The Luck of the Draw von -shiyuu (Wie der Zufall so will) ================================================================================ Kapitel 17: ------------ Schicksal. __________________ Stundenlang saß Satoshi da und tat nichts. Er konnte immer noch nicht fassen, dass Ryo das wirklich getan hatte. In seinen Sachen rum zu schnüffeln war eine Sache, aber seine Texte laut vor zu lesen, damit die anderen beiden Idioten sich darüber totlachen konnten, das ging echt zu weit. Ryo hätte sofort merken müssen, was er da vorlas. Er hätte sofort aufhören und die Zettel wieder weglegen müssen. Satoshi verstand es einfach nicht. Er hatte gehofft, dass ihre Beziehung mit der Zeit besser wurde, denn... wenn er ehrlich war, war das, was sie beide hatten, keine richtige Beziehung. Sie sahen sich noch genauso viel wie vorher, und wenn sie allein waren, hatten sie Sex. Und das immer dann, wenn Ryo es wollte. Sowieso lief immer alles so, wie Ryo es wollte und das nervte ihn. Das würde er so nicht mehr hinnehmen. Wenn Ryo kam um sich zu entschuldigen, würde er ihm das gleich verklickern! Doch Ryo kam nicht. Er wartete schon ewig, hatte sich kaum gerührt, seit er hinter der Wohnungstür einfach zusammengebrochen war und geweint hatte, aber von Ryo war keine einzige Spur. Er war ihm nicht nachgelaufen – das allein war schon schmerzlich genug, aber dass er nicht einmal versucht hatte ihn anzurufen oder eine SMS geschrieben hat, das war wirklich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sollte er ihm doch gestohlen bleiben, wenn es ihm so scheiß egal war, wie es seinem Freund ging! Wutentbrannt rappelte der Sänger sich auf und stampfte ins Schlafzimmer, wo er sich einfach ins Bett fallen ließ und sich nicht mehr rührte. Er war müde und geschafft. Wie anstrengend es doch sein konnte, sich über Liebesdinge den Kopf zu zerbrechen... Er wollte einfach nur noch schlafen, doch dafür spukten viel zu viele Gedanken in seinem Kopf herum. Gedanken, die er gern abgestellt hätte, doch es ging nicht. Er konnte einfach an nichts anderes denken als an Ryo, der ihn so vorgeführt hatte, und ihm drängte sich unweigerlich die Frage auf, was er überhaupt erwartet hatte. Von Ryo, von dieser Beziehung. Ryo war schon von Anfang an bestimmend gewesen, aber er hatte angenommen, dass das nur war, um ihn rumzukriegen, um ihm zu zeigen, was er wollte und vor allem, wie sehr er es wollte. Dass das so ausarten würde, hatte er nie für möglich gehalten. Als sie nur Freunde gewesen waren, hatte Ryo ihn doch auch respektiert, und plötzlich verhielt er sich ihm gegenüber wie der letzte Arsch. Nicht immer, aber doch oft genug, um Zweifel auf zu rühren. An seiner Entscheidung, es zu probieren, an Ryos Gefühlen zu ihm. Was, wenn er das einfach nur gemacht hatte, um ihn ins Bett zu bekommen? Um ihn mal auszutesten, zu sehen, wie lange es dauern würde, bis er ihn endlich ran ließ? Vorstellen konnte er sich das nicht, aber was, wenn es doch so war? Satoshi war es leid. Er rollte sich auf die andere Seite vom Bett und schloss die Augen, versuchte zu schlafen. Dass das Bett nach Ryo und Sex roch, erleichterte es ihm nicht unbedingt, also stand er noch einmal auf und bezog das Bett neu, warf sich dann wieder in die Kissen und zog sich die Decke über den Kopf. Es half nichts; Ryo wollte einfach nicht aus seinen Gedanken verschwinden. Irgendwann spät in der Nacht schaffte er es doch, zumindest in einen Dämmerschlaf zu gleiten, doch dieses Glück war auch nur von kurzer Dauer, denn das Klingeln seines Handys sorgte dafür, dass er wieder kerzengerade im Bett saß. Dass das noch lange nicht sein Wecker gewesen war, registrierte er erst, als das Klingeln so abrupt wieder aufhörte, ohne dass er das Telefon auch nur berührt hatte. Er runzelte die Stirn und tastete nach seiner Nachttischlampe. Als der Raum durch das Licht ein wenig erhellt wurde, sah er das Handy an, als würde es ihn jeden Moment anspringen und beißen. Es dauerte ewig, bis er sich dazu durchringen konnte, es zu nehmen und einen Blick drauf zu werfen. Doch diese Bestätigung brauchte er gar nicht. Er hatte schon am Klingelton erkannt, wer da versucht hatte ihn anzurufen. Halb drei Uhr morgens. Wenn er jetzt noch wach war, hatte er bestimmt getrunken. So egal konnte ihm das alles dann ja doch nicht sein – egal war es Satoshi auch nicht, vor allem jetzt nicht. Er war wieder hellwach und wägte ab, ihn zurückzurufen, tat es dann aber doch nicht. Sollte Ryo sich ruhig ein wenig anstrengen, um zu bekommen was er wollte – zur Abwechslung mal. Er legte sich wieder hin, bekam aber kein Auge mehr zu, also stand er auf, als es anfing zu dämmern. Er zog sich was Bequemes an und ging raus, joggen. Das hatte er schon ewig nicht mehr getan – und genau das merkte er auch ziemlich bald, also blieb er nicht lange draußen. Wieder zu Hause stieg er als erstes unter die Dusche und blieb da auch eine ganze Weile. Das warme Wasser tat gerade ungemein gut. Dumm nur, dass er direkt wieder an Ryo denken musste. In letzter Zeit hatte sie meistens zusammen geduscht und Ryo war jemand, der nur selten seine Finger bei sich behalten konnte. Allein der Gedanke daran beschwerte ihm schon ein klitzekleines Problemchen, das langsam aber sich immer größer wurde und nach Aufmerksamkeit verlangte. Wie ihm das gerade so gar nicht passte! Wie konnte er denn allein beim Gedanken an Ryo schon geil werden? Er schluckte seinen Ärger runter und kümmerte sich um das vor Freude hüpfende Ding weiter unten, was zum Glück verdammt schnell erledigt war. Satoshi biss die Zähne zusammen und lehnte sich an die kühle Wand, hoffte dass die ihm helfen würde wieder einen klaren Kopf zu bekommen, doch auch das funktionierte irgendwie nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Es schwirrten immer noch Bilder von Ryo in seinem Kopf herum – Bilder von einem nackten Ryo. Satoshi versuchte die zu verdrängen und stieg wieder aus der Dusche, trocknete sich ab, doch Ryo wurde er nicht los. Nur wurde seine Laune schlagartig anders. Kaum hatte der Nackedei in seinem Kopf das Weite gesucht, überfiel ihn eine Traurigkeit, die ihm schwindlig werden ließ. Er war erschrocken über sich selbst. Noch nie hatten seine Gefühle ihn so übermannt. Als er sich wieder gefangen hatte, zog er sich an und machte sich auf den Weg ins Studio. Noch war niemand da und das war wohl auch besser so. Doch lange blieb er nicht allein. Gerade hatte er seine Sachen abgelegt, da ging hinter ihm schwungvoll die Tür auf. Aus Reflex drehte er sich um und war mehr als erleichtert, dass nicht Ryo vor ihm stand, sondern lediglich Nii und Shuu – wobei ihm diese Begegnung wohl auch noch bevorstand und er befürchtete, dass sie nicht mehr allzu lange auf sich warten ließ. Die beiden Langhaarigen waren an der Tür stehen geblieben, als sie ihn entdeckt hatten. Jetzt sahen sie sich einfach nur an und das Schweigen wurde von Sekunde zu Sekunde unangenehmer. Schließlich war Nii es, der es brach. „Was machst du denn hier?“ Satoshi runzelte die Stirn. Er war sich sicher, dass er scheiße aussah wie schon lange nicht mehr, aber dass wegen so einem Vorfall gleich gar nicht mehr mit ihm gerechnet wurde, überraschte ihn. „Arbeiten. Oder hab ich 'ne Planänderung nicht mitbekommen?“ Seine Stimme glich eher einem Krächzen. Das kam davon, wenn man die ganze Nacht kaum ein Auge zumachte und einen Großteil der Zeit damit verbrachte, an dem Versuch seine Tränen zu unterdrücken zu scheitern. Selbst wenn sie heute dazu kommen würden an neuen Songs zu arbeiten, brachte er mit der Stimme wohl niemandem etwas. „Nein.“ Das war Shuu. Er schloss die Tür hinter sich und setzte sich in einen der Sessel. „Wir haben nur nicht mit dir gerechnet.“ „Ja, genau. Ryo hat gestern schon gesagt, wir brauchen heute wohl nicht mit ihm rechnen. Da dachten wir, dass du auch nicht kommst.“ Nii machte es sich auch bequem und musterte Satoshi unverhohlen. „Du siehst scheiße aus. Hast du überhaupt geschlafen?“ Auch wenn es nicht unbedingt so klang, Satoshi wusste, dass er sich Sorgen machte. Das sah man ihm an. Satoshi allerdings verkniff es sich darauf zu antworten und sah die beiden unentwegt an. „Er kommt nicht?“ Er versuchte das wie beiläufig fallen zu lassen, doch das misslang ihm kläglich. Die anderen durchschauten ihn sofort. „Ihr habt noch nicht geredet, oder?“ Shuu seufzte schwer. „Hör mal, Satoshi. Das mit gestern... Das tut uns wirklich leid. Wir wollten nicht über dich herziehen oder so. Aber...“ Er seufzte erneut und grinste dann leicht. „Du kennst uns doch und weißt, was wir manchmal für Idioten sind.“ Er nickte nur. Das wusste er allerdings. Wenn er ehrlich war, war er den beiden nicht mal böse. Wenn sie lachten, war es ihm egal. Wenn Ryo lachte, nahm er sich das zu Herzen, denn er hatte über Sachen gelacht, die ihn eigentlich hätten Freudensprünge machen lassen müssen. Wieder schwiegen sie sich an und Satoshi war das nur recht so. Er wollte nicht über gestern reden. Ihm reichte es schon, dass er permanent daran denken musste. Die anderen beiden Trottel schienen das aber nicht zu merken, denn nach ein paar kurzen ausgetauschten Blicken, attackierten sie ihn regelrecht mit Fürsorge. Ihre Art, das wieder gut zu machen. „Geht's dir wirklich gut?“ „Willst du nicht lieber wieder nach Hause und dich hinlegen?“ „Oder mit Ryo reden? Das klären?“ „Du siehst echt schlimm aus.“ „So ruhig haben wir dich auch schon ewig nicht mehr erlebt. Du wirst doch nicht krank?“ „Wir können dich auch nach Hause bringen, wenn du willst!“ „Oder zu Ryo.“ Sein linkes Auge zuckte. Zu Ryo? Warum wollten sie ihn zu Ryo bringen? Warum zum Teufel sollte er diesem Idioten auch noch hinterher rennen? Er schüttelte leicht den Kopf. „Ich find' den Weg schon allein.“ Wenn ihn nicht alles täuschte, sah er die beiden einen kurzen, aber zufriedenen Blick austauschen. „Zu mir.“, fügte er leise hinzu, schnappte sich seine Tasche und ging raus. Jetzt musste er also wieder nach Hause. Dass das nichts besser machen würde, wusste er jetzt schon. Er würde wieder nur daliegen und nachdenken und darauf hatte er wirklich keine Lust. Er hatte gehofft, sich heute mit der Musik ablenken zu können, doch das konnte er jetzt vergessen. Super. Er wollte nicht nach Hause, doch er wusste nicht, was er sonst mit sich anfangen sollte, also stand er schneller vor seiner Haustür als ihm lieb war. Er schloss auf und stieg die Stufen zu seiner Wohnung hoch. Je näher er seiner Tür kam, desto größer wurde die Hoffnung in ihm, dass Ryo dort stand und wartete. Doch er wurde enttäuscht – schon wieder. Natürlich stand dort niemand. Warum auch? So langsam konnte Ryo ihm echt gestohlen bleiben! Sollte der doch bleiben, wo der Pfeffer wächst! Unglaublich, wie schlecht seine Laune schon wieder war. Er schloss die Tür auf und ging hinein, stolperte dabei fast über ein paar Schuhe, das er dort definitiv nicht hingestellt hatte, mitten im Weg! Er erkannte auf den ersten Blick, dass es Ryos Treter waren, doch warum zum Teufel sollte der hierher kommen und seine Schuhe einfach mitten im Flur rumstehen lassen?! Der Sänger kniff die Augen zusammen und machte sich auf die Suche nach diesem Idioten, fand ihn auch ziemlich schnell. Er lag im Wohnzimmer auf der Couch und schlief. Noch dazu stank er wie ein Brauereipferd. Na das wurde ja immer besser. Satoshi zögerte, ging dann aber zu ihm und betrachtete ihn eine Weile einfach nur. Ryo war echt hinüber. Wahrscheinlich hatte er die ganze Nacht getrunken und dann im Vollsuff entschlossen zu ihm zu gehen. Dann war er auch schon besoffen gewesen, als er versucht hatte ihn anzurufen. Das machte es jetzt nicht unbedingt besser. Unschlüssig stand er eine ganze Weile einfach nur da und betrachtete den anderen, der da lag wie tot. Satoshi war sich nicht sicher, ob er sich über diesen Besuch freuen sollte oder nicht. Das würde er wohl erst herausfinden, wenn der Drummer seinen Rausch ausgeschlafen hatte. Schlafen. Vielleicht sollte er sich daran auch nochmal versuchen. Er drehte sich um und ging ins Schlafzimmer, nahm eine der Decken und ging damit zurück ins Wohnzimmer, um Ryo damit zu zudecken, dann erst legte er sich ins Bett und erstaunlicherweise schlief er dieses Mal ganz schnell ein. Als er wieder wach wurde, war ihm unglaublich warm. Er wollte die Decke zurückschlagen, doch irgendwie klappte das nicht so, wie er wollte, also öffnete er die Augen und fand auch schnell die Ursache dafür. Ryo lag neben ihm. Nein, er lag auf ihm. Und er schlief. Satoshi schluckte, fühlte sich allein dadurch schon extrem überfordert gerade. Ryo war ihm einfach viel zu nah gerade, dabei war es eigentlich genau das, was er brauchte. Bevor er den Drummer aber wieder so nah bei sich haben konnte, mussten sie reden. Und dass Ryo dazu schon wieder in der Lage war, bezweifelte er doch stark. Ohne lange zu überlegen, schubste er den Kleineren von sich runter, der dadurch unwillkürlich wach wurde. Er öffnete die Augen und starrte unfokussiert an die Decke. Hallo, Restalkohol. Erst als Satoshi sich aufsetzte, sah Ryo ihn an, und er schien ernsthaft erschrocken darüber zu sein ihn zu sehen. „Was machst du denn hier?“ War er nicht genau das gleiche vorhin schon einmal gefragt worden? „Ich wollte eigentlich schlafen. Aber was machst du hier? In meinem Schlafzimmer?“ „Was? In deinem...“ Ryo setzte sich langsam auf und sah sich um. Es dauerte eine ganze Weile, doch dann schien es ihm wie Schuppen von den Augen zu fallen. „Dein Schlafzimmer. Oh.“, sagte er nur leise und machte Anstalten sich aufzurappeln. Satoshi hielt ihn nicht zurück. „Ich geh besser wieder.“, sagte er kleinlaut und ohne ihn anzusehen. Er war sich offenbar bewusst, in was für eine Scheiße er sich geritten hatte. „'nen Teufel wirst du tun!“ Satoshi sprang regelrecht auf. „Du kannst doch nicht einfach total besoffen herkommen und hier deinen Rausch ausschlafen wollen, nachdem du dich gestern benommen hast wie der letzte Idiot!“ Ryo öffnete den Mund, doch kein einziger Ton verließ seine Lippen. Da war wohl jemand sprachlos. Unglaublich. Satoshi seufzte schwer. „Los, geh duschen. Ich setz Kaffee auf.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, stand er auf und verschwand in der Küche. Er wollte wenigstens ein paar Momente für sich haben, ehe er sich anhörte, was Ryo zu sagen hatte. Als er endlich das Wasser im Bad rauschen hörte, schlich er sich ins Schlafzimmer und zog sich an. Er wollte nicht unbedingt nur Shorts anhaben, wenn sie über so etwas redeten. Dann ging er wieder in die Küche und setzte sich hin. Als Ryo endlich kam, hatte er seine erste Tasse fast schon leer. Unschlüssig stand der Drummer in der Tür und sah ihn an. Satoshi brauchte ihn nicht einmal anzusehen um das zu wissen. Es vergingen ein paar Minuten, ehe Ryo sich eine Tasse Kaffee nahm und sich mit an den Tisch setzte. Es war verdammt ungewohnt, ihn so ruhig zu erleben. So zurückhaltend, ja beinahe schüchtern. So hatte er ihn bisher nur selten erlebt. Oder noch nie. Zumindest fiel ihm gerade keine Situation ein, in der Ryo sich schon einmal so verhalten hatte. „Du hast mich angerufen.“, sagte Satoshi irgendwann leise, und Ryo sah ihn jetzt doch mal an. Er zuckte leicht mit den Schultern. „Du bist nicht ran gegangen.“ „Ich hab den ganzen Tag gewartet, dass du kommst. Ich konnte nicht schlafen, weil ich die ganze Zeit an dich denken musste! Und dann hab ich endlich mal die Augen zu bekommen, da rufst du mich an! Ich war total im Arsch und du wahrscheinlich total besoffen! Da ist's wohl besser, dass ich nicht ran gegangen bin, meinst du nicht?“ Ryos Blick heftete sich wieder an seine Tasse. Da wusste er wohl nichts drauf zu sagen. Satoshi brannte so vieles auf der Zunge, doch er hielt sich zurück. Er wollte ihn nicht anschreien, auch wenn er es verdient hatte. Eigentlich hätte Ryo sogar noch viel Schlimmeres verdient, aber Satoshi schwieg. Er wollte, dass Ryo den ersten Schritt machte und auf ihn zu kam. Er wollte, dass der Drummer bewies, dass er ihm wichtig war, und dass er ihm zeigte, dass er seine Bedürfnisse auch mal hinten anstellen konnte. Also schwieg er eisern. Und er hätte nie gedacht, dass Ryo so lange brauchen würde, um etwas so lapidares zu sagen. „Es tut mir leid.“ Da sah Satoshi ihn überrascht an und musste schlucken. Er sagte noch immer nichts, sah ihn einfach nur an. Vielleicht konnte er diesen Idioten von einem Freund ja so aus der Reserve locken. Und es klappte tatsächlich. „Ich hätte nicht in deinen Aufzeichnungen rum wühlen sollen. Und noch weniger... das vorlesen... Ich wusste nicht, was...“ Er zögerte, schüttelte leicht den Kopf. „Ich hab erst gemerkt, was ich da lese, als die beiden sich schon vor Lachen gekugelt haben. Es tut mir wirklich wirklich leid, Satoshi.“ Jetzt sah er ihn doch kurz an. Unsicher, beinahe scheu. War es schlimm, dass Satoshi das grade niedlich fand? „Ich wusste nicht, dass du...“ „Was?“ Jetzt fiel er ihm doch ins Wort. „Was wusstest du nicht? Dass ich dich liebe? Was dachtest du denn, warum ich mit dir zusammen bin und deine ganzen Marotten aushalte?“ Ryo schluckte. Das war wohl ein ziemlicher Dämpfer gewesen. Es vergingen wieder ein paar Augenblicke, in denen niemand etwas sagte. Satoshi, weil er nicht gemein werden wollte, und Ryo wohl, weil er erst mal lernen musste mit dieser Situation umzugehen. „Ist es so schlimm?“ Satoshi sah ihn irritiert an. Was meinte er jetzt genau? „Mit mir zusammen sein. Ist das wirklich so schlimm?“ Satoshi schluckte. Gab es Dinge, die ihn störten? Ja. War deswegen die ganze Beziehung schlimm? Nein. Er schüttelte leicht den Kopf. „Ich bin gern mit dir zusammen. Aber ich weiß nicht, wie du das siehst. Manchmal hab ich das Gefühl, dass du das alles einfach nur aus Bequemlichkeit willst, weil du immer Sex haben kannst.“ Er fühlte sich dumm, dass er das sagte. Aber das dachte er nun mal wirklich. Warum also damit hinter'm Berg halten, wenn sie eh schon über so was redeten? „Irgendwie geht das immer alles von dir aus. Ich weiß nicht, ob es dir nur schwer fällt dir das abzugewöhnen, oder ob das wirklich du bist. Du willst Sex, ich muss springen. Warum müssen wir dauernd so viel Sex haben? Für mich gehört noch viel viel mehr zu 'ner richtigen Beziehung. Manch-manchmal fühl' ich mich echt nur wie deine Gummipuppe...“ Er wandte den Blick ab. Es war ihm unangenehm, das auszusprechen, so einfach war das. Und er wollte gar nicht wissen, wie sich Ryo gerade fühlte. Jetzt schwiegen sie beide. Es verging eine ganze Weile, bis Ryo aufstand und dann erst mal unsicher stehen blieb. Satoshi sah ihn an und war irgendwie verdammt erschrocken. Ryo sah echt verzweifelt aus. Der Drummer kam zu ihm und hockte sich vor ihm hin. Er hielt den Kopf gesenkt und Satoshi glaubte zu wissen, warum. Er hatte nie damit gerechnet, dass es Ryo noch schlechter ging als ihm selbst. „Das alles tut mir unendlich leid. Ich... will nicht so sein. Ich war so verdammt froh, dich endlich zu haben. Da... da bin ich wohl übermütig geworden. Der Sex mit dir ist wie 'ne Droge. Ehrlich! Ich hatte schon viel guten Sex gehabt, aber das mit dir, das ist... was ganz ganz anderes. Das kann man nicht vergleichen! Sex ist eine Sache, aber... mit der Person, die man schon so lange haben will... das ist was ganz anderes... I-ich kann mich ändern! Mich zurücknehmen... was immer du willst! Nur bitte... schick mich nich' weg.“ Jetzt war Satoshi platt. Hatte Ryo das wirklich gesagt und hatte er sich das bloß eingebildet? Er zögerte, legte dann seine Hand an Ryos Wange und strich leicht darüber. Der Drummer zitterte leicht und als er zu ihm aufsah, wusste Satoshi, dass es echt war und er es ernst gemeint hatte. Jedes einzelne Wort. Das war doch Wahnsinn! Das war eine Seite an Ryo, die er trotz jahrelanger Freundschaft jetzt zum ersten Mal gesehen hatte! Und irgendwie machte ihn das sogar stolz. Wenn das nicht bewies, wie wichtig er diesem kleinen Idioten war, dann wusste er auch nicht! Satoshi beugte sich zu ihm und küsste ihn, er konnte einfach nicht anders! Nie hätte er damit gerechnet, dass Ryo dazu in der Lage war, so was Süßes zu sagen! Wobei das gerade ja nicht mal wirklich süß gewesen ist... Aber es hatte ihn berührt, wirklich. Und so wie Ryo drein sah, musste er es einfach ernst meinen. Was anderes war schlicht und einfach nicht möglich. Als er sich wieder löste, sah der Kleinere ihn mehr als überrascht an. Er war immer noch unsicher. Satoshi strich leicht über seine Wange. „Hör auf so'n Gesicht zu ziehen. Es ist okay... Ich will gar nicht, dass du dich änderst. Du sollst nur nicht immer davon ausgehen, dass du machen kannst, was du willst, und dass ich das einfach so hinnehme.“ Ryo sah ihn weiter an, aber jetzt schlich sich wenigstens ein Lächeln auf seine Lippen. „Allerdings will ich, dass du mir beweist, dass du dich zurücknehmen kannst.“ Jetzt verschwand das Lächeln doch wieder. „Wie?“ „Kein Sex. Eine Woche lang.“ „Waaaaaaaas? So lange?“, jammerte er gleich los, hielt aber bei Satoshis Blick gleich wieder seine Klappe. „Ja, so lange. Hast du ja auch ohne Probleme geschafft, als du mir an den Arsch wolltest.“ Ryo seufzte, aber er nickte. „Okay, eine Woche ohne Sex...“ „Und bilde dir bloß nicht ein, dass es danach wieder so wird, dass wir immer Sex haben, wenn du es willst.“ Damit schien er nicht ganz so zufrieden zu sein, aber er nickte wieder. „Okay.“ Satoshi nickte zufrieden und gab ihm noch einen Kuss. Ryo stand auf und widmete sich seinem mittlerweile nur noch lauwarmen Kaffee. Während der Drummer seinen Kaffee trank, überlegte er wie sie den Tag am besten verbrachten. Er war ja quasi nach Hause geschickt worden, also würde er hier auch schön bleiben. Mit Ryo rechnete ja auch keiner mehr. Er sah seinen Freund an, der immer noch sehr angematscht aussah. Da konnte auch der Kaffee nichts mehr retten. „Gehen wir gleich wieder ins Bett?“ „Ich dachte schon, du fragst gar nicht mehr!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)