Jumays Kinder von -Izumi- (Part 1: Kinder der Erde - Land des Anfangs) ================================================================================ Kapitel 34: Sorge ----------------- Es war ein klarer, für den Wassermond überraschend milder Morgen, als Irlak und Rato zurückkehrten, unversehrt und mehr oder minder guter Dinge. Mahrran empfing sie außerhalb seines Hauses bereits und fragte sich kurz, ob es wohl besser gewesen wäre, sie einzulassen bei seinem Husten, aber dann hätten die beiden Rüpel am Ende noch seine Kili geweckt... So stand er dann da in seinem Mantel und war bemüht, den elenden Hustenreiz in seinem Hals, der von Tag zu Tag schlimmer anstatt besser wurde, zu unterdrücken. „Gute Neuigkeiten!“, rief Rato bereits von weitem, während er mit seinem Bruder den Weg zum Haus der Himmelskinder aufstieg, „Der Pass ist weitgehend frei!“ Mahrran seufzte. Das war gut. „Sollen wir jetzt wirklich mit diesem dummen Speeren in das Land der Menschen ziehen?“, erkundigte Irlak sich gleich darauf empört, während sie bei ihrem Herrn ankamen. In den Augen des Mannes stand blanke Missgunst, was Mahrran irritierte... „Auf jeden Fall werdet ihr sie mit euch führen. Wenn ihr zu unsicher damit seid, nutzt die Magie... aber versucht es zuerst mit den Speeren! An Kilis Worten wird schon etwas Wahres dran sein.“ Oder sie versuchte ihren Stamm zu retten, indem sie das Dorf in den Ruin schickte. Ihr Mann fragte sich kurz, ob sie dazu wirklich in der Lage war. Er war doch so gut zu ihr... „Das heißt, wir werden bald losziehen?“, fragte Rato da weiter, offensichtlich mit mehr Elan, und sein Gegenüber nickte. Er musste die beiden schnell loswerden, er hatte Schmerzen in der Brust, verdammt... „Ja, macht alles bereit, spätestens übermorgen früh. Es wird langsam wirklich Zeit, unser Heimatland verjagt uns...“ Die Fischer fingen kaum noch etwas, es war zum Verzweifeln... Und wieder zeigte sich in Irlaks Ausdruck ein gewisses Unbehagen, während sein Bruder bloß nickte. „Ich werde Bescheid geben. Dieses Mal wird es ein Erfolg, das spüre ich...“ Na, wenn er da einmal recht hatte... Die Tür öffnete sich. „Ich hoffe, du hast dir etwas für Kili überlegt...“, war die plumpe Begrüßung Irlaks, als er in sein Haus eintrat und Iavenya, noch im Nachthemd, zu ihm herumfuhr. Einen winzigen Augenblick lang hätte er beinahe gelächelt, als er bemerkte, dass sich ihr Bauch bereits relativ deutlich unter dem dünnen Stoff abzeichnete. Sie lächelte und legte sich einen Finger auf die Lippen. „Leise.“, bat sie, „Die Kleinen schlafen noch...“ Sie näherte sich und schlang schließlich in gewohnter Manier ihre Arme um seinen Nacken, ihren eigenen Körper sehnsüchtig an den des Mannes schmiegend und ihn dann verlangend auf die Lippen küssend. Und gleich darauf noch einmal. „Ich habe dich vermisst.“, gestand sie und stellte verwundert fest, dass sie ihre Worte irgendwie ernst meinte, „Ich hasse es, wenn du fort bist.“ Und sie küssten sich abermals. Er sehnte sich auch nach ihr... Iavenya verschaffte diese Gewissheit ein Gefühl der Befriedigung. Sie wollte ihn an sich binden, er sollte nichts mehr ohne sie tun können... nur langsam erschloss sich ihr, dass das Ganze irgendwie auf eine gegenseitige Abhängigkeit hinaus lief und sie begann, genau so an ihm zu hängen wie er an ihr. An dem leichtgläubigen, wie auch beeindruckenden Sohn des Ekarett-Clans... sie hatte darüber nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass es egal war. Dann erlaubte sie ihrem Herzen, falls sie denn irgendwo eines besaß, diesen Mann zu mögen, ihren Plänen stand das nicht im Weg. „Ich wäre auch lieber bei dir.“, gestand Irlak da grummelnd, die Hände auf ihre runden Hüften legend und sie noch etwas dichter zu sich ziehend, „Was ist jetzt mit dieser Sache mit der Menschenfrau?“ Sie lächelte leicht. Er nahm ihre Worte sehr ernst, das gefiel ihr. „Die Götter haben zu mir gesprochen. Wir verschieben es etwas nach hinten, geh mit auf die nächste Reise, dir wird nichts geschehen... ich glaube, wir... werden alle überrascht sein.“ Er sah sie verwirrt an, dann nickte er jedoch. Wenn sie es sagte... er kannte sich damit nicht aus, sie würde schon recht haben. „Nun gut, wenn du das sagst. Du bist gescheit.“ Sie kicherte gegen seinen Hals. Nadeshda beobachtete ihren Bruder skeptisch dabei, wie er einige Dinge, die er auf seiner Reise brauchen würde, in einen Lederbeutel packte. Er hustete... wenn es nach ihr ging zu häufig und zu eigenartig, um eine lange Reise mit anschließendem Kampf zu wagen. An sich konnte es ihr jedoch egal sein, sie arbeitete nicht mehr mit ihm, sondern gegen ihn und wenn er ein solches Wagnis eingehen wollte, war es seine Sache. Er war ein erwachsener Mann, er musste wissen, was gut für ihn war... „Auch wenn ich nicht gut sehe, bemerke ich, dass du da stehst und mich begaffst, Nadi. Gefalle ich dir so gut?“ Er drehte sich nicht zu ihr um, während er, seelenruhig auf seinem Lager sitzend, weiter packte. Er hatte alles mögliche um sich herum verteilt. Sogar einen ziemlich beeindruckenden Speer; davon, dass er den gemacht hatte, hatte sie gar nichts mitbekommen... „Du bist wirklich gut aussehend, wenn man von deinem widerlichen Auge absieht, das stimmt. Eben vom Blute der Tankana.“, erwiderte sie schließlich ehrlich, sich nun etwas offensichtlicher an den Türrahmen lehnend. Da er sie eh bemerkt hatte... „Ich frage mich bloß, ob es wohl so eine gute Idee ist, mit deinem Husten so eine Belastung auf sich zu nehmen...“ Die Frau ärgerte sich darüber, dass sie dem Drang, ihre Bedenken auszusprechen, hatte nachgeben müssen. Sie strich sich beinahe verlegen ihr Kleid über ihrem runden Bauch glatt und wandte den Blick von dem Mann ab, der darauf zu ihr sah. „Oh, sorgst du dich etwa?“, kam darauf wie erwartet in einem etwas höhnischen Tonfall und Nadeshda verzog das Gesicht. Zu ihrem Leidwesen weniger zornig als... verletzt. Sie hasste es. Er hatte sie verraten, sie war sauer auf ihn, auf ihn und das ganze Pack, das ihm mit einem Mal so hörig war. Aber er war ihr Bruder... er war ein wenig jünger, zudem, sie fühlte sich für ihn verantwortlich... Sie hatte ihren Geschwistern niemals zeigen können, dass sie sie liebte. Sie wusste auch nicht, ob sie das tatsächlich tat – sie verstand wirklich nichts von diesem erwärmenden Gefühl, das alle scheinbar so toll fanden – aber es gab definitiv eine innere Verbundenheit zwischen ihnen, insbesondere zwischen ihr und Mahrran; sie waren schließlich Zwillinge. Jene Verbundenheit war ihr in diesen Tagen jedoch sehr im Weg und sie fragte sich mehr und mehr, ob sie sie als einzige verspürte; ihr Bruder hatte allem Anschein nach ja keine Probleme damit, sie zu meiden und zu verspotten... „Ja, ich sorge mich.“ Sie antwortete ehrlich, ihre Götter rieten ihr dazu. Man sah es ihr an, auch ohne gute Augen, und nichts wahr ehrbarer als Ehrlichkeit – und kaum etwas feiger als die Lüge. Und nichts war verachtenswerter als die Feigheit selbst. Damit hatte sie ihn dann etwas aus der Bahn geworfen. Kurz herrschte Stille, dann überkam den Mann ein erneuter Hustenanfall. Es dauerte ungewöhnlich lang, Nadeshda beobachtete ihn zunächst stirnrunzelnd, dann betrat sie den Raum alarmiert und näherte sich ihrem Bruder, ohne wirklich zu wissen, was sie tun sollte. Warum war Alaji auch ausgerechnet jetzt bei ihrer Mutter? Mahrran fing sich jedoch ganz von selbst wieder. Er schnappte etwas apathisch nach Luft, noch immer leicht in sich gekrümmt dank der Verkrampfung, ehe er langsam und bedächtig den Kopf wieder hob und seiner erschrockenen Schwester ins Gesicht blickte. „Weißt du...?“, begann er dann mit rauer Stimme und erhob sich, „Ich glaube, ein wenig Gebirgsluft wird mir vielleicht sogar ganz gut tun. Außerdem geht das Wohl des Volkes über mein eigenes...“ Und obwohl die beiden Körperkontakt so gut es ging vermieden, strich er ihr darauf kurz durchs Haar. „Mach dir keine Sorgen.“ Sie tat es aber, ob sie wollte oder nicht. Nachdem er so zu ihr gesprochen hatte, fühlte es sich nicht mehr ganz so verräterisch an, sich für sein Wohlergehen zu interessieren, dennoch kam die junge Frau sich seltsam dabei vor, als sie am Abend mit ihrer besten Freundin, die inzwischen wieder zurückgekehrt war, darüber sprach. Alaji war Heilerin, vermutlich die beste im ganzen Dorf. Sie kannte sich aus mit allerlei Leiden und obgleich sie noch ziemlich jung war, war auf ihr Urteil meist Verlass. Auf Nadeshdas Worte zeigte sie sich nachdenklich. So, wie sie es gern tat, saß sie auf dem kleinen Schemel, die Beine ausgestreckt. Sie spielte eine Weile mit einer ihrer sehr wenigen Haarsträhnen, während sie ins Leere starrte, bis sie antwortete. „Ich habe es auch bemerkt.“, räumte sie dann ein, „Es ist ja schwer zu ignorieren, wenn man sich mit ihm in einem Haus befindet. Wir sollten übrigens vorsichtig sein, vielleicht ist es ansteckend und das wäre für unsere Babys schlecht...“ Sie ignorierte die Tatsache, dass Nadeshda von ihr verlangte, ihr Kind sofort nach der Entbindung zu töten gekonnt. Was sie auch sagte, dazu würde sie sich nicht bringen können... die Kleinere, ihrerseits im Schneidersitz auf ihrem Lager sitzend, ging gar nicht auf die von ihr aus gesehene Nutzlosigkeit ihrer Warnung ein und nickte nur. „Ja, gut... wir müssen ihn ja nicht unbedingt küssen, oder so – vielleicht sollte man die Menschenfrau warnen...“ Sie kratzte sich am Kopf und fragte sich, ob das intrigante Ding diese Mühe überhaupt wert war. Ihrer Meinung nach nicht wirklich, sie überließ es Alaji (die kaum ein Wort der menschlichen Sprache beherrschte). „Jedenfalls glaube ich auch nicht, dass dieser Weg ihm gut bekommen wird. Und selbst wenn er ihn schafft, in der Schlacht wird er mit Sicherheit gefährlich geschwächt sein – das ist ein wirklich sehr, sehr übler Husten, den er da hat.“ Sie sah nachdenklich zur Fensterklappe, die noch einen Spalt weit geöffnet war. Schwaches Licht des Wassermondes erhellte die Welt spärlich... Die Heilerin entschied sich dazu, nicht zu erwähnen, dass sie schon viele so Husten gesehen hatte und dass die wenigsten... es überlebt hatten. Ihr wurde heiß und kalt gleichzeitig bei dem Gedanken daran, dass ein derart kranker Mann eine Horde an Kriegern in eine Schlacht führen wollte... sie versuchte sich selbst damit zu beruhigen, dass in dem, was die anderen ausgehustet hatten, meistens Blut gewesen war. Mahrran jedoch hustete trocken. Sie entschied sich dazu, Nadeshda diese Gedanken mitzuteilen, die darauf nur mäßig überzeugt nickte. „Du kennst dich aus.“, sprach sie mehr zu sich selbst als zu der Heilerin, während sie sich von ihrem Lager erhob und zu entkleiden begann, „Ich vertraue dir.“ Beinahe etwas neidisch musterte Alaji sie darauf, die Ablenkung von den besorgten Gedanken willkommen heißend. Obwohl Nadeshda so klein und unglaublich zierlich war, schien ihr Körper prima mit der Schwangerschaft klar zu kommen; er blühte förmlich auf. Ihr kleiner Busen war prall und ihr Bauchgewebe ließ die Dehnung scheinbar vollkommen kalt. Sie senkte den Blick etwas deprimiert. Ihr eigener Körper kränkelte nur so vor sich hin, obgleich ihr Kind sich, soweit sie es zu diesem Zeitpunkt feststellen konnte, normal entwickelte. Und so, wie sie sich kannte, würde sie sich bald über den ein oder anderen Dehnungsstreifen freuen dürfen... die Welt war ungerecht, Nadeshda hatte doch schon so schöne Haare! Ihre Gastgeberin hatte sich inzwischen ihr Nachtkleid übergeworfen und watschelte in ihrem mittlerweile für ihren Umstand nicht ungewöhnlichen, aber etwas eigentümlich anzuschauenden Gang zum Fenster, um die Klappe zu schließen. „Es ist noch immer ganz schön frisch.“, stellte sie beiläufig fest und drehte sich um, „Wir sollten schlafen. Oder nicht?“ Alaji nickte, zunächst etwas verwirrt, weil sie aus ihren abschweifenden Gedanken gerissen wurde, dann erhob sie sich und kam der indirekten Aufforderung, sich ebenfalls umzuziehen nach. Kili war selbst die Tochter einer Heilerin und hatte, so lange ihre Mutter gelebt hatte, von ihr gelernt. Natürlich war ihre Heilkunst dadurch, dass sie weder Magie beherrschte, noch ihr Studium jemals hatte abschließen können, sehr begrenzt, dennoch besaß sie gewisse Erfahrungen, die die meisten ihr zumindest hier, im Dorf der Kalenao, nicht zutrauten. Und die entsetzten Mahrran etwas. „Du kannst mich nicht aus meinem eigenen Lager werfen!“, schnaubte der Mann in der besten Menschensprache, die er zustande brachte, entrüstet, während sie sich quer auf die Decken gelegt hatte und keinerlei Anstalten machte, sich zu rühren.. „Doch.“, war ihre einfache Antwort, etwas schwerfällig den Kopf zu ihm hebend, „Dein Husten wurde schlimmer, du bist krank. Ein kranker Mann darf niemals mit einer schwangeren Frau in einem Lager liegen. Du musst leider weg von mir.“ Er stemmte empört die Hände in die Hüften, abermals kurz, aber weniger intensiv als am Mittag hustend. Was bildete die sich denn ein?! „Dann verlasse du doch das Lager, wenn ich dir nicht passe!“, schlug er ihr lauter als geplant vor, „Geh zu Mabalysca, da ist noch Platz!“ Letzteren gab es bei Nadeshda und in Rayadas kleiner Kammer wohl kaum. Nebenbei fiel ihm auf, dass er sich das Haus nur mit Frauen teilte, was bei der Menge an Bewohnern irgendwie etwas befremdlich war... „Sie ist seltsam.“, folgte da Kilis nicht ganz unwahrer Kommentar, „Ich traue ihr nicht. Ich möchte hier bleiben... bitte, Mahrran.“ Sie sah nicht wieder zu ihm auf. Kurz herrschte Stille, dann vernahm sie noch ein kurzes Husten und dann die Tür, die zuschlug. Er konnte ihr nichts abschlagen. Und sie hatte sicher recht mit dem, was sie sagte. Und dennoch zitterte der Mann vor Wut, als er planlos, wo er hin sollte, tatsächlich zum Raum seiner kleinen Schwester trottete. Sie war nur ein Mensch... eine Menschenfrau! Und sie wagte es, ihm zu befehlen, ihm, einem Kalenao, einem Mann... einem verdammten Götterkind. Und dennoch hatte er keine Kraft, sich dagegen zu wehren... er liebte sie doch. Noch ehe er anklopfen konnte, verriet er seine Anwesenheit durch einen weiteren, etwas heftigeren Hustenanfall, während dem Mabalysca bereits irritiert die Tür öffnete. Ihre leichte Bekleidung, ein Hemdchen und ihre Unterwäsche, verrieten, dass sie wohl bereits im Lager gewesen oder eben dabei war, sich hinzulegen. Er schnappte nach Luft und erschauderte, ehe er auf ihren völlig perplexen Blick etwas sagen konnte. „Ich... bin schlecht für schwangere Frauen. Hast du Platz?“ Scheinbar verstand sie, dass es sonstwo keinen für ihn gab und dass sie ihren älteren Bruder nicht weiter entehren konnte, also ließ sie ihn ein und bot ihm an, in ihrem Lager zu schlafen. „Es ist ohnehin zu groß für mich allein.“, bemerkte sie dabei in ihrer üblichen, deprimierten Tonlage und Mahrran seufzte, sich vor Scham etwas in den Decken vergrabend. Sie legte sich neben ihn und sah ihm demonstrativ in sein Gesicht. Er wusste nicht, was sie damit erreichen wollte, er wusste auch nicht, wie sie schaute... er spürte ihren Blick mehr instinktiv; für sein eines schlechtes Auge war es definitiv zu dunkel, um irgendetwas zu erkennen. „Sprich.“, bat er sie nach einer Weile schließlich, denn irgendwie beunruhigte es ihn; so konnte er unmöglich einschlafen. Er spürte, wie sie etwas dichter zu ihm rutschte. „Zerit sagte zu mir, ich solle nicht mehr so egoistisch sein.“, entgegnete Mabalysca dann und klang dabei auf eine seltsame Weise nostalgisch, „Ich gebe mir alle Mühe seit kurzem. Merkst du es?“ Er hüstelte gekünstelt. „Nun ja...“ Wenn er ehrlich war, hatte er nicht wirklich darauf geachtet. Aber sie hatte recht, ihr ewiges Geschrei nach Aufmerksamkeit, während das Dorf am Abgrund stand, war wirklich irgendwie egoistisch gewesen. Sie sprach weiter. „Jedenfalls versuche ich es. Ich versuche, das zu tun, was man mir sagt... ich warte einfach. Und kämpfe dagegen an, dass ich verzweifle. Aber, weißt du... mir ist immer so kalt.“ In jenem Moment spürte er es auch. Sie zitterte. Mahrran hob unmerklich die Brauen... sie hatte ein sehr angenehmes Lager, wie konnte sie hier frieren? „Ich weiß, ich habe nicht das Recht, dich danach zu fragen, aber da ich dich bei mir schlafen lasse... magst du mich als Ausgleich etwas warm halten?“ Zunächst war er zu perplex von ihrer Bitte, um etwas zu erwidern. Er sollte sie warm halten? Beinahe wirkte es so, als hätte sie das längst geplant gehabt; letztendlich sollte es ihm aber nicht ernsthaft etwas ausmachen, Mabalysca konnte er ohne Probleme berühren, anders als seine Zwillingsschwester, und so zog er sie matt lächelnd in seine Arme. „Ich versuche es wieder.“, versprach er dann, als sie sich dankbar an ihn schmiegte, „Dir deinen Mann mitzubringen, dann hält der dich warm.“ Sie nickte schwach gegen seine Brust. Am nächsten Morgen besprach man sich auf dem Dorfplatz. Es waren nicht nur die Krieger, sondern auch, unaufgefordert, alle möglichen Frauen erschienen, die von Mahrran Antworten verlangten, als er wie gewohnt auf dem Rand des Brunnens stand, um die Meute überblicken – sofern möglich bei ihm – zu können. Es war noch relativ früh, ein sanfter Dunst lag über dem Ort, aber es war nicht besonders kühl an jenem Morgen. Die Weiber hüllten sich dennoch frierend in ihre Umhänge, während das Dorfoberhaupt der guten Luft dankte, die sein gereiztes Atemsystem etwas beruhigte – ein Hustenanfall vor all diesen Leuten wäre ihm äußerst unangenehm gewesen, wobei er sich sicher war, dass er seine Erkältung auf der Reise selbst nicht würde verheimlichen können. Er kam zu dem Schluss, dass es nichts machte – die Krankheit hatte reihum viele Männer und auch Frauen betroffen, er war nur einer von vielen. Außerdem hatte Alaji ihm am Morgen guten Saft gegeben, der würde ihn sicher bereits gesund gemacht haben, ehe sie am nächsten Morgen losgingen, genau. Nun musste er erst einmal mit dem aufgeregten Pöbel fertig werden, den die Nachricht vom sehr nahen Aufbruch so plötzlich ziemlich hart getroffen zu haben schien. Man rief und fluchte, schimpfte und diskutierte und nachdem er sich mehrmals geräuspert hatte, erfolglos, behalf der Mann sich mit einem kurz aufleuchtenden, aber gleißend hellen Lichtball zwischen seinen Händen, der die geschlossene Aufmerksamkeit erhielt, auch wenn einige von denen in den ersten Reihen jammerten, man würde sie blenden – es ging schließlich rasch vorbei und niemand war ernsthaft zu Schaden gekommen. „Ich bitte um Ruhe. Ich verstehe die Aufregung und ich werde jede Frage, die aufgekommen ist, nach bestem Wissen und Gewissen beantworten – aber eine nach der anderen. So, wer möchte zu mir sprechen?“ Viele Arme hoben sich und er nickte willkürlich einem Mann relativ weit vorn zu, der ihn mehr als nur misstrauisch musterte. „Ich war schon bei dem letzten Angriff mit dabei. Und bei unserem ersten Vorstoß in das fremde Land, wo wir gleich unterhalb des Passes auf die Gruppe an Menschen gestoßen sind.“, begann er gleich zu sprechen, „Ich denke, ich kann mit gutem Gewissen behaupten, dass ich diese Leute kenne. Große, breite Männer sind das und sie wissen im Gegensatz zu uns sehr genau, was sie mit ihren monströsen Speeren, die übrigens viel größer sind als die unsrigen, tun müssen, um bei uns viel Schaden anzurichten.“ Er trat aus der Menge hervor und stellte sich genau vor den Brunnen, Mahrran ohne auch nur einen Hauch von Ehrfurcht in sein ungewohnt bleiches Gesicht blickend. „Ich zweifle nicht an uns.“, sprach er dann weiter und verengte die auffallend schmalen, rötlichen Augen etwas, „Ich weiß, wer wir sind. Ich weiß, wozu wir in der Lage sind und ich bin mir sicher, wenn wir unsere Gegner nicht unterschätzen, dann können wir es schaffen, sie ein für alle Mal zu beseitigen. Zumindest ist dem so gewesen.“ Er senkte sein Haupt ein Stück, wirkte dabei jedoch nicht unsicher, sondern eher bedrohlich, weil seine scharfen Augen Mahrrans emotionsloses Antlitz noch immer durch den Schleier an längeren, schwarzen Ponysträhnen, die dem Mann nun ins Gesicht fielen, visierten. Auf dem Dorfplatz herrschte Ruhe. Das Götterkind fragte sich einen Moment lang, wer das, bei allem, was heilig war, war, der da so unverschämt vor ihm stand und es mit nur wenigen Worten und nahezu unscheinbaren Gesten schaffte, beinahe alle anderen Kalenao zu bannen. Er war ein mächtiger Magier, das spürte er sofort und dennoch hatte er sein Gesicht nur dunkel in Erinnerung, als er an die erste Reise in das Land in der Fremde dachte. Er hatte ihn nicht selbst für seine Gruppe ausgesucht gehabt, sondern ein anderer, guter Mann, den er seinerzeit damit beauftragt gehabt hatte, nach geeigneten Teilnehmern für die Expedition zu suchen, was dieser auch getan hatte. Jetzt schien es ihm etwas in die Quere zu kommen, zumindest sprachen die Götter so. „Und warum soll dem nun nicht mehr so sein?“, hakte er nach, als er langsam ungeduldig wurde, und der seltsame Kerl hob sein Gesicht wieder. „Sie haben den Seher. Sie haben Shiran, sie haben auch den Jungen aus dem Ekarett-Clan und wer weiß, wen noch – sie können die Magie verstehen, denn sie haben Magier, gute Magier, an ihrer Seite. Und wo sind unsere Menschen?“ Ein Raunen ging durch die Reihen und noch ehe Mahrran antworten konnte, erhob ein anderer Mann, für Kalenao-Verhältnisse groß und ziemlich breit, Einspruch. „Ach, was für einen Unsinn du da von dir gibst! Denk nicht zu viel, mach einfach! An diesen primitiven Viehchern gibt es nichts zu verstehen, die sind wie Bergziegen, nur dümmer, soll uns einer von denen beibringen, wie man Mäh sagt?“ Aus einigen Ecken erklang verhaltenes Gelächter. Mahrran rümpfte die Nase. Er war sich selbst nicht so sicher, in wie weit dieser Mann zu seinen Füßen recht hatte mit seinen Behauptungen, aber sie waren es definitiv wert, überdacht zu werden. Er selbst hatte Kili... und Kili stand sicherlich keiner Kalenao-Frau in Intelligenz nach. Das war beunruhigend... vor allen Dingen Shiran, an den hatte er allerdings auch schon selbst gedacht und dementsprechend gehandelt. Der Schwarzhaarige stand unterdessen starr da und erwartete sein Urteil, nicht einmal mit einem Zucken auf den Spott reagierend, als ob er ihn gar nicht gehört gehabt hätte. Mahrran schenkte ihm trotz seines starren Erscheinungsbildes ein Grinsen, sich nebenbei überlegend, dass er sich demnächst danach erkundigen musste, was es mit diesem seltsamen Mann auf sich hatte, die meisten Dorfbewohner schienen schließlich ihre Meinung von ihm zu haben... „Um Shiran solltest du dich nicht sorgen. Ich habe ihn unter Kontrolle – die Macht eines Götterkindes ist größer als die eines Sehers. Und Shiran ist nicht besonders begabt, ich denke nicht, dass er dem viel entgegen zu setzen hat.“, er räusperte sich, nach den richtigen Worten suchend, „Wie sich wohl herumgesprochen hat, ist meine Frau ein Mensch und somit weiß ich aus erster Hand, wie Menschen sind... und zu meinem Bedauern sind sie längst nicht so dumm wie Bergziegen. Nicht, dass ich mir eine dumme Gattin wünschen würde...“ Seine scharfsinnige Kili war schon recht so, wie sie war, auch wenn er ihr das ein oder andere Mal zu seinem Leidwesen misstrauen musste. Aber egal, was sie tat, er hatte sich geschworen, ihr zu verzeihen. Es war nicht leicht für sie, sie hatte einen hohen Status in ihrem Stamm inne gehabt, bevor sie zu ihm kam und das Gefühl, noch immer für diese Menschen verantwortlich zu sein, wurde sie nicht los. Dementsprechend handelte sie auch... Mahrran fand das verständlich, wenn auch etwas mühsam für ihn selbst. Irgendwann würde sie sich den Umständen ergeben... Er fuhr fort. „Dennoch bin ich der Meinung, dass sie uns – mit oder ohne Shiran – nicht wirklich einzuschätzen wissen. Wir haben ihnen längst noch nicht alles gezeigt...“ Darauf stimmten ihm einige der Krieger grölend zu und der seltsame Mann zu seinen Füßen hob kurz die Brauen, ehe er sich umdrehte und sich wieder bei den anderen einreihte. „Wir werden diesen Idioten zeigen, mit wem sie es zu tun haben!“, behauptete der große, breitschultrige Kerl von zuvor lautstark und viele stimmten ihm zu. Einige der Frauen schnaubten jedoch, wesentlich weniger überzeugt. Natürlich, sie liefen Gefahr, die Familienernährer zu verlieren... Eine von ihnen hob die Hand, Mahrran einen entnervten, säuerlichen Blick schenkend. „Sprich.“, erlaubte er ihr und fragte sich, ob das bei ihrer Miene eine so gute Idee gewesen war. Sie verschränkte unwillkürlich die Arme vor den sehr üppigen Brüsten, ihm mit ihrer Haltung absolut zu verstehen gebend, dass sie weder von ihm, noch von der Aktion viel hielt. „Wo ist Nadeshda?“, erkundigte sie sich da unerwartet, „Nichts gegen Euch, Herr, aber irgendwie habe ich ihr in solchen Situationen mehr getraut. Wo ist sie?“ Mehr getraut. Er musste sich zusammenreißen, dieses Weib nicht auf der Stelle zu vernichten für seine Worte – mehr getraut – war er ein Kind oder ein Mann? Dass er nicht sofort antwortete deutete sie fehl und nahm an, sie solle, wie der seltsame Schwarzhaarige von zuvor, der nun regungslos in den Reihen stand, hervortreten, was sie dann auch tat und Mahrran trotz ihres sehr kleinen Ausschnitts einen ungewollt interessanten Einblick gewährte. Verdammt, diese Frau hatte einen wirklich, wirklich üppigen Vorbau, wie sollte er ihr denn so antworten? Dabei fand er das nicht einmal besonders schön, das war irgendwie zu viel des guten... Kili war was das betraf wirklich perfekt. Aber zu dünn, das besserte sich jedoch auch langsam... ach verdammt, was dachte er da, er musste sich konzentrieren. Er errötete unwillkürlich, als er sich dazu zwang, der Frau wieder in ihr Gesicht zu blicken und bemerkte, dass ihr Ausdruck sich verändert hatte... in belustigt. „Ist schon gut, jeder schaut da hin, antworte mir nur.“ Er hüstelte und durch die Reihen ging ein verhaltenes Glucksen. Er musste antworten, aber ganz schnell... „Das glaube ich gern, du liebe Güte... nun ja. Nadeshda ist krank, sie wird wieder gesund werden, aber ihre Genesung wird noch dauern... bis in den Feuermond, wenn ich mich nicht irre.“ Mahrran kratzte sich kurz am Kopf, als diese verdammte Frau auf seltsame Weise erleuchtet die Brauen hob und auch andere Weiber untereinander zu tuscheln begannen. „Aah.“, kam dann gedehnt von ihr, „Das überrascht mich jetzt aber wirklich. Unsere Herrin bekommt ein Kind...“ Darauf wurde das Getuschel lauter, die Frauen nickten wenig überrascht, die Männer warfen sich untereinander verwirrte Blicke zu. Mahrran schnaubte entsetzt. „Wie kommst du bitte darauf?!“ Er hatte sie doch gar nicht verraten wollen, was sollte das? Er sollte dieses Weib wirklich zufällig stolpern und sich das Genick brechen lassen für seine Frechheit! Wobei das vielleicht irgendwann auch von selbst geschah, weil sie sich nach vorne beugte und das Gleichgewicht dank ihres riesigen Busens verlor... was man wohl für Einblicke hatte, wenn die sich nach vorn beugte? Himmel, er sprach hier zu dem Volk, er musste sich zusammenreißen! „Nun ja, bei welcher Krankheit weiß man sonst, wann sie endet?“ Eine weitere Frau mischte sich ein, Mahrran erkannte sie als die Natter, als sie aus der Menge neben ihre Vorrednerin trat, offenbar ebenso in der Annahme, man müsse hervortreten, wenn man etwas sagen wolle. Die Andere warf ihr einen schrägen Blick zu, ließ sie jedoch kommentarlos sprechen. Iavenya hielt ihr Haupt vor ihrem Herrn gesenkt, die Hände auf ihrem gerundeten Bauch gefaltet, lächelte jedoch ein giftiges Grinsen, das sie dem normalen Volk bereits oft offenbart hatte. „Genau so ist es...“, wisperte sie beinahe andächtig, „Unserer Herrin ist ein kleiner Fehltritt geschehen und nun will sie es vor uns verheimlichen, damit sie das Resultat beseitigen kann und nicht heiraten muss... oder nicht?“ Sie sah auf und es war das erste Mal in seinem Leben, dass Mahrran erlebte, dass sie ihn ansah, direkt in die Augen, ohne Demut oder Angst. Er erkannte sie überraschend genau in jenem Moment, ihre gelben Iriden, die beinahe so stechend waren wie die von Nadeshda, ihr seltsames, hinterlistiges Lächeln und ihr merkwürdig geschnittenes schwarzes Haar. Die Natter hatte es vollends erfasst... und das ahnten auch die anderen, die wieder irritiert zu tuscheln begannen. Die andere Frau neben Iavenya schenkte ihr nun einen verblüfften Blick. „Lehnst du dich damit nicht etwas zu weit aus dem Fenster?“, wollte sie wissen und die Angesprochene schüttelte nur beinahe unmerklich den Kopf. Mahrran zischte, ohne es verhindern zu können. Ein frischer Wind vom Meer ließ den morgendlichen Dunst sich verflüchtigen und die Frauen noch mehr in ihre Umhänge hüllen. War es dieses hinterlistige Volk überhaupt würdig, erhalten zu bleiben? Wie konnte man seinen Herrn so in Frage stellen?! „Was mit meiner Schwester ist, tut hier nichts zur Sache!“, fauchte er die beiden zu seinen Füßen dann unabsichtlich aggressiv an und sie fuhren zurück, als er schwungvoll vom Rand des Brunnens vor ihre Füße sprang und der Versammlung den Rücken kehrte. „Morgen bei Sonnenaufgang am südlichen Ende des Dorfes. Die Versammlung ist aufgelöst.“ Und noch während er ging konnte er unter dem irritierten Tuscheln der Meute Iavenyas Kichern vernehmen. Der nächste Morgen kam und obwohl ein leichter Nieselregen auf das Land niederging, war es nicht unangenehm an jenem Tag, denn das an sich eher warme Gebiet hatte den Kampf gegen den kurzen Winter letztendlich doch noch gewonnen. Mahrran fühlte sich tatsächlich etwas besser, auch wenn der seltsame Saft von Alaji ihm etwas im Hals brannte. Besser als Husten, dachte er sich und bekämpfte den unangenehmen Reiz und den unbekannten Schmerz in der Brust gekonnt, während er auf seine Krieger wartete. Die ersten waren bereits eingetroffen, viele hatten ihre Frauen und Kinder mitgebracht, um sich an Ort und Stelle von ihnen zu verabschieden... Er bemerkte die Frau mit dem großen Vorbau vom Vortag, die man sogar anstarren musste, wenn ihre Bluse am Hals verschnürt war, bei einem dürren, relativ großen Mann mit hellgrünem Haar, zu dem sie offenbar gehörte. Er kannte den Kerl flüchtig, manchmal brachte er das Holz an das Haus... ein besonders begabter Magier war er nicht und er schien auch keine wirklich besonders große Lust zu haben, mitzugehen, wie die innige Umarmung mit seiner Frau, die er scheinbar gar nicht mehr beenden wollte, erahnen ließ. Nicht, dass Mahrran ihn nicht irgendwie verstanden hätte... „Sie ist ein seltsames Mädchen.“ Mahrran fuhr herum und stand einem etwas älteren Herrn gegenüber, dessen Blick ebenfalls auf dem Paar ruhte. „Sie ist meine Nichte, weißt du? Mutiges Ding. Ihr Gatte ja weniger.“ Das Götterkind nickte. Gut, dass er ihn noch einmal ansprach. „Bist du dir sicher, dass du mitkommen möchtest? Du bist nicht mehr der Jüngste und ich könnte es nie verantworten, wenn dir etwas zustieße...“ Der Mann war sehr klug. Er hatte bereits Mahrrans Vater mit Rat und Tat zur Seite gestanden und tat es bei dem Sohn nun abermals... er war es auch gewesen, der seinerzeit die Gruppe zusammengestellt hatte, mit der Mahrran in das Land der Menschen gereist war. Da fiel ihm noch etwas ein... Sein Gegenüber lachte derweil. „Bitte, Junge, so alt bin ich nun auch wieder nicht. Ich kann dich doch nicht allein schicken... das mit Shiran das letzte Mal war eine Katastrophe, das darf sich nicht wiederholen.“ Da hatte er allerdings recht. Der Jüngere musste wohl oder übel nicken, auch wenn ihm nicht wohl dabei war, diesen wichtigen Berater mitzunehmen, wo er ihn im Dorf vermutlich noch öfters gebraucht gehabt hätte... Er verdrängte die Gedanken daran kurzzeitig, kurz den Blick über die noch unvollständige Gruppe schweifen lassend. „Ich wollte dich noch etwas fragen.“, erwähnte er dann, „Dieser Kerl, der mich bei der Versammlung diese seltsamen Dinge gefragt hat, wer war das eigentlich? Ich wusste, dass er damals mit dabei war, als er es erwähnte, aber weiter konnte ich ihn nicht zuordnen...“ Er hoffte, es war nicht beschämend, wenn man als Dorfoberhaupt nicht mit jedem Gesicht etwas anzufangen wusste. Sein Berater musste zunächst kurz nachdenken, wen er überhaupt meinte, dann hob er verstehend die Brauen und nickte. „Sein Name lautet Chigaru Tamassy. Ich kenne ihn nur, weil er in der selben Straße wohnte wie ich, ich habe ihn da aufwachsen sehen. Ein seltsames Kind, aber Verlass war schon immer auf ihn.“ Mahrran nickte. „Und deshalb hast du ihn damals mitgeschickt?“ Verlässlichkeit war natürlich eine äußerst gute Eigenschaft für das Operieren in einem solchen Bereich, dennoch misstraute er ihm irgendwie. Der Berater kratzte sich kurz am Kopf. „Auch, aber nicht nur. Verlässlichkeit setze ich voraus, wenn ich nach geeigneten Kandidaten für bestimmte Anlässe suche, mein Junge. Nein, Chigaru ist sehr intelligent, glaube ich. Niemand weiß das zu schätzen, aber es ist nützlich.“ Mahrran musste auf diese Worte leicht glucksen. Niemand wusste seine Intelligenz zu schätzen? Dass das bei vorlauten Personen vorkam, kannte er, aber dieser Mann hatte nicht unbedingt so gewirkt, als würde er Tag und Nacht mit seinem Wissen – falls wirklich vorhanden – prahlen. „Er muss eine seltsame Familie haben.“, stellte er so nur kopfschüttelnd fest und grinste, und der andere Mann seufzte. „Das trifft es ganz gut. Er ist das erste Kind seiner Mutter, sie hatte ihn mit einem Mann, der zwei Monate nach seiner Geburt verstarb, ein furchtbar guter Kerl, wenn man ihn denn kannte, er konnte auch anders! Jedenfalls hat er sehr viele Halbgeschwister, die sich alle sehr von ihm unterscheiden...“ „Sie sind dumm wie Bohnengras.“, ahnte Mahrran und der Ältere gluckste verhalten. „Ja, so in etwa.“ Sie unterbrachen ihr Gespräch, als jener Chigaru Tamassy die Straße hinab kam. Sein Ausdruck war vollkommen neutral, er ließ sich nicht anmerken, ob seine Götter ihn über das Gespräch unterrichtet hatten oder nicht, als er nah genug war nickte er den beiden Männern bloß kurz zu und stellte sich dann abseits, wie alle anderen auf die Ankunft der kompletten Gruppe wartend. Sie brachen auf, als die Sonne gerade eben über dem Meer aufgetaucht war. Die Reise war weit. Nadeshda hielt sich selbst für eine Närrin, als sie am frühen Morgen auf den Steinen vor ihrem Haus saß und auf das Dorf hinab blickte. Der Regen hatte aufgehört und sie fühlte sich dank des aufgehenden Wassermondes sehr gut, dennoch wurde ihre Laune von Sorge getrübt. Sie war sauer auf Mahrran, der sich einfach gegen sie gestellt hatte. Sie fand sein Handeln idiotisch... aber er war doch ihr Bruder. Und er war krank... sie wusste, dass Alaji ihr diesbezüglich etwas verheimlichte und kurzzeitig wurde sie sauer und nahm sich vor die andere Frau dafür gehörig zu bestrafen. Wie konnte sie es wagen, so leichtfertig zuzulassen, dass ihr Herr sich in eine solche Gefahr begab? Sie seufzte. Oder umgekehrt, wie hätte sie ihn aufhalten sollen? „Du solltest da nicht sitzen, der kalte Stein ist nicht gut für dich.“ Zu ihrer Überraschung kamen jene mahnende Worte nicht von der Heilerin, sondern von Rayada, die plötzlich vor ihr stand, die Hände hinter ihrem Rücken und sie beinahe streng musternd. Nadeshda senkte die Brauen, als sie sich von dem Blick über den Ort und das Meer abwandte. „Wer hat dir erlaubt, mich so respektlos anzusprechen?“, fragte sie lauernd und ihr Gegenüber seufzte bedauernd. „Verzeiht, es... ist noch früh am Morgen. Ich denke, ich bin noch nicht ganz wach... aber ich fürchte, da zu sitzen tut euch wirklich nicht gut, Herrin, das kann einem übel auf die Blase schlagen und wie das Wasserlassen sich dann anfühlt, glaubt mir, das wollt Ihr nicht wissen...“ Verwirrt von dem Gedanken an eine Blasenentzündung dachte die Kleinere kurz nach, ehe sie sich tatsächlich erhob. So etwas unnötiges musste sie sich nun wirklich nicht auch noch einfangen, es reichte, wenn Mahrran krank war. „Wieso bist du bereits auf?“, wechselte Nadeshda darauf galant das Thema und ihr Gegenüber legte den Kopf leicht schief. „Ihr seid es auch.“, erklärte sie leichten Mutes, „Ich bin die Haushälterin, ich sollte nicht länger schlafen als die Hausherrin...“ Sie verstummte und senkte kurz den Blick etwas. Als sie dann wieder sprach, überraschten Nadeshda ihre Worte nicht ernsthaft. „Ich glaube, dass es ein Fehler von dem Herrn war, da mitzugehen... verzeiht.“ --------------------------------- OMG - es ist da Schigharhuh!!!11111zwölf Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)