [♥]) ================================================================================ Kapitel 15: Day Zero -------------------- Tag Null Samantha ging gerade um die Ecke des Ganges, an welchem man zu Liliths Wohnung kam – in die Richtung, wohin sie die Wächter geschickt hatten. Doch als sich die Tür vorsichtig öffnete, sprang sie regelrecht wieder hinter die Ecke und lugte vorsichtig hervor. Es war eine spontane Reaktion gewesen. Samantha traute ihren Augen nicht, als Juan herauskam. Er sah sich aufmerksam um und schlich sich dann weg. Als er nicht mehr zu sehen war, kam Samantha langsam hervor. Was war denn bei denen letzte Nacht noch vorgefallen? Da Juan, zu Samanthas Glück, die Tür nicht ganz geschlossen hatte, sondern sie noch einen Spalt auf war, konnte sie unbemerkt in die Wohnung schlüpfen. Im Wohnzimmer sammelten sich dutzende Flaschen. Samantha bekam ein schlechtes Gewissen, als sie es sah. Sie wusste ja, dass Lilith sich am letzten Abend mit genügend Alkohol eingedeckt hatte. Trotzdem war sie nach Hause gegangen und hatte Lilith allein gelassen. Nun sah sie, was dadurch passiert war. Ob Alkohol für Engel auch gesundheitsschädlich war? Dann fielen Samantha die herumliegenden Sachen, welche die Prinzessin am Vorabend anhatte und nun im ganzen Raum verstreut waren, auf. Sie ging ins Schlafzimmer, wo sie Lilith in ihrem Bett liegen sah. Sie schlief friedlich, mit einem Lächeln auf den Lippen, in ihre Decke gekuschelt. „Lil?“ Doch sie schlief einfach weiter. Samantha überlegte, ihr die Decke einfach wegzuziehen, aber sie war nicht scharf darauf, ihre Freundin nackt zu sehen, was sie sicherlich war. Wenn Juan schon die Nacht hier verbracht hatte und Lilith so viel Alkohol intus hatte, hatte sie sicherlich nicht in Unterwäsche oder Schlafsachen geschlafen. „Lilith?“ Wieder bekam sie keine Reaktion. Samantha beugte sich zu der schlafenden Prinzessin hinunter und schüttelte sie sanft. Endlich schlug Lilith die Augen auf, doch sie erschrak sich, als sie ihre Freundin sah. Sie hatte jemand anderen erwartet. „Wo ist Juan?“ Samantha ließ sich auf der Bettkante nieder. „Der ist vor ein paar Minuten gegangen.“ „Was?“ „Na ja, ich hab ihn eben rausgehen sehen.“ Liliths Gesicht nahm einen enttäuschten Ausdruck an. „Wahrscheinlich hat es ihm doch nicht so viel bedeutet, wie er gesagt hat...“ Samanthas Stimme hatte einen bemitleidenden Unterton, als sie sagte: „Was ist denn gestern Nacht noch passiert?“ Die Blondine zog ihre Decke noch ein Stück hoch. „Er hat mich verführt! Er hat gesagt, er hat Gefühle für mich und ich Idiotin habe ihm geglaubt!“ „Ihr habt miteinander geschlafen“, schlussfolgerte Samantha und Lilith nickte. „Gleich zweimal!“ Sie seufzte und machte eine drehende Handbewegung, die Samantha auch verstand und ihr den Rücken zudrehte. Lilith stand auf, suchte sich eilig etwas zum anziehen in ihrem Kleiderschrank, bevor sie wieder zurückkam. „Bitte ein Themawechsel.“ „Duncan hat mir gestern Abend einiges über sich erzählt.“ Fassungslos sah die Prinzessin ihre Freundin an. „Was? Wie hast du das denn geschafft?!“ „Er hat sich gestern Abend ziemlich die Kante gegeben und ihm ging es so schlecht, dass ich ihn irgendwann gefragt habe, was los sei und er hat mir seine Vergangenheit erzählt.“ „Wie gemein. Mir hat er es nie erzählt.“ Schmollend ließ sie sich neben ihrer Freundin nieder. „Dafür tust du es jetzt.