Jumays Kinder von -Izumi- (Part 1: Kinder der Erde - Land des Anfangs) ================================================================================ Kapitel 10: Freiheit -------------------- Kili traute sich keine Diagnose zu, erkannte Mabalysca. Der Himmel grollte, als auch nach dem heftigen Regen noch dicke dunkle Wolken den Blick auf das unendliche Dunkelblau versperrten und Nadeshda noch immer auf ihrem Lager lag, in einen leichten Dämmerschlaf gefallen. Sie sorgte sich um ihre ältere Schwester... sie sorgte sich ohnehin seit ewigen Tagen. Sie hatte die Menschenfrau wieder zurück in den Raum ihres Bruders gebracht. Auch der besorgte sie... er hatte in letzter Zeit viel mit Shiran zu tun. Zu viel, für ihren Geschmack... aber wenn sie sich ihre Schwester so ansah, konnte es nur nichtig sein. Es war sehr lange her, dass sie sie so leiden gesehen hatte... damals hatten sich alle, die etwas von Medizin verstanden, darum geschlagen, ein Heilmittel für sie zu erfinden, doch das einzige, was tatsächlich etwas Abhilfe verschafft hatte, war ausgerechnet von einem damals ebenfalls beinahe noch kleinen Mädchen erfunden worden; Alaji. Sie war eine bescheidene junge Frau, sie hatte gar keine Ahnung, wie dankbar das weibliche Dorfoberhaupt ihr in Wahrheit war. Mabalysca war sich beinahe sicher, dass von Nadeshda ausgehend sogar eine Art Zuneigung zu der schüchternen Heilerin bestand. Aber so etwas wie Freundschaften ging sie nichts an. Alaji war nicht da. Und was für sie persönlich noch viel schlimmer war, Kajira auch nicht. Sie schloss kurz ihre Augen, als der unendliche Ozean ihr eine salzige Brise entgegen wehte, während sie noch immer an einer der Fensteröffnungen im Zimmer ihrer älteren Schwester stand. Es war angenehm draußen, nicht zu heiß... die Sonne war schlecht für die helle Haut der Magier, bei solch bewölktem Wetter war das Dorf viel belebter. Und dennoch unterschätzten viele der einfältigen Fischer die Sonne und waren am Abend doch verbrannt. Sie selbst war eine Tankana... ihre Haut war noch nie zu lang der ungesunden Strahlung ausgesetzt gewesen. Ob Kajira es nun war? Seine riesige Familie vermisste ihn sicherlich nicht einmal, wenn die überhaupt bereits gemerkt hatten, dass einer fehlte... bei allen Göttern. „Ich wollte doch nur, dass du mein Mann wirst... dass wir eine Familie gründen...“ Diese Hoffnung konnte sie nun wohl aufgeben. Als sie die Augen wieder öffnete, erschauderte sie bei der brüchigen Stimme der älteren Schwester, die wohl gar nicht so sehr zu dösen schien, wie sie angenommen hatte. „Das... wirst du... sicherlich. Es wird gut... versprochen...“ Als sie sich zu ihr umwandte, zierte Nadeshdas Gesicht ein winziges Lächeln. Sie würde sich nicht beschweren... sie hatte sich nie beschwert. Nicht einmal darüber, dass sie ihre gesamte Kindheit nicht wirklich hatte gehen können, niemals selbstständig ihre Welt erkunden. Sie war schon immer zu stolz dazu gewesen, um irgendein bekennendes Wort zu dieser Schwäche zu äußern. Dennoch waren ihre Iriden vor Schmerz vernebelt. Sie trank viel zu wenig, damit sie sich nicht oft erleichtern musste... wenn sie es in der momentanen Situation nicht über sich brachte, aufzustehen, musste es wirklich furchtbar sein. Die Jüngere strich sich nachdenklich durch ihr hellblaues Haar. „Was... was machst du denn da, Schwester? Mutti sagte, du solltest noch eine Weile liegen bleiben, um zu schauen, ob das jetzt gut ist... ist es gut?