Jumays Kinder von -Izumi- (Part 1: Kinder der Erde - Land des Anfangs) ================================================================================ Kapitel 30: Nachts ------------------ Der Wassermond war aufgegangen. Für Nadeshda bedeutete dies prinzipiell eine Zeit, in der sie sich wohlfühlte, und das tat sie auch in diesem Jahr – trotz ihrer fortschreitenden Schwangerschaft, die sie sowohl faszinierte, als ihr auch auf den Geist ging. Sie hatte immer so gern auf dem Bauch geschlafen... das ging nun nicht mehr. Aber so lange das ihr einziges Problem blieb... Das Wetter hatte sich etwas gebessert. Es war kalt, aber der Wind war schwach geworden und der Regen selten. Bald würde Mahrran über die Berge ziehen können, um all die guten Männer in ihr Verderben zu stürzen... Verderben, Wetter, der Wassermond... die junge Frau fuhr sich von ihren Gedanken ermattet durch ihr Gesicht, während sie auf ihrem Schlaflager lag und in die Finsternis starrte, weil sie nicht schlafen konnte. Ein Stück neben ihr lag Alaji, und sie musste lächeln, als sie kurz zu ihr blickte, auch wenn sie nicht viel erkennen konnte. Schon wieder säuselte sie etwas von ihrem Teco... Überraschenderweise hatte sie nie Träume der Sehnsucht. Ihre Träume waren immer positiv und machten sie nach dem Erwachen glücklich. Nadeshda dankte den Wassergöttern für das Erfüllen ihrer Bitte. Schön wäre es gewesen, wenn sie auch ihr etwas Schlaf gewährt hätten... Sie gewährten ihn ihr. Im Nachhinein war sie sich jedoch nicht mehr so sicher, ob es wirklich der Wille der Götter gewesen war, der ihr ihren Traum geschickt hatte. Die Wiese, auf der sie stand, hatte sie zuvor noch nie gesehen. Sie war hoch, viel zu hoch für die kleine Frau, der die Halme bis an die Hüften reichten und ihr das Gehen sicherlich erschweren würden – sie musste aber auch gar nicht gehen, warum hätte sie sollen? Als sie sich umsah, erkannte sie, dass sie wohl auf einer Anhöhe stehen musste, denn in der Ferne fiel das Land ab und stieg schließlich sanft wieder an. Es war ein bemerkenswertes Anblick, eine Weite, die bis zum Horizont reichte, zwischendurch unterbrochen von kleinen Bächen und einzelnen Bäumen – ansonsten nur Gras, aus dem an einigen Stellen Wesen ragten. Braune, beige, helle, dunkle, haarige, borstige und fedrige – Wild. Und als sie das Gebirge, an dessen östlichem Rand sie aufgewachsen war, nun in ihrem Rücken von einer ihr unbekannten Seite bemerkte, erstrahlte sie – die Götter hatten sie in das gute Land geschickt! Mühsam kämpfte sie sich einige wenige Schritte voran, berührte das Gras und erschreckte sich von einem Tier, das wenige Fuß vor ihr an ihr vorbeihuschte, ohne sie erkennen zu lassen, um was es sich gehandelt hatte. Fasziniert und glücklich atmete sie tief ein – die Luft hier roch ganz anders als die in ihrer Heimat! Zuhause war sie salzig, hier roch sie einzig nach diesem wunderbaren Gras, das sie an sich so sehr behinderte, ihr aber dennoch gefiel. „Das große wilde Land im Feuermond.“ Nadeshda zuckte unter der bekannten, jedoch lange nicht gehörten Stimme zusammen und fuhr herum – das war nun garantiert nicht mehr der Wille der Götter. „Shiran...“, nannte sie den Mann beim Namen, der ihr nun gegenüberstand. Es befremdete sie etwas, sie hatte ihn wirklich lang nicht mehr gesehen, fiel ihr auf. Noch immer trug er seine schwarze Seherkleidung und sein violettes Haar wehte in einer leichten Brise. Sein Gesichtsausdruck blieb starr und gleichgültig. Sie senkte die Brauen, grinste aber. „Du bist in meine Träume eingedrungen, um mit mir sprechen zu können.“, stellte sie richtig fest, „Das muss dich sehr viel Mühe gekostet haben. So sehr hast du mich vermisst? Ich bin gerührt.“ Er reagierte nicht auf ihre Worte, aber sie wusste auch so, dass sie recht hatte – zumindest mit seinem Vorgehen, warum er sie nun hatte unbedingt sprechen wollen, erschloss sich ihr noch nicht. Das würde sie wohl gleich erfahren... seine Gefühlskälte irritierte sie im ersten Moment jedoch. Er war so zuvorkommend, ihre Gedanken zu lesen und sie auf etwas sehr offensichtliches, aber in der vergangenen Zeit etwas in Vergessenheit geratenes hinzuweisen. „Ich würde wohl sehr gerne auf dein Necken eingehen, da bin ich mir sehr sicher. Aber das Gefühl dafür habe ich verloren... immerhin kann ich noch richtig von falsch und oben von unten unterscheiden. Das zwang mich zum Handeln, sobald meine geistige Erblindung verflog. Das ist heute geschehen, ich danke den Göttern dafür.“ Ach ja, sie erinnerte sich! Sie errötete nicht, obwohl sie es wohl im wirklichen Leben getan hätte – letztendlich war es jedoch noch immer ihre eigene Traumwelt, auch wenn in dieser Nacht Shiran sie gestaltet hatte, und sie war die Herrin darüber. Er würde ohnehin wissen, dass es ihr unangenehm war; sollte ihr gleich sein, sie für ihr peinliches Unwissen aufziehen konnte er sie so schließlich nicht. Nadeshda lächelte, die Arme vor der Brust verschränkend. „Ah, mein Fluch. Na, leidet ihr auch schön? Besonders Moconi hoffe ich doch, dieser unkooperative Narr, ich hoffe, er windet sich...“ Shiran blinzelte einmal mehr als nötig, veränderte seinen gespenstisch monotonen Ausdruck jedoch nicht. „Ich muss dich enttäuschen. Die Menschen sind ein stolzes Volk, sie vegetieren mit erhobenen Häuptern vor sich hin. Und Moconi steht noch immer aufrecht.“ Das war nicht unbedingt das gewesen, was die Frau hatte hören wollen – aber der Spinner tauchte auch sicher nicht in ihren Träumen auf, um ihr von ihrem überwältigenden Erfolg zu berichten. „Schade.“, kommentierte sie dann gespielt unbekümmert, „Dann wird es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis es soweit ist. Vielleicht schaffen sie es ja, bis die Pässe passierbar sind – ich denke wirklich darüber nach, Moconi bei seinem Ende zuzusehen...“ Er schüttelte nur den Kopf, ehe er den Blick von ihr abwandte und ihn über die unendlichen Weiten des Landes schweifen ließ. Sie folgte ihm mehr gezwungen als freiwillig. „Das ist ein Ort, für den es sich zu kämpfen lohnt.“ Die Frau schnaubte, als Shiran überhaupt nicht auf ihre Drohung einging. „Mahrran hat es erkannt. Dein Vater wusste es auch. Dieses Land kannst du nicht stehlen, indem du seine Bewohner in die Finsternis lockst... es muss ehrlich erkämpft werden.“ Diese Aussage entlockte ihr ein Glucksen, letzteres erhielt jedoch keine weitere Reaktion des Sehers. Das Auskühlen war wahrlich eine interessante Möglichkeit, seine Feinde zu vernichten... „Oh, und du willst mir sagen, dass ich den Fluch zurücknehmen soll, weil die Art, wie ich mir das Land nehme, es entehrt? Ich bitte dich, du hast nicht ernsthaft geglaubt, dass das klappt.“ Als sein Blick den ihren wieder traf, war er erstaunlich scharf und bitter ernst. So hatte sie den Mann selten gesehen – und bisher hatte sie es auch nicht bedauert. Nicht, dass sie Shiran überhaupt gern oft gesehen gehabt hätte... „Nicht das Land, Nadeshda, dich selbst. Ich bin ein Seher und dein Fluch hat einzig einen kalten Pragmatismus in mir übrig gelassen – also verschwende keine Gedanken daran, ich könnte eine Lüge aussprechen, denn diese Kreativität habe ich längst eingebüßt.“ Sie erwiderte nichts und war einen Moment lang fasziniert von ihrer eigenen Macht. Sie konnte Charakter zerstören... es stimmte sie irgendwie euphorisch; da es noch immer ihr eigener Traum war und sie es nicht für sinnvoll hielt, dem Mann ihre Gefühle so offen darzulegen, konnte sie jedoch vermeiden, dass man ihr ihre sadistische Freude ansah. Er fuhr fort. „Du bist eine sehr mächtige Magierin, Nadeshda, und deine göttlichen Eltern werden gewusst haben, wieso sie dir diese Macht geschenkt haben, aber ich bezweifle, dass das der Grund dafür gewesen ist. Du benutzt sie für schändliche Dinge – was du machst ist feige.“ Feige. Sie weitete ihre Augen, ohne sich zu rühren. Und er wusste doch noch genau, wie er sie treffen konnte – und obwohl die junge Frau die Strategie, die er verfolgte, auf der Stelle durchschaute, fruchtete sie sofort. Der Tankana-Clan war die Elite. Den Planeten Jumay gab es nur, damit sie über ihn herrschen konnten – über ihn und alle Völker, die ihn bewohnten. Sie waren stark und stolz – aber niemals, niemals feige. Nadeshda spürte, wie sich etwas in ihrem imaginären Traumkörper schmerzhaft zusammenzog; war sie feige? War es feige, ihre Macht für diese Zwecke zu benutzen? Zu... missbrauchen? Es machte sie unruhig. Wenn er recht hatte, dann entehrte sie ihre Familie und das wäre eine Schande gewesen. Sie war verunsichert, aber so schnell gewann er nicht. „Und was soll ich deiner Meinung nach stattdessen tun?“, fauchte sie wütend und er trat auf sie zu, bis er direkt vor ihr stand. Kurzzeitig fragte sie sich, ob er auch in der Realität so viel größer war als sie... sie hatte ihn lange nicht mehr gesehen. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, sie eines unglaublich leeren Blickes bedenkend. „Du bist klug. Überlege es dir selbst... überlege dir, wie du dir dieses Land verdienen kannst; du bist als Herrscherin geboren und ich würde nicht auf die Idee kommen, dir diesen Status mit Worten abzuerkennen – nur mit rechtmäßigen Taten – also denke darüber nach. Ich bin mir sicher, du findest einen Weg, der deiner würdig ist...“ Als er schwieg und den Blick abwandte, schnaubte sie erbost. Sie hasste es, wenn er als Seher einfach in Rätseln sprach, sie verabscheute es! Wütend packte sie ihn am Kragen und zu ihrer Irritation schenkte er ihr darauf ein Lächeln. Ihre Finger krallten sich in ihre Decke. Um sie herum war es stockfinster und obgleich der Wassermond erst aufgegangen war und sich dementsprechend auch die Außentemperatur verhielt, schwitzte die Frau am ganzen Körper, vor Aufregung dennoch zitternd. Feige. Dieser Hund hatte sie feige genannt. Sie setzte sich von einem fürchterlichen Entsetzen gepackt ruckartig auf; zumindest soweit es ihr mit ihrem runden Bauch auch möglich war. Das Kind darin bewegte sich leicht, von der unerwarteten Bewegung seiner Mutter wohl selbst erwacht; zumindest war Alaji, die im übrigen seelenruhig schlief, der Meinung, letzteres würden auch ungeborene Kinder im Mutterleib bereits tun. Nadeshda keuchte vor Wut. Sie musste sich fassen, sie durfte sich nicht treffen lassen von den intriganten Worten des Sehers. Das Baby machte sich bei den düsteren Gedanken an seinen Vater erneut bemerkbar und ohne dass sie es selbst mitbekam, begann die kleine Frau ihren Bauch beruhigend zu streicheln, selbst ihren finsteren Gedanken nachhängend. Aber er hatte sie feige genannt... sie, eine Tankana, konnte nicht zulassen, dass jemand anderes sie für feige hielt! War es denn feige von ihr, ihre Macht zu benutzen, um das lästige Ungeziefer zu beseitigen? War es nicht das, was ihre Handlungsweise von der ihres Bruders unterschied – die Intelligenz? Oder irrte sie sich etwa; hatte sie sich die ganze Zeit in Mahrran geirrt? War er vielleicht überhaupt nicht so dumm, wie sie gedacht hatte? Hatte er etwa mehr Verstand als sie, dass er wusste, dass man dem guten Land hinter den Bergen mehr Ehre erweisen musste? Sie erschauderte, weiter schwitzend. Verdammt, sie musste etwas tun. Schwankend erhob sie sich und taumelte irritiert von den eigenen Gedanken durch den Raum. Sie wollte sich auch nicht hereinlegen lassen... aber wenn Shirans Worte stimmten – und es war wahr, dass der Fluch einem die Kreativität zur Lüge raubte – dann war sie dabei, in den Augen ihrer geehrten Ahnen einen Fehler unschätzbaren Ausmaßes zu machen. Was sollte sie tun? Sie strich sich zitternd die langen Haare aus dem Gesicht, mitten in ihrem Zimmer stehend. Der steinerne Boden war kalt unter ihren Füßen... Alaji sagte, das sei nicht gut für sie, aber sie hatte gerade keine Nerven darauf zu achten oder sich gar Schuhe anzuziehen. Tatsache war, dass es zu handeln galt. Aber wenn sie den Fluch aufhob, was dann? Was hatte sie Mahrrans Versuchen, die Menschen zu vernichten, dann noch entgegen zu setzen? Sie erinnerte sich an ihren Schwur, bei Moconis Tod dabei zu sein... und über ihn zu lachen. Bei dem Gedanken atmete sie einmal schwer, entspannte sich darauf jedoch etwas. Das wäre eine gute Sache gewesen... sie wollte diesen Kerl gern kennenlernen – und dann sterben sehen. Kurzzeitig klopfte ihr Herz vor Vorfreude etwas heftiger als normal... wenn ihre verblendeten Eltern ihr etwas beigebracht hatten, dann, dass alles, was sie mit ihren eigenen Händen vollbrachte, gut war. Je weniger Magie, desto besser war es. Das Handeln ohne die Macht der Götter war die reinste Möglichkeit, etwas zu vollbringen. Und wenn sie das nicht schaffte, konnte sie den Stamm noch immer auskühlen. Da sie keine Ruhe gehabt hatte, hatte sie sich ihren Mantel übergeworfen und war nach draußen gerannt, um die Götter dazu anzuhalten, ihren Fluch – wohlgemerkt vorerst – wieder aufzuheben. Sie wollte keinen Schaden anrichten, den sie nicht zu verantworten wusste; zumindest keinen für sie oder ihre Familie. Als sie wieder zurückkehrte, ging es ihr schlecht. Ihr Körper bebte vor Kälte und es schwindelte ihr vor Müdigkeit, als sie ihre Räumlichkeiten schließlich wieder betrat. Und es kribbelte... die Wärme des Hauses, die die garstigen Frostgeister aus ihren Gliedern vertrieb. Es war gut für sie, das war der jungen Frau klar, aber es fühlte sich unangenehm an. Schlecht gelaunt hielt sie mitten im Raum inne, sich die Hände reibend und etwas über ihre vorangegangene Tat nachdenkend. Hoffentlich war das das Richtige gewesen... Dass Alaji wach war, bemerkte sie erst, als sie sie ansprach. „Wo bist du denn gewesen?“ Sie zuckte kurz zusammen, dann erkannte sie die Heilerin, dank ihrer guten Augen auch in der Dunkelheit. Im Gegensatz zu Mahrran konnte sie hervorragend sehen. Alaji saß aufrecht auf dem Lager, wirkte zu ihrer Überraschung jedoch nicht so, als sei sie gerade erst erwacht; was natürlich möglich war, sie war eine ganze Weile fort gewesen. Ihre Hände ruhten auf ihrem mittlerweile ebenfalls deutlich gerundeten Bauch. „Ich habe schlecht gelegen.“, log Nadeshda darauf und hob skeptisch die Brauen. Sie konnte ihr nichts von dem Fluch erzählen, das hätte sie traurig gemacht... und in Bezug auf ihren Teco wohl sehr besorgt. „Und warum bist du wach? Konntest du auch nicht schlafen?“ Die Heilerin seufzte leise und sah an sich herab, zumindest soweit es bei den schlechten Lichtverhältnissen möglich war. Was sie dann sagte, schockte die Kleinere mehr als sie zuvor wohl selbst geschockt gewesen sein musste. „Ich hatte Schmerzen im Unterleib... ich habe auch etwas geblutet, hat aber wieder aufgehört.“ Nadeshda war keine Heilerin und sie kannte sich auch sonst bloß schlecht aus mit solchen Dingen, was angesichts ihrer eigenen Situation vielleicht etwas zu ihrem Nachteil war. Aber dass Blutungen während der Schwangerschaft wohl selten etwas Gutes verhießen, war ihr klar. Sie eilte beunruhigt zu ihrem Gast ans Lager und setzte sich überrumpelt von der unerwarteten Schreckensbotschaft, wie sie fand, zu ihm. „Oh mein Himmel, und nun...?“, hörte sie sich selbst verunsichert fragen und spürte zu ihrer Irritation Alajis Lächeln auf sich ruhen. „Nichts und nun. Ich weiß nicht, was es war, aber es hat wieder aufgehört. Das kann vorkommen, Nadeshda.“ Konnte vorkommen... aber wenn es zu etwas Schlimmem führte? Die Kleinere erschauderte. Sie kannte sich doch nicht aus, sie wusste doch nicht, was zu tun war! „Ja, aber... wenn es etwas Schlimmes war, was wollen wir dann tun?“ Sie hielt kurz inne. „Warte, es ist gut! Ich... ich gehe in die Trance und dann...“ Sie hielt im Sprechen inne. Sie war gerade erst in Trance gewesen, woher hätte sie diese Kraft nehmen sollen? Oh, wenn sie Shiran das nächste Mal begegnete, sie würde ihm alle seine abstrus schief gewachsenen Zähne ausschlagen, da war ihr doch glatt egal, wie viel kleiner sie war als er, er hatte sie übel dran bekommen, das verdiente eine Strafe... Alaji griff derweil nach einer ihrer sehr kleinen Hände und legte sie sich auf den Bauch, sie verwirrt von ihrer Sorge musternd. „Spürst du es? Es bewegt sich. Alles ist gut, ich habe kein schlechtes Gefühl. Du etwa?“ Das konnte sie nicht beantworten – wenn sie zuvor in Trance gewesen war, hörte sie ihre Götter doch nicht mehr! Aber sie hatte recht, der kleine Halbmensch bewegte sich sachte. Sie brummte leise, dank der Stille in ihrem Kopf weiterhin verunsichert. „Du wirst schon recht haben.“ Die Haushälterin der Tankanas hieß Rayada, wie sie sich irgendwann vorgestellt hatte. Und sie genoss das Leben bei der eher unumgänglichen Familie – lieber ein schwieriges Umfeld als gar keines, hatte sie fröhlich erklärt. So war sie auch sofort auf den Beinen, als Nadeshda sie in jener Nacht bat, Alaji vom besten Tee zu machen, auch wenn die ihre Fürsorge für übertrieben hielt. Es musste ja nett wirken, dachte sich die kleine Frau, während sie so in der Küche saß und der Schwarzhaarigen beim Wasser aufkochen zusah. Normalerweise sprach sie viel, die Müdigkeit tat wohl ihres... In Wahrheit war es blanker Egoismus. Den durfte sie sich auch erlauben, dachte Nadeshda sich verbiestert, während sie neben dem Feuer saß und nachdachte. Alaji war ihr wie eine Schwester... sie war tapferer als Mabalysca, aber was wäre geschehen, wenn ihrem geliebten kleinen Halbmenschen etwas zugestoßen wäre? Sie war besorgt. Noch ein weiteres solches psychischen Wrack konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen... So fasste sie einen Entschluss. „Ich muss ins Dorf. Ich bin bald wieder da.“ Rayada sah ihr irritiert nach. „Ach Himmel.“, Alaji strich sich lächelnd durch ihr dünnes Haar, „Das... ist doch gar nicht nötig, meine Güte.“ Die Haushälterin überreichte ihr gähnend den duftenden Tee. Die Kräuter, aus denen er bestand, waren selten und hochwertig... „Wie die Herrin es wünscht.“, erklärte sie dann lächelnd und erlaubte sich, sich zu der Heilerin ans Lager zu setzen, „Geht es dir auch wirklich gut?“ Man kannte sich aus der Kindheit. Rayada hatte zwar nie zur Oberschicht gehört, war aber auch nicht immer arm gewesen; das war sie erst mit dem Verlust ihrer Familie geworden. Einst hatte sie im selben Weg gewohnt wie Alaji; sie waren nie unbedingt Freundinnen gewesen, sie teilten keine Interessen, doch man verstand sich und kannte sich auch. Die Heilerin nickte, an ihrem Tee nippend. „Ja... ich meine, natürlich war das nicht gut, aber mein Kind bewegt sich, es lebt, alles ist gut. Hätte ich gewusst, dass darum so ein Wirbel gemacht wird, dann hätte ich es doch gar nicht erwähnt... wo ist Nadeshda hin?“ Die Schwarzhaarige zuckte bloß mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Sie wird schon wieder hier auftauchen.“ Als rechnete sie damit, dass ihre Vorhersage just im nächsten Moment eintrat, schielte sich kurz zum Eingang, wo allerdings nicht geschah. Dann wandte sie sich wieder Alaji zu, leise hüstelnd. „Wo jetzt einmal keine hohe Herrschaft dabei ist...“, setzte sie dann wesentlich leiser als zuvor an, „Versteh mich nicht falsch, bei allen Göttern, ich mag unsere Herrschaften! Jedenfalls sehe ich euch immerzu und da frage ich mich doch, was ihr alle getan habt, dass ihr nun alle Babys bekommt!“ Als ihr Gegenüber ihr kurz einen sehr seltsamen Blick schenkte, errötete sie und hob abwehrend die Hände. „N-nein, nicht doch, das habe ich nicht gemeint, natürlich weiß ich, was ihr gemacht habt! Nur mit wem interessiert mich... ja, das geht mich nichts an.“ Sie kicherte kurz mädchenhaft und Alaji schüttelte grinsend den Kopf. Natürlich, so war das mit den Frauen im Dorf... nicht, dass sie sich nicht dazu gezählt hätte. „Ich bin mir selbst nicht sicher, wer für Nadeshdas Umstand verantwortlich ist.“, antwortete sie dann ehrlich. Natürlich hatte sie eine gewisse Ahnung, allerdings konnte sie letztere auf nichts stützen und ihre Freundin hatte ihr bisher auch nichts weiteres darüber erzählt. Da ihre Schwangerschaft eher unerwünscht war, konnte sich die junge Frau vorstellen, dass es der Kontakt mit dem Kindesvater vielleicht auch gewesen war... in welchem Sinne auch immer. „Und was mich betrifft...“, sie hielt inne, „Den kennst du gar nicht.“ Rayada verzog kurz das Gesicht, dann seufzte sie. Wie sollte sie denn so jemals ihre Neugierde stillen, bei allen Göttern? Im Dorf war es kalt, nass und still. Es regnete nicht mehr, aber die letzte Schauer war wohl noch nicht all zu lange her, Nadeshda ihrerseits rannte durch eine Menge Pfützen und musste auf halbem Wege schließlich inne halten, weil ihr schwindelte. Erschöpft hielt sie sich an einer Hauswand fest und keuchte, als sie ihre Rückenschmerzen spürte... was tat sie nicht alles? Alaji hatte schon so viel für sie getan, es war recht, dass sie versuchte, ihr etwas zurückzugeben, schalt sie sich, musste jedoch zähneknirschend einsehen, dass sie es nicht übertreiben durfte – so zu rennen bekam ihr irgendwie nicht mehr so gut. Nicht, dass es ihr mit den kranken Knien jemals gut bekommen wäre... Ihr Ziel war Alajis Mutter, denn wenn es eine Heilerin gab, die sich mit ihr messen konnte, dann sie, schließlich hatte ihre Tochter ihr Handwerk von ihr erlernt. Sie hatten sich zerstritten und die Tatsache, dass die junge Frau irgendwann einfach verschwunden war, ohne ihr den verständlichen Wunsch, ihr den Namen des Mannes zu nennen, der sie geschwängert hatte, zu erfüllen, erschwerte die Situation etwas. Und dennoch, sie waren Mutter und Kind. Nadeshda schauderte, als sie ihren Weg fortsetzte, dieses Mal jedoch etwas langsamer als zuvor. Kurz fragte sie sich, ob das für sie selbst und ihre eigene Mutter wohl auch gegolten hätte, dann entschied sie, dass es wohl besser war, es nicht zu wissen. Als sie die Frau aus dem Schlaflager geklopft hatte, war diese zunächst entsetzt. „Sie hat geblutet?“, erkundigte sie sich verwirrt und schläfrig und fuhr sich immer wieder durch die wenigen, spinnwebenartigen Haare auf ihrem Kopf, in ihrer Irritation vollkommen vergessend, ihre Herrin hinein zu bitten. Letztere hätte jedoch ohnehin abgelehnt. Sie nickte. „Nicht viel. Sie sagte, es sei nicht schlimm, aber ich bin besorgt.“ Es war seltsam, das einfach so zuzugeben, aber nicht ganz so sehr, wie die interessierten Blicke auf ihrem eigenen runden Bauch zu spüren, den sie einfach nicht mehr zu verstecken vermochte. Verfluchter Intrigant... Die Heilerin überlegte kurz, dann gähnte sie und wirkte etwas wacher. Ihr Ausdruck darauf war schließlich keinesfalls unberührt, aber dennoch hart. „Wenn sie es sagt, wird es stimmen, sie kennt sich aus. Dieses dumme Mädchen braucht meine Hilfe sicher nicht, mögen die Götter ihr ihr törichtes Verhalten verzeihen!“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Nadeshda schlang fröstelnd den Mantel, den sie sich notdürftig übergeworfen hatte, fester um ihren Körper. Sie schnaubte und ihr Atem kondensierte vor ihrem Gesicht. „Aber vielleicht irrt sie sich! Vielleicht stimmt etwas mit dem Baby nicht – deinem Enkel, Frau!“ Sie zeigte sich erstaunlich starrsinnig. Vermutlich war sie sich darüber im klaren, dass das Dorfoberhaupt von der vielen Hilfe, die sie während der großen Seuche geleistet hatte, wissen musste und sie sich so mehr erlauben konnte als andere Normalsterbliche. Dennoch, sie schien wirklich sauer zu sein, wenn sie so auf einen Befehl eines der Himmelskinder reagierte... „Mein Enkel, ja.“, bestätigte sie da düster, „Meiner, und wessen noch? Wer weiß, welchen Abschaum meine Tochter da austrägt, dessen sie sich so schämt, dass sie es nicht aussprechen kann? Vielleicht wäre es besser, würde sie es verlieren.“ In diesem Moment war sich die Jüngere sicher, dass ihr Gegenüber seine Worte nicht ernst meinen konnte. Nadeshda kannte sich nicht ernsthaft aus in solchen familiären Beziehungen, das maßte sie sich auch nicht an, aber so wie es schien stand hier eine Frau vor ihr, die einfach nur verletzt war. Und das war verständlich... sie entschied sich, ihre wohl einzige Freundin zu verraten, als sie deren Mutter nun mit festem Blick in die Augen sah. „Als sie im guten Land war, hat sie einen Mann kennen gelernt. Einen menschlichen Jäger, stolz, groß und gebräunt, und sie verstanden sich ohne Worte. Er hat sie beschützt und versorgt, als sie auf ihn angewiesen war und sie war ihm eine Frau, als er es auf sie war – das ist die Geschichte.“ Weshalb Alaji es nicht hatte aussprechen wollen konnte die Heilerin sich nun wohl selbst denken, entschloss die Kleinere grimmig. Sie würde nun hoffentlich kein schlechtes Wort mehr sprechen, denn obwohl sie mit ihrer unverheirateten Schwangerschaft selbst ein Gesetz brach, war sie noch immer mit das Oberhaupt dieser Tölpel. Ihr Gegenüber weitete die Augen, ansonsten rührte es sich nicht. „Bitte?!“, kam dann entsetzt und Nadeshda hielt es nicht für nötig, sich zu wiederholen. „Ich meine...“, sprach die Frau dann und fuhr sich wieder durch ihr lichtes Haar, „Sie hat einen Menschen wie einen Mann... du meine Güte. Aber dieser... Jäger... der war keiner Frau untreu damit?“ Das Götterkind dachte kurz nach. Nein, soweit sie sich erinnerte war es zumindest in diesem Punkt wohl eine reine Sache gewesen. So schüttelte es sie den Kopf. „Nein, war er nicht. Wirst du nun wohl mitkommen?!“ Alaji war entsetzt, als sie ihre Mutter im Türrahmen erkannte. Zuerst wurde ihr Gesicht bleich, dann rot und dann sah sie weg. „Warum... bist du hier?“, wagte sie dann zu fragen, während Nadeshda Rayada aus dem Raum schickte und es selbst für besser hielt, in etwas Abstand davor zu warten. Die Ältere setzte sich hoch erhobenen Hauptes zu ihrer Tochter ans Lager. „Nun, unsere Herrin befand eine Untersuchung für nötig – ich kann mich ihr doch nicht widersetzen.“ Darauf sah die Jüngere wieder auf. Sie brummte. „Unsere Herrin ist intelligent, doch in der Medizin nicht bewandert, anders als ich, die sich auskennt. Es ist nicht nötig, es ist alles gut. Geh nach Hause, schlaf weiter.“ Sie ahnte nichts von ihrem Wissen. Die Mutter seufzte. „Lass mich rasch nach dir sehen. Und dann sag mir doch, welcher Unhold das war. Ich werde nicht wütend sein. Bitte.“ Als Alaji sich einen flüchtigen Blick Nadeshdas aus der Tür fing, erschauderte sie. Nur deshalb war sie eigentlich hier... sie legte sich hin, um sich untersuchen zu lassen, was die Ältere auch unverzüglich tat. „Ein Mann namens Teco. Ein Jäger der Menschen. Ich weiß, dass ich verstoßen bin... bis... falls der Tag kommt, an dem du Teco triffst. Ich denke, dann wirst du verstehen, weshalb ich ihm verfiel...“ Wo er doch wirklich so bildhübsch gewesen war... sie hoffte, ihm und seinem schwachen Bein ging es gut. Ihre Mutter hielt inne und sah zu ihr auf, ohne entsetzt zu sein. „Es ist alles in Ordnung, wie du schon sagtest. Mit Schwangerschaften mit Halbmenschen kenne ich mich allerdings nicht aus.“ Sie seufzte und erhob sich, nur um sich dann noch einmal zu ihrer Tochter zu beugen und sie zu umarmen. „Ich wollte doch nur wissen, wer mein kleines Mädchen berührt hat. Ich verstoße dich doch nicht... dieser Mann muss ein ganz besonderer Mensch gewesen sein.“ Sie nickte und die Frau küsste sie kurz auf die Stirn, bis sie sich lächelnd wieder aufstellte. „Ich gehe nach Hause, ich muss schlafen. Du kannst gerne wieder kommen, Alaji... oder hier bleiben. Ich... bin dir doch nicht böse.“ Sie seufzte. Eigentlich doch etwas... wie hatte sie etwas mit einem Primitiven anfangen können?! Und mit dessen Blut hatte sich nun ihr gutes Blut vermischt, eine Schande... die Hauptsache war aber, dass es ihrer einzigen überlebenden Tochter gut ging. Und wenn sie ihr so eine Sorge hatte nehmen können... ihr leichtes Lächeln schien diesen Gedanken zu bestätigen. Nadeshda war normalerweise eine Frühaufsteherin, an jenem Morgen verdachte ihr aber niemand, dass sie selbst, als die Sonne bereits aufgegangen war, noch tief und fest schlief. Mahrran begrüßte den Umstand sogar... so konnte er einige seiner besten Männer einfach zu sich in die Küche einladen und musste nicht mit ihnen draußen im Regen stehen, während sie sich berieten. Nicht, dass der Regen ihm als Wassermagier viel ausgemacht hätte, aber bei jenem schlechten Wetter im Haus zu sein erschien ihm doch angenehmer. „Wie entwickelt sich die Lage da unten?“, fragte er seine Gäste ernst, während er am Tisch saß, die anderen Männer stehend, wie es sich vor dem Herrn gehörte. „Zwiegespalten.“, antwortete einer undurchsichtig, ergänzte aber dann: „Die Männer sind guter Gesundheit und ihre Speere sind... eben so gut wie Speere, die wir mit unseren Händen schaffen, sein können. Aber sie wollen nicht damit kämpfen.“ „Ungern.“, entschärfte ein anderer den Bericht des ersten, weil der Herr irgendwie schlechte Laune zu haben schien. Mahrran hob eine Braue. „Warum?“ Nadeshda hätte ihn sicher für seine Frage ausgelacht, hatte er das Gefühl, die Antwort war sicher banal. „Weil sie ungeschickt mit diesen Dingern sind. Mit der Magie sind sie gut, aber diese Stöcke richtig zu werfen... du meine Güte, das vermag vielleicht einer unter einem Dutzend.“ „Und nur die Besten mitzunehmen wird wohl nicht reichen, fürchte ich.“ Mahrran senkte den Blick aus den schlechten Augen und die Gäste verstummten. Als er dann die Stimme lautstark erhob, seine schlafende Zwillingsschwester völlig vergessend, zuckten die Männer überrascht zusammen, räusperten sich dann jedoch verlegen. „Kili!“ Jene Kili stand rasch in der Küche und es war das erste Mal, dass jemand, der nicht in der Gruppe von damals gewesen war, die Menschenfrau zu Gesicht bekam. Sie war groß, stämmig und gut genährt, ein Bild von einer Frau, aber etwas furchteinflößend dann doch. Vor dem Blauhaarigen faltete sie dann adrett die Hände vor dem leicht angerundeten Bauch. „Ja?“, fragte sie in ihrer eigenen Sprache und der Magier sah auf, um ihr in eben jener auch zu antworten. „Bist du dir wirklich sicher, dass es das Beste für uns ist, wenn wir deinen Leuten mit... Speeren begegnen? Wir sind Kinder der Mondmagie, das solltest du nicht vergessen, prinzipiell wissen wir uns auch anders zu behelfen...“ Sie verzog das Gesicht kurz, nahm dann die Hände vom Bauch und verschränkte sie grimmig vor ihrem üppigen Busen. Nein, sie würde keinen Rückzieher machen. „Natürlich. Die eigenen Waffen wirken am besten... ihr müsst halt üben!“ Er verzog das Gesicht enttäuscht, was seine Gäste, die kein Wort ihrer Unterhaltung hatten verstehen können, verblüffte Blicke austauschen ließ. „Dann müsst ihr eben üben. Übt es, bis ihr es könnt, ihr dürft nicht zulassen, dass die Menschen den körperlichen Vorteil, den sie einfach haben, derart ausnutzen! Ihr dürft euch nicht einfach nur auf eure Magie verlassen, die Götter haben eure Seelen sicher nicht in diese Hüllen gesteckt, damit sie schicker aussehen... benutzt das, was euch gegeben wurde, und das ist mehr als blanker Zauber!“ Kili musterte ihn streng, ohne zu verstehen, was er sagte, und die Männer wagten bei seiner enthusiastischen Rede nicht wirklich, zu widersprechen. Wunderbar, wie brachten sie das den anderen bei? „Eine andere Sache noch.“, fiel Mahrran da ein und er kratzte sich kurz am Kopf, „Wie sieht es im Gebirge aus... kommt man durch? Ich hatte einen Traum davon, aber ich bin mir nicht sicher... ich bin ja kein Seher.“ Das war so ziemlich das Letzte, als das man ihn bezeichnen konnte. Jemand anderem wäre er für seine Hilfe an dieser Stelle beinahe schon dankbar gewesen, aber der hatte ja durchbrennen müssen... auf dass er mit den Menschen zugrunde ging. „Wir wissen es nicht so genau.“, antwortete man ihm da, „Aber wir könnten jemanden hinschicken, der nachschaut.“ Was für ein Aufwand. Er seufzte. „Schickt Rato und Irlak. Die kennen sich aus. Und jetzt sorgt unverzüglich dafür, dass unsere Krieger den Umgang mit den Speeren beherrschen, damit wir diese Sache bald endlich hinter uns haben... langsam geht uns hier wirklich die Nahrung aus.“ Die Fischer meldeten schlechte Dinge. Sie mussten sich wirklich beeilen. Hinter den Bergen regnete es an diesem Tage nicht, viel mehr Nahrung hatte man im Stamm jedoch auch nicht. Shiran bemerkte Moconis Anwesenheit früh, drehte sich jedoch erst zu ihm um, als er genau hinter ihm stand. Sie hatten sich etwas vom Lager entfernt... aus irgendwelchen Gründen hatte der Seher in Richtung seiner Heimat blicken wollen. Er verabscheute sie, aber von eben dort kam er nun einmal und dieses gewisse Gefühl, das ihn damit verband, konnte er nicht auslöschen, so sehr er es sich auch wünschte. Moconi würde nicht von selbst sprechen... er wartete auf seine Worte. Dabei fiel es ihm doch ebenso schwer... Nadeshdas Fluch war mächtig und absolut grauenhaft gewesen und noch immer griff er mit kalten Fingern nach ihnen, obwohl er erleichtert hatte feststellen dürfen, dass seine Worte Wirkung gehabt hatten und sie dieses Unheil zumindest zeitweise aufgehoben hatte. Seine Götter warnten ihn jedoch... ihre Stimmung schwankte, sie konnte es jeden Moment wieder ändern und das würde ihnen allen schlecht bekommen. Kurz ließ er sich den Wind ins Gesicht wehen und erschauderte, obgleich er das Gefühl an sich mochte, es handelte sich schließlich um sein eigenes Element. Aber es war auch so nass... die hohe Wiese war ganz feucht und es fühlte sich unangenehm an, sie zu betreten. Nicht, dass er eine andere Wahl gehabt hätte, sie war überall... „Du möchtest wissen, ob ich etwas erreichen konnte.“, rang er sich letztendlich doch zu Worten durch und drehte sich zu dem Häuptling um, der unter seinem Blick augenblicklich den Kopf senkte. Nadeshdas Fluch ergriff zunächst die Schwächen eines jeden einzelnen... bei Moconi war es seine Schüchternheit, die er so kaum noch im Griff hatte, was ihm vor dem Stamm ziemliche Probleme bereitete. Dabei gab es so viel Streit, Wut und Verzweiflung, gegen die er nichts tun konnte... So nickte er schwach und Shiran trat ein paar Schritte auf ihn zu, worauf der Jüngere etwas zurückwich. Er hätte gern mit den Augen über sein Verhalten gerollt, aber es war nicht er selbst, der ihn so handeln ließ. Zumindest nicht die Seite an ihm, die normalerweise dominant war. Außerdem war ihm selbst der Antrieb, über jemand anderes den Kopf zu schütteln, längst vergangen... „Ja, konnte ich. Zumindest kurzzeitig... ich weiß nicht, wie lange Nadeshda an der Meinung, die ich ihr aufgezwungen habe, festhält. Sie... wünscht sich, über dich zu triumphieren. Über... dich persönlich.“ Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann schlang Moconi seine Arme fröstelnd um seinen Oberkörper. Er trug eine sehr schicke Weste, fiel Shiran auf, und als er einen Funken Neid in sich verspürte, brachte ihm das auch einen Wimpernschlag lang etwas Freude. Er bekam seine Gefühle zurück. „... dann... soll sie sich mir entgegenstellen.“ Das schien eine vernünftige Lösung zu sein, doch er würde scheitern. Falls die beiden wirklich jemals aufeinander treffen getroffen wären, hätte es für Moconi tödlich geendet; entweder, weil er es nicht mit ihr hätte aufnehmen können oder weil er die kleine Frau schlicht und ergreifend unterschätzt hätte. Aber darauf würde es hinaus laufen... entweder der Fluch oder die direkte Konfrontation. Shiran beschloss, sich weitere Gedanken darüber zu machen, wenn sein Kopf wieder klarer und sein Inneres wieder aufgetaut war, das führte so zu nichts. „Abwarten.“, riet er dem Häuptling so bloß und trat an ihm vorbei, „Nicht voreilig handeln, ehe dein Hirn dir wieder das sagen kann, was dein Geist wirklich für vernünftig hält.“ Moconi atmete einmal schwer und der Seher hielt kurz inne, um sich noch einmal zu ihm umzusehen. Er kehrte ihm weiterhin den Rücken. „Ich... möchte meinen Geist... endlich wieder zurück. Damit ich meinen Stamm... nicht weiter enttäuschen muss. Oder meinen Vater... wen auch immer.“ Er fuhr sich durch sein Gesicht und durch sein Haar, das dank des Stirnbandes, das er an diesem Tage ausnahmsweise einmal nicht trug, gar nicht so extrem abstand wie sonst. Shiran erzwang sich ein winziges Grinsen. „Dein Geist kehrt zu dir zurück, sei unbesorgt.“ ---------------------------------------- Kapitel 30... wie lange her. oô Der Abstand zwischen den Kapitel hier und dem Kapitel, an dem ich aktuell schreibe, hat sich aus irgendwelchen Gründen von ursprünglich 6 auf mittlerweile 15 Kapitel erhöht... ich sollte wohl schneller hochladen. ôo' Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)