Jumays Kinder von -Izumi- (Part 1: Kinder der Erde - Land des Anfangs) ================================================================================ Kapitel 29: Frost ----------------- Es war finster. Es war so unglaublich finster, dass Shiran glaubte, nicht einmal die Luft zum Atmen hätte die Finsternis übrig gelassen, jene Finsternis, die alles verschlang, was ihr in den Weg kam – oder auch zu flüchten gedachte. Es war selten, dass ein Seher in seinen Träumen nichts sah – egal, wie bedeutungslos es auch sein mochte, irgendetwas gab es immer, womit die Götter die verdiente Nachtruhe stören konnten, doch nun war da nichts. Von diesem Nichts erschreckt erwachte der Mann in tiefster und schwärzester Nacht. Draußen peitschte der Wind gegen die Hütte, fuhr an ihr vorbei und verursachte dabei seltsame Geräusche. Es erinnerte ihn etwas an die Schlacht, die er so abrupt beendet hatte; wenn ein Speer knapp an seinem Kopf vorbei geflogen war, dann hatte es sich kurzzeitig ähnlich angehört. Aber das hier war anders, bedrohlicher – dabei hatten diese Waffen ihn aufspießen können, nun lag er unter wärmenden Fellen in einer guten Hütte geschützt. Irgendetwas kam mit dem Wind und er konnte es nicht sehen, nicht begreifen... und trotzdem war es da. Er hatte das Gefühl, Moconi in Kenntnis setzen zu müssen – doch was hätte er diesem einfachen Mann erzählen sollen? Es gab nichts, was er in verständliche Worte hätte fassen können diesbezüglich. „Bist du wach?“ Er erschreckte sich tatsächlich etwas, als Sanan, am anderen Ende des Raumes, plötzlich zu ihm sprach, dabei hatte er geahnt, dass er nicht schlief. Wenn er es tat, hatte er eine sehr eigentümliche Art zu atmen, war ihm aufgefallen, wie ihr Vater sie auch gehabt hatte. „Ja, bin ich. Dieser Wind beunruhigt mich.“ Zu seiner Überraschung vernahm er ein leises Kichern. Sein Bruder sprach von selbst die Himmelssprache, fiel ihm nebenbei auf... „Dabei bist du doch Windmagier... die Hütte ist gut, sie hält ihm stand.“ Daran zweifelte er auch gar nicht. „Es ist nicht der Wind an sich, der mich unruhig macht.“, wagte er einen Versuch, sein ungutes Gefühl in Worte zu fassen, „Sondern viel mehr das, was er mit sich trägt.“ Darauf herrschte eine Weile Schweigen. Trotz des schauerlichen Heulens draußen, hörte Shiran, wie Sanan sich in seinen Fellen bewegte, sich ihm zuwandte. „So? Was trägt er denn in sich, der Wind?“ „Das weiß ich nicht. Konzentriere dich darauf, dann spürst du es.“ An sich hatte er damit gerechnet, dass der Jüngere ihm widersprach und ihn fragte, was er sich anmaßte, von ihm zu verlangen, wie eine Bestie zu denken... er gehorchte jedoch. „Ich mag den Wind auch nicht.“, kam dann nach einer Weile als Antwort, aus der er jedoch nicht mit Sicherheit schließen konnte, ob der Jüngere ihn auch wirklich verstanden hatte oder nur gesprochen hatte, damit er nicht vollkommen dämlich da stand. Letzteres hätte er so oder so nicht getan, Shiran schätzte ihn. Seine nächste Frage war abermals verwunderlich für den Seher. „Wie ist es jetzt in deinem Heimatland?“ Das fragte er sich auch. Er ging einen Moment lang in sich, bloß um abermals festzustellen, dass dort nur Finsternis war, die sogar die Stimmen in seinem Kopf verschluckt hatte. Wunderbar. Und er ahnte, wer daran wohl schuld war... „Ich weiß es nicht.“, entgegnete er so schließlich ehrlich, „Die Finsternis macht mich blind. Das ist seltsam – und selten. Ich weiß nicht, was das soll.“ „Ein schlechtes Zeichen?“ „Oh ja.“ Der Morgen war grau. Die Welt hatte sich in etwas den Menschen unbekanntes verändert, das Wetter hatte die Savanne neu geformt und mehr denn je wünschte man sich den wärmenden Sommer herbei. Man konnte nicht auf Dauer nur in den schützenden Hütten sitzen – es gab viel Arbeit und das immer. „Wir könnten es auch schlechter haben.“, erkläre Dherac Kinashi gelassen, als er sich in hilfsbereiter Manier um das Entzünden eines Kochfeuers bemühte, während seine Frau die Schlaffelle ausschüttelte. In ihrer Hütte war nicht genug Platz für eine Feuerstelle, so musste man sich auch bei solchem Wetter mit einer äußeren begnügen. Meist machte das nichts aus, aber im Inneren ihres Wohnraumes war es in diesen Tagen bitterkalt. „Ach ja?“, brummte die Frau nur missgelaunt und hielt in der Arbeit kurz inne, um das schneeweiße Köpfchen zu tätscheln, das aus ihrem Ausschnitt lugte. Bei solchen Temperaturen war es wirklich besser, Babys nah am Körper zu tragen, Kinashi kannte sich aus. „Ja!