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The Luck of the Draw

Wie der Zufall so will
von

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Das Leben als Musiker war immer stressig, besonders, wenn man erfolgreich war. Und das waren sie, sehr sogar. Das wussten sie. Sie wussten, dass ihre Musik gut ankam und sie wollten, dass das so blieb, darum arbeiteten sie hart; Fotoshootings, Interviews, in denen sie immer und immer wieder die gleichen Fragen beantworten mussten, neue Songs schreiben, Aufnahmen, Videodrehs, und natürlich die ganzen Touren und Festivalauftritte. Es war stressig, aber sie hatten Spaß, sonst hätte zumindest Satoshi das nicht schon so lange mitgemacht. Er brauchte Spaß und er war froh, dass er den mit den Jungs in der Band zur Genüge haben konnte, denn sie waren tatsächlich alle sehr eng miteinander befreundet. Es war ein Klischee, dass alle dachten ihre Lieblingsband würde auch ihre Freizeit miteinander teilen, aber bei ihnen stimmte das wirklich und er war mehr als froh darum.
 

Da sie so gut miteinander klar kamen, unternahmen sie auch oftmals etwas miteinander, wenn es der Terminplan erlaubte – so wie heute. Sie hatte gerade ein anstrengendes Shooting mit anschließendem Interview hinter erfolgreich hinter sich gebracht. Morgen war frei. Perfekte Bedingungen um den Abend gemeinsam bei ein paar Bier ausklingen zu lassen. Die Hotelbar hatten sie nicht ansprechend genug gefunden, also waren sie kurzerhand alle gemeinsam losgezogen und hatten sich einen Club in der Nähe gesucht und nun saßen sie hier, an einem Tisch etwas abseits, damit nicht jeder, der hier herein kam, sie gleich erkannte. Sie liebten ihre Fans zwar, aber wenn sie immer und überall da waren, konnten sie schon lästig sein.
 

Während sie Bier tranken, unterhielten sie sich über den überstandenen Tag und vor allem über die beiden Mädels, die sie interviewt hatten – das momentane Lieblingsthema von Shuu: Frauen. Es wurde wirklich Zeit, dass er sich wieder eine Freundin anlachte, auch wenn das leichter gesagt als getan war. Dann würde es zwar nicht lange dauern, bis er sich über die bei ihnen beschwerte, aber das war immer noch besser als dieses ständige Frauenabchecken und -analysieren. Nii redete da gerne mit – wahrscheinlich, weil er selbst auch schon länger keine mehr gehabt hatte, die mehr als zwei Dates wert war – aber Ryo und Satoshi hielten sich da meist zurück. Normalerweise redeten sie dann über irgendetwas anderes, meistens total belangloses Zeug, Hauptsache nicht über Weibergeschichten, aber irgendwie war der Drummer heute sehr schweigsam und wirkte beinahe abwesend und sowas kam wirklich nur verdammt selten vor. Das fiel sogar Shuu und Nii auf, auch wenn die eigentlich genug mit sich selbst beschäftigt waren.
 

„Was ist los mit dir, Ryo?“, fragte Shuu nach ein paar Bierchen und musterte den Jüngsten fragend. „Hat dich die Kleine vorhin so sehr geschockt mit ihrem Geflirte und dauerndem Gekicher?“

Ryo reagierte erst nach einigen Sekunden und sah ihn fragend an. „Was meinst du?“

„Oh bitte!“, warf nun Nii ein. „Die hat dich die ganze Zeit angestarrt und dir schöne Augen gemacht. Sag bloß das hast du nicht mitbekommen?“

Der Drummer hob eine Augenbraue. „Hat sie?“ Dann sah er wieder weg. Für ihn war das Thema damit wohl erledigt. Die anderen betrachteten ihn einige Augenblicke lang verwundert, dann begann Shuu über den hübschen Hintern eines der Mädchen zu reden, das gerade vorbeigegangen war, und Nii stimmte nur allzu gern mit ein. Satoshi aber musterte Ryo noch etwas länger. Irgendwie war er heute wirklich komisch. Als wäre er mit den Gedanken ganz woanders. So sah man ihn wirklich nur selten.
 

„Wo guckst denn du die ganze Zeit hin?“, fragte er leise, aber noch bevor Ryo überhaupt antworten konnte, hatte Shuu sich eingeschaltet und das obwohl er gerade in ein angeregtes Gespräch mit Nii vertieft gewesen war.

„Ryo checkt bestimmt die Kleine da hinten ab.“, sagte er und zeigte auf eine Gruppe von jungen Leuten, von denen einer das mitbekam und ihn ganz komisch ansah, ehe er sich abwandte. Ryo seufzte.

„Die eine ist wirklich nicht von schlechten Eltern.“, mischte sich jetzt auch Nii ein.

Es musste ein Bild für die Götter sein. Da saßen Girugamesh in einer Bar und starrten alle unverhohlen auf dieses eine Mädchen, das bald von dem Typen, der sie eben alle so komsich gemustert hatte, darauf aufmerksam gemacht wurde. Natürlich drehte sie sich gleich zu ihnen um und wurde prompt verlegen, da ihr so viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Sie lächelte verhalten und strich sich durch die Haare, ehe sie ihnen schüchtern zuwinkte und ihr Blick dann ganz offensichtlich an einem von ihnen hängen blieb.
 

„Guck mal, die starrt dich an!“, posaunte Nii auch gleich heraus und klopfte Ryo auf die Schulter, der nur genervt seufzte und die Augen verdrehte, ehe er die Hand von seiner Schulter wischte.

„Nein, das tut sie bestimmt nicht. Die starrt nämlich dich an.“

Niis Augen weiteten sich und er sah wieder zu der Kleinen, die ihn ansah und herzallerliebst lächelte. Nii drehte sich schnell wieder um und Satoshi hätte schwören können, dass er jetzt noch eine Spur bleicher war als sonst.

„Was denn? Geschockt?“ Shuu lachte sich einen, woraufhin Nii ihm einen vernichtenden Blick zuwarf. Dann kippte er sein Bier herunter, knallte die Flasche auf den Tisch und stand auf. „Von wegen!“ Und schon war er auf dem Weg zu dem Mädchen.

Sie alle beobachteten ihn dabei. Wie es aussah, legte er sich ordentlich ins Zeug und er schien gut anzukommen, denn sie ließ sich von ihm einen Drink ausgeben und schon nach wenigen Augenblicken stand sie dicht bei ihm und sie führten ein intensives Gespräch.
 

Es konnte gut sein, dass es Satoshi nur so vorkam, aber seit Nii aufgestanden und gegangen war, schüttete Shuu einen Drink nach dem anderen in sich hinein und war schon sehr bald ziemlich angetrunken. Er nötigte sie dazu, mit ihm zu trinken, aber Ryo hatte darauf anscheinend gar keine Lust. Auf ein Bier hatte er sich eingelassen, aber das reichte ihm dann wohl auch. Er stand auf. „Mir ist nicht so nach Feiern.“, sagte er und sein Blick huschte kurz in die Richtung, wo Nii stand. „Ich werd mich schlafen legen.“ Dann verschwand er.
 

Satoshi sah ihm erst hinterher, dann betrachtete er Nii eine Weile, wie er mit der Kleinen flirtete, die nahezu an seinen Lippen hin. Wahrscheinlich gab er grade ein bisschen mit seinem Rockstar-Leben an und ihr gefiel das auch noch. Er wandte den Blick ab. Warum hatte Ryo wohl zu den beiden gesehen? War er eifersüchtig auf Nii? Das konnte er sich irgendwie gar nicht vorstellen. Ryo war niemand, der je sonderlich großes Interesse an irgendwelchen Liebschaften gezeigt hatte, seit sie sich kannten. Eigentlich war er sogar auch Single, seit sie sich kannten – und das war schon ‘ne ganze Weile. Wahrscheinlich hatte er schon seine Affären, wollte die aber für sich behalten. Vielleicht hatte er sogar so viele, dass er nichts sagte, weil er nicht vor ihnen rumprahlen wollte. Vorstellen konnte er sich das, Angebote bekam der Drummer ja zur Genüge. Diese Vorstellung fand er verdammt lustig. So lustig, dass er breit grinsen musste und Shuu ihn sogar fragte, was denn los sei.

„Nichts, nichts.“, sagte er nur und hob sein Glas. „Trinken wir eben zu zweit weiter, was?“

Shuu grinste. „Bleibt uns wohl nichts anderes übrig.“ Und schon hatte er sein Glas wieder an die Lippen gesetzt.
 

Während die beiden fröhlich weiter tranken, beobachteten sie Nii dabei, wie er das Mädchenlangsam betrunken machte. Gute Taktik, das musste man ihm lassen. Eigentlich konnte Satoshi sich echt Interessanteres vorstellen als jetzt über Nii oder Weiber zu reden, aber Shuu ließ ihn mit dem Thema einfach nicht in Ruhe, sodass er irgendwann nur noch dasaß und halbherzig zuhörte. In Gedanken war er schon bei morgen – endlich mal wieder ein freier Tag. Den würde er so richtig genießen und das von Anfang bis Ende, was so viel hieß wie er würde bis mittags schlafen und dann nichts anderes machen außer essen und fernsehen. Er überlegte gerade, wann er das letzte Mal einen so faulen Tag eingelegt hatte, kam aber nicht weit, denn plötzlich hatte er Shuus Ellenbogen zwischen seinen Rippen stecken und das war nicht unbedingt angenehm. Er schob den Arm des Bassisten beiseite und sah ihn fragend an. „Was ist denn?“

„Schau da.“

Er rieb sich über die schmerzende Seite und sah verwirrt in die Richtung, in die auch Shuu blickte, und staunte nicht schlecht, als sein Blick auf Nii fiel, der jetzt gar nicht mehr so intim mit dem Mädchen war. Genau gekommen war er gar nichts mehr mit dem Mädchen, denn die war plötzlich weg. Und Nii stand da wie vom Donner gerührt.
 

Es dauerte nur ein paar Augenblicke, bis er zu ihnen rüber sah und angestapft kam, sich auf einen Stuhl fallen ließ und Satoshi sein Bier klaute, es in einem Zug leerte. Dann nahm er sich kurzerhand auch Shuus Bier, kümmerte sich nicht um dessen lautstarke Proteste, und trank es ebenfalls aus. „Diese blöde Ziege!“, schimpfte er. „Da geb ich ihr einen Drink nach dem anderen aus und überleg mir schon was ich nachher im Bett mit ihr machen werde, und dann sagt sie plötzlich sie müsste nach Hause, weil ihr Vater sonst Ärger machen würde!“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und schob seine Unterlippe vor, wie immer wenn er sauer war. Satoshi musste sich jedes Mal zusammenreißen nicht loszulachen, weil es das Ganze immer ein bisschen ins Lächerliche zog, und er war nicht der Einzige, der so dachte, aber niemand sagte es Nii. Sie wussten alle, dass das fies war, aber so hatten sie wenigstens ein bisschen Spaß dabei, wenn Nii sich wieder wegen irgendetwas aufregte.
 

„Nimm dir doch ’ne andere. Da war doch noch so’n Mädchen bei ihr.“

Nii schnaufte. „Das war ihre Schwester, die hat sie gleich mitgenommen. Sonst bekommen sie von Papi noch den Po voll oder so.“

Shuu grinste dreckig, aber noch bevor er irgendetwas sagen konnte, ergriff Satoshi das Wort und versuchte Nii ein wenig zu beruhigen. „Naja, ist ja vielleicht besser so. Wenn ihr Vater da so’nen Stress macht, ist sie bestimmt noch sehr jung. Und bevor du ‘ne 17-jährige ins Bett schleifst und da dann ’n Skandal draus wird…“

Nii sah ihn mit leicht geöffnetem Mund an und dachte über das, was er gerade gehört hatte, nach, wägte ab, ob das nun stimmte und er sich beruhigen oder doch lieber weiter aufregen sollte. Als sein Mund wieder zuklappte, lehnte er sich zurück musterte die beiden. „Wo ist Ryo?“ Themawechsel. Er wollte also nicht weiter darüber reden. Das war doch schon mal gut, denn wenn Nii sich erst mal hochgeschaukelt hatte, konnte er sich tagelang über so etwas aufregen und ging damit allen ziemlich auf die Nerven.

„Schon vor ’ner ganzen Weile gegangen. Ihm ist heute wohl nicht so nach Feiern.“ Nii nickte nur. Shuu stand auf und ging zur Bar um für Alkoholnachschub zu sorgen. Wenig später kam er mit einer ganzen Ladung wieder zurück und er und Nii machten sich gleich an dessen Vernichtung, während sie sich wieder ihrem Lieblingsthema widmeten. Normalerweise hätte Satoshi jetzt mitgetrunken um dieses Thema besser ertragen zu können, aber irgendjemand musste ja nachher noch dafür sorgen, dass die beiden in ihre Betten kamen, also hielt er sich zurück und versuchte das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken, was ihm kläglich misslang.
 

Irgendwann konnten die beiden kaum noch geradeaus gucken und redeten nur noch irgendwelchen Blödsinn, also entschied Satoshi, dass es Zeit für’s Bett war. Der Protest war nur mager, also schaffte er es ganz gut die beiden einzusammeln und ins Hotel zu bugsieren. Das dauerte zwar ewig, weil sie den kompletten Gehweg für sich beanspruchten und auch gerne mal gegen irgendwelche Laternen oder Häuserwände rannten, die ihnen plötzlich in den Weg sprangen, aber letztendlich hatten sie es ins Hotel geschafft und von da an war es nur noch ein Katzensprung bis in ihre Zimmer. Das hatte er zumindest gedacht. Vor den Zimmern angekommen stellte sich heraus, dass sowohl Shuu als auch Nii beide ihre Codes für die Zahlenschlösser an den Türen ihrer Zimmer vergessen hatten.

Da sich die beiden Idioten auch nicht auf einen Zettel geschrieben und den in die Hosentasche gesteckt hatten, musste der Sänger die beiden Volltrunkenen wohl oder übel kurz auf dem Flur alleine lassen und zur Rezeption gehen, wo er nach einigem Bitten und Betteln und Vorzeigen seines Ausweises einen Zettel in die Hand gedrückt bekam, wo alle Codes für die Zimmer, die sie belegt hatten, aufgelistet waren. Damit bewaffnet ging er zurück zu den Zimmern, fand dort aber einen leeren Flur vor. Ein Seufzen kam über seine Lippen. Er hätte sie mit runter nehmen sollen, definitiv. Er hatte angenommen, dass sie mittlerweile so betrunken und müde waren, dass sie einfach nur brav auf ihn warten und dann halbkomatös ins Bett fallen würden, aber da hatte er wohl falsch gedacht.
 

Er warf einen Blick auf die Liste und stockte, als er eine Nummer sah, die viel zu lang für einen dieser Zimmercodes war. Da hatte die nette Empfangsdame ihm glatt ihre Nummer zugesteckt. Er wusste jetzt schon, dass er sie nie anrufen würde.

Er steckte den Zettel in seine Hosentasche und ging den Flur entlang, um nach den beiden verschollenen Bandmembern zu suchen, aber er brauchte gar nicht weit gehen, dann fand er die beiden vor einer offenen Zimmertür stehend. Sofort ging er zu ihnen und als er die wütende Frau sah, die einen Morgenmantel um ihren Körper geschlungen und in Abwehrhaltung dastand, schwante ihm Böses. Da waren sie wohl auf die glorreiche Idee gekommen Klingelstreiche zu spielen und hatten vergessen wegzulaufen. Und als die Person, die öffnete, sich als ziemlich attraktiv erwies, hatten die Idioten kurzerhand entschlossen sie anzumachen.

„Entschuldigung.“, sagte er und zog Nii am Arm ein Stück von der Tür weg. „Die beiden haben sie bestimmt geweckt. Ich werd sie in ihre Zimmer bringen. Tut mir leid, das kommt nicht wieder vor.“ Nii wollte etwas erwidern, aber Satoshi versetzte ihm mit dem Ellenbogen einen Stoß in die Seite, woraufhin der Gitarrist ihn empört ansah, aber wenigstens hielt er die Klappe.
 

Er entschuldigte sich noch einmal für die beiden und zog sie dann mit sich. „Ihr seid doch bescheuert! Warum habt ihr nicht einfach auf mich gewartet? Ich hab doch gesagt, dass ich gleich wieder da bin!“ Nii brabbelte irgendetwas Unverständliches, Shuu aber blieb komplett still. Er sah auch schon aus, als würde er gleich im Gehen einschlafen, also beeilte sich Satoshi den Code für sein Zimmer einzugeben und ihn dann hineinzuschieben. Der Bassist ließ sich einfach nur noch aufs Bett fallen und rührte sich nicht mehr. Als nächstes brachte er Nii auf sein Zimmer. Der war schon etwas widerspenstiger, aber dennoch hatte er ihn schnell in sein Bett verfrachtet.

Als er die Tür zu diesem Zimmer hinter sich schloss, seufzte er tief. Er streckte sich und ging zu seinem Zimmer. Auf dem Weg dorthin kam er an Ryos Zimmer vorbei und blieb glatt stehen. Er sah auf den Wisch in seiner Hand und überlegte, ob er nicht mal nach dem Jüngeren sehen sollte. Immerhin konnte es ja sein, dass es ihm schlecht ging und er krank wurde oder so etwas, so komisch wie er sich vorhin benommen hatte. Wahrscheinlich war das vorhin aber einfach nur der viele Stress der letzten Tage gewesen. Er zögerte, trat dann aber doch an die Tür heran und tippte langsam die Ziffern ein. Bevor er die Tür allerdings öffnete, sah er sich noch einmal nach links und rechts um. Er wusste nicht warum, aber er kam sich vor, als wäre er im Begriff etwas Verbotenes zu tun. Er versuchte das einfach zu ignorieren, atmete tief durch und öffnete dann langsam die Tür.

Und was er dann sah, verschlug ihm glatt den Atem.

Satoshi konnte kaum glauben, was er vor sich sah. Erst dachte er, er hätte sich im Zimmer geirrt, aber das hatte er definitiv nicht. Das da war definitiv Ryo und der saß definitiv auf einem anderen Kerl. Er sah es, aber begreifen konnte er es nicht. Ryo war nicht schwul. Das hätte er ihm doch gesagt, immerhin waren sie sowas wie beste Freunde!

Er wollte das nicht sehen, wollte gehen, aber seine Beine spielten ihm da einen Streich, denn die bewegten sich nicht einen Millimeter, also musste er mit ansehen, wie Ryo auf dem Kerl ritt. Er war mehr als ausgelassen, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und den Mund, der stoßweise Atem entließ, leicht geöffnet.

Satoshis Blick wanderte unweigerlich zu dem Kerl und als er den sah, erschrak er. Er musste ein Geräusch gemacht oder sich bewegt haben, er wusste nicht was es war, er wusste nur, dass er plötzlich bemerkt wurde. Vielleicht war es auch Zufall, dass Ryo gerade in seine Richtung sah, wer wusste das schon. Als sein Blick aber auf den Sänger fiel, wurde er sofort stocksteif, er gefror regelrecht zur Salzsäule. Und sein Blick sprach tausend Bände.
 

Bevor einer von ihnen beiden irgendetwas sagen oder machen konnte, mischte sich der andere Kerl ein. Dem gefiel es scheinbar gar nicht, dass Ryo plötzlich nicht weiter machte, aber er holte sich einfach was er wollte, krallte seine Pranken in den Hintern des Drummers, der darauf nicht vorbereitet war und nach vorn kippte, und machte da weiter, wo Ryo aufgehört hatte.

Ryos Lippen verließ ein langgezogenes Stöhnen und just in dem Moment gehorchte Satoshis Körper ihm wieder. Er drehte sich auf dem Absatz um, zog die Tür hinter sich ins Schloss und ging dann schnurstracks auf sein Zimmer, wo er erst mal tief durchatmete.
 

Nur langsam drang zu ihm durch, was eben geschehen war. Er hatte einfach nur nach Ryo sehen wollen und plötzlich sah er sowas! Und er konnte sich gar nicht vorstellen, dass das wahr war. Ryo war klein und süß und asexual. Ja, genau. Wie konnte er seine Vorstellungen einfach so zerstören? Sein Weltbild war nun im Eimer.
 

Satoshi seufzte schwer, ehe er sich auszog und ins Bett legte. Er war gerade nur froh, dass er nicht direkt das Zimmer neben Ryo hatte, sonst hätte er da jetzt vielleicht auch noch zuhören müssen und das war etwas, worauf er sehr gerne verzichtete. Wobei er eigentlich auch gern auf diesen Anblick und die daraus folgende Erkenntnis verzichtet hätte, aber nun war es zu spät. Er hatte es gesehen und nun war es für immer in seine Netzhaut eingebrannt. Das würde er nicht vergessen könnten – nie.
 

Er drehte sich auf die andere Seite und schloss die Augen, aber dieses Bild verschwand einfach nicht, auch nicht als er sie wieder öffnete. Scheiße. Das würde wohl so bald nichts werden mit dem Schlafen.

Normalerweise war es ja nichts Schlimmes vor dem Einschlafen an Sex zu denken. Das tat er sogar öfter. Nur hatte er noch nie daran gedacht, wir Ryo Sex hatte und das auch noch mit einem Mann. Mit dem Typen von der Bar. Jetzt wusste er wenigstens, wieso der Drummer dort vorhin immer hingeguckt hatte. Eifersucht auf Nii war es nicht gewesen; er wusste es besser. Doch wollte er das?
 

Ihm drängte sich die Frage auf, warum Ryo nie etwas gesagt hatte. Soweit er sich erinnerte, hatte der Drummer nicht eine ernsthafte Beziehung gehabt, seit sie sich kannten. Zumindest nicht zu einer Frau. Alles andere hatte er ja ganz gut verheimlichen können bisher, warum auch immer er das getan hatte. Hatte er Angst sie würden ihn verurteilen?

Wahrscheinlich war es das, auch wenn er sich das irgendwie nicht vorstellen konnte. Sie waren gute Freunde, da war es doch egal, ob man das Bett lieber mit Männlein oder Weiblein teilte – oder?

Ob Shuu und Nii davon wussten? Vielleicht sollte er sie morgen früh danach fragen. Also nicht so direkt und unverblümt. Outen wollte er Ryo nämlich nicht, das musste er schon selbst tun. Aber er konnte ja mal nachforschen, ob er der einzige war, der von diesem Geheimnis wusste.
 

Da fiel ihm ein… morgen früh würde er Ryo wieder sehen. Sollte er etwas sagen? Oder sich einfach verhalten wie immer und ignorieren, was er gesehen hatte? Wenn er ihn darauf ansprach, würde es bestimmt peinlich werden. Er hatte noch nie etwas mit diesem Thema zu tun gehabt. Ja er hatte noch nicht mal einen schwulen Bekannten – zumindest hatte er das gedacht – und nun sah er gleich so etwas! Ein Bild, das er nie hatte sehen wollen. Ein Bild, das er nie wieder sehen wollte.

Wahrscheinlich war es das Beste, das alles zu ignorieren, sich so zu benehmen wie immer, nichts zu sagen. Dann würde er von weiteren Peinlichkeiten verschont bleiben und müsste hoffentlich nie wieder darüber nachdenken, was Ryo im Bett tat. Ja genau, so würde er das machen. Einfach ignorieren. Ob Ryo da mitspielen würde, war eine andere Sache, aber man konnte ja noch hoffen.
 

*
 

Am nächsten Morgen wurde Satoshi durch ein lautes Geräusch geweckt. Es hörte sich an als wurde etwas gegen seine Tür geschlagen. Sein erster Gedanke war, dass es Ryo war. Sein zweiter, dass er ihn töten wollte.

Langsam setzte er sich auf und sah zur Tür, gegen die nur Augenblicke später wieder gehämmert wurde, aber wie er mit Erleichterung feststellte, was es nicht Ryo, der heute den Weckdienst übernahm, sondern Nii. „Satoshi!“, rief der Gitarrist so laut, dass er bestimmt das ganze Stockwerk weckte. „Los, Dornröschen, steh endlich auf! Wir wollen frühstücken und dann los! Satoshi!“

Er seufzte. „Jetzt mach nicht so’nen Alarm! Ich komm gleich!“ Er stand auf, aber anstatt Nii noch weiter Beachtung zu schenken, verschwand er erst mal in dem kleinen Badezimmer und gönnte sich eine Dusche.
 

Erfrischt kam er dann wieder in sein Zimmer, zog sich an und ging nach unten in die Hotellobby, wo das Frühstücksbüffet angerichtet war. Er sah die anderen gleich – zu überhören waren sie ja auch nicht – und ging zu ihnen. Ryo war noch nicht da – zum Glück. So hatte er noch Zeit sich zu überlegen, was er sagen würde, wenn der kam, und ob überhaupt.

Leider tauchte der Drummer nur Sekunden nachdem er sich hingesetzt hatte auf, und als Satoshi ihn sah, hatte er direkt wieder die Bilder von letzter Nacht vor Augen und er konnte nichts tun, damit diese verschwanden. Sofort wandte er den Blick wieder ab und widmete sich seinem Essen, auf dem er lustlos herum kaute.

„Was ist los, hast du keinen Hunger?“, kam auch gleich von Nii.

Satoshi schüttelte den Kopf. Wie sollte er auch Hunger haben, bei den komischen Bildern, die ihm im Kopf rumschwirrten.
 

Er versuchte ruhig zu bleiben, als Ryo sich direkt neben ihn setzte. Er spürte, dass er ihn ansah, und er wusste, dass er etwas sagen wollte, aber sie beide blieben still. Satoshi war schwer damit beschäftigt sein Essen anzustarren. Ignorieren – das war sein Plan und den würde er knallhart durchziehen.

Ryo schien das auch für das Beste zu halten, denn er sah wieder weg und begann zu essen. Er beteiligte sich auch an dem Gespräch der anderen, während Satoshi nur dasaß und versuchte nichts zu denken. Als aber sein Name fiel, wurde er dann doch hellhörig und sah auf, auch wenn er es im nächsten Moment bereute, weil ihn alle anstarrten. Er war das ja gewöhnt; wenn er auf der Bühne stand, sahen ihm hunderte Fans zu, manchmal sogar ein paar Tausend, aber das war doch etwas anderes als das gerade. Die Fans wollten nur, dass er sang. Seine Freunde gerade wollten aber, dass er ihnen erzählt, was mit ihm los war. Doch er würde sich hüten das zu tun!
 

Als er nichts sagte, sondern einfach wieder nur wegsah, begann Shuu zu lachen, woraufhin Ryo ein genervtes Seufzen entkam, und jetzt sahen alle ihn an, nur Satoshi nicht.

„Das ist echt lächerlich, Satoshi. Du stellst dich doch sonst nicht so an!“

Shuu hob fragend eine Augenbraue. „Du weißt, was er hat?“

„Ja! Ich war gewissermaßen beteiligt.“, sagte Ryo mehr als genervt. Er sah Satoshi wieder an, der sich aber immer noch mehr für seinen Teller interessierte als für alles andere. Ryo wollte etwas sagen, doch er kam nicht dazu. Shuu schnürte ihm das Wort ab.

„Woran warst du beteiligt? Hat Satoshi sich noch auf dein Zimmer geschlichen und ihr habt heimlich weiter gesoffen? Und dann habt ihr an der Rezeption angerufen, euch Nutten bestellt und ‘ne wilde Orgie gefeiert?“ Er musste lachen und auch Nii konnte nicht an sich halten. Diese Vorstellung war einfach zu lustig. Die beiden, die sonst kaum Interesse an Weibern zeigten, feierten eine Orgie. Haha. Satoshi fand das nur irgendwie gar nicht lustig, und Ryo scheinbar auch nicht.
 

„Nein. Naja, der erste Teil stimmt.“

Jetzt verstummten die beiden und sahen ihn fassungslos an. „WAS?“

„Ja, Satoshi war noch bei mir im Zimmer – warum auch immer.“ Er sah den Sängern eindringlich an. „Ich war aber nicht allein und das hat ihn offensichtlich sehr verstört.“

Jetzt machten die beiden große Augen. „Du hast noch wen abgeschleppt?!“

Er nickte, wenn auch zögerlich. Und was dann kam, war unvermeidbar. Ryo, der kleine süße Ryo, auf den die Mädchen reihenweise flogen, hatte endlich mal eine mitgenommen. Also war ihr Kleiner sehr wählerisch. So sah das für Shuu und Nii aus, und da wollten sie natürlich wissen, was für ein Rasseweib der Drummer in sein Bett gelassen hatte. Dementsprechend sprudelten alle Fragen aus den beiden hervor, die ihnen nur einfallen konnten und Ryo hatte große Mühe, da ruhig zu bleiben.

„Ich erzähl euch nichts.“, sagte er irgendwann leise und schüttelte den Kopf.

„Ah, verstehe. Ein Gentleman genießt und schweigt.“ Einen Augenblick war alles still, dann wanderte Shuus Blick eine Person weiter. „Satoshi! Wie war sie so?“

Der Sänger schluckte. Sein Blick ging kurz zu Ryo, der ziemlich angespannt aussah. Also wussten die beiden nichts von seiner Vorliebe für Schwänze in seinem Hintern. Dann würde er es ihnen bestimmt nicht erzählen. „Fragt Ryo.“, sagte er nur, stand auf und ging zurück auf sein Zimmer, um seine Sachen zu packen. Denn wenn er das erst erledigt hatte, konnten sie bald los, weg von hier. Vielleicht würde er dann auch zu gewissen Dingen, die hier geschehen waren, mehr Abstand nehmen können. Er konnte sich nämlich echt besseres vorstellen, als ständig einen nackten Ryo in seinem Kopf rumschwirren zu haben. Einen nackten Ryo, der unanständige Sachen machte.
 

Das alles wäre bestimmt einfacher gewesen, wenn Ryo nicht zu seinem Zimmer gekommen wäre, ihm gesagt hätte, dass er mit ihm reden wollte und dann minutenlang vor der Tür darauf gewartet hätte, dass er endlich aufmachte. Das alles wäre auch einfacher gewesen, wenn nicht Shuu und Nii sofort auf ihn zugestürzt gekommen wären, als er später auch nur in ihrer Sichtweite auftauchte. Wie konnten die beiden nur so verdammt neugierig sein? Dann hatte Ryo eben jemanden abgeschleppt – na und? Er wusste es und wünschte, es wäre anders. Hätte er gekonnt, hätte er nur zu gern mit ihnen beiden getauscht.
 

Irgendwann schaffte er es und vergraulte die beiden, die ihn dann die ganze Fahrt über zurück nach Chiba mit Schweigen und Ignoranz straften, doch das war ihm nur recht. Er wollte nicht reden und schon gar nicht darüber. Er war froh, wenn er seine Ruhe hatte. Und die hatte er erstaunlicherweise auch. Selbst Ryo sprach nicht mit ihm, auch wenn er einige Male etwas zu lange zu ihm sah, als dass es hätte bedeutungslos sein können. Satoshi wusste, dass er darüber reden wollte, doch er ignorierte Ryos Blicke, und als sie endlich ankamen, war er der erste, der aus dem Bus sprang und sich verabschiedete.
 

Die öffentlichen Verkehrsmittel ersparte er sich, die waren sowieso immer überfüllt, egal zu welcher Tageszeit er es auch versuchte. Ein Taxi bekam er auch nicht, also machte er sich genervt zu Fuß auf den Weg nach Hause. Er war so sehr in Gedanken versunken, dass er, als er plötzlich vor seiner Tür stand, nur verwirrt auf diese starrte und als er versuchte sich zu erinnern, wie er hier her gekommen war, musste er feststellen, dass er absolut keine Ahnung hatte. Aber Hauptsache war ja, dass er da war.
 

Als er den Schlüssel in den Tiefen seiner Taschen gefunden und aufgeschlossen hatte, stellte er seine Tasche im Flur ab und ging in die Küche, aus der er am liebsten sofort wieder rückwärts rausgegangen wäre. Selbst ein Schweinestall sah wohl ordentlicher aus als das hier. Er seufzte. Sonderlich viel Lust zum Aufräumen hatte er nicht – die hatte er eigentlich nie, aber jetzt wurde es wirklich mal Zeit, also begann er in der Küche und arbeitete sich durch seine ganze Wohnung, bis alles soweit sauber war, dass er ohne zu Zögern Gäste zu sich eingeladen hätte – wenn er denn Lust darauf gehabt hätte. Jetzt wollte er einfach nur noch seine Ruhe haben und die paar Stunden Freizeit genießen, die er hatte, ehe er morgen wieder früh aufstehen, irgendwo hinfahren und zum wahrscheinlich dreißigsten Mal die gleichen Fragen beantworten durfte. Er mochte auch diese Seite am Showbiz, aber gerade hatte er auf so etwas herzlich wenig Lust. Beinahe genau so wenig wie zur Tür zu gehen, als es läutete, doch da dieser jemand vor der Tür sich nicht mit einmal Klingeln zufrieden gab und ihm immer mehr auf die Nerven fiel, je öfter er auf diesen dämlichen Knopf drückte, ging er mit einem genervten Seufzen auf den Lippen doch mal seinen Besucher begrüßen – und das bereute er schon in der Sekunde, als er die Tür aufgemacht hatte.
 

Am liebsten hätte er die Tür sofort wieder zugeschlagen, aber blitzschnell war ein Fuß zwischen Tür und Türrahmen gestemmt und damit war’s das dann wohl. So ungern er jetzt mit ihm reden wollte, so ungern wollte er ihm auch wehtun, trotzdem versuchte er noch mehr oder minder energisch die Tür zuzumachen und den Besuch auszusperren.

„Satoshi, was soll denn das?“

Er seufzte und ließ es bleiben. Er trat einen Schritt zurück, damit Ryo reinkommen konnte und das tat der auch ohne zu zögern. Er zog Jacke und Schuhe aus und sah sich dann in der Wohnung um.

„Wow. So ordentlich sah’s hier ja schon lange nicht mehr aus.“

Er zuckte nur mit den Schultern. „Warum auch? So selten wie ich mich in letzter Zeit hier aufgehalten hab.“ Ryo nickte; das kannte er auch zur Genüge.
 

Einen Moment standen sie einfach nur da und sahen sich an. Irgendwie war ihm das mehr als unangenehm, also drehte er sich einfach um und verschwand ins Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch fallen ließ. Das genervte Seufzen des Drummers bevor er ihm hinterher kam hörte er, aber er ignorierte es getrost, ebenso wie er ignorierte, dass Ryo sich zu dicht neben ihn setzte und ihn zu durchdringend ansah.

Das hatte es alles früher nicht gegeben, dass Ryo ihm zu nah kam oder ihn zu lange ansah. Bisher war nie etwas zu viel gewesen, egal um was es ging. Es war Ryo, der hier bei ihm war. Ryo, den er 24 Stunden täglich sehen konnte ohne ihn am Ende über zu haben. Ryo, mit dem er sich immer über die Weibergeschichten von Shuu und Nii amüsierte. Ryo, mit dem er über alles reden konnte –bis jetzt.
 

Er wusste genau, warum Ryo hergekommen war, aber er würde dieses Thema bestimmt nicht selbst ansprechen. Er hatte Angst vor diesem Thema, auch wenn er nicht wusste warum.

Ryo fiel es aber auch schwerer darüber zu reden als er erwartet hatte. Sie saßen lange schweigend da. Vielleicht suchte er nach den richtigen Worten, doch welche könnten das schon sein? “Ich weiß, dass du mich gesehen hast. Es ist nicht so wie du denkst. Am besten vergisst du das alles wieder und wir benehmen uns wie vorher.“? Nein, so etwas Plattes würde Ryo nicht sagen – das hoffte er zumindest. Denn vergessen konnte er das bestimmt nicht mehr. Seit er das gesehen hatte, musste er beinahe ständig daran denken und das nervte ihn jetzt schon. Es war ja normal an seine Freunde zu denken, aber es war definitiv nicht normal, wenn man daran dachte, wie sein Freund nackt und verschwitzt war und den Schwanz eines anderen Kerles in sich hatte. Moment – was hatte er da gerade gedacht? Eines anderen…?
 

„Warum benimmst du dich so?“

Total verwirrt sah er Ryo an. Er hatte seine Worte gehört, aber wirklich zu ihm durchgedrungen waren sie nicht. Aber über das, was Ryo gesagt hatte, konnte er auch gar nicht weiter nachdenken, denn er war viel zu sehr damit beschäftigt sich selbst zu beruhigen. Natürlich hatte er nur daran gedacht, dass Ryo überhaupt einen Schwanz in sich hatte! Natürlich. An was auch sonst? Er schüttelte leicht den Kopf, was nun Ryo verwirrte. Er zog die Augenbrauen in die Höhe und wartete weiter auf eine Antwort, die aber blieb aus, also blieb ihm nichts anderes übrig als es erneut zu versuchen.
 

„Satoshi.“ Schwupps hatte er seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Woran der Sänger gedacht hatte, wollte er lieber gar nicht wissen. „Warum rennst du den ganzen Tag schon vor mir weg? Hab ich dir irgendetwas getan?“

Angesprochener runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht. Ich hab gesehen, wie du im Bett mit ’nem Kerl lagst und getan hast du da ziemlich viel.“ Ryo wurde schlagartig rot und plötzlich war er auch ganz still. Er sah jetzt lieber auf seine in seinem Schoß verschränkten Hände und versuchte ruhig zu bleiben.

„Wie kannst du denn sowas machen? Mal davon abgesehen, dass das schädlich für die Band sein kann, kann da sonst was passieren! Du hast es mir nicht mal erzählt! Wie lange bist du schon so?“ Die Worte sprudelten nur so aus ihm raus und als sie seinen Mund verlassen hatten, war es zu spät. Er wusste, dass er etwas Falsches gesagt hatte, und zurücknehmen konnte er es nicht mehr. Leider.
 

Ryos Finger verkrampften sich ineinander und von einer Sekunde auf die andere schien alle Farbe aus seinem Gesicht gewichen zu sein.

„Findest du mich jetzt eklig?“, fragte er leise, sah ihn aber nicht an.

Satoshi zögerte. Fand er ihn eklig? Nein. War er zutiefst geschockt und unsicher? Ja. Aber das konnte er doch nicht sagen!
 

Sein Stocken wurde falsch interpretiert. Ryo stand auf und wollte gehen. „Gut, wenn das so ist… dann geh ich lie-“

„Unsinn! Setz dich hin!“, sagte Satoshi harsch und überrumpelte den kleinen Drummer, der sich einfach wieder hinsetzte und ihn verdutzt ansah. „Ich find dich nicht eklig.“

„Und warum benimmst du dich dann so? Du führst dich auf wie ein Fünfjähriger, der Mama und Papa beim Sex erwischt hat und damit nicht umzugehen weiß. Du solltest doch wohl wissen, was das zu bedeuten hat, oder? Du solltest wissen, dass das nicht einfach nur eine kleine Verirrung war. Du solltest wissen, dass ich nicht bin, wie man es von mir erwartet. Gerade du! Warum kommst du damit nicht klar, Satoshi? Das ändert doch zwischen uns überhaupt nichts! Es ändert rein gar nichts! Ich bin doch kein anderer Mensch, nur weil ich nicht auf Frauen stehe, sondern auf Männer!“

Da war er platt. Mit so einer Ansprache hatte er nicht gerechnet. Ihm wurde schlagartig klar, dass er sich wirklich kindisch benahm. Manchmal war es ja ganz lustig, wenn das Kind in ihnen wieder zum Vorschein kam, aber in Situationen wie dieser war das wohl eher unangebracht.

„Warum hast du nichts gesagt?“
 

Ryo blinzelte ihn an. Und dann hätte er beinahe gelacht, so kam es Satoshi zumindest vor. „Ich sollte dir sagen, dass ich schwul bin?“ Der Sänger nickte. „Was meinst du, was dann passiert wäre?“ Keine Antwort war ja auch eine Antwort, dachte er sich. „Bei aller Liebe, aber manchmal gehst du mir wegen viel weniger wichtigen Sachen schon gehörig auf den Zeiger, da brauch ich nicht noch etwas, weshalb du mich nerven kannst.“ Als Satoshi widersprechen wollte, fuhr er ihm über den Mund. „Es reicht mir schon, dass du ständig meckerst, wie ungesund doch rauchen ist. Aber nur weil du mir das 200 Mal am Tag sagst, wird das nicht gesünder. Ich weiß, was ich mache. Wenn ich Hilfe brauche, sag ich schon Bescheid! Meinst du ernsthaft ich brauch dann noch etwas, womit du mich den ganzen Tag vollquatschen kannst?“
 

Jetzt war es Satoshi, der plötzlich sehr still war. Ryo atmete angestrengt ruhig um sich nicht noch weiter aufzuregen. Satoshi lauschte seinem Atem und ein seltsames Gefühl machte sich in ihm breit. Sicher hatte er gewusst, dass er Ryo nervte, wenn er andauernd so besserwisserisch war was das Rauchen anging, aber dass es so extrem war, hatte er nicht einmal geahnt.

„Warum sagst du nicht, dass dich das nervt?“

„Das tu ich doch! Aber du scheinst da ja ganz gut drüber hinweg sehen zu können! Warum kannst du das jetzt nicht auch?“

„Weil das was anderes ist! Ob es mir nicht passt, dass du rauchst, oder das jetzt… das ist ja wohl ein meilenweiter Unterschied!“

Ryo musterte ihn und verschränkte die Arme vor der Brust, ehe er sich zurücklehnte. „Es stört dich… dass ich auf Kerle stehe, stört dich…“

„Nein.“ Doch.

„Dann bist du so zickig, weil ich’s dir nicht gesagt hab?“

„Nein.“ Doch!

„Was ist es denn dann?“, fragte er genervt und sah ihn immer noch an.

„Weiß ich doch auch nicht, man!“, fuhr er Ryo an und bereute es im nächsten Moment fast schon wieder. Er stand auf.
 

„Ich hab keine Ahnung, okay? Es ist einfach ‘ne verdammt komische Situation. Ich wünschte, ich hätt’s anders erfahren.“

Ryo stand auch auf und ging auf ihn zu. Tapfer wie er war, blieb Satoshi stehen. „Das ist es also? Es kratzt dich nicht, dass ich auf Kerle steh, sondern dass du es gesehen hast?“

Satoshi war unsicher, aber er nickte. Ja. Ja, das störte ihn – und wie!

Ryo seufzte. „Ich wünschte das wäre nicht passiert… aber was kommst du auch einfach so in mein Zimmer geplatzt? Irgendwie bist du ja selbst schuld.“ Er grinste leicht, nur war er der einzige, der das gerade lustig fand.

„Woher sollte ich denn wissen, dass du nicht allein bist? Ich wollte nur nachsehen ob’s dir auch gut geht, immerhin bleibst du sonst auch immer bis alle ins Bett gehen. Ich dachte du wirst krank oder sowas.“

Ryos Grinsen wurde nur noch breiter. „Aww. Du hast dir Sorgen um mich gemacht? Wie süß!“ Er lachte und zog Satoshi in eine Umarmung. Der Sänger stand aber ein wenig verkrampft da und bewegte sich gar nicht, sodass Ryo ihn lieber schnell wieder losließ. Er sah ihn unsicher an und seufzte schließlich leise. „Sag mir Bescheid, wenn du wieder so weit bist.“ Er drehte sich um und ging zur Tür. „Bis morgen dann.“ Und schon war er verschwunden.
 

Satoshi stand bestimmt noch zehn Minuten einfach so da, ehe er wieder zur Couch ging und sich hinsetzte. Unweigerlich wandte sich sein Blick zu der Stelle, wo Ryo eben noch gesessen hatte und er musste an die Worte des Drummers denken. Es änderte nichts. Sie waren immer noch Freunde, alles konnte sein wie früher, wie vor diesem… Zwischenfall. Das hatte er gesagt.

Doch je länger Satoshi dasaß und darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass sich doch schon längst etwas geändert hatte.

Eigentlich war Satoshi ein Mensch, der mit Veränderungen umgehen konnte, auch wenn sie unvorhergesehen kamen. Als seine Eltern mit ihm damals vom Land nach Chiba gezogen waren und er alle seine Freunde hatte zurücklassen müssen, hatte er es verkraftet. Als seine Eltern sich kurz darauf getrennt hatten, war er zwar verstört gewesen, aber das nicht unbedingt aufgrund der Trennung, sondern weil er plötzlich mit seiner Mutter allein sein sollte, dabei hatte er doch zu seinem Vater ein viel besseres Verhältnis gehabt, aber er hatte es akzeptiert und damit gelebt. Als seine erste große Liebe ihn verlassen hatte, weil sie nach der Mittelstufe auf eine andere Schule als er gehen sollte, hatte er es gefasst getragen.

Er hatte viele einschneidende Erlebnisse hinter sich und war mit fast allem problemlos klargekommen; nur der Tod seiner Großmutter hatte ihn gehörig aus der Bahn geworfen und dafür gesorgt, dass er wochenlang vollkommen neben sich stand – diese Frau hatte er einfach abgöttisch geliebt – aber auch damit hatte er sich irgendwann arrangiert.
 

Nie wieder war etwas passiert, dass ihn so fertig gemacht hatte – und dann erwischte er Ryo mit einem anderen Mann im Bett und war plötzlich verstört wie nie zuvor. Dabei hatte er nicht einmal etwas gegen Schwule. Es war nur die Tatsache, dass es Ryo war. Er kam zwar auch mit Shuu und Nii super klar und hatte auch andere gute Freunde, aber eigentlich war Ryo doch sein bester Freund. Und er hatte nichts gemerkt. War er so blind gewesen? Oder hatte Ryo es wirklich nur gut versteckt? In seiner Vorstellung benahmen schwule Männer sich anders, femininer… aber wenn es nur danach ging, mussten fast alle Japaner in der Visual-Szene schwul sein und das war mehr als unwahrscheinlich!

Er war wohl einfach nur dumm und naiv gewesen. Natürlich sah man Menschen ihre sexuelle Gesinnung nicht an, zumindest nicht zwingend. Ausnahmen bestätigten ja bekanntlich die Regel.

Ihm war zwar klar, dass es ziemlich dumm war, aber trotzdem beobachtete er Ryo in den nächsten Tagen ein wenig genauer und tatsächlich benahm er sich wie ein ganz normaler Mann. Das erleichterte ihn ungemein.
 

Tagelang grübelte er darüber nach, was passiert sein musste, dass Ryo jetzt so war, wie er war. War er einfach neugierig gewesen? Hatte er sich in ein Mädchen mit kurzen Haaren verliebt und dann festgestellt, dass es ein Junge war?

Ob Ryo wohl schon früh damit angefangen hatte mehr auf das gleiche Geschlecht zu achten als auf Frauen, die größtenteils ja offensichtlich ansprechendere Reize vorzuweisen hatten?

Ihm fiel gerade auf, dass er eigentlich gar nichts über Ryos Vergangenheit wusste. Sicher, er wusste wo er aufgewachsen war, wann und wie er zur Musik gekommen war, und noch einiges mehr, aber das war alles nur unwichtiges Blabla. Die wirklich wichtigen Dinge hatte Ryo ihm nie erzählt und wenn er ehrlich war, er hatte nie gefragt. Hätte er es getan, hätte Ryo ihn ja vielleicht wirklich früher eingeweiht. Vielleicht auch nicht. Er wusste ja nicht über was der Drummer mit Shuu oder Nii sprach, wenn sie allein waren, aber das wussten sie nicht, davon war er überzeugt.
 

Es interessierte ihn brennend, was geschehen war, was Ryo so geprägt hatte. Vielleicht war er ja auch von Anfang an auf Jungen abgefahren und hatte es noch nie einem seiner Freunde gesagt.

Er wollte das alles wissen, unbedingt. Noch vor ein paar Tagen waren ihm diese Themen vollkommen egal gewesen, aber langsam hatte er den Schock überwunden und wollte mehr darüber wissen – einfach, weil Ryo sein Freund war. Da war es doch nur natürlich sich auch für so etwas zu interessieren, oder?

Ein Seufzen kam über seine Lippen und er winkte nur ab als Shuu fragend von seinem Laptop zu ihm aufsah. Der Bassist widmete sich wieder seinem Spielzeug, auf dessen Tasten er angestrengt einhackte. Er sah sehr konzentriert aus, also arbeitete er wohl an irgendetwas; genauso gut konnte er aber auch im Internet rumspielen und seine ganze Aufmerksamkeit den Monstern zu widmen, die er abknallen musste. Er hätte einfach aufstehen und nachsehen können, aber dazu war er viel zu faul.
 

Er gähnte herzhaft und machte sich auf der Couch lang. Er hatte noch nie begriffen, warum er dabei sein musste, wenn sie im Studio die Instrumente einspielten. Der Gesang war immer zum Schluss dran, da konnte er doch ruhig die paar Tage frei haben und auf seiner Couch rumliegen. Einmal hatte er es gewagt Shuu danach zu fragen und das war in eine endlose Diskussion über die Verantwortung, die sie alle der Band gegenüber hatten, geendet und das hatte ihn so sehr genervt, dass er es nach dieser Predigt nie wieder angesprochen hatte. Seither war er immer da und fläzte sich auf der Couch herum, tat meistens gar nichts. Bisher war er sehr beschäftigt damit gewesen über Ryo nachzudenken, aber das war ihm zu anstrengend geworden, also lag er jetzt einfach da und machte die Augen zu. Wie gut, dass er überall und immer schlafen konnte, wenn sich die Gelegenheit dazu bot; das war bei seinem stressigen Musikerleben natürlich von Vorteil, vor allem auf Tour, da war er immer schön ausgeschlafen und ausgeruht, auch wenn die Nacht oft schon nach ein paar Stunden Schlaf wieder endete.

Es dauerte nicht lange, bis er tatsächlich einschlief.
 

Als er die Augen wieder aufschlug, saß ein nackter verschwitzter Ryo auf ihm und grinste ihn an. Er sah sehr befriedigt aus. Satoshi riss die Augen auf und ihm klappte der Mund auf. Was zur Hölle war hier los?

Aber noch ehe er Panik schieben konnte, begann Ryo zu lachen und schnipste ihm gegen die Stirn, dann stand er auf und Satoshi bemerkte, dass er gar nicht nackt war, zumindest nicht ganz. Er hatte nur sein T-Shirt ausgezogen und so durchgeschwitzt war er wahrscheinlich, weil er sich stundenlang an den Drums verausgabt hatte. Ja, so war das bestimmt. Er boxte Ryo in die Seite, das heißt er wollte ihm in die Seite boxen, aber irgendwie kam er da nicht an und Ryo bewegte sich gerade ungünstig, sodass seine Hand auf seinem Hintern landete und dafür sorgte, dass beide kurz erstarrten. Ryo drehte den Kopf zu ihm und Satoshi senkte den seinen, boxte den Drummer dann aber tatsächlich in die Seite und versuchte sich nichts anmerken zu lassen. „Idiot!“

Er war nicht sicher, ob Ryo das gehört hatte, aber der Drummer drehte sich ganz um und grinste ihn an, also ging er einfach mal davon aus.

„Du hättest dein Gesicht sehen sollen!“ Er lachte so sehr, dass er sich den Bauch halten musste. „Das war zu herrlich! Schade, dass die anderen alle schon weg sind.“
 

Satoshi runzelte die Stirn. „Wo sind die denn hin?“

„Die wollten bei Shuu noch einen trinken.“

„Und warum sind die ohne uns los?“

Ryo legte den Kopf schief. „Ohne uns?“

Satoshi schluckte hart. So hatte er das doch gar nicht gemeint! Das war auch Ryo klar, denn der grinste einfach nur und zuckte mit den Schultern. „Du kannst ja gerne noch dazu stoßen.“ Sein Grinsen wurde breiter; es schien ihm großen Spaß zu machen den Sänger zu ärgern. „Ich wollte vorher noch nach Hause und duschen. Und dann mal sehen ob ich noch Lust hab.“

„Geh doch bei Shuu duschen.“

Ryo musterte ihn einen Augenblick schweigend, dann schüttelte er den Kopf. „Ich hab keine Wechselklamotten dabei und ich will euch nicht zustinken.“ Er grinste wieder, wandte sich dann aber ab und suchte die paar Sachen, die er dabei hatte, zusammen.

Satoshi raffte sich auch mal auf und streckte sich zu allererst herzhaft, wobei sein Shirt hochrutschte und ein Stück von seinem Bauch entblößte. Ryo bekam das natürlich mit und starrte ihn an. Als Satoshi zu ihm sah, leckte er sich über die Lippen und grinste. Satoshi wollte es locker nehmen und mit lachen, aber er schaffte es nicht; stattdessen verzog er das Gesicht und zog sich schleunigst den Stoff wieder über den Bauch, schnappte sich seine Jacke und verabschiedete sich dann flüchtig von Ryo.

„Bis morgen dann.“ Und schon war er weg. Dass Ryo ihm hinterher sah und schon wieder grinste, bekam er zwar nicht mit, aber er konnte sich das gut denken. Er fand sein Verhalten ja selbst kindisch.
 

Eigentlich hatte er keine Lust noch etwas zu trinken, aber nach Hause wollte er auch nicht. Allein sein mit seinen Gedanken war momentan etwas, das er gerne vermeiden würde, also ging er doch zu Shuu und gesellte sich zu den beiden ins Wohnzimmer, die vor der Spielekonsole saßen und irgendein Autospiel zockten. Auf sowas hatte Satoshi noch weniger Lust als aufs Trinken, aber da auf dem kleinen Couchtisch eine volle Flasche Sake stand, die ihn buchstäblich anlachte, setzte er sich auf das Sofa, nahm sich ein Glas und begann lustlos den Sake zu schlürfen.

Dafür, dass er das eigentlich nicht vorhatte, trank er ziemlich viel ohne es wirklich zu merken. Der Alkohol floss wie von selbst in ihn hinein, während er mehr oder minder interessiert zusah, wie die beiden langhaarigen Idioten ein ums andere Mal ihre Karossen karambolierten und sich dann einen ablachten. Hatten die auch schon so viel getrunken? Wo kamen überhaupt die ganzen Bierflaschen her?
 

Er merkte selbst, dass er schon ziemlich betrunken war, deshalb dachte er auch erst er fantasierte als Ryo plötzlich im Zimmer stand. Aber spätestens als der sich neben ihn auf die Couch schmiss und sich auch ein Glas Sake einschenkte, wurde ihm bewusst, dass der kleine Drummer wirklich da war. Er musste gucken wie ein Auto, denn Ryo grinste sich wieder nur einen. Hatten sie ihm die Mundwinkel an den Wangen festgetackert?
 

„Hätt nich‘ ‘mit gerechnet, dass du noch kommst…“, sagte er und nippte erneut an seinem Glas.

„Nicht? … Na ich musste doch kommen, so viel Spaß wie ich heute mit dir hab!“ Er lachte. Eigentlich brauchte er keinen Alkohol, er war auch so schon gut genug drauf, aber man trank ja nicht nur um gute Laune zu bekommen. Wenn es danach ging, brauchte Ryo nie etwas trinken.

„Du bist schon voll.“, stellte er fest und musterte Satoshi eindringlich, der daraufhin nur dümmlich grinste. „Wie kommsu denn darauf?“

Ryos Blick wanderte zu der noch halb vollen Flasche Sake und seine Mundwinkel bogen sich wieder nach oben. „Von dem bisschen bist du schon so drauf? Man, mit dir will ich mal tauschen. Dann bräuchte ich nicht immer so viel Geld auszugeben um mich zu betrinken.“

Satoshi streckte ihm die Zunge raus und trank demonstrativ sein Glas aus, dann sah er zu Shuu und Nii, oder zumindest dahin, wo die beiden eigentlich sein sollten, doch vor der Konsole saßen sie nicht mehr. Sein Blick wanderte durch das Zimmer und er sah Shuu gerade durch die Wohnzimmertür verschwinden.

„EY! Wo geht ihr hin?!“ Der Bassist kam noch mal zurück und sah ihn an; er schwankte leicht. Auch schon voll.

„Schlaf’n. Müde.“ Mehr sagte er nicht, ehe er sich wieder umdrehte und in sein Schlafzimmer verschwand.
 

Satoshi sah ihm einige Zeit hinterher, dann wanderte sein Blick auf sein Glas und er seufzte. „Dann muss ich jetz‘ los.“

„Warum? Ich bin doch gerade erst gekommen.“ Ryo schob die Unterlippe vor.

Erneut seufzte der Sänger. „Wenn ich jetzt nich‘ geh, muss ich hier schlaf’n. Ich renn nachher bestimmt nich‘ mehr los.“

Ryo zuckte mit den Schultern. „Und? Wo ist das Problem? Hier steht doch ‘n superbequemes ausziehbares Sofa!“

Da hatte er Recht. Und heute Nacht hier zu bleiben war wohl die einfachste Lösung. Aber wenn sie jetzt noch weiter tranken, würde Ryo bestimmt auch hier bleiben und das hieß, dass sie beide auf dem Sofa schlafen mussten, und das wiederum bedeutete, dass sie betrunken und halbnackt nebeneinander liegen würden. Nicht, dass Ryo auf dumme Gedanken kam.
 

Gerade wollte er etwas sagen, da hielt der Drummer ihm ein volles Glas vor die Nase. „Los, hab dich nicht so!“, sagte er und drückte ihm das Glas in die Hand, schenkte sich selbst auch nach und stieß mit seinem Glas gegen das von Satoshi, dann kippte er den Inhalt in einem Zug runter. Satoshi sah ihn an, machte es ihm nach und verschluckte sich prompt. Er begann zu husten und Ryo konnte sich ein schallerndes Lachen nicht verkneifen, von dem die Nachbarn, sofern sie denn nachts um eins schon schliefen, bestimmt aus ihren Betten fielen. Und Nii und Shuu schliefen nebenan wie zwei Steine, die wahrscheinlich nicht einmal zum Leben erwacht wären, hätte man sie im Teich ersoffen.
 

Als Satoshi sich wieder einigermaßen gefangen hatte, knuffte er Ryo gegen die Schulter und rieb sich dann den Hals, der immer noch ziemlich kratzte, aber er räusperte sich nur und riss sich dann zusammen. Ryo schenkte ihnen beiden nach und betrachtete dann Satoshi, der das zwar mitbekam, aber bewusst nicht zu ihm sah. Irgendwie herrschte eine komische Stimmung zwischen ihnen. Der Sänger konnte nur raten, was Ryo gerade dachte; vielleicht überlegte er sich was er tun sollte, damit er sich nicht mehr so anstellte, vielleicht dachte er darüber nach, wie er ihn weiter ärgern konnte, ja vielleicht wog er sogar ab, ob Satoshi schon voll genug war, dass er irgendetwas probieren konnte. Wer wusste das schon? Satoshi jedenfalls nicht, und wenn er ehrlich war, war es wohl auch besser, dass er es nicht wusste. Allein bei dem Gedanken daran, was gerade alles in Ryos Kopf vorgehen konnte, wurde ihm schon komisch.

Kurz riskierte er doch einen Seitenblick auf den Kleineren, der dasaß und ihn immer noch ansah. Satoshi überlegte. Jetzt waren sie allein, und er war ziemlich angetrunken. Das war doch eigentlich eine gute Gelegenheit, ein bisschen mehr von Ryo zu erfahren, oder? Sollte er später nach dem Grund dafür fragen, konnte er es immer noch auf den Alkohol schieben. Wahrscheinlich würde er das sogar machen. Das war doch mal ein guter Plan.
 

„Ich will dich was fragen.“, sagte er ruhig und der Drummer sah ihn gespannt an. Satoshi zögerte; vielleicht war das doch nicht so eine gute Idee gewesen. Aber nun hatte er angefangen, jetzt konnte er ja wohl kaum noch einen Rückzieher machen.

„… Wie hat das alles angefangen?“

Ryo schwieg. Er schwieg lange. Dachte er nach? Satoshi traute sich nicht ihn anzusehen. Und dann endlich tat Ryo etwas. Er seufzte. „Willst du das wirklich wissen?“

Wollte er das? Ja. Er nickte. „Sonst hätt‘ ich nich‘ gefragt.“

Wieder ließ Ryo sich Zeit mit seiner Antwort. „Und warum willst du das wissen? Kam mir bisher nicht so vor als würdest du dich sonderlich dafür begeistern, dass ich…“ Seine Worte verloren sich.

Jetzt sah Satoshi ihn doch an. „Erzähl’s halt nich‘, wenn du nich‘ willst.“ Er griff nach seinem Glas und stellte fest, dass es leer war. Wann hatte er das denn schon wieder ausgetrunken?
 

„Das ist es nicht.“, sagte Ryo leise und rutschte unruhig auf seinem Platz herum. Zumindest kam es Satoshi so vor. „Du bist nur der erste, den danach fragt. Da hat sich noch nie jemand ernsthaft für interessiert.“

„Kein Wunder.“ Ryo sah ihn fragend an. „Na wenn du’s niemandem sagst.“ Satoshi zuckte leicht mit den Schultern und sorgte dafür, dass sein Glas wieder voll wurde.

Ryo sah ihn an. War er wirklich so überrascht, dass Satoshi von sich aus mit ihm über dieses Thema sprach? Schon möglich, so wie er sich seither anstellte, aber er konnte eben auch nicht aus seiner Haut.

„Das hat auch ‘nen guten Grund.“, sagte er bestimmt.

„Der wäre?“

Er seufzte. „Ich hab’s früher mal meiner besten Freundin erzählt. Die war davon alles andere als begeistert, hat’s rumerzählt, und schon stand ich allein da. Ich wollte sowas nicht noch mal.“

„Tolle Freunde. Und du glaubst, so sind wir auch?“

Ryo fuhr sich durch die Haare. Irgendwie wurde er gerade wirklich hibbelig. Er wirkte beinahe nervös und unruhig, ganz anders als Satoshi, der selbst erstaunlicherweise ruhig dasaß und auch ohne großartige Umschweife sagen konnte, was er wollte. Im Stillen dankte er dem Alkohol dafür, dass er seine Zunge so sehr lockerte.
 

„Du solltest uns besser kennen.“, sagte Satoshi, der immer mal wieder ein paar Schlucken trank.

„Ich weiß…“, kam es reumütig von Ryo und er leckte sich über die trockenen Lippen. „Aber deine Reaktion war ja auch nicht von schlechten Eltern. Das hat mich verunsichert…“

Ein trockenes Lachen kam über Satoshis Lippen. „Hätt ich nich‘ mit ansehen müssen, was du da getan hast, sondern es von dir gesagt bekomm‘, wär das bestimmt anders gewesen.“

„Jetzt fang doch nicht damit an! Glaubst du ich wollte, dass du’s so erfährst? Ich kann mir echt Besseres vorstellen als von dir auf ‘nem anderen Kerl erwischt zu werden!“

Satoshi schluckte. Hatte er sich gerade verhört? „Was?“

„Was, was?“ Ryo sah ihn verständnislos an. Hatte er gar nicht mitbekommen, was er da gesagt hatte? Oder hatte Satoshi sich das einfach nur eingebildet?

Ein genervtes Geräusch entkam dem Drummer. Er atmete tief durch und sah Satoshi dann ernst an. „Lass uns darüber bitte nicht mehr reden.“

„Okay.“ Damit war er mehr als einverstanden. Obwohl… irgendwie doch nicht.
 

„Jetzt weiß ich’s ja eh. Also erzähl weiter.“

Ryo sah ihn unsicher an. Dass man den Drummer mal so zu Gesicht bekam, war schon eine Seltenheit. Doch so richtig schien er nicht zu wollen. Wunderte ihn aber auch nicht wirklich, wenn er das wirklich schon lange niemandem, der ihm wichtig war, mehr erzählt hatte. Wann war das wohl gewesen, als dieses Mädchen ihn vor allen bloßgestellt hatte?

„Was soll ich denn da erzählen? Da gibt’s nicht viel…“

„Doch, gibt’s bestimmt… Wie alt warst du?“ Satoshi wunderte sich selbst darüber, wie locker er das gerade alles nehmen konnte. Und wieder einmal dankte er seinem Freund, dem Alkohol, für seine wunderbaren Taten.

„Als ich gemerkt hab, dass ich anders bin?“

„Ja.“ Automatisch nickte Satoshi. Doch Moment! Gerade wollte er noch ein Nein hinterher schicken, da fing Ryo schon zu erzählen an. Er erzählte nicht einfach nur, er redete wie ein Wasserfall, die Worte sprudelten nur so aus ihm raus. Da hatte wohl einer wirklich Redebedarf.
 

„Dass ich anders bin, hab ich schon früh gemerkt. Ich hab mich nie sonderlich für Mädchen interessiert, aber hatte trotzdem ein paar Freundinnen, weil es eben dazu gehörte. Alle hatten eine Freundin, und weil ich bei den Mädchen beliebt war, hatte ich auch immer eine. Und die waren immer total glücklich, auch wenn sie mich eher genervt haben. Ich hatte selbst noch ‘ne Freundin, als ich mich in den Mädchenschwarm der Schule verknallt hab, weil ich Angst hatte, dass es sonst auffällt. Du glaubst gar nicht, wie glücklich ich war, dass ich mich mit ihm so gut verstanden habe. Und einen Abend waren wir bei mir, haben heimlich Bier getrunken und uns einen Film angeschaut, den er mitgebracht hatte…“ Hier zögerte Ryo. Er sah auf seine Hände, mit denen er unruhig an seinem Glas herum hantierte.

„Es war ein Porno.“, sagte er dann leise, starrte aber immer noch angestrengt auf seine Hände. „Und ich fand das nicht unbedingt toll, hab aber natürlich nichts gesagt. Dann hat er plötzlich seine Hose aufgemacht und mir total stolz seine Latte gezeigt. Er wollte, dass ich ihm meine auch zeig, aber ich wollte nicht, weil ich keine hatte. Gott, war mir das peinlich.“

Das könnte Satoshi sich vorstellen. Er selbst hatte so etwas nie erlebt und war darüber auch ganz froh. Plötzlich musste er sich vorstellen, dass Ryo hier und jetzt seine Hose aufmachte und sich vor ihm einen runter holte und bei dem Gedanken war ihm alles andere als wohl, aber er wusste, dass der Drummer das nie im Leben machen würde, also drängte er diesen Gedanken lieber ganz schnell in die dunkelste Ecke seiner Hirnwindungen, wo sie sich hoffentlich für lange lange Zeit verstecken würde.
 

„Noch peinlicher war mir aber, dass ich nicht aufhören konnte, ihm zuzusehen, als er angefangen hat sich es sich zu machen, und dabei selbst scharf geworden bin. Er hat es gemerkt und mir die Hose ausgezogen, als ich nicht wollte. Naja, er wollte, ich aber nicht. Also haben wir gerangelt und sind schließlich neben dem Bett gelandet, aufeinander. Und ich hab seinen Schwanz gespürt und er meinen… Das war ganz komisch… Plötzlich lagen wir da und haben es uns gegenseitig gemacht. Er ist zum Glück gleich eingeschlafen. Und ich bin auf Klo gegangen und hab’s mir dirket nochmal gemacht.“

Er war wieder still. Und Satoshi, der bis vor ein paar Minuten dank Alkohol noch mehr als locker drauf gewesen war, saß nun total verkrampft da und er spürte, dass er puterrot angelaufen sein musste. So genau hatte er das nun wirklich nicht wissen wollen!
 

Kurz schielte er zu Ryo, der es sich mittlerweile bequemer gemacht hatte und sich entspannt in das Sofa zurücklehnte. Er schien in Gedanken zu sein, so wie er mit seiner Haarsträhne spielte, sie immer und immer wieder um seinen Zeigefinger wickelte, nur um sie dann wieder glatt zu ziehen.

Ein wehmütiges Seufzen kam von seinen Lippen. „ Da war alles noch in Ordnung gewesen. Am nächsten Morgen hatte er getan als wär‘ nichts gewesen, aber ich wusste, dass er es nicht vergessen hatte und dass es keinesfalls normal für ihn gewesen war so etwas zu tun. Für welchen 14-Jährigen ist sowas schon normal?“ Er sah Satoshi fragend an, wartete aber gar nicht auf eine Antwort, sondern fuhr in seinem Monolog fort. Und der Sänger wurde immer verkrampfter, versuchte aber sich nichts anmerken zu lassen – als hätte er irgendwie verbergen können, dass seine Knöchel schon weiß hervortraten, weil er seine Hände so angestrengt in das Sofa krallte.
 

„Ich wollte das nochmal machen, hab mich aber nicht getraut ihn darauf anzusprechen, weil er mich seitdem immer so komisch angesehen hat. Irgendwann kam er mich dann zu Hause besuchen und da wusste ich dann auch warum. Es ging ihm genauso wie mir, hat er gesagt. Ich hab ihm geglaubt, und das noch ein paar Mal mit ihm gemacht. Es war schön, ich war glücklich, also hab ich ihm einen geblasen, als er danach gefragt hat. Und ich hab auch mit ihm geschlafen, als er es wollte. Und glaub mir, es war alles andere als schön. Wir hatten beide absolut keine Ahnung, wie das funktioniert. Er hat ihn einfach so reingesteckt und losgelegt, weil’s bei Mädchen ja auch so ging. Und als ich danach geheult hab vor Schmerz, hat er gesagt, dass es mit Mädchen mehr Spaß machte, weil die ja wenigstens stöhnten und sich nicht so egoistisch benahmen wie ich. Danach haben wir nie wieder ein Wort gewechselt.“
 

Satoshi holte tief Luft. Er konnte nicht glauben, dass Ryo ihm das gerade wirklich alles erzählte. Er wollte es nicht glauben. Noch weniger wollte er allerdings glauben, was er währenddessen tat. Er saß nämlich nicht nur da und hörte zu, er stellte sich das alles bildlich vor, er konnte einfach nicht anders! Hätte er den Alkohol vor Kurzem noch auf ewig Dankbarkeit schwören gewollt, hätte man ihn nur danach gefragt, so verfluchte er dieses Gesöff gerade zutiefst. Er wollte nicht an so etwas denken, keinesfalls! Und trotzdem konnte er nicht anders.

Er schwor sich, nie wieder einen Tropfen Alkohol anzurühren, wenn er mit Ryo allein war. Das gerade reicht ihm auf Lebenszeit. Mehr brauchte er davon nicht. Ryo schien da aber anderer Meinung zu sein.
 

„Danach hab ich mehrere Jahre niemanden an mich rangelassen, weder Mädchen noch Jungs. Schon gar nicht Jungs. Erst als ich 17 war, hab ich jemanden getroffen, dem ich vertrauen konnte. Das war dann meine erste richtige Beziehung. Die ging aber nicht solange, weil Yuri dann alles ausgeplaudert hat und das wurde ihm zu viel, also hat er Schluss gemacht.“ Ryo bekam einen traurigen Zug um die Mundwinkel herum. „Dachte er etwa, das wäre nur für ihn schlimm gewesen?“

Er seufzte und stellte sein Glas auf den Tisch, dann sah er Satoshi an. „Jetzt hab ich dich geschockt, was? Tut mir leid…“

Langsam drehte er seinen Kopf zu Ryo und schluckte alles, was ihm gerade auf der Zunge lag, herunter. Er hielt die Klappe, denn immerhin war er es gewesen, der gewollt hatte, dass Ryo darüber spricht. Er war also gewissermaßen selbst schuld daran, dass er nun noch mehr dieser… unschönen Dinge durch seinen Kopf spuken hatte. Aber woher hätte er auch ahnen sollen, dass Ryo ihm gleich so viel erzählte?
 

Nach einigen Augenblicken hatte er sich soweit gefangen, dass er wenigstens den Kopf schütteln und ein „schon okay“ murmeln konnte, mehr brachte er aber echt nicht heraus. Das schien auch Ryo zu bemerken, warum sonst sah er ihn jetzt so komisch an?

Der Kleinere lächelte leicht und stand dann auf, zog Shuus Couch aus und breitete die beiden Decken aus. Er wollte schlafen. Satoshi eher nicht. Er würde sicher wieder kein Auge zumachen können, aber auch das sagte er nicht. Stattdessen zog er sich wortlos seine Hose aus und schlüpfte dann unter eine der beiden Decken, die er sich bis zum Kinn hochzog. Er schloss die Augen, öffnete sie aber gleich wieder. Keine gute Idee.

Als er hörte, wie etwas raschelte, sah er neben sich. Ryo zog sich auch gerade aus. Er musste schlucken. Es würde schon nichts passieren – hoffentlich.
 

Als Ryo nur noch seine Shorts am Leib trug – mal wieder eine seiner heißgeliebten Mickey Mouse-Teile, von denen Satoshi sich schon immer gefragt hatte, wo er die überhaupt in seiner Größe herbekam, schließlich zogen so was doch nur Kinder an – krabbelte er auf die Couch, machte aber keine Anstalten sich hinzulegen. Er kam ganz dicht an Satoshi heran und hielt erst inne, als er mit dem Oberkörper leicht über den Sänger gebeugt war. Er sah ihn ernst an, dann lächelte er und beugte sich runter, um ihm einen Kuss zu geben.

So plötzlich, wie das gekommen war, war es auch schon wieder vorbei. „Gute Nacht.“, sagte Ryo noch und hopste dann vom Bett, um eilig Badezimmer zu verschwinden. Satoshi starrte ihm nach. Was war da eben passiert? Hatte er sich das auch wieder nur eingebildet oder hatten sie sich eben geküsst?

Nein, so war das falsch. Ryo hatte ihn geküsst. So und nicht anders. Und warum? Warum zum Teufel machte er sowas? Wollte er ihn wieder nur ärgern? Wenn ja, dann war ihm das durchaus gelungen. Satoshi glaubte nun die ganze Nacht lang wach neben Ryo liegen zu müssen, zuhören zu müssen, wie er schläft, sich vorstellen zu müssen, wie der kleine Drummer entjungfert wurde.

Er hatte diesen Gedanken noch nicht einmal zu Ende geführt, da fielen ihm schon die Augen zu und er schlief selig ein.
 


 

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Das nächste Kapitel wird wohl nicht so schnell fertig sein, da ich demnächst umziehe und erstmal ziemlichen Stress habe. Wenn das geschafft ist, schreib ich aber bestimmt bald weiter =3

Als Satoshi am nächsten Morgen wach wurde, war ihm ungewöhnlich warm. Er wollte seine Decke wegstrampeln, aber aus irgendeinem Grund konnte er sich kaum bewegen. Er brummte irgendetwas und kniff die Augen zusammen; vorteilhafter wäre es natürlich gewesen sie zu öffnen, aber es war ihm schon hinter geschlossenen Lidern zu hell in seinem Schlafzimmer. Aber warum nur? Normalerweise schien die Sonne doch erst abends hier herein.

Er öffnete die Augen kurz und blinzelte, schloss sie aber gleich wieder. Okay, er war nicht zu Hause. Sein Schlafzimmer sah anders aus und auch in seinem Wohnzimmer befand er sich nicht. Er versuchte sich zu erinnern, was gestern geschehen war, aber sein Hirn war mehr als träge an diesem Morgen und je mehr er versuchte sich zu erinnern, desto stärker wurde diese dämliche Schmerz hinter seiner Stirn, welche er sich sogleich rieb und dann fiel ihm plötzlich alles ein! Und langsam wurde ihm auch bewusst, warum ihm so verdammt warm war und er sich nicht bewegen konnte. Das passierte nun mal, wenn ein gewisser jemand sich nachts heimlich seine Kuscheleinheiten holte und ihm das so sehr gefiel, dass er beschloss ihn festzuhalten, damit er nicht einfach aufstehen konnte. Selbst wenn das unbewusst war, es nervte ihn!
 

Er sah auf die Hand an seinem Bauch, die sich plötzlich zu bewegen begann. Er atmete tief durch. Wie kam Ryo nur dazu, sowas zu machen? Der Kuss war ja schon schlimm genug gewesen, und jetzt auch noch sowas?

Der Kuss! Seine Augen weiteten sich nur noch mehr, als er realisierte, dass Ryo ihn gestern auf die Lippen geküsst hatte. Auch das war nur kurz gewesen, und es hatte ihn verwirrt. Was sollte das alles so plötzlich? Dachte Ryo, nur weil er jetzt über alles Bescheid wusste, konnte er ja ihn als Freundersatz nehmen, wenn er gerade keinen potenten Fremden zur Hand hatte? Soweit kam das noch!
 

Er schluckte und bewegte sich leicht, doch die Umarmung wurde nur noch fester, sodass sein angewinkelter Arm, auf dem er lag, langsam unter seinem Gewicht taub wurde.

„Mhhh…~“

Er erschrak, als sich die Hand unter sein Shirt schob und zielstrebig höher wanderte. Als sie an seiner Brust angekommen war, fummelte sie etwas an seinen Brustwarzen herum, aber nur kurz, dann wurden die Bewegungen anders. Die Hand fummelte nicht mehr, sie tastete viel eher, und blieb dann unschlüssig liegen.

„Hast du schon mal über Implantate nachgedacht?“, nuschelte es in seinen Nacken und schon wieder erschrak er, denn das war definitiv nicht Ryos Stimme gewesen!

Er drehte den Kopf um und sah hinter sich – eher halb auf sich – Nii. Wie der hierhergekommen war, war ihm gerade mehr als nur egal. Mit einem Ruck machte er sich von dem Langhaarigen los und schlug ihm mit der flachen Hand gegen die Stirn, worauf hin er ein ersticktes Geräusch machte und dann die Augen öffnete. Verwirrt sah er den Sänger an.

„Nanu, Satoshi… Wo ist denn die…“ Aber Satoshi ließ ihn gar nicht aussprechen. „Die was? Dachtest du, du liegst mit ‘ner Tussi im Bett?!“, fuhr er ihn an. „Danke, dass du an mir rumgefummelt hast, das brauchte ich heute Morgen unbedingt!“ Er funkelte ihn an. „Zum Teufel, was machst du überhaupt hier?!“
 

Langsam rührte sich auch Ryo und lugte müde hinter Nii hervor. „Wasch’n losch?“, nuschelte er und sah den Sänger an, der bei seinem Anblick ganz still wurde. Als Satoshi nichts sagte, legte er sich wieder hin, machte die Augen zu und kuschelte sich an Nii, nur um einen Augenblick später wie von der Tarantel gestochen hochzufahren und Nii mit weit aufgerissenen Augen anzustarren. „Was… was…“

Der Gitarrist seufzte. „Was stellt ihr euch so an? Shuu hat so laut geschnarcht, da bin ich eben hier rüber gekommen. Eigentlich wollte ich nur auf Klo gehen und mir dann wieder anhören, wie er Bäume fällt, aber dann hab ich hier ‘nen Blick rein riskiert und gesehen, dass bei euch genug Platz ist. Selbst schuld, wenn ihr euch beide soweit an den Rand drängt, dass ihr fast von der Couch kippt.“ Er zuckte mit den Schultern. „Da war’s mir echt lieber möglicherweise mit einem von euch zu kuscheln, als die ganze Nacht kein Auge zuzutun.“ Er wandte sich Satoshi zu und grinste breit. „Und tut mir leid wegen eben… Du warst sowieso keine sonderlich hübsche Frau.“

Satoshi legte die Stirn in Falten und sagte lieber gar nichts dazu, aber Ryo betrachtete die beiden eingehend und verschränkte schließlich die Arme vor der Brust. „Was habt ihr gemacht?“ Beide sahen sie den Drummer an, aber Satoshi blieb eisern und hielt seinen Mund. Nii stattdessen lachte nur und kletterte mühsam über Ryo, wobei ihm der halbe Arsch aus der Hose hing, auf den Satoshi die beste Sicht hatte – und er war alles andere als begeistert – ehe er aufstand und sich streckte, und Satoshi hatte schon Angst, dass seine Shorts gleich einen kompletten Abgang machen würde, aber glücklicherweise blieb ihnen dieser Anblick verschont. Nun gut, ihm. Ryo hätte sich darüber ja vielleicht gefreut. Woher sollte er das schon wissen?

„Satoshi steht nicht auf Kuscheln mit Freunden.“, sagte der Gitarrist gleichgültig und verschwand dann, aber nicht ohne sich bei seinem Abgang dezent am Arsch zu kratzen, was dafür sorgte, dass dem Sänger ein kalter Schauer über den Rücken lief.
 

„Was meinte er?“, fragte Ryo und musterte ihn, doch eigentlich hatte Satoshi gar keine Lust darüber zu reden. Dann hatte Nii eben nachts mit ihm gekuschelt. Na und? Wenn er das jetzt Ryo erzählte, würde der sich wahrscheinlich einen lachen über sie beide und das war’s dann. Also konnte er es ebenso gut auch bleiben lassen.

Doch Ryo ließ nicht locker. „Satoshi, was hat er gemeint mit ‘Du warst ‘ne hässliche Frau.‘?“

Der Sänger seufzte. „Nii hatte in der Nacht anscheinend das Bedürfnis nach menschlicher Nähe.“, sagte er leise und hoffte, dass Ryo sich damit zufrieden geben würde, aber das war eine Fehlanzeige.

„Hat er mit dir gekuschelt?“ Er hatte mit einem Grinsen gerechnet, aber seltsamerweise war Ryo vollkommen ernst. Vielleicht hatte er ja auch ‘nen Kater.
 

Stumm nickte der Sänger und betrachtete Ryo. Dass er so verschlossen auf so etwas Dämliches reagieren würde, hätte er nie gedacht, aber er wollte darüber nicht allzu viel nachdenken, denn das würde seine Kopfschmerzen nur noch verschlimmern, also legte er sich wieder hin und schloss die Augen.

Einige Augenblicke herrschte vollkommene Stille, dann hörte er ein Rascheln und er dachte schon, dass Ryo aufstand, aber dann spürte er wie die Couch neben ihm leicht nachgab und plötzlich wurde er unruhig. Sofort öffnete er wieder die Augen und der Drummer stockte in seiner Bewegung, sah ihn fragend an. „Was ist?“

„Lass es lieber.“, kam es leise über Satoshis Lippen, doch Ryo zeigte sich unbeeindruckt und hob nur eine seiner Augenbrauen.

„Was bitte soll ich lassen?“

„Das, was du vorhast.“

Nun bildete sich ein kleines Grinsen auf seinen Lippen. „Was hab ich denn vor?“

Diese Frage irritierte ihn. Wollte Ryo ihn nur auf die Probe stellen oder ärgern oder vielleicht beides? Er zögerte und je länger er ihm eine Antwort schuldig blieb, desto ausgeprägter zeigten sich die Grübchen in den Wangen des Jüngeren.

„Jetzt tu doch nicht so doof!“, kam es schließlich von Satoshi und er verzog die Lippen zu einem kleinen Schmollmund, ohne dass er es wirklich merkte. „Lass es einfach bleiben.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und wandte Ryo seinen Rücken zu. Doch wie hieß es noch gleich? Ein schöner Rücken kann auch entzücken.
 

Ryo machte nämlich nicht den Eindruck als wollte er ihn jetzt in Ruhe lassen und das tat er auch nicht. Auch wenn Satoshi schon mit irgendetwas gerechnet hatte, war er dennoch erstaunt als Ryo sich tatsächlich von hinten an ihn schmiegte und einen Arm zwischen Satoshis Arm und seinen Körper schlang. Dem Sänger lief ein Schauer über den Rücken. Dieser Morgen war sonderbar. Sehr sonderbar.

Er wollte etwas sagen, doch er wusste nicht was. Er wollte etwas tun, doch auch da fiel ihm auf Anhieb nichts Gutes, nichts Richtiges ein. Also ließ er Ryo tatsächlich gewähren, auch wenn das ein verdammt merkwürdiges Gefühl war. Nach ein paar Minuten wurde es ihm aber doch zu viel und er schob den kleinen Drummer von sich so gut es in seiner Position eben ging, woraufhin Ryo ihn stumm betrachtete und sich dann einfach löste.

„Was ist? Mit Nii hast du doch auch gekuschelt.“ Seine Stimme war leise und Satoshi konnte nicht recht einschätzen, ob der andere jetzt sauer war oder irgendetwas, also versuchte er einfach ruhig zu bleiben.

„Ja, weil ich geschlafen hab.“

„Sicher, dass es daran lag?“

Jetzt drehte Satoshi sich doch wieder um und sah ihn an. „Natürlich bin ich da sicher!“

Einige Augenblicke der Stille verstrichen, in denen Ryo ihn nur ansah und offensichtlich versuchte einzuschätzen, ob das stimmte. Satoshi konnte seine Zweifel sehen, konnte seine Gedanken geradezu erahnen, aber es war ja auch nicht weit hergeholt, wenn er davon ausging, dass Ryo sich gerade fragte, ob er nur nicht wollte, weil er schwul war. Aber daran lag es nicht. Oder vielleicht doch? Satoshi war sich selbst nicht sicher, er wusste nur, dass er gerade mit niemandem kuscheln wollte. Nicht mit Ryo, und schon gar nicht mit Nii.
 

Ryo ersparte es ihnen beiden danach zu fragen und versuchte die Situation wieder etwas aufzulockern. „Oder liegt es einfach daran, dass du nicht gerne vorne liegst?“

„Huh?“

Er grinste, was Satoshi nur noch mehr verwirrte, und ganz vorbei war es als der Drummer sich umdrehte und dann so wieder zu ihm heran gerobbt kam, dass sie sich in der Löffelchen-Stellung befanden, was dem Sänger nicht unbedingt angenehmer war, vor allem da Ryo ihm wirklich extrem nahe kam und er unweigerlich an nicht unbedingt jugendfreie Dinge denken musste. Er schluckte und schloss einen Moment die Augen um sich wieder zu besinnen, dann stand er einfach auf und flüchtete sich ins Bad. Er brauchte mal einen Moment Ruhe, ganz für sich allein, und da irgendwer schon in der Küche herumhantierte und er in Shuus Schlafzimmer nicht unbedingt wollte, blieb da ja nur noch das Badezimmer über. Aber selbst das war besser als noch weiter halbnackt mit Ryo allein auf der Couch zu sein.
 

Er schloss hinter sich die Tür ab und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Ryo machte ihn echt fertig. Und das nicht unbedingt, weil er schwul war – damit hatte er sich so langsam abgefunden – sondern viel eher mit dem Verhalten, das er an den Tag legte, seit Satoshi es herausgefunden hatte. Warum er ihn ständig damit aufziehen musste, wusste er nicht, aber er konnte damit leben. Nur gestern war es zu viel gewesen und heute Morgen auch, definitiv. Es reichte ihm. Wenn Ryo wollte, dass das zwischen ihnen so bleib wie vorher, dann musste er damit aufhören!

Aber was, schoss es ihm plötzlich ein, was, wenn Ryo das gar nicht wollte? Vielleicht hegte er ja noch ein anderes Interesse an ihm und jetzt, da Satoshi in sein Geheimnis eingeweiht war, konnte er es ja endlich mal versuchen. Oder so ähnlich.

Satoshi seufzte schwer. Warum konnte es nicht einfach wieder so sein wie noch vor ein paar Wochen? Er wusste nicht, ob er damit klar kommen würde, wenn Ryo wirklich mehr für ihn empfand als bloße Freundschaft.
 

Als er nach einigen Minuten wieder ins Wohnzimmer kam, war der Raum leer. Dann war Ryo wohl auch schon in der Küche. Er atmete erleichtert aus und sammelte seine Klamotten vom Boden auf, um sich wieder anzuziehen. Er war gerade erst in die Hose gestiegen, da bekam er wieder Gesellschaft von Ryo, der prompt stehen blieb und ihn regelrecht anglotzte, so kam es zumindest Satoshi vor. Na wenigstens hielt er seine Klappe.

Doch da hatte er sich zu früh gefreut, auch wenn er etwas sagte, das er nie erwartet hätte.

„Frühstück ist fertig. Nii hat Würsten gemacht. Der immer und seine Würstchen, es wundert mich echt, dass er nicht schwul ist!“

Er sagte das so trocken und witzlos, aber Satoshi musste sich prompt vorstellen wie Nii an einem seiner heißgeliebten Würstchen herum lutschte anstatt es zu essen und diese Vorstellung war so absurd, dass er am liebsten laut losgelacht hätte, sich das aber verkniff und stattdessen weiter anzog. Trotzdem war er so abgelenkt, dass er erst merkte, dass er seinen Reißverschluss nicht problemlos hochziehen konnte, weil da noch was im Weg war, als es schon zu spät war.
 

Sofort schossen ihm Tränen in die Augen und er verzog das Gesicht, denn das tat gerade verdammt weh! Er krümmte sich vor Schmerz und zog den Reizverschluss so schnell wie möglich wieder runter. Der Schmerz wurde weniger, aber er blieb.

Als Ryo, der besorgt an ihn herangetreten war, die Hand auf seine Schulter legte, zuckte er zusammen, weil er den schon ganz vergessen hatte. Er nickte leicht, schüttelte dann aber den Kopf und stellte sich langsam wieder aufrecht hin.

Ryo sah unverhohlen auf seinen Schritt und konnte sich offenbar denken, was passiert war, wenn er es nicht sogar mit eigenen Augen mit angesehen hatte, und wirkte wirklich besorgt.

„Also wirklich… dass du dich lieber selbst verstümmelst als ein bisschen mit mir zu kuscheln, überrascht mich nun echt. Tse tse tse…“ Er schüttelte leicht den Kopf und versuchte sein Grinsen zu unterdrücken, was ihm aber nicht so recht gelang. „Das musst du kühlen, bevor’s blau wird. Eiswürfel sind wohl am besten.“

„Ja, damit er mir abfriert oder was?!“, fuhr er den Drummer an und drehte sich von ihm weg. Er sah an sich herunter und schluckte. Er traute sich kaum sich das Unglück anzusehen. Stattdessen machte er sich die Hose zu, war diesmal aber verdammt vorsichtig dabei und atmete dann erleichtert aus, weil er nicht so dumm gewesen war und sich erneut so weh getan hatte.
 

„Ich wüsste etwas, das noch besser hilft…“, sagte Ryo leise und als Satoshi sich umdrehte, sah er, dass Ryos Blick unfokussiert war, ganz so als wäre er tief in Gedanken versunken. Da stellte sich ihm doch glatt die Frage, ob er das überhaupt wollen würde.

Nach einigen Augenblicken schien Ryo seine Gedanken abgeschüttelt zu haben und sah ihn wieder richtig an. Wieder vergingen einige Momente, dann kam er zu ihm und stellte sich ganz dicht vor ihn. Sein Blick schweifte wieder an dem Sänger herab und Satoshi war als funkelten seine Augen, als er ihn wieder ansah.

„Soll ich pusten?“, fragte Ryo so unschuldig, dass es dank der Zweideutigkeit dieser Worte schon wieder anrüchig wurde und es ihm heiß und kalt gleichzeitig den Rücken hinunter lief. Ryo kam noch dichter, und Satoshi wich langsam zurück – zu dumm, dass er nach einem Schritt schon die Wand im Rücken hatte und ihm keine andere Möglichkeit einfiel sich in Sicherheit zu bringen.

„Soll ich?“, hakte der Drummer noch einmal nach und verzog die Lippen dabei zu einem Schmollmund, ehe er sich leicht über die Unterlippe leckte. Satoshi versuchte sich einzureden, dass das alles wieder nur Neckerei war, aber ganz so sicher war er sich da gerade nicht, denn Ryo wirkte wirklich entschlossen. Satoshis Gedanken waren am rotieren; was sollte er tun, was sagen? Gab es überhaupt etwas, womit er diese Situation entschärfen konnte?
 

„Hey ihr zwei!“

Sie waren so sehr aufeinander fixiert gewesen, dass sie tatsächlich beide zusammenzuckten und dann nahezu synchron den Kopf Richtung Tür wandten, in der Nii stand und sie mit in die Hüfte gestemmten Händen ansah. „Hört auf rumzualbern und kommt endlich essen! Die Würstchen werden sonst kalt!“, meckerte er und zog auch schon wieder ab. Satoshi hatte schon wieder das Bild von Nii und den Würstchen vor Augen.

Nur Sekunden später hörten sie ihn mit der Faust gegen die Schlafzimmertür hämmern, hinter der Shuu irgendetwas sagte, was nicht bis zu ihnen vordrang, woraufhin Nii das Zimmer stürmte. Satoshi konnte sich lebhaft vorstellen, wie er Shuu weckte. Bei so etwas kannte er nie Erbarmen.
 

Langsam wandte Satoshi seinen Blick wieder Ryo zu, der nun gar nicht mehr so entschlossen wirkte. Er hatte den Kopf zur Seite gewandt und gesenkt und biss sich leicht auf die Unterlippe.

Das war Satoshis Chance, ihn von sich wegzuschieben, das ganze hier ein für alle male zu beenden, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Statt einfach wegzugehen und Ryo für den Rest des Tages zu ignorieren, wie er es eigentlich vorgehabt hatte, blieb er stehen und sah den Drummer an, der plötzlich irgendwie niedergeschlagen wirkte. Gott, war es ungewohnt ihn so unsicher zu sehen!

„Du solltest damit aufhören.“, sagte er leise, woraufhin Ryo ihn ansah.

„Womit?“

Satoshi hob eine Augenbraue. Spielte er schon wieder mit ihm? Er musste davon ausgehen, denn all das konnte doch unmöglich Ryos ernst gewesen sein! Warum sollte sein bester Freund ihn plötzlich küssen? Warum sollte er mit ihm kuscheln wollen? Und warum zum Teufel sollte er auf sein Wehwehchen pusten wollen? Er fand darauf keine Antwort. Nicht, weil es keine gab, sondern einfach, weil er keine finden wollte. Er wollte nicht, dass Ryo das wollte, also war es auch nicht so.

Ohne noch etwas zu sagen schob er den Drummer von sich und versuchte so normal wie möglich zu gehen, als er das Wohnzimmer verließ, denn scheiße ja, er hatte Schmerzen und er wollte, dass die aufhörten, zusammen mit dem ganzen anderen Unsinn, der momentan in seinem Leben vorging!
 

____
 

Okay, das war jetzt doch noch vor'm Umzug! :D

Irgendwie ist das Kapitel komisch geworden, aber ich hoffe ihr verzeiht mir. Ich hatte die ganze Zeit 'nen vor Schweiß triefenden und vor Anstrengung keuchenden Handwerker nicht mal zwei Meter von mir entfernt. :''''D
 

Das nächste Kapitel gibt's aber echt erst nach meinem Umzug :P

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Nie hätte Satoshi gedacht, dass er selbst einmal eine sexuelle Erfahrung mit einem anderen Mann haben könnte, auch nicht, als ihm Ryos Neigung zum eigenen Geschlecht aufgefallen war. Er und ein anderer Mann – das war einfach etwas, über das er nicht nachdenken wollte, nicht auf dieser Ebene. Darum war es jetzt umso schlimmer, dass es Ryo war, der ihn an seinen intimsten Stellen berührt hatte, aber das Schlimmste war echt, dass er das zugelassen hatte. Er hatte einfach nur dagelegen und ihm freie Hand gelassen, obwohl er sich hätte wehren können, obwohl er sich hätte wehren müssen. Dass das gerade passiert war, ging einfach nicht in seinen Kopf. Er hatte zu viel getrunken, aber das war seiner Meinung nach keine Entschuldigung für das Geschehene.
 

Eine Hand glitt über seinen Bauch, Ryos Hand. Kurz flackerte sein Blick an sich herab und er schluckte die aufkommende Übelkeit herunter, versuchte es zumindest. So wirklich klappen wollte es nicht. Er sah wieder zu Nii, der dastand wie zur Salzsäule erstarrt, die Hand immer noch am Lichtschalter. Warum drückte er da nicht einfach noch mal drauf? Ungeschehen machen würde es das zwar nicht, aber er würde sich nicht mehr so bloßgestellt fühlen!
 

Endlich bemerkte auch Ryo, dass sie einen Zuschauer hatten, und seine Hände zuckten zurück. Er sah mindestens genauso geschockt aus wie Nii. Die beiden starrten sich an, und Satoshi robbte sich von Ryo weg. Schon in der nächsten Sekunde bereute er es. Er konnte Ryos Hinterlassenschaft zwischen seinen Pobacken nur allzu deutlich spüren und ihm wurde plötzlich so übel, dass er glaubte es nicht mehr rechtzeitig zum Klo zu schaffen. Trotzdem sprang er auf wie von der Tarantel gestochen, zog sich seine Hosen nur hoch, stolperte beinahe über Shuu, der immer noch dalag und selenruhig schlief, und hechte dann über den Flur zur Toilette, wo er sich auf den Boden schmiss und der Kloschüssel sein Innerstes offenbarte.
 

Als er fertig war, wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund und atmete angestrengt. Wirklich besser ging es ihm nicht, also blieb er da so hocken; es war ihm sogar egal, dass ihm der Arsch aus der Hose hing. In diesem Augenblick war ihm alles egal, solange dieser verdammte Brechreiz endlich verschwand!

Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde es immer noch nicht besser, aber er hatte nicht vor die Nacht jetzt hier vor der Kloschüssel zu verbringen, also stand er schwerfällig auf und dachte daran, sich endlich richtig anzuziehen, ließ es dann aber doch bleiben, da ihm zusätzlich auch noch schwindlig wurde. Verdammter Alkohol.
 

Er hielt sich an dem Waschbecken fest und schloss die Augen, bei jedem Atemzug darauf achtend, dass er nicht zu hastig atmete und allgemein ruhiger wurde. Tatsächlich klappte es und zumindest das Schwindelgefühl ließ nach. Trotzdem wartete er noch einige Minuten, bis er die Augen wieder öffnete. Und wieder vergingen ein paar Minuten, ehe er sich rührte und den Wasserhahn andrehte. Er wusch sich die Hände und spülte sich den Mund aus, drehte den Hahn dann zu, nur um ihn im nächsten Moment wieder aufzudrehen. Während er aus seiner Hose stieg und auch die Shorts von den Beinen streifte, hielt er sich wieder fest. Sicher war sicher. Er hatte keine Lust umzukippen und sich den Kopf anzuhauen. Auch wenn er dann die Chance, diese ganze Scheiße hier vielleicht vergessen zu können, an sich vorbeiziehen ließ.
 

Nachdem er sich auch unten herum gewaschen hatte, fühlte er sich ein wenig besser. Am liebsten hätte er jetzt gebadet oder wenigstens ausgiebig und heiß geduscht, aber hier befand sich nur dieses einzelne Klo, das er so bald nicht zu verlassen gedachte.

Endlich traute er sich einen Blick in den Spiegel zu werfen. Er erschrak nicht einmal, als ihm sein Angesicht entgegenblickte. Er sah fertig aus, aber richtig. Und trotzdem war ihm das egal. Sein Aussehen war gerade seine kleinste Sorge.

Ihm fiel auf, dass das nicht sein T-Shirt war, das er da anhatte, und erst nach einigem angestrengten Nachdenken fiel ihm ein, dass Ryo ihm ja seins gegeben hatte. Warum hatte er das doch gleich noch angezogen? Er schüttelte über sich selbst den Kopf und zog das Teil aus. Dass er nun nackt war, störte ihn herzlich wenig. Dass die Tür offenstand und Ryo, sollte er ihm hinterherkommen, ihn jetzt so sehen würde, allerdings schon, also stieß er die Tür zu und schloss ab, dann hockte er sich auf den Boden, die Hände so fest in den Rand des Keramikwaschbeckens gekrallt, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten.

Er hasste sich für das, was geschehen war. Aber noch mehr hasste er Ryo dafür.
 

*
 

„Oh mein Gott.“

Ryo zuckte zusammen als er das hörte und wandte sich zu Nii um, der sich endlich wieder rührte. Er sah blass aus, aber das war dem Drummer gerade ziemlich egal. Er wusste, dass er Mist gebaut hatte, ziemlich gewaltigen Mist. Nie hätte er sich dazu hinreißen lassen dürfen so etwas mit Satoshi zu machen. Nie. Einige seiner kleinen Neckereien waren ja schon grenzwertig gewesen, aber das hier war definitiv zu viel, er hatte den Bogen überspannt.

Satoshi war bestimmt schon vor fünf Minuten nach draußen gestürmt, aber er saß immer noch einfach nur da, versuchte zu begreifen wie er nur so dumm hatte sein können. Er hatte sich noch nicht mal die Short wieder vernünftig angezogen, was nun endlich auch Nii zu bemerken schien, denn er räusperte sich und sah in eine andere Richtung. „Los, zieh dich an.“ Nie hätte Ryo damit gerechnet, dass ihr sonst so aufbrausender und übermütiger Gitarrist in so einer Situation so ruhig bleiben würde. Er hatte etwas ganz anderes erwartet, aber umso besser. Er hatte keine Lust sich jetzt großartig mit Nii auseinander zu setzen. Es gab jemanden, der sehr viel wichtiger war, und dieser jemand saß wahrscheinlich gerade irgendwo draußen und war vollkommen überfordert mit dieser Situation. Verständlicherweise.
 

Er seufzte und zog sich im Aufstehen die Shorts hoch, dann sah er kurz auf den Futon, auf dem das eben alles geschehen war. Irgendwie kam ihm das alles total unwirklich vor, wie einer seiner vielen Träume, mit dem winzigen Unterschied, dass Satoshi da dann bei ihm blieb und nicht einfach so wegrannte. Aber das waren eben nur Träume, deren wahre Erfüllung soeben in ganz weite Ferne gerückt war. Leider.

Er musste etwas tun, damit es Satoshi wieder besser ging. Es ihm erklären. Sich Entschuldigen. Irgendwas, Hauptsache er stand nicht einfach hier herum und drehte Däumchen!

Gerade wollte er Richtung Tür gehen, da hielt Niis Stimme ihn zurück. „Was… war das eben?“ Ryo wandte sich um und sah ihn an. Nii sah immer noch weg. Gott, musste ihm das peinlich sein sie so erwischt zu haben. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal bemerkt, dass Ryo gehen wollte. Vielleicht war es aber auch besser, wenn er Satoshi erst mal Zeit gab um runter zu kommen, denn er hatte echt nicht die blasseste Ahnung was passieren würde, wenn er ihm jetzt auch noch mit seinen Erklärungen auf den Sack ging.

Er seufzte. „Wonach sah es denn aus?“, fragte er leise und verschränkte die Arme vor der Brust.

Nii schwieg eine Weile, er schien sich seine nächsten Worte genau zu überlegen, wollte nichts Falsches sagen. „Ihr seid schwul.“ Eine Feststellung, keine Frage. Und doch musste Ryo ihn enttäuschen; er schüttelte den Kopf und kassierte einen fragenden Blick von dem Gitarristen.

„Wir sind nicht schwul.“ Das stimmte so ja auch. Es gab kein wir. Er war schwul, Satoshi nicht.

„Aber das eben…!“, protestierte Nii und zog die Brauen zusammen, als glaubte er Ryo würde ihn verarschen wollen.

„Ja, das eben.“, sagte er und nickte. „Wir hatten Sex, aber wir sind nicht schwul.“ Und nach einer langen Pause fügte er hinzu: „Satoshi zumindest nicht.“

Jetzt war Nii vollends verwirrt. „Und warum habt ihr dann…?“ Er sprach es nicht aus. Als wäre das so schwer! Ryo wusste schon, warum er das so lange für sich behalten hatte!
 

„Ryo?“ Der Drummer zuckte zusammen. Er hatte ganz vergessen, dass er Nii noch eine Antwort schuldig war.

Er zuckte leicht mit den Schultern. „Braucht man für sowas immer einen Grund?“

Nii musterte ihn eine ganze Weile, in der sie sich anschwiegen. Ryo war unwohl in seiner Haut. Er wollte nicht mit Nii über seine Probleme mit Satoshi reden. Nicht über diese Art von Problem. Am liebsten hätte er gehabt, dass Nii sich wieder hinlegte und weiterschlief, aber das war wohl nur Wunschdenken.

„Du hast gesagt, Satoshi ist nicht schwul.“

Ryo zögerte, nickte dann. „Richtig.“

„Aber du bist es?“

Wieder zögerte er, aber das war schon Antwort genug. Niis Lippen wurden zu einem schmalen Strich. „Du hast es ausgenutzt, dass Satoshi so betrunken war. Ist… Was auch immer. Du hast ihn-“

„Nein, hab ich nicht!“, unterbrach er Nii und wurde dabei lauter als er wollte. Schnell ging sein Blick zu Shuu. Dass der wach wurde, konnte er jetzt nicht gebrauchen. Es reichte, dass er sich mit Niis Fragen herumplagen musste. Aber zum Glück rührte Shuu sich nicht. Der schlief wie ein Stein. Umso besser.
 

„Du weißt doch gar nicht, was ich sagen wollte.“, kam es leise von Nii, der den Drummer jetzt keine Sekunde mehr aus den Augen ließ, was diesen nur noch unruhiger machte als er eh schon war.

„Aber ich kann’s mir denken.“ Ryo ging ein paar Schritte, dann seufzte er schwer und setzte sich an den Tisch. Er hatte sich noch nie so unwohl in seiner Haut gefühlt wie jetzt gerade. Scheiße. Warum hatte er es nur so weit kommen lassen?
 

„Und?“

„Was und?“, fuhr er Nii schärfer an als beabsichtigt. Der Langhaarige hob nur eine Augenbraue, sagte aber nichts. Er ließ einige Augenblicke verstreichen, dann setzte er sich Ryo gegenüber an den Tisch.

„Erzähl du’s mir.“ Ryo wandte den Blick ab und schwieg. Er wollte nicht reden, aber das übernahm Nii anscheinend sehr gerne für ihn. „Satoshi ist betrunken und du bist gerade notgeil und er ist da, also wird er direkt mal…“ Wieder zögerte er an dieser Stelle.

„Gefickt.“, half Ryo nach.

Er nickte. „Genau.“

„Aber ich hab ihn nicht gefickt.“

Niis Stirn legte sich in tiefe Falten. „Ich denk ihr hattet Sex!“

Ein langsames Nicken folgte als Antwort.

„Und was ich da gerade gesehen hab, sah verdammt danach aus als hättest du… das gemacht!“

Warum redete Nii über Sachen, von denen er keine Ahnung hatte? Das alles ging Ryo einfach nur auf die Nerven. Am liebsten wäre er aufgestanden und rausgegangen, aber etwas hielt ihn davon ab. Je länger er hier blieb, desto mehr Zeit hatte er sich etwas einfallen zu lassen, was er Satoshi sagen konnte.
 

„So blöd bin ich nicht. Nii, ich steh nicht erst seit ein paar Tagen auf Männer. Glaubst du wirklich ich steck ihm meinen…“ – Schwanz wollte er nicht sagen – „meinen kleinen Ryo hinten rein, wenn ich weder Gleitgel noch Kondome dabei hab? Und ich hätt‘ seinen kleinen Arsch bestimmt nicht auf einem beschissenen Futon entjungfert, während ihr daneben liegt!“

Nii war das ganze sichtlich unangenehm. Unruhig rutschte er auf seinem Stuhl herum und pulte mit den Fingern die Lackierung an der Tischkante ab. „Aber das eben…“ Er wusste nicht weiter. Das Thema war wohl komplettes Neuland für ihn, genauso wie es das für Satoshi gewesen war, als er ihn auf diesem anderen Kerl, dessen Namen er nicht einmal mehr wusste, gesehen hatte. Scheiße. Irgendwie lief alles verkehrt.

„Willst du wissen, was das eben war?“ Er wartete gar keine Antwort ab. „Ich hab’s mir zwischen seinen kleinen süßen Pobacken gut gehen lassen, während ich ihm einen runtergeholt hab! Mehr war das nicht! Auch wenn ich ihn weitaus lieber richtig gehabt hätte. So ein selbstsüchtiges Arschloch bin ich dann doch nicht! Und ich hätte das alles nie gemacht, wenn er nicht plötzlich rumgejammert hätte ihm sei kalt und da bin ich halt dichter an ihn ran gerutscht. Dann kam eins zum anderen…“
 

Sie sahen sich an und schwiegen. Eigentlich hatte Ryo das alles gar nicht erzählen wollen. Er wusste auch nicht, warum er das getan hatte. Nii hatte ihn mit seinen unterschwelligen Vorwürfen einfach nur wütend gemacht, und trotzdem hätte er das alles nicht so raus posaunen dürfen. Er schluckte und sah auf seine Hände.

„Bist du in ihn verliebt?“

Ruckartig hob er den Kopf und riss die Augen auf. „Was?“

„Du hast mich schon richtig verstanden.“, sagte Nii so leise und dennoch so durchdringend, dass ihm ganz anders wurde. War er so leicht durchschaubar?

„Was hat mich verraten?“, fragte er resigniert, doch Nii gab nur ein überraschtes Geräusch von sich und sah ihn ungläubig an.

„Du stehst auf ihn? So richtig?“

Ryo biss sich auf die Unterlippe. Hätte er es geleugnet, hätte Nii ihm wahrscheinlich sogar geglaubt, und jetzt hatte er sich selbst verraten. Heute lief einfach alles schief. Er rang sich ein Nicken ab und sank tiefer in seinen Stuhl zurück.

„Weiß Satoshi das?“

„Keine Ahnung. Wahrscheinlich schon…“

„Wahrscheinlich?“

Warum musste er da jetzt nachhaken? Ryo hatte keine Lust jetzt seine Gefühle vor Nii zu offenbaren.
 

„Ja, wahrscheinlich. Er weiß schon ‘ne Weile, dass ich schwul bin und ich war ihm gegenüber… nun ja… ein bisschen aufdringlich, hab’s aber immer als Spaß abgetan. Ich weiß nicht, ob er das weiß.“

Nii seufzte schwer. „Warum sagst du’s ihm nicht einfach?“

Der Drummer sah ihn ungläubig an. „Jetzt, nachdem ich das mit ihm gemacht hab? Nachdem du uns erwischt hast und er total fertig raus gerannt ist? Sicher ist jetzt der beste Zeitpunkt dafür. Am besten halt ich ihm gleich meine Backe hin, damit er mir eine knallen kann und alle sind glücklich.“

„Kein Grund sarkastisch zu werden.“, sagte Nii leise und seufzte dann. „Jetzt ist wahrscheinlich wirklich nicht so gut. Aber du solltest ihm das sagen, wenn er über… die Sache da eben hinweg ist.“

Ryo nickte. „Ja…“ Vielleicht… „Jetzt geh ich erst mal nach ihm sehen.“, sagte er leise und stand auf. Nii wollte noch etwas sagen, verkniff es sich dann aber. Als Ryo an der Tür war, ergriff er dann aber doch noch das Wort.

„Ryo?“ Angesprochener drehte sich um und bekam seine Hose entgegen geworfen. „Zieh dir wenigstens vorher was an.“ Ohne Widerworte tat Ryo wie geheißen und zog die Hose über.

„Wo ist dein T-Shirt?“

„Das hat Satoshi an…“

Nii hob eine Braue, fragte aber nicht weiter nach, sondern ging zu Ryos Tasche und holte ein anderes Shirt heraus, dass er dem Drummer entgegen warf. Ryo zog es an, stieg über Shuu herüber und verschwand aus dem Raum. Dem Gitarristen entkam ein tiefes Seufzen, als die Tür sich leise geschlossen hatte.
 

Draußen im Flur blieb Ryo erst mal stehen und lehnte sich an die Wand. Er atmete tief durch und versuchte ruhig zu werden. Ruhig zu bleiben. Seine Atmung ging viel zu schnell. Er hatte immer noch keine Ahnung, was er Satoshi gleich sagen sollte, aber irgendetwas müsste er ihm sagen. Und er wollte es auch. Er wollte sich erklären und am besten dafür sorgen, dass wieder alles war wie vor diesem dummen Fehler. Er war davon ausgegangen, dass er sich besser unter Kontrolle hatte.

Er sog noch einmal gierig Luft in seine Lungen und wünschte sich er hätte seine Zigaretten mitgenommen, ging dann aber den Gang entlang und hoffte den Sänger bald zu finden. Vor der nächsten Tür blieb er stehen. Er versuchte sie zu öffnen, doch es ging nicht. Er stand vor der Toilette und sie war abgeschlossen. Satoshi war gefunden; da hatte er aber echt Glück gehabt, dass das so schnell gegangen war.

Er trat näher an die Tür und drückte sein Ohr dagegen, lauschte. Nichts war zu hören, aber Satoshi musste da drin sein. Er hob seine Hand und strich über das kalte Holz, zögerte, klopfte dann an und warte. Immer noch regte sich nichts. Er klopfte erneut und wartete, klopfte, wartete. Dann seufzte er.

„Satoshi?“, fragte er in die Stille hinein. Keine Reaktion. „Ich weiß, dass du da drin bist … Können wir bitte reden?“ Nichts.

Es vergingen einige Augenblicke, die sich in die Länge zogen wie zäher Kaugummi, dann war doch etwas zu hören. Ein Rascheln, dann ein dumpfer Knall, aber leise.

„Satoshi? Alles in Ordnung?“

„Das hast du nicht gerade echt gefragt, oder?“, kam es leise von der anderen Seite der Tür.

Ryo biss sich auf die Unterlippe. „Doch. Ich mach mir Sorgen.“

„Bisschen spät, findest du nicht?“

Das stimmte, auch wenn er es sich nicht gern eingestand. Ryo lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür und schloss die Augen. Er ließ einige Minuten verstreichen, ehe er sich an dem Holz herabgleiten ließ und auf den Boden hockte. Er zog die Beine an und legte die Arme darum.

„Es tut mir leid…“

Es war wieder still, erschreckend still. Warum sagte Satoshi nichts, warum schrie oder brüllte er ihn nicht an? Alles wäre besser gewesen als dieses gottverdammte Schweigen!
 

„Hast du gehört? Es tut mir lei-“

„Halt die Klappe!“, zischte er andere zurück und augenblicklich verstummte der Drummer. Und lauschte, doch mehr kam nicht. Er sah auf seine Hände und wartete. Er würde hier sitzen bleiben, bis Satoshi dort herauskam, so viel stand fest.

„Geh.“ Als hätte Satoshi seine Gedanken gelesen.

„Was?“

„GEH!“

Ryo schüttelte den Kopf. „Nein… Ich bleib hier bis du da rausgekommen bist. Oder wir zumindest geredet haben…“

„Worüber willst du denn reden? Über das, was du eben mit mir gemacht hast?“ Seine Stimme zitterte und Ryo fühlte sich schlecht. Er war schuld, dass es Satoshi nun so ging; dass er sich im Klo eingesperrt hatte und nicht raus kommen wollte. Er war so ein Idiot!

„Ja, genau darüber…“ Er wartete darauf, dass Satoshi etwas sagte, doch das geschah nicht, also sprach er einfach weiter. „Ich wollte nicht, dass das… so ausartet.“, sagte er leise. „Aber du warst betrunken und… heiß… du wolltest das bestimmt nicht, aber du hast mich tierisch angemacht. Da haben meine Hände sich verselbständigt…“

„Und andere Körperteile auch.“

Er presste die Augen zusammen. „So ungefähr. Ich konnte nicht mehr aufhören. Es tut mir wirklich leid…“
 

Eine ganze Weile sagte keiner von ihnen etwas. Es war so leise, dass er Satoshis Atmen hörte – zumindest glaubte er das. Vielleicht war er aber auch einfach so übermüdet und mitgenommen, dass er sich das schon einbildete. Er wollte es hören, darum hörte er es. Eigentlich war es ja egal, ob es echt war oder nicht. Er wusste, dass Satoshi sich auf der anderen Seite dieser Tür befand und er musste ja unweigerlich atmen.
 

„Du hast mein… du hast…“ Weiter kam er nicht. Aber Ryo wusste auch so, was er meinte. Satoshi brauchte es gar nicht auszusprechen.

„Ich hab Mist gebaut.“, sagte Ryo leise. „Das weiß ich … Bist… bist du sauer?“ Dumme Frage. Und je länger er keine Antwort darauf bekam, desto dümmer kam er sich selbst vor.

Dann endlich: „Ja.“ Mehr nicht. Er hatte es auch so gewusst, und trotzdem hatte er fragen müssen.

Es war wieder eine Weile still. „Kommst du da raus?“, fragte Ryo leise. Er wollte nicht, dass Satoshi sich seinetwegen auf dem Klo verbarrikadierte.

„Nein.“

„Und wenn ich weg geh?

„Nein.“

Ryo seufzte. Er wusste nicht, was er noch sagen sollte. Eigentlich konnte er froh sein, dass Satoshi überhaupt mit ihm redete. Aber sie hatten die Tür zwischen sich, sie konnten sich nicht ansehen. Sie mussten sich nicht ansehen. Vielleicht war das so doch ganz gut.
 

„Was machst du?“, fragte Ryo, einfach weil ihm nichts anderes einfiel, er aber Satoshis Stimme weiterhin hören wollte.

„Sitzen … Und du?“

„Sitzen.“ Wäre es eine andere Situation gewesen, hätten sie jetzt gelacht, aber seine Mundwinkel zuckten nicht einmal. „Soll ich gehen? Oder darf ich hier bleiben?“

„Mach was du willst, aber ich komm hier nicht raus.“ Das war mal ‘ne klare Ansage. Aber damit gab er sich schon zufrieden, auch wenn der Boden kalt war und er viel lieber geschlafen hätte, er blieb hier sitzen.

Satoshi sagte eine ganze Weile lang nichts mehr, aber auch das war ihm mehr oder weniger egal. Hauptsache er durfte hier bleiben. Das war gerade das Wichtigste. Das und…

„Ich glaub, ich muss dir was sagen.“
 

Satoshi gab keinen Ton von sich, aber er wusste, dass er zuhörte. Er musste einfach zuhören.

„Seit du mich…“ Er schüttelte den Kopf und begann erneut. „Seit du weißt, dass ich nicht auf Frauen stehe, hab ich mich dir gegenüber anders verhalten…“ Er stellte sich vor, wie Satoshi da saß und ihm gebannt lauschte. Natürlich hatte er das bemerkt, er hatte auch gesagt, wenn es ihm zu viel wurde. Jetzt war aber das erste Mal, dass Ryo darüber ernsthaft sprechen wollte.

„Das alles hatte einen Grund. Ich dachte… jetzt, da du weißt, wie ich bin, würdest du das vielleicht verstehen…“ Was verstehen?, fragte Satoshi sich bestimmt gerade. Aber der Sänger blieb still.

„Ich hab dir das bisher nicht gesagt, aber…“ Er schluckte den Kloß, der sich in seinem Hals bildete, hinunter. Scheiße. Er hatte es ihm nie sagen wollen. Sicher hatte er sich das oft vorgestellt, aber dann war es anders gewesen, romantischer. Wie so eine Liebeserklärung eben sein sollte. Und das hier war so was von unpassend! Aber er wollte es endlich loswerden. Er wollte, dass Satoshi wusste, dass er das alles nicht machte um ihn zu trietzen, sondern ganz einfach weil er Gefühle für ihn hatte.

„Es gibt da jemanden, den ich mag. Sehr mag…“ Er konnte die Anspannung des anderen spüren. Vielleicht war es auch seine eigene und er bildete sich das bloß wieder ein, aber es war doch besser, wenn er sich vorstellte, dass Satoshi ihm jetzt gebannt lauschte und mit jeder weiteren Sekunde, die er verstreichen ließ ohne etwas zu sagen, nur noch angespannter würde.
 

„Dieser jemand bist du.“ Es blieb still. Er wusste nicht, womit er gerechnet hatte, aber Schweigen war es definitiv nicht gewesen. Er war enttäuscht. Wütend und enttäuscht, aber nicht von Satoshi, sondern von dieser Situation. Es hätte alles so schön sein können… So etwas sollte schön sein, aber das hier war einfach nur grotesk. Und es wurde ihm zu viel. Ihm wurde klar, dass er keine Chance hatte. Er hatte keine Chance auf eine Beziehung mit Satoshi. Aber nicht nur das, nein, durch seine Dummheit hatte er jetzt seinen besten Freund verloren. In seinen Träumen war alles so viel schöner gewesen. In seinen Träumen hatte Satoshi gesagt, dass es ihm genauso ging. Sie hatten sich geküsst. Und jetzt, jetzt hatte er gar nichts. Er fühlte sich noch elender als vorher.

So leise wie möglich stand er auf und ging, ohne noch ein Wort zu sagen. Er wusste, wann er verloren hatte und das war jetzt definitiv der Fall.

Das leise „Ryo?“, das genau in diesem Moment leise durch die Tür gekrochen kam, nahm er gar nicht für wahr. Es war Wunschdenken, dass Satoshi Gefühle für ihn hatte. Er musste lernen damit klar zu kommen.

Nie hätte Satoshi gedacht, dass ihm so etwas passieren würde. Sein bester Freund war verliebt in ihn und rückte damit erst raus, als es zu spät war, als er ihn in betrunkenem Zustand beinahe vernascht hatte. Und er hatte Angst davor, Angst vor der Situation, vor Ryo, vor der Entwicklung ihrer Beziehung, vor allem aber hatte er Angst vor seinen eigenen Gefühlen, denn so dumm das auch auf Außenstehende wirken mochte, er fühlte sich beschissen, seit Ryo ihn vor drei Tagen da sitzen gelassen hatte. Auch, weil Ryo sich erdreistet hatte so etwas mit ihm anzustellen, aber hauptsächlich machte ihm die Tatsache zu schaffe, dass er Ryo vermisste. Er vermisste diese verdammten Neckereien, die in den letzten Wochen zwischen ihnen gewesen waren, die Gespräche, dieses Gefühl von Geborgenheit, das er in Ryos Gegenwart immer verspürt hatte, schon früher. Es war schrecklich. Er war nicht schwul, und trotzdem fehlte ihm die Nähe eines anderen Mannes mehr, als ihm je irgendeine Frau gefehlt hatte. Er kam mit sich selbst nicht klar, seine Gefühle hätte er am liebsten eingesammelt und in die Mülltonne geschmissen, denn ohne wäre es ihm definitiv besser gegangen. Ohne Gefühle wäre das ganze Leben viel einfacher.
 