“ Das kleine Mädchen steckte sich einen Finger in den Mund, während es beobachtete, wie seine zehnjährige Schwester am Rand ihres Lagers saß und die sorgsam angelegten Bandagen um ihre Knie mit verbiestertem Blick löste. Mabalysca verstand ihre Mutter auch nicht so ganz, Nadeshda musste ständig liegen oder sitzen oder wurde getragen, sie und Mahrran tollten dabei den ganzen Tag herum. Das war doch... abnormal. „Es ist gut!“, behauptete die Ältere da trotzig, „Die Salben der alten Dame haben dieses Mal sicher gewirkt, ich spüre es ganz deutlich! Tu mir einen Gefallen und reiche mir meine Krücken.“ Die Kleine nickte und reichte ihrer Schwester die beiden Stöcke, die an der Wand lehnten. Diese nahm dankend an und atmete darauf einmal tief ein. Wenn Nadeshda einmal selbst ging, dann brauchte sie diese Dinger als Hilfe. Wieder etwas, was dem kleinen Kind unerklärlich war. Ihr kam das so leicht vor... Sie legte ihr Köpfchen leicht schief, als die Ältere sich schnaubend aufrichtete und erst einmal auf zittrigen, geröteten Knien stehen blieb, nachdenklich an sich herab sehend. Warum ging sie nicht einfach...? Sie tat es. Langsam, einen Schritt nach dem anderen, sich verkrampft an die beiden Gehhilfen klammernd, und die kleine Schwester tapste ihr neugierig nach, als sie sich langsam daran machte, zunächst ihr Zimmer und dann ihr Haus zu verlassen. Ihre Eltern waren zu beschäftigt, um ihre Flucht zu bemerken... „Wohin gehst du?“, wollte Mabalysca dann wissen, als Nadeshda vor dem Serpentinenweg, der ins Dorf führte, kurz inne hielt. Letztere wandte sich nicht weiter zu ihr um. „ Ich kann wunderbar gehen.“, behauptete sie nur, „Ich werde jetzt einen Spaziergang machen – du bleibst aber hier!“ Dann wagte sie sich an den Abstieg. Noch immer rauschte der Regen unbarmherzig an dem kleinen Felsvorsprung am Rand der großen Berge vorbei. Der Boden davor war inzwischen völlig durchweicht und auch in den nächsten Stunden nach Ende des Unwetters würde er schlecht passierbar sein. Alaji wusste das. Sie wusste auch, dass sie noch ganz andere Probleme hatten, als sie müde einfach nur da saß, abstruser Weise in die Arme ihres einstigen Entführers geschmiegt. War er das noch immer? Sie war sich nicht so ganz sicher... irgendwie hatten sie doch dieselben Probleme zu diesem Zeitpunkt. Aber herauszufinden, was dieser junge Mann dazu dachte, war sehr schwierig, wo sie ihn doch mit keinem einzigen Wort verstand. Dabei wäre es so nützlich gewesen, sich jetzt austauschen zu können, wo sich die Lage doch unerwartet derart zugespitzt hatte. Zwar waren sie nun endlich beim Abstieg, hatten also einen Ausweg aus ihrem felsigen Gefängnis gefunden, doch saßen sie dank der schlechten Witterung nun erst einmal fest. Sie hatten kaum noch etwas zu essen und Teco würde in nächster Zeit auch nicht für sie jagen können; zum einen war sein einziger Speer vollkommen dahin, zum anderen sein Bein im Moment auch. Und was sie selbst betraf, so wusste sie auch nicht, ob sie ihn in diesem Punkt ersetzen konnte. Sie war eine grauenhaft schlechte Magierin, wenn es nicht um Heilzauber ging, wenn sie es denn überhaupt schaffte, ihre Kräfte einmal so weit zu bündeln, dass es für einen Angriff reichte, dann derart unkontrolliert, