Jumays Kinder von -Izumi- (Part 1: Kinder der Erde - Land des Anfangs) ================================================================================ Kapitel 26: Gedächtnis ---------------------- „Iss. Du sagtest, du wolltest nichts verschwenden, schon gar nicht Geschenke. Novaya hat sich sehr angestrengt hierfür.“ Shiran bediente sich scheinbar ohne weitere Hintergedanken an dem guten Fleisch, während Sanan bloß zusammengekauert neben ihm hockte und kein Wort sprach. Er würde ihn auch nicht drängen... er verstand ihn. So viele Jahre hatte er an ihn gedacht, hatte überprüft, wie es ihm ging, ob er sich denn wohlfühlte oder ob er Probleme hatte, er kannte ihn in- und auswendig. Den Spielgefährten, den er sich seine gesamte Kindheit lang gewünscht hatte... und immer nur aus der Ferne hatte bewundern können. Mit der Gewissheit, dass die eigene Existenz vollkommen unentdeckt blieb... „Ich... verstehe das nicht...“, jammerte der Jüngere da plötzlich beinahe wehleidig und sah auf, um in die Flammen zu starren, „Wie kann ich eine Bestie sein? Ich meine, ihr seid ganz anders als wir!“ Der Seher gluckste. „Ist an dir irgendetwas, das nicht zu deinem äußeren Bild der Kalenao passt? Bist du groß und stark? Nun gut, in unserer Kultur bist du normal groß und sehr, sehr stark, aber davon verstehst du noch nichts.“ Dadurch, dass er wie ein Mensch hatte aufwachsen müssen, war seine Muskulatur für einen Magier unnatürlich ausgeprägt – was sicherlich kein Nachteil war. Aber das führte für den Moment viel zu weit... Sanan wandte sich ihm langsam zu und starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. „Ja... aber... ich kann nicht zaubern! Oder mit den Göttern reden!“ Das dachte er. Vielleicht hätte er doch noch etwas warten sollen... er biss genüsslich in eine Hasenkeule. „Du bist nicht besonders begabt in der Magie, aber besser als unsere Eltern. Von nichts kommt nur selten etwas, du musst deine Erdmagie einüben – und behaupte nicht, das könntest du nicht. Du hast es nie versucht.“ Er hielt ihm das Gegenstück zu seiner Hasenkeule entgegen, welches der andere zögernd und irritiert annahm. Dann fuhr Shiran fort. „Und die Götter sprechen sehr wohl zu dir. Woher... weißt du sonst, wo es das beste Wild gibt?“ Er grinste und aß unbeirrt weiter, dennoch bemerkte er, wie der Jüngere errötete und hastig den Blick senkte. „Das sind... die Götter?!“ Er schnaubte. „Ich hielt es für ein Hirngespinst! Ich dachte, mit mir stimmt etwas nicht!“ Der Seher verkniff sich ein amüsiertes Ich weiß. im letzten Moment. Oh ja, die Götter ließen niemals jemanden im Stich. Ihnen war natürlich klar gewesen, dass Sanan nicht als das, was er an sich war, hatte leben können – so hatten sie ihm ihre Liebe auf andere Art und Weise bewiesen und ihn für seinen Stamm so sehr wichtig gemacht. Sie waren mit ihnen gewesen... sie hatten Shiran darin bestätigt, dass die Regeln seiner Kultur in manchen Bereichen vollkommen sinnlos waren. Warum sonst konnte er an diesem Tage neben seinem so lange vermissten kleinen Bruder sitzen? Letzterer riss ihn aus seinen Gedanken, als er in bitterem Tonfall weiter sprach. „Ich... habe nicht erwartet, nicht einmal gehofft, jemals zu erfahren, wo ich herkomme. Das ist mein Stamm – das ist mir wichtig.“ Er schenkte dem Älteren einen beinahe traurigen Blick. „Jetzt... weiß ich es. Aber mir... fällt es schwer, mir das vorzustellen. Tut mir Leid, für mich bist du bestenfalls ein fremder Mann, Seher. Ich habe kein Interesse an dieser komischen Magie von euch... ich möchte doch nicht mit etwas zu tun haben, was meine Bekannten und Freunde verletzt und getötet hat!“ Es waren Worte, die er nie hatte hören wollen, wurde Sanan mit einem Mal klar. Er hatte sein Leben lang gewusst, dass er kein eingeborenes Kind dieses Stammes, der ihn versorgt und aufgezogen hatte, war. Dass mit dem Stamm, von dem er ursprünglich kam, etwas nicht so ganz in Ordnung sein konnte, war ihm bereits lange klar gewesen und er hatte sich ganz bewusst davon distanziert – er war nicht das leibliche Kind seiner Mutter, doch er war ein Jäger des Schlangenstammes und unterschied sich kaum von allen anderen, die ihn in ihrer Mitte als ihresgleichen vollkommen akzeptierten. Jetzt wusste er, woher er kam – sollte das etwas ändern? Besser war es keinesfalls, er wollte nicht mit den widerlichen Bestien, die ihnen so viel schlimmes antaten, in Verbindung gebracht werden. Er wollte auch keine Magie... und keinen Bruder. Nun war ihm immerhin klar, weshalb dieser seltsame Kerl unbedingt ihn hatte belästigen wollen... Shiran legte die Reste der Keule beiseite und erhob sich. „Das ist in Ordnung.