Er atmete tief durch und versuchte an etwas anderes zu denken. Er musste sich unbedingt ablenken, denn heute musste er ein Interview geben. Mit Ryo zusammen. Und wenn er sich recht erinnerte, stand danach noch ein Shooting an, und er hatte nicht die geringste Lust jetzt überhaupt aufzustehen. Er wollte nicht den ganzen Tag mit Ryo verbringen müssen. Er wusste nicht im Geringsten, wie er sich ihm gegenüber jetzt verhalten sollte. Der Drummer machte sich das alles sehr einfach, denn er ignorierte ihn schlicht. Weil er seine Gefühle nicht erwiderte. Was hatte er sich denn vorgestellt? Satoshi kam einfach nicht dahinter. Was ging in seinem Kopf vor, dass ausgerechnet er jetzt einen auf beleidigt machte? Es konnte natürlich auch sein, dass Ryo schon geschlafen hatte, als er irgendwann wieder in das Zimmer gekommen war und sich seine Sachen geschnappt hatte um zu verschwinden. Es war mucksmäuschenstill gewesen und doch hatte er eine gewisse Spannung in der Luft gespürt. Und Satoshi war sich sicher gewesen, dass Shuu als einziger geschlafen hatte. Ryo war bestimmt noch wach gewesen, auch wenn er sich schlafend stellte. Und Nii wahrscheinlich auch, so geschockt wie der gewesen war, als er sie erwischt hatte. Er hatte allen Grund gehabt geschockt zu sein. Vielleicht hatten er und Ryo über das alles geredet. Er wusste es nicht, aber er konnte es sich vorstellen. Warum sonst hatte Nii seitdem an die 20 Mal versucht ihn anzurufen? Nur zu gern hätte Satoshi gewusst, was Nii alles wusste, doch er würde den Teufel tun und ihn danach fragen. Am liebsten hätte er das alles sowieso aus seinem Gedächtnis gestrichen, da das aber nicht ging, wollte er zumindest nicht darüber reden. Nie. Auch wenn er schon ahnte, dass er irgendwann darüber reden musste. Lange würde das nicht gut gehen, wenn er und Ryo kein Wort miteinander sprachen. Sie sollten wenigstens ihre Standpunkte klären und versuchen das Beste draus zu machen, so viel war sicher, aber zuerst einmal musste Satoshi sich darüber klar werden, wie sein Standpunkt aussah.

Dafür war jetzt aber keine Zeit mehr, er musste dringend unter die Dusche und dann zu dem Interview, denn trotz allem wollte er nicht zu spät kommen und er hoffte, dass Ryo sich auch an die Absprachen hielt, denn egal was geschehen war, man sollte sie nicht für unprofessionell halten.
 

Eine knappe Stunde später kam er in dem Fotostudio an und wurde freundlich begrüßt. Er lächelte, doch er war sich sicher, dass das ziemlich verkrampft aussah. Ihm war eben nicht danach zumute. Ohne dass er etwas sagen musste, wurde ihm ein Becher Kaffee hingestellt und er setzte sich hin, nahm den Becher in die Hand, trank aber nichts. Er hatte in den vergangenen Tagen sowieso kaum etwas zu sich genommen. Stress schlug ihm als erstes immer auf den Magen und jetzt war er besonders angespannt. Er wollte nicht riskieren, den Kaffee wieder hoch zu würgen, also trank er lieber gar keinen. Heute Abend würde er es vielleicht wagen, wenn er zu Hause war und niemand mitbekam, dass etwas nicht stimmte, aber nicht jetzt.
 

„Ryo-san!“ Als er diesen Namen hörte, zuckte er unwillkürlich zusammen und blicke sich nach ihm um. Er schluckte, denn Ryo sah aus wie immer. Er hatte mit tiefen Augenringen oder irgendetwas anderem gerechnet, das zeigte, wie es ihm ging, doch er sah gut aus wie eh und je und irgendwie machte es Satoshi wütend. So ernst konnte ihm das alles ja gar nicht sein, wenn es ihm nach dieser Sache noch so gut ging, oder? Was, wenn er ihn einfach wieder nur verarscht hatte? Vielleicht würde er sich jetzt benehmen wie immer und Satoshi fragen, warum er so still war, und wenn er es ihm erzählte, würde er ihn für seine Dummheit auslachen. Aber konnte es überhaupt dumm sein, so etwas ernst zu nehmen? Satoshi war zwar betrunken gewesen, aber das, was Ryo gesagt hatte, als er nackt vor der Toilettentür gekauert hatte, den Drummer auf der anderen Seite, hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt. Er hätte es beinahe wortwörtlich wiedergeben können, hätte jemand gefragt und wäre er gewillt gewesen, es überhaupt zu erzählen.
 

Ryo wurde gut gelaunt von dem ganzen Team begrüßt und dabei von Satoshi beobachtet. Es war dem Sänger egal, ob es jemand merkte oder nicht. Jetzt war es egal, nachher beim Interview nicht mehr, da musste er sich zusammen reißen!

Als auch der Drummer seinen Kaffee hatte, wuselten alle anderen wieder geschäftig davon und obwohl sie sich noch im selben Raum befanden, kam es Satoshi vor, als wäre er plötzlich allein mit Ryo und es schnürte ihm die Kehle zu. Aus einem Impuls heraus wollte er wegrennen, doch er atmete tief durch und blieb sitzen. Seine Hand zitterte leicht, er stellte den Kaffee ab und lehnte sich zurück, sah demonstrativ in eine andere Richtung, damit er auch ja nicht angesprochen wurde. Und tatsächlich hatte er seine Ruhe – für ungefähr 30 Sekunden. Dann kam Ryo auf ihn zu und setzte sich zu ihm auf das Sofa, wenn auch mit gewissem Abstand. Er lächelte nicht mehr, sondern wirkte ernst und unsicher, fuhr sich fahrig durch die Haare und warf ihm dann einen verstohlenen Blick zu.

Doch noch bevor er auch nur den Mund öffnen konnte, ergriff Satoshi das Wort und war selbst erstaunt, wie ruhig seine Stimme klang. „Du kannst Nii sagen, dass er aufhören soll mich anzurufen. Das kann er sich echt sparen.“

Überrascht zog Ryo die Augenbrauen hoch. „Nii?“ Er kassierte ein Nicken. „Was hab ich denn damit zu schaffen, dass Nii dich anruft?“

Satoshi schnaubte. „Jetzt tu nicht so. Er weiß, was passiert ist und er hat mich allein gestern bestimmt zehn Mal angerufen und langsam geht’s mir auf den Geist.“

Ryo lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum sagst du ihm das nicht selbst? Ich bin doch nicht dein Postbote.“

„Weil du mit ihm geredet hast.“

Ryo schluckte und wurde plötzlich ganz still. Satoshi fühlte sich bestätigt. Also entsprach seine Vermutung der Wahrheit.

„Was hast du ihm erzählt?“

Ryo blieb weiterhin still. Er rang mit sich, das merkte man, doch Satoshi war das egal. Er wollte nur seine Ruhe haben, also würde er dafür sorgen, dass er die bekam!
 

„Ryo! Was hast du ihm erzählt?“, wiederholte er und sah den anderen jetzt an.

Der Drummer wich seinem Blick aus. „Das geht dich nichts an.“ Satoshi wollte gerade widersprechen, doch er fiel ihm ins Wort. „Es geht dich wirklich nichts an, Satoshi. Nii ist zwar mein Freund wie auch deiner, aber trotzdem musst du nicht alles wissen, was ich mit ihm berede. Auch wenn es um dich geht…“

Satoshis Mundwinkel wanderten nach unten. Das gerade besserte seine Laune nicht unbedingt. „Es geht also um mich.“, sagte er tonlos und krallte die Hände in seine Jeans.

„Lass gut sein.“ Ryo sah kurz zu ihm. „Bitte, lass es einfach. Du willst doch gar nicht drüber reden, also lassen wir’s. Ich werd dich mit der ganzen Sache nicht mehr behelligen und du hast deine Ruhe.“

„Und was, wenn ich gar nicht in Ruhe gelassen werden will?“

Das verschlug Ryo die Sprache und Satoshi offenbar auch. Er war geschockt, dass er das eben gesagt hatte, und biss sich fest auf die Unterlippe. „Ich meine…“ Er schluckte, rang um seine Fassung. „Du bist mein bester Freund.“
 

Es wurde still. Eine ganze Weile sagten beide nichts und je länger dieses Schweigen andauerte, desto unruhiger wurde Satoshi. Am liebsten wäre er aufgesprungen und nach Hause gefahren, da hätte er sich wieder in seinem Bett verkriechen können und sich das hier nicht antun müssen. Als hätte Ryo seine Gedanken gelesen, legte er seine Hand auf die des Sängers. Die Berührung war behutsam, beinahe sanft, und Satoshi zuckte zurück. Ein trauriges Lächeln legte sich auf Ryos Lippen. „Du hast Angst vor mir.“

„Nein, ich…“

„Sei doch ehrlich zu dir selbst. Wie kann ich dein bester Freund sein, wenn du es nicht mal erträgst, wenn ich dich anfasse? Du bist total verkrampft und versteift und denkst allen Ernstes trotzdem, dass wir einfach so weiter machen können wie vorher?“

„Ich…“

Ryo ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. „Dass ich mehr für dich empfinde als für einen bloßen Freund, war nicht nur so dahin gesagt, Satoshi. Du kennst mich, du solltest das wissen … Glaub mir, ich hätte es auch gern wieder wie noch vor ein paar Wochen, aber das geht einfach nicht, denn… selbst wenn ich es ungeschehen machen könnte, ich weiß nicht, ob ich es tun würde…“
 

Satoshi schluckte. Jetzt war er überfordert. Eigentlich hatte er ja nicht einmal mit Ryo reden gewollt, und jetzt saß er hier und redete mit ihm über ihn und sich, über sie. Ein unbehagliches Gefühl überkam ihn bei diesem Gedanken. Er wollte etwas sagen, doch er wusste nicht, was. Alles, was ihm einfiel, hätte das hier nur noch schlimmer gemacht. Am liebsten wäre er jetzt aufgestanden und gegangen. Dieses Interview war ihm gerade mehr als nur egal.
 

„War es wirklich so schlimm für dich?“, drang es leise an sein Ohr und Satoshi biss die Zähne zusammen um sich zu beherrschen. Wie konnte Ryo ihn das fragen und auch noch eine Antwort erwarten? Der Drummer wurde mehr und mehr zu einem Rätsel für ihn. Die wichtigste unbeantwortete Frage war, warum er sich bloß in ihn hatte verlieben müssen, doch er würde den Teufel tun und ihn darauf ansprechen.

Er sagte nichts und hoffte, dass sein Schweigen als Antwort genügte. Sprach das nicht schon für sich? Ja, es war schlimm gewesen! Und ja verdammt, er schämte sich dafür und musste jetzt damit leben, dass sein bester Freund ihn so gut wie vergewaltigt hatte, denn er hatte das ja nicht gewollt, aber was sollte er machen? Was konnte er tun, dass diese Scheiße irgendwann einmal ein Ende haben würde?

Gar nichts.
 

„Satoshi…“, begann er vorsichtig, zögerte dann aber, als überlegte er wie er das nun sagen sollte. „Glaubst… Glaubst du, ich hätte das alles gemacht, wenn du das nicht gewollt hättest?“

Der Sänger schnaubte entrüstet. „Dass ich das wollte, ist mir neu!“

„Ach wirklich? Dann hab ich mir also eingebildet, dass du auch ‘nen Ständer hattest und gekommen bist. Dann ist da wohl irgendwie anders dein Sperma in meine Hand gekommen.“

Satoshi wurde schlagartig rot und als er mitbekam, dass einige der Leute von der Zeitschrift, für die das Interview war, zu ihnen herüber starrten, rutschte er das Sofa ein Stück runter und betete, er möge auf der Stelle im Erdboden versinken.

„Du hast zwar gesagt, ich soll aufhören, aber gefallen hat es dir trotzdem. Sonst wären wir nicht zu diesem Ergebnis gekommen.“, fuhr der Drummer trotzig fort und nickte, wie um seine eigenen Worte zu bestätigen.

Satoshi war jetzt ganz still. Sein Kopf glühte, weil ihm das alles so peinlich war. Schlimm genug, dass Ryo ihm das gerade so offen gesagt hatte, aber dass Außenstehende das mitbekamen, musste nun wirklich nicht sein! Am liebsten hätte er alles abgestritten, doch dann hätte er sich lächerlich gemacht, noch mehr als so schon, und das wollte er dann auch nicht.
 

„Du warst betrunken, aber das ist noch lange kein Grund, warum ich deine Reaktionen nicht ernst nehmen sollte. Ich hab auch viel Alkohol intus gehabt und immerhin hast du angefangen zu jammern, dass dir kalt ist, oder?“

Satoshi schluckte schwer. „Können wir das bitte später bereden?“, presste er hervor und sank tiefer in die Couch zurück, als wollte er sich verstecken.

Ryo sah ihn überrascht an, nickte dann aber. „Wie du willst. Solange wir das klären…“ Er warf einen Blick über seine Schulter und plötzlich erwachten die paar Mädels, die sie eben gebannt beobachtet hatten, wieder aus ihrer Starre und bemühten sich beschäftigt zu wirken. Ryo seufzte und trank einen Schluck von seinem Kaffee. Gerade wollte er etwas sagen, da wurden sie in einen anderen Raum gerufen, in dem sie für das Interview Ruhe hatten und alle anderen das Shooting weiter vorbereiten konnten. Satoshi stand auf, doch ehe er losgehen konnte, packte Ryo ihn am Handgelenk und hielt ihn fest. Satoshi drehte sich zögernd um, während Ryo aufstand und ihn dann so intensiv ansah, dass ihm ganz komisch wurde. Er schluckte hart. „Was ist?“ Es war beinahe nur ein Flüstern.

„Nichts.“, sagte Ryo leise und ließ ihn wieder los, verschwand dann wortlos in dem Besprechungszimmer. Satoshi stand da wie vom Donner gerührt und sah ihm hinterher. Er brannte darauf zu wissen, was Ryo eben gewollt hatte, aber er konnte ihn ja jetzt schlecht fragen, also atmete er tief durch und folgte dem Drummer dann. Als er den Raum betrat, stockte er kurz, denn plötzlich schien Ryo wieder super gelaunt zu sein. Dass er so ein guter Schauspieler war, hatte Satoshi nicht gewusst und unweigerlich fragte er sich, ob ihm dadurch schon vieles entgangen war, was Ryo anging. Er warf dem Kleineren einen kurzen Blick zu und als der diesen erwiderte, blitzte etwas in seinen Augen auf, das definitiv nicht zu dieser gespielten guten Laune passte. Was genau es war, vermochte Satoshi nicht zu sagen, doch er hatte eine Ahnung. Allzu schwer war das ja gerade auch nicht, zumindest nicht für ihn.
 

Während des Interviews versuchte er es Ryo gleich zu tun und gute Laune vorzuspielen. Ihm gelang es bei Weitem nicht so gut wie dem Drummer, aber immerhin schien der Reporter, der sie mit dämlichen Fragen zu ihrer bevorstehenden Tour, an die er lieber gar nicht denken wollte, dem nächsten Album und auch allerlei privater Sachen löcherte, die mehr oder weniger wahrheitsgetreu beantwortet wurden. Die Fans waren wichtig und sie gaben auch viel von sich preis, aber es gab dann doch Sachen, die niemanden etwas angingen, da waren sie sich auch alle einig.
 

Als das Interview überstanden war, ging Satoshi sofort aus dem Zimmer und wollte sich wieder auf die Couch werden, doch er konnte nicht einen einzigen Schritt tun, da stellte sich ihm eine kichernde Frau in den Weg und sagte, sie müsse ihn jetzt schminken und seine Haare machen, damit sie mit dem Shooting pünktlich fertig werden würden und überhaupt erst mal anfangen konnten. Er hatte jetzt schon keine Lust mehr und hoffte, dass sie, während sie ihre Arbeit machte, die Klappe halten würde, doch da hatte er sich geschnitten.

Sie redete beinahe ununterbrochen und versuchte ständig mit ihm zu flirten, was ihm irgendwie unangenehm war, da Ryo direkt neben ihm saß und auch hergerichtet wurde, wahrscheinlich weil er wusste, dass der Drummer eifersüchtig war. Er spürte seine Blicke, versuchte aber ihnen keine Beachtung zu schenken, genauso sehr wie er versuchte, diese Nervensäge von Haarstylistin endlich zum Schweigen zu bringen. Er schaffte es nicht. Umso erleichterter war er, als sie ihm verkündete, dass sie fertig war.
 

Sofort stand er auf, doch kaum dass er sich umdrehte, sah er sich dem nächsten Problem gegenüber. Auf einem extra Kleiderständer hingen die Sachen, die sie anziehen sollten. Und er kannte diese Räumlichkeiten, immerhin waren sie schon öfter hier gewesen. Hier war es üblich, dass die Künstler sich einfach hier im Raum umzogen.

„Nicht so schüchtern, Satoshi-san!“ Er zuckte zusammen. Neben ihm stand Ryo und grinste verhalten. Einen Augenblick sah er ihn an, dann glitt sein Blick zu den Outfits. Er grinste weiterhin und Satoshi war unsicher, ob er das nun immer noch spielte, oder ob er das gerade wirklich lustig fand. Er zögerte. War es denn so lustig, dass er sich nicht unbedingt vor Ryo ausziehen wollte, nach dem, was passiert war? Er fand das nur normal… Trotzdem nahm er seine Sachen und – was blieb ihm anderes übrig? – zog sich um. Er beeilte sich, damit er Ryos Blicken nicht länger als nötig ausgeliefert war. Er spürte, dass der Drummer ihn beobachtete, auch wenn der immer, wenn er ihm einen flüchtigen Blick zuwarf, woanders hin sah.
 

Erleichtert atmete er auf, als er endlich das komplette Outfit an hatte. Er warf einen Blick in den Spiegel und fand selbst, dass er ziemlich gut aussah. Sein Blick huschte zu Ryo, der gerade auch zu ihm sah und es diesmal nicht zu vertuschen versuchte und ihn stattdessen leicht anlächelte, und er musste zugeben, dass der Drummer einfach toll aussah. Zum Glück rannte er so nicht jeden Tag herum.

Er schluckte und wandte sich wieder ab, merkte nicht erst jetzt, dass seine Hose viel zu eng war, aber da er eh nichts tun konnte um das zu ändern, hielt er lieber seine Klappe. Er ging zum Set und stellte sich schon mal vor der Kamera, Ryo folgte ihm gleich, und der Fotograf schreckte auf, als er sah, dass sie schon fertig waren, und verschüttete die Hälfte seines Kaffees. Er fluchte lautstark und Satoshi konnte nicht anders als zu grinsen, während Ryo neben ihm zu lachen begann. Er sah zu Satoshi, der bei seinem Anblick ebenfalls das Lachen bekam, was dem Drummer nur noch mehr zusetzte. Er hielt sich den Bauch und röchelte vor sich hin, konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und stützte mit einem Arm auf Satoshis Schulter, dem die plötzliche Nähe gerade nicht einmal etwas ausmachte.
 

Der Fotograf fand das alles gar nicht so lustig, da sie sich aber schon seit einiger Zeit kannten, sagte er nichts, sondern rächte sich indem er jetzt Aufnahmen von ihnen machte und erst aufhörte, als sie sich wieder beruhigt hatten.

„Ich glaub’s ja nicht, dass ihr mich auslacht. Als Rache gibt’s die Fotos auf der Homepage und vielleicht auch in der nächsten Ausgabe!“ Er grinste breit und Ryo lachte nur wieder los.

„Als würd‘ uns sowas stören!“, presste er hervor und beruhigte sich diesmal schneller. Erst als er sich wieder aufrichtete, bekam er mit, wie nahe er Satoshi gerade war, und wandte den Blick zu ihm. Der Sänger erwiderte den Blick kurz, wandte sich dann aber schnell wieder ab und richtete sein Outfit. Ryo betrachtete ihn noch einige Augenblicke und musterte ihn, dann blieb sein Blick an einer ganz bestimmten Körperstelle hängen. Als Satoshi sich umdrehte, bemerkte er diesen Blick genau, sagte aber nichts, da er die relativ lockere Stimmung, die gerade herrschte, nicht zerstören wollte. Er hatte schon genug Spannung gehabt und war nicht davon überzeugt, dass das schon alles war für heute, da wollte er wenigstens, dass das Fotoshooting so angenehm wie möglich von statten ging.
 

Nachdem Ryo seine Klamotten auch wieder gerichtet hatte und die Weibsbilder noch ein paar Minuten lang an ihnen herum gezupft hatten, konnten sie endlich mit dem Shooting beginnen. Es war tatsächlich sehr angenehm, auch wenn Satoshi immer angespannter wurde, je näher sie zusammenrücken sollten. Irgendwann fragte er sich schon, ob der Fotograf von allem wusste und ihn ärgern wollte, und Ryo deshalb immer dichter an ihn heran winkte, aber das war ausgemachter Unsinn, das wurde ihm schon im nächsten Moment klar. Er versuchte einfach so gut wie möglich seine Arbeit zu machen und zum Glück war alles relativ schnell wieder vorbei. Sie bekamen noch die Fotos gezeigt und Satoshi war wirklich mehr als zufrieden. Dass die Bilder so gut werden, hatte er nicht erwartet. Allerdings waren auch ein paar nicht so tolle dabei. Während des Shootings war es ihm nicht aufgefallen, aber im Nachhinein wirkte Ryo ziemlich unkonzentriert und es gab nicht nur ein Foto, auf dem sein Blick ständig in eine andere Richtung ging. Das war so offensichtlich, dass selbst der Fotograf es schon während des Shootings gemerkt haben musste. Zum Glück war er professionell genug dazu nichts zu sagen. Wie gut, dass Satoshi nicht so professionell sein musste.
 

Er beeilte sich wieder in seine eigenen Klamotten zu kommen, verabschiedete sich vom ganzen Team und verschwand dann nach draußen, wo er wartete, dass Ryo aus dem Arsch kam und selbigen hier herunter schwang. Er wartete nicht lange, und trotzdem kam es ihm vor wie eine Ewigkeit.

Kaum dass Ryo draußen war, blieb er stehen und zündete sich eine Zigarette an. Als er Satoshi entdeckte, wanderten seine Augenbrauen in die Höhe. „Du bist ja noch da.“

Er ließ das Vorspiel weg und kam gleich zur Sache. „Warum zum Teufel hast du mir die ganze Zeit auf den Arsch gestarrt?!“ Er funkelte Ryo wütend an. „Und komm ja nicht auf die Idee das zu leugnen, man sieht es sogar auf den Fotos!“

Ertappt biss der Drummer sich auf die Unterlippe und nahm dann erst einmal einen tiefen Zug von seiner Zigarette, was Satoshi gerade ungemein nervte, den Drummer aber sichtlich entspannte.

„Du hattest eben ‘nen totalen Knackarsch in der Hose. Du hättest fragen sollen, ob du die behalten darfst.“

Satoshi verengte die Augen zu Schlitzen. „Bist du eigentlich total bescheuert?“

„Oh bitte.“ Ryo verdrehte die Augen. „Du hättest an meiner Stelle nicht anders gehandelt.“

Wahrscheinlich nicht, ging es ihm durch den Kopf und er schluckte schwer. Ohne noch etwas zu sagen, drehte er sich um und ging los. Er wollte nur noch nach Hause.
 

„Hey, warte doch mal!“ Ryo kam ihm hinterher und schon nach wenigen Metern hatte er ihn eingeholt und lief neben ihm her. „Das war ein Kompliment, du Trottel!“, brummte er und rauchte stumm seine Zigarette auf. Satoshi verdrehte genervt die Augen und ging einfach weiter.

„Kann ich auch nichts dafür, dass du so’nen tollen Hintern hast…“, nuschelte Ryo und schnippte seine Zigarette auf den Boden.

„Und das fällt dir gerade jetzt auf?“

„Nein. Ich durfte ihn ja schon genauer unter die Lupe nehmen.“ Er grinste leicht.

Satoshi war sich nicht sicher, ob er darauf etwas sagen sollte. Er wollte schon, aber er wusste nicht was, also ließ er es bleiben, biss die Zähne zusammen und hoffte, dass Ryo ihn bald in Ruhe ließ, doch da wurde er leider enttäuscht. Der Drummer klebte an ihm wie eine Klette und folgte ihm auf Schritt und Tritt.

„Wo gehen wir eigentlich hin?“, fragte er nach einer ganzen Weile und sah sich um.

„Wo wir hingehen?“ Als Satoshi ihn ansah, bildete sich eine steile Falte zwischen seinen Brauen. „Ich gehe nach Hause. Was du machst, ist mir egal.“

„Gut, dann komm ich mit.“

Abrupt blieb Satoshi stehen. Ryo nahm noch ein paar Schritte, dann hielt auch er an, drehte sich um und sah den Sänger fragend an. „Kommst du?“

„Treib’s nicht zu weit.“

„Was denn?“

Satoshi ballte die Hände zu Fäusten und holte tief Luft. Er versuchte sich zu beruhigen. Er scheiterte kläglich. Warum tat Ryo das? Warum in aller Welt musste er ihn gerade so auf die Palme bringen?
 

„Glaubst du, es ändert sich was an meinen Gefühlen, wenn du mir auf die Nerven gehst?“, fragte er so ruhig wie möglich.

Ryo schaute ihn irritiert an. „Ich weiß nicht mal, was für Gefühle du hast.“ Er wurde plötzlich sehr ernst. „Ich hab mir von der Seele geredet, was mich schon seit Monaten beschäftigt, und nicht mal eine Antwort von dir bekommen. Ich hab mich bei dir entschuldigt, weil es falsch war, das mit dir zu machen, wo du doch total besoffen warst.“ Er redete noch weiter, doch Satoshi nahm davon kaum Notiz. Wie paralysiert starrte er Ryo an.

„Seit Monaten?“

Ryo, in seinem Redefluss unterbrochen, sah ihn irritiert an. „Ja, seit Monaten.“

Fahrig strich Satoshi sich durch die gestylten Haare. „Und ich hab nichts gemerkt…“

Ryo seufzte. Er hob kurz die Schultern. „Wie solltest du auch? Ich hab mich ja nicht anders benommen als sonst. Zumindest hab ich versucht zu sein wie immer und damit war ich wohl ziemlich erfolgreich.“ Er sah ihn an und wartete auf eine Reaktion, doch Satoshi konnte nichts sagen oder tun. Er war überfordert. Das alles wurde ihm zu viel. Warum gab es keinen Pause-Knopf für sein Leben?
 

Minuten vergingen, die sie schweigend dastanden. Erst als Satoshi von einem andern Fußgänger angerempelt wurde, schien er aus seinen Gedanken aufzuschrecken. Er sah Ryo an. „Wie war es?“

Offensichtlich wusste Ryo nicht, was er meinte. Er überbrückte die kurze Distanz zwischen ihnen und blieb nahe vor ihm stehen. „Wie war was?“

Satoshi zögerte. Er leckte sich über die trockenen Lippen und war so auf damit beschäftigt die Worte zu formulieren, die er sagen wollte, dass er gar nicht mitbekam, was das für eine Wirkung auf Ryo hatte. „Im Studio… Hattest… Hattest du es dir so vorgestellt?“

Ryo legte den Kopf schief und betrachtete ihn, dann schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. „Du willst hier darüber reden?“, fragte er leise und warf einen Blick über die Schulter. Die Bürgersteige waren voller Menschen und es würde noch schlimmer werden, wenn der Feierabendverkehr losging.

„Sag es mir.“ Satoshi wollte es wissen. Jetzt.

Ein Seufzen kam über Ryos Lippen, doch anstatt zu antworten, packte er Satoshi am Handgelenk und zog ihn mit sich. Satoshi ging einfach mit ihm und nachdem sie sich eine Weile durch die Menschenmassen gedrängelt hatten, bog der Drummer in eine Seitengasse ein, die ein krasser Gegensatz zu der Geschäftigkeit auf den Straßen war. Hier war niemand außer ihnen und auch wenn der Straßenlärm nicht zu überhören war, kam es Satoshi vor als wäre er hier mit Ryo allein. Ganz allein.
 

Ryo hielt ein paar Schritte Abstand zu ihm, sah ihn aber an. Seine Augen waren plötzlich so dunkel, beinahe bedrohlich. Aber wirklich nur beinahe. Es war etwas anderes, das plötzlich in ihm aufglomm, etwas, das er hoffentlich zügeln konnte.

Satoshi schluckte. Nervös strich er sich über den Arm und wartete auf Ryos Antwort, die aber blieb aus. „Und?“, hakte er irgendwann nach, doch noch immer verließ kein einziges Wort Ryos Mund. Stattdessen machte der Drummer einen Satz nach vorn, stand plötzlich direkt vor Satoshi, packte seine Arme und drückte ihn unsanft gegen die Hauswand hinter ihm. Als der Sänger den kalten Stein im Rücken spürte, gab er unwillkürlich ein Keuchen von sich und das war der Funke, den es gebraucht hatte, um das Feuer in Ryo zu entfachen. Grob presste er seine Lippen auf die des Älteren und küsste ihn als gäbe es kein Morgen mehr. Satoshi hätte sich wehren können, den Kopf wegdrehen, ihn wegschubsen, doch er tat es nicht. Er war neugierig, hätte das allerdings nie zugegeben. An sein Gespräch mit Ryo durch die Toilettentür konnte er sich noch gut erinnern, aber alles, was davor geschehen ist, war wie hinter einem dichten Nebelschleier verborgen. Er wusste, dass Ryo es ihm gemacht hatte und dass er zwischen seinen Pobacken gekommen war, aber an Einzelheiten konnte er sich nicht erinnern. Vielleicht war das besser so, vielleicht aber auch nicht. Jetzt war einer dieser Momente, in denen er sich wünschte er wäre nicht so betrunken gewesen. Er wollte wissen, wie sich Ryos Lippen und seine Zunge anfühlten, wie er küsste, wie er ihn küsste, wie er sich anfühlte, wie er schmeckte…
 

Wie von selbst öffneten sich seine Lippen ein Stück und sofort drang Ryos Zunge in seinen Mund ein, erforschte die feuchte Höhle und liebkoste alles in ihr rastlos. Satoshi entkam ein Keuchen, doch diesmal nicht vor Schreck. Er bewegte seine Zunge leicht gegen Ryos, stupste sie an, forderte sie stumm zu einem kleinen Kampf auf. Plötzlich wurde der Kuss langsamer, träger, aber nicht schlechter. Ryo ließ Satoshi los und legte seine Hände in seinen Rücken, drückte ihn an sich. Es war, als hätte er ein paar Gänge runter geschaltet und so dumm er sich selbst auch vorkam, Satoshi fühlte sich geborgen. Er mochte das hier, er mochte diese Nähe, Ryos Nähe. Er mochte Ryo und zwar anders als er Shuu und Nii mochte.

Diese Erkenntnis traf ihn wie ein Blitz. Er riss die Augen auf und drehte den Kopf weg. Ryo strich mit den Lippen über seine Wange, sodass ein heißer Schauert über seinen Rücken rieselte. Es fühlte sich gut an, verdammt gut, und das war es, was ihm Angst machte. Als der Drummer an seinem Hals angelangt war, presste er die Augen zusammen und schubste ihn von sich.

Wie vom Donner gerührt stand Ryo da und sah ihn an. Er musterte ihn, seufzte dann leise. „Das war zu viel, mh?“ Er trat noch einen Schritt zurück um Satoshi nicht zu bedrängen, seine Augen aber waren weiterhin auf den Sänger gerichtet, der immer noch an der Wand lehnte und ihn fassungslos ansah. Einige Augenblicke vergingen, er wollte Satoshi die Chance geben etwas zu sagen, doch der blieb still, starrte ihn einfach nur an.
 

„Du wolltest wissen, ob ich’s mir so vorgestellt hab…“, sprach er dann einfach weiter. Er schüttelte leicht den Kopf. „Wenn ich ehrlich bin… nein. Ich hab’s mir vorgestellt, oft sogar. Aber nicht so. Du warst betrunken, das hat mich gestört, aber du warst willig und wenn sich mir so eine Chance bietet, sag ich doch nicht ‚nein‘.“

Er kam einen Schritt auf Satoshi zu…

„Ich hätte mir viel lieber Zeit genommen, ganz viel Zeit, und alles in Ruhe mit dir gemacht. Und anders.“

… und noch einen Schritt…

„Ich hätte dir gern gezeigt, wie schön es mit einem anderen Mann sein kann.“

… uns noch einen.

„Wie schön es mit mir sein kann…“

Er stand jetzt wieder direkt vor Satoshi, es waren nur noch wenige Zentimeter Platz zwischen ihnen.

„Und ich will’s immer noch, aber das hab ich mir wohl selbst verbockt.“ Er lächelte traurig. „Ich hätte dich eben nicht küssen sollen, tut mir leid. Ich war egoistisch.“

Er ritt nicht darauf herum, dass Satoshi den Kuss erwidert hatte. Er hatte es gemerkt, ganz bestimmt, da war der Sänger sich sicher; er wusste es, aber er sprach es nicht aus. Und er war dankbar dafür.
 

Ryo beugte sich vor und berührte hauchzart Satoshis Lippen mit seinen, dann nahm er wieder Abstand und betrachtete ihn einige Augenblicke stumm, ehe er sich einfach umdrehte und ging.

Geh nicht!, wollte Satoshi sagen, ihn anschreien, dass er bei ihm bleiben sollte, doch er bekam kein Wort heraus. Seine Kehle war wie zugeschnürt.

Er sah zu, wie Ryo auf die Straße zu ging. Dort angekommen dauerte es keine Sekunde, bis er aus seinem Blickfeld verschwunden war. Einige Zeit starrte er ihm noch hinterher, dann hob er seine Hand und strich mit seinen Fingern leicht über seine Lippen.

Er konnte nicht glauben, was eben passiert war. Ryo hatte ihn einfach mit in eine dunkle Gasse gezogen, ihn genommen und geküsst, wie er noch nie in seinem Leben geküsst worden war. Er hatte mit ihm geredet, als wollte er ihn verführen – oder hatte er sich das nur eingebildet? – ihn angefasst, an sich gedrückt, gehalten… Er hatte ihn zutiefst schockiert. Doch es lag nicht an diesen Dingen, nein. Er hatte all das gemacht und war dann einfach gegangen, das war das Schlimme. Vor ein paar Tagen hatte er ihm seine Liebe gestanden und war dann einfach verschwunden, ohne auf eine Antwort zu warten. Natürlich war er geschockt gewesen und hatte erst mal Zeit gebraucht um das alles sacken zu lassen, aber Ryo war schon weg gewesen, als er bereit gewesen war, etwas zu sagen. Und jetzt hatte er ihn geküsst, ja er hatte ihm erzählt, wie er ihn verführen wollte, und war dann einfach wieder abgehauen! Ryo tat, was er wollte, und verschwand dann einfach! So ließ er nicht mit sich umspringen!

Wütend schlug er mit der Faust gegen die Wand. Den Schmerz, der ihn durchfuhr, ignorierte er.

Das würde Ryo ihm büßen!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Erstes Kapitel mit neuem Schreibprogramm und auf neuem Laptop! :D
 

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____________
 

Noch vor der Dämmerung schlug Satoshi die Augen auf. Im ersten Moment war er ein wenig desorientiert, und das obwohl er wusste, dass er sich in seinem eigenen Schlafzimmer befand. Trotzdem war etwas anders, und es dauerte nicht lange, bis er sich erinnerte, was es war. Er war nicht allein. Ryo war da. Und als hätte es nicht schon gereicht, dass sich der Drummer mit in seinem Bett befand, war er ihm so nah wie Satoshi es gern vermieden hätte. Der Kleinere musste sich mitten in der Nacht an ihn gekuschelt haben. Jetzt hielt er Satoshi eng umschlungen, dem das irgendwie unangenehm war. Nicht, dass er es nicht mochte, eher im Gegenteil. Er kuschelte gern, aber eben nur, wenn er die passende Person dafür hatte, und er war sich nicht sicher, ob dies bei Ryo der Fall war.

Sicher, sie hatten miteinander geschlafen und es war schlicht und einfach bombastisch gewesen, doch Sex allein bedeutete nicht, dass da mehr war.

Er wusste es besser, doch wahrhaben wollte er es nicht.
 

Es dauerte ewig, bis es draußen heller wurde. Zu gern hätte er einen Blick auf die Uhr geworfen, doch er wagte es nicht sich zu bewegen und so zu riskieren Ryo zu wecken. Wenn der Drummer wach war, würde er reden wollen und dem wollte er so lange wie möglich aus dem Weg gehen. Also lag er still da und versuchte nicht allzu viel über das Geschehene nachzudenken, doch das klappte leider nicht so ganz.

Er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, aber es musste schon nach neun sein, denn draußen war es bereits hell, als Ryo sich so plötzlich bewegte, dass er beinahe zusammengezuckt wäre. Zum Glück aber nur beinahe.

Der Drummer schien im Gegensatz zu ihm Gefallen an ihrer Position zu finden. Er lag hinter Satoshi, der ihm den Rücken zugedreht hatte, einen Arm um dessen Bauch geschlungen. Jetzt kam er noch näher heran und begann ihn zu streicheln. Ein wohliger Laut schlich sich über seine Lippen und es wurde für den Sänger immer schwieriger so still dazuliegen, sich schlafend zu stellen. Dennoch schaffte er es irgendwie, auch als Ryos Hand an wenig an seiner Brustwarze herumspielte und ihn sogar ziemlich tief unten streichelte. Wie kam der Drummer nur dazu, ihn schon wieder so anzufassen? War er wirklich so notgeil?
 

Ziemlich bald ließ er zu Satoshis Erleichterung aber wieder von ihm ab und stand auf. Ohne Umschweife ging er ins Badezimmer und nur Augenblicke später hörte er das Wasser rauschen. Ein Seufzen kam dem Sänger über die Lippen und er atmete tief durch. Er wusste nicht, wie er sich seinem Freund gegenüber jetzt verhalten sollte. Am liebsten wäre er weggerannt und hätte sich versteckt, aber das war albern, das wusste er selbst. Sie waren erwachsen und so etwas sollten sie auch regeln können wie Erwachsene. Wenn er sich doch nur sicherer gewesen wäre...
 

Als Ryo nach einer Weile wieder aus dem Badezimmer kam, schloss Satoshi seine Augen wieder und hoffte, dass er überzeugend genug war um in Ruhe gelassen zu werden. Er hörte Schritte, Ryo kam auf ihn zu, blieb direkt vor ihm stehen und er wusste, dass er ihn ansah. Es kribbelte ihn überall. Er kämpfte gegen den Drang an ihn anzusehen und öffnete die Augen erst einen klitzekleinen Spalt, als er hörte wie eine Tür von seinem Kleiderschrank geöffnet wurde.

Da stand Ryo, vollkommen nackt, und wühlte in seinem Schrank herum. Satoshi kam nicht umhin auf seinen Hintern zu starren und schlagartig zogen die Bilder der letzten Nacht durch seinen Kopf. Ryos schweißnasser Körper, an ihn gepresst, heiß, willig... Er schluckte und versuchte diese Gedanken zu vertreiben, war aber nur mäßig erfolgreich und so kam es, dass er zu spät mitbekam, dass Ryo sich wieder umdrehte. Trotzdem schloss er schnell wieder seine Augen und versuchte genauso unbeteiligt auszusehen wie noch eben. Er wusste selbst, dass er es nicht schaffte, aber trotzdem war es ein komisches Gefühl als Ryo ihm ein paar Haare aus dem Gesicht strich und ihn direkt ansprach. „Du solltest auch duschen gehen. Ich mach schon mal Frühstück.“ Er strich kurz mit einem Finger über seine Wange und Satoshi hielt die Luft an. Er wagte es erst wieder zu atmen, als der Drummer aus dem Zimmer raus war und er in der Küche die ersten Schranktüren klappern hörte.
 

Er atmete tief durch und starrte auf seinen Schrank, den Ryo offen gelassen hatte. Hatte er sich jetzt Klamotten von ihm angezogen? Wahrscheinlich.

Satoshi seufzte und stand langsam auf, um ins Bad zu schlendern, in dem es verdammt kalt war, weil Ryo das Fenster aufgesperrt hatte. Das schloss er sofort wieder und stellte sich dann unter die Dusche, die ihm gerade verdammt gut tat. Das heiße Wasser half ihm zu entspannen und das hatte er gerade verdammt nötig, denn seine Muskeln taten weh von den Anstrengungen der letzten Stunden, in denen er versucht hatte, so locker wie möglich dazuliegen um auch ja keinen Verdacht zu erregen.

Er schaffte es sogar nicht die ganze Zeit an letzte Nacht zu denken, bis es plötzlich an der Tür klingelte und er beinahe ausrutschte, weil er sich so sehr erschreckte. Er konnte sich gerade noch rechtzeitig an der Wand festhalten und atmete tief durch. Scheiße, er musste aufpassen. Diese Sache machte ihn total schreckhaft.
 

Es klingelte erneut, Sekunden später wurde die Tür geöffnet und er hörte Stimmen.

Satoshi stellte das Wasser ab und schnappte sich sein Handtuch, trocknete sich grob ab und bekam jetzt auch mit, dass es Nii war, der da mir Ryo sprach. Bestimmt hatte der Drummer ihn hereingebeten. Jetzt würden sie also zu dritt frühstücken und er wusste nicht, ob er sich freuen sollte, weil er nicht mit Ryo allein sein würde, oder nicht, denn das konnte gleich auch ziemlich unangenehm werden. Er würde aufpassen müssen, was er sagte um sich nicht selbst zu verraten.