“ Und Samantha erzählte ihr von Duncans Gabe, seiner angeblichen Schuld, dem Tod seiner Schwester, dem Selbstmord seiner Eltern und seine eigene Verurteilung. Sie erzählte ihr alles so, wie Duncan es ihr am Vorabend auch erzählt hatte. Lilith hörte schweigend zu, machte ab und an mal große Augen oder nickte knapp, als Zeichen, dass sie verstanden hatte. Schließlich endete Samantha irgendwann und beide schwiegen sich an. Opferten mehrere Minuten, um sich alles durch den Kopf gehen zu lassen und vielleicht auch, um den Toten eine Ehre zu erweisen. Samantha sah auf den Boden, bis ihr plötzlich etwas ins Auge stach. Sie bückte sich danach und hob es auf. Es war eine Kondomverpackung. Rot leuchtete ein Datum auf. Ein Datum, welches schon über einen Monat zurücklag. Sie schluckte. „Lilith?“ „Hm?“ Samantha hielt die Packung hoch. „Sag bitte nicht, dass die von letzter Nacht ist.“ Die Blondine nahm und besah sie sich. Dann weiteten sich vor Schreck ihre Augen. „Oh nein! Das ist die von letzter Nacht! Und die sind schon längst abgelaufen!“ Sie sprang auf und lief unruhig auf und ab. „Okay, ganz ruhig! Alles wird gut, irgendwie. Oh Gott! Das kann nicht wahr sein!“ Samantha folgte der Prinzessin mit den Augen. Sie tigerte wie wild im Zimmer umher. „Lil –“ „Juan würde das doch niemals verstehen. Er würde doch nicht zu mir stehen. Ihm wäre das doch weiterhin scheiß egal!“ „Lil… -“ „Oh Gott! Und mein Vater erst! Der würde ihn umbringen lassen und mich rauswerfen! Ich hänge an meinem Leben und Juan soll nicht deswegen draufgehen!“ „Lilith!“ Sie zuckte zusammen und blieb endlich stehen. „Vielleicht erwischen wir Juan noch; wenn du schnell mal die Gegend überfliegst?“ „Sammy! Ich könnte dich manchmal knutschen!“, rief sie aus, machte das Fenster auf, breitete ihre Flügel aus und hob mit kräftigen Schlägen ab, nach draußen. „Schau du mal zu Fuß in Palastnähe! Aber geh nicht zu weit! Nicht das du dich verläufst!“ Und schon war die Prinzessin verschwunden. Samantha hatte ungeschlagene zwei Stunden nach ihm gesucht. Nun saß sie auf der Treppe vor dem Palast und wartete auf Lilith, welche auch neben ihr landete und sich neben sie setzte. „Ich hab ihn auch nicht gefunden. Er ist wie vom Erdboden verschluckt.“ Ein Seufzen entglitt ihr und sie vergrub ihre Hände in ihren Haaren. „Das ist alles so scheiße. Wieso muss so was mir passieren?“ Samantha sah sie von der Seite her an. „Na ja, vielleicht hast du ja Glück und nichts ist passiert. – Wie ist das eigentlich so genau bei euch?“ „Nicht sehr anders, als bei euch auch, wir können genauso Kinder bekommen wie Menschen. Nur, bei uns gibt es sehr wenige Kinder. Es ist nicht sehr verlockend für die meisten Engel, nach dem eigentlichen Tod noch einmal Kinder zu bekommen und selbst wenn, nur sehr wenige Überleben die Schwangerschaft oder das Säuglingsalter. Außerdem gibt es genug Engel, da ist Nachwuchs nicht zwingend nötig. Jeden Tag werden dutzende Menschen zu Engeln, wieso also Kinder? Doch wenn es Kinder gibt, dann werden sie verhätschelt und verwöhnt im Kindesalter.“ „Du wurdest es nicht?“ „Nein, das ist nicht bei jeden so.“ „Aber du hättest schon gern Kinder?“ Lilith nickte. „Klar. Ich bin 252 Jahre alt. Ich will Kinder. Nur jetzt nicht. Nicht mit einem Mann, den ich zwar bedingungslos liebe, aber er mit mir nur gespielt hat. Verstehst du?“ „Ja, versteh ich voll und ganz.“ Für eine Weile schwiegen die Freundinnen sich an. Doch dann fiel Samantha etwas ein: „Wann kriegst du das nächste Mal deine Tage? Also, falls ihr sie kriegen solltet…“ „Keine Ahnung.