“, bestätigte er die Worte des Jüngeren neutral, ohne ihm ins Gesicht zu sehen, „Im Prinzip habe ich nichts anderes erwartet.“ Dann ging er fort. Nadeshda fehlten zunächst die Worte. Dann hob sie verblüfft die Brauen und grinste kurz. „Du... möchtest meinen Bruder hintergehen?“ Kili schüttelte schaudernd den Kopf. Nein, so war das doch nicht... „Nicht hintergehen! Nur vermeiden, dass er meinen Stamm auslöscht! Mein Stamm hat nichts getan!“ Die junge Frau wusste, wie aussichtslos ihr kleiner Rettungsversuch war – aber sie musste doch etwas tun! Egal wo sie war und wessen Kind sie unter dem Herzen trug, sie blieb die Schwester von Moconi, die Schwester des Häuptlings! Und es war ihre Pflicht, zumindest zu versuchen, ihren Stamm zu beschützen; auch wenn es sie das Leben kostete. Und letzteres war ihr mittlerweile nur noch halb so viel wert wie einst... Sie hatte Mahrran durchschaut und hatte ihm keine Schwächen ihres Stammes offenbart. Das war nicht schlecht für den Anfang, doch wie sollte es weitergehen? Wenn sie etwas mitbekommen hatte, dann dass die winzige Nadeshda die Ideen ihres Bruders irgendwie dumm fand, darauf hatte sie nun gebaut. Mit dem, was sie von der Magierin wusste, lag sie nicht falsch. Sie wusste bloß nicht, dass es nicht um die Sache selbst ging, sondern nur um die Art, wie sie vollzogen wurde... aber das musste man ihr nun wirklich nicht verraten. Für die blauhaarige Frau klang das, was sich da anbahnte, doch sehr interessant... vielleicht sollte sie Kili irgendwie unterstützen? Sie grinste und strich sich unwillkürlich über den Bauch. „Erzähl ihm irgendetwas dummes. Erzähl ihm von irgendeiner Schwäche der Männer, die die Kalenao ausnutzen sollen, welche an sich aber eigentlich nur ein Vorteil ist! Sag, gegen Gegner, die mit denselben Speeren bewaffnet wären wie sie selbst, hätten sie große Probleme! Ja, das ist gut, das wird ihm garantiert so schnell nicht auffallen...“ Sie bemerkte, dass in ihren Worten wohl einige Fehler gewesen waren, sodass die Menschenfrau zunächst hatte überlegen müssen, was sie da eigentlich gesagt hatte... dann nickte sie. Aber wie sollte es danach weiter gehen...? „Irgendwann bemerkt er es... was soll ich dann tun?“ Nadeshda verengte ihre schmalen Augen noch ein wenig mehr. „Sei ein wenig raffinierter, Kili, so geht das natürlich nicht. Sei überrascht... sag ihm dann, dass seine Männer wohl einfach nicht gut genug waren. Und dann hoffe, dass er von dieser dümmlichen Idee ablässt...“ Das erschloss sich ihr. Und dennoch... sollte sie es tun? Sie entschied sich dafür... das war sie Moconi schuldig. Hoffentlich wusste er irgendwoher, was sie für ihn und alle anderen versuchte... sie ließ sich erschöpft neben die Magierin auf die hölzerne Bank in dem Raum, in dem sie manchmal aßen, sinken. „Was werden deine Leute tun?“, vernahm sie die unangenehme Stimme der Kleineren da und spürte ihren prüfenden, aber nicht böswilligen Blick auf sich. „Wie sie reagieren werden?“ „Nein, wie sie agieren. Sie werden doch nicht einfach nur da sitzen und warten, bis wieder irgendetwas schlechtes von uns kommt, was sie Leben kostet.“ Kili weitete die dunklen Augen etwas. Ja, die Frage war berechtigt... sie musste erst darüber nachdenken. Nadeshda musterte sie unterdessen beiläufig. Sie war so eine große und kräftige Frau, wenn die Männer so waren wie sie, war es kein Wunder, dass der erste Angriff so kläglich gescheitert war. Und es war kein Wunder, dass Mahrran Gefallen an ihr fand – zwar war es verwerflich, aber sie entsprach haargenau dem allgemeinen Schönheitsideal... anders als manch andere. Sie wandte den Blick von ihr ab, als die Jüngere antwortete. „Vielleicht überlegt Moconi sich irgendetwas, womit sie sich schützen können... ich denke nicht, dass ein... Krieg in seinem Interesse ist. Der Frieden ist Tradition. Traditionen sind ihm sehr, sehr wichtig.“ Kajira rannte dem Seher in die Arme. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn aus irgendwelchen Gründen schien er plötzlich sehr an ihm zu hängen... Irgendwelche. Ihm fehlte einfach eine bekannte Bezugsperson, Kajira war ein noch sehr, sehr junger Mann; in den Augen der Menschen noch ein Kind und er stammte aus einer riesigen Familie, Einsamkeit war ihm bisher vollkommen unbekannt gewesen und tat ihm so besonders weh. Also wollte er diesen Schmerz verdrängen, der Seher konnte es ihm nicht verübeln und entschloss sich dazu, über seine Anhänglichkeit kein schlechtes Wort zu verlieren. „Ich darf tatsächlich frei sein! Zumindest hier drin!“, berichtete der Jüngere ihm da beinahe euphorisch, wovon er ohnehin schon wusste. Er tätschelte ihm den Kopf, ohne eine Miene zu verziehen. „Das ist eine gute Sache.“, bestätigte er nur und sein gut gelauntes Gegenüber ließ von ihm ab und strahlte. „Vielleicht lassen sie mich ja irgendwann ganz gehen! Zu meiner Mabalysca! Hat mich ohnehin gewundert, dass keiner meiner Brüder nach mir gesucht hat bei dem Angriff...“ „Sie sind nicht dazu gekommen.“ Und sie hätten es auch nicht getan, aber das musste er dem Jungen ja nicht sagen. In ihrem Blutrausch hatten sie ihn einfach vollkommen vergessen... wie hatten sie nur können? Er war ein Seher, er galt als nahezu allwissend... aber er verstand so vieles nicht. „Und du bist wirklich sicher, dass... dass es funktioniert hat, Shiran? Und dass sie nichts wissen?!“ Der Junge nickte, als seine Mutter des Todes erschöpft auf ihr Lager niedersank. Sie brauchte viel Ruhe... sie war tagelang nur gerannt, und das, obwohl sie kurz zuvor erst entbunden hatte... das hatte sie natürlich sehr geschafft, aber Shiran war nicht ernsthaft besorgt, denn die Götter hatten ihm gesagt, dass sie sich schon bald wieder erholt haben würde, ebenso, dass sein kleiner Bruder in Sicherheit war. Man würde sich gut um ihn kümmern... Er hatte es angenommen, sein Schicksal als Seher. Ewig hatte er sich nicht dagegen sträuben können... er musste lernen, mit seinen Fähigkeiten gut umzugehen, hatte er beschlossen – wenn er es bereits früher getan hätte, hätte er vielleicht auch seinen Vater beschützen können... Das Kind schloss bitter die Augen. Jetzt war es zu spät... Von nun an lebte er allein mit Yvery. Und er wusste sehr genau, wie er sich seine Fähigkeiten zu Nutzen machen konnte... auch wenn es dreist war. „Ich soll deiner Familie Marktfreiheit gewähren? Weil du der Seher bist? Bitte?“ Marktfreiheit bedeutete in diesem Fall, dass man sich auf dem Markt von allem nehmen konnte, was man zum Leben brauchte, ohne eine Gegenleistung. Diese Möglichkeit hatten an sich nur sehr wenige Dorfbewohner. „Sonst müsste ich betteln. Meine Mutter kann nicht viel und ich bin noch zu klein. Ich kann nur hören und deuten, was die Götter sagen. Aber wir müssen essen.“ Der Herr zischte und verengte seine Augen zu sehr schmalen Schlitzen, als der kleine Junge vor ihm bei seinen törichten Worten nicht einmal mit einer Wimper zuckte. Er wusste, dass man ihn brauchte... na gut. „Ich entscheide, was ihr bekommt! Ihr werdet es dankend annehmen und niemals eine Forderung stellen, ist das klar?“ Der Junge nickte. Was der Herr ihnen zukommen ließ, reichte gerade dafür, dass sie nicht verhungerten. Und dennoch trieb es ihnen die Missgunst der anderen an den Hals... es war keine gute Zeit für sie. Shiran hoffte, er würde ein großer und starker Mann werden – schon sehr bald – damit er endlich für sich und seine Mutter anständig fischen konnte. Vater hatte es ihm schließlich beigebracht... „Ich nehme dich mit, wenn du magst.“, brummte sein Onkel, der eigentlich nur der Mann der Schwester seiner Mutter war, irgendwann, als sein kleiner Verwandtenkreis in jenem Sommer nach Sanans Geburt an einem warmen Abend gemeinsam vor ihren Türen am Strand saß, „Damit du es nicht verlernst.“ Im Gegensatz zu so ziemlich allen anderen, die er kannte, ausgenommen natürlich seine Familie, mochte Shiran den großen, breit gebauten Kerl, der nie lächelte und ständig schlecht gelaunt schien. Er durchschaute ihn, er hatte ein gutes Herz und so nickte er ihm dankbar lächelnd zu. „Ja, das wäre sehr gut. Ich danke dir.“ Er hob seine kleine Cousine auf seine Arme, die kurz nach seinem kleinen Bruder, der sich nun weit entfernt von ihm befand, geboren worden war. Er liebte das kleine Mädchen... sie gab ihm einen gewissen Halt und füllte dürftig das Loch, das der unerfüllte Wunsch nach einem Geschwisterchen aufgerissen hatte. „Aber sei vorsichtig...