The Luck of the Draw von -shiyuu (Wie der Zufall so will) ================================================================================ Kapitel 7: ----------- Nie hätte Satoshi gedacht, dass ihm so etwas passieren würde. Sein bester Freund war verliebt in ihn und rückte damit erst raus, als es zu spät war, als er ihn in betrunkenem Zustand beinahe vernascht hatte. Und er hatte Angst davor, Angst vor der Situation, vor Ryo, vor der Entwicklung ihrer Beziehung, vor allem aber hatte er Angst vor seinen eigenen Gefühlen, denn so dumm das auch auf Außenstehende wirken mochte, er fühlte sich beschissen, seit Ryo ihn vor drei Tagen da sitzen gelassen hatte. Auch, weil Ryo sich erdreistet hatte so etwas mit ihm anzustellen, aber hauptsächlich machte ihm die Tatsache zu schaffe, dass er Ryo vermisste. Er vermisste diese verdammten Neckereien, die in den letzten Wochen zwischen ihnen gewesen waren, die Gespräche, dieses Gefühl von Geborgenheit, das er in Ryos Gegenwart immer verspürt hatte, schon früher. Es war schrecklich. Er war nicht schwul, und trotzdem fehlte ihm die Nähe eines anderen Mannes mehr, als ihm je irgendeine Frau gefehlt hatte. Er kam mit sich selbst nicht klar, seine Gefühle hätte er am liebsten eingesammelt und in die Mülltonne geschmissen, denn ohne wäre es ihm definitiv besser gegangen. Ohne Gefühle wäre das ganze Leben viel einfacher. Er atmete tief durch und versuchte an etwas anderes zu denken. Er musste sich unbedingt ablenken, denn heute musste er ein Interview geben. Mit Ryo zusammen. Und wenn er sich recht erinnerte, stand danach noch ein Shooting an, und er hatte nicht die geringste Lust jetzt überhaupt aufzustehen. Er wollte nicht den ganzen Tag mit Ryo verbringen müssen. Er wusste nicht im Geringsten, wie er sich ihm gegenüber jetzt verhalten sollte. Der Drummer machte sich das alles sehr einfach, denn er ignorierte ihn schlicht. Weil er seine Gefühle nicht erwiderte. Was hatte er sich denn vorgestellt? Satoshi kam einfach nicht dahinter. Was ging in seinem Kopf vor, dass ausgerechnet er jetzt einen auf beleidigt machte? Es konnte natürlich auch sein, dass Ryo schon geschlafen hatte, als er irgendwann wieder in das Zimmer gekommen war und sich seine Sachen geschnappt hatte um zu verschwinden. Es war mucksmäuschenstill gewesen und doch hatte er eine gewisse Spannung in der Luft gespürt. Und Satoshi war sich sicher gewesen, dass Shuu als einziger geschlafen hatte. Ryo war bestimmt noch wach gewesen, auch wenn er sich schlafend stellte. Und Nii wahrscheinlich auch, so geschockt wie der gewesen war, als er sie erwischt hatte. Er hatte allen Grund gehabt geschockt zu sein. Vielleicht hatten er und Ryo über das alles geredet. Er wusste es nicht, aber er konnte es sich vorstellen. Warum sonst hatte Nii seitdem an die 20 Mal versucht ihn anzurufen? Nur zu gern hätte Satoshi gewusst, was Nii alles wusste, doch er würde den Teufel tun und ihn danach fragen. Am liebsten hätte er das alles sowieso aus seinem Gedächtnis gestrichen, da das aber nicht ging, wollte er zumindest nicht darüber reden. Nie. Auch wenn er schon ahnte, dass er irgendwann darüber reden musste. Lange würde das nicht gut gehen, wenn er und Ryo kein Wort miteinander sprachen. Sie sollten wenigstens ihre Standpunkte klären und versuchen das Beste draus zu machen, so viel war sicher, aber zuerst einmal musste Satoshi sich darüber klar werden, wie sein Standpunkt aussah. Dafür war jetzt aber keine Zeit mehr, er musste dringend unter die Dusche und dann zu dem Interview, denn trotz allem wollte er nicht zu spät kommen und er hoffte, dass Ryo sich auch an die Absprachen hielt, denn egal was geschehen war, man sollte sie nicht für unprofessionell halten. Eine knappe Stunde später kam er in dem Fotostudio an und wurde freundlich begrüßt. Er lächelte, doch er war sich sicher, dass das ziemlich verkrampft aussah. Ihm war eben nicht danach zumute. Ohne dass er etwas sagen musste, wurde ihm ein Becher Kaffee hingestellt und er setzte sich hin, nahm den Becher in die Hand, trank aber nichts. Er hatte in den vergangenen Tagen sowieso kaum etwas zu sich genommen. Stress schlug ihm als erstes immer auf den Magen und jetzt war er besonders angespannt. Er wollte nicht riskieren, den Kaffee wieder hoch zu würgen, also trank er lieber gar keinen. Heute Abend würde er es vielleicht wagen, wenn er zu Hause war und niemand mitbekam, dass etwas nicht stimmte, aber nicht jetzt. „Ryo-san!“ Als er diesen Namen hörte, zuckte er unwillkürlich zusammen und blicke sich nach ihm um. Er schluckte, denn Ryo sah aus wie immer. Er hatte mit tiefen Augenringen oder irgendetwas anderem gerechnet, das zeigte, wie es ihm ging, doch er sah gut aus wie eh und je und irgendwie machte es Satoshi wütend. So ernst konnte ihm das alles ja gar nicht sein, wenn es ihm nach dieser Sache noch so gut ging, oder? Was, wenn er ihn einfach wieder nur verarscht hatte? Vielleicht würde er sich jetzt benehmen wie immer und Satoshi fragen, warum er so still war, und wenn er es ihm erzählte, würde er ihn für seine Dummheit auslachen. Aber konnte es überhaupt dumm sein, so etwas ernst zu nehmen? Satoshi war zwar betrunken gewesen, aber das, was Ryo gesagt hatte, als er nackt vor der Toilettentür gekauert hatte, den Drummer auf der anderen Seite, hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt. Er hätte es beinahe wortwörtlich wiedergeben können, hätte jemand gefragt und wäre er gewillt gewesen, es überhaupt zu erzählen. Ryo wurde gut gelaunt von dem ganzen Team begrüßt und dabei von Satoshi beobachtet. Es war dem Sänger egal, ob es jemand merkte oder nicht. Jetzt war es egal, nachher beim Interview nicht mehr, da musste er sich zusammen reißen! Als auch der Drummer seinen Kaffee hatte, wuselten alle anderen wieder geschäftig davon und obwohl sie sich noch im selben Raum befanden, kam es Satoshi vor, als wäre er plötzlich allein mit Ryo und es schnürte ihm die Kehle zu. Aus einem Impuls heraus wollte er wegrennen, doch er atmete tief durch und blieb sitzen. Seine Hand zitterte leicht, er stellte den Kaffee ab und lehnte sich zurück, sah demonstrativ in eine andere Richtung, damit er auch ja nicht angesprochen wurde. Und tatsächlich hatte er seine Ruhe – für ungefähr 30 Sekunden. Dann kam Ryo auf ihn zu und setzte sich zu ihm auf das Sofa, wenn auch mit gewissem Abstand. Er lächelte nicht mehr, sondern wirkte ernst und unsicher, fuhr sich fahrig durch die Haare und warf ihm dann einen verstohlenen Blick zu. Doch noch bevor er auch nur den Mund öffnen konnte, ergriff Satoshi das Wort und war selbst erstaunt, wie ruhig seine Stimme klang. „Du kannst Nii sagen, dass er aufhören soll mich anzurufen. Das kann er sich echt sparen.“ Überrascht zog Ryo die Augenbrauen hoch. „Nii?“ Er kassierte ein Nicken. „Was hab ich denn damit zu schaffen, dass Nii dich anruft?“ Satoshi schnaubte. „Jetzt tu nicht so. Er weiß, was passiert ist und er hat mich allein gestern bestimmt zehn Mal angerufen und langsam geht’s mir auf den Geist.“ Ryo lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum sagst du ihm das nicht selbst? Ich bin doch nicht dein Postbote.“ „Weil du mit ihm geredet hast.“ Ryo schluckte und wurde plötzlich ganz still. Satoshi fühlte sich bestätigt. Also entsprach seine Vermutung der Wahrheit. „Was hast du ihm erzählt?“ Ryo blieb weiterhin still. Er rang mit sich, das merkte man, doch Satoshi war das egal. Er wollte nur seine Ruhe haben, also würde er dafür sorgen, dass er die bekam! „Ryo! Was hast du ihm erzählt?“, wiederholte er und sah den anderen jetzt an. Der Drummer wich seinem Blick aus. „Das geht dich nichts an.“ Satoshi wollte gerade widersprechen, doch er fiel ihm ins Wort. „Es geht dich wirklich nichts an, Satoshi. Nii ist zwar mein Freund wie auch deiner, aber trotzdem musst du nicht alles wissen, was ich mit ihm berede. Auch wenn es um dich geht…“ Satoshis Mundwinkel wanderten nach unten. Das gerade besserte seine Laune nicht unbedingt. „Es geht also um mich.“, sagte er tonlos und krallte die Hände in seine Jeans. „Lass gut sein.“ Ryo sah kurz zu ihm. „Bitte, lass es einfach. Du willst doch gar nicht drüber reden, also lassen wir’s. Ich werd dich mit der ganzen Sache nicht mehr behelligen und du hast deine Ruhe.“ „Und was, wenn ich gar nicht in Ruhe gelassen werden will?“ Das verschlug Ryo die Sprache und Satoshi offenbar auch. Er war geschockt, dass er das eben gesagt hatte, und biss sich fest auf die Unterlippe. „Ich meine…“ Er schluckte, rang um seine Fassung. „Du bist mein bester Freund.“ Es wurde still. Eine ganze Weile sagten beide nichts und je länger dieses Schweigen andauerte, desto unruhiger wurde Satoshi. Am liebsten wäre er aufgesprungen und nach Hause gefahren, da hätte er sich wieder in seinem Bett verkriechen können und sich das hier nicht antun müssen. Als hätte Ryo seine Gedanken gelesen, legte er seine Hand auf die des Sängers. Die Berührung war behutsam, beinahe sanft, und Satoshi zuckte zurück. Ein trauriges Lächeln legte sich auf Ryos Lippen. „Du hast Angst vor mir.“ „Nein, ich…“ „Sei doch ehrlich zu dir selbst. Wie kann ich dein bester Freund sein, wenn du es nicht mal erträgst, wenn ich dich anfasse? Du bist total verkrampft und versteift und denkst allen Ernstes trotzdem, dass wir einfach so weiter machen können wie vorher?“ „Ich…“ Ryo ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. „Dass ich mehr für dich empfinde als für einen bloßen Freund, war nicht nur so dahin gesagt, Satoshi. Du kennst mich, du solltest das wissen … Glaub mir, ich hätte es auch gern wieder wie noch vor ein paar Wochen, aber das geht einfach nicht, denn… selbst wenn ich es ungeschehen machen könnte, ich weiß nicht, ob ich es tun würde…“ Satoshi schluckte. Jetzt war er überfordert. Eigentlich hatte er ja nicht einmal mit Ryo reden gewollt, und jetzt saß er hier und redete mit ihm über ihn und sich, über sie. Ein unbehagliches Gefühl überkam ihn bei diesem Gedanken. Er wollte etwas sagen, doch er wusste nicht, was. Alles, was ihm einfiel, hätte das hier nur noch schlimmer gemacht. Am liebsten wäre er jetzt aufgestanden und gegangen. Dieses Interview war ihm gerade mehr als nur egal. „War es wirklich so schlimm für dich?“, drang es leise an sein Ohr und Satoshi biss die Zähne zusammen um sich zu beherrschen. Wie konnte Ryo ihn das fragen und auch noch eine Antwort erwarten? Der Drummer wurde mehr und mehr zu einem Rätsel für ihn. Die wichtigste unbeantwortete Frage war, warum er sich bloß in ihn hatte verlieben müssen, doch er würde den Teufel tun und ihn darauf ansprechen. Er sagte nichts und hoffte, dass sein Schweigen als Antwort genügte. Sprach das nicht schon für sich? Ja, es war schlimm gewesen! Und ja verdammt, er schämte sich dafür und musste jetzt damit leben, dass sein bester Freund ihn so gut wie vergewaltigt hatte, denn er hatte das ja nicht gewollt, aber was sollte er machen? Was konnte er tun, dass diese Scheiße irgendwann einmal ein Ende haben würde? Gar nichts. „Satoshi…“, begann er vorsichtig, zögerte dann aber, als überlegte er wie er das nun sagen sollte. „Glaubst… Glaubst du, ich hätte das alles gemacht, wenn du das nicht gewollt hättest?“ Der Sänger schnaubte entrüstet. „Dass ich das wollte, ist mir neu!“ „Ach wirklich? Dann hab ich mir also eingebildet, dass du auch ‘nen Ständer hattest und gekommen bist. Dann ist da wohl irgendwie anders dein Sperma in meine Hand gekommen.“ Satoshi wurde schlagartig rot und als er mitbekam, dass einige der Leute von der Zeitschrift, für die das Interview war, zu ihnen herüber starrten, rutschte er das Sofa ein Stück runter und betete, er möge auf der Stelle im Erdboden versinken. „Du hast zwar gesagt, ich soll aufhören, aber gefallen hat es dir trotzdem. Sonst wären wir nicht zu diesem Ergebnis gekommen.“, fuhr der Drummer trotzig fort und nickte, wie um seine eigenen Worte zu bestätigen. Satoshi war jetzt ganz still. Sein Kopf glühte, weil ihm das alles so peinlich war. Schlimm genug, dass Ryo ihm das gerade so offen gesagt hatte, aber dass Außenstehende das mitbekamen, musste nun wirklich nicht sein! Am liebsten hätte er alles abgestritten, doch dann hätte er sich lächerlich gemacht, noch mehr als so schon, und das wollte er dann auch nicht. „Du warst betrunken, aber das ist noch lange kein Grund, warum ich deine Reaktionen nicht ernst nehmen sollte. Ich hab auch viel Alkohol intus gehabt und immerhin hast du angefangen zu jammern, dass dir kalt ist, oder?“ Satoshi schluckte schwer. „Können wir das bitte später bereden?“, presste er hervor und sank tiefer in die Couch zurück, als wollte er sich verstecken. Ryo sah ihn überrascht an, nickte dann aber. „Wie du willst. Solange wir das klären…“ Er warf einen Blick über seine Schulter und plötzlich erwachten die paar Mädels, die sie eben gebannt beobachtet hatten, wieder aus ihrer Starre und bemühten sich beschäftigt zu wirken. Ryo seufzte und trank einen Schluck von seinem Kaffee. Gerade wollte er etwas sagen, da wurden sie in einen anderen Raum gerufen, in dem sie für das Interview Ruhe hatten und alle anderen das Shooting weiter vorbereiten konnten. Satoshi stand auf, doch ehe er losgehen konnte, packte Ryo ihn am Handgelenk und hielt ihn fest. Satoshi drehte sich zögernd um, während Ryo aufstand und ihn dann so intensiv ansah, dass ihm ganz komisch wurde. Er schluckte hart. „Was ist?“ Es war beinahe nur ein Flüstern. „Nichts.“, sagte Ryo leise und ließ ihn wieder los, verschwand dann wortlos in dem Besprechungszimmer. Satoshi stand da wie vom Donner gerührt und sah ihm hinterher. Er brannte darauf zu wissen, was Ryo eben gewollt hatte, aber er konnte ihn ja jetzt schlecht fragen, also atmete er tief durch und folgte dem Drummer dann. Als er den Raum betrat, stockte er kurz, denn plötzlich schien Ryo wieder super gelaunt zu sein. Dass er so ein guter Schauspieler war, hatte Satoshi nicht gewusst und unweigerlich fragte er sich, ob ihm dadurch schon vieles entgangen war, was Ryo anging. Er warf dem Kleineren einen kurzen Blick zu und als der diesen erwiderte, blitzte etwas in seinen Augen auf, das definitiv nicht zu dieser gespielten guten Laune passte. Was genau es war, vermochte Satoshi nicht zu sagen, doch er hatte eine Ahnung. Allzu schwer war das ja gerade auch nicht, zumindest nicht für ihn. Während des Interviews versuchte er es Ryo gleich zu tun und gute Laune vorzuspielen. Ihm gelang es bei Weitem nicht so gut wie dem Drummer, aber immerhin schien der Reporter, der sie mit dämlichen Fragen zu ihrer bevorstehenden Tour, an die er lieber gar nicht denken wollte, dem nächsten Album und auch allerlei privater Sachen löcherte, die mehr oder weniger wahrheitsgetreu beantwortet wurden. Die Fans waren wichtig und sie gaben auch viel von sich preis, aber es gab dann doch Sachen, die niemanden etwas angingen, da waren sie sich auch alle einig. Als das Interview überstanden war, ging Satoshi sofort aus dem Zimmer und wollte sich wieder auf die Couch werden, doch er konnte nicht einen einzigen Schritt tun, da stellte sich ihm eine kichernde Frau in den Weg und sagte, sie müsse ihn jetzt schminken und seine Haare machen, damit sie mit dem Shooting pünktlich fertig werden würden und überhaupt erst mal anfangen konnten. Er hatte jetzt schon keine Lust mehr und hoffte, dass sie, während sie ihre Arbeit machte, die Klappe halten würde, doch da hatte er sich geschnitten. Sie redete beinahe ununterbrochen und versuchte ständig mit ihm zu flirten, was ihm irgendwie unangenehm war, da Ryo direkt neben ihm saß und auch hergerichtet wurde, wahrscheinlich weil er wusste, dass der Drummer eifersüchtig war. Er spürte seine Blicke, versuchte aber ihnen keine Beachtung zu schenken, genauso sehr wie er versuchte, diese Nervensäge von Haarstylistin endlich zum Schweigen zu bringen. Er schaffte es nicht. Umso erleichterter war er, als sie ihm verkündete, dass sie fertig war. Sofort stand er auf, doch kaum dass er sich umdrehte, sah er sich dem nächsten Problem gegenüber. Auf einem extra Kleiderständer hingen die Sachen, die sie anziehen sollten. Und er kannte diese Räumlichkeiten, immerhin waren sie schon öfter hier gewesen. Hier war es üblich, dass die Künstler sich einfach hier im Raum umzogen. „Nicht so schüchtern, Satoshi-san!“ Er zuckte zusammen. Neben ihm stand Ryo und grinste verhalten. Einen Augenblick sah er ihn an, dann glitt sein Blick zu den Outfits. Er grinste weiterhin und Satoshi war unsicher, ob er das nun immer noch spielte, oder ob er das gerade wirklich lustig fand. Er zögerte. War es denn so lustig, dass er sich nicht unbedingt vor Ryo ausziehen wollte, nach dem, was passiert war? Er fand das nur normal… Trotzdem nahm er seine Sachen und – was blieb ihm anderes übrig? – zog sich um. Er beeilte sich, damit er Ryos Blicken nicht länger als nötig ausgeliefert war. Er spürte, dass der Drummer ihn beobachtete, auch wenn der immer, wenn er ihm einen flüchtigen Blick zuwarf, woanders hin sah. Erleichtert atmete er auf, als er endlich das komplette Outfit an hatte. Er warf einen Blick in den Spiegel und fand selbst, dass er ziemlich gut aussah. Sein Blick huschte zu Ryo, der gerade auch zu ihm sah und es diesmal nicht zu vertuschen versuchte und ihn stattdessen leicht anlächelte, und er musste zugeben, dass der Drummer einfach toll aussah. Zum Glück rannte er so nicht jeden Tag herum. Er schluckte und wandte sich wieder ab, merkte nicht erst jetzt, dass seine Hose viel zu eng war, aber da er eh nichts tun konnte um das zu ändern, hielt er lieber seine Klappe. Er ging zum Set und stellte sich schon mal vor der Kamera, Ryo folgte ihm gleich, und der Fotograf schreckte auf, als er sah, dass sie schon fertig waren, und verschüttete die Hälfte seines Kaffees. Er fluchte lautstark und Satoshi konnte nicht anders als zu grinsen, während Ryo neben ihm zu lachen begann. Er sah zu Satoshi, der bei seinem Anblick ebenfalls das Lachen bekam, was dem Drummer nur noch mehr zusetzte. Er hielt sich den Bauch und röchelte vor sich hin, konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und stützte mit einem Arm auf Satoshis Schulter, dem die plötzliche Nähe gerade nicht einmal etwas ausmachte. Der Fotograf fand das alles gar nicht so lustig, da sie sich aber schon seit einiger Zeit kannten, sagte er nichts, sondern rächte sich indem er jetzt Aufnahmen von ihnen machte und erst aufhörte, als sie sich wieder beruhigt hatten. „Ich glaub’s ja nicht, dass ihr mich auslacht. Als Rache gibt’s die Fotos auf der Homepage und vielleicht auch in der nächsten Ausgabe!“ Er grinste breit und Ryo lachte nur wieder los. „Als würd‘ uns sowas stören!“, presste er hervor und beruhigte sich diesmal schneller. Erst als er sich wieder aufrichtete, bekam er mit, wie nahe er Satoshi gerade war, und wandte den Blick zu ihm. Der Sänger erwiderte den Blick kurz, wandte sich dann aber schnell wieder ab und richtete sein Outfit. Ryo betrachtete ihn noch einige Augenblicke und musterte ihn, dann blieb sein Blick an einer ganz bestimmten Körperstelle hängen. Als Satoshi sich umdrehte, bemerkte er diesen Blick genau, sagte aber nichts, da er die relativ lockere Stimmung, die gerade herrschte, nicht zerstören wollte. Er hatte schon genug Spannung gehabt und war nicht davon überzeugt, dass das schon alles war für heute, da wollte er wenigstens, dass das Fotoshooting so angenehm wie möglich von statten ging. Nachdem Ryo seine Klamotten auch wieder gerichtet hatte und die Weibsbilder noch ein paar Minuten lang an ihnen herum gezupft hatten, konnten sie endlich mit dem Shooting beginnen. Es war tatsächlich sehr angenehm, auch wenn Satoshi immer angespannter wurde, je näher sie zusammenrücken sollten. Irgendwann fragte er sich schon, ob der Fotograf von allem wusste und ihn ärgern wollte, und Ryo deshalb immer dichter an ihn heran winkte, aber das war ausgemachter Unsinn, das wurde ihm schon im nächsten Moment klar. Er versuchte einfach so gut wie möglich seine Arbeit zu machen und zum Glück war alles relativ schnell wieder vorbei. Sie bekamen noch die Fotos gezeigt und Satoshi war wirklich mehr als zufrieden. Dass die Bilder so gut werden, hatte er nicht erwartet. Allerdings waren auch ein paar nicht so tolle dabei. Während des Shootings war es ihm nicht aufgefallen, aber im Nachhinein wirkte Ryo ziemlich unkonzentriert und es gab nicht nur ein Foto, auf dem sein Blick ständig in eine andere Richtung ging. Das war so offensichtlich, dass selbst der Fotograf es schon während des Shootings gemerkt haben musste. Zum Glück war er professionell genug dazu nichts zu sagen. Wie gut, dass Satoshi nicht so professionell sein musste. Er beeilte sich wieder in seine eigenen Klamotten zu kommen, verabschiedete sich vom ganzen Team und verschwand dann nach draußen, wo er wartete, dass Ryo aus dem Arsch kam und selbigen hier herunter schwang. Er wartete nicht lange, und trotzdem kam es ihm vor wie eine Ewigkeit. Kaum dass Ryo draußen war, blieb er stehen und zündete sich eine Zigarette an. Als er Satoshi entdeckte, wanderten seine Augenbrauen in die Höhe. „Du bist ja noch da.“ Er ließ das Vorspiel weg und kam gleich zur Sache. „Warum zum Teufel hast du mir die ganze Zeit auf den Arsch gestarrt?!“ Er funkelte Ryo wütend an. „Und komm ja nicht auf die Idee das zu leugnen, man sieht es sogar auf den Fotos!“ Ertappt biss der Drummer sich auf die Unterlippe und nahm dann erst einmal einen tiefen Zug von seiner Zigarette, was Satoshi gerade ungemein nervte, den Drummer aber sichtlich entspannte. „Du hattest eben ‘nen totalen Knackarsch in der Hose. Du hättest fragen sollen, ob du die behalten darfst.“ Satoshi verengte die Augen zu Schlitzen. „Bist du eigentlich total bescheuert?“ „Oh bitte.“ Ryo verdrehte die Augen. „Du hättest an meiner Stelle nicht anders gehandelt.“ Wahrscheinlich nicht, ging es ihm durch den Kopf und er schluckte schwer. Ohne noch etwas zu sagen, drehte er sich um und ging los. Er wollte nur noch nach Hause. „Hey, warte doch mal!“ Ryo kam ihm hinterher und schon nach wenigen Metern hatte er ihn eingeholt und lief neben ihm her. „Das war ein Kompliment, du Trottel!“, brummte er und rauchte stumm seine Zigarette auf. Satoshi verdrehte genervt die Augen und ging einfach weiter. „Kann ich auch nichts dafür, dass du so’nen tollen Hintern hast…“, nuschelte Ryo und schnippte seine Zigarette auf den Boden. „Und das fällt dir gerade jetzt auf?“ „Nein. Ich durfte ihn ja schon genauer unter die Lupe nehmen.“ Er grinste leicht. Satoshi war sich nicht sicher, ob er darauf etwas sagen sollte. Er wollte schon, aber er wusste nicht was, also ließ er es bleiben, biss die Zähne zusammen und hoffte, dass Ryo ihn bald in Ruhe ließ, doch da wurde er leider enttäuscht. Der Drummer klebte an ihm wie eine Klette und folgte ihm auf Schritt und Tritt. „Wo gehen wir eigentlich hin?“, fragte er nach einer ganzen Weile und sah sich um. „Wo wir hingehen?“ Als Satoshi ihn ansah, bildete sich eine steile Falte zwischen seinen Brauen. „Ich gehe nach Hause. Was du machst, ist mir egal.“ „Gut, dann komm ich mit.“ Abrupt blieb Satoshi stehen. Ryo nahm noch ein paar Schritte, dann hielt auch er an, drehte sich um und sah den Sänger fragend an. „Kommst du?“ „Treib’s nicht zu weit.“ „Was denn?“ Satoshi ballte die Hände zu Fäusten und holte tief Luft. Er versuchte sich zu beruhigen. Er scheiterte kläglich. Warum tat Ryo das? Warum in aller Welt musste er ihn gerade so auf die Palme bringen? „Glaubst du, es ändert sich was an meinen Gefühlen, wenn du mir auf die Nerven gehst?“, fragte er so ruhig wie möglich. Ryo schaute ihn irritiert an. „Ich weiß nicht mal, was für Gefühle du hast.“ Er wurde plötzlich sehr ernst. „Ich hab mir von der Seele geredet, was mich schon seit Monaten beschäftigt, und nicht mal eine Antwort von dir bekommen. Ich hab mich bei dir entschuldigt, weil es falsch war, das mit dir zu machen, wo du doch total besoffen warst.“ Er redete noch weiter, doch Satoshi nahm davon kaum Notiz. Wie paralysiert starrte er Ryo an. „Seit Monaten?“ Ryo, in seinem Redefluss unterbrochen, sah ihn irritiert an. „Ja, seit Monaten.“ Fahrig strich Satoshi sich durch die gestylten Haare. „Und ich hab nichts gemerkt…“ Ryo seufzte. Er hob kurz die Schultern. „Wie solltest du auch? Ich hab mich ja nicht anders benommen als sonst. Zumindest hab ich versucht zu sein wie immer und damit war ich wohl ziemlich erfolgreich.“ Er sah ihn an und wartete auf eine Reaktion, doch Satoshi konnte nichts sagen oder tun. Er war überfordert. Das alles wurde ihm zu viel. Warum gab es keinen Pause-Knopf für sein Leben? Minuten vergingen, die sie schweigend dastanden. Erst als Satoshi von einem andern Fußgänger angerempelt wurde, schien er aus seinen Gedanken aufzuschrecken. Er sah Ryo an. „Wie war es?“ Offensichtlich wusste Ryo nicht, was er meinte. Er überbrückte die kurze Distanz zwischen ihnen und blieb nahe vor ihm stehen. „Wie war was?“ Satoshi zögerte. Er leckte sich über die trockenen Lippen und war so auf damit beschäftigt die Worte zu formulieren, die er sagen wollte, dass er gar nicht mitbekam, was das für eine Wirkung auf Ryo hatte. „Im Studio… Hattest… Hattest du es dir so vorgestellt?“ Ryo legte den Kopf schief und betrachtete ihn, dann schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. „Du willst hier darüber reden?“, fragte er leise und warf einen Blick über die Schulter. Die Bürgersteige waren voller Menschen und es würde noch schlimmer werden, wenn der Feierabendverkehr losging. „Sag es mir.“ Satoshi wollte es wissen. Jetzt. Ein Seufzen kam über Ryos Lippen, doch anstatt zu antworten, packte er Satoshi am Handgelenk und zog ihn mit sich. Satoshi ging einfach mit ihm und nachdem sie sich eine Weile durch die Menschenmassen gedrängelt hatten, bog der Drummer in eine Seitengasse ein, die ein krasser Gegensatz zu der Geschäftigkeit auf den Straßen war. Hier war niemand außer ihnen und auch wenn der Straßenlärm nicht zu überhören war, kam es Satoshi vor als wäre er hier mit Ryo allein. Ganz allein. Ryo hielt ein paar Schritte Abstand zu ihm, sah ihn aber an. Seine Augen waren plötzlich so dunkel, beinahe bedrohlich. Aber wirklich nur beinahe. Es war etwas anderes, das plötzlich in ihm aufglomm, etwas, das er hoffentlich zügeln konnte. Satoshi schluckte. Nervös strich er sich über den Arm und wartete auf Ryos Antwort, die aber blieb aus. „Und?“, hakte er irgendwann nach, doch noch immer verließ kein einziges Wort Ryos Mund. Stattdessen machte der Drummer einen Satz nach vorn, stand plötzlich direkt vor Satoshi, packte seine Arme und drückte ihn unsanft gegen die Hauswand hinter ihm. Als der Sänger den kalten Stein im Rücken spürte, gab er unwillkürlich ein Keuchen von sich und das war der Funke, den es gebraucht hatte, um das Feuer in Ryo zu entfachen. Grob presste er seine Lippen auf die des Älteren und küsste ihn als gäbe es kein Morgen mehr. Satoshi hätte sich wehren können, den Kopf wegdrehen, ihn wegschubsen, doch er tat es nicht. Er war neugierig, hätte das allerdings nie zugegeben. An sein Gespräch mit Ryo durch die Toilettentür konnte er sich noch gut erinnern, aber alles, was davor geschehen ist, war wie hinter einem dichten Nebelschleier verborgen. Er wusste, dass Ryo es ihm gemacht hatte und dass er zwischen seinen Pobacken gekommen war, aber an Einzelheiten konnte er sich nicht erinnern. Vielleicht war das besser so, vielleicht aber auch nicht. Jetzt war einer dieser Momente, in denen er sich wünschte er wäre nicht so betrunken gewesen. Er wollte wissen, wie sich Ryos Lippen und seine Zunge anfühlten, wie er küsste, wie er ihn küsste, wie er sich anfühlte, wie er schmeckte… Wie von selbst öffneten sich seine Lippen ein Stück und sofort drang Ryos Zunge in seinen Mund ein, erforschte die feuchte Höhle und liebkoste alles in ihr rastlos. Satoshi entkam ein Keuchen, doch diesmal nicht vor Schreck. Er bewegte seine Zunge leicht gegen Ryos, stupste sie an, forderte sie stumm zu einem kleinen Kampf auf. Plötzlich wurde der Kuss langsamer, träger, aber nicht schlechter. Ryo ließ Satoshi los und legte seine Hände in seinen Rücken, drückte ihn an sich. Es war, als hätte er ein paar Gänge runter geschaltet und so dumm er sich selbst auch vorkam, Satoshi fühlte sich geborgen. Er mochte das hier, er mochte diese Nähe, Ryos Nähe. Er mochte Ryo und zwar anders als er Shuu und Nii mochte. Diese Erkenntnis traf ihn wie ein Blitz. Er riss die Augen auf und drehte den Kopf weg. Ryo strich mit den Lippen über seine Wange, sodass ein heißer Schauert über seinen Rücken rieselte. Es fühlte sich gut an, verdammt gut, und das war es, was ihm Angst machte. Als der Drummer an seinem Hals angelangt war, presste er die Augen zusammen und schubste ihn von sich. Wie vom Donner gerührt stand Ryo da und sah ihn an. Er musterte ihn, seufzte dann leise. „Das war zu viel, mh?“ Er trat noch einen Schritt zurück um Satoshi nicht zu bedrängen, seine Augen aber waren weiterhin auf den Sänger gerichtet, der immer noch an der Wand lehnte und ihn fassungslos ansah. Einige Augenblicke vergingen, er wollte Satoshi die Chance geben etwas zu sagen, doch der blieb still, starrte ihn einfach nur an. „Du wolltest wissen, ob ich’s mir so vorgestellt hab…“, sprach er dann einfach weiter. Er schüttelte leicht den Kopf. „Wenn ich ehrlich bin… nein. Ich hab’s mir vorgestellt, oft sogar. Aber nicht so. Du warst betrunken, das hat mich gestört, aber du warst willig und wenn sich mir so eine Chance bietet, sag ich doch nicht ‚nein‘.“ Er kam einen Schritt auf Satoshi zu… „Ich hätte mir viel lieber Zeit genommen, ganz viel Zeit, und alles in Ruhe mit dir gemacht. Und anders.“ … und noch einen Schritt… „Ich hätte dir gern gezeigt, wie schön es mit einem anderen Mann sein kann.“ … uns noch einen. „Wie schön es mit mir sein kann…“ Er stand jetzt wieder direkt vor Satoshi, es waren nur noch wenige Zentimeter Platz zwischen ihnen. „Und ich will’s immer noch, aber das hab ich mir wohl selbst verbockt.“ Er lächelte traurig. „Ich hätte dich eben nicht küssen sollen, tut mir leid. Ich war egoistisch.“ Er ritt nicht darauf herum, dass Satoshi den Kuss erwidert hatte. Er hatte es gemerkt, ganz bestimmt, da war der Sänger sich sicher; er wusste es, aber er sprach es nicht aus. Und er war dankbar dafür. Ryo beugte sich vor und berührte hauchzart Satoshis Lippen mit seinen, dann nahm er wieder Abstand und betrachtete ihn einige Augenblicke stumm, ehe er sich einfach umdrehte und ging. Geh nicht!, wollte Satoshi sagen, ihn anschreien, dass er bei ihm bleiben sollte, doch er bekam kein Wort heraus. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er sah zu, wie Ryo auf die Straße zu ging. Dort angekommen dauerte es keine Sekunde, bis er aus seinem Blickfeld verschwunden war. Einige Zeit starrte er ihm noch hinterher, dann hob er seine Hand und strich mit seinen Fingern leicht über seine Lippen. Er konnte nicht glauben, was eben passiert war. Ryo hatte ihn einfach mit in eine dunkle Gasse gezogen, ihn genommen und geküsst, wie er noch nie in seinem Leben geküsst worden war. Er hatte mit ihm geredet, als wollte er ihn verführen – oder hatte er sich das nur eingebildet? – ihn angefasst, an sich gedrückt, gehalten… Er hatte ihn zutiefst schockiert. Doch es lag nicht an diesen Dingen, nein. Er hatte all das gemacht und war dann einfach gegangen, das war das Schlimme. Vor ein paar Tagen hatte er ihm seine Liebe gestanden und war dann einfach verschwunden, ohne auf eine Antwort zu warten. Natürlich war er geschockt gewesen und hatte erst mal Zeit gebraucht um das alles sacken zu lassen, aber Ryo war schon weg gewesen, als er bereit gewesen war, etwas zu sagen. Und jetzt hatte er ihn geküsst, ja er hatte ihm erzählt, wie er ihn verführen wollte, und war dann einfach wieder abgehauen! Ryo tat, was er wollte, und verschwand dann einfach! So ließ er nicht mit sich umspringen! Wütend schlug er mit der Faust gegen die Wand. Den Schmerz, der ihn durchfuhr, ignorierte er. Das würde Ryo ihm büßen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)