“, erklärte ihr Mann da weiter und ärgerte sich über den leisen Sprühregen, der das Entzünden der Flammen schier unmöglich machte, „Stell dir mal vor, wir wären jetzt an Karems Stelle! Die müssen jetzt schließlich ganz allein durch das Land ziehen... nicht, dass er das nicht verdient hätte, einen schlechteren Jagdbruder kann man sich nicht vorstellen, den Stamm in diesen Tagen im Stich zu lassen...“ Die Frau nickte bloß seufzend. Wer wusste in diesen Tagen schon, was gut und was schlecht war...? Sie war sich jedenfalls nicht sicher. „Ich habe gehört, Moconi schickt ein paar Jäger aus... wirst du dabei sein?“ Dherac grinste, als es endlich ein Funke schaffte, das Brennmaterial zu entzünden. So etwas konnte er seiner guten Frau wirklich nicht zumuten... „Nein.“, antwortete er dann, in seinem Inneren wesentlich weniger erfreut als er zugeben mochte, „Ich soll mich noch schonen, sagte Moconi. Schonen, tse. Mit meinem einen Auge sehe ich besser als er mit beiden zusammen, aber ich bin nicht Karem, also respektiere ich den Unsinn.“ Saltecs Sohn war mitunter ziemlich unberechenbar, hatte er gelernt, obgleich er meist berechtigt handelte. Kinashi sah ihn einen Moment aus großen Augen an, dann zeigte sie kurz ein minimales Lächeln – ein seltener Anblick in diesen Tagen. „Gut.“, kommentierte sie das entgegen seiner Erwartungen. Sie hätte ja auch auf den Häuptling schimpfen können, dachte er sich etwas geknickt, verbarg das jedoch natürlich, wie es sich für einen anständigen Jäger auch gehörte. „Wir können diese Zeit gut nutzen. Morny möchte nicht die Jüngste bleiben.“ Sie schüttelte ein weiteres Fell aus, dieses Mal mit mehr Elan. Der Mann erhob sich sichtlich irritiert und trat neben sie. „Jetzt schon? Das ist ziemlich früh dieses Mal, Kinashi.“ Sie hielt in der Bewegung inne. Törichter Idiot. „Ich weiß, Dherac, ich weiß. Aber sprich, Mann, wirst du jünger? Werde ich jünger? Die Götter haben uns die Gabe geschenkt, ohne viel Mühe viele gute Kinder bekommen zu können, damit leisten wir unserem Stamm einen guten Dienst! Ich möchte noch viele Babys bekommen, so lange ich kann.“ Als sie ihre Arbeit fortsetzte, lächelte sie versonnen. Sie liebte es, Mutter zu sein. Sie konnte nicht verstehen, warum viele andere Frauen, die nicht einmal halb so viele Kinder hatten wie sie, oftmals so genervt oder gar überfordert mit ihnen waren. Kinashi war sich sicher, es war ihre Bestimmung, sehr viele gute Kinder zu bekommen. Außerdem fühlte sich ihr Bauch nach so vielen Schwangerschaften leer an, wenn einmal kein neues Leben darin heranwuchs... und Dherac war so wunderbar darin, ihr welches einzupflanzen! „Ich weiß schon, warum ich dich an mein Feuer rief. Ich habe ein Auge für intelligente Menschen.“ Er strich ihr versonnen über den Rücken und den Hintern, den er gern mochte. „Meine Frau spricht wahre Worte. Vielleicht war es Wille der Götter, dass ich diese Zeit bekommen habe... das wird eine gute Sache.“ Sie grinste bei seinen Worten – und seinen Berührungen. Seine Hand fuhr nach vorn, über ihre Oberschenkel und in eine Richtung, die dank der schlechten Witterung viel zu schwer zu erreichen war. Oh, sie musste sich mit dieser elendigen Arbeit beeilen – ach, und kochen musste sie auch noch. „Soll ich mich um das Essen kümmern? Und Morny?“ Oder auch nicht. Als das Paar sich umdrehte, stand ihre älteste Tochter Calyri hinter dem Feuer, dem sie einen raschen, aber bewundernden Blick schenkte. Ihr Vater hatte es wirklich entzünden können... „Das wäre eine gute Sache!“ Schweren Herzens entfernte Kinashi sich kurz von ihrem Mann, um aus ihrem Ausschnitt ihr Baby zu heben und es seiner Schwester in die Arme zu legen. „Warte, ich gebe dir die Trageschlinge... lass sie nicht an der Luft, trage sie unter der Kleidung, aber achte darauf, dass sie atmen kann... so.“ Sie hatte das Stück Fell, mit dem sie sich ihr Kind umgebunden hatte, unter ihrer Kleidung hervorgenestelt und der Jüngeren ebenfalls übergeben, die sich das Baby in gewohnter Manier damit auch umband. Morny gluckste. Aus irgendwelchen Gründen schien ihr die gewohnte Prozedur zu gefallen. „Unsere Calyri ist eine gute Frau. Sie könnte längst eigene Kinder haben. Was hält Moconi noch davon ab?“, erkundigte Dherac sich derweil und trat neben die beiden. Seine Tochter errötete. „Das... ist eine schwierige Sache. Die Götter schenken mir immer wieder Gedanken an den armen Teco, wenn mir danach ist, zu Moconi zu gehen. Und ich glaube, ihm ist ebenso.