“ Auf Samanthas verständnislosen Blick hin fügte sie hinzu: „Ich krieg die so unregelmäßig, dass ich mich darauf nicht verlassen kann. Wir müssen in zwei Wochen zum Arzt, aber wirklich heimlich. Mein Vater darf davon nichts mitbekommen.“ Samantha legte ihre Hand auf die von Lilith und lächelte sie aufmunternd an. „Das kriegen wir schon hin, hm?“ Die Prinzessin erwiderte leicht das Lächeln. „Ja, irgendwie. Danke.“ „Gern.“ Ungefähr zwei Wochen später Tag Null war gekommen. In mehreren Hinsichten war dieser Tag ein entscheidender Tag. Man konnte vier Dinge an der Hand abzählen, die sich ereignen würden. Positive und negative Ereignisse gleichermaßen. Schmerz sollte von neuem aufblühen. Vergrabene Geheimnisse sollten teils gelüftet werden. Gewissheit würde über einige erscheinen. Und die Angst, nie wieder nach Hause zu kommen, um die Wahrheit zu erzählen, um Verzeihung zu bitten, um einfach für eine geliebte Person da zu sein. Als Duncan am besagten Tag die Augen aufschlug, musste er sich zunächst vergewissern, dass es wirklich der erwartete Tag war. Doch sobald er auf den Kalender blickte, wusste er es. Er war gekommen. Der Tag, an dem sein geliebter Bruder Sheridan vor, nun, 21 Jahren, starb. Noch immer saß der Schmerz tief. Wahrscheinlich würde er es auch noch immer bleiben. Im Gegensatz zu dem Tod seiner Familie, der zwar auch noch weh tat, aber der schon länger zurücklag, tat der Tod seines Bruders besonders weh. Nur zusammen kamen sie damals über all die Dinge weg, die Geschehen waren. Nachdem sie Duncan zerstört hatte, war Sheridan für ihn dagewesen und hatte ihm beigestanden, obwohl er von Anfang an gesagt hat, dass sie mit seinem Herzen spielt. Als Sheridan seine Auserwählte gefunden hat, hat Duncan ihm ebenfalls beigestanden und ihm ins Gewissen geredet. Schließlich waren sie zusammen glücklich geworden. Bis zu diesem Tag vor 21 Jahren. Nichts tat Duncan so weh, wie der Gedanke, allein zu sein. Ohne seine liebliche Schwester. Seine Mutter. Seinen geliebten Bruder. Und ohne Sie. Er war allein, das stand gar nicht zur Debatte, es war eine Tatsache. Nur er war es satt, allein zu sein. Niemand verstand ihn. Auch wenn er zu Samantha vor knapp zwei Wochen ehrlich war, und seinen Schmerz über seine Familie erzählt hatte, so wusste sie noch immer nicht alles. Und wieso ihr vertrauen? Für ihn war das sowieso ein einmaliges Erlebnis. Schwerfällig stand er auf, machte kurz sein Bett und ging ins Bad hinüber. Nach einem Blick in den Spiegel wusste er, wie sehr ihm das Ganze zusetzte, genauso wie jeder andere es ebenfalls sehen konnte. Unkontrolliert hob er die Hand um sie in den Spiegel zu rammen. Er wollte es nicht weiter sehen. Kurz davor besann er sich und ließ die Faust wieder sinken. Am Waschbecken abstützend versuchte er den Rückfall zurückzuhalten. An solchen Tagen hatte er sich einfach nicht mehr unter Kontrolle. Was sollte das nur noch werden? Nachdem er die Blumen aus der Vase genommen hatte, die er im Badezimmer deponiert und sich vorher angezogen hatte, ging er die Treppe nach unten. Besser er ging gleich bevor er irgendetwas Unüberlegtes tat. Wenn er Glück hatte, dann würde Samantha auch noch schlafen. Nur leider hatte Duncan nie Glück, und so kam sie, fertig angezogen aus dem Wohnzimmer zu ihm, als er sich gerade Schuhe anzog. „Wo willst du schon hin?“ Ihr Blick fiel auf die Blumen, aber zunächst wollte sie nichts dazu sagen. „Geht dich nichts an“, knurrte er und stand wieder, von den Knien, auf. Samantha runzelte die Stirn. „Duncan, ich dachte wir hätten das überwunden.