“, bat Yvery unterdessen leise, während sie neben ihm auf einem kleinen Felsen hockte. Sie war eine traurige Frau geworden und es tat ihrem Sohn weh, sie leiden zu sehen... sie hatte es schwer. Wenn es etwas gegeben hatte, was den Jungen sein Leben lang beeindruckt hatte, dann war es die Beziehung zwischen seinen Eltern gewesen. Sie waren sehr, sehr verliebt ineinander gewesen – schon als kleine Kinder, an sich. Mit seinem Vater war auch ein Teil seiner Mutter gestorben... und dass sie ein Baby, das sie drei Monde lang unter ihrem Herzen getragen hatte, einfach so hatte weg geben müssen, machte es ihr nicht unbedingt leichter. Sie vermisste ihren kleinen Jungen auch... Aber sie war nicht allein. Er spürte das Lächeln seiner Tante, als er das kleine Mädchen auf den Kopf küsste und dann ihr übergab, um seine Mutter darauf liebevoll zu umarmen. „Ich passe auf mich auf.“, versprach er mit den Worten eines Kindes, „Ich weiß doch, wann wir nicht heraus fahren dürfen. Ich bin so gut wie ein Mann!“ Sein Onkel knurrte, während er auf das weite Meer hinaus sah. Am Horizont braute sich etwas zusammen... wie damals. „Dein Vater hätte gut daran getan, dich nicht einfach hintergehen zu wollen, wie?“ Seine Frau, die neben ihrer Schwester saß, zischte kurz empört. Yvery schmiegte sich bloß seufzend an ihren ältesten Sohn. „Er hat doch recht...“ Hatte er auch, er war kein dummer Mann. Er lehrte Shiran alles, was er wusste, und verdiente sich auf diese Weise eine Menge an Respekt bei dem Jungen, der, wenn er nicht gerade auf See war oder für den Herrn und die Herrin sprechen musste, gern mit seiner kleinen Cousine spielte. Und so gingen die Monde dahin, in denen er seinen Vater vermisste, aber letztendlich, vermutlich dank seines geringen Alters vergaß, wie es mit ihm gewesen war und auch, dass er beinahe ein großer Bruder geworden wäre. Nicht die Existenz seines Geschwisterchens entfiel ihm, das nicht, viel mehr alle Wünsche und Sehnsüchte, die er damit verbunden hatte in einer Zeit, in der er trotz seines Wissens noch zu hoffen gewagt hatte. Und irgendwann waren aus den Monden zwei volle Jahre geworden. Er dankte seinen Göttern dafür, dass sie aus ihm einen großen, starken Mann gemacht hatten – zumindest fühlte er sich zu diesem Zeitpunkt so. Dass er für sein Alter sehr hoch gewachsen war, konnte allerdings tatsächlich niemand bestreiten. Sein Leben war vielleicht nicht gut, aber immerhin erträglich. Er hatte gelernt, dass er keine Freunde haben würde... niemals. Er war anders als sie, sie waren anders als er. Aber sie ließen ihn in Frieden und sprachen so mit ihm wie mit jedem anderen auch, die Kinder. Das reichte ihm schon. Alles war in Ordnung. Bis die Krankheit kam. Letztendlich wusste keiner mehr, woher sie gekommen war, nicht einmal mehr Shiran. Das Einzige, was er wusste, war, dass das Armenviertel eine Weile lang Sperrzone war, denn hier lebte die Krankheit und hier sollte sie auch bleiben. Es war schwierig, erkrankte Mitglieder der Mittel- und Oberschicht wieder zu heilen – mit den Niedersten ihrer Gesellschaft sparte man sich diese Mühe einfach, von denen gab es ohnehin genug, hieß es. Shiran hatte ein schlechtes Gefühl. Nicht wegen der Krankheit selbst, sondern dass er sich nicht wegen ihr sorgte, nicht einmal, als sein Onkel krank wurde und bald darauf im Sterben lag. Es war richtig so – die Götter kontrollierten seine Gedanken. Und die Götter hatten die Macht über Leben und Tod, so war es schon immer gewesen und das war auch das einzige, was rechtens war. Als sein Onkel dann verstarb, wurde auch dessen Frau krank. Weil man wusste, dass man ihr nicht würde helfen können, ließ man sie einfach, erfüllte ihr jedoch noch einen Wunsch, der in den Augen des kleinen Sehers und seiner Mutter vollkommen selbstverständlich war: Sie nahmen ihre nun zweijährige Tochter bei sich auf. Das kleine Mädchen benahm sich quietschfidel, einige Tage lang zumindest. Dann zeigte der böse Windgeist, der diese Krankheit lenkte, wie grausam er sein konnte, indem er ein scheinbar gesundes Kind innerhalb einer Nacht tötete. Erst als Shiran zusah, wie seine geliebte kleine Cousine verzweifelt Blut hustete, zitterte und schließlich in den Armen seiner Mutter leblos zusammen brach, zog sich in ihm etwas zusammen. Etwas, was ihm die Luft zum Atmen abschnürte... er verabscheute diese Ungerechtigkeit. Und er verabscheute die Tatsache, dass er nichts dagegen tun konnte – er wollte noch viel größer und stärker werden, damit er für Recht sorgen konnte! Damit auch die Armen gesund gepflegt wurden, wenn der Tod nach ihnen griff... Es verging nicht viel Zeit, da sagte man ihm, er müsse vor dem Herr und der Herrin vorsprechen – ungewöhnlicherweise jedoch nicht in ihrem Haus, sondern im Vorhof. Mit gehörigem Abstand empfing man ihn und man sparte es sich auch gleich, ihm zu erklären, weshalb man eine derartige Distanz zu ihm einhielt – er war mit der Krankheit in Berührung gekommen, er durfte sie auf keinen Fall weitergeben.Und darum ging es auch. „Bist du nun endlich zu einem Ergebnis gekommen?“ Ja, er hatte sich überlegen sollen, wie man der Seuche den Garaus machen konnte. Und die Antwort, die er hatte, war so simpel wie auch nachvollziehbar. „Ja. Man kann nichts tun. Wir müssen warten.“ Er sah, wie sich das Gesicht des Mannes vor Wut verzerrte. „Es würde kurzzeitig etwas nützen, würde man alle Kranken aus dem Dorf entfernen – auf eine der Inseln vielleicht – aber die Krankheit würde auf jeden Fall zurückkommen. Der böse Geist wird so lange bleiben, wie er will, denn die Götter haben ihn uns geschickt. Als Strafe... oder als Probe...“ Ein kalter Wind fuhr auf und zerzauste das relativ kurze violette Haar des Jungen. Langes Haar war schön, aber in seiner Schicht konnte er sich nicht wagen, sein Haar wachsen zu lassen, auch wenn es sicher hübsch gewesen wäre... ihm war wichtig, dass er einigermaßen hübsch aussah. „Probe...“, wiederholte der Herr sein letztes Wort langsam und klang dabei selbst prüfend, „Die Götter wollen unsere Reaktion prüfen. Ich sage, ich werde ihnen keinen Gefallen tun, indem ich mehr Risiken eingehe, als nötig sind – das Strandviertel bleibt abgeschlossen. Und du, Fassar, halte dich von allen Kranken fern, dich brauchen wir noch.“ Das war sehr leicht daher gesagt. Das Kind brummte missmutig, als es zu seiner Hütte zurückkehrte... das ganze Viertel war doch voll von Kranken! Und selbst, wenn er sich den lieben langen Tag lang nur zuhause versteckt gehalten hätte – was er gewiss nicht tat – so wäre er dennoch mit seiner Mutter in Berührung gekommen, die auch krank war. Noch wusste sie es nicht, aber Shiran hatte man es bereits mitgeteilt. Er wusste an sich genau, was geschehen würde... ganz genau. Aber es war zu grauenhaft, als dass sein naiver Jungenkopf das hätte verstehen können, und so schwor er sich, sich so lange um seine Mutter zu kümmern, bis sie wieder gesund war, egal, was der Herr dazu sagte oder auch nicht. Sein Vater hätte das sicher auch gewollt! … redete er sich ein. Zwar sollte er recht behalten, was das Schicksal Yverys betraf, denn das bewahrheitete sich nur wenige Tage später bereits, wurde aber dann dennoch überrascht. Dass der Herr nichts wusste, hatte scheinbar nicht gereicht. Er war irritiert, als er die Frau vor der schäbigen Türe empfing. Er hatte sie nicht oft gesehen in seinem Leben, wusste aber dennoch genau, wer sie war. Da sie schon über dreißig Jahre lang gelebt hatte, war sie wohl nicht mehr die Jüngste, aber auch definitiv noch nicht die Älteste unter ihnen. Sie war klein und schlank und bemerkenswert hübsch, das fiel Shiran trotz seines geringen Alters auf. Ihr langes, schwarzes Haar in einem Zopf geflochten, stand sie in einfacher, aber nicht schäbiger Kleidung vor ihm und visierte ihn mit ihren dunkelblauen und trotzdem eisigen Augen eine Weile stumm an. Ihre Gesichtszüge entspannten sich nicht, als sie schließlich sprach. „Meine Götter sprachen von deinem Ungehorsam.“, erklärte sie sachlich, ohne sich zu rühren oder sich irgendeine Gefühlsregung anmerken zu lassen, „Du weißt, dass du dich schützen musst. Und du weißt, dass deine Mutter bald sterben wird.“ Sie trat einen Schritt vor und wie selbstverständlich in die kleine Hütte ein, aber nur jenes kurze Stück, das sie damit überwunden hatte, dann versteinerte sie wieder. Der Junge war dabei irritiert zurückgewichen. Seine Mutter hob auf ihrem Lager schwer atmend den Kopf. „Du?!“ Sie nickte knapp, nicht undeutlich, aber auch gerade nur so viel, dass klar ersichtlich war, dass sie bejaht hatte. „Du bist ungebildet und naiv, nicht unbedingt dumm, Yvery. Du weißt, was dir blüht und ich weiß, dass du dein Kind sicherlich nicht weiter gefährden möchtest, daher nehme ich es heute mit.“ In diesem Moment wollte Shiran schreien. Er hatte sagen wollen, dass er nur nach Hause gehörte und dass es seine Pflicht war, sich um seine Mama zu kümmern... aber eben diese kam ihm zuvor, als sie ihr Haupt schwach wieder auf ihr Lager sinken ließ und versonnen zu sprechen begann. „Ich hätte nicht mit dir gerechnet...“, stellte sie klar, ohne böse zu klingen, „Aber ich bin froh, dass du da bist. Ja, hol ihn mit, er ist ein guter und gescheiter Junge... er ähnelt deinem Sohn, weißt du?“ Die Frau senkte die Brauen minimal. „Morys war kein solcher Träumer, er war Realist.“ Der Junge überhörte den Tadel seiner Großmutter und vergaß auch allen Gehorsam, als er sie grantig anfauchte. „Ich gehe nicht weg von hier! Nicht, damit der Herr mich weiter ausnutzen kann! Lieber sterbe ich – bei meiner lieben Mutter! Dann bin ich auch nicht allein...“ Es war eine bittere Wahrheit, die ihm mit einem Mal die Luft zum Atmen abschnürte und ihn verstummen ließ. Er hatte alle verloren. Seine Mutter war die Letzte, die ihm geblieben war... Er war nie reich gewesen, aber auch nie wirklich unglücklich. Geblendet von den Träumen seiner Kindheit hatte er bis zu jenem Moment nicht bemerkt, wie sein einstiges Glück mehr und mehr zu Staub zerfallen war. Als er der Mutter seines Vaters in jenem Augenblick ins Gesicht sah, wusste er, dass es das Gesicht seiner Zukunft war. „Es geht nicht um den Nutzen, der du dem Herrn bringst, Shiran Fassar!“, erklärte die Frau ihm da ruhig, aber kalt, „Zum einen bist du wichtig für das Dorf. Ich verstehe bei den Mächten der Götter, dass du dich nicht für die egoistischen Vorhaben der Tankana-Familie hergeben möchtest und sei dir sicher, ich werde die Letzte sein, die jemals verlangen wird, diesen Leuten hörig zu sein. Aber du hast Fähigkeiten, die uns allen nützen. Du bist der Seher, Junge – mache dir klar, wie vielen Kalenao du im Notfall helfen kannst, wenn du es nur zulässt. Dein Tod wäre ein herber Verlust für die Gemeinschaft.“ Sie wandte den Blick ab und schritt an ihm vorbei, zum Lager seiner Mutter, wo sie die Felle, mit denen sie sich zudeckte, ordentlich richtete und der jüngeren Frau kurz ungeahnt zärtlich durch ihr violettes Haar strich. Yvery lächelte darauf schwach. Dann trat die Frau wieder zur Tür, dem Kind den Rücken kehrend. „Und zum anderen... kann ich unmöglich zulassen, dass dir etwas geschieht. Du bist mein Enkel, die letzte lebendige Erinnerung an das einzige Kind, das die Götter mir je zugestanden haben. Ich muss dich beschützen, wenn es niemanden anderes mehr gibt, der das tun kann.“ Sie verließ das Haus. „Verabschiede dich, Shiran.“ „... ist es nicht so?“ Shiran zuckte überrascht zusammen, als Kajira vor ihm dümmlich kicherte. Wunderbar, da war er so in seine Gedanken vertieft gewesen, dass er dem armen Kerl gar nicht zugehört hatte. Beruhigenderweise waren seine Worte laut der Götter ohnehin belanglos gewesen... „Absolut, Kajira.“ „Speere?“ Mahrran weitete verblüfft die Augen, als seine Frau ihm strahlend berichtete, was ihr eingefallen war. Ihr Stamm sei nur mit eigenen Waffen zu besiegen... aha. Das klang ihm etwas zu einfach, aber wenn sie es sagte, würde da wohl schon etwas wahres dran sein – sie war schließlich seine Kili. Und es konnte sicher nicht schaden, wenn er seine Männer mit diesen seltsamen Dingern ausrüsten ließ; gefährlich waren die definitiv, das brachte sicher etwas. Als sich ein dankbares Grinsen in sein Gesicht schlich, erstrahlte die junge Frau noch mehr... wie seine eigene kleine Sonne. Oh, mit ihm stimmte wirklich etwas nicht. Was hatten die Götter nur mit ihm gemacht, dass er diese Menschenfrau so unglaublich liebte? Prinzipiell war es nicht ungewöhnlich, dass die Götter ihm als begabtem Magier deutlich machten, dass er die Frau gefunden hatte; aber warum ausgerechnet ein Mensch? Das war vor allen anderen so beschämend... dabei wollte er sich doch gar nicht ihretwegen schämen, das verdiente sie nicht. Er fragte sich, ob die Götter so entschieden hatten, weil er sich seinerzeit seinen mächtigen Eltern widersetzt hatte. Er erschauderte heftig, als er sich an jene Zeit erinnerte und beinahe schutzsuchend schmiegte er sich in die Umarmung seiner Frau. „Sie können damit kein recht haben. Ich glaube nicht, dass sie recht haben. Sie haben kein recht, Schwester!“ Nadeshda sah bleich zu ihrem Zwillingsbruder auf, der angewidert sein Gesicht verzog. Er liebte sie, zweifelsohne... aber sie war hässlich. Er meinte das nicht böse, überhaupt nicht, denn ihm war relativ egal, wie seine Schwester nun aussah, so lange sie auch nur letzteres war. Aber das wollten ihre Eltern ändern... sie waren vom Blute der Tankana-Familie, deren Zweige über die ganze Welt verteilt waren, hieß es. Aber in ihrem Land waren nur sie... man befürchtete, das wertvolle Blut würde sich verlieren – Mahrran verstand nicht, wie Blut sich verlieren sollte, und was es dabei für einen Sinn hatte, ihn mit seiner Schwester verheiraten zu wollen. Er war gerade erst zu einem Mann geworden, und das wurde man in seiner Kultur sehr früh, es fiel ihm schwer, sich überhaupt für eine Frau begeistern zu können, aber ausgerechnet Nadeshda? Sie war winzig wie ein kleines Mädchen, wirkte aber irgendwie noch viel zierlicher und zerbrechlicher. Einzig ihre Hüften verrieten ihre Reife im Ansatz... aber das nahm er kaum wahr, in seinen Augen war sie ein Kind, obgleich sie etwas älter war als er. „Wir müssen gehorchen. Das verlangt man von uns.“ Ihre Worte klangen dafür immer reifer als seine. Sein Blick wurde wehleidig, während ihrer trotz der offensichtlichen Anspannung vollkommen seriös wirkte. „Ich... kann aber nicht als Mann bei dir liegen. Ich kann das nicht! Ich... habe dich sehr lieb.“ Irgendwie passten seine Worte nicht ernsthaft zusammen, aber etwas anderes hatte nicht über seine Lippen kommen wollen. Sie erwiderte nichts und senkte den Blick, worauf er sie verwirrt in die Arme schloss... „Stimmt etwas nicht?“ Er hob irritiert den Kopf wieder an, als er die besorgte Stimme seiner Kili vernahm. Sie war ein Geschenk, auch wenn sie nur ein Mensch war, das war ihm nun klar. Er würde sie niemals wieder als Strafe ansehen... die Erinnerungen an das, was man ihm und Nadeshda angetan hatte, waren zu grausam, als dass er es sich leisten konnte, sich über eine hübsche Frau, die er wirklich begehrte, zu beschweren. „Alles ist in Ordnung.“ Er schmiegte sich eng an sie. Ja, das war ein Glück. Die Erinnerungen an jene Zeit hatte Nadeshda längst verdrängt. Es hatte so weh getan... Ihr fiel murrend etwas anderes ein, das mit Sicherheit auch sehr schmerzhaft für sie werden würde, als sie sich in eine warme Quelle sinken ließ, um zu baden. In den Bergen gab es nur wenige von ihnen – und die, die es gab, waren nur den wichtigsten Bewohnern des Dorfes vorbehalten. Also ihr. Das warme Wasser umfing ihren vom winterlichen Wind fröstelnden Körper sanft und ließ sie sich entspannen. Sie seufzte, als sie an sich herab blickte und an dem durch das Wasser etwas verzerrten Bild ihres sanft gerundeten Bauches hängen blieb. Da musste sie so leiden, nur um diesen Parasiten los zu werden, es war eine Frechheit von Shiran. Und noch ärgerlicher war, dass der Spinner nun auch noch fort war – sie hätte ihm zwar ohnehin niemals den Gefallen getan, seine Frau zu werden, aber ohne, dass er wenigstens versuchte, sie dazu zu bekommen, war das Ganze noch etwas sinnloser, fand sie. Sie hoffte, Alaji würde ihrem Befehl folge leisten... dieses Kind war des Lebens nicht würdig. Wobei, was dachte sie da? Mahrrans kleiner Halbmensch war es vielleicht nicht, aber das Kind eines Götterkindes und eines Sehers? Vielleicht war es ein Fehler. Sie hoffte, die Götter würden ihr noch Auskunft darüber geben... Noch ehe die leisen Schritte ertönten, wusste Nadeshda, wer ihr nun gleich Gesellschaft leisten würde. Sie lächelte matt, als sich ihre verträumte Schwester Mabalysca erschreckte, als sie den Weg hinauf kam und sie im Wasser entdeckte. Das hatte sie nicht geplant, sie war lieber allein... aber jetzt zu gehen wäre ihrer älteren Schwester gegenüber doch sehr unhöflich gewesen, und so verharrte die Jüngere zunächst errötend einen Moment auf dem staubigen Boden vor dem kleinen Tümpel mit dem warmen Quellwasser. Das würde ihr nicht gut tun... sie trug nur ein sehr dünnes Kleid, das sie sich übergeworfen hatte, weil es für den kurzen Weg bis zum Bad reichte, doch nun zerrte der eisige winterliche Wind an ihrem Körper. Der Himmel war zugezogen. Vom Meer aus zogen gewaltige Wolkenmassen landeinwärts und versprachen nichts Gutes... außerdem dämmerte es bereits. Es war wirklich eisig. Nadeshda war intelligent genug gewesen, auch einen Mantel für nach dem Bad mitzunehmen, ihre verträumte Schwester war da anders; sie war bereits mit der Situation, jemandem unerwartet zu begegnen, überfordert. „Festgefroren?“, schnarrte die Ältere so auch schließlich, „Komm endlich ins Wasser, du holst dir den Tod.“ Mabalysca zuckte aus ihrer Starre, dann nickte sie eifrig und tat wie ihr geheißen, sich in der Wärme sofort deutlich entspannend. Sie hatte nicht ernsthaft darauf geachtet, ihre Narben zu verbergen... Nadeshda kannte sie ohnehin. Sie blieb in einigem Abstand zu ihr sitzen. „Vielleicht wäre es besser.“, entgegnete sie schließlich, „Wer weiß, ob Kajira noch lebt? Die Götter schweigen mich an.“ „Nur, weil du dir eine Antwort erzwingen möchtest.“, war die gar nicht so unkluge Antwort der Älteren und das Mädchen seufzte. Ja, das war das Erste, was man einem Kalenao-Kind beibrachte; man konnte sich nichts erzwingen. Keine Antworten und keine Zauber, man musste auf die Güte der Götter hoffen und durfte nicht fordern. Und wenn man letzteres dennoch tat, so durfte man sich nicht wundern, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass das erwünschte Ereignis eintrat, immer geringer wurde. Aber was sollte sie sonst tun, wie sollte sie reagieren? Kajira war fort. Er war weg, er war einfach nicht mehr zurückgekehrt – aber anders als bei fast allen anderen hatte niemand seinen Tod bis zu diesem Tag bestätigen können. Vermutlich lebte er irgendwo – und das machte alles noch schlimmer. Zu wissen, dass das, was man sich am meisten wünschte, da war, nur unerreichbar weit fort, war schlimmer als die Gewissheit, es für immer verloren zu haben. Hoffnung tat so weh. Und niemand nahm sie ernst. Sie hatte es satt. „Ach, was soll ich denn sonst tun?! Euch ist es doch vollkommen egal, was aus mir wird, niemand hilft mir! Ihr kümmert euch immer nur um eure eigenen Angelegenheiten!“ Nadeshda zuckte unter der ungewohnt lauten und erbosten Stimme ihrer Schwester zusammen, schwieg jedoch. „So lange ist Kajira schon weg! SO lange! Und niemand hat bisher versucht, ihn zurück zu holen! Er ist euch egal! Ich bin euch egal! Verdammt... ich will doch nur seine Frau werden und Babys mit ihm bekommen, so wie so viele Mädchen zu Frauen werden und Babys bekommen... sogar du!“ Sie senkte ihr Haupt tief und erschauderte plötzlich, als ihr auffiel, wie sie gerade mit ihrer älteren Schwester, einem Götterkind von oberstem Rang, gesprochen hatte. Oh Himmel, das hatte ihr nicht zugestanden. „Es... tut mir leid.“ „Nein, ist schon in Ordnung.“ Sie schielte verschüchtert zu ihrem Gegenüber, das völlig ruhig da saß und sie musterte. Sie verstand sie nicht... „Es geht nicht um uns. Es geht um das Volk. Aber ich verstehe dich und räume Fehler ein. Ich denke, Mahrran sollte zumindest darin noch kooperieren, wenn wir ihn bitten, bei seinem nächsten Versuch jemanden gezielt nach Kajira suchen zu lassen... dann hätte diese Zeitverschwendung auch einmal einen Sinn.“ Sie erhob sich kurz, jedoch nicht, um das Wasser zu verlassen, sondern um sich dichter neben die Jüngere zu setzen, die darauf nur irritiert zu ihr blickte und unter den scharfen Augen Nadeshdas wieder zusammenfuhr. „Du bist eine Tankana, Mabalysca. Eine besondere. Wären unsere Eltern nicht so früh verstorben, so hättest du das Erbe unserer Eltern angetreten, wo du doch als einzige gesunde Tochter in höchstem Maße geliebt worden bist. Zu recht. Also zeige Rückgrat und zerfalle nicht an deiner Sehnsucht.“ Eine kalte Böe ließ einige kürzere Haarsträhnen wirr um ihr Gesicht wehen. Die Jüngere wollte sich ihren Worten zunächst ergeben, dann überlegte sie es sich doch anders und sprach ehrlich; weil sie eine Tankana war. „Ich soll an meiner Sehnsucht nicht zerfallen! Das kannst du nur verlangen, weil du nicht weißt, was Liebe ist, Nadeshda.“ Darauf herrschte eine Weile Schweigen. „Du hast recht, ich weiß es nicht.“ -------------------------- Da ich mittlerweile einen ziemlichen Abstand zwischen veröffentlichten und tatsächlich geschriebenen Kapiteln erreicht habe (momentan beende ich gerade Kapitel 40), folgen die Veröffentlichungen jetzt wohl wöchentlich. ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)