“ Ihre Mutter schüttelte nur verständnislos den Kopf. „Teco wäre ein guter Mann gewesen, wäre er nicht zum Krüppel geworden. Für mein Kind nur das Beste, und wenn das nicht mehr da ist, das Zweitbeste. Geh zu dem Häuptling und bitte ihn darum, dir endlich neues Leben einzupflanzen, ihr verschwendet beide eure Leben, wenn ihr nicht endlich mal macht! Und ich...- huch!“ Sie wurde unterbrochen, als Dherac sie einfach hochhob und auf Händen davon trug in Richtung ihrer Hütte. Calyri lachte. Karem ahnte nicht, dass sein Aufbruch nicht unbedingt die schlechteste Idee war, die er jemals gehabt hatte. Die Witterung war schlecht... so schlecht, dass sich selbst die meisten Tiere verkrochen. Es musste auch eine schwere Zeit für sie sein, überlegte sich der Mann, während er seine Familie durch das weite Land in unbekannte Richtung führte. Sie waren dieses Klima schließlich auch nicht gewohnt. Und sie waren weniger intelligent als die Menschen, die sich anzupassen wussten. Der Mann seufzte leise, als er kurz über seine Schulter schaute zu seinen jüngeren Kindern, die trotz der Witterung fröhlich schienen. Besonders der zurückgebliebene Resak hatte seinen Spaß, ohne den großen Stamm zu reisen fand er sehr interessant und abenteuerlich. Suale, nach Joru der älteste Sohn, hielt mit gleichmütiger Miene mit seinem Vater Schritt. Er war ein guter Junge, wenn auch etwas eigenbrötlerisch. Das konnte Karem ihm bei seiner Mutter nicht verdenken. Letztere ging neben ihrem jüngeren Bruder, der die Familie ebenfalls begleitete, her. Sie sprach mit ihm, so leise, dass niemand anderes sie verstehen konnte, und er antwortete ihr. So kommunizierten sie immer. Sie waren sehr eigen. „Sie war mir versprochen.“, brummte Randary derweil finster, während er neben seiner Schwester ging, jedoch stur geradeaus blickend, „Schon seit sie ein Kind gewesen ist. Das verzeihe ich dir nie.“ Ardoma zischte. „Ich mache nicht die Regeln. Aber Rakia gebe ich dir sehr gern, wenn sie alt genug ist.“ Die Miene der Mannes verdunkelte sich, als sein Blick kurz zu dem fröhlichen kleinen Mädchen schweifte. Sie war ein gescheites Ding, sie wusste und erkannte viel und verstand sich darin, alle Lebenssituationen mit Leichtigkeit zu bewältigen, obwohl sie noch so klein war. Sie würde eine wunderbare Frau werden. Und genau eine solche wollte Randary nicht. Seine Frau sollte sein sein... er wollte Lauy, die naive, weltfremde Lauy. Aber sie hatte ihn nicht gewollt. Sie hatte ihn nicht gewollt. Das schnürte ihm die Kehle zu. Und Ardoma nahm ihn nicht einmal ernst, sie schüttelte bloß den Kopf und beschleunigte den Schritt, um an Karems Seite zu gelangen. „Wie geht es dir?“, erkundigte der sich und sie hob eine Braue dank der in ihren Augen seltsamen Frage. „Wie soll es mir denn gehen?“ „Dir war unwohl heute Morgen.“, erklärte er sachlich, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Seine Feststellung ließ keinerlei Widerrede zu – und er hatte auch recht, nach dem Aufstehen war es ihr wirklich nicht gut gegangen. „Es ist in Ordnung.“, entgegnete sie so schließlich trocken. Er schielte sie kurz von der Seite an. „Wenn es nicht mehr geht... dann trage ich dich. Das meine ich ernst.“ Denn er wusste mehr, als er zugegeben hätte. „Erwähne nicht, was ich dir heute Nacht anvertraut habe.“ Sanan sah müde von seinem Frühstück auf. Shiran ging es nicht gut... er saß in ein Fell gehüllt relativ dicht neben ihm und starrte versonnen in die Flammen, die schlechte Witterung ignorierend. „Was meinst du?“, wollte der Jüngere darauf wissen und hielt ihm auffordernd ein Stück Fleisch entgegen. Eines der letzten guten Stücke... Der Seher schüttelte bloß kurz den Kopf. Er wollte nichts essen, irgendetwas war hier falsch, etwas geschah, und er hatte das dumpfe Gefühl, es nicht aufhalten zu können... und es zerfraß ihn. „Dass ich nichts sehe. Moconi würde es sicher falsch verstehen und mich gleich wieder verstoßen, weil ich dem Stamm so nichts nütze... ich werde ihm bald wieder von Nutzen sein. Ich muss bloß herausfinden... was hier geschieht.“ Nicht, dass er es nicht geahnt hätte... wenn es wirklich so war, dann hatte er ein gewaltiges Problem. Er würde sich noch mit dem Häuptling beraten müssen... Der Häuptling selbst suchte etwas Abstand. Es gab viele Dinge, die ihn belasteten, vieles, worüber er nachdenken musste, so entfernte er sich mit einem Speer bewaffnet ein Stück vom Lager und stapfte durch das morastige Land. Er verstand nicht, welche Geister die Götter schickten, dass sie ein solch seltsames Wetter heimsuchte. Nicht einmal die Vögel waren geblieben... Er bedauerte es, nicht selbst einfach fort fliegen zu können. Hoch in die Lüfte, fort von seinem Heimatland, über die großen Wälder, die eine natürliche, unüberwindbare Grenze für alle Stämme bildeten, hinweg, in den unbekannten Rest der Welt, wo die Winter weniger hart waren und sich das Wild leichter vor die Speere treiben ließ. Und wo es keine Bestien gab. Letztendlich war er aber nur ein Mensch und an den Ort, an dem er sich gerade befand, gebunden. Und diese Tatsache zwang ihn, auch mit der Situation zurecht zu kommen, in die die Götter ihn gesteckt hatten. Er hasste es, eine Spielfigur zu sein. Und er hasste seine elende Unaufmerksamkeit. Peinlich spät bemerkte er erst die Schritte, die ihn gemächlich verfolgten; als er herum fuhr, den Speer abwurfbereit, stellte er jedoch fest, dass es keiner Verteidigung bedurfte – oder sie zumindest keinen Sinn hatte. Er ließ die Waffe wieder sinken, bedachte seine Verfolgerin jedoch eines düsteren Blickes. „Was machst du hier?“, erkundigte er sich grantig, darauf bedacht, dass sie seine Verlegenheit wegen seines Fehlers von zuvor nicht bemerkte. Sie würde es dennoch... das wusste Moconi an sich auch. Mefasa hatte ebenfalls inne gehalten, faltete nun die Hände adrett über ihrem noch flachen Bauch und lächelte den Mann fröhlich an. „Wir... müssen reden, mein Häuptling.“ Calyri hatte ein ungutes Gefühl, als sie ihren Geschwistern ihr Essen servierte, während ihre Eltern eifrig damit zugange waren, ein neues Geschwisterchen zu machen. Eine seltsame, bedrückende Stimmung lag über dem Lager und es tat ihr leid, nur kleine Portionen austeilen zu können; die Vorräte wurden langsam knapp. „Warum macht eure Frau euch kein Essen?“, fragte sie die Zwillinge, als sie beiden jeweils ein kleines Stück Impala-Fleisch und einen Mund voll Fett servierte; mehr gab es nicht. Die Brüder tauschten kurz einen Blick aus, in dem überraschenderweise jedoch kein Missmut über die Frage ihrer Schwester zu erkennen war. „Das wüssten wir auch gern.“, verkündete Novaya dann schulterzuckend und Semliya ergänzte, „Sie war vorhin einfach fort. Wohin sie ist – wir wissen es nicht. Liran ist aber bereits gefüttert worden.“ Ihr kleiner Stiefsohn saß neben ihnen am Boden und spielte mit einem alten Stück Stoff, besonders große Ansprüche an sein Spielzeug hatte er nicht. Es war untypisch, dass Mefasa ihren Sohn einfach zurückgelassen hatte; vermutlich traute sie ihren Männern jedoch zu, sich eine Weile um ihn sorgen zu können. Das war denen auch mehr als recht, sie waren nun schließlich erwachsen. Ranisin wusste das auch. „Werdet ihr... mitgehen?“ Er zuckte unter den beiden identischen, kühlen Blicken aus den ungewöhnlich hellen Augen zusammen. Sein Vater hatte gesagt, er durfte sich nicht alles gefallen lassen. Und er durfte bei allem Göttern auf gar keinen Fall Angst vor seinen beiden älteren Brüdern zeigen; er war zwar viel kleiner und schmächtiger als sie, aber noch immer ein Mann! Also hatte er seine Frage einfach gestellt. „Drücke dich deutlicher aus.“, entgegnete Novaya darauf und Semliya grinste. Sie wussten genau, wovon er gesprochen hatte... Der Jüngere senkte den Blick errötend und zupfte etwas an seinem Fleisch herum, bis er einen mahnenden Blick Calyris auf sich spürte, weil man nicht mit Essen spielen durfte; schon gar nicht in solchen Zeiten. „Na ja, die Jagd. Bald ist Jagd... geht ihr mit?“ An dieser direkten Frage fanden sie dann nichts mehr auszusetzen. War auch besser so, dachte sich die Älteste versonnen, während sie einen Arm um ihre Schwester Niray legte, die vermutlich nicht nur wegen der Kälte und der Nässe so zitterte und sich gar nicht wagte, aufzusehen. „Das würde dir wohl so passen.“, ließ sich Semliya darauf zu seiner Antwort herab, während Liran ihm glucksend auf den Schoß krabbelte und er ihn etwas an sich drückte, als sei es sein eigener Sohn. Novaya passte es wohl nicht, dass er mit leeren Händen da sitzen sollte, so nahm er Calyri wortlos Morny ab und ahmte seinen Zwilling nach. „Aber nein, wir werden hier bleiben. Wir müssen doch unsere Frau beschützen.“ „Zu zweit?“, wunderte Calyri sich stirnrunzelnd, während sie den Rest ihrer Mahlzeit zu sich nahm und Semliya grinste. Natürlich, als ob sie sich jemals freiwillig voneinander trennen würden... er schielte neben sich, als er einen äußerst seltsamen Blick auf sich spürte. Wäre es seine Art gewesen, so hätte er Novaya gefragt, was wohl mit ihm nicht in Ordnung war; es war nicht nötig, denn er erklärte sich von selbst. „Ich war der Meinung, wir gehen mit.“ Die Geschwister wandten sich geschlossen den Zwillingen zu; selbst Niray wagte sich vor Verwunderung, den Kopf zu heben. Auch der kleine Liran schien irritiert zu sein. „Semmi? Naya?“ Die Brüder sahen sich eine Weile regungslos in die Augen, dann wandten sie die Blicke zeitgleich wieder ab. „Wir wissen noch nicht, ob wir hier bleiben, oder mitgehen wollen.“, kam dann grantig von Semliya an Ranisin gerichtet, der bei dem giftigen Unterton zusammenzuckte. Novaya legte nebenbei Morny wieder zurück in Calyris Arme, ließ es sich aber nicht nehmen, sie noch einmal auf den weißen Kopf zu küssen, um sich von seiner Lieblingsschwester zu verabschieden. Dann erhoben sie sich und gingen. Sie sprachen erst wieder, als sie trocken in der Hütte saßen, die sie sich mit Mefasa teilten. „Warum bist du mir vor allen so in den Rücken gefallen?“, erkundigte Semliya sich ruhig, während er sich seine nasse Weste abstreifte und über einen schmalen Querbalken aus fremdartigem Holz hängte, damit sie wieder trocknete. „Das war doch nicht in den Rücken gefallen. Ich frage mich eher, wie du darauf kommst, wir blieben hier. Wovor sollten wir Mefasa beschützen?“ Novaya war unterdessen damit beschäftigt, seinen kleinen Stiefsohn auszuziehen und ihn daraufhin mit einem trockenen Fell abzutrocknen und in sein Schlaffell zu wickeln, in dem er auch artig sitzen blieb. Wenn er das nicht getan hätte, wäre er krank geworden und das wäre schlimm gewesen, das wusste er, und das wollte er doch nicht. Das hätte seine Mama sicher traurig gemacht! „Vor dem Stamm, der ihr genau so misstraut wie uns auch.“ Der Ältere der Brüder setzte sich neben den kleinen Jungen, während auch der Jüngere sich nun seiner Weste entledigte und sie aufhängte . „Ah. Aber irgendwann müssen wir ohnehin mit auf Jagd. Dann ist sie auch allein... wir können sie ja schlecht mitnehmen.“ Semliya verengte die Augen etwas, als sein Zwilling sich ihm nun gegenüber setzte und wie eine Art Spiegelbild im Wasser erschien. Er hatte recht... aber er wollte nicht mit. Nicht, wenn ihm noch immer so oft schwarz vor Augen wurde... Das geschah Tinash auch, hatte er mitbekommen, als er Tanest zufällig mit ihrer Schwester hatte reden hören, doch Tinash hatte jemand einen großen Brocken auf den Kopf geworfen und es musste wohl ein Wunder sein, dass der Mann überhaupt noch geradeaus laufen konnte. Aber ihn hatte keine Bestie mit Steinen beschmissen. Und Novaya teilte sein Leiden offensichtlich nicht. „Ich möchte aber dieses Mal nicht mitgehen. Das ist eine schlechte Zeit.“, versetzte er so dumpf und sein Gegenüber hob eine Braue, während der kleine Junge zwischen ihnen bloß unbekümmert irgendein Lied summte und sich dabei in seinem Fell hin und her wiegte. „Warum werden wir uns nicht einig, Semmi?“ „Was auch sonst.“ Moconis Worte waren nicht ernsthaft eine Frage, sondern viel mehr eine Bestätigung gewesen; ja, sie würden reden, er konnte ohnehin nicht entkommen. Mefasa schenkte ihm ein Lächeln, das in seiner falschen Güte nicht geschlagen werden konnte, und ließ sich ihr feuerrotes Haar vom garstigen Wind um die Ohren wehen. Wie Flammen... „Seltsame Zeiten sind angebrochen.“, begann sie und schien nahezu fröhlich dabei. Dem Mann stellten sich die kaum vorhandenen Nackenhaare bei dem andersartigen Akzent, den sie dank des des seltenen Gebrauchs ihrer Stimme noch immer nicht hatte ablegen können. Er glich dem von Shiran. „Du wirst es nicht glauben, aber das ist mir auch bereits aufgefallen.“, schnarrte der Häuptling darauf in gewohnter Manier, ohne zu versuchen, seine Abneigung zu überspielen. Sie kannte ihn. „Also, was willst du?!“ Sie legte ihren Kopf leicht schief, ihn weiterhin schauerlich anlächelnd. Wie gerne hätte er ihr ihr hübsches Gesicht zertrümmert... er erinnerte sich kurzzeitig an den einzigen Moment des Triumphs über sie, den er jemals in seinem Leben hatte genießen dürfen; der gar nicht so lange her war und den er dennoch verdrängt hatte, weil er ihn auch beschämte. „Ich möchte dich dazu anhalten, deine Krieger gut vorzubereiten. Ich fordere, dass ihr das Volk, das von hinter den Bergen stammt, bei seinem nächsten Auftauchen besiegt. Dass ihr es... vernichtet.“ Etwas Diabolisches schlich sich in ihre Miene. Moconi hob nur eine Braue. „Ja, noch eine Überraschung, aber genau das hatte ich zufällig auch vor, von meinen Männern zu verlangen. Wie gut, dass wir uns so gut verstehen – und jetzt rasch zurück ins Lager, dein Baby wartet auf dich.“ „Mein Baby geht dich nichts an.“, stellte sie klar und ihr Ausdruck schien sich wieder aufzuklaren, freundlicher zu werden; doch in Wahrheit war es nur der Anfang gewesen. Wieder einmal stellte der Jäger fest, dass er sie inzwischen wirklich gut kennen musste. „Meine Forderung ist... anders, als du deine gedacht hast, Moconi. Es muss dringender werden!“ Bei ihren letzten Worten hob sie wichtig einen Zeigefinger und kicherte kurz. Oh, wie gern hätte er ihr das Lachen aus dem Gesicht gewischt, auch wenn es an sich gewiss nicht seine Art war, einer Frau weh zu tun. Aber das war keine Frau. Das war ein Monster. „Entweder, ihr besiegt die... Bestien mit ihrem nächsten Auftauchen, oder ich besiege sie – und euch.“ Ihr letzter Zusatz schockte ihn nicht wirklich. Sie hatte schon oftmals angedroht, alles und jeden in ihrer Umgebung zu vernichten, und obgleich er es ihr absolut zutraute, überraschte es ihn nicht. Treffen wie diese bedeuteten meist solche Worte. „Und wie gedenkst du das zu tun, wenn ich fragen darf?“ Er stand ihr absolut starr gegenüber, wie es seine Würde als Häuptling irgendwo von ihm verlangte; und er wusste, dass sie es lächerlich fand. Sie gluckste und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Es ist ganz leicht.“, erklärte sie frohen Mutes, „Sowohl der Stamm, als auch die Magier sind darauf bedacht, sich selbst keinen Schaden zuzufügen. Ich denke, es gäbe für beide Seiten dutzende wunderbare Möglichkeiten, diese sinnlose Schlacht um ein viel zu großes Land rasch zu beenden! Der Preis wäre jedoch, dass man sich auch selbst auslöschen müsste, nicht wahr?“ Er brummte und sie sah in ihre wahnwitzigen Vorstellungen vertieft lächelnd zu Boden, wirkte dabei beinahe bescheiden oder gar verlegen. „Nun, da jedem das eigene Leben zu lieb ist, geschieht das natürlich nicht. Das muss es auch nicht, ich fordere nur euren Erfolg. Ansonsten werdet ihr alle im Dornenfeuer verbrennen.“ Sie sah ihm wieder in die Augen, die er zu schmalen, dunklen Schlitzen verengt hatte. Die Frau mit dem flammenden Haar brachte das Dornenfeuer, das Feuer, das zu groß war, um es zu löschen oder zu bändigen, wenn es erst einmal entfesselt war. Moconi fragte sich kurz, wie Mefasa sich diesen Begriff zu eigen hatte machen können – und weshalb die Götter ihr die passende Identität dazu geschenkt hatten. Er war ihr hörig bis auf das letzte Wort. In Wahrheit war es ihr Stamm, in Wahrheit hatte Saltec ihr ohne es selbst zu wollen seine wertvolle Macht übertragen. Manchmal schwieg sie lange. Manchmal bildete sich der junge Mann ein, die Kontrolle wäre sein, er hätte die uneingeschränkte Macht und alle Entscheidungen lägen bei ihm – so, wie es normalerweise auch hätte sein sollen. Doch ein einziger Blick in ihre blauen Augen genügte ihm, um ihm zu zeigen, wo sein Platz war. Er konnte den seltsamen Zerit nicht verdammen. Er hatte selbst eine Herrin, der er gehorchen musste, weil in ihren Händen viele Leben lagen. Viel zu viele. Und die einzige, mit der er diese Last hatte tragen können, war nun weit entfernt. Aber immerhin war sie frei von dem, was die Geschwister seit ihrer Kindheit beinahe in den Wahnsinn getrieben hätte. Das Wissen um die Lügen und Intrigen eines scheinbar harmlosen kleinen Mädchens, das ihnen das Leben zur Qual gemacht hatte. Sie hatten gedroht, sie zu verraten. Sie hatten ihrem Vater sagen wollen, dass die Fremde sehr wohl hören konnte und sprechen auch; zwar nur eine seltsame Sprache, aber ihren Mund hatten von Anfang an deutliche Worte verlassen. Und sie hatten sie rasch verstanden. Mefasa war schnell gewesen. Mit nur einer Handbewegung hatte sie Kilis komplettes Haar versengt gehabt. Und mit nur wenigen, undeutlichen Worten hatte sie das Mädchen dazu gezwungen, ihren Bruder der Tat zu beschuldigen, die letztere auch gestanden hatte. „Sie hat mich geärgert, da hab ich sie geschubst! Sie muss an das Kochfeuer gekommen sein!“ Und Kili hatte geweint und genickt. Ihre Mutter war gezwungen gewesen, ihr Kopfhaar so kurz wie das eines Jungen zu schneiden und Moconi hatte sie für seine Unvorsichtigkeit so fest ins Gesicht geschlagen, dass seine Lippe so heftig aufgeplatzt war, dass er einige Tage danach noch kaum etwas hatte essen können. Das hatte den Geschwistern gereicht. Und dennoch war er ein Mann. Und Mefasa – was letztendlich nicht einmal ihr wirklicher Vorname war – musste irgendwo so etwas wie eine Seele haben, die man verletzen konnte. Irgendeinen Schwachpunkt, es galt ihn nur zu bestimmen, wie das Tier, das sich am weitesten von der Herde entfernt aufhielt. „Und du würdest uns alle opfern, verstehe ich das richtig?“ „Absolut!“ Sie klatschte in die Hände, als hätte sie so eben einem kleinen Kind etwas wertvolles für sein Leben beigebracht. Er schnaubte nur. „Und dein Sohn? Und deine Männer?!“ So kaltherzig konnte sie nicht sein. Hoffte er zumindest. „Mein Baby geht dich nichts an.“, wiederholte sie guter Dinge, „Und von welchen Männern du sprichst, weiß ich nicht. Ich hatte nur einen Mann... der ist leider tot.“ Ihr Lächeln verschwand. Dann hatte Rhiks Tod ihr also etwas bedeutet? Kurz wunderte sich Moconi darüber, dass sie das so einfach vor ihm zugab, dann schalt er sich einen Narren – das war Vergangenheit, auch wenn es sie geschmerzt hatte, ein toter Jäger brachte keinen Nutzen; auch nicht in diesem Falle. „Novaya und Semliya.“, nannte er so die wohlbekannten Namen von Dheracs Zwillingen, die sich der Frau so sehr verschrieben hatten. Hätte er den beiden nicht ebenso misstraut, so hätte er gar nicht zugelassen, dass sie unwissend das Lager mit einem solchen Biest teilten. Ihre Miene blieb unverändert. „Diese Narren hätten spätestens bei ihrer Prüfung sterben sollen. Ich war wirklich verwundert, dass die beiden zurückgekehrt sind. Dabei ist das Kind, für das sie einstehen wollen, meiner größten Vermutung nach nicht einmal von einem von ihnen.“ Sie lächelte wieder, dieses Mal jedoch nicht so aufgesetzt fröhlich wie zuvor; es war ein ehrliches Lächeln, das ihre Gedanken und Gefühle in jenem Moment auf wortlose Art deutlich ausdrückte. Der Häuptling weitete die Augen kurz in stillem Entsetzen, dann entsann er sich, dass er ihr auf keinen Fall sein Innerstes derart offenbaren durfte, wie er es als Kind gelegentlich aus Unwissenheit getan hatte. Das wusste sie sehr genau auszunutzen. „Und dennoch hast du die beiden dem Zorn des Stammes derart ausgeliefert? Rührt es dich denn überhaupt nicht, dass sie dir derart verfallen sind?“ Sie schüttelte nur sachte den Kopf. „Sie finden mich interessant, das ist alles. Und das tun sie gemeinsam... und weil ich die einzige Frau bin, die sie sich teilen wollen, wollten sie an mein Feuer. Das ist alles. Außerdem...“, sie strich mit ihren Händen lächelnd über ihr Kleid, das ein Hochzeitsgeschenk von Rhik an sie gewesen war, „Semliya hat der mittleren Tochter von Tanests Schwester Leben eingepflanzt. Es war also recht so.“ Auf Moconis restlos irritierten Gesichtsausdruck musste sie verhalten lachen. Das war nichts gegen ihn... sie verstand seine Reaktion. „Ich könnte dir eine ganze Hand voll Frauen nennen, die allesamt beteuern, was für seltsame Söhne Dherac da gezeugt hat und die alle bereits das Lager mit ihnen geteilt haben. Aus Neugierde vielleicht... die beiden sind ja nicht abgeneigt.“, sie kratzte sich an der Stirn, „Zugegebenermaßen hat es mich geehrt, als sie damals um meine Hand gebeten haben und ich dachte mir, nun gut, ich will ihnen eine Chance geben, so wie ich es bei Rhik getan habe, vielleicht stellen sie sich ja genau so geschickt an. Aber bitte, was soll mir an zwei Jungen liegen, die mich am laufenden Band betrügen...?“ Paralysiert von der unzüchtigen Jugend seines Stammes wusste er nichts zu erwidern, konnte ihr ihre Einstellung diesbezüglich in seinem Inneren ausnahmsweise einmal nicht verdenken. So war das? Und er bekam natürlich wie immer nichts mit... „Da wir das nun geklärt hätten...“, sie klatschte abermals in die Hände, „Du weißt Bescheid. Denke an das Dornenfeuer, während du deine Männer zum Sieg führst, mein Häuptling!“ Und sie drehte sich schwungvoll um und schickte sich zum Gehen. Anschließend fing es wieder an in Strömen zu regnen. Im Lager sah es schlecht aus. Vielen waren die Vorräte bereits gänzlich ausgegangen, ihnen stand der Hunger ins Gesicht geschrieben. Die Stimmung war schlecht, es wurde wenig gesprochen und viele finstere Blicke wurden ausgetauscht. Moconi hatte das Gefühl, jeden Moment einen Speer in seinem Rücken erwarten zu müssen, als er durch die Reihen an Hütten ging. Sie machten ihn für ihr Elend verantwortlich... er fragte sich, ob sie wohl recht hatten. Vermutlich hatte er mit allem zu lang gewartet... er hätte schneller eine Lösung für das Problem mit dem wandernden Wild finden müssen. Wenn er ehrlich war, wusste er jedoch noch nicht einmal zu diesem Zeitpunkt, ob er die richtige Lösung denn kannte. Aber immerhin versuchten sie nun etwas... und etwas besseres war den anderen ohnehin nicht eingefallen. Komisch, dass Mefasa in solche Notstände niemals eingriff, das überließ sie schön ihm selbst, kam ihm, und er brummte. „Noch so ein düsteres Gesicht, das erträgt man ja nicht!“ Er sah auf und fand sich Tanest und jener besagten Nichte gegenüber, die – angeblich von ihrem Mann, einem tüchtigen, traditionstreuen Jäger – neues Leben in sich trug, das bereits so groß war, dass man den Abdruck ihres gerundeten Bauches unter ihrem schweren Kleid aus verschiedenen Fellen erkennen konnte. Und sie errötete nahezu ertappt, als sein Blick einen Moment länger als üblich daran hängen blieb, ehe er wieder das Gesicht der Frau seines Onkels suchte. Letzteres war etwas gerötet, was an einem anderen Tag in Kombination mit ihrem roten Haar sicher amüsant gewirkt hätte. Wie eine der Beeren, die die Vögel so gern fraßen im Sommer... „Das sind schlechte Zeiten.“, antwortete er der Frau nur ernst und sie deutete ein winziges Lächeln an. „Du hast es gewiss nicht leicht“, gestand sie ihm, „Aber glaube mir, meine Familie und ich stehen hinter dir, auch wenn ich manchmal garstig bin.“ Sie zwinkerte ihm zu und heiterte sein angeschlagenes Gemüt damit tatsächlich auf, wie sie da stand, mit ihrer Schande von Nichte, tropfnass, hungrig und trotzdem ihre Loyalität bekundete. Sie war eine gute Frau. Er lächelte und ließ seinen Blick auf den Haufen an Kleidung schweifen, den sie trug; ihre Begleiterin tat es ihr gleich. „Du warst nicht wirklich am Bach und hast gewaschen?“, erkundigte er sich beinahe amüsiert und sie schnaubte. „Irgendwann muss es ja getan werden! Und da dieser Regen scheinbar nie wieder aufzuhören gedenkt, eben heute, so.“ Sie würde ein gutes Feuer in der Hütte machen und die Sachen zum Trocknen aufhängen, dann würden die rasch wieder gut sein und niemand musste sich mehr schmutzig fühlen, so gehörte sich das. „Die Felle sind so schwer, wenn sie nass sind!“, wagte sich die untreue junge Frau da überraschend auch zu sprechen, „Es ist wirklich ein Graus! Calyri meinte, man bräuchte etwas anderes, woraus man Kleidung machen könnte, das wäre gut.“ Er verstand weder, warum sie dieses Frauengespräch mit ihm führte, noch, was er an dem angeblichen Missstand ändern sollte. Richtig, sie war mit seiner Calyri befreundet... „Und was möchtest du stattdessen tragen? Blätter?“ Nicht, dass in ihrer Nähe viele gewachsen wären, die für so etwas eine ausreichende Größe besessen hätten und er konnte sich auch beim besten Willen nicht vorstellen, wie man daraus hätte Kleidung machen sollen. Warum hatten die Tiere eigentlich Fell und sie Menschen waren gezwungen, es von ihrer Beute zu stehlen? Er erinnerte sich daran, dass sein Großvater ihm einmal erzählt hatte, warum das so war, aber er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie die Geschichte lautete. Nur die Erklärung seines Vaters diesbezüglich war ihm noch im Kopf. „Die Tiere, das sind Tiere. Und die Menschen, das sind Menschen. Was wären denn Menschen für Menschen, denen Felle wie den Tieren wachsen würden? Oder stell dir vor, es gäbe Tiere, die nackt herum rennen würden! Nein, Sohn, man muss den Menschen von dem Tier unterscheiden können und Fell, dass an dem Menschen wächst, ist nichts für ihn. Deshalb musst du dich als Mann immer rein halten von törichtem Haar, das nichts nützt, merk es dir. Er war sich relativ sicher, dass die Erläuterung seines Großvaters zu dem Thema sinniger und traditionsgetreuer gewesen war. Während Tanest kurz gluckste errötete ihre Nichte etwas beschämt von der herben Abfuhr. Er konnte es nicht ändern, aber Frauen, die ihre Männer hintergingen, konnte er keinen Respekt zollen. „Calyri hat gesagt, sie fragt den Seher nach dem Stoff, aus dem seine Kleidung ist. Der Seher trägt keine Felle!“ Da hatte sie allerdings recht, fiel ihm auf. ------------------------------ Noin, meine einzige Kommentatorin hat momentan kein Netz... q__q Kann mir bitte einer den Gefallen tun, und den Stalker-Verein Facebook überwachen? oô Ich habe das Gefühl, irgendwer bastelt da gerade daran, meine Projekte in irgendeiner Weise zu klauen und das gefällt mir nicht... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)