Er legte sein Handtuch beiseite und öffnete so leise wie möglich die Tür. Der Flur war leer, wahrscheinlich waren sie in die Küche gegangen. Er schlich sich ins Schlafzimmer, wo er sich schnell Shorts überzog. Gerade wollte er sich ein Shirt heraussuchen, als Nii plötzlich aus der Küche nach ihm rief. „Satoshi! Komm schon, brauchst dich nicht extra hübsch machen! Außerdem ist das Frühstück schon fertig!“

Wie auf Befehl knurrte sein Magen. Er seufzte und schnappte sich die Jeans, die noch von gestern auf dem Boden lag, zog sie sich über und griff dann nach dem erstbesten Shirt in seinem Schrank, das er sich auf dem Weg in die Küche über den Kopf zog. Dort angekommen, blieb er erst mal in der Tür stehen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Da standen drei Kaffeetassen auf dem Tisch und ein bisschen was zu essen. Was sein Kühlschrank eben noch so hergegeben hatte. Er musste dringend wieder einkaufen gehen.
 

Ryo blieb still, aber von Nii wurde er mit einem erstaunlich gut gelaunten „Morgen!“ begrüßt, ehe der Gitarrist stockte und ihn mit hochgezogenen Augenbrauen anstarrte.

„Was denn?“, fragte Satoshi wenig geduldig.

Niis Blick huschte zu Ryo, der seine Aufmerksamkeit jetzt auch auf Satoshi richtete, dann blickte er den Sänger wieder an und seine Miene spiegelte pure Sprachlosigkeit. Satoshis Brauen wanderten nach oben. Er hatte überhaupt keine Ahnung, was das jetzt sollte.

„Was ist denn heute los? Ryo in deinen Klamotten, du in Ryos...“ Der Sänger blicke an sich herab und war im ersten Moment ziemlich erschrocken, als er sah, was genau er da aus dem Schrank gefischt hatte. Ryos Shirt. Das er in der Nacht angehabt hatte, als er sich im Studio an ihn rangemacht hatte. Er wusste nicht warum, aber anstatt es dazulassen, hatte er es mit nach Hause genommen und gewaschen. Und nun trug er es.

Gerade wollte er etwas sagen, da richtete sich Niis Blick wieder auf Ryo. „Hast du ihn...?“ Er sprach nicht weiter, doch Satoshi war sofort klar, was er meinte. Was ihn allerdings schockte, war, dass Nii auf so etwas kam! Hatte Ryo etwa mit ihm darüber geredet?! Es musste ja so sein. Anders konnte er es sich nicht erklären.

Erleichterung machte sich in Satoshi breit, also Ryo den Kopf schüttelte, doch schon im nächsten Moment stand er total verkrampft da und glaubte sich verhört zu haben.

„Nein, er mich.“

Nun lag Niis ungeteilte Aufmerksamkeit auf ihm und er spürte, wie er rot wurde. Scheiße, war ihm das unangenehm! Wie zum Teufel kam Ryo dazu, so etwas zu sagen?! Er wusste doch, dass er mit alledem nicht richtig umzugehen wusste, da war doch wohl klar, dass so etwas nicht unbedingt hilfreich war!
 

Anscheinend war er aber der einzige, der sich unwohl fühlte. Ryo hatte sich schon wieder abgewandt und trank seinen Kaffee, Nii musterte ihn noch einige Augenblicke neugierig, dann nahm er sich etwas zu essen. Und Satoshi stand immer noch da und fühlte sich, als hätte ihm jemand ein Brett über den Schädel gezogen.

„Jetzt steh da nicht so rum.“, sagte Ryo leise. „Setz dich endlich hin!“ Er klang genervt, aber warum zum Teufel war er genervt?!

Satoshi war viel zu geschockt um etwas zu sagen, darum setzte er sich tatsächlich hin, schnappte sich die letzte Kaffeetasse, die noch voll war, und nippte daran. Ihm war der Appetit vergangen.
 

Irgendwie herrschte eine komische Stimmung am Tisch, doch er schien der einzige zu sein, der es nicht ignorieren konnte. Während Ryo sich über belanglose Sachen mit Nii unterhielt, saß Satoshi einfach nur da und starrte in seine Kaffeetasse. Er versuchte so angestrengt nichts zu denken, dass er nicht einmal mitbekam, dass er angesprochen wurde. Erst als Nii ihn anstieß, erwachte er aus seiner Starre und sah den Langhaarigen mit aufgerissenen Augen an.

„Hast du ein Gespenst gesehen?“, fragte Nii und lachte. Satoshi schluckte. Wenn es doch nur ein Gespenst gewesen wäre.

„Ich hab keinen Hunger.“, sagte er leise und stand auf. Ohne noch etwas zu sagen, verließ er die Küche und verdrückte sich auf seinen ans Schlafzimmer angrenzenden Balkon. Der war zwar verdammt klein, doch hier bekam er wenigstens frische Luft ab und konnte ein wenig allein sein, und hier blieb er auch bis Nii wieder verschwunden war.
 

Gerade erst war der Gitarrist gegangen, da kam Ryo zu ihm. Er stellte sich ganz dicht hinter ihn und legte die Hände auf seine Oberarme, doch Satoshi schüttelte ihn ab. Er drängte sich an ihm vorbei nach drinnen und sah ihn wütend an.

„Was sollte das eben?“

Ryo drehte sich zu ihm um. „Was denn?“, fragte er unschuldig. Satoshi bekam fast das Kotzen, weil er so tat als wüsste er nicht ganz genau, was er angerichtet hatte.

„Warum erzählst du Nii, dass ich dich... Dass wir Sex hatten?“

Ryo hob leicht seine Schultern. „Weil es stimmt?“ Es war mehr eine Frage als eine Antwort und Satoshi wurde langsam wirklich schlecht.

„Aber warum?“

Jetzt zögerte der Drummer. „Er weiß Bescheid.“, sagte er schließlich leise und Satoshi verengte die Augen zu Schlitzen.

„Worüber?“

Wieder zögerte Ryo.

„Über meine Gefühle zu dir … Irgendetwas musste ich ihm doch erzählen, als er uns erwischt hat... Es tat gut, mal mit jemandem darüber reden zu können...“

„Du meinst, als er dich erwischt hat, wie du an mir herum gefummelt hast.“

Ryo seufzte schwer und verdrehte die Augen. „Nein, ich meine als wir es uns gegenseitig gemacht haben, während die beiden daneben lagen und geschlafen haben! Red nicht immer so als wäre das alles total schrecklich für dich, immerhin hattest du gestern auch deinen Spaß!“

Da hatte er recht. Satoshi biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. Er seufzte leise und setzte sich auf sein Bett. Ryo bleib stehen und verschränkte die Arme vor der Brust.
 

„Also spiel bitte nicht die beleidigte Leberwurst, nur weil ich mir jemanden suche, mit dem ich darüber reden kann. Du lässt ja nicht mit dir reden.“

Satoshi ließ den Kopf hängen. Eben noch hatte er sich verarscht gefühlt, und jetzt wurde ihm plötzlich bewusst, dass er im Unrecht war. Natürlich brauchte Ryo jemanden, mit dem er über all das reden konnte, doch dass es ausgerechnet Nii sein musste, behagte ihm nicht ganz so sehr. Aber da musste er jetzt wohl durch. Er hoffte nur, dass der Langhaarige jetzt nicht vorhatte sich einzumischen und am besten noch Amor zu spielen.

„Obwohl du ja gesagt hast, dass wir heute reden...“, fügte Ryo leise an und betrachtete ihn eingehend. „Aber das kann ich wohl wieder vergessen, mh?“

Satoshi seufzte erneut. „Ich weiß einfach nicht, was ich dir sagen soll.“, kam es erstaunlich leicht über seine Lippen, aber wohl auch nur, weil er Ryo nicht ansehen musste.
 

Der Drummer ließ die Arme sinken und kam nach einigem Zögern zu ihm, setzte sich ebenfalls auf das Bett, kam ihm aber nicht zu nahe. „Du kannst mir sagen, was das gestern für dich war.“

Satoshi zögerte. Er fühlte sich unwohl. Ihm war es noch nie leicht gefallen über seine Gefühle zu sprechen, aber gerade war das besonders schlimm. Wie konnte es ihm auch leicht fallen über seine Beziehung zu einem anderen Mann zu reden, wo er doch bis vor ein paar Wochen der festen Überzeugung gewesen war, dass er hetero war?

Er schwieg ein wenig zu lange. Ryo sprach weiter. „Dann sag mir, was das nicht für dich war. Oder soll ich sagen, was ich denke? Und wenn ich falsch liege, korrigierst du mich.“ Er wartete ein Nicken ab, dann fuhr er fort. „Okay. Ich weiß, dass das gestern nicht nur irgendetwas war. Du machst dir nichts aus One Night Stands und schon gar nicht aus One Night Stands mit Freunden. Außerdem war es ja nicht das erste Mal, dass wir... intim waren … Du warst neugierig, wie es sein würde, oder? Aber das allein war es auch nicht. Sonst hättest du anders reagiert. Du warst neugierig, aber du hattest auch Angst. Davor, dass das etwas zwischen uns ändert... Davor, dass... dass es dich durcheinander bringt. Verunsichert. Davor, dass es dich zwingt über all das nachzudenken, was da zwischen uns ist … so ungefähr ist es doch... richtig?“

Erst jetzt legte Ryo eine Pause ein und musterte ihn. Satoshi war unwohl in seiner Haut. Und er war erstaunt darüber, wie gut Ryo ihn analysieren konnte. Wenn der Drummer das alles so schnell durchschauen konnte, warum konnte er selbst seine Gefühle und Gedanken nicht einmal ansatzweise sortieren?

„So ungefähr.“, sagte er leise, vermied es aber weiterhin ihn anzusehen. Er war erleichtert, dass Ryo so geduldig mit ihm war, vor allem jetzt.
 

Eine Weile schwiegen sie sich an, dann seufzte Ryo und rückte dichter an ihn herab, legte seine Hand auf eine von Satoshi, der bei der Berührung leicht zuckte.

„Du brauchst keine Angst haben, Satoshi. Vor gar nichts. Was passiert, passiert eben. Lass es einfach geschehen.“

Das sagte er einfach so. Ganz so leicht war es dann aber doch nicht, denn es stand einiges auf dem Spiel. Selbst wenn das mit ihnen klappen sollte, wusste niemand ob es von Dauer sein würde und wenn es das nicht war, würde das bedeuten, dass er seinen besten Freund verlor. Außerdem war so eine Situation bestimmt auch nicht einfach für die Band.

Er warf einen kurzen Blick zu Ryo, der diesen einfing und ihn sanft ansah, dabei leicht über seine Hand strich. Diese Berührung war nicht unangenehm, trotzdem entzog er sich ihr.

„Das ist... kompliziert...“

Ryo lachte leise. „Natürlich, aber das ist es doch immer. Vor allem für jemanden wie dich.“

Satoshi sah ihn an. Falten traten auf seine Stirn. „Was soll das heißen?“

Der Drummer grinste. „Du machst dir nicht so viel aus Beziehungen, solange sie nicht zumindest das Potential haben, dass was Ernstes daraus wird. Für dich sind andere Dinge wichtiger.“

Da hatte er recht.

„Aber das heißt auch, dass das zwischen uns was Ernstes werden könnte, so sehr wie es dich beschäftigt. Wir sollten dem wenigstens eine Chance geben, meinst du nicht?“

Satoshi hatte den Blick wieder abgewandt. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Irgendwie war es ihm unheimlich, dass Ryo ihn so gut durchschauen konnte und da so einfach drüber redete. Er wünschte, er könnte das auch, dann wäre alles viel einfacher.
 

Wieder war Satoshi in Schweigen verfallen und Ryo seufzte leise. Er wurde langsam ungeduldig. Er zog sogar seine Hand zurück, doch als Satoshi aufsah, kam er ihm so nahe, wie den ganzen Morgen noch nicht. Er sah ihn eindringlich an und legte zögerlich eine Hand an seine Wange, strich über seine Haut, die schon wieder die ersten Stoppeln aufwies. Für Satoshi war das immer noch komisch, wenn er ihn so berührte, Ryo aber schien momentan nichts anderes lieber zu tun als ihn anzufassen, ihm nahe zu sein.

„Du bist mir wirklich wichtig, Satoshi … Ob wir so gut zusammen passen wie ich es gerne hätte, weiß ich nicht, aber ich finde, wir sollten es wenigstens probieren.“

„Und wenn's nicht klappt...“

„Wenn's nicht klappt, ist das eben so. Sicher werd' ich enttäuscht sein, aber ich werde da kein Drama draus machen.“ Er zögerte kurz. „Versprochen. Dazu bist du mir als Freund viel zu wichtig.“

Satoshi sah ihn an und er wusste, dass Ryo gerade etwas versprochen hatte, dass er wahrscheinlich nicht würde halten können.
 

„Ich weiß nicht, was du jetzt von mir erwartest.“, sagte er leise und es kostete ihn einige Mühe, ihn dabei anzusehen, aber er schaffte es den Blick nicht abzuwenden. „Dass ich sage ja, okay und wir dann von einen Moment auf den anderen Pärchen spielen?“

Ein Schmunzeln schlich sich auf Ryos Lippen, dann schüttelte er den Kopf. „Du solltest echt aufhören darüber so viel nachzudenken. Lass es einfach geschehen. Sicher habe ich gewisse Vorstellungen, aber ich werde keine Erwartungen an dich stellen. Gar keine.“

Auch das konnte Ryo wahrscheinlich nicht einhalten. Er wollte ihn jetzt einfach nur rum bekommen, das wusste der Sänger. Und trotzdem fiel es ihm immer schwerer ihn zappeln zu lassen und nicht einfach zu küssen und es zu versuchen. Auch wenn er sich immer noch nicht vorstellen konnte, wie es sein würde mit Ryo eine Beziehung zu führen. Er war sich ja noch nicht mal seiner eigenen Gefühle sicher, wie sollte er dann schon über so etwas nachdenken?
 

Ryos Finger strichen noch immer leicht über seine Wange. Er sah ihn an, beobachtete ihn, und Satoshi fühlte sich unter Druck gesetzt. Ryo wollte eine Entscheidung, je eher desto besser, aber er wollte keine Entscheidung treffen; dazu fühlte er sich nicht in der Lage. Noch nicht. Vielleicht irgendwann, er wusste es nicht. Aber er wollte ihn nicht schon wieder von sich stoßen, wo er doch wusste, dass er mit so vielem Recht hatte. Nur weil er es sich nicht eingestehen konnte, wollte er es Ryo nicht noch schwerer machen.

Sein Blick fiel auf die Lippen des Drummers, die leicht geöffnet waren. Plötzlich verspürte er den Drang danach sie zu berühren, ihn zu küssen, ihn anzufassen, also tat er es. Er beugte sich vor und legte seine Lippen auf die von Ryo, der für den Bruchteil einer Sekunde wie erstarrt war. Mit so etwas hatte er wohl nicht gerechnet. Dann aber wanderte seine Hand von Satoshis Wange in seinen Nacken und zog ihn dichter, hielt ihn fest, presste ihn an sich. Der Sänger wusste nicht recht, ob er das gut oder schlecht finden sollte. Er tendierte eher zu gut, also ließ er es zu, öffnete leicht seine Lippen, als Ryos Zunge darüber fuhr, und nur Augenblicke später spürte er diese in seinem Mund, wie sie ihn erforschte, auskundschaftete und mit seiner eigenen spielte.

Satoshi war das keineswegs unangenehm, doch es fühlte sich komisch an. Nie zuvor war er so dominant geküsst worden wie von Ryo, geschweige denn so bestimmt angefasst worden wie letzte Nacht. Das fühlte sich gut an, das machte es aufregend. Ryo war so vollkommen anders, als die Frauen, mit denen er bisher zusammen gewesen war. Vielleicht war es genau das, was ihm bisher gefehlt hatte, denn noch nie hatte ihn jemand so sehr aus der Bahn geworfen wie Ryo.

Vielleicht redete er sich das aber auch nur ein, um ihn nicht zu enttäuschen.
 

Plötzlich fiel ihm etwas ein und er löste den Kuss, blieb aber nahe bei ihm. Er sah ihn an und in Ryos Augen lag etwas, das er nicht recht zuordnen konnte. Er versuchte es zu ignorieren, zumindest für den Moment.

„Egal, was ist...“, begann er leise und Ryo starrte auf seine Lippen, als war es egal, was Satoshi zu sagen hatte, als wollte er ihn nur wieder küssen, doch er riss sich zusammen und hörte ihm zu, wenn er denn schon mal redete.

„Wenn du noch einmal in meiner Wohnung rauchst, nehm ich dich mit ins Schlafzimmer, zieh dich aus und sperr dich so auf den Balkon.“

Ryos Blick huschte nach oben und er sah ihm in die Augen. Er wirkte tatsächlich verunsichert.

„Verstanden?“

Ryo nickte zögerlich und Satoshi musste grinsen. Irgendwie war er ja schon niedlich gerade.

„Okay... Aber wenn du mich nicht bald wieder küsst, steck' ich mir eine an. Dann zieh ich dich auch aus und nehm dich mit auf den Balkon.“

Jetzt grinsten sie beide. Und irgendwie war Satoshi sich nicht mehr so sicher, ob seine ganzen Zweifel berechtigt waren. Gerade wollte er den Drummer einfach nur wieder küssen, also tat er es – ganz ohne Umschweife.

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Dieses Mal hab ich echt lange gebraucht, ich weiß. Aber es kam immer was dazwischen. Erst war's die Arbeit, dann Weihnachten und Silvester und nun ist's schon wieder so stressig auf Arbeit.

Aaaaaaaber nun hab ich's ja geschafft! :D
 

Viel Spaß beim Lesen!
 

Ich hoffe, das nächste Kapitel kann ich schneller abliefern :'D
 

________
 


 

Der Start ihrer Beziehung war doch um Einiges rasanter geworden als geplant war – wenn man so etwas denn überhaupt planen konnte. Zumindest hatte Satoshi es sich vorgestellt: Dass es irgendwie war wie immer, sie sich nur näher waren, sich küssten, streichelten, ihre Zuneigung zueinander zeigten, und es langsam angingen, sodass Satoshi Zeit hatte sich mit allem anzufreunden und sich daran zu gewöhnen, dass es da wieder jemanden in seinem Leben gab, der auch ab und zu nach Aufmerksamkeit verlangte.

Tatsächlich hatte sich das alles aber ganz anders entwickelt. Nachdem er von Ryo immer wieder mit dessen Gefühlen – und auch seinen eigenen – konfrontiert worden, ja irgendwie sogar gelenkt worden war, war es genauso turbulent weiter gegangen. Satoshis bisherige Beziehungen waren anders gewesen, aber da war er auch immer der bestimmende Part gewesen, jetzt war es Ryo. Meistens versuchte er das zu vertuschen, doch Satoshi durchschaute ihn. Sie kannten sich ja auch schon lange und gut genug. Wie hatte Ryo geglaubt verbergen zu können, dass eigentlich alles von ihm ausging?

Sicher hatte auch Satoshi mal Lust auf seine Nähe, wollte ihn nahe bei sich haben, ihn küssen, doch in den wenigsten Fällen nahm er sich, was er wollte. Ryo kam ihm meist zuvor. Sogar immer, wenn es um Sex ging. Er bestimmte, wann und wo, und vor allem wie oft. Nicht, dass es Satoshi missfiel, eher war das Gegenteil der Fall; er mochte es, wenn Ryo so war wie immer und einfach das tat, wonach ihm war, doch manchmal war das für ihn ein bisschen viel auf einmal. Zum Beispiel, wenn er nach einem langen Tag einfach nur noch auf der Couch liegen und entspannen wollte, bevor es ins Bett ging, Ryo aber lieber noch ein bisschen Hoppe Hoppe Reiter spielte und ihn so schnell so geil machte, dass Satoshi gar nicht anders konnte als da mitzuspielen. Sicher war das nichts Schlechtes, doch er war lange Single gewesen – an so etwas musste er sich erst wieder gewöhnen.
 

Heute war auch so ein langer Arbeitstag gewesen, doch er war guter Dinge, dass seinem Fernsehabend nichts im Wege stand. Er war sich sogar ziemlich sicher, dass Ryo die Finger von ihm lassen würde, da sie am Morgen gerade erst aktiv gewesen waren.

Als Ryo sich nach einem langen Aufenthalt im Bad auch einfach zu ihm setzte und sich ankuschelte, fühlte er sich bestätigt. Er legte seinen Arm locker um den Kleineren und genoss es, einfach mal nichts zu tun. Ihn einfach nur in seiner Nähe zu haben und das zu genießen, denn das konnte er nicht oft. Er war immer froh, wenn er Zeit mit Ryo verbringen konnte, doch nur in den wenigsten Momenten konnten sie einfach nur sie selbst sein und die Gegenwart des anderen genießen, jede kleine Berührung, jedes Lächeln, jeden Blick. Wie zum Beispiel den, den Ryo ihm gerade zuwarf. So flüchtig und doch so intensiv, dass er erschauderte. Er hoffte, dass das unbemerkt blieb, und schenkte nun wieder dem Fernseher seine Aufmerksamkeit, in dem irgendein dämlicher Ballerfilm lief. Genau das, auf das er gar keine Lust hatte. Er war aber zu faul aufzustehen und sich die Fernbedienung zu holen. Was suchte das verdammte Ding auch auf dem Fernseher? Da brachte sie ihm ja herzlich wenig!

Ryo schien das auch ziemlich bald auf die Nerven zu gehen, aber er beschwerte sich nicht, sondern beschäftigte sich einfach mit etwas anderem: Satoshi. Erst war er vorsichtig und ließ seine Hand fahrig über Brust und Bauch des anderen gleiten, doch als der Sänger sich nicht beschwerte, wurden seine Berührungen fordernder. Satoshi sagte immer noch nichts, er versuchte es mit einer anderen Taktik: Ignoranz. Dabei kam er bei Ryo allerdings nicht sehr weit. Bald schon beschäftigte sich der Drummer mit den Innenseiten seiner Oberschenkel und als Satoshi dadurch ziemlich schnell wärmer wurde, schob er Ryos Hand da weg. „Ryo...“ Sofort lag die Hand wieder an der selben Stelle. Ein Seufzen kam von seinen Lippen. „Lass das. Ich hab jetzt keine Lust.“

„So?“ Der Drummer sah ihn von der Seite her an. „Das können wir ganz schnell ändern.“, sagte er in verführerischem Ton und schwupps lag seine Hand in Satoshis Schritt, der bei der Berührung zusammenzuckte und die Hand dort wegwischte, nachdem er sich einen kleinen Moment gesammelt hatte. Er war aber nicht so dumm, ihn wieder loszulassen, nur damit er ihn gleich wieder anpackte, sondern hielt seine Hand fest und sah ihn eindringlich an.

„Müssen wir es andauernd tun?“

Ryo hob eine Augenbraue. „Tu doch nicht so, als wär's schlimm für dich.“

Er seufzte. „Tu ich nicht, denn es ist alles andere als schlimm, aber... mal im Ernst, ich will mehr mit dir machen als immer nur... Sex.“

Ryo musterte ihn eine Weile, dann entzog er ihm seine Hand und setzt sich auf. „So? Was denn? Vor dem Fernseher sitzen und nichts tun? Find ich nu nich' so spannend.“ Er verdrehte die Augen.
 

Satoshi entkam ein Seufzten. Auf solche Diskussionen hatte er gerade noch weniger Lust als auf Bettsport.

„Was willst du denn machen?“

Ryos Miene hellte sich wieder etwas auf und er überlegte, brauchte aber nicht lange um eine Antwort zu finden. „Mit dir ausgehen. Wir hatten noch gar kein richtiges Date.“

Jetzt, wo er es sagte... Satoshi schluckte. Ryo hatte Recht. Dann wurd's ja mal Langsam Zeit für ein Date, auch wenn er keinen blassen Schimmer hatte, was sie machen konnten.

„Okay...“, sagte er daher nur und betrachtete Ryo aufmerksam, auf dessen Lippen sich jetzt ein kleines Grinsen schlich.

„Okay.“, wiederholte er. „Dann gehen wir tanzen!“ Er war direkt Feuer und Flamme für diese Idee. „Da muss ich mich aber erst noch fertig machen! Ich geh duschen!“ Und schon war er aufgesprungen und ins Badezimmer gestürmt.

Satoshi sah ihm wenig begeistert hinterher. „Tanzen?“, murmelte er und irgendwie hatte er darauf noch weniger Lust als auf ein Schäferstündchen. Bewegen war gerade sowieso ganz schlecht.

„Du kannst übrigens gerne mitkommen!“, sagte Ryo plötzlich und er zuckte zusammen, sah ihn an als wäre er ein Geist – zumindest im ersten Moment. Dann glitt sein Blick über den nackten Oberkörper des Drummers und er musste schlucken. Vielleicht war ein bisschen Bewegung doch gar nicht so schlecht, auch wenn er sich besseres als Tanzen vorstellen konnte. Nun, da musste er jetzt wohl durch. „Mhm. Geh ruhig schon, ich komm gleich.“ Ryos Grinsen wurde nur noch breiter und er verschwand sofort wieder. Augenblicke später war das Rauschen des Wassers zu hören. Und Satoshi entkam ein Seufzen. Was tat man nicht alles für den Liebsten.
 

Er ließ noch einige Minuten verstreichen, dann stand auch er auf, ging aber erst mal ins Schlafzimmer und stellte sich vor seinen Schrank. Wenn er doch nur gewusst hätte, in was für einen Schuppen Ryo wollte, dann hätte er sich auch schon Klamotten raus suchen können. Nun gut, musste das eben warten. Da kam er wohl nicht drum rum, mit Ryo zusammen zu duschen.

Doch als er ins Badezimmer kam, stand der Drummer vor ihm, tropfnass und nackt. „Du bist zu langsam!“ Er lachte und Satoshi entkam ein Lächeln.

„Scheint so.“ Nach kurzem Zögern zog er sich aus und Ryo glotzte ganz unverhohlen. Er versuchte sich nicht allzu sehr daran zu stören und stieg schnell unter die Dusche.

„Sehr verlockender Anblick. Da will ich gleich nochmal duschen... Aber dann dauert das wieder ewig und wir kommen erst viel zu spät hier weg, also musst du es leider ohne mich aushalten.“ Er lachte und verschwand dann sofort in Satoshis Schlafzimmer.

Der Sänger seufzte nur. Irgendwie war er sogar ganz froh, dass er ausnahmsweise mal wieder allein duschen konnte. Sicher war es schön Zeit mit Ryo zu verbringen, aber er brauchte ihn deswegen nicht 24 Stunden am Tag bei sich – überall. Ein paar Momente hätte er dann doch ganz gern für sich allein.
 

Er duschte in aller Ruhe, fönte sich die Haare und ging dann erst ins Schlafzimmer und natürlich war Ryo schon komplett angezogen und gestylt. Wie sehr er sich doch beeilen konnte, wenn er etwas unbedingt wollte. Aber gut sah er aus, das musste man ihm lassen. Ryo wusste sich anzuziehen, und vor allem, wie er die Blicke anderer auf sich ziehen konnte – Satoshi zum Beispiel konnte seine Augen gerade nur ganz schwer von ihm lösen, aber er musste sich ja auch anziehen, sonst kamen sie heute wohl echt nicht mehr hier weg.

Da Ryos Kleiderwahl nicht wirklich verriet, wo es hingehen würde, entschied er ich für schwarz – das passte immer. Kaum, dass er angezogen war, sprang Ryo auf und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Na dann kann's ja losgehen!“ Und schon wurde Satoshi an der Hand gepackt und mitgezogen. Da konnte der Abend ja beginnen.
 

Satoshi hatte immer noch keine Ahnung, wo Ryo hinwollte, aber da sie zu Fuß gingen, konnte der Schuppen nicht allzu weit entfernt sein. Er fragte auch nicht nach, aber während sie so nebeneinander hergingen, wuchs seine Lust aufs Tanzen nicht unbedingt. Er behielt's für sich, schließlich war Ryo verdammt gut drauf und freute sich auf diesen Abend, da wollte er ihm den nicht versauen.
 

Bald kamen sie in einem Club an, von dem Satoshi bis zu diesem Augenblick nicht ein mal gewusst hatte, dass er existiert – das aber lag wohl daran, dass er wirklich selten tanzen ging. Viel lieber hing er in irgendwelchen Bars oder Kneipen rum, wo man den ganzen Abend einfach nur sitzen konnte und man auch noch verstand, was sein Gegenüber sagte. Das war hier kaum möglich, so laut wie die Musik war. Und das war auch alles andere als sein Geschmack, aber nun gut... da musste er jetzt wohl durch.

Zumindest holte Ryo ihnen zuallererst etwas zu Trinken, das war doch schon mal gut, dann konnte er sich in Stimmung trinken, wenn er denn schon tanzen musste.
 

Doch irgendwie wurde nichts aus seinem Plan, sich zuerst einen anzutrinken. Ryo hatte sein Glas noch nicht einmal zur Hälfte geleert, da hing sein Blick schon mehr auf der Tanzfläche als irgendwo sonst.

„Wollen wir tanzen?“, fragte er leise und Satoshi zögerte nicht lange mit seiner Antwort.

„Schon? Lass uns doch erst noch'n bisschen sitzen und erzählen.“

Sie redeten zwar kaum, aber Ryo nickte und gab sich geduldig.

Bei jedem neuen Drink fragte er aber bestimmt zwei mal, ob Satoshi jetzt mit ihm tanzen wollte, und so langsam ging es dem Sänger auf die Nerven, immer wieder Nein sagen zu müssen. Dass es Ryo auch nicht unbedingt fröhlich stimmte, ihn anbetteln zu müssen, merkte er nicht mal.

Irgendwann seufzte der Drummer und sah erst auf das Glas in Satoshis Hand, dann wieder auf die Tanzfläche und dann sah er ihm ernst in die Augen.

„Wie lange willst du mich noch vertrösten? Ich will seit Stunden mit dir tanzen und du sitzt nur da und trinkst Bier! Also entweder kommst du jetzt mit, oder ich such mir jemand anderes! Gibt hier bestimmt genug Leute, die liebend gern mit mir tanzen würden!“

Okay, er war sauer. Das hatte Satoshi erst mal zu schlucken. Große Lust auf körperliche Anstrengung hatte er aber immer noch nicht. „Nach dieser Flasche, okay?“

Ryo seufzte und stand auf. Der war mit seiner Geduld am Ende. Er sah ihn noch einen Moment an und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, entschied sich dann aber anders und drehte sich einfach um, um in der Menge zu verschwinden. Satoshi starrte ihm hinterher. Da ließ er ihn einfach hier sitzen. Ganz toll.
 

Ein paar Augenblicke saß er einfach nur da und starrte ins Leere, dann seufzte er, tat aber nichts. Er blieb sitzen und überlegte, wie er das nun wieder gerade biegen konnte. Das Bier leerte sich dabei ganz von allein.

Als ihm endlich klar wurde, dass er Ryo nur würde besänftigen können, wenn er tatsächlich mit ihm tanzte, stand er auf und machte sich auf die Suche nach ihm. Der Club war sauvoll, dementsprechend dauerte es eine ganze Weile, bis er den Kleineren entdeckt hatte. Was er dann sah, machte ihn aber nicht gerade glücklich. Ryo hatte seine Drohung wahr gemacht und sich jemand anderes geschnappt, mit dem er jetzt tanzte – und wie! Das war bestimmt nicht mehr jugendfrei! Wie die sich bewegten und beinahe aneinander klebten! Fehlte nur noch, dass der Kerl ihm die Zunge in den Hals steckte!

Ein seltsames Gefühl beschlich ihn und es dauerte eine Weile bis er merkte, dass er eifersüchtig war. Immerhin war das sein Freund, der sich da mit wem anders begnügte!

Urplötzlich wurde er verdammt wütend und ging direkt auf die beiden zu – gerade im richtigen Moment, wie es aussah. Der Typ hatte sich mit seiner klebrigen Zunge an Ryos Hals zu schaffen machen wollen, doch er konnte Ryo noch rechtzeitig von ihm wegziehen und sich dazwischen drängen.

„Verschwinde, das ist meiner!“, sagte er barsch und meinte es auch so. Der Typ sagte noch irgendetwas, doch er beachtete ihn nicht einmal mehr. Seine ganze Aufmerksamkeit galt nun Ryo, der ihn ansah, aber keineswegs überrascht zu sein schien.

„Du hast aber lange gebraucht.“, sagte er leise und ein Schmunzeln schlich sich auf seine Lippen. „Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr.“

Satoshi war irritiert, doch er ließ sich von Ryo näher ziehen, der sofort wieder tanzte – und zwar so, wie er es eben mit diesem Typen getan hatte. Oder war es noch 'ne Spur heißer? Es kam ihm zumindest so vor.
 

„Was sollte das?“, fragte Satoshi mürrisch, setzte sich jetzt aber auch in Bewegung.

„Irgendwie musste ich dich ja dazu bringen, herzukommen und mit mir zu tanzen.“, schnurrte der Drummer und grinste dreckig. Das war also alles wieder so eingefädelt gewesen, dass Ryo seinen Willen bekam. Eigentlich hätte er damit ja rechnen müssen. Eigentlich... Irgendwie besserte das seine Laune nicht gerade, aber da er schon mal hier war, blieb er auch und tanzte mit ihm, bevor es noch Stress gab. Auf den konnte er ganz gut verzichten.
 

So verlief der Abend ganz gut. Sie tranken noch etwas, tanzten, hatten Spaß, und irgendwann mitten in der Nacht gingen sie nach Hause. Irgendwie war dieser Spaziergang durch beinahe leere Straßen sogar romantisch, aber diesen Gedanken behielt er für sich.

Als sie bei ihm angekommen waren, zog Satoshi sich nur noch aus und legte sich ins Bett, Ryo aber ließ sich mehr Zeit. Satoshi wusste nicht, wofür er so lange brauchte, aber er fragte auch nicht nach, als der Drummer endlich ins Schlafzimmer kam, denn er war viel zu überrascht, dass der nur durch das Zimmer ging und auf den Balkon verschwand.

Satoshi zögerte, folgte ihm dann aber zumindest bis an die Tür, die er dann öffnete. Er betrachtete Ryos Rücken.

„Musst du jetzt noch rauchen?“ Blöde Frage, er kannte die Antwort.

Ryo drehte sich um, antwortete ihm aber nicht, sondern betrachtete ihn eingehend und blieb mit seinem Blick an Satoshis Brust hängen. Der Sänger bemerkte das natürlich und sah an sich herab. Er hatte nur Shorts an und nun dank der Kälte da draußen eine ordentliche Gänsehaut.

Wieder sah er zu Ryo und der schien gerade nur vom Anblick seiner steifen Nippel geil zu werden. Ein Seufzen kam über Satoshis Lippen und er drehte sich wieder um. Für so etwas hatte er gerade keinen Nerv, er wollte nur noch schlafen.
 

Tatsächlich schaffte er es aber nicht mal bis zum Bett, dann war Ryo bei ihm und hatte von hinten die Arme um ihn gelegt. Er presste sich ganz fest an ihn und sofort gingen seine Hände auf Wanderschaft. Unwillkürlich erschauderte Satoshi. Eigentlich war er müde und wollte schlafen, aber das hier fühlte sich gut an, also blieb er still stehen und ließ Ryo machen.

Der schien sich darüber sehr zu freuen, denn Satoshi landete schneller auf dem Bett als er gucken konnte. Gerade wollte er sich auf den Rücken drehen, da war Ryo schon auf ihm und presste ihn auf das Bett. Seine Hand verschwand ganz schnell in seinen Shorts und entlockte ihm ein Keuchen. Ryo bearbeitete ihn ein wenig, dann zog er ihm das letzte bisschen Stoff von der Hüfte und legte die Hände auf seinen Po, massierte den fest.

Auch jetzt blieb Satoshi still liegen. Sein Verstand war träge, sein Körper auch. Außerdem fühlte sich das gut an, also ließ er es sich gefallen.
 

Als Ryo dann aber seinen Finger zwischen Satoshis Pobacken schob, zuckte der zusammen. Mit so etwas hatte er jetzt nicht gerechnet!

„Was wird das?“, fragte er und drehte den Kopf zu Seite, versuchte ihn anzusehen.

Es war faszinierend, wie unbeeindruckt der Drummer in solchen Momenten immer reagieren konnte. „Na was wohl. Kannst du dir das nicht denken?“

Doch, das konnte er. Leider.

Er schüttelte den Kopf. „Lass das...“, murrte er leise und wollte sich umdrehen, doch wieder hielt Ryo ihn fest. Jetzt wurde er nervös.
 

„Das machst du doch auch ständig bei mir. Was ist so schlimm daran, wenn wir's mal andersrum machen?“

Das war'ne gute Frage, auf die Satoshi keine Antwort hatte. Aber er wollte darüber auch nicht nachdenken. Nicht jetzt. Er hatte zu viel Alkohol im Blut und war viel zu müde, um sich über so etwas Gedanken machen zu können.

Ryo aber ließ sich nicht so leicht beirren und drang mit seinem Finger weiter vor. Satoshi verzog das Gesicht und jammerte. Das gefiel ihm wirklich ganz und gar nicht; er begann zu zappeln, denn er würde bestimmt nicht zulassen, dass Ryo ihn hier und jetzt vernaschte! Wenn schon, dann andersherum! Obwohl er selbst dafür wahrscheinlich schon zu faul war...
 

Ein lautes Seufzen war zu hören und Ryo hielt still. „Im Studio hat's dich doch auch angemacht, als ich...“

„Boah, halt die Klappe!“, murrte Satoshi und riss sich mit einem Ruck los von ihm. Er krabbelte direkt ans Ende des Bettes und sah ihn wütend an. „Glaubst du, nur weil dir gerade danach ist, mach ich da mit?“

Ryos fassungsloser Blick über seine Reaktion sprach für sich. Offensichtlich dachte er das tatsächlich und das machte Satoshi furchtbar wütend. Er war doch nicht sein Püppchen, mit dem er tun und lassen konnte, was er wollte!
 

„Satoshi...“

„Nein! Sei ruhig!“

Doch da schien Ryo nicht mal im Traum dran zu denken, er rutschte sogar dichter an ihn heran. „Satoshi, was ist denn?“ Als es zu nah wurde, stand er auf und trat ein paar Schritte zurück. Jetzt traten tiefe Falten auf Ryos Stirn.

Für Satoshi war das alles unbegreiflich. Wie konnte Ryo denn nicht verstehen, dass ihn das störte, wenn er immer nur tat, was er wollte, und nie, wirklich nie Rücksicht auf ihn nahm? Und dann auch noch das hier! Eigentlich war es ja schon den ganzen Abend so gewesen! Sie hatten nur getan, was Ryo wollte. Er war entsetzt über sich selbst. Seit wann steckte er denn immer nur ein? So war er nie gewesen und – das war noch viel wichtiger! - so würde er auch nicht werden, nur weil Ryo das vielleicht besser fand so.
 

„Vielleicht ist es besser, du gehst nach Hause.“

Ryo fielen bald die Augen raus. „Was?

„Oder du schläfst auf der Couch! Ist mir egal, aber ich will nicht mit dir in einem Bett schlafen. Ich will nämlich wirklich nur schlafen und hab keine Lust, dass du wieder mitten in der Nacht auf die Idee kommst, auf der Stelle mit mir schlafen zu müssen!“

Ryos Miene verfinsterte sich. „Gut.“

„Gut? Was ist denn daran gut??“

Er schüttelte lediglich den Kopf. „Dann geh ich. Wir sehen uns morgen.“ Er stand auf und ging an Satoshi vorbei, wollte das Schlafzimmer verlassen. Einen Moment lang zweifelte Satoshi an sich – war er vielleicht zu hart gewesen? Eigentlich wollte er ja auch nicht, dass Ryo ging. Aber trotzdem sagte er nichts. Diesen Denkzettel hatte er wirklich verdient.

„Es läuft eben nicht immer alles so, wie du das willst.“, sagte Satoshi ernst und meinte es auch so.

Ryo schnaubte nur. „Ach leck mich.“ Und schon kehrte er ihm den Rücken zu und verschwand, aber nicht ohne die Tür hinter sich zuzuknallen.
 

Einige Augenblicke lang stand Satoshi einfach nur da und starrte auf die Tür. Er ließ den Streit noch einmal vor seinem inneren Auge Revue passieren und überlegte, ob er vielleicht überreagiert hatte. Aber nein, das hatte er nicht. Er hatte endlich einmal richtig gehandelt. Eine Beziehung bestand schließlich aus Nehmen und Geben, und nicht immer nur aus Nehmen, das galt auch für Ryo. Er konnte sich nun mal nicht immer wie ein kleines Kind verhalten, das bockig wurde, wenn es nicht seinen Willen bekam. Das musste er lernen, ansonsten würde er sich bald einen anderen Dummen suchen können.

Wie komisch das ist, das Ende schon zu kennen und unbedingt schreiben zu wollen, davor aber noch ein paar andere Handlungsabschnitte beschreiben zu müssen... xD'
 

Viel kommt hiernach nicht mehr.
 

Viel Spaß :)
 

______
 

Als Satoshi die Augen aufschlug und blinzeln musste, weil die Sonne so hell in sein Schlafzimmer schien, schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. Heute war nichts zu tun, gar nichts. Das hieß er konnte ausschlafen – was er offensichtlich getan hatte, denn die Sonne scheint erst mittags in sein Schlafzimmer – und einfach tun und lassen, wo er Lust drauf hat.