“ „Es geht dich nichts an, was ich tue, und was nicht, kapiert?!“ Er nahm die Blumen und schloss die andere Hand zur Faust, um sich unter Kontrolle zu halten. „Verschwinde.“ Mit ängstlichem Blick ging Samantha dorthin zurück, wo sie hergekommen war und Duncan konnte sich endlich auf den Weg machen, zum Friedhof. Als die Haustür zufiel, kam Samantha wieder hervor. Immer noch war sie verschreckt von Duncans, schon fast unkontrollierter, Laune. Irgendwas war an diesem Tag anders, nur was war es? Vielleicht sollte sie hinterher, damit ihre Neugier gestillt war. Eher würde sie ja sowieso nicht Ruhe geben und befragen würde nur wieder so enden, wie eben. Das er von seiner Familie erzählt hatte, schien ein einmaliges Erlebnis gewesen zu sein. Schnell fuhr sie sich durchs Haar, schnappte sich eine dünne Sweatjacke, da es früh, trotz der sommerlichen Temperaturen ab bereits zehn Uhr, immer noch kalt war und sie schnell fror. Dann zog sie sich eilig noch Schuhe an und rannte förmlich zur Haustür. Als sie draußen war, war von Duncan keine Spur. Schnell lief sie den Weg hinunter und fragte einen der vorbeigehenden Engel, ob sie ihn gesehen hätte. Dieser schickte sie in eine Richtung und bald hatte sie Duncan wieder im Blick. Komischerweise ging er wirklich zu Fuß, sodass es für Samantha ein leichtes war, ihm zu folgen. Wieso flog er nicht? Das war mehr als merkwürdig für ihn. Kurzerhand bog Duncan in einen Weg ein und als Samantha an dieser Stelle war, las sie dort, an einem Metalltor: Friedhof von Solas. Friedhof? Was wollte Duncan denn auf einem Friedhof? Wenn es um seine Familie ginge, dann hätte Duncan ihr das damals sicherlich gesagt, aber sie waren ja als Menschen gestorben und hier hatte er sie nicht wieder angetroffen, also konnte es nicht seine Familie sein. Langsam folgte sie ihm durch das Tor. Links und rechts vom Weg standen dutzende Gräber, einige wunderschön, andere eher alt und verfallen. Es war wie auf der Erde, dort, wo sich Angehörige um das Grab kümmerten, blühte es förmlich. Aber dort, wo keine Angehörigen mehr vorhanden waren, zerfiel alles in sich selbst und schon bald würde das Grab weggemacht werden, um für ein Neues Platz zu schaffen. Duncan blieb weiter hinten, auf einem anderen Weg stehen. Samantha sah, dass es vor einem Grab mit einem Stein aus schwarzem Marmor war. Er kniete sich nieder und legte die Blumen, die er mitgebracht hatte, nieder. Dann schloss er die Augen und blieb einfach so hocken. Er rührte sich nicht. Samantha wartete und wartete, aber es passierte nichts. War er deswegen hier? Weil heute Todestag von einer Person war, die ihm nahegestanden hatte? Und er nun für sie beten wollte? Oder einfach nur trauern? Plötzlich hob Duncan den Kopf und sah genau in ihre Richtung. Oh Mist! Nur, wie hatte sie sich verraten? Sie hatte ruhig hier gehockt und ihn beobachtet. Er hätte es gar nicht bemerken können, außer – „Samantha, was tust du hier?!“ Erschrocken zuckte sie zusammen und sprang auf die Beine, um vor ihm wegzurennen. Wie von selbst fanden ihre Füße den Weg nach draußen. Umdrehen und schauen, ob Duncan ihr folgte, wollte sie nicht. Die Gefahr, dass sie stolperte und stürzte war zu groß. Sie konnte nur hoffen, er flog ihr nicht hinterher. Mit Sicherheit würde er ausrasten, so wie vorhin im Flur er es fast getan hatte. Plötzlich sprang ihr etwas in den Weg. Samantha konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken. To be continued. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)