Jumays Kinder von -Izumi- (Part 1: Kinder der Erde - Land des Anfangs) ================================================================================ Kapitel 45: Abschied -------------------- „Es fällt mir schwer, zu euch zu sprechen in diesem Moment. Ich sehe euch nicht, ich sehe nicht eure Gesichter und ich sehe nicht euer Leid... der Regen macht das Entzünden des großen Feuers unmöglich. Und ich glaube... ich bin froh darum. Das, was am vergangenen Tag in jener Schlucht geschehen ist, übersteigt vermutlich die Vorstellungskraft all jener, die nicht dabei waren und ich sage an dieser Stelle jeder Frau und jedem Kind, auf die dies zutrifft, dass sie den Göttern dafür danken sollten. Die vereinigten Stämme haben nicht siegen können, dennoch sind sie ab diesem Moment an frei. Wir haben viel dafür geben müssen, zu viel... wir haben alle viele Männer und auch einige Frauen verloren. Und nicht zuletzt – das tut mir natürlich besonders weh – unseren Häuptling Kewera, der den Kojotenstamm viele Mondzyklen lang gut geführt hat. Von nun an wird alles anders sein, zumindest vorerst... nach Rücksprache mit gewisser Person kamen wir zu dem Ergebnis, dass keiner der drei Stämme noch in der Lage ist, alleine zu existieren – daher haben wir uns dazu entschlossen, die nächsten Monde gemeinsam zu verbringen – bis unser aller Söhne zu Männern geworden sind und wir der Tradition wieder folgen können. Denn war es nicht die ewige Trennung voneinander, die uns seit jeher vor dem Desaster bewahrt hat, das wir nun mit den Kalenao durchmachen mussten? Ich denke schon... es wird eine harte Zeit sein, aber ich glaube... wir werden sie überstehen können und ich hoffe, dass wir mit neuer Stärke, neuer Kraft und vor allen Dingen viel Vernunft daraus hervorgehen. Ich danke euch.“ Die gewaltige Menge an Zuhörern, die Kurapi gehabt hatte, unterstrichen seine Worte, als sie ihm ihre Anerkennung für seine Rede zeigten; der Schlangenstamm klatschte auf eigenartige Weise in die Hände, der Kojotenstamm pfiff und der Vogelstamm johlte. Der junge Häuptling seufzte unhörbar und versuchte sich ein Bild von dem zu machen, was er da vor sich hatte... es gelang ihm nicht, es war eine stockfinstere Nacht, in der sie nun zurückgekehrt waren... oder zumindest die, die übrig waren. Der Regen prasselte kalt und unbarmherzig auf ihn herab und zehrte an seiner eigentlich bloß schwer zu entfernenden Bemalung und ein für die Jahreszeit unangemessen kühler Wind fuhr durch das Lager, als sich alle auf den Weg in ihre Hütten und Zelte machten. Er würde das nun auch tun... er musste sich hinlegen. Er wusste, dass er nicht würde schlafen können... zu viele Dinge waren in seinem Kopf. Sein Vater... verstorben. Und so viele seiner Männer und Frauen waren es auch... es war schrecklich gewesen Aber nun war es vorbei. Er hatte mit Moconi gesprochen – und das war verdammt schwierig gewesen – nach einem Tag der Ruhe würden sie ein großes Fest vorbereiten. Sie würden alle Toten ehren und den Frieden mit den Kalenao besiegeln. Die Kaleao... auch sie waren da, in schäbigen Zelten, aber sie hatten seiner Rede nicht gelauscht. Einmal davon abgesehen, dass sie ihn nicht verstanden gehabt hätten, ging es ihnen im Allgemeinen zu schlecht, um sich auch nur zu bewegen; am laufenden Band wurden neue Tote aus ihren Reihen aus dem Lager gebracht. Es war eine schlimme Situation für wirklich alle Beteiligten. „Danke, dass du das übernommen hast.“ Er fuhr herum, als er seine Hütte beinahe erreicht hatte. Er erkannte bloß eine Silhouette, aber die Stimme hatte ihm bereits verraten, dass es sich bei dem Mann um den Häuptling des Vogelstammes handelte. Er seufzte bloß ermattet. „Darüber hatten wir gesprochen, also, keine Sache.“ Karem, wie er hieß, schwieg zunächst, erst nach einer Weile antwortete er. „Du hast trotz deines Verlustes gesprochen, das war tapfer. Ich... habe eben erfahren, dass eine meiner Töchter tot ist – nicht wegen der Schlacht, sondern schon etwas zuvor. Was ich damit sagen will, ich spüre gerade dasselbe wie du und ich habe geschwiegen.“ Kurapi schüttelte den Kopf, ignorierend, dass er ohnehin vermutlich nicht gesehen wurde. „Aber das hat doch andere Gründe, Moconi hat es doch angesprochen... dein Stamm kam so spät hinzu, es wäre nicht gut gewesen, wenn ausgerechnet du dich an alle gewandt hättest. Moconi ist verletzt und sein Gehör setzt ständig aus, von ihm kann das niemand verlangen... und Nadeshda hat wohl genug mit sich selbst und ihrem Volk zu tun.“ Das hatte sie. Mithilfe der Menschen, die die Kalenao kurz zuvor noch bis auf ihr Blut bekämpft hatten, hatte sie ihr Volk am späten Abend noch zu dem großen Lager gebracht und bei dem kurzfristigen Erbauen der schäbigen Zelte in stockfinsterer, verregneter Nacht tatkräftig mitgeholfen. Sie bestanden nur aus Resten und Abfall von den Bauten der Menschen und es reichte lange nicht für alle, aber sie konnte sich auch kaum auf die kurzfristige Organisation von weiteren Zelten kümmern, sie war hauptsächlich damit beschäftigt, den Totensegen zu sprechen, immer und immer wieder und für die ganzen Untertanen, die nun, bewacht von ein paar Jungen aus den menschlichen Stämmen, tot in der Schlucht ruhten, hatte sie das noch gar nicht getan. Soweit sie das nun verstanden hatte, würde man am nächsten Tag alle im Lager verstorbenen ebenfalls in die Schlucht schaffen und dann würde Mefasa, eine Frau aus den Schlangenstamm, die scheinbar aber auch Magierin war, das Dornenfeuer entfachen – es waren zu viele Opfer, als dass auch nur eine einzige Partei ihre individuelle Totenzeremonie bei ihren Verstorbenen hätte durchführen können. Bloß Mahrran würde die bei den Kalenao übliche bekommen... er war ihr Herr gewesen. Nadeshda folgte ohne weiter darüber nachzudenken einem der Heiler ihres Dorfes zu einem weiteren Toten. Die Heiler... sie hatten sich nach Aufhebung des Fluches sofort selbst behandelt und waren deshalb auf den Beinen, Alaji hatte ihr jedoch anvertraut, dass die Anwendung nicht ewig halten würde und viele von ihnen trotzdem innerhalb der nächsten Tage sterben würden. Auch darüber konnte sie nicht nachdenken, zu eingespannt war sie von der Situation; sie registrierte inzwischen nicht einmal mehr, wenn sie den Toten, den sie für die Reise in die nächste Welt segnete, gekannt hatte. Sie fühlte nichts... umso erschrockener war sie, als sie plötzlich von Shiran aus der Situation gerissen wurde. Er hatte sie einfach an der Schulter gepackt und festgehalten, als sie zum nächsten Zelt hatte eilen wollen, und ließ sie nun auch nicht mehr los. Sie keuchte entsetzt. „Was soll das, Seher? Habe ich keine klaren Anweisungen gegeben?! Die Männer, denen es gut geht, sollen sich um die Zelte kümmern! Ich muss mich um die Leute kümmern, ich muss dahin...“ Sie wand sich in seinem Griff und zeigte in eine Richtung, in der sie selbst nichts erkennen konnte. Ihre Instinkte lenkten sie, sehen konnte sie in der stockfinsteren Nacht schließlich trotz ihrer sehr guten Augen auch nichts. „Du musst überhaupt nichts, Nadeshda!“, er klang ungewöhnlich streng und befehlsgewohnt, „Merkst du denn nicht, dass du am Ende bist? Nein... du versteckst dich noch vor den ganzen Eindrücken, ist mir klar... ach, das darfst du nicht.“ Sie zuckte zusammen, als er sie überraschend in die Arme schloss. „Du wirst auch bald zusammenbrechen, wenn du dich nicht hinlegst, dann nützt du niemandem mehr. Segne die Toten, wenn die Sonne aufgeht, sie werden dir nicht wegrennen... keine Sorge, ich habe bereits mit Calyri gesprochen, Mahrran bekommt seine Bestattung, wie du dir das wünschst, Moconi hat mich leider nicht gehört.“ Die Frau schnaubte und begann, sich in seiner Umarmung gegen ihn zu wehren, blieb jedoch erfolglos. Sie war so schwach... „Ich kann mein Volk aber nicht einfach im Stich lassen, ich muss die Letzte sein, die sich in ihr Lager legt, Shiran!“, sie keuchte, „Und sprich nicht einfach so von... Mahrrans Bestattung.“ Aus ihrem Arbeitseifer gerissen erinnerte sie sich mit einem Mal schmerzhaft an den Tod ihres Zwillingsbruders und es schnürte ihr einen Moment lang die Luft zum atmen ab. Sie hörte den Mann leise seufzen. Es wunderte sie, denn es war kein wirklich lautes Geräusch, das Rufen der Verletzten und Heiler und der prasselnde Regen hätten es an sich überdecken müssen, aber irgendwie nahm sie es wahr. Er sprach nichts mehr... stattdessen hob er sie auf seine Arme und trug sie fort. Sie war zu perplex zum protestieren... und zu müde. Erst als er sie in ihrer leeren Hütte auf ihrem Lager absetzte, erwachte sie aus ihrer Starre. Sie schnappte empört nach Luft. „Was bei allen Göttern sollte das?! Habe ich mich nicht klar ausgedrückt?“ „Habe ich mich nicht klar ausgedrückt?“, fragte er sie zurück und klang unfreiwillig genervt... und müde. Sie wusste nicht, was es darauf zu erwidern galt... sie hörte seine Schritte und wie er etwas aufhob – plötzlich hockte er neben ihr und hielt ihr etwas unter die Nase. „Finsternis schafft Licht.“, stellte er fest, „Entzünde die Lampe.“ Ohne darüber nachzudenken, tat sie wie ihr geheißen und feuerte mit einem einfachen Wink instinktiv in die richtige Richtung einen kleinen schwarzen Blitz, der die Talglampe entzündete. Shiran stellte sie darauf neben das Lager und setzte sich auf selbiges, der kleinen Frau schließlich den Blick zuwendend. „So. Jetzt fehlt bloß noch Nocasi… Alaji hat sie im übrigen zu Kili gebracht, dort ist sie gut aufgehoben.“ Nadeshda starrte ihn einen Moment lang bloß an. Erst, als er den Blick senkte, konnte sie ihren etwas verlegen von ihm abwenden. „Du bist doch selbst vollkommen am Ende.“, stellte sie schließlich fest. Der Mann erwiderte darauf nichts. Nach einer Weile seufzte er schließlich abermals und sah sie wieder an. „Niemand wird dir Vorwürfe machen. Leg dich hin und versuche, etwas zu schlafen!“ Es war nicht so, dass ihr nicht nach schlafen gewesen wäre. Je länger sie so dasaß, desto mehr spürte sie die Schmerzen in jedem Körperteil... und die in ihrer Seele. Ihr war mulmig zumute. „Unter einer Bedingung.“, erwiderte sie schließlich brüchiger, als sie es sich erhofft hatte, „Versuche du es auch. Dir kann es doch nicht besser gehen als mir.“ Sie ließ sich langsam auf ihr weiches, ihrem Körper wohltuendes Lager sinken und schloss die Augen. „Komm zu mir...“ Sie wusste nicht, ob er ihr folgen würde, aber er tat es schließlich – vermutlich, nachdem er sich darüber versichert hatte, dass auch er damit niemanden säuerlich stimmte. Draußen wurde es leiser... vielleicht endete es ja endlich. Sie öffnete die Augen wieder und drehte sich auf die Seite, ebenso wie er es tat und sie ansah. Sie musterte ihn. Auch seine Haut war mit Blessuren übersät... Er hatte es nicht einmal geschafft, sich umzuziehen, stellte sie fest... er trug noch immer die menschliche Hose und nichts am Oberleib als seine verwischte Bemalung. Sie hatte sich bisher auch weder umziehen, noch waschen können... und sie waren beide bis auf die Knochen nass. Es schien belanglos zu sein. Ihr fiel etwas noch viel belangloseres auf und sie hob ermüdet eine Hand und strich durch sein Haar. „Schön.“, stellte sie ehrlich fest, „Es ist lang geworden... im Gegensatz zu meinem.“ Er lächelte leicht. „Du solltest die Zeit, in der dein Haar so pflegeleicht ist, genießen. Ich würde dir ja an dieser Stelle ein Kompliment machen, aber da Tamassy mir was das betrifft zuvor gekommen ist, belassen wir es dabei. Ich hasse den Kerl...“ Er brummte und sie seufzte. Sie hasste ihn nicht... sie mochte ihn sehr gern. Er war ein interessanter Mann, sie war ihm ewig dankbar und sie konnte nicht leugnen, dass sie ihn durchaus anziehend fand... letztendlich würde sie jedoch Shiran an ihrer Seite haben wollen. Er war der Vater ihrer Tochter und ein Seher – Grund genug, ihn zu ihrer Unterstützung zu heiraten. Er seufzte laut und blickte errötend auf die Felle vor sich. „Ich sehe deine Gedanken... das ist ehrlich gesagt fast schon ein wenig verletzend.“ Sie hob ihre Brauen. Verletzend? Sie setzte sich auf und er tat es ihr gleich – allerdings verfolgte sie kein anders Ziel, als sich ihres Schmucks und ihres nassen Kleides zu entledigen. Er kannte sie ohnehin besser nackt als alle anderen... so tat er es ihr nach kurzem Zögern auch gleich und legte sich zu ihr unter das gute Fell. „Verletzend?“, ging sie schließlich leise auf seine Worte ein, „Ich dachte, du wolltest bloß die Macht. Ich... bin nicht dumm, ich weiß genau, als was du mich immer gesehen hast. Die unfähige, kaltherzige kleine Ziege, die nichts anderes als einen qualvollen Tod verdient... aber die man benutzen kann. Ist es nicht so?“ Sie lächelte bitter. Er erwiderte nichts. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht genau, warum du so seltsam geworden bist. Vielleicht, weil du als Seher einfach zu viel weißt... vielleicht hat es auch etwas mit der Geschichte um deinen Bruder zu tun – die ich übrigens nicht kenne. Aber versuche dich einmal in meine Lage zu versetzen... du hast mich benutzt wie eine Sklavin und trotzdem bin ich bereit, dir einen Teil meiner Macht anzuvertrauen und deine Tochter aufzuziehen... ich denke, noch mehr solltest du nicht von mir verlangen.“ Sie schloss die Augen, versuchte aber nicht ernsthaft, einzuschlafen. Shiran rutschte etwas näher zu ihr. „Ich war der Überzeugung, du seist für den Tod deiner Eltern verantwortlich – und nicht Mahrran. Ich fand das widerlich, weil ich eure Undankbarkeit nicht verstehen konnte. Wir Seher sind nicht allwissend, bei weitem nicht, an Gefühlen scheitern wir gewohnheitsmäßig. In unserer Gabe... wie auch im Leben.“ Er schloss seine Augen ebenfalls. „Ich habe eurer Familie niemals verziehen, in allerlei Dingen, allem voran die von dir bereits angesprochene Geschichte um Sanan. Er trägt das Todesmal, denn Vater starb vor seiner Geburt... ich nahm deinen Eltern dieses Urteil sehr übel. Ich wollte die Macht, um alles besser zu machen... inzwischen frage ich mich, ob ich das überhaupt kann.“ Sie ließ seine Frage unbeantwortet. Draußen wurde es allmählich still und Nadeshda fragte sich, wo ihre Mitbewohner nun blieben... vorerst war es egal. Es war ihr eigentlich sogar ganz recht, dachte sie sich, als sie näher zu dem Mann rutschte und sich vorsichtig an ihn lehnte. Es wunderte sie nicht, dass er sie sofort in seine Arme schloss... auch das war Absicht gewesen. Es war schwierig, die Distanz, die ihr ganzes Leben zwischen dem Seher und ihr bestanden hatte, zu überwinden... aber in jenem Moment brauchte sie jemanden, der bei ihr war und der wusste, weshalb, auch ohne dass sie sprach. Denn so viel sie auch über ihre Gedanken und Vergangenes lamentierte, so wenig verschwand die Wirklichkeit außerhalb der Hütte. So wenig wurde Mahrran wieder lebendig. Ihre Augen brannten... „Ich bin traurig, Shiran.“ Der nächste Tag verlief ruhig. Man brachte weitere Verstorbene zur Schlucht – und brachte Mahrran zurück. Viele waren irritiert, dass man auch Kewera keine separate Bestattung zukommen ließ, aber sein Sohn Kurapi sprach sich mit sehr deutlichen Worten dagegen aus; sein Vater hatte sich laut ihm sein ganzes Leben lang bloß als ganz normalen Jäger gesehen und ihm ein solches Privileg zukommen zu lassen, hätte seinen Geist eher erzürnt, als geehrt. Viele Mitglieder des Kojotenstammes vermochten dies zu bestätigen. Am Abend würde man sich verabschieden... und am kommenden Tag das Leben feiern. Noch war es jedoch nicht so weit, und im auf für die meisten mittlerweile unvorstellbare Größe gewachsenen Lager ging man ruhig nötigen Arbeiten nach. In verlegener Demut nahmen die Kalenao die Hilfe beim Aufbau richtiger Zelte an, während der Rat über das Schicksal der Frau entschied, die man als Natter bezeichnete. Wie auch einst Kajira war sie im Vorratszelt gefesselt und wartete auf ihre Strafe... Nadeshda hatte sie den Menschen überlassen. Es war ein bedeckter Vormittag und Sundri saß schließlich vor der Hütte, die sie sich mit ihrer kleinen Gruppe teilte, und dachte über all diese Dinge nach. Sie hatte auch gekämpft... und ihr Arm, in Bandagen gewickelt und mit einer seltsamen Salbe bestrichen, war verletzt. Genau genommen konnte sie kaum glauben, dass ihr ernsthaft nicht mehr geschehen war... sie war eine schlechte Magierin, eigentlich war sie die ganze Zeit mehr ausgewichen, als dass sie sinnvoll gewesen wäre. „Denk nicht zu viel über belanglose Dinge nach.“ Sie sah auf, als ihr Mann Zerit sich neben sie setzte und sie ansah. Er war schüchtern, er sah selten jemandem so direkt in sein Gesicht... auch ihr nicht. Sie lächelte ihn leicht an. Bis auf eine Platzwunde am Kopf, die ebenfalls versorgt war, und einige Schürfwunden und Blutergüsse war auch er gut davon gekommen. „Ich kann das alles gar nicht glauben.“, gestand sie so schließlich und senkte lächelnd den Blick, „Jetzt ist es vorbei. Was glaubst du, wie lange werden alle so zusammen leben?“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich hoffe, nicht zu lange, bei so vielen Menschen fühle ich mich unwohl...“, er zögerte kurz, „Der Kojotenstamm ist der Stamm, bei dem ich aufgewachsen bin.“ Sie sah ihn wieder an. Er wirkte wehmütig... sie kannte seine Geschichte nicht. Und sie hatte nie gewagt, danach zu fragen. Vielleicht war es an der Zeit. „Warum bist du nicht dort geblieben?“ Er wandte sich von ihr ab und starrte stattdessen in den bedeckten Himmel. Einen Moment lang fragte sich die junge Frau, ob es doch zu früh dafür gewesen war – dann antwortete er ihr. „Das haben die damals auch nicht verstanden, glaube ich. Höchstens Tejet und Glawis...“, er seufzte leise, „Es waren die mächtigsten Männer des Dorfes, die meine Mutter gesucht und nach langer Zeit schließlich gefunden und für ihren Verrat getötet haben. Ich hätte als Baby sterben müssen, ich habe meinen Vater nicht mehr erlebt... nun, ich trug, als sie uns fanden, jedenfalls kein Todesmal, denn Mutter floh bereits vor meiner Geburt. Diese Männer... sie waren sehr höflich zu mir. Ich habe sie gehasst, für das, was sie mit Mama gemacht hatten, und sie sagten, sie wüssten das und das wäre in Ordnung. Und dann erzählten sie mir von Großvater... und boten mir an, mich zu ihm zu bringen.“ Sundri legte ihren Kopf schief, als er kurz schwieg. „Nun gut, dann wusstest du von einem Verwandten, aber weshalb hast du alle Leute, mit denen du dein ganzes Leben zu tun hattest, so bereitwillig zurückgelassen?“ Er lächelte bitter. „Ja... wie gesagt, das verstanden sie auch nicht und das nehmen sie mir bis heute übel. Weißt du, im Kojotenstamm lebst du unter sehr strengen Regeln, wenn du kein Mensch bist. Ich durfte nicht zaubern... und glaube mir, wenn du niemals die Gelegenheit dazu hast, auch nur einen winzigen Zauber einzusetzen, dann macht dich das fast verrückt. Die Versuchung ist so groß... nur eine kleine Handbewegung, und das Lagerfeuer brennt. Nur als Beispiel... wir durften auch niemals unsere eigene Sprache sprechen... das Ergebnis hörst du heute.“ Er sah sie an und wirkte etwas bekümmert. Tatsächlich sprach er die Himmelssprache in einem eigenartigen, menschlich klingenden Akzent... sie rückte etwas näher zu ihm und lehnte sich an ihn. „Aber was für mich am schlimmsten war...“, gestand der dann kleinlaut, „Ich wuchs langsam zu einem Mann heran und man verbot mir, jemals eine Hand an ein Mädchen zu legen. Ich meine... ich bin nicht gesellig, aber die Aussicht darauf, niemals eine Familie zu haben, hat mir sehr missfallen. Das... ist jetzt besser.“ Er legte einen Arm um sie und lächelte sie an. Sie erwiderte es gerührt und küsste ihn auf die Wange. „Im Kojotenstamm war ich ein nichts... im Dorf war ich zwar ein Außenseiter, aber wenigstens frei. Für mich hat es sich gelohnt.“ „Ist Moconi hier? Ich wollte mich... nach seinen Ohren erkundigen.“ Calyri schrumpfte etwas zusammen, als sie Kurapi, der plötzlich Häuptling vom Stamm am Horizont war, so gegenüber stand. Er war zwar eher klein, aber auf seine ganz eigene Art eine imposante Erscheinung – er strahlte dasselbe aus, was auch seinen Vater ausgemacht hatte. Und er musterte sie mit zu schmalen Schlitzen verengten blauen Augen, in seiner rechten ein Speer. „Moconi ist eben mit ein paar Männern mitgegangen, er wollte bei irgendetwas helfen, es ging glaube ich um Brennmaterial, oder so.“ Brennmaterial benötigten sie ziemlich viel; nur durch die Feuermagier würde es überhaupt möglich sein, all diese Toten zu verbrennen, denn ein natürliches Feuer, das so mächtig war, würden sie unmöglich entfachen können. Kurapi nickte brummend und die junge Frau wurde das Gefühl, dass er sie ziemlich abfällig musterte, einfach nicht los. Sie lächelte verlegen. „Stimmt etwas nicht?“ Noch ehe er antworten konnte, tauchte hinter ihm Moconi auf und Calyri musste sich ihrerseits eingestehen, ziemlich froh zu sein, dass sie nun nicht mehr mit dem seltsamen Häuptling des Kojotenstammes alleine war. Kili hatte sich eben dazu aufgemacht, Tirafasa zu suchen, weil sie auf ihr Baby aufgepasst hatte. Sie hatte das Ablenkung genannt, denn obwohl sie sich jede zu deutliche Gefühlsregung verkniff, hatte sie die Todesnachricht von dem Herrn der Kalenao schwer getroffen. „Er ist es gewesen, der mich damals entführt hatte.“, hatte sie am Morgen zu ihr gesagt, „Aber er war immer gut zu mir. Er hat mich gut behandelt... und er war so glücklich, als er von meiner Schwangerschaft erfahren hat. Irgendwie hatte ich gehofft, alles würde gut werden... und ich würde einen Kompromiss zwischen ihm und dem Stamm finden. Damit hat es sich wohl... ich... vermisse ihn.“ Obgleich es Calyri schwer fiel, sich vorzustellen, sich in einen Magier zu verlieben, so konnte sie die Gefühle ihrer Schwägerin durchaus nachvollziehen und hatte sich geschworen, sich gut um sie und ihr kleines himmelsblütiges Baby zu kümmern. Moconi wollte das auch... er liebte seine kleine Schwester sehr. Seine Frau hoffte bloß, dass sein Gehör wieder in Ordnung kam; zwischendurch funktionierte es wieder einwandfrei, manchmal war es dann aber ohne Vorwarnung wieder komplett fort. „Da steckst du!“, sprach er in jenem Moment Kurapi an, dessen Gesichtszüge sich sichtbar entspannten, als er sich zu dem anderen Mann umdrehte. Dieser schenkte seiner Frau ein kurzes Lächeln, dann wandte er sich an seinen Freund aus dem anderen Stamm. „Wir brauchen dich da hinten, es... gibt viel zu tun. Tut mir leid, dass wir dich so beanspruchen.“ Kurapi schüttelte den Kopf. „Ach, nein, das ist...“ Moconi unterbrach ihn, indem er ihm mit den Händen zum schweigen anhielt. „Lauter bitte.“, bat er dann und sein Gegenüber kratzte sich irritiert am Kopf. Calyri senkte mitleidig den Blick. „Was ich sagen wollte...“, begann der Jüngere da lauter, „Es ist gut, viel zu tun zu haben. Dann denkt man weniger!“ Das hatte Moconi nun verstanden und er nickte ihm matt lächelnd zu. Er wirkte seltsam... sein ganzes Gesicht war voller Schorf, weil ein Wasserzauber ihn direkt getroffen hatte – er konnte sich glücklich schätzen, dass seine Augen nicht verletzt worden waren. Vermutlich hatte er sie geschlossen gehabt, denn selbst auf seinen Lidern war etwas Schorf... „Gut, wenn du das so siehst... dann komm bitte mit. Lass mich nicht mit Karem, diesem absoluten Spinner, allein...“ Mabalysca blinzelte. Sie war erschöpft, dennoch spürte sie instinktiv, dass sie lange geschlafen haben musste. Sie befand sich in einer Hütte... aber nicht in der, die sie mit ihrer Schwester seit ihrer Ankunft im Lager der vereinigten Stämme bewohnte. „Ah, du bist wach... wie geht es dir? Ich war echt besorgt.“ Sie drehte langsam den Kopf etwas nach rechts. Neben ihrem Lager saß Kajira, der sie liebevoll, aber traurig anlächelte. Er sah erschöpft aus... die Fellkleidung, die er trug, war kurz und entblößte seine über und über mit Blutergüssen übersäten Arme und Beine. Sein Haar fiel offen über seine Schultern... er sah so hübsch aus. Ohne es verhindern zu können, schlich sich ein verliebter Ausdruck in ihr Gesicht und ihre Hand griff unter ihrer Felldecke heraus nach der ihres Verlobten. Daran, dass sie sauber war, erkannte sie, dass er sie wohl gewaschen hatte. „Ich bin etwas erschöpft... und mein Kopf tut weh. Aber ich glaube, es ist alles in Ordnung.“, sie ließ ihren Blick durch die ansonsten leere Hütte schweifen, „Ist das die Hütte von den Leuten, bei denen lebst?“ Er gluckste leise. „Du warst doch schon hier.“ Ja, das war wahr. Hier hatten sie Unrecht getan... der Mann, die Frau und das Mädchen, die den Magierjungen nach langem hin und her und vielen Diskussionen bei sich aufgenommen hatten, nachdem Karem fortgegangen war, hatten sich nichts dabei gedacht, dass sie sich hier wie Mann und Frau das Lager geteilt hatten. Seit ihrer Ankunft mehrmals... an sich war es ihnen verboten, sie waren noch nicht verheiratet. Aber sie hatten sich so vermisst! Sie hatten so lange gewartet... sie hatten nicht mehr anders gekonnt. Sie hatten beide keinerlei Erfahrungen in diesem Gebiet, aber es fühlte sich so unglaublich angenehm an, ihren rechtmäßigen Mann so dicht bei sich zu spüren und zu wissen, dass sie einander hatten, dass sie zusammen gehörten und dass auf diesem Wege vielleicht irgendwann neues Leben entstünde. Am besten so schnell wie möglich, alles in ihr verzehrte sich nach einem eigenen Baby, das sie mit Kajira hatte... Er streichelte ihre Hand. Sein Blick, den er deprimiert ins Nichts richtete, riss sie aus ihren Gedanken. „Was hast du, mein Liebster?“ „Hm?“, er sah sie wieder an, schien jedoch erst einen Moment überlegen zu müssen, „Ah... nun ja. Ich habe gestern... Rato... na ja. Rato war mein Bruder, Mabalysca, mein eigener Bruder, ich hatte ihn eigentlich sehr gern und jetzt ist er tot... ich meine, was hätte ich tun sollen? Er hatte seinen Verstand verloren, er hat dich töten wollen... aber wer sagt mir, dass er den Fluch nicht eigentlich überlebt gehabt hätte? Vielleicht hätte ich anders handeln müssen, es hat doch sicherlich noch eine andere Möglichkeit gegeben! Ich... ich... wie konnte ich das nur tun, Mabalysca?! Ich könnte weinen, den ganzen Tag lang, ich... ich komme damit nicht klar!“ Er ließ ihre Hand los und raufte sich verzweifelt die Haare. Seine Verlobte setzte sich vorsichtig auf. Ach ja... da war ja etwas gewesen. Sie senkte ihren Blick schuldbewusst. „Oh nein.“, murmelte sie, „Und das nur, weil ich nicht richtig auf mich acht geben konnte. Und so jemand wie ich schimpft sich Tankana...“ Bei der Erwähnung ihres Nachnamens fiel ihm etwas ein – oh Himmel, da gab es ja noch etwas. Er konnte doch nicht erwarten, dass sie ihn nun tröstete... er seufzte einmal tief und nahm dieses Mal ihre beiden Hände in seine, verlegen den Blick gesenkt haltend. War das eine unangenehme Situation... „Wo du von deiner Familie sprichst, da gibt es noch etwas, Mabalyscachen...“, begann er kleinlaut; immerhin lenkte ihn das einen Moment lang von seinen eigenen Schuldgefühlen ab, „Dein Bruder, Mahrran, er... hat tatsächlich seine Besinnung wieder gefunden!“ Er schielte sie an und sah ihr Lächeln. Ach verdammt... „Nun ja, die Natter... hat das nicht geduldet. Ich meine, was... ich damit sagen will ist...“, er zwang sich, seiner Verlobten in ihr hübsches Gesicht zu sehen, „Mahrran ist gestern gestorben, Mabalysca. Tut mir ganz schrecklich leid, und ich jammere hier herum...“ Genau genommen hatte er gestern auch einige Brüder und Schwestern verloren, aber die meisten hatte er nicht ernsthaft gut gekannt. Seine Familie war selbst jetzt noch riesig... Die junge Frau starrte ihn einen Moment stumm an. Dann senkte sie den Blick auf ihre Felldecke. „Oh.“, kam dann leise, „Mahrran ist wirklich tot? Ich... habe damit gerechnet. Irgendwie. Aber... es zu glauben, fällt mir schwer... ich hätte gerne noch einmal mit ihm gesprochen. Ist er hier?“ Kajira nickte betrübt. „Ja, in... irgendeinem Zelt, er erhält heute Nachmittag seine Bestattung, danach werden alle anderen verbrannt.“ Sie atmete einmal schwer. „Verstehe. Dann... werde ich nachher noch einmal zu ihm gehen.“ Sie begann zu weinen. Nadeshda verkniff es sich. Wenn sie Shirans Worten Glauben schenken konnte, dann hatte sich die Anzahl ihrer Untertanen am vergangenen Tag und der Nacht halbiert... das war zwar absehbar gewesen, aber es war dennoch schockierend und traf sie tiefer, als sie es für möglich gehalten hätte. Inzwischen war sie gewaschen und umgezogen... und fühlte sich zumindest körperlich etwas besser. Rayada hatte damit begonnen, Mahrran herzurichten, aber sie hatte sie fortgeschickt... sie wollte das selbst tun. Soweit es ihr möglich war... bei dem Schwierigsten, dem Anlegen von guter Kleidung, hatte Shiran ihr geholfen, dafür war sie zu schwach gewesen. Gute Kleidung war in diesem Fall nach den Ansichten der Menschen; hier gab es nur Fellklamotten und sie konnte sich glücklich schätzen, dass Sanan etwas von sich hatte opfern können. Was sie nun noch tat, waren nur noch Kleinigkeiten... Schmuck anlegen, sein Haar richten. Eigentlich war sie soweit fertig, sie musste nur noch auf die Nachricht warten, dass die wenigen kräftigen Männer, die es in ihrem Volk noch gab, den traditionellen Scheiterhaufen fertiggestellt hatten. Sie würde den Körper ihres Bruders allen vier Elementen übergeben, wie es seit vielen Generationen üblich war. Ihr Blick blieb an seinem Gesicht hängen, das so wirkte, als schliefe er friedlich. Sie hatte nie bemerkt, zu was für einem hübschen Mann er mit den Jahren geworden war... ziemlich klein und schmächtig zwar, aber hübsch. Sie lächelte leicht und strich ihm kurz durch sein erkaltetes Antlitz. „Was geschehen ist, ist so schade.“, flüsterte sie leise, „Wir beiden haben doch zusammengehört. Es wäre gut geworden... unser Leben in diesem neuen Land. Ich habe... die Natter den Menschen übergeben. Ich bin zu schwach, um über sie zu entscheiden... aber ich hoffe, sie bestrafen sie auf eine solch grauenhafte Art, wie sie mich bestraft hat. Ich liebe dich, Mahrran...“ Sie lächelte matt, spürte aber dennoch, dass ihr abermals die Tränen in die Augen stiegen. Dabei wollte sie doch nicht schwach sein... Wir gehören zusammen, für immer, und ich habe dir gesagt, dass ich immer bei dir bleibe, Nadeshda. Sie vergaß ihre Tränen und fuhr zusammen, den Leichnam ihres Bruders mit geweiteten Augen anstarrend. Ich war ein Götterkind... das weißt du doch. Sonst hätte ich dir doch nicht versprechen können, immer bei dir zu sein... Stimmen in ihrem Kopf. Die junge Frau erschauderte und schloss ihre Augen... sie war ein Kind des Wassermondes – Mahrran gehörte nun wieder dorthin. Er würde wirklich immer bei ihr bleiben. So lange sie lebte... und noch viel länger. „Aber in dieser Welt fehlst du trotzdem, mein Bruder...“, stellte sie leise fest und streichelte über sein Haar. Das ist unser Schicksal. Ich liebe dich auch. Sie lächelte bitter und zuckte schließlich leicht zusammen, als sich der Eingang des Zeltes öffnete. Auch Mabalysca wollte sich verabschieden. Die Zeremonie bestand aus vier Teilen – der Tote wurde jedem der vier Monde übergeben. Der erste Teil, die Übergabe an den Feuermond, war dabei der Aufwendigste, denn es war die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Chigaru war es, der ihn in diesem Fall letztendlich anzündete... es gab nicht all zu viele, die Abschied nahmen. Alle Kalenao, die nicht zu geschwächt oder verletzt waren, wohnten der Zeremonie bei, aber das waren kaum zwei dutzend. Außer ihnen gab es bloß noch Moconi, seine Schwester Kili, Karem und Kurapi und in einiger Entfernung Dheracs Zwillinge, die dabei waren – die Menschen hatten nichts mit Mahrran zu tun gehabt und wollten auch nichts mit ihm zu tun haben, die Anwesenheit der Häuptlinge war eine reine Sache des Respekts, den sie den Kalenao wohl oder übel erweisen mussten, denn es war auch in ihrem Interesse, Konflikten in der Zukunft aus dem Wege zu gehen. Bei der still, aber bitterlichen weinenden Kili verhielt es sich etwas anders, denn sie trug Mahrrans Kind unter dem Herzen und würde es vermutlich bald gebären. Sie hatte auf seltsame Weise an dem Mann gehangen, auch wenn sie ihn immer wieder zu hintergehen versucht hatte, um ihrem eigenen Stamm irgendwie zu helfen... ihr Bruder hielt sie im Arm und sprach leise mit ihr, während Nadeshda und Mabalysca starr den Flammen zusahen. Damit war es vorbei... das Feuer würde noch eine Weile brauchen, bis es herunter gebrannt war. Die Asche würde dann alles sein, was von dem einstigen männlichen Oberhaupt der Kalenao übrig war... sie würde dann den übrigen Monden übergeben werden. Das würde laut Shiran aber erst am nächsten Morgen der Fall sein – währenddessen mussten sie sich wohl oder übel entfernen, denn Mefasa würde in der Schlucht noch ein viel größeres Feuer entfachen – und wenn das erst einmal erloschen war, würde niemals wieder ein Mensch oder ein Magier diesen Pass benutzen dürfen, denn dann war es ein heiliger Ort, der alle kommenden Generationen davor warnen sollte, in Machtgier und Unnachgiebigkeit zu versinken, wie es mit ihren Vorfahren geschehen war. Mefasa hieß eigentlich Venca und sie war tatsächlich eine sehr begabte Feuermagierin. Allerlei Menschen und Kalenao, soweit es ihnen möglich war, hatten sich letztendlich zu beiden Seiten der Schlucht zusammengefunden, um den für immer verlorenen Seelen die letzte Ehre zu erweisen, als die rothaarige Frau an der Stelle, an der sie auch schon am Tag zuvor auf Moconis Geheiß hin das Dornenfeuer hatte entfachen sollen, die Arme hob und alles brennbare mitsamt der sorgfältig aufgereihten Körper in Flammen aufgehen ließ. Auch wenn andere Feuermagier ihr in der kommenden Nacht würden helfen müssen, um das gewaltige Inferno lange genug am Leben zu erhalten, so war es ihr Feuer... ihr Zauber. Und sie wendete ihn mit einem wehmütigen Stolz an. Letztendlich brannte es die ganze Nacht und den halben Tag darauf. Außer den entsprechenden Kalenao wohnte dem Ganzen natürlich niemand so lange bei... es gab noch immer viel zu tun. Um das Leben, das die, die die Feier vorbereiteten, noch hatten, zu ehren, würde man ein großes Fest feiern – und um von den grauenhaften Erinnerungen abzulenken. Sie brauchten Freude... „Ich danke dir für deine Hilfe.“ Das Gras, durch das sie schritten, war an jenem, klaren Morgen wie immer zur Zeit der Dämmerung noch nass. Die Röte, die die aufgehende Sonne hinter den Bergen verursachte, tauchte den östlichen Himmel in einen schummrigen Farbton und die wenigen Wolken, die bewegungslos daran zu hängen schienen, leuchteten auf eigenartige, friedliche Weise, während im Westen noch die Nacht herrschte. In einem Behälter, von dem sie nicht sagen konnte, woraus er bestand, trug Nadeshda die Asche. Es war ein seltsames Gefühl... diese Gewissheit, dass das, was sie nun in den Händen hielt, wirklich alles war, was von ihrem Zwillingsbruder noch übrig war. Von der Person, die sie länger gekannt hatte, als sie lebte... viel länger. Der Junge, der sie in ihrer Kindheit manchmal einfach aufgehoben und irgendwohin getragen hatte, weil sie selbst nicht hatte gehen können. Der viel zu junge Mann, der gezwungen gewesen war, sich das Lager mit ihr zu teilen wie mit einer Frau. Der Mann, der sich zu leicht hatte reinlegen lassen... der an ihr gezweifelt hatte, der eine Menschenfrau geliebt hatte und der in Wahrheit doch so viel weiser und stärker gewesen war, als sie ihr ganzes Leben lang geglaubt hatte. Das... war am Ende alles, was von ihm übrig war. Shiran, der sie auf dem Weg in Richtung Gebirge – den Weg, den sie in letzter Zeit viel zu oft gegangen waren – begleitete, sah ihre Gedanken. „Du musst damit abschließen. Heute muss dieser Teil deines Lebens enden.“ Sie nickte. Nun war alles anders... sie war, wenn auch mit der Unterstützung des Sehers, das alleinige Oberhaupt von nur noch halb so vielen Kalenao wie noch einen Mond zuvor. Sie würden noch so lange bei den Menschen bleiben, bis sie sich erholt hatten... dann würden sie gehen, vermutlich lange, bevor sich auch die vereinigten Stämme wieder voneinander trennten. Sie waren anders, sie gehörten nicht dazu. Sie würden sich einen besonders ergiebigen Teil des Landes suchen und dort ein neues Dorf bauen... nur die Männer würden dem Wild nachziehen, wenn es denn sein musste – sie waren keine Nomaden. Aber bis dahin würde noch etwas Zeit vergehen. Als die brennende Schlucht in Sichtweite kam, hielt ihr Begleiter sie an. „Ab hier schaffe ich es, uns ins Dorf zu teleportieren – und wieder zurück.“ Abermals nickte sie und gab sich schließlich dem leicht violetten Licht hin, das sie in ihre alte Heimat brachte. Sie mussten aus zweierlei Gründen zurück in das Land zwischen Gebirge und Meer. Einerseits konnte Mahrran nur hier dem Wassermond übergeben werden, andererseits musste auch jemandem den wenigen im Dorf verbliebenen – vor allen Dingen Alten, Kranken und Babys – Bescheid sagen, dass sie sich unverzüglich in ihre neue Heimat zu begeben hatten. Sie sollten den kleinen Pass nehmen... für die geringe Anzahl an Leuten würde auch der ausreichen. Im Ort war es still. Shiran hatte sie direkt an den leeren Strand gebracht, außerhalb des Armenviertels dorthin, wo die winzigen Fischerboote lagen. Der Sonnenaufgang war auf abstruse Weise atemberaubend schön... einen Moment lang starrten die beiden Magier bloß nach Osten. Dann räusperte Shiran sich. „Das ist ein guter Platz, dachte ich... hier kannst du ihn allen drei verbliebenen Monden übergeben.“ Da war etwas dran. Sie nickte und bemühte sich, ihre Gedanken zu verschließen, als sie sich in ausreichender Entfernung zur Brandung hinkniete, das Gefäß neben sich abstellte und mit den blanken Händen ein kleines Loch grub, in das sie schließlich eine Hand voll der Asche streute und darauf unverzüglich wieder mit Sand bedeckte. „Ich übergebe dich dem Erdmond.“, sagte sie deutlich, erhob sich mitsamt dem Gefäß und der restlichen Asche wieder, nahm abermals eine Hand voll heraus und hielt diese mit ausgestrecktem Arm vor sich. Da es an diesem Morgen ungewöhnlich windstill war, musste dem Ganzen an dieser Stelle etwas nachgeholfen werden. „Shiran?“ Der Mann nickte und mit einer Handbewegung seinerseits fegte eine Windböe alles von der kleinen Hand. „Ich übergebe dich dem Windmond.“ Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und trat mitsamt dem Behälter ohne zu zögern starr der Tradition folgend in das noch kalte, aber ruhige Meer. Eine Gänsehaut überkam sie und ihre Füße gruben sich mit jedem Schritt unangenehm in den nassen Untergrund, aber sie hielt erst inne, als bereits der Saum ihres kurzen Kleides die Wasseroberfläche berührte. Sie warf einen letzten Blick in das kleine Gefäß und ihren gräulich scheinenden Inhalt. „Das war es dann also.“, sie drehte das Behältnis um und schüttete die Asche ins Meer, „Ich übergebe dich dem Wassermond und damit theoretisch der nächsten Welt – ich weiß, dass du längst an deinem Geburtsmond hängen geblieben bist.“ Sie erschauderte und sah zu, wie die Asche versank... und zuckte zusammen, als sie von hinten umarmt wurde. Die Tatsache, dass die große Gemeinschaft es zwar erst langsam, aber letztendlich tatsächlich schaffte, auf gewisse Weise in Feierlaune zu kommen, fanden alle gleichermaßen erstaunlich, wie auch erfreulich. Man hatte das Zentrum des Lagers aufwendig etwas vergrößert und mit den letzten brennbaren Materialien ein großes Feuer entfacht – nur wegen des Lichtes, große Feuer brachten unangenehme Erinnerungen mit sich. Letztendlich saßen sie aber zusammen, verletzt und gezeichnet und feierten das Leben, das sie noch hatten. Es war ein symbolisches Fest. Chigaru stand irgendwo. Sein Blick lag auf dem Feuer, alle anderen um ihn herum ignorierend – auf abstruse Weise hatte er das Gefühl, dass er nun seine Ruhe hatte, obwohl es in jenem Moment alles andere als ruhig um ihn herum war. „Ich habe bereits nach dir gesucht...“ Als er herumfuhr, stand er der rothaarigen Feuermagierin gegenüber, die ihn etwas verlegen anlächelte. Er erwiderte ihr Lächeln, tatsächlich etwas erfreut, sie wieder zu sehen – sie hatten sich unter etwas seltsamen Umständen kennen gelernt. „Ach ja? Wie komme ich zu der Ehre?“, wollte er von ihr wissen und sie senkte errötend den Blick. „Nun... ich wollte deinen Namen wissen. Mein Name ist Venca Cokori... aber man nennt mich seit über zehn Sommern Mefasa – das ist mir inzwischen auch lieber. Sag mir, wer bist du?“ „Chigaru Tamassy.“, entgegnete er, „Meine Freunde nennen mich auch Chigaru Tamassy – Spaß bei Seite.“ Sie schaute ihn kurz etwas verstört an, dann musste sie glucksen. „Du... hast denselben absolut dämlichen Humor wie mein verstorbener Mann...“ „War das ein Kompliment?“ Sanan schrie kurz erschrocken auf, als ohne Vorwarnung plötzlich zu beiden Seiten ein Zwilling neben ihm saß und einen Arm um seine Schulter legte – sie hatten sich von hinten herangeschlichen und glucksten nun amüsiert über die Reaktion ihres ewigen einzigen Freundes, der nun empört zwischen den beiden her sah. „Aber sonst ist alles klar?!“, schnaubte er, „Himmel, mein Herz...“ „Dein Herz ist ein ganz schön gutes Stichwort, mein Lieber!“, begann Semliya erstaunlich guter Laune; sein Zwilling stimmte mit ein. „Wir haben dich gesehen!“, flötete er und Sanan hob bloß seine Brauen – er ahnte tatsächlich, worauf sie anspielten, hoffte aus irgendeinem ihm selbst nicht bekannten Grund jedoch, er mochte sich irren; aus irgendwelchen Gründen hatten die beiden Spinner aber auch die Eigenschaft, alles, was sie nichts anging, zu wissen... „Ich sehe euch auch.“, schnaubte er so scheinbar unwissend und die Jüngeren taten etwas, was ansonsten selten vorkam – sie lachten. „Oh, du weißt doch ganz genau, was wir meinen, nicht?“, gackerte Semliya bester Laune und sein Bruder musste erst nach Luft schnappen, ehe er weiter sprechen konnte. „Komm schon, das ist doch etwas nettes... wurde schließlich auch Zeit, dass du mal eine Frau findest!“ Sanans Gesicht nahm eine beinahe ungesund wirkende rote Farbe an. Er räusperte sich. Irgendwie hatten die beiden das Talent, gleichermaßen wie erwachsene Krieger und wie alte Weiber zu wirken... „Frau finden ist ein bisschen viel gesagt, wir kennen uns doch erst ein paar Tage...“, brummte er verlegen und Novaya grinste ihn breit an. „Ach, stell dich mal nicht so an. Sie ist doch ganz niedlich... ihr seht gut zusammen aus.“ „Du solltest bald mit ihr schlafen.“, stellte Semliya sachlich fest, „Damit neues Leben entsteht. Das wäre eine gute Sache.“ Sanan hustete entsetzt und die Zwillinge grinsten noch breiter. Irgendwie war ihre Anteilnahme ja rührend, aber dennoch... „Überlasst das mal mir, mir fällt es schwer mit einer Frau zu schlafen, ich meine... na ja. Ich habe es schon einmal erwähnt, wisst ihr noch?“ Ja, er hatte tatsächlich mit den beiden Spinnern darüber gesprochen, dass er ziemliche Schwierigkeiten damit hatte, in die nötige Erregung zu finden, nachdem sie vor etwas längerer Zeit mal darüber Anstoß genommen hatten, dass er in seinem Alter noch nie eine Frau im Lager gehabt hatte. Semliya lehnte seinen Kopf gegen seine Schulter. „Ach.“, kam dann, „Du musst nur ruhig bleiben. Die mag dich, die gibt dir Zeit...“ Novaya tat es seinem Bruder gleich und lächelte. „Dann klappt das ganz von alleine. Versprochen.“ „Wie heißt sie eigentlich? Wir haben sie gefragt, aber sie verstand uns ja leider nicht.“, wollte Semliya seinerseits da wieder wissen und Sanan seufzte ergeben. Er gab es ja zu... eigentlich hätte er sie wirklich gern in seinem Lager gehabt. „Sie heißt Rayada...“ „Schöner Name.“, stellte Novaya versonnen fest, „Weißt du, vielleicht heiraten wir demnächst auch. Also, so richtig und nicht Mefasa, die uns nicht mehr zu schätzen weiß.“ Sanan war dankbar, dass sie das Thema nun umlenkten und ging gern darauf ein, seine Arme hebend und seinerseits jeweils einem der Brüder einen um die Schulter legend. „Ach so? Wen denn dann?“ Semliya antwortete lächelnd. „Komische junge Frauen aus dem noch komischeren Vogelstamm.“ „Vaters Idee, er hat sie gefunden.“, fügte sein Zwilling an, „Mutter ist dagegen, sie findet die beiden potthässlich.“ „Dabei gibt es gar keine hässlichen Frauen. Frau und hässlich, das widerspricht sich.“ „Und sie sehen aus wie Zwillinge!“ „Sind es aber nicht, die eine ist ein Jahr älter als die andere.“ „Was vollkommen gleich ist, sie wirken bezaubernd.“ „Du redest wie Ranisin.“ „Ranisin ist auch bezaubernd. Jedenfalls beschäftigen wir uns jetzt mit ihnen... vielleicht sind sie so nett, wie sie erscheinen.“ „Und mögen uns auch – dann bitten wir sie an unser Lager.“ „Das wäre gut.“ Sanan gluckste irritiert von dem Redeschwall, zwischen den beiden hersehend. Sie lächelten beide ein ehrliches, glückliches Lächeln – es schien wieder gut zu sein. „Na ja, dann hoffen wir, dass ihr die beiden Damen von euch überzeugen könnt – könnt ihr sicher.“ „Und dass du bald viele Babys mit Rayada machst.“ „Die scheinen sich ja zu mögen.“ Kurapi beobachtete die Zwillinge mit Sanan, während er neben Moconi, dessen Gehör gerade einen guten Moment hatte, stand. Beide trugen, ebenso wie Karem, ihren Häuptlingsschmuck, hatten aber jede Bemalung wohlbedacht fort gelassen. Der Häuptling des Schlangenstammes nickte. „Stimmt – die freuen sich wohl auch, dass sie sich noch haben. Kann ich ihnen nicht verdenken.“ Er ließ seinen Blick über die Meute an Feiernden schweifen und blieb an Nadeshda und Alaji hängen, die beide gleichermaßen ihre Babys stillten und sich angeregt über etwas zu unterhalten schienen. „Sie geben sich gegenseitig Kraft... alle tun das.“, stellte er dann versonnen fest und beobachtete das Geschehen um ihn herum weiter. Unweit entfernt stand Karem und unterhielt sich mit Teco; dabei wirkte er erstaunlich verlegen und sein Gegenüber etwas irritiert. Dann schwiegen sie, bis der Jüngere schließlich mit den Schultern zuckte, etwas sagte und sich dann an den Kopf fasste. Karem grinste, erwiderte etwas – und umarmte ihn dann seltsamer Weise. Moconi hob eine Braue. „Die Freude hält sich ja kaum in Grenzen, meine Güte.“ Das war nicht bei allen der Fall. In der Vorratshütte war es kühl, dunkel und still. Shiran erkannte bloß Iavenyas Silhouette, als er sie betrat... sie saß am Boden, ihre Hände hinter ihrem Rücken an einen Pfeiler gefesselt. Als sie ihn bemerkte, kicherte sie. „Oh, ich bekomme Besuch.“, stellte sie fest. Er hielt zunächst schweigend inne, dann kniete er sich vor sie und strich ihr zärtlich durch ihr schwarzes Haar. „Ich kann dich befreien... ich kann dir die Freiheit schenken, Iavenya. Das würde ich ohne zu zögern tun... sie verstehen dich nicht. Ich verstehe dich, Iavenya.“ Sie schmiegte sich etwas gegen seine Hand, leise seufzend. „Ich weiß. Nein, ich... nehme mein Schicksal an. Ich habe gekämpft, Shiran, und ich habe verloren. Ich freue mich bloß, dass du dich letztendlich... für die richtige Seite entschieden hast.“ Er lächelte bitter, seine Hand aus ihren Haar nehmend und stattdessen über ihre Wangen streichelnd. Es war schwierig... „Sie werden warten, bis dein Kind geboren wird... in dem Moment, in dem sie das Baby von dir trennen, werden sie dich töten. Auf der Stelle.“, er hielt inne, „Du hast recht, ich habe mich für Nadeshda entschieden, denn ich verstehe auch sie und ich habe sie... sehr gern. Aber soll ich das zulassen? Kann ich das zulassen?“ Sie lachte leise, den Kopf etwas drehend und seine Hand küssend. „Du kannst das nicht nur zulassen, du musst das sogar. Ich habe keine Zukunft, keinen Platz mehr auf der Welt; Nadeshda würde mich nie wieder aufnehmen. Natürlich nicht, würde ich an ihrer Stelle auch nicht. Und die Menschen wollen mich schon zwei Mal nicht. Das weißt du doch... du hängst an mir, wie schmeichelhaft.“, er schwieg kurz und sie lächelte versonnen, „Sie haben es nie gemerkt. Keiner, nicht ein einziger hat uns bemerkt, niemals hat jemand ernsthaft einen Bezug zwischen uns beiden herstellen können. Wir waren wirklich diskreter als ich dachte.“ Das waren sie ernsthaft gewesen; es wäre aber auch nicht gut gewesen, wenn irgendjemand bemerkt gehabt hätte, dass zwischen einer einfachen Dorffrau mit zu scharfer Zunge und dem Seher irgendetwas gewesen war. Er fragte sich, was wohl geschehen wäre, wenn es damals anders gekommen wäre... „Vermutlich werden wir bereits gegangen sein, bevor das Baby geboren wird... und selbst wenn nicht werde ich wohl nicht mehr in seine Nähe kommen.“ Er streichelte weiter über ihre Wangen und sie gluckste. „Du musst wirklich ein gutes Herz haben. Selbst wenn die gegebenen Umstände es nicht verhindern würden... würdest du es der armen Nadeshda wirklich antun, ihr ein Kind von mir unterzuschieben? Ich meine, sie wird zwar seine Tante sein, aber ich glaube nicht, dass sie so viel Sympathie für es aufbringen können wird...“, sie seufzte leise, „Stelle bloß sicher, dass für unser Kind gut gesorgt ist... ich meine... ich habe Angst, dass sie nicht gut zu ihm sein könnten.“ Ihre Stimme zitterte... sie fürchtete sich. Nicht vor dem Tod, nicht vor denen, die sie hier gefangen hielten und in absehbarer Zeit richten würden... sie fürchtete einfach nur als Mutter um ihr Baby. Shiran konnte sie beruhigen. „Es wird... bei Kinashi unterkommen. Eine Frau mit vielen Kindern, sie wird sich nicht unbedingt darüber freuen, aber sie wird sich um den Kleinen kümmern. Und wenn er aus dem Gröbsten heraus ist, wird er, soweit ich das sehen kann, von einem ihrer Söhne bestens umsorgt... er wird klar kommen. Er hat eine sehr starke Seele, das... kannst du doch auch spüren, oder?“ Er bemerkte, dass sie nickte. Ehe sie wieder sprach, atmete sie einmal tief ein. „Eine Sache noch.“, kam dann, „Was... was ist mit Irlak geschehen? Ich habe das Gefühl, irgendetwas ist da... anders gelaufen.“ Shiran nickte nun seinerseits. „Nun... er wurde in dem Moment, in dem er Teleport eingesetzt hat, getötet... er hat den Teleport nicht beenden können, sein Körper ist nun... irgendwo. Hoffen wir nur für seine Seele, dass sie sich noch rechtzeitig hat befreien können.“ Er erschauderte. Der Gedanke machte ihn unruhig... außerdem war es in dieser dummen Hütte wirklich frisch. Arme Iavenya – tapfere Iavenya. Gekämpft und gefallen, es war erstaunlich, wie einfach sie damit zurecht zu kommen schien... und wenn der Mann seinen Göttern glauben schenken konnte, dann entsprach jedes ihrer Worte der Wahrheit. Sie riss ihn aus seinen Gedanken, als sie überraschend das Thema wechselte. „Ich bereue nichts, aber ich habe Mitleid mit euch allen. Erst jetzt... es kommt etwas spät, ich glaube, diese Erfahrung hat meine Seele gebraucht. Nun... du solltest zu Nadeshda. Aber bevor zu gehst, tu mir noch einen letzten Gefallen...“ Obwohl es finster war, trafen sich ihre Blicke. „Küss mich... ein letztes Mal.“ Sie feierten, bis die Sonne wieder aufging, erst dann legten sie sich schlafen. Sie beseitigten die Spuren dieses Festes, das ab diesem Tag an jedes Jahr im Feuermond in jedem Stamm gefeiert werden sollte, auch dann, wenn sie sich wieder voneinander verabschiedet hatten. Sie konnten nicht zusammenbleiben, zumindest nicht dauerhaft. Dennoch verband sie das Land, in dem sie lebten, die Erde unter ihren Füßen für alle Zeiten – und ließ sie für immer ein Ganzes bleiben. ------------------- Yai - das Ende! ^^ Der Epilog folgt bald. Bei diesem Kapitel hab ich ein paar Tränchen vergossen, muss ich gestehen, vor allen Dingen wegen Mahrran. Aber hey, der Typ kommt ja leibhaftig wieder, von daher... KdW2-Reloaded kommt sicher auch irgendwann. ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)