Er schlug die Decke zurück und sah neben sich. Das Bett war leer, also stand er auf und tapste gähnend durch die Wohnung. Ein Zimmer nach dem anderen nahm er sich vor, auf der Suche nach Ryo – doch er fand ihn nicht. Sogar im Badezimmer sah er nach, doch auch hier war niemand. Er überlegte angestrengt, wohin Ryo verschwunden sein könnte, doch ihm fiel nichts ein.

Gestern Abend war doch so schön gewesen! Sie hatten fern gesehen, dann waren sie tanzen gegangen und irgendwann mitten in der Nacht wieder nach Hause gekommen und....

Plötzlich waren die ganzen Erinnerungen wieder da. Der ganze Spaß, den sie in dem Club gehabt hatten, der Spaß, den Ryo danach im Bett haben wollte, und der Streit. Er schluckte, als er vor Augen hatte, wie Ryo genervt ab rauschte. Er fühlte sich, als wäre das erst eben gerade passiert.

Ihr erster Streit. Sicher hatten sie auch früher schon gestritten, aber nie war es so geendet wie gestern und vor allem war das alles noch vor ihrer Beziehung gewesen.
 

Satoshi seufzte schwer und ging ins Schlafzimmer zurück, wo er sich auf sein Bett fallen ließ. Wie schon letzte Nacht plagten ihn wieder Zweifel, ob er richtig gehandelt hatte. Er war noch nie gut im Streiten gewesen und noch schlechter im Entschuldigen. Außerdem hatte er sich so gefreut, diesen Tag mit Ryo zu verbringen, dass die plötzliche Erkenntnis, dass er seine Pläne vergessen konnte, wie ein Schlag vor den Kopf war. Schöne Scheiße.
 

Er drehte sich auf die Seite und das erste, was seine Aufmerksamkeit auf sich zog, war sein Handy. Vielleicht hatte Ryo ja angerufen oder geschrieben? Sofort schnappte er sich das kleine Ding und hämmerte auf den winzigen Tasten herum, doch er hatte weder eine Nachricht, noch einen verpassten Anruf. Er ließ die Schultern hängen und wollte das Handy gerade wieder weglegen, da überlegte er es sich anders. Er wählte Ryos Nummer und drückte auf den grünen Hörer. Doch auch das war vergebens, denn nur Augenblicke später dudelte es unter ein paar Klamotten los. Eindeutig Ryos Klingelton.
 

Resigniert legte er auf und ließ sich wieder zurück auf sein Bett fallen, welches er heute bestimmt nicht mehr oft verlassen würde.
 

*
 

“Ich vermisse dich.“ Diese Worte sind schnell gesagt und nicht jeder brachte sie leichtfertig über seine Lippen. Satoshi war so jemand. Aber hätte er jetzt Gelegenheit gehabt, Ryo etwas auszurichten, wären es diese drei Worte gewesen. Er vermisste ihn und zwar so sehr, dass es ihm Angst einjagte. In den letzten Tagen waren ihm mehr die negativen Seiten an seinem Freund ins Auge gefallen und an diesen hatte er sich auf gehangen, doch jetzt, da er hier lag, ohne Ryo, allein, obwohl Ryo hätte neben ihm liegen können, vermisste er ihn. Sein manchmal ununterbrochener Redeschwall, sein Leichtsinn, seinen Humor, seine Liebenswürdigkeit. Sogar seine Aufdringlichkeit vermisste er irgendwie. So schnell konnte man sich an Dinge gewöhnen...
 

Seufzend stand er auf und streckte sich. Er hatte gestern schon den ganzen Tag im Bett verbracht und seinen Gedanken nach gehangen, das reichte. Eigentlich war das sogar schon zu viel, denn er hatte absolut nichts von seinem freien Tag gehabt. Jetzt musste er aufstehen, duschen, und dann zur Probe. Nachmittags stand noch ein Termin mit dem Management an. Er hatte ja sowas von keine Lust!

Doch Satoshi raffte sich auf, er verschwand ins Bad und machte sich fertig, und auch wenn es ihm vor kam, als würde er Stunden damit zubringen, sich die Haare zu kämmen oder die Zähne zu putzen, so vergingen in Wirklichkeit nur wenige Minuten. Viel zu früh war er fertig, wusste aber nichts mehr mit sich anzufangen, also machte er sich auf den Weg und kam dementsprechend auch vor allen anderen an.

Nachdem er sich auf das Sofa fallen gelassen hatte, legte er die Beine hoch und schloss die Augen. Plötzlich überkam ihn eine ungeheure Müdigkeit, doch er kämpfte dagegen an, denn er wollte Ryo noch vor der Probe erwischen und mit ihm reden. Das hätte er auch gestern schon machen können. Er hätte zu Ryo fahren, an seine Tür klopfen, und ihn zur Rede stellen können, doch das hatte er nicht getan. Er hatte nicht vor, Ryo hinterher zulaufen, immerhin war nicht er derjenige, der sich daneben benommen hatte und dann auch noch beleidigt abgehauen war. Allerdings war ihm klar, dass Ryo auch nicht jemand war, der anderen hinterher lief und sie um Entschuldigung anbettelte – vor allem, wenn er sich im Recht glaubte.
 

Trotz seiner Vorsätze döste Satoshi weg. Irgendwann knallte die Tür geräuschvoll zu und er schreckte auf und sah sich verwirrt um. Ein paar Meter von ihm entfernt stand Nii und hob beide Brauen, als er ihn sah. Bevor er etwas sagte, ging sein Blick zur Uhr, dann wieder zurück zu Satoshi.

„Man, du bist aber früh!“ Die Überraschung war noch immer nicht aus seinem Gesicht gewichen. „Ganz allein?“ Er grinste leicht, offenbar in dem Glauben, dass Ryo gerade nur auf Toilette war oder eine rauchen, aber da musste Satoshi ihn enttäuschen. Er nickte und brachte ein leises „Ja.“ hervor, ehe er sich streckte und herzhaft gähnte.

Nii betrachtete ihn einige Augenblicke stumm, setzte sich dann aber in Bewegung und stellte seine Tasche ab. „Hast du deinen Schatzi noch schlafen lassen?“ Wieder dieses Grinsen. Und wieder musste Satoshi ihn enttäuschen.

„Keine Ahnung. Er hat bei sich geschlafen.“

Jetzt weiteten sich Niis Augen. „Warum denn das?“ Eine berechtigte Frage, wo sie sonst ja quasi nur noch aufeinander hockten. Als Antwort bekam er nur ein halbherziges Schulterzucken.
 

Einige Augenblicke war es still, doch Nii wandte den Blick nicht von ihm ab. „Habt ihr gestritten?“ Beinahe hätte der Sänger mit einem lachen gerechnet, doch das blieb aus. Als er in die Richtung des anderen sah, war er nicht nur ein wenig überrascht, dass sich in dessen Stirn tiefe Sorgenfalten gruben.

“Ja, wir haben gestritten.“, hätte er am liebsten gesagt, doch er verkniff es sich, denn er wollte nicht, dass Nii sich unnötig Sorgen machte. Wieder ein Schulterzucken. „Eher 'ne kleine Meinungsverschiedenheit. Wird schon wieder.“

Der Langhaarige nickte bedächtig, dann verschwand sein ernster Gesichtsausdruck. „Gut.“, sagte er und machte sich daran, seine heiß geliebte Gitarre auszupacken und anzuschließen.
 

Nur wenige Augenblicke später kam Shuu durch die Tür und er war mindestens genauso überrascht wie Nii es eben gewesen war, als er Satoshi erblickte, aber nicht Ryo.

Da Satoshi nur wenig Lust hatte die gleichen Fragen noch einmal zu beantworten, sprach er es an, bevor Shuu auch nur ein Hallo herausgebracht hatte.

„Ryo kommt auch gleich, keine Sorge.“ Damit hatte sich das Thema für ihn erledigt. Shuu schien das auszureichen, aber er fragte nicht weiter nach – vorerst zumindest nicht.
 

Bis Ryo tatsächlich kam, verging noch einige Zeit. Er kam nicht nur spät, er kam zu spät und das war eine ziemliche Seltenheit, darum blickten auch alle erwartungsvoll zu ihm, als er die Tür öffnete, hinein schlüpfte, und hinter sich wieder schloss – besonders Satoshi war gespannt, was der Drummer zu sagen hatte, aber außer einem genuschelten „Hallo!“ kam nichts – rein gar nichts. Er kam nicht zu Satoshi, sagte nicht, dass ihr Streit dumm gewesen war oder dass es ihm Leid tat, er sah ihn nicht einmal an. Und Satoshi war so überrascht davon, dass er kein einziges Wort heraus brachte.

Er bekam lediglich mit, wie Shuu und Nii besorgte Blicke austauschten, aber auch die beiden sagten nichts.
 

Ryo legte nur schnell seine Sachen ab, dann verschwand er direkt hinter seinem Drumset und trommelte ungeduldig mit seinen Drumsticks auf seinem Oberschenkel herum. Satoshi seufzte, aber er stand auf und machte sich bereit.

Es folgte eine schier endlose Probe. Zwar lief alles gut, doch die Stimmung war ganz anders als sonst, viel angespannter und beinahe verkrampft. Es störte sie alle, doch niemand sagte einen Ton.

Als es irgendwann Zeit zum Aufhören war, da der Management-Termin an stand, war Ryo der erste, der verschwunden war. Satoshi sah ihm hinterher. Er zögerte, folgte ihm dann aber. Er nahm an, dass Ryo noch eine rauchen wollte, ehe sie zu dem Gespräch gingen – die dauerten meistens eine gewisse Zeit – also ging er nach draußen, doch Ryo befand sich nicht an dem Platz, wo er sich sonst seiner Sucht widmete. Also suchte Satoshi nach ihm, gab es aber schnell auf. Wenn Ryo nicht gefunden werden und ergo auch nicht reden wollte, dann war das eben so. Er würde ihn nicht dazu zwingen – zumindest nicht jetzt. Denn wenn sie jetzt nur wieder stritten, würde das Gespräch gleich eine Katastrophe werden.
 

Oben angekommen setzte er sich ohne ein Wort zu Shuu und Nii, die genüsslich an ihren Kaffeebechern schlürften, ihn aber stumm beobachteten. Einige Minuten später kam auch Ryo. Er roch nach Rauch, doch selbst das machte Satoshi schon gar nichts mehr aus, auch wenn er Zigaretten eigentlich verabscheute.
 

Bis die Managerin auftauchte, vergingen ein paar sehr schweigsame Minuten, die sich lang zogen wie Kaugummi, dann folgte ein langes Gespräch, indem es um ihre nächste Tour ging, neue Musikvideos, Shootings, Interviews, und auch eine Oversea-Tour sollte bald angekündigt werden.
 

Erst als es schon wieder dunkel wurde, konnten sie gehen – endlich. Wieder war Ryo der erste, der verschwand, doch dieses Mal ließ Satoshi sich nicht so einfach abschütteln. Er verabschiedete sich kurz und folgte ihm dann sofort. Ryos Weg führte über einige Umwege nach draußen. Satoshi sah dieses mal, wo er hin ging, darum fand er ihn auch sofort. Der Kleinere wirkte nicht unbedingt begeistert, als Satoshi plötzlich vor ihm stand.

Er versuchte unbeeindruckt zu wirken und steckte sich eine Zigarette an, doch Satoshi konnte sehen, dass es hinter seiner Stirn arbeitete.
 

„Du hast dein Handy bei mir vergessen.“, begann der Sänger, um nicht gleich auf den Streit zu sprechen zu kommen.

„Ich weiß.“ Mehr bekam er nicht als Antwort. So wortkarg war Ryo sonst nie. Das konnte ja noch was werden.

Zuerst aber kramte Satoshi nach dem Handy seines Freundes in den Tiefen seiner Taschen und als er es gefunden hatte, reichte er es ihm. Ryo zögerte, dann griff er nach seinem Telefon und wollte es nehmen, doch Satoshi ließ es nicht einfach so los. Ihre Hände berührten sich, sie starrten einander an.

Dann ließ Satoshi doch los und Ryo zog seine Hand zurück, ehe er sich auf die Unterlippe biss und den Blick abwendete. Er war unsicher. Irgendwie war das der Situation nicht gerade abträglich, dass Satoshi das süß fand. Er musste lächeln.

„Du bist ein Idiot. Weißt du das auch?“ Er machte eine kurze Pause. „Wegen so 'nem Mist einfach abzuhauen und mich dann auch noch den ganzen nächsten Tag allein zu Hause sitzen zu lassen.“

Ryo öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder ohne vorher etwas zu sagen. Satoshi seufzte. „Ich hab mir das anders vorgestellt, ehrlich... Nicht nur den Tag gestern, sondern alles. Du... du bist mein erster Freund. Du stehst schon ewig auf Männer und hast schon so viele... Erfahrungen gesammelt.“ Er wusste nicht, wie er das besser ausdrücken sollte. „Da find' ich's verdammt unfair, wenn du mich einfach vor vollendete Tatsachen stellst und sagst 'So und so wird das gemacht, fertig, aus'. Das alles ist für mich immer noch nicht unbedingt leicht.“

Erneut öffnete Ryo den Mund, doch Satoshi redete einfach weiter. Erst wollte er den ganzen Mist, der da in seinem Kopf herumschwirrte, loswerden, bevor er es sich anders überlegte und das alles irgendwo ganz hinten in seinem Kopf in eine Schublade stopfte, aus der es hoffentlich nie wieder heraus gekramt werden musste.
 

„Du hättest froh sein sollen, dass ich mit dir weggegangen bin, obwohl ich eigentlich keine Lust hatte. Und dass ich nicht sauer gewesen bin, weil du mit 'nem anderen so eng getanzt hast, obwohl ich nur ein paar Meter weiter war. Ryo, ich... Ganz ehrlich, ich weiß nicht, wie du dir das vorstellst. Ich werde nicht jedes mal springen, wenn du pfeifst.“

Ryo sah ihn an und Satoshi wusste nicht, wie er seinen Blick deuten sollte. Es kam ihm vor, als stünden sie stundenlang nur da und sahen sich an. Dann, endlich, öffnete sich Ryos Mund und dieses mal sagte er tatsächlich etwas. „Ich weiß. Das ist mir inzwischen auch klar geworden... Aber ich kenn' das nicht anders. Was ich will, wird gemacht. Das war jahrelang so, seit... du weißt schon...“, murmelte er. Natürlich wusste Satoshi noch, was er ihm über seine ersten Erfahrungen mit Männern erzählt hatte, auch wenn er betrunken gewesen war. Er wusste noch alles.

„Ich hatte schon ewig keine richtige Beziehung mehr. In den letzten Jahre ging es mir eigentlich immer nur um den Sex. Was soll ich mir auch wen für 'ne Beziehung suchen, wenn ich auf jemand anderes ein Auge geworfen hab?“ Er sah Satoshi eindringlich an und kratzte sich verlegen am Hinterkopf, ehe er weiter sprach. „Das jetzt, das ist... als wären meine kühnsten Träume wahr geworden. Ich bin mit meiner Art immer ans Ziel gekommen und wenn ihr ehrlich bin... weiß ich manchmal nicht ganz, wie ich mich dir gegenüber verhalten soll.“

„Auf jeden Fall nicht so wie vorgestern Abend.“

Ryo nickte leicht. Das sah er also auch so.
 

„Es tut mir Leid, Satoshi.“ Er sah ihn ernst an und er meinte es auch ernst, das wusste der Sänger. Und nur durch diese paar kleinen Worte hob sich seine Laune wieder ungemein. „Ich weiß, dass ich dich nicht so drängen sollte. Aber du glaubst gar nicht, wie lange ich davon geträumt hab, mit dir zusammen zu sein und... Sex zu haben. Jetzt kann ich all das tun und bin irgendwie übermütig geworden. Wollte alles auf einmal...“

Eigentlich fiel es Satoshi gar nicht so schwer, sich in Ryos Situation hinein zu versetzen, er konnte ihn sogar recht gut verstehen, aber das behielt er für sich.
 

Ryo steckte seine noch unversehrte Zigarette zurück in die Schachtel und verstaute diese in seiner Jackentasche, dann sah er Satoshi einige Augenblicke lang wortlos an, ehe er mit zwei langen Schritten die Distanz zwischen ihnen überbrückte und Satoshi küsste.

Der Sänger hätte mit einem sanften Kuss gerechnet, zur Versöhnung quasi, aber Ryo war forsch und schob ihm die direkt seine Zunge in den Rachen, was für Satoshi so überraschend kam, dass er ein leises Keuchen von sich gab. Ryo küsste ihn so innig, dass sein Kopf wie leer geblasen war, als er sich irgendwann wieder von ihm löste. Er blieb aber ganz nahe bei ihm, legte die Arme um ihn und presste ihn nahe an sich. Satoshi brauchte einige Augenblicke, bis er sich von dem Kuss erholt hatte, dann schloss er Ryo in die Arme und genoss für ein paar Augenblicke einfach nur seine Nähe.
 

„Kommst du mit zu mir?“, fragte er schließlich und Satoshi zögerte. Langsam löste er sich etwas und betrachtete den Drummer mit leicht gerunzelter Stirn.

„Keine Angst, ich werd' die Finger von dir lassen. Ich will dich einfach nur bei mir haben. Du bist schließlich nicht der einzige, der gestern den ganzen Tag allein verbracht hat.“

„Du hast Chappie.“, sagte Satoshi halblaut und auf Ryos Lippen bildete sich ein Grinsen. „Ja ich weiß, das zählt aber nicht.“ Er drückte ihm noch einen Kuss auf die Lippen, ehe er sich ganz löste und leicht durch die Haare strich.

„Ich bin brav, versprochen.“

Satoshi nickte, dann richtete er seine Klamotten und blickte sich um. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. „Gut, dann lass uns gehen. Ich verhungere gleich.“

Ryo lachte. „Geht mir ähnlich. Am besten holen wir uns unterwegs schnell 'ne Pizza oder so.“

„Wäre wohl am einfachsten.“

Sie gingen um das Gebäude herum zur Straße und machten sich auf den Weg zu Ryo, der sich jetzt endlich seine Zigarette anzünden konnte. Wenigstens war er so nachsichtig und blies den Rauch nicht in Satoshis Richtung.
 

Vor dem erstbesten Imbiss blieben sie stehen. Ryo rauchte schnell seinen Nikotinstängel auf, dann ging er rein – direkt in der Tür blieb er aber noch mal stehen und drehte sich um.

„Ach Satoshi... Ich hab 'ne Idee.“

Der Sänger sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an und wartete darauf, dass er diese verkündete. Ryo aber machte es spannend, trat noch mal ein paar Schritte auf ihn zu und beugte sich zu ihm, damit er ihm ins Ohr flüstern konnte.

„Wir haben erst wieder Sex, wenn du so weit bist, mich an deinen Arsch zu lassen.“ Er lächelte ihn kurz an und verschwand dann in dem Fresslokal.

Satoshi blieb noch einige Momente wie zur Salzsäure erstarrt stehen und starrte ihm hinterher. Also das musste er erst mal verdauen.

Unruhig schritt Satoshi den langen Flur auf und ab. Er war verdammt nervös und das war nicht unbedingt von Vorteil, wenn gleich ein wichtiges Shooting anstand. Wenigstens war er schon fertig gestylt. Mit seiner Unruhe hatte er selbst die sonst so routinierten Mädels vom Styling-Team komplett durcheinander gebracht. Die waren jetzt bestimmt überglücklich, dass er weg war und sie ihre Arbeit machen ließ.

Satoshi wusste selbst nicht so genau warum, doch seit einigen Tagen kam er überhaupt nicht mehr zur Ruhe. Er hatte Probleme abends einzuschlafen und kam morgens dementsprechend auch nur schlecht aus dem Bett. Egal wie hart der Tag gewesen war, er lag abends noch stundenlang im Bett und starrte an die Decke. Besonders schlimm war es, wenn Ryo bei ihm war, was ja mittlerweile fast immer der Fall war.

Er rätselte woran das liegen könnte, dass er so aufgekratzt war, kam aber einfach zu keiner Lösung. Es war zum Verrückt-werden!
 

Kurz entschlossen ging er nach draußen, wo er tief die frische Luft einatmete. Das tat gut, er wurde ruhiger – zumindest etwas. Er stand einfach nur da und starrte ins Nichts, war gerade so abwesend, dass er nicht mitbekam, dass er bald schon nicht mehr allein war. Erst als Ryo die Hand auf seine Schulter legte, wurde er sich dessen Anwesenheit bewusst. Er zuckte leicht zusammen und drehte sich um. Auch er war jetzt fertig gestylt und wenn Satoshi ehrlich war, sah er zum Anbeißen aus. Diesen Gedanken behielt er aber für sich. Solche Sachen dachte er oft, aber er sprach sie nie aus. Warum auch? Ryo wusste selbst, was für eine Wirkung er auf ihn haben konnte. Das störte Satoshi keineswegs, nur jetzt gerade war es irgendwie ungünstig. Wie auch schon die letzten zwei Wochen. Seit sie sich vertragen hatten, war das generell irgendwie ungünstig. Er sah Ryo gerne an und machte auch sehr gern nicht ganz jugendfreie Sachen mit ihm, doch seit Ryo dem vor zwei Wochen einen Riegel vorgeschoben hatte, wollte er an so etwas lieber nicht einmal denken.
 

„Du siehst blass aus.“, sagte der Drummer leise und betrachtete ihn aufmerksam.

Ein müdes Lächeln schlich sich auf Satoshis Lippen. Er schüttelte leicht den Kopf. „Alles okay. Bin nur müde.“

„Schon wieder schlecht geschlafen?“

Er nickte und erntete so ein Seufzen. Dann musterte Ryo ihn und fing plötzlich an zu grinsen. „Soll ich dir heute Abend 'ne Gute-Nacht-Geschichte vorlesen?“

Satoshi sah ihn überrascht an und auch wenn Ryos Grinsen für sich sprach, war er sich nicht sicher, ob er das ernst meinte oder ihn nur verarschen wollte. Zuzutrauen war es ihm zumindest, dass er sich wirklich zu ihm ans Bett setzte und ihm vorlas. Auch wenn das dann bestimmt nichtAschenputtel oder Ähnliches sein würde.
 

Er betrachtete den anderen abschätzend, dann ließ er sich auch zu einem Grinsen hinreißen.

„Gerne doch.“ Bei Ryos folgender Gesichtsentgleisung musste er nur noch breiter grinsen. Das war dann wohl doch nur ein Scherz gewesen.

Der Drummer fing sich aber schnell wieder und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. „Ich hab 'ne viel bessere Idee.“ Was für eine Idee genau das war, sagte er allerdings nicht. Er wollte es also spannend machen.

Satoshis Augenbrauen wanderten in die Höhe. „Was denn für eine?“

Ryo küsste ihn nur erneut und nahm dann seine Hand, an der er ihn wieder mit reinzog, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass sie beide Hand in Hand irgendwo hingingen.
 

Drinnen gesellten sie sich zu Shuu und Nii, die dann jetzt auch fertig gestylt waren, aber bei Weitem nicht so heiß aussahen wie Ryo. Satoshi schluckte, als er sich bei diesen Gedanken erwischte. Ja, Ryo sah heiß aus – aber davon würde er nichts haben außer ein paar hübscher Fotos, die sich auch jeder andere würde ansehen können, einfach so. Das fand er verdammt unfair. Vielleicht sollte er Ryo fragen, ob er ein paar Fotos von ihm machen konnte, nur für sich. Oder er machte es einfach. Was hinderte ihn schon daran? Sie waren in einer Beziehung, da durfte er doch wohl Fotos von seinem Freund haben, die niemand außer ihm kannte, oder?
 

Während die drei etwas herum blödelten, war Satoshi auffallend schweigsam. Er bemerkte die neugierigen Blicke von Shuu und Nii und war froh, dass sie nicht weiter nachfragten. Ryo war der einzige, der sich benahm wie immer und irgendwie fand Satoshi das ja ein bisschen doof, aber er sagte nichts, sondern versuchte sich auf das bevorstehende Shooting zu konzentrieren. Das Angebot mit der Gute-Nacht-Geschichte war wohl alles, womit er für heute zu rechnen hatte. Yippie.
 

Als es dann endlich losging, trotteten sie alle zusammen an die markierte Stelle. Sie befolgten Anweisungen, posierten und irgendwie brachten sie das Ganze schnell über die Bühne. Satoshi hätte nicht damit gerechnet, dass das Shooting so reibungslos ablaufen würde, aber noch standen ja die Einzelshoots bevor, also versuchte er seine Freude in Grenzen zu halten. Erstaunlicherweise klappte aber auch noch alles ohne Probleme, als er allein vor der Kamera stand. Auch wenn er einige Schwierigkeiten hatte sich zu konzentrieren. Während Shuu und Nii sich etwas zu essen oder trinken holen waren, war Ryo als einziger hier geblieben und sah ihm zu. Er war hier geblieben um ihm zuzusehen, und das, wo er normalerweise sofort nach den Gruppenfotos nach draußen rannte und sich eine Kippe anzündete, noch ehe die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war. Und jetzt saß er lieber hier um zu sehen, wie Satoshi sich machte. Der Sänger konnte sein Glück kaum fassen – wenn man es denn so nennen wollte. Ryos Anwesenheit machte ihn nervös, obwohl es ja nicht das erste Mal war, dass er bei einem Shoot zusah. Nur sonst beschäftigte er sich immer mit etwas anderem und sah ab und zu mal nach, wie die Arbeit voranging. Das jetzt war irgendwie sonderbar.

Natürlich versuchte Satoshi sich nicht ablenken zu lassen und glücklicherweise klappte das alles auch ganz gut, sodass er schnell durch war und sich hinsetzen konnte, natürlich direkt neben Ryo.
 

„Da sind gute Fotos dabei.“, sagte der Kleinere unvermittelt.

„Die hast du doch aber noch gar nicht gesehen.“

„Aber ich hab gesehen, wie sie entstanden sind.“ Er sah ihn an und lächelte. „Glaub mir, da sind viele gute Bilder dabei.“ Er schürzte die Lippen und betrachtete ihn – wenn Satoshi es sich nicht nur einbildete, hing Ryos Blick eine ganze Weile an seinen Lippen, ehe er sich schließlich abwandte und aufstand. Er gähnte herzhaft und streckte sich ausgiebig, wobei sein Pullover hoch rutschte und ein paar Zentimeter seines glatten Bauches entblößte. Sofort hingen Satoshis Augen an dieser Körperstelle. Er starrte fast. Und er wurde wieder unruhig. Als Ryo die Arme wieder sinken ließ und das kleine Stückchen nackte Haut wieder bedeckt war, wandte er sich schnell ab, doch es war zu spät. Ryo hatte es bemerkt, das wusste er. Was er allerdings nicht wusste, war, warum er so peinlich berührt reagierte. Sie hatten sich schon etliche Male nackt gesehen und berührt, was also war jetzt so anders, dass er beinahe rot wurde, nur weil er ein paar Zentimeter Bauch zu sehen bekam?
 

Er war sich sicher, dass Ryo seine Blicke genau bemerkt hatte, darum verwunderte es ihn ungemein, dass der Drummer das nicht kommentierte. Das war so was von untypisch für ihn!

„Ich bin dann dran.“, sagte er nur, als wäre das alles nicht geschehen, und begab sich zum Fotografen, der direkt Anweisungen erteilte, denen Ryo Folge leistete. Und Satoshi beobachtete alles.

Routiniert setzte Ryo alles um, was der Fotograf wollte. Es waren ganz normale Posen, nichts anderes als sonst, doch Satoshi fand den Drummer sehr viel anziehender als sonst. Sehr viel heißer.

Er biss auf seine Unterlippe herum und hielt sich an der Stuhllehne fest. Es fiel ihm schwer da gerade sitzen zu bleiben. Unweigerlich dachte er daran, wie heiß Ryo aussah, wenn sie miteinander im Bett waren. Er dachte daran, wie gut er sich anfühlte und wie gut er schmeckte. Er dachte daran, wie es wäre, wenn er sich Ryo gleich schnappte und mit aufs Klo zog, um sich an ihm zu vergehen. Und dann dachte er daran, dass, wenn er ihn mit aufs Klo zog, sich Ryo wohl eher an ihm vergehen würde.
 

„Ich hab 'ne Idee. Wir haben erst wieder Sex, wenn du so weit bist, mich an deinen Arsch zu lassen.“
 

Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er wusste, warum er nicht schlafen konnte und warum er so nervös war. Es lag nicht an der Arbeit – sonst konnte er ja auch immer und überall schlafen – oder falscher Ernährung, und erst recht nicht an der Konstellation irgendwelcher Planeten, wie er in irgendeiner Zeitschrift gelesen hatte.

Er war schlicht und einfach notgeil.
 

Er stand so abrupt auf, dass Ryo ihn ansah und die Stirn krauste. Nur Augenblicke später drehte sich auch der Fotograf um und musterte ihn, aber niemand sagte etwas. Satoshi stand einfach nur da und fühlte sich plötzlich schrecklich dumm, dass er so schockiert reagierte, nur weil ihm klar wurde, dass er mal wieder vögeln musste.

Ohne ein Wort zu sagen drehte er sich um und ging wieder nach draußen. Es war frisch heute, doch das war gut. Die Luft war kühl und klar und vielleicht würde das ja helfen, dass er wieder Ordnung in seinen Schädel bekam.
 

Er war notgeil, so einfach war das. Unglaublich, wie schnell er sich daran gewöhnt hatte wieder regelmäßig Sex zu haben. Noch unglaublicher, wenn man bedachte, wie selten er zuvor jemand anderes als seine Hand an sich herangelassen hatte. Dann kam Ryo, wollte jeden Abend Sex, und obwohl ihm das anfangs zu viel gewesen war, brauchte er das jetzt genauso.

Welch ernüchternde Erkenntnis.
 

Satoshi wusste nicht, wie lange er da draußen rumstand, aber als Ryo zu ihm kam, war er sich sicher, dass schon eine ganze Weile vergangen sein musste. Die Sonne ging langsam schon unter. Wahrscheinlich war das Shooting sogar schon komplett beendet. Dann musste er aber schon ewig hier sitzen.

Schweigend stellte Ryo sich neben ihn und zuckte leicht zusammen, als er ihn anfasste. „Du bist ganz kalt!“ Und schon hatte er ihn an sich gezogen und in die Arme geschlossen. Dass er ihn so fest an sich drückte, war nicht unbedingt von Vorteil. Sicher, es war schön warm und angenehm, Satoshi mochte seine Nähe... aber wenn der Mann, dem er am liebsten auf der Stelle alle Kleider vom Leib reißen würde, ihm so nahe kam, verlangte das einiges an Selbstbeherrschung.

„Na und...“, nuschelte er nur und erntete ein Seufzten.

Ryo drückte ihn noch fester an sich. „Na komm. Wir gehen deine Sachen holen und dann fahren wir zu mir, okay?“

Satoshi zögerte. Das würde nicht gut enden.

„Shuu und Nii wollen auch mitkommen.“ Als hätte er seine Gedanken gelesen! „Wir dachte, wir trinken ein oder zwei Bier und reden einfach ein bisschen. Dann kommst du vielleicht auch wieder auf andere Gedanken. Was hältst du davon?“

Ryo redete, als wüsste er genau, was mit ihm los war. Wahrscheinlich war sogar genau das der Fall.

Verdammt, warum war er nur immer so leicht zu durchschauen?
 

Satoshi seufzte. Er wusste eh, dass er keine andere Wahl hatte. Ryo würde ihn jetzt nicht allein lassen und egal, wohin sie fuhren, ob zu ihm oder zu dem Drummer, Shuu und Nii würde darauf bestehen mitzukommen. Also nickte er knapp, um sich diese endlosen Diskussionen zu ersparen.
 

Etwa eine halbe Stunde später saßen sie bei Ryo auf dem Sofa, das glückliche Liebespaar natürlich direkt nebeneinander, und starrten auf den Fernseher. Nii war auf die glorreiche Idee gekommen, Ryo zu einem Rennen auf der PS3 herauszufordern, und das konnte dieser kleine Game-Freak natürlich nicht ausschlagen. Also fuhren sie und Ryo gewann – und das nicht nur einmal. Dabei floss nicht nur ein Bier oder zwei, sondern bestimmt an die 10. Und Satoshi nippte immer noch an seinem ersten Bier. Er hatte keine sonderlich große Lust sich zu betrinken und es war ihm nicht entgangen, dass auch Ryo sich heute zurückhielt. Was das wohl zu bedeuten hatte? Ihm war auch aufgefallen, dass der Drummer ihn immer wieder ansah. Machte er sich doch Sorgen um ihn?

Ja, natürlich machte er sich Sorgen. Dämliche Frage. Viel wichtiger war aber eigentlich, ob er sich allgemein Sorgen machte, weil er so bedrückt wirkte momentan, oder ob er genau wusste, was mit ihm los war, und sich deshalb lieber um ihn kümmerte?

Kümmern... Unter Umständen war das hier sogar das richtige Wort.
 

Irgendwann gab Nii auf und kippte aus Frust ein ganzes Bier auf Ex in seinen Schlund, dann forderte er Shuu heraus und natürlich wurde er auch von dem total platt gemacht. Satoshi rang sich ein Grinsen ab. Typisch die beiden. Hätte er es nicht besser gewusst, hätte er vielleicht darauf getippt, dass die beiden tiefere Gefühle füreinander hatten. Aber das war nicht der Fall. So sah eben eine richtige Männerfreundschaft aus. So und nicht anders.
 

Es war immer wieder lustig die beiden zu beobachten, vor allem wenn sie getrunken hatten – und heute langten sie ordentlich zu. Erst als Ryo sich neben ihm bewegte, wandte er sich von diesem Schauspiel ab und betrachtete den Drummer, der aufstand und direkt zur Tür ging.

„Hey...“, kam es leise von Satoshi. Was war jetzt los?

Ryo drehte sich um und lächelte entschuldigend. „Muss nur kurz auf's Klo. Bin gleich wieder da.“ Dann verschwand er und schloss die Tür hinter sich.

Satoshi sah ihm einige Zeit nach, sah dann aber wieder den beiden Idioten, die seine besten Freunde waren, zu, die sich gerade um die Controller kabbelten. Nur irgendwie fand er das alles grade gar nicht mehr so lustig.
 

Er wartete und wartete und irgendwann begann er auf die Uhr zu starren. Ryo war bestimmt schon 10 Minuten weg. Solange konnte er doch auf dem Klo nicht brauchen!

Satoshi stand auf und verließ das Zimmer. Er gab sich keine Mühe leise zu sein, denn Shuu und Nii waren so aufeinander fixiert, dass sie um sich herum gar nichts mitbekamen. Dennoch war er darauf bedacht leise die Tür zu schließen. Dann sah er sich um. Irgendwie kam er sich dumm vor – schon wieder. Was, wenn Ryo wirklich noch auf dem Klo war? Dann machte er sich hier gerade zum Volldeppen.

Er seufzte, sah sich dann aber doch in der Wohnung um. Von Ryo war nirgends eine Spur. Schließlich waren nur noch Bad und Schlafzimmer übrig. Satoshi entschied sich für das Schlafzimmer und war überrascht, dass er Ryo tatsächlich hier fand. Der Drummer saß auf dem Bett. Er saß einfach nur da und sah ihn an. Er wirkte nicht einmal überrascht, als hätte er auf ihn gewartet.
 

„Was machst du hier?“, fragte Satoshi und zögerte einige Augenblicke, ehe er in das Zimmer trat und die Tür hinter sich schloss.

„Auf dich warten.“

Wie von selbst wanderten seine Augenbrauen in die Höhe. Die Frage nach dem Warum sparte er sich, Ryo antwortete von selbst.

„Meinst du nicht, es wird mal wieder Zeit?“ Er schwieg eine Weile um diesen Satz wirken zu lassen. Ja, es wurde mal wieder Zeit, aber Satoshi zeigte keine Reaktion. „Ich weiß, warum du so verspannt bist und kaum schläfst momentan. Ich kann eins und eins zusammen zählen... Komm, setz dich.“ Er klopfte neben sich und legte ein sanftes Lächeln auf. Satoshi konnte gar nicht anders als sich direkt neben ihn zu setzen und ihn anzusehen. Er rechnete damit, dass Ryo ihm jetzt erzählen würde, was er vorhatte. Oder dass er ihn fragte, warum es ihm so schwer fiel, ihn an sich ran zu lassen. Zumindest so etwas in der Art, doch nichts dergleichen kam. Ryo schwieg beharrlich. Er ließ einige Minuten verstreichen, in denen sie einfach nur dasaßen und sich ansahen, dann beugte er sich vor und legte seine Lippen sanft auf die des Sängers. Satoshi erschauderte. Gott, er stand auf diese Lippen!
 

Natürlich erwiderte er den Kuss – er konnte gar nicht anders! Natürlich hatten sie sich diese verdammten zwei Wochen geküsst, aber ansonsten war nicht wirklich etwas passiert. Satoshi war einfach ausgehungert! Darum war er es auch, der den Kuss intensivierte. Er war es, der seine Zunge zwischen die Lippen des anderen drängte. Er war es, der den Kuss stetig steigerte. Er war es, der diesen heißen Körper an sich presste. Er war es auch, der dafür sorgte, dass sie nur wenig später auf dem Bett lagen, er über Ryo. Er presste sein Becken an Ryos und keuchte leise. Es war so verdammt offensichtlich, was er wollte, was er brauchte! Und Ryo ließ alles mit sich machen. Er murrte nicht, als Satoshi die Hände unter sein Shirt schob und auch nicht, als sie den Weg in seine Hose fanden. Er ließ zu, dass der Sänger ihn auszog und ihn überall berührte. Er ließ sogar zu, dass Satoshis Finger ein wenig zwischen seinen Pobacken herumspielten!

Satoshi war sich seiner Sache so sicher. Ryo brauchte es genauso sehr wie er, also war seine Idee plötzlich wohl doch nicht mehr ganz so wichtig.
 

Dass er sich da vielleicht täuschte, kam ihm gar nicht in den Sinn. Ryo ließ ihn machen, doch er selbst lag nicht einfach nur da und genoss, nein... Seine Hände hatten sich schon lange unter das Shirt des Sängers geschoben und waren über die weiche Haut gestrichen. Er hatte ihm das Shirt ausgezogen und die Hände hinten in seine Hose geschoben, ohne dass er etwas merkte. Als er ihm die Jeans samt Shorts auszog, zitterte Satoshi leicht, aber nicht, weil er unsicher war oder sogar Angst hatte. Er zitterte, weil er so verdammt geil war, dass er Ryo einfach nur noch ficken wollte.

Seine Sinne waren betäubt, sein Verstand von einem angenehmen Nebel umhüllt, sodass er gar nicht mitbekam, wie ihm geschah, als Ryo ihn plötzlich packte und umdrehte, sodass er jetzt über ihm saß. Er zögerte nicht, sondern nutzte den Überraschungsmoment und schob seinen Arm unter Satoshis Knie. So hatte er der Sänger Ruckzuck die Oberschenkel an seine Brust gepresst und konnte sich nicht mal wirklich wehren.
 

Er sah Ryo an, in dessen Augen ein Verlangen loderte, das ihn heftigst erschaudern ließ. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis er bemerkte, dass sie beide ja schon vollkommen entkleidet waren. Und ein paar weitere Augenblicke, bis ihm bewusst wurde, in welcher Position er sich befand. Hier lag er nun, mit gespreizten Beinen, empor gerecktem Hintern und geil bis zum Anschlag.

Und so langsam wurde ihm bewusst, was das zu bedeuten hatte.

Und, dass er nichts dagegen machen konnte.
 

Das gefiel ihm irgendwie gar nicht.

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Als Satoshi am nächsten Morgen wach wurde, fühlte er sich wie nach einer durchzechten Nacht, nur ohne Kater – was natürlich gut war, aber er hatte nicht damit gerechnet sich nach dem Schlafen immer noch so schlapp zu fühlen wie direkt nach ihrem Bettsport.

Ein leises Ächzen kam über seine Lippen, als er sich auf die Seite rollte und er, sehr zu seiner Überraschung, direkt in Ryos Armen landete, die ihn umfingen und festhielten wie Tentakeln. Er zögerte, öffnete dann aber doch die Augen, obwohl er eigentlich noch schlafen wollte, und zuckte leicht zusammen, als er direkt in die von Ryo sah.

Einige Augenblicke starrten sie sich geradezu an, dann wandte Satoshi den Blick ab und bekam kurz darauf ein Küsschen auf seine Stirn gedrückt.
 

„Guten Morgen...“, hauchte Ryo und es hörte sich nicht nur nach einem guten Morgen an, sondern nach einem fantastischen. Da hatte jemand bestimmt verdammt gut geschlafen – was aber, bei genauerer Betrachtung, auch gar kein Wunder war. Wäre er es gewesen, der es nach langem Hin und Her endlich geschafft hatte Ryo zu vernaschen, hätte er wohl auch mehr als prächtig geschlafen. Wie konnte er es ihm also verübeln, dass er gute Laune hatte und ihm wahrscheinlich schon seit ein paar Stunden beim Schlafen zugesehen hatte? Vielleicht sprang so ja wenigstens ein Frühstück im Bett dabei heraus. Das wäre doch auch mal was.

„Morgen“, murrte er und schloss seine Augen wieder, kuschelte sich aber mehr an Ryo. So wurde er gerne wach: langsam und behutsam, und natürlich mit Ryo an seiner Seite.
 

Der Drummer ließ ihm seine Zeit um sich endgültig vom Lummerland zu lösen und begnügte sich damit, ihn währenddessen ein wenig zu streicheln. Eine ganze Weile wanderte seine Hand nur Satoshis Rücken auf und ab, doch irgendwann wagte sie sich tiefer und verschwand unter der Decke, die die beiden – wenn überhaupt – nur zur Hälfte bedeckte, wo sie sich auf den Hintern des Älteren legte und den zu streicheln begann.

Satoshi dachte sich nichts weiter dabei, also ließ er ihn weitermachen, doch als Ryo Anstalten machte, mit seinen Fingern zwischen seine Pobacken zu schlüpfen, gebot er ihm Einhalt.

„Lass das!“, zischte er und zu seiner Verwunderung reagierte Ryo sofort und wandte sich wieder seinem Rücken zu. Das war mal so was von untypisch! Normalerweise ließ Ryo sich mindestens drei Mal bitten, bevor er auf so etwas hörte. Wahrscheinlich würde er gleich einen zweiten Versuch wagen, doch egal wie lange Satoshi wartete, der blieb aus. Das verwunderte ihn so sehr, dass er seine Augen wieder öffnete und ihn ernst ansah.

„Warum hast du's nicht nochmal versucht?“

Ryos schmale Brauen wanderten in die Höhe und seine Stirn krauste sich leicht. „Warum? Weil du nicht willst, vielleicht?“

Satoshi seufzte. „Ja. Aber normalerweise hörst du doch auch nicht sofort auf das, was ich sage.“

Er nickte und seine Lippen kräuselten sich leicht. „Normalerweise hab ich dich vorher aber auch nicht in die Freuden des Analverkehrs eingeweiht, oder? Ich glaub, du kannst jetzt ruhig ein wenig Ruhe vertragen, wo ich gestern teilweise doch sehr rabiat war...“ Seine Stimme wurde immer leiser und sein Blick irgendwie... abwesend. Warum auch immer er so reagierte wie gerade, er verstand es nicht. Ryo würde ihm wohl immer ein Rätsel bleiben.
 

„Sag bloß, du machst dir Sorgen um mich?“

Jetzt plusterte der Drummer die Wangen auf. „Sag das doch nicht, also wäre das das erste mal!“

Auf Satoshis Lippen schlich sich ein Schmunzeln. „Doch. Weil du sonst einfach nicht so bist... Du hast mich 'ne ganze Nacht wachgehalten, weil du notgeil warst, und am Morgen hast du dich noch über mich lustig gemacht, dass ich nach nur einer Stunde Schlaf nicht aus dem Bett gekommen bin. Und als du mir einfach deinen Lieblingsdildo in die Hand gedrückt hast und meintest, ich soll's dir damit besorgen, war's dir auch egal, wie's mir dabei geht. Also ja, es ist schon verwunderlich, wenn du heute wirklich mal Rücksicht auf mich nimmst, und das, wo wir doch eigentlich nur stinknormalen Sex hatten.“
 

Ryo betrachtete ihn eine Weile stumm, dann schüttelte er den Kopf. „Das war Sex mit dir, der ist nie stinknormal... vor allem nicht, da ich's endlich geschafft hab dich flachzulegen und du dann noch zwei Mal gekommen bist und alles voll gesaut hast.“ Er grinste dreckig.

Ja, das war schon eher sein Ryo. Satoshi wusste darauf nichts zu sagen, also schwieg er einfach, kuschelte sich aber noch etwas mehr an Ryo, wobei er etwas bemerkte, das ihm ziemlich unangenehm war. Er klebte. Sie beide klebten. Er dachte lieber nicht darüber nach, was sie alles klebriges an ihren Körpern hatten.

„Bin immer noch voll gesaut.“, sagte er leise und biss sich auf die Unterlippe. „Ich sollte duschen gehen.“

„Also meinetwegen kannst du gerne so voll gesaut hier bei mir liegen bleiben, aber duschen klingt auch gut. Da komm ich gern mit!“ Und schon war Ryo aufgesprungen und hatte ihm die Decke weggezogen.

Satoshi seufzte. „Aber wehe du fummelst an mir rum!“ Mühsam rappelte er sich auf und strich sich durch das wuschelige Haar, dann sah er zu Ryo und war nicht mal wirklich überrascht, als sich so etwas wie Enttäuschung auf seinem Gesicht widerspiegelte.

Erneut seufzte er, dann stand er auf. „Shuu und Nii schlafen im Wohnzimmer. Ich hab keine Lust, dass die irgendwas hören und wieder spannen kommen.“, sagte er leise und ging an Ryo vorbei ins Badezimmer. Einen Blick in den Spiegel vermied er lieber. Er wollte gar nicht wissen wie er aussah – zumal man ihm bestimmt ansah, womit er die letzte Nacht beschäftigt gewesen war.
 

Ohne auf Ryo zu warten, stellte er das Wasser schon mal an, damit es gleich warm war, wenn er drunter stieg. Als er das gerade tun wollte, kam Ryo ins Badezimmer und schloss betont langsam die Tür hinter sich, dann sah er ihn an. Er sah ihn einfach nur an, was Satoshi schon ein wenig irritierte, und so hielt er mitten in seiner Bewegung inne. Sein Arm hing irgendwo unter dem Wasserstrahl und sein Bein war auch schon halb in der Dusche.

„Wir können doch abschließen.“, sagte der Drummer schließlich leise und sah ihn einen Moment lang vielsagend an, ehe er das auch gleich tat.

Satoshi zögerte, schüttelte dann aber den Kopf und stieg unter die Dusche. Er war noch nicht mal ganz nass, da war Ryo schon bei ihm und schmiegte sich von hinten ganz nah an ihn. „Ich will doch nicht mal Sex. Nur ein bisschen Fummeln.“
 

*
 

Etwa eine halbe Stunde und nicht nur ein wenig Fummeln später stiegen die beiden aus der Dusche. Satoshi war ein wenig wackelig auf den Beinen, deshalb schlang er einfach nur ein Handtuch um seinen Körper und setzte sich dann auf den Rand der Badewanne. Ryo jedoch schien fitter als vorher zu sein; er schnappte sich sein Handtuch und rubbelte sich als erstes die Haare trocken, dann trocknete er sich grob ab und sah zu Satoshi, als er fertig war, für den er nur ein Grinsen übrig hatte. „Ich hab doch gar nicht viel gemacht. Wovon bist du so fertig?“

Satoshi schickte ihm einen bösen Blick, stand dann aber ohne etwas zu sagen auf, schloss die Tür auf und wollte ins Schlafzimmer verschwinden, überlegte es sich auf halbem Weg aber doch nochmal anders und ging zum Badezimmer zurück, blieb aber in der Tür stehen. „Gar nicht viel? Du hast in mir rumgefingert, als wolltest du 'nen Weltrekord aufstellen!“

„Tja, das ist Übung.“ Er lachte leicht. „Für'nen Weltrekord wird das noch lange nicht reichen, aber für uns beide. Gut zu wissen, dass ich dich nur durch ein bisschen Fingereinsatz drei Mal in nur zehn Minuten kommen lassen kann.“

Satoshi wurde schlagartig rot. Darauf fiel ihm nun nichts mehr ein und ehrlich gesagt war es ihm auch verdammt peinlich, was Ryo da geschafft hatte. Er drehte sich wieder um und wollte endlich ins Schlafzimmer zurück, rannte aber fast in Shuu rein, der urplötzlich vor ihm stand und ihn aus weit aufgerissenen Augen ansah. „Drei Mal in zehn Minuten?“, fragte er leise und Satoshi wurde ganz anders. Warum musste dieser Idiot immer alles mitbekommen? Ohne noch ein Wort zu verlieren verschwand er ins Schlafzimmer und knallte die Tür hinter sich zu, dann setzte er sich auf's Bett und sah auf seine Hände. Er hörte die beiden vor der Tür reden und wusste nicht, ob er schreien oder heulen sollte. Oder aber einfach Ryo verprügeln, wenn der es wagte, hier wieder hereinzukommen.
 

„Wie hast du das geschafft?“, kam von Shuu und es dauerte ein paar Augenblicke, bis Ryo ihm antwortete. Wahrscheinlich war er mindestens genauso überrascht wie Satoshi, dass ihr Basser so eine Frage stellte.

„Verrat ich dir lieber nicht, sonst bringt er mich noch um.“ Wieder lachte er leicht, wurde aber schnell wieder ernst. „Alles klar mit dir? Du siehst nicht gut aus.“

„Zu viel Alkohol.“, war Shuus knappe Antwort. „Wir haben noch ewig weiter gesoffen... Ich geh jetzt auch nach Hause und hau mich da nochmal auf's Ohr.“

„Ja gut, dann bis morgen.“
 

Er hörte Schritte, dann die Wohnungstür, und nur Augenblicke später kam Ryo ins Schlafzimmer und schmiss sich aufs Bett, schmiegte sich leicht an ihn. „Jetzt hör doch auf zu schmollen.“, sagte er leise und wollte ihm einen Kuss geben, doch Satoshi stand einfach auf und suchte sich Klamotten aus Ryos Schrank raus. Zum Glück hatte er mittlerweile ein eigenes Fach in seinem Kleiderschrank – umgekehrt war es genauso. Er zog sich an und verschwand dann wortlos Richtung Küche, hörte nur noch ein leises Seufzen von Ryo.

Nachdem er Kaffee aufgesetzt hatte, setzte er sich hin und verzog leicht das Gesicht, gab jedoch keinen Ton von sich. Er wusste selbst, dass er sich gerade ziemlich weibisch verhielt, aber das war auch kein Wunder, immerhin behandelte Ryo ihn seit gestern Abend wie 'ne Frau. Dass sie auf diese Weise Sex miteinander gehabt hatten und dass er sogar Spaß daran gehabt hatte, war eine Sache, aber wenn Ryo jetzt glaubte, jeden Tag so an und in ihm herum fummeln zu können, hatte er sich geschnitten!
 

Er hörte Schritte und nur wenige Augenblicke später tauchte besagter Drummer in der Küche auf. Sein Grinsen war verschwunden; vielleicht hatte er ja bemerkt, dass das alles ein bisschen viel auf einmal gewesen war.

Er sagte kein Wort, sondern ging zur Kaffeemaschine und füllte die erste Tasse. Gerade wollte er die Satoshi reichen, da kam Nii ins Zimmer getrottet und er sah echt mitgenommen aus; er hatte nur Shorts und ein Shirt an, das voller Flecken war, und eine Socke, von der zweiten fehlte jede Spur. Noch nie hatte Satoshi seine Haare so zerwühlt gesehen. Das war echt ein verdammt komischer Anblick.

Nii störte sich nicht daran, dass er angestarrt wurde, sondern grapschte nach der Kaffeetasse, als er sie entdeckt hatte, und trank direkt ein paar Schlucke des eigentlich noch viel zu heißen Gebräus. Dann setzte er sich hin, sprang aber sofort mit einem Fluchen wieder auf und verschüttete dabei die Hälfte des Kaffees über sich, was ihn nur noch mehr Fluchen ließ.
 

Satoshi und Ryo tauschten kurz verwirrte Blicke aus, dann sahen sie wieder zu Nii und beäugten ihn besorgt.

„Alles okay mit dir?“

Nii sah zwischen ihnen beiden hin und her und schien so verwundert über ihre Anwesenheit zu sein, dass es beinahe schon lustig war. Er stellte die Kaffeetasse ab und sah an sich herab. Sein dreckiges Shirt klebte an ihm und an einigen Stellen lösten sich ein paar Tropfen aus dem feuchten Stoff und fielen auf den Boden.

„Sehe ich aus als wäre alles okay?“, fragte er und war erstaunlich ruhig dabei. Er seufzte, setzte sich wieder hin und war dieses Mal um einiges vorsichtiger als noch eben, trotzdem verzog er das Gesicht. Irgendwoher kannte Satoshi das, denn genauso hatte er sich gerade auch hingesetzt. Jetzt war er verwirrt. Auch Ryo schien das bemerkt zu haben, doch er hielt sich zurück und sparte sich seine Kommentare.

„Ich hab 'nen Kater wie schon lange nicht mehr. Ich weiß gar nicht, was wir alles gesoffen haben letzte Nacht. Mir tut der Arsch verdammt weh und das schlimmste.. ich hab verdammt nochmal 'nen totalen Filmriss!“
 

Ryo hatte arg damit zu tun sich ein Lachen zu verkneifen. „Dir tut der Arsch weh?“, fragte er mit erstickter Stimmte und presste dann die Lippen fest aufeinander, was ihn verdammt merkwürdig aussehen ließ.

Nii nickte nur und Satoshi wollte gar nicht glauben, was er vermutete.

„Hat euch das so angemacht uns zuzugucken?“

Die Augenbrauen des struppigen Gitarristen wanderten in die Höhe. „Wobei haben wir euch zugeguckt?“

Ryo konnte sich nicht mehr zurückhalten; er brach in schallendes Gelächter aus und musste sich an der Küchenzeile festhalten um nicht umzukippen. Satoshi beäugte Nii weiter still und fragte sich, ob Shuu genau deshalb so schnell verschwunden war. Normalerweise tranken sie nach einer durchzechten Nacht alle wenigstens noch einen Kaffee zusammen.

Vielleicht war es ja ganz gut, dass Nii sich an nichts mehr erinnerte.
 

„Weißt du, was der hat?“, fragte Nii ihn und Satoshi zögerte, schüttelte dann aber mit dem Kopf. Nii ging es schon beschissen genug, da musste er es nicht noch schlimmer machen.

„Nein, keine Ahnung.“, murmelte er und sah zu Ryo, der mittlerweile vor Lachen fast auf dem Boden lag. Satoshi verdrehte die Augen und ließ ihn erst mal links liegen. „Willst du 'ne Aspirin nehmen und dich nochmal hinlegen? Oder lieber nach Hause?“

Nii beobachtete immer noch den Drummer und dachte ganz offensichtlich darüber nach, warum er nicht mehr mit dem Lachen aufhören konnte, doch dann zuckte er nur leicht mit den Schultern und sah stattdessen Satoshi an. „Nochmal hinlegen klingt super.“
 

Nachdem Nii seinen Kaffee geleert hatte, wurde er von Satoshi mit Tabletten und Wasser versorgt und dann wieder aufs Sofa geschickt, wo er sich ohne Widerworte hinlegte und die Augen schloss. Satoshi ließ ihn wieder allein und kehrte zu Ryo in die Küche zurück, doch kaum dass er die Tür leise hinter sich geschlossen hatte, schrie der Drummer beinahe durch den Raum.

„Unglaublich, dass Shuu es ihm besorgt hat!“

Satoshi musterte ihn kurz, setzte sich dann aber wieder zu ihm an den Tisch und nickte. „Ja, unglaublich.“

Ryo sah ihn an und zog dann plötzlich eine Schnute. „Sag bloß du bist sauer?“ Satoshi sagte nichts. „Du bist sauer? Bloß weil ich dich so nett wach gemacht hab heute morgen und Shuu das mitbekommen hat?“

Satoshi gab ein genervtes Geräusch von sich. „Nein, ich bin nicht sauer. Sicherlich fand ich das nicht toll, aber ist nun ma nicht mehr zu ändern. Ich wäre sauer gewesen, wenn du ihm davon auch noch erzählt hättest, aber das hast du ja klugerweise nicht getan … Du bist unfair Nii gegenüber.“

„Warum? Weil ich gelacht hab?“

„Ja. Der kann sich an nichts mehr erinnern und du lachst ihn aus. Und dann noch die Schmerzen... Zieh ihn bloß nicht weiter damit auf!“

Ryo grinste. „Was sonst? Gibt’s keinen Sex mehr?“

„Vielleicht.“

Da fiel ihm die Kinnlade runter. „Waaaaaaaaaaaas? Nur weil die beiden-“

Satoshi fiel ihm ins Wort. „Ja, nur weil die beiden! Jetzt halt die Klappe und lass Nii schlafen.“
 

Eine Weile schwieg Ryo, dann rutschte er dichter an Satoshi heran und legte eine Hand auf seinen Oberschenkel. „Okay, ich lass Nii in Ruhe.“

„Und Shuu auch.“

„Waaaaa- na gut. Shuu auch...“

„Gut.“

„Dafür werd' ich dich aber nicht in Ruhe lassen, das weißt du hoffentlich!“

Satoshi sah zu ihm und presste die Lippen aufeinander. „Wann lässt du mich schon mal in Ruhe? Nicht mal duschen können wir, ohne dass du Sex willst.“

Ryo grinste nur. „Na und? Wir sind jung und sollten unsere Sexualität ausleben, solange wir können!“ Er lachte und drückte Satoshi einen Kuss auf die Lippen. „Da fällt mir was ein... Du hast vorhin über mein Lieblingsspielzeug geredet... Ich finde es wird Zeit, dass wir für dich auch eins finden.“

„Was?!“ Satoshi sah ihn geschockt an. „Du glaubst doch nicht, dass ich...“

„Dann musst du auf nichts verzichten, wenn ich mal nicht da bin...“

„Wir sind aber immer zusammen.“, wand Satoshi ein und erntete einen tadelnden Blick von Ryo.

„Aber wenn wir mal irgendwann getrennt sein sollten, wirst du so was brauchen! Wir müssen vorbereitet sein!“

Satoshi traute seinen Ohren kaum. Ryo wollte ihm tatsächlich einen Dildo andrehen. „Bist du vollkommen bescheuert?“

Er lachte wieder. „Ach komm, lass mir doch den Spaß! Wie toll das wäre! Dann könnten wir's am Telefon miteinander machen!“ Seine Augen wurden ganz groß. „Oder noch viel besser: Am Laptop per Cam! Gott, wär' das geil, wenn ich dir dabei zugucken könnte, wie du es dir heimlich irgendwo selbst besorgst, weil du mich soooo vermisst.“
 

Satoshi sagte gar nichts mehr, das war ihm gerade zu doof. Es brachte ja doch nichts, wenn er Ryo da jetzt widersprach. Der Kleinere hatte sich da so hineingesteigert, dass er wohl kaum wieder mit dem Thema aufhören würde, nur weil Satoshi es wollte.

Außerdem schwirrte ihm gerade ein Gedanke im Kopf herum, den er lieber nicht aussprechen wollte. Und wenn er jetzt was sagte, war die Chance, diesen aus Versehen aus zu plappern, viel zu groß. Ryo musste ja nicht wissen, dass sie nicht mal voneinander getrennt sein mussten, damit er zusehen könnte, wie er an sich herumspielte. Aber darauf sollte er gefälligst schön von allein kommen, sonst wäre es ja langweilig.
 


 


 

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Jetzt hock ich schon fast ein Jahr an dieser Fic und kann doch irgendwie immer noch nicht damit aufhören...

Langsam war Satoshi es leid. Seit dieser Party bei Ryo zu Hause war jetzt schon über eine Woche vergangen, verändert hatte sich seitdem aber nichts. Er hatte sich ja Sorgen gemacht, dass Nii blau machen würde, wenn ihm bewusst wurde, was in der Nacht geschehen war, oder dass Shuu richtig schlechte Laune bekam deswegen, aber nichts dergleichen war geschehen. Am nächsten Tag sind alle ganz normal zur Probe gekommen. Im ersten Moment hatten die beiden Langhaarigen sich einfach nur angeschaut und tatsächlich unsicher gewirkt, dann hatten sie beide sich Beschäftigung gesucht und seitdem kaum ein Wort gesprochen. Es war verdammt komisch, die beiden so ruhig zu erleben – und das über mehrere Tage. So etwas konnten sie gerade eigentlich echt nicht gebrauchen, denn langsam aber sicher mussten sie an neuen Songs arbeiten. Einige Texte hatte er schon geschrieben, die der Rest auch schon kannte, aber wirklich dran arbeiten taten sie nicht. So konnte das auch nichts werden!
 

Sowieso taten sie momentan nicht viel, jeder machte irgendwie sein eigenes Ding und niemanden schien das zu stören. Niemanden bis auf Satoshi. Mehrmals hatte er schon versucht die anderen anzutreiben, war aber jedes Mal auf's Neue kläglich gescheitert und hatte es irgendwann aufgegeben. Anstatt sich über die Untätigkeit der anderen aufzuregen, hatte er sich vorgenommen eben an weiteren Songtexten zu arbeiten, bis Shuu und Nii sich wieder eingekriegt hatten. Er war auch wirklich produktiv gewesen bisher, bezweifelte aber, dass alle seine Texte es in die engere Auswahl für das in ein paar Monaten anstehende neue Album schaffen würden. Das wiederum war ihm aber auch nur recht, denn er wusste selbst, dass einiges, was er da auf Papier gekritzelt hatte, wirklich überhaupt nicht zu ihnen passte – vor allem nicht das, woran er gerade arbeitete. Es war untypisch für ihn, so etwas zu schreiben. Bis vor einer Weile wären ihm solche Gedanken nie in den Sinn gekommen, aber jetzt war es eben so und er musste es einfach zu Papier bringen, auch wenn es wahrscheinlich ungelesen in die Tiefen seiner Ordner verschwinden würde, in denen er alles aufbewahrte, was er je geschrieben hatte. Dort würde es niemand finden und das war wahrscheinlich auch besser so.
 

Noch einmal las Satoshi sich durch, was er da aufgeschrieben hatte, und musste tatsächlich seufzen, ehe er die Zettel zusammenraffte und unauffällig in einer Mappe verschwinden ließ. Dann lehnte er sich zurück und als er seine Bandmember betrachtete, fragte er sich unweigerlich, warum sie überhaupt hier waren. Nii blätterte desinteressiert in irgendeiner Modezeitschrift, Shuu klimperte auf seinem Bass herum und Ryo schlief tatsächlich. Dafür hatte er sich heute so früh aus dem Bett gequält, nachdem Ryo ihn wieder die halbe Nacht wachgehalten hatte? Und dann holte dieser Idiot ausgerechnet jetzt seinen Schlaf nach!

Ohne weiter darüber nachzudenken, schnappte er sich einen von Ryos Drumsticks, die auf dem Tisch vor ihm lagen, und warf ihn nach dem Drummer, der durch den Schlag auf den Kopf hochschreckte und sich verwirrt umsah. Auch die anderen beiden blickten auf und sahen erst Ryo an, dann Satoshi.

„Was soll denn das?“, jammerte der Jüngste von ihnen auch schon los. „Ich hatte so einen tollen Traum! Warum weckst du mich?“

Satoshi hob eine Augenbraue. Langsam aber sicher wurde ihm das alles zu viel. „Oh ich weiß nicht... Vielleicht, weil du's nicht anders verdient hast?“

Ryo sah ihn verwirrt an, die anderen beiden machten Anstalten zu lachen und ernteten einen tadelnden Blick von ihrem Sänger. „Ihr habt gar keinen Grund schadenfroh zu sein! Ihr hättet es auch verdient, dass ich euch mit irgendwas bewerfe! Immerhin sind wir hier um zu arbeiten! Und falls ihr's vergessen habt, haben wir ein Album zu produzieren, auch wenn der Termin dafür noch ein paar Monate vor uns liegt. Das ist noch lange kein Grund hier einfach nur rum zu sitzen und nichts zu tun!“ Er atmete schnaufend aus und verschränkte die Arme vor der Brust.
 

Ein paar Augenblicke herrschte Stille, dann rappelte Ryo sich schwermütig auf, kam auf ihn zu und machte es sich auf der Lehne seines Sessels bequem, was Satoshi gar nicht toll fand.

„Was ist denn los, Schatzi? Hab ich dich zu wenig schlafen lassen?“ Er grinste dreckig und auch Shuu und Nii konnten sich das nicht verkneifen. Der einzige, der das so gar nicht witzig fand, war wohl Satoshi. Den nervte das nur noch mehr.

Als er nichts sagte, lehnte Ryo sich an ihn und sah ihn lächelnd an. „Leg dich doch auch was hin, mh? Danach geht’s dir bestimmt besser.“ Er zögerte einen Augenblick, beugte sich dann aber ganz nahe zu ihm und flüsterte: „Dann können wir heute Nacht wieder ganz viel Spaß haben.“

Das reichte jetzt aber wirklich! Nach dieser Aktion würde heute Nacht bestimmt gar nichts mehr laufen!
 

Satoshi war so wütend und angenervt, dass er Ryo von sich stieß und dabei wohl zu viel Kraft aufwendete ohne es zu merken... auf jeden Fall machte es RUMMS! und Ryo lag plötzlich auf dem Boden, blickte ganz perplex nach oben. Das reichte aus um ihren beiden Langhaarigen zum Lachflash ihres Lebens zu verhelfen. Sie gröhlten los und konnten sich vor Lachen kaum noch halten. Shuu versuchte krampfhaft seinen Bass nicht fallen zu lassen und kippte irgendwann auf Nii, der genau in dem Augenblick still wurde und den anderen perplex ansah. Auch Shuu wurde still, sie sahen sich ein paar Augenblicke lang einfach nur an, dann lachten sie wieder los.

Satoshi seufzte. Eigentlich mochte er die Blödeleien seiner Freunde ja, aber jetzt gerade kam er sich echt vor wie im Kindergarten.
 

Ryo rappelte sich wieder auf und rieb sich den Allerwertesten. „Danke auch...“, murmelte er und zog eine Schnute, was zwar furchtbar süß aussah, Satoshi aber nicht erweichen konnte.

„Bitte.“, sagte er nur und widmete sich den anderen beiden. „Könnt ihr jetzt auch mal wieder aufhören? Ich find' das echt alles andere als lustig, dass wir momentan nur dahin vegetieren! Wenn wir gar nichts machen, kann ich auch zu Hause bleiben.“

„Oh ja, das ist 'ne gute Idee!“, warf Ryo ein, doch Satoshi beachtete ihn gar nicht. Er wusste, was der schon wieder im Sinn hatte und danach war ihm gerade gar nicht zumute.

„Da kann ich auch Texte schreiben. Dafür muss ich nicht hier rum sitzen und euch beim Däumchen drehen zugucken!“
 

Langsam hatte zumindest Shuu sich wieder beruhigt. Er grinste zwar immer noch, wurde aber nicht mehr so heftig vom Lachen geschüttelt wie Nii. Nachdem er seinen Bass abgestellt hatte, sah er Satoshi an und versuchte halbwegs ernst zu wirken. „Willst du uns etwa weismachen, du warst die ganze Zeit mit Lyrics beschäftigt? Daran hast du immer rum gekritzelt?“

Satoshi nickte.

„Zeig her.“

Das war an sich kein Problem, doch er sah gar nicht ein, dass seine Arbeit jetzt auf dem Prüfstand stehen sollte, wo er doch der einzige war, der überhaupt etwas getan hatte.

„Vielleicht klären wir erst mal andere Sachen, damit wir dann endlich vernünftig weiter arbeiten können.“, wand er ein und plötzlich war auch Nii wieder still.

„Oh, ihr wisst also direkt, was ich meine? Umso besser. Dann können wir das ja schnell hinter uns bringen.“

Nii sah erst ihn unsicher an, dann Ryo.

Ihr wollt jetzt mit uns darüber reden?“

Ryo setzte an etwas zu sagen, doch der Sänger ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. „Was Ryo dazu sagt, ist mir egal. Ich sage, dass ihr das jetzt klärt! Ich habe wirklich keine Lust mehr auf diesen Kindergarten hier! Ihr seid schließlich erwachsen! Was ist so schlimm daran, dass ihr beide...“ Jetzt stockte er. Wie drückte man so etwas am besten aus? „... dass ihr was ausprobiert habt?“
 

Shuu schnaubte. Dieses Thema passte ihm offensichtlich gar nicht, aber ihm schien auch bewusst zu sein, dass Satoshi ernst machte. Und er als Leader sah es wahrscheinlich auch am ehesten ein, dass das Wohl der Band auf dem Spiel stand, wenn es so weiter ging.

„Was ausprobiert... du bist gut! Dir hat der Arsch ja nicht zwei Tage später noch gebrannt!“

Satoshi sah ihn irritiert an. Doch, eigentlich hatte ihm sein Arsch sogar noch länger weh getan... Aber das mussten die anderen ja nicht unbedingt wissen. Viel wichtiger war jetzt auch, warum plötzlich Shuu meinte, der zu sein, dem der Arsch gebrannt hätte. Jetzt war er durch und durch verwirrt. Da war er aber wohl nicht der einzige.

„Wie... dir hat... warum?“

Jetzt war auch Shuu verwirrt. Er sah den Gitarristen eine Weile an, ehe er antwortete. „Wenn ich mich recht erinnere, sind wir auf die glorreiche Idee gekommen nachzusehen, was die beiden treiben, haben gesehen wie Satoshi gefesselt dalag... dann hat Ryo uns verscheucht... Wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht mehr, was danach war... Aber offenbar sind wir so schlau gewesen das auch ausprobieren zu wollen, und da hab ich wohl den Kürzeren gezogen.“

Nii blinzelte ihn verwirrt an. „Huh? Warum konnte ich dann am nächsten Tag kaum sitzen?“

Shuu runzelte die Stirn und schien angestrengt zu überlegen.

„Scheiße.“, sagte er schließlich und lehnte sich zurück. „Ich erinnere mich an gar nichts mehr.“
 

„Ist vielleicht auch besser so.“, kam es ziemlich kleinlaut von Ryo. „Wenn ihr euch an nichts mehr erinnert... Dann braucht ihr nicht mehr so komisch sein und wir können normal weiter machen.“

Mit so etwas hätte jetzt wohl niemand gerechnet, vor allem Satoshi nicht. Er sah den Kleinsten perplex an und fragte sich, ob er wirklich wollte, dass sie wieder zum Alltag übergingen, oder ob er dieses Gespräch einfach nur so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte. Vielleicht war es ein bisschen von beidem.
 

Ein Seufzen kam von dem Sofa, auf dem die beiden Langhaarigen saßen. Das musste von Nii gekommen sein, denn er ergriff das Wort. „Ich weiß auch nicht mehr, was da gelaufen ist. Und ich denke auch, dass das besser ist so. Vielleicht sollten wir das einfach vergessen.“ Er nickte leicht, sah dann Shuu prüfend an, der auch nur nickte, und damit schien alles gegessen zu sein.

Ein wenig verwundert starrte Satoshi die beiden an, seufzte dann aber erleichtert. „Na wunderbar!“ Hätte er gewusst, dass das so einfach ging, hätte er die beiden Idioten sofort zu einem Gespräch gezwungen.
 

Er stand auf. „Dann können wir ja endlich loslegen. Ich geh mir nur noch schnell 'nen Kaffee holen.“ Mit diesen Worten verschwand er, legte allerdings einen kleinen Umweg über's Klo ein und kam dann direkt vom Kaffeeautomaten wieder. Offenbar war es gut, dass Shuu und Nii diese Sache geklärt hatten, denn er konnte sie schon von Weitem lachen hören. Gute Laune war doch schon mal eine super Voraussetzung für gute Arbeit.
 

Als er aber näherkam, wurde er langsamer und kam ins Stocken. Irgendetwas schien Ryo da vorzulesen, was sie alle furchtbar witzig fanden, und er hatte eine schlimme Ahnung, was das war. Trotzdem ging er langsam weiter und blieb dann vor der nur angelehnten Tür stehen, sah durch den Spalt hindurch, wie Ryo ein paar ziemlich angefressene Zettel in der Hand hielt. Seine Mappe auf dem Tisch war aufgeschlagen. Ihm wurde ganz anders.
 

Die Zukunft kann sich innerhalb einer Minute verändern, innerhalb einer Sekunde... Dieses... was steht da? Perfekte Drama? … ist eine Lüge... Ein richtiges Wunder, dass ich mich in dich ver...“ Plötzlich stockte Ryo und wurde ganz leise, las aber trotzdem weiter. „...verliebt hab...

„Was für ein Geschnulze!“, kam es von Nii, der sich vor Lachen den Bauch hielt. „Meint er das wirklich ernst? So was können wir nicht bringen! Was denken dann die Fans von uns? Ahahah!!“ Er kippte zur Seite und schnappte japsend nach Luft. Auch Shuu schien sich nur noch mit Müh und Not gerade auf der Couch halten zu können. Und Satoshi wurde ganz schlecht.
 

„Komm, lies weiter!“, kam es von Nii, der offenbar noch nicht genug gelacht hatte. Ryo überflog die nächste Zeile und zögerte kurz, tat seinen Freunden aber diesen Gefallen, wofür Satoshi ihn am liebsten windelweich geprügelt hätte, doch er stand einfach da und sah zu, wie seine Freunde über etwas lachten, was sie eigentlich nie zu Gesicht bekommen sollten. Das Schlimme aber war, dass Ryo genau das zu merken schien, aber trotzdem nicht aufhörte. Es war wie ein Schlag ins Gesicht von dem Menschen, der ihm mittlerweile so verdammt viel bedeutete. Und er stand einfach nur da und konnte nichts machen.
 

Wenn das alles nicht passiert wäre, wo wären wir jetzt? Ich kann es mir nicht vorstellen. Es ist wie... Slow Motion...“ Er las wieder stockender vor. Das war genau die Stelle, an der Satoshi zig mal herum gestrichen hatte. Sie gefiel ihm immer noch nicht.

...wie die verwischten Ränder im Film... wenn... wenn ich meine Augen schließe, sehe ich dich vor mir... nur dich.“ Er sah kurz zu den anderen beiden, legte dann das Blatt beiseite, warf aber noch einen letzten Blick darauf, ehe er die Mappe wieder schloss.
 

„Immer wieder...“, murmelte Satoshi und schüttelte den Kopf. So ging es weiter. Und es kam noch viel mehr. Viel mehr Text, viel mehr Gefühle, die Ryo plötzlich nicht mehr mit Füßen zu treten wollen schien. Dumm nur, dass das gar nichts mehr änderte. Das Schlimmste, das, was tief aus seinem Innersten kam, hatte er zuerst aufgeschrieben. Das hatte Ryo schon heraus posaunt, als wäre es etwas total unwichtiges. Nun, für Satoshi war es das nicht...
 

„Hört auf zu lachen.“, sagte Ryo leise, doch ihm wurde keinerlei Beachtung geschenkt. Shuu kugelte sich weiter auf der Couch herum und Nii mittlerweile sogar auf dem Boden. Na Hauptsache die hatten Spaß.

Satoshi stand immer noch in der Tür und beobachtete das. Ihm entging nicht, dass Ryo sich gerade nicht sonderlich wohl fühlte, aber das war ihm egal. Das änderte nichts an den Tatsachen.

Er zögerte. Am liebsten wollte er nach Hause, auf der Stelle, denn auf Ryo hatte er heute keine Lust mehr. Er wollte ihn nicht mehr sehen. Dann fiel ihr Kinobesuch heute Abend eben ins Wasser. Das hatte der Drummer nun davon.

Satoshi zögerte immer noch, als Ryo aber plötzlich zu ihm sah und so verdammt geschockt aussah, erwachte er aus seiner Starre, drehte sich auf dem Absatz um und ging los. Allerdings nur ein paar Schritte, dann überlegte er es sich anders, rauschte in den Raum hinein und sah Ryo wütend an. Wütend, vor allem aber enttäuscht. Dass es plötzlich ganz still geworden war, nahm er nur am Rande wahr. Es änderte ja doch nichts.
 

„Du bist so ein Arsch!“, zischte er, würdigte Ryo keines weiteren Blickes, sondern raffte seine Sachen zusammen und schnappte sich – ganz wichtig! – seine Mappe, und den Kaffee, den er kurz abgestellt hatte, dann verschwand er – oder auch nicht. Er wollte es zumindest, wurde aber von Ryo am Handgelenk festgehalten, was ihn so sehr in Rage versetzte, dass er mit der anderen Hand nach ihm ausholte und ihm den vollen Becher mit heißem Kaffee an der Brust zerdrückte, sodass der Drummer automatisch zurücksprang und sich schnell sein Shirt auszog, das von der braunen Suppe nur so triefte, dann sah er wieder zu ihm, aber Satoshi war schon verschwunden.

Als Ryo auf den Flur lief, war er schon längst aus dem Haupteingang gehastet und rannte einfach los. Er war noch gar nicht weit gekommen, da zog es in seiner Brust. Rennen war er einfach nicht gewöhnt, doch das war egal. Er rannte weiter und weiter und stoppte erst, als er zu Hause war, wo er mit zittrigen Händen die Tür aufschloss, von drinnen wieder abschloss und den Schlüssel stecken ließ, dann ließ er sich an der Tür herabgleiten und fiel in sich zusammen wie ein Häufchen Elend und ließ seinen Emotionen endlich freien Lauf.

Noch nie zuvor hatte er sich so verletzt gefühlt.

Noch nie zuvor war ihm ein Mensch so wichtig gewesen... Doch er konnte das nicht länger mitmachen. In dieser Beziehung zog er immer den Kürzeren, schon von Anfang an. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen. So konnte und wollte er nicht weitermachen.

Das musste einfach ein Ende haben.
 


 

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Na, von welchem Lieb hab ich mich inspirieren lassen? ;)

Schicksal.
 

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Stundenlang saß Satoshi da und tat nichts. Er konnte immer noch nicht fassen, dass Ryo das wirklich getan hatte. In seinen Sachen rum zu schnüffeln war eine Sache, aber seine Texte laut vor zu lesen, damit die anderen beiden Idioten sich darüber totlachen konnten, das ging echt zu weit. Ryo hätte sofort merken müssen, was er da vorlas. Er hätte sofort aufhören und die Zettel wieder weglegen müssen.

Satoshi verstand es einfach nicht. Er hatte gehofft, dass ihre Beziehung mit der Zeit besser wurde, denn... wenn er ehrlich war, war das, was sie beide hatten, keine richtige Beziehung. Sie sahen sich noch genauso viel wie vorher, und wenn sie allein waren, hatten sie Sex. Und das immer dann, wenn Ryo es wollte. Sowieso lief immer alles so, wie Ryo es wollte und das nervte ihn. Das würde er so nicht mehr hinnehmen. Wenn Ryo kam um sich zu entschuldigen, würde er ihm das gleich verklickern!
 

Doch Ryo kam nicht. Er wartete schon ewig, hatte sich kaum gerührt, seit er hinter der Wohnungstür einfach zusammengebrochen war und geweint hatte, aber von Ryo war keine einzige Spur. Er war ihm nicht nachgelaufen – das allein war schon schmerzlich genug, aber dass er nicht einmal versucht hatte ihn anzurufen oder eine SMS geschrieben hat, das war wirklich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sollte er ihm doch gestohlen bleiben, wenn es ihm so scheiß egal war, wie es seinem Freund ging!
 

Wutentbrannt rappelte der Sänger sich auf und stampfte ins Schlafzimmer, wo er sich einfach ins Bett fallen ließ und sich nicht mehr rührte. Er war müde und geschafft. Wie anstrengend es doch sein konnte, sich über Liebesdinge den Kopf zu zerbrechen... Er wollte einfach nur noch schlafen, doch dafür spukten viel zu viele Gedanken in seinem Kopf herum. Gedanken, die er gern abgestellt hätte, doch es ging nicht. Er konnte einfach an nichts anderes denken als an Ryo, der ihn so vorgeführt hatte, und ihm drängte sich unweigerlich die Frage auf, was er überhaupt erwartet hatte. Von Ryo, von dieser Beziehung. Ryo war schon von Anfang an bestimmend gewesen, aber er hatte angenommen, dass das nur war, um ihn rumzukriegen, um ihm zu zeigen, was er wollte und vor allem, wie sehr er es wollte. Dass das so ausarten würde, hatte er nie für möglich gehalten. Als sie nur Freunde gewesen waren, hatte Ryo ihn doch auch respektiert, und plötzlich verhielt er sich ihm gegenüber wie der letzte Arsch. Nicht immer, aber doch oft genug, um Zweifel auf zu rühren. An seiner Entscheidung, es zu probieren, an Ryos Gefühlen zu ihm. Was, wenn er das einfach nur gemacht hatte, um ihn ins Bett zu bekommen? Um ihn mal auszutesten, zu sehen, wie lange es dauern würde, bis er ihn endlich ran ließ?

Vorstellen konnte er sich das nicht, aber was, wenn es doch so war?
 

Satoshi war es leid. Er rollte sich auf die andere Seite vom Bett und schloss die Augen, versuchte zu schlafen. Dass das Bett nach Ryo und Sex roch, erleichterte es ihm nicht unbedingt, also stand er noch einmal auf und bezog das Bett neu, warf sich dann wieder in die Kissen und zog sich die Decke über den Kopf. Es half nichts; Ryo wollte einfach nicht aus seinen Gedanken verschwinden.
 

Irgendwann spät in der Nacht schaffte er es doch, zumindest in einen Dämmerschlaf zu gleiten, doch dieses Glück war auch nur von kurzer Dauer, denn das Klingeln seines Handys sorgte dafür, dass er wieder kerzengerade im Bett saß. Dass das noch lange nicht sein Wecker gewesen war, registrierte er erst, als das Klingeln so abrupt wieder aufhörte, ohne dass er das Telefon auch nur berührt hatte. Er runzelte die Stirn und tastete nach seiner Nachttischlampe. Als der Raum durch das Licht ein wenig erhellt wurde, sah er das Handy an, als würde es ihn jeden Moment anspringen und beißen. Es dauerte ewig, bis er sich dazu durchringen konnte, es zu nehmen und einen Blick drauf zu werfen. Doch diese Bestätigung brauchte er gar nicht. Er hatte schon am Klingelton erkannt, wer da versucht hatte ihn anzurufen. Halb drei Uhr morgens. Wenn er jetzt noch wach war, hatte er bestimmt getrunken. So egal konnte ihm das alles dann ja doch nicht sein – egal war es Satoshi auch nicht, vor allem jetzt nicht. Er war wieder hellwach und wägte ab, ihn zurückzurufen, tat es dann aber doch nicht. Sollte Ryo sich ruhig ein wenig anstrengen, um zu bekommen was er wollte – zur Abwechslung mal.
 

Er legte sich wieder hin, bekam aber kein Auge mehr zu, also stand er auf, als es anfing zu dämmern. Er zog sich was Bequemes an und ging raus, joggen. Das hatte er schon ewig nicht mehr getan – und genau das merkte er auch ziemlich bald, also blieb er nicht lange draußen. Wieder zu Hause stieg er als erstes unter die Dusche und blieb da auch eine ganze Weile. Das warme Wasser tat gerade ungemein gut. Dumm nur, dass er direkt wieder an Ryo denken musste. In letzter Zeit hatte sie meistens zusammen geduscht und Ryo war jemand, der nur selten seine Finger bei sich behalten konnte. Allein der Gedanke daran beschwerte ihm schon ein klitzekleines Problemchen, das langsam aber sich immer größer wurde und nach Aufmerksamkeit verlangte. Wie ihm das gerade so gar nicht passte! Wie konnte er denn allein beim Gedanken an Ryo schon geil werden?

Er schluckte seinen Ärger runter und kümmerte sich um das vor Freude hüpfende Ding weiter unten, was zum Glück verdammt schnell erledigt war.

Satoshi biss die Zähne zusammen und lehnte sich an die kühle Wand, hoffte dass die ihm helfen würde wieder einen klaren Kopf zu bekommen, doch auch das funktionierte irgendwie nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Es schwirrten immer noch Bilder von Ryo in seinem Kopf herum – Bilder von einem nackten Ryo.
 

Satoshi versuchte die zu verdrängen und stieg wieder aus der Dusche, trocknete sich ab, doch Ryo wurde er nicht los. Nur wurde seine Laune schlagartig anders. Kaum hatte der Nackedei in seinem Kopf das Weite gesucht, überfiel ihn eine Traurigkeit, die ihm schwindlig werden ließ. Er war erschrocken über sich selbst. Noch nie hatten seine Gefühle ihn so übermannt.
 

Als er sich wieder gefangen hatte, zog er sich an und machte sich auf den Weg ins Studio. Noch war niemand da und das war wohl auch besser so. Doch lange blieb er nicht allein. Gerade hatte er seine Sachen abgelegt, da ging hinter ihm schwungvoll die Tür auf. Aus Reflex drehte er sich um und war mehr als erleichtert, dass nicht Ryo vor ihm stand, sondern lediglich Nii und Shuu – wobei ihm diese Begegnung wohl auch noch bevorstand und er befürchtete, dass sie nicht mehr allzu lange auf sich warten ließ.
 

Die beiden Langhaarigen waren an der Tür stehen geblieben, als sie ihn entdeckt hatten. Jetzt sahen sie sich einfach nur an und das Schweigen wurde von Sekunde zu Sekunde unangenehmer. Schließlich war Nii es, der es brach. „Was machst du denn hier?“

Satoshi runzelte die Stirn. Er war sich sicher, dass er scheiße aussah wie schon lange nicht mehr, aber dass wegen so einem Vorfall gleich gar nicht mehr mit ihm gerechnet wurde, überraschte ihn.

„Arbeiten. Oder hab ich 'ne Planänderung nicht mitbekommen?“ Seine Stimme glich eher einem Krächzen. Das kam davon, wenn man die ganze Nacht kaum ein Auge zumachte und einen Großteil der Zeit damit verbrachte, an dem Versuch seine Tränen zu unterdrücken zu scheitern. Selbst wenn sie heute dazu kommen würden an neuen Songs zu arbeiten, brachte er mit der Stimme wohl niemandem etwas.

„Nein.“ Das war Shuu. Er schloss die Tür hinter sich und setzte sich in einen der Sessel. „Wir haben nur nicht mit dir gerechnet.“

„Ja, genau. Ryo hat gestern schon gesagt, wir brauchen heute wohl nicht mit ihm rechnen. Da dachten wir, dass du auch nicht kommst.“ Nii machte es sich auch bequem und musterte Satoshi unverhohlen. „Du siehst scheiße aus. Hast du überhaupt geschlafen?“ Auch wenn es nicht unbedingt so klang, Satoshi wusste, dass er sich Sorgen machte. Das sah man ihm an.
 

Satoshi allerdings verkniff es sich darauf zu antworten und sah die beiden unentwegt an. „Er kommt nicht?“ Er versuchte das wie beiläufig fallen zu lassen, doch das misslang ihm kläglich. Die anderen durchschauten ihn sofort.

„Ihr habt noch nicht geredet, oder?“ Shuu seufzte schwer. „Hör mal, Satoshi. Das mit gestern... Das tut uns wirklich leid. Wir wollten nicht über dich herziehen oder so. Aber...“ Er seufzte erneut und grinste dann leicht. „Du kennst uns doch und weißt, was wir manchmal für Idioten sind.“

Er nickte nur. Das wusste er allerdings. Wenn er ehrlich war, war er den beiden nicht mal böse. Wenn sie lachten, war es ihm egal. Wenn Ryo lachte, nahm er sich das zu Herzen, denn er hatte über Sachen gelacht, die ihn eigentlich hätten Freudensprünge machen lassen müssen.
 

Wieder schwiegen sie sich an und Satoshi war das nur recht so. Er wollte nicht über gestern reden. Ihm reichte es schon, dass er permanent daran denken musste. Die anderen beiden Trottel schienen das aber nicht zu merken, denn nach ein paar kurzen ausgetauschten Blicken, attackierten sie ihn regelrecht mit Fürsorge. Ihre Art, das wieder gut zu machen.

„Geht's dir wirklich gut?“

„Willst du nicht lieber wieder nach Hause und dich hinlegen?“

„Oder mit Ryo reden? Das klären?“

„Du siehst echt schlimm aus.“

„So ruhig haben wir dich auch schon ewig nicht mehr erlebt. Du wirst doch nicht krank?“

„Wir können dich auch nach Hause bringen, wenn du willst!“

„Oder zu Ryo.“

Sein linkes Auge zuckte. Zu Ryo? Warum wollten sie ihn zu Ryo bringen? Warum zum Teufel sollte er diesem Idioten auch noch hinterher rennen?

Er schüttelte leicht den Kopf. „Ich find' den Weg schon allein.“

Wenn ihn nicht alles täuschte, sah er die beiden einen kurzen, aber zufriedenen Blick austauschen.

„Zu mir.“, fügte er leise hinzu, schnappte sich seine Tasche und ging raus. Jetzt musste er also wieder nach Hause. Dass das nichts besser machen würde, wusste er jetzt schon. Er würde wieder nur daliegen und nachdenken und darauf hatte er wirklich keine Lust. Er hatte gehofft, sich heute mit der Musik ablenken zu können, doch das konnte er jetzt vergessen. Super.
 

Er wollte nicht nach Hause, doch er wusste nicht, was er sonst mit sich anfangen sollte, also stand er schneller vor seiner Haustür als ihm lieb war. Er schloss auf und stieg die Stufen zu seiner Wohnung hoch. Je näher er seiner Tür kam, desto größer wurde die Hoffnung in ihm, dass Ryo dort stand und wartete. Doch er wurde enttäuscht – schon wieder. Natürlich stand dort niemand. Warum auch?

So langsam konnte Ryo ihm echt gestohlen bleiben! Sollte der doch bleiben, wo der Pfeffer wächst!
 

Unglaublich, wie schlecht seine Laune schon wieder war. Er schloss die Tür auf und ging hinein, stolperte dabei fast über ein paar Schuhe, das er dort definitiv nicht hingestellt hatte, mitten im Weg! Er erkannte auf den ersten Blick, dass es Ryos Treter waren, doch warum zum Teufel sollte der hierher kommen und seine Schuhe einfach mitten im Flur rumstehen lassen?!

Der Sänger kniff die Augen zusammen und machte sich auf die Suche nach diesem Idioten, fand ihn auch ziemlich schnell. Er lag im Wohnzimmer auf der Couch und schlief. Noch dazu stank er wie ein Brauereipferd. Na das wurde ja immer besser.

Satoshi zögerte, ging dann aber zu ihm und betrachtete ihn eine Weile einfach nur. Ryo war echt hinüber. Wahrscheinlich hatte er die ganze Nacht getrunken und dann im Vollsuff entschlossen zu ihm zu gehen. Dann war er auch schon besoffen gewesen, als er versucht hatte ihn anzurufen. Das machte es jetzt nicht unbedingt besser.
 

Unschlüssig stand er eine ganze Weile einfach nur da und betrachtete den anderen, der da lag wie tot. Satoshi war sich nicht sicher, ob er sich über diesen Besuch freuen sollte oder nicht. Das würde er wohl erst herausfinden, wenn der Drummer seinen Rausch ausgeschlafen hatte. Schlafen. Vielleicht sollte er sich daran auch nochmal versuchen.

Er drehte sich um und ging ins Schlafzimmer, nahm eine der Decken und ging damit zurück ins Wohnzimmer, um Ryo damit zu zudecken, dann erst legte er sich ins Bett und erstaunlicherweise schlief er dieses Mal ganz schnell ein.
 

Als er wieder wach wurde, war ihm unglaublich warm. Er wollte die Decke zurückschlagen, doch irgendwie klappte das nicht so, wie er wollte, also öffnete er die Augen und fand auch schnell die Ursache dafür. Ryo lag neben ihm. Nein, er lag auf ihm. Und er schlief.

Satoshi schluckte, fühlte sich allein dadurch schon extrem überfordert gerade. Ryo war ihm einfach viel zu nah gerade, dabei war es eigentlich genau das, was er brauchte. Bevor er den Drummer aber wieder so nah bei sich haben konnte, mussten sie reden. Und dass Ryo dazu schon wieder in der Lage war, bezweifelte er doch stark.

Ohne lange zu überlegen, schubste er den Kleineren von sich runter, der dadurch unwillkürlich wach wurde. Er öffnete die Augen und starrte unfokussiert an die Decke. Hallo, Restalkohol.
 

Erst als Satoshi sich aufsetzte, sah Ryo ihn an, und er schien ernsthaft erschrocken darüber zu sein ihn zu sehen. „Was machst du denn hier?“ War er nicht genau das gleiche vorhin schon einmal gefragt worden?

„Ich wollte eigentlich schlafen. Aber was machst du hier? In meinem Schlafzimmer?“

„Was? In deinem...“ Ryo setzte sich langsam auf und sah sich um. Es dauerte eine ganze Weile, doch dann schien es ihm wie Schuppen von den Augen zu fallen.

„Dein Schlafzimmer. Oh.“, sagte er nur leise und machte Anstalten sich aufzurappeln. Satoshi hielt ihn nicht zurück. „Ich geh besser wieder.“, sagte er kleinlaut und ohne ihn anzusehen. Er war sich offenbar bewusst, in was für eine Scheiße er sich geritten hatte.

„'nen Teufel wirst du tun!“ Satoshi sprang regelrecht auf. „Du kannst doch nicht einfach total besoffen herkommen und hier deinen Rausch ausschlafen wollen, nachdem du dich gestern benommen hast wie der letzte Idiot!“

Ryo öffnete den Mund, doch kein einziger Ton verließ seine Lippen. Da war wohl jemand sprachlos. Unglaublich.
 

Satoshi seufzte schwer. „Los, geh duschen. Ich setz Kaffee auf.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, stand er auf und verschwand in der Küche. Er wollte wenigstens ein paar Momente für sich haben, ehe er sich anhörte, was Ryo zu sagen hatte.

Als er endlich das Wasser im Bad rauschen hörte, schlich er sich ins Schlafzimmer und zog sich an. Er wollte nicht unbedingt nur Shorts anhaben, wenn sie über so etwas redeten. Dann ging er wieder in die Küche und setzte sich hin. Als Ryo endlich kam, hatte er seine erste Tasse fast schon leer.
 

Unschlüssig stand der Drummer in der Tür und sah ihn an. Satoshi brauchte ihn nicht einmal anzusehen um das zu wissen. Es vergingen ein paar Minuten, ehe Ryo sich eine Tasse Kaffee nahm und sich mit an den Tisch setzte.

Es war verdammt ungewohnt, ihn so ruhig zu erleben. So zurückhaltend, ja beinahe schüchtern. So hatte er ihn bisher nur selten erlebt. Oder noch nie. Zumindest fiel ihm gerade keine Situation ein, in der Ryo sich schon einmal so verhalten hatte.
 

„Du hast mich angerufen.“, sagte Satoshi irgendwann leise, und Ryo sah ihn jetzt doch mal an. Er zuckte leicht mit den Schultern.

„Du bist nicht ran gegangen.“

„Ich hab den ganzen Tag gewartet, dass du kommst. Ich konnte nicht schlafen, weil ich die ganze Zeit an dich denken musste! Und dann hab ich endlich mal die Augen zu bekommen, da rufst du mich an! Ich war total im Arsch und du wahrscheinlich total besoffen! Da ist's wohl besser, dass ich nicht ran gegangen bin, meinst du nicht?“

Ryos Blick heftete sich wieder an seine Tasse. Da wusste er wohl nichts drauf zu sagen.
 

Satoshi brannte so vieles auf der Zunge, doch er hielt sich zurück. Er wollte ihn nicht anschreien, auch wenn er es verdient hatte. Eigentlich hätte Ryo sogar noch viel Schlimmeres verdient, aber Satoshi schwieg. Er wollte, dass Ryo den ersten Schritt machte und auf ihn zu kam. Er wollte, dass der Drummer bewies, dass er ihm wichtig war, und dass er ihm zeigte, dass er seine Bedürfnisse auch mal hinten anstellen konnte. Also schwieg er eisern. Und er hätte nie gedacht, dass Ryo so lange brauchen würde, um etwas so lapidares zu sagen.
 

„Es tut mir leid.“

Da sah Satoshi ihn überrascht an und musste schlucken. Er sagte noch immer nichts, sah ihn einfach nur an. Vielleicht konnte er diesen Idioten von einem Freund ja so aus der Reserve locken. Und es klappte tatsächlich.

„Ich hätte nicht in deinen Aufzeichnungen rum wühlen sollen. Und noch weniger... das vorlesen... Ich wusste nicht, was...“ Er zögerte, schüttelte leicht den Kopf. „Ich hab erst gemerkt, was ich da lese, als die beiden sich schon vor Lachen gekugelt haben. Es tut mir wirklich wirklich leid, Satoshi.“ Jetzt sah er ihn doch kurz an. Unsicher, beinahe scheu. War es schlimm, dass Satoshi das grade niedlich fand?
 

„Ich wusste nicht, dass du...“

„Was?“ Jetzt fiel er ihm doch ins Wort. „Was wusstest du nicht? Dass ich dich liebe? Was dachtest du denn, warum ich mit dir zusammen bin und deine ganzen Marotten aushalte?“

Ryo schluckte. Das war wohl ein ziemlicher Dämpfer gewesen. Es vergingen wieder ein paar Augenblicke, in denen niemand etwas sagte. Satoshi, weil er nicht gemein werden wollte, und Ryo wohl, weil er erst mal lernen musste mit dieser Situation umzugehen.

„Ist es so schlimm?“

Satoshi sah ihn irritiert an. Was meinte er jetzt genau?

„Mit mir zusammen sein. Ist das wirklich so schlimm?“

Satoshi schluckte. Gab es Dinge, die ihn störten? Ja. War deswegen die ganze Beziehung schlimm? Nein.
 

Er schüttelte leicht den Kopf. „Ich bin gern mit dir zusammen. Aber ich weiß nicht, wie du das siehst. Manchmal hab ich das Gefühl, dass du das alles einfach nur aus Bequemlichkeit willst, weil du immer Sex haben kannst.“ Er fühlte sich dumm, dass er das sagte. Aber das dachte er nun mal wirklich. Warum also damit hinter'm Berg halten, wenn sie eh schon über so was redeten?

„Irgendwie geht das immer alles von dir aus. Ich weiß nicht, ob es dir nur schwer fällt dir das abzugewöhnen, oder ob das wirklich du bist. Du willst Sex, ich muss springen. Warum müssen wir dauernd so viel Sex haben? Für mich gehört noch viel viel mehr zu 'ner richtigen Beziehung. Manch-manchmal fühl' ich mich echt nur wie deine Gummipuppe...“ Er wandte den Blick ab. Es war ihm unangenehm, das auszusprechen, so einfach war das. Und er wollte gar nicht wissen, wie sich Ryo gerade fühlte.
 

Jetzt schwiegen sie beide. Es verging eine ganze Weile, bis Ryo aufstand und dann erst mal unsicher stehen blieb. Satoshi sah ihn an und war irgendwie verdammt erschrocken. Ryo sah echt verzweifelt aus.

Der Drummer kam zu ihm und hockte sich vor ihm hin. Er hielt den Kopf gesenkt und Satoshi glaubte zu wissen, warum. Er hatte nie damit gerechnet, dass es Ryo noch schlechter ging als ihm selbst.

„Das alles tut mir unendlich leid. Ich... will nicht so sein. Ich war so verdammt froh, dich endlich zu haben. Da... da bin ich wohl übermütig geworden. Der Sex mit dir ist wie 'ne Droge. Ehrlich! Ich hatte schon viel guten Sex gehabt, aber das mit dir, das ist... was ganz ganz anderes. Das kann man nicht vergleichen! Sex ist eine Sache, aber... mit der Person, die man schon so lange haben will... das ist was ganz anderes... I-ich kann mich ändern! Mich zurücknehmen... was immer du willst! Nur bitte... schick mich nich' weg.“
 

Jetzt war Satoshi platt. Hatte Ryo das wirklich gesagt und hatte er sich das bloß eingebildet? Er zögerte, legte dann seine Hand an Ryos Wange und strich leicht darüber. Der Drummer zitterte leicht und als er zu ihm aufsah, wusste Satoshi, dass es echt war und er es ernst gemeint hatte. Jedes einzelne Wort.

Das war doch Wahnsinn! Das war eine Seite an Ryo, die er trotz jahrelanger Freundschaft jetzt zum ersten Mal gesehen hatte! Und irgendwie machte ihn das sogar stolz. Wenn das nicht bewies, wie wichtig er diesem kleinen Idioten war, dann wusste er auch nicht!
 

Satoshi beugte sich zu ihm und küsste ihn, er konnte einfach nicht anders! Nie hätte er damit gerechnet, dass Ryo dazu in der Lage war, so was Süßes zu sagen! Wobei das gerade ja nicht mal wirklich süß gewesen ist... Aber es hatte ihn berührt, wirklich. Und so wie Ryo drein sah, musste er es einfach ernst meinen. Was anderes war schlicht und einfach nicht möglich.

Als er sich wieder löste, sah der Kleinere ihn mehr als überrascht an. Er war immer noch unsicher.

Satoshi strich leicht über seine Wange. „Hör auf so'n Gesicht zu ziehen. Es ist okay... Ich will gar nicht, dass du dich änderst. Du sollst nur nicht immer davon ausgehen, dass du machen kannst, was du willst, und dass ich das einfach so hinnehme.“

Ryo sah ihn weiter an, aber jetzt schlich sich wenigstens ein Lächeln auf seine Lippen.

„Allerdings will ich, dass du mir beweist, dass du dich zurücknehmen kannst.“

Jetzt verschwand das Lächeln doch wieder. „Wie?“

„Kein Sex. Eine Woche lang.“

„Waaaaaaaas? So lange?“, jammerte er gleich los, hielt aber bei Satoshis Blick gleich wieder seine Klappe.

„Ja, so lange. Hast du ja auch ohne Probleme geschafft, als du mir an den Arsch wolltest.“

Ryo seufzte, aber er nickte. „Okay, eine Woche ohne Sex...“

„Und bilde dir bloß nicht ein, dass es danach wieder so wird, dass wir immer Sex haben, wenn du es willst.“

Damit schien er nicht ganz so zufrieden zu sein, aber er nickte wieder. „Okay.“
 

Satoshi nickte zufrieden und gab ihm noch einen Kuss. Ryo stand auf und widmete sich seinem mittlerweile nur noch lauwarmen Kaffee.

Während der Drummer seinen Kaffee trank, überlegte er wie sie den Tag am besten verbrachten. Er war ja quasi nach Hause geschickt worden, also würde er hier auch schön bleiben. Mit Ryo rechnete ja auch keiner mehr.

Er sah seinen Freund an, der immer noch sehr angematscht aussah. Da konnte auch der Kaffee nichts mehr retten.

„Gehen wir gleich wieder ins Bett?“

„Ich dachte schon, du fragst gar nicht mehr!“

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Als Satoshi am nächsten Tag wach wurde, kam ihm alles wie ein Traum vor. Unglaublich erotisch und heiß, aber eben doch nur ein Traum. Dass er allein in seinem riesigen Bett lag, verstärkte dieses Gefühl nur noch. Er gähnte und machte die Augen einfach wieder zu. Egal wie spät es war, es war immer noch viel zu früh um aufzustehen.

Als er sich auf die Seite drehte, landete er in irgendetwas Klebrigem. Angewidert verzog er das Gesicht und rollte sich zurück in seine alte Position, nur um feststellen zu müssen, dass er irgendein braunes Zeug an seinem Bauch kleben hatte. Schokosoße. Schlagartig wurde er rot. Also hatte Ryo das alles tatsächlich mit ihm gemacht. Dass sein Freund nicht ganz normal war, wusste er ja schon seit Jahren, dass er pervers war, auch schon eine ganze Weile, aber letzte Nacht hatte er sich wirklich selbst übertroffen. Und als es ihm nicht mehr gereicht hatte Schlagsahne von Satoshis bis zum Anschlag angespannten zuckenden Körper zu lecken, hatte die Schokosoße ihre Chance bekommen.
 

Auf einmal wusste er wieder alles, was in der Nacht geschehen war, wirklich alles. Nicht nur, was Ryo alles mit ihm angestellt hatte – was ihm gerade viel zu lange in seinem Kopf herum geisterte, denn er spürte schnell, wie sich in seiner unteren Region etwas regte - sondern auch, was davor gewesen war. Er hatte ein tolles Wochenende mit dem Drummer geplant gehabt, der ihm natürlich alles versaut hatte, indem er zu seinen Eltern gefahren war. Zumindest hatte er ihm das gesagt. Warum hatte Satoshi diese fadenscheinige Ausrede nicht gleich als solche erkannt? Immerhin besuchte Ryo seine Eltern nicht gern, meist nur zu Familienfesten und zu Neujahr, sonst nutzte er seine Freizeit anders.

Jetzt fühlte er sich aber schrecklich dumm – nicht nur, weil er sich so leicht an der Nase hatte herumführen lassen, sondern weil Ryo, als er bekommen hatte, was er wollte – einen nackten und notgeilen Satoshi – plötzlich einfach vor ihm gestanden und die Nacht so gestaltet hatte, wie er das wollte. Eigentlich hatte Satoshi ähnliche Vorstellungen gehabt, aber es störte ihn, dass Ryo sich einfach immer wieder das Recht heraus nahm, zu tun und zu lassen was er wollte, und auch noch meinte damit durchzukommen. Er hatte es ja gerade wieder geschafft. Es konnte ja auch nur von Vorteil sein genau zu wissen, welche Knöpfe man wann drücken musste.
 

Satoshi seufzte. Die Wut, die er eigentlich schon hätte verspüren müssen, als Ryo plötzlich vor ihm gestanden hatte, war immer noch nicht aufgekommen. In der Nacht nicht, weil er da kaum einen klaren Gedanken hatte fassen können, und jetzt auch nicht, weil er einfach viel zu fertig war, immerhin waren sie bis in den frühen Morgen beschäftigt gewesen...

Wieder sah er neben sich und betrachtete die Hinterlassenschaften der letzten Nacht auf seinem Bettlaken. So sehr hatten sie noch nie herumgesaut. Er selbst sah auch nicht unbedingt besser aus, eine Dusche war da wohl die beste Idee.
 

Ächzend erhob er sich und streckte sich, merkte dabei nur allzu deutlich, wer die ganze Nacht hatte einstecken müssen. Was Ryo an seinem Arsch so geil fand, wusste er zwar immer noch nicht, aber ihm sollte es nur recht sein – solange der Drummer auch damit leben konnte, wenn er mal die Beine breit machen musste, was eh schon wieder überfällig war.

Satoshi tat einen Schritt Richtung Badezimmer, kam aber nicht weit, denn er trat auf irgendetwas Hartes, was ihn schmerzhaft aufkeuchen ließ. Er stolperte und landete geradewegs wieder auf dem vollgesifften Bett. Fluchend setzte er sich wieder auf und sah auf den Boden, wo überall verteilt Spielzeug lag. Spielzeug, das Ryo gestern alles benutzt hatte. Spielzeug, das Satoshi vorher noch nie gesehen hatte. Er kannte seinen Freund wohl doch noch nicht so gut, wie er es gern hätte.
 

Ein Teil auf dem Boden erregte seine Aufmerksamkeit. Er nahm es in die Hand und betrachtete es. Es war ein kleiner, schlanker Vibrator, der eine kleine Wölbung an der Spitze hatte. Dieses Teil hatte ihn gestern echt fertig gemacht. Ryo hatte ihn damit gefühlte Stunden malträtiert und ihm allein dadurch einige Orgasmen beschert.

Angesichts dessen war es Satoshi sowieso ein Rätsel, wie sich bei ihm schon wieder was regen konnte. Sicher, die letzte Nacht war verdammt heiß gewesen und allein die Erinnerungen daran machten ihn schon wieder heiß, doch er war so oft gekommen, dass er bezweifelte, dass sein kleiner Satoshi jetzt schon wieder sonderlich viel ausspucken würde.
 

Kurz glitt sein Blick zur Tür, dann wieder betrachtete er das kleine Spielzeug, das er dann einfach einschaltete. Ein spitzbübisches Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Gestern war es ihm nicht schwer gefallen es zu machen, während Ryo ihm zusah, was sollte ihn jetzt daran hindern? Selbst wenn Ryo nur im Bad oder in der Küche war, konnte es ihm egal sein, denn er hatte eh schon alles gesehen. Da konnte er es sich doch jetzt auch erlauben, kurz etwas intensiver in den Erinnerungen an die vergangene Nacht zu schwelgen.
 

Das tat er auch sofort. Kurz ließ er seinen Blick noch einmal zur Tür schweifen, dann drehte er sich zum Bett um und machte es sich darauf bequem. Irgendwo in dem ganzen Gewühle fand er noch die Tube Gleitgel, aus der er den letzten Rest herauspresste und auf seinem Spielzeug verteilte, ehe er mit seinen Fingern zwischen seine Backen fuhr und ein wenig an sich herum spielte. Da es noch gar nicht so lange her war, dass Ryo in ihm war, und er sowieso schon wieder geil war, hielt er sich damit nicht lange auf, sondern begnügte sich gleich mit dem kleinen vibrierenden Ding in seiner Hand.

Und es war wunderbar. Die Bilder der letzten Nacht huschten durch seinen Geist, beinahe war es als spürte er Ryos Hände und Lippen auf seinem Körper, aber eben nur beinahe – was gerade auch ganz gut war, denn er hatte nicht vor, Ryo nach seiner gestrigen Aktion so bald die Chance zu geben so eine Nacht zu wiederholen. Aber das hinderte ihn ja nicht daran, wenigstens ein paar schöne Gedanken daran zu verschwenden und sich dabei mehr als nur schöne Gefühle zu bescheren.

Seine Hand bewegte sich immer schneller, die Vibrationen in ihm trieben ihn bald zum Wahnsinn, und er musste sich kaum anfassen um von einer verdammt riesigen Welle der Lust übermannt zu werden.
 

Zuckend lag er da, noch total berauscht, sodass er kaum mitbekam, dass er plötzlich nicht mehr allein war. Trotzdem genoss er dieses tolle Gefühl der Schwerelosigkeit noch ein paar Momente, ehe er die Augen öffnete und Richtung Tür sah, wo Ryo stand und offensichtlich große Mühe hat sich nicht voll zu sabbern.

„Ich hab' ein Deja-vu.“, grinste der Drummer und machte Anstalten zu ihm zu kommen.

„Ach ja? Ich nicht.“, gab Satoshi leise von sich und schielte an sich herab. Jetzt war er wieder vollgesaut und hatte noch dazu einen Dildo in seinem Arsch. Das musste er schnell ändern, sonst hatte er Ryo gleich wieder an der Backe kleben!
 

Schnell griff er zwischen seine Schenkel und entfernte seinen neuen besten Freund, schaltete ihn danach aus und legte ihn behutsam neben sich, ehe er seine Schenkel wieder schloss. Manchmal war es ihm eben echt unangenehm, wenn Ryo ihn so anstarrte. Sein Schamgefühl war immer noch vorhanden, auch wenn sein Freund offenbar versuchte ihm das restlos auszutreiben.
 

Schneller als er gedacht hätte, war Ryo bei ihm am Bett und streckte die Hand nach ihm aus. Satoshi unterband das sofort und schob ihn beiseite. „Lass das!“, zischte er und robbte von ihm weg zur anderen Seite des Bettes, ehe er vorsichtig aufstand. Als er sich umdrehte, sah er in das ratlose Gesicht des Drummers. Er verstand ihn nicht, natürlich nicht.

„Waaaaas? Warum nicht?“, begann er auch gleich zu jammern, doch Satoshi hatte nicht vor sich bequatschen zu lassen.

„Weil mir der Arsch noch von gestern weh tut!“

„Aber wenn du's dir selbst machst, tut's nicht weh oder wie?“

Satoshi musste schlucken. Mit einem solchen Argument hatte er nicht gerechnet, aber er ließ sich seine Unsicherheit nicht anmerken.

„Ryo, ich bin nicht dein Spielzeug. Du kannst nicht immer machen, was du willst.“

Jetzt schob der andere seine Unterlippe vor. „Wenn du nicht mein Spielzeug bist, was denn dann?“
 

Hatte er das gerade wirklich gesagt? Satoshi klappte der Mund auf. Wie konnte ein so kleiner Mensch nur so dreist und egoistisch sein?!

Ohne noch ein Wort zu sagen, drehte er sich um und verschwand im Badezimmer. Die Tür schloss er hinter sich ab – sicher war sicher. Ein paar Momente stand er einfach nur da und zweifelte sogar an seiner Entscheidung, aber als Ryo plötzlich an der Tür war und auf ihn einredete, wusste er, dass er richtig gehandelt hatte. Anders lernte dieser Idiot es nicht.
 

Satoshi stieg unter die Dusche und schloss die Augen, als das warme Wasser auf ihn hernieder prasselte. Wie entspannend so etwas doch sein könnte! Gerade jetzt blendete er alles aus, was ihn belastete und ärgerte, genoss einfach dieses wunderbar beruhigende Gefühl, das ihn durchströmte. Es war ihm auch egal, dass Ryo immer noch vor der Tür stand. Sollte er doch mit sich selbst reden! Dieser Idiot machte immer und immer wieder nur, was er wollte. Jetzt war es an Satoshi, auch mal egoistisch zu sein – und das nutzte er auch richtig schön aus.
 

Er wusste nicht, wie lange er unter der Dusche gestanden hatte, aber als er dort herauskam und sich abtrocknete, war es mucksmäuschenstill in der Wohnung. Er versuchte nicht über den Grund dafür nachzudenken – wahrscheinlich hatte Ryo es einfach aufgegeben, als er gemerkt hatte, dass die Tür abgeschlossen war – und wickelte das Handtuch um seinen Leib, ehe er sich ein anderes schnappte und damit seine Haare trocken rubbelte.

Als er damit fertig war, schloss er leise wieder die Tür auf und ging ins Schlafzimmer. Das Bett war immer noch vollgesaut, was ihn leider nicht sonderlich überraschte. Trotzdem hätte er sich gewünscht, dass Ryo es wenigstens schafft das Bett neu zu beziehen, nachdem er die ganze Nacht lang dafür gesorgt hatte, dass es jetzt so aussah.

Ein leises Seufzen kam über Satoshis Lippen. Er suchte sich Shorts und ein sauberes Shirt aus dem Schrank, zog beides an und bezog dann das Bett neu. Er war mehr als erleichtert, als er damit fertig war, denn das war eine mehr als eklige Angelegenheit gewesen. Nachdem er das ganze Sexspielzeug zumindest beiseite geräumt hatte, ließ er zumindest noch die dreckige Wäsche im Badezimmer verschwinden, dann machte er sich auf die Suche nach Ryo, den er zu seiner Überraschung in der Küche fand. Er staunte nicht schlecht, denn der Drummer war am Kochen. Zumindest sah es so aus.
 

„Was machst du da?“, fragte er nach einigen Augenblicken, in denen er seinem Freund einfach nur zugesehen hatte. Der Drummer zuckte zusammen und sah ihn erschrocken an.

„Was machst du hier? Man! Ich wollte dich mit Frühstück im Bett überraschen!“, jammerte der Kleinere und Satoshi hatte große Mühe jetzt nicht zu grinsen.

„Frühstück im Bett?“, fragte er überrascht und setzte sich hin, was Ryo gar nicht zu gefallen schien. Er schob die Unterlippe vor und sah ihn an. „Guck nicht so. Du hast mit noch nie Frühstück ins Bett gebracht!“

Seine Unterlippe zitterte leicht, doch dann entkam Ryo ein ergebenes Seufzen, und er nickte. „Ja, das stimmt. Aber ich hab auch noch nie so was mit dir gemacht.“

Satoshi lachte. „Du meinst, mich die ganze Nacht gevögelt, sodass ich nachher nicht einmal mehr reden konnte, und mich nebenbei mit den verschiedensten Sachen, die ich im Kühlschrank hatte, beschmiert? Stimmt, das hast du auch noch nie gemacht.“

Ryo sah ihn ein wenig verwirrt an, beinahe als müsste er erst verarbeiten, was Satoshi da gerade gesagt hatte. Schließlich nickte er, doch die Falten auf seiner Stirn sprachen für sich. „Das auch. Aber eigentlich meinte ich, dass ich dich noch nie so verarscht hab. Ich hab mir nur 'n Hotelzimmer n paar Straßen weiter genommen und dir von da aus zugesehen.“
 

Die Gleichgültigkeit, mit der er das sagte, verschlug Satoshi den Atem. Eigentlich hätte er jetzt erst recht wütend sein müssen, er hätte Ryo anschreien und ihn einen Idioten schimpfen, vielleicht sogar an ihrer Beziehung zweifeln müssen, doch das tat er nicht. Er saß einfach nur da und sah den anderen an, der seinem Blick stand hielt. Vorerst sagte keiner der beiden etwas. Irgendwann drehte Ryo sich auch einfach um und kümmerte sich weiter um das Frühstück.

Satoshi seufzte innerlich und stand auf. „Ich warte dann im Bett auf dich.“, sagte er leise, und verschwand dann wieder genau dahin.
 

Was für ein wunderbares Gefühl es war, auf einem sauberen Bettlaken zu liegen, sich mit einer sauberen Bettdecke zudecken und in ein sauberes Kissen kuscheln zu können, wurde ihm jetzt zum ersten Mal so richtig bewusst, aber das lag wohl daran, dass er die ganze Nacht in einem solchen Siff zugebracht hatte. Es war ihm egal, daran dachte er jetzt nicht, er genoss einfach dieses wunderbar saubere Gefühl.

Und plötzlich musste er lächeln. Er konnte sich noch so sehr über Ryo und seine Art ärgern, er würde den Knallkopf nie ändern und er musste sich eingestehen, dass er das auch gar nicht wollte.

Er liebte ihn und zwar genau so, wie er war.
 


 


 

________________________
 

Jetzt hab ich euch aber lange warten lassen, oder? Naja, besser spät als nie heißt die Devise! Ich hoffe, ihr könnt mir verzeihen; ich würde auch lieber öfter schreiben, aber manchmal hab ich dank meiner großen Auslastung unter der Woche einfach keine Lust mehr auch nur noch einen Finger zu rühren, geschweige denn meinen Kopf einzusetzen :P

Ich hoffe euch hat die FF gefallen und ihr konntet sie genießen, denn das war vorerst meine letzte Girugamesh-Fic. Als nächstes werde ich mich nach Langem mal wieder einer anderen Band widmen und ich freue mich wirklich schon sehr darauf! :) Kürzlich habe ich auch einen One Shot mit 'ner anderen Band geschrieben. Wer Lust hat, kann da ja mal reinschauen. Über Kommentare würde ich mich jedenfalls sehr freuen!

Wer Updates zur neuen FF bekommen will, sollte mir das mitteilen :P



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Kommentare zu dieser Fanfic (231)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  BittersweetFarewell
2011-12-04T12:42:26+00:00 04.12.2011 13:42
ich wollte das letzte kapitel einfach nicht lesen, damits nicht zu ende ist, aber gut, irgendwann musste das ja kommen v_v
ein niedliches ende, ich wäre gespannt wie lange satoshi das mitgemacht hätte haha
Von:  Yami_no_Hikari
2011-11-17T23:39:38+00:00 18.11.2011 00:39
Etwas mehr Lernfähigkeit hätt ich mir dennoch von Ryo gewünscht.
Auch wenn Sato es inzwischen nicht mehr ganz so eng zu nehmen scheint.
Das mit dem Frühstück ist irgendwo fast schon niedlich.
Ryo hatt ja doch sowas wie ein Gewissen *g*
Von:  Gedankenchaotin
2011-10-30T18:23:01+00:00 30.10.2011 19:23
Fand ich auch ein schönes Ende und auch das Ryo entschuldigenderweise sogar Frühstück macht,
was man so ja nun gar nicht mehr von ihm erwartet hätte.~

ich werd bei deinen anderen FFs ebenso weiterlesen, denn .. ich liebe deinen schreibstil und beneide dich so manches darum.~

LG Gedankenchaotin
Von:  Rays
2011-10-30T17:49:29+00:00 30.10.2011 18:49
Jaja, Ryo kann man wohl nicht so leicht ändern... wäre ja auch langweilig xD
*grins*
Ich mag das Ende >3
Von:  cookie-monster-kyo
2011-10-30T15:30:36+00:00 30.10.2011 16:30
ich will neue infos *^*
*hand heb*

wieso muss die ff an meinem bday enden?
das is uncool D=
aber das ende is echt super tollig~
die ganze ff is einfach liebe pur Q///Q
wenn ich zeit hab les ich sie nochmal komplett <33
Von:  Toffelchan
2011-10-30T12:18:31+00:00 30.10.2011 13:18
Ah~ ein schönes ende, auch wenn ich mir das dreckige bett wirklich sehr ekelhaft vorstelle XD
Aber süß, dass ryo ihm dann frühstück macht <3~ Sato ist auf jeden fall ja ach offener geworden :)

Ach ich mag die ff sehr <3~
Lg <3~
ich werd auf jeden fall bei weiteren ffs sicherlich bei gelegenheit mal vorbeischauen ;D
Von:  Angel_of_Thursday
2011-10-30T11:24:11+00:00 30.10.2011 12:24
Aaaaawwww... Kurz und knapp: Schön! ^-^
Von: abgemeldet
2011-10-30T10:26:36+00:00 30.10.2011 11:26
schade das es vorbei ist, hat immer Spaß gemacht jedes neue Kapitel zu lesen<3
das Ende gefällt mir und so wie Ryo ist scheint es Satoshi ja doch zu gefallen immer, weil ers zulässt x3

Von:  Morumotto
2011-10-30T09:35:28+00:00 30.10.2011 10:35
hach ich mag das ende auch wenn ich trozdem noch weiter gelesen hätte =)
ich muss sato ya auch recht geben er ist zwecklos ryo ändern zu wollen *lach*
lg morumotto <3
Von:  BittersweetFarewell
2011-09-25T14:18:51+00:00 25.09.2011 16:18
eeeh also ich bitte um aufklärung
wenn ryo doch nur in nem hotel war würde das auch erklären warum es ihm egal war, dass er so laut ist hihi
der kleine schlawiener, hat er mal wieder seinen willen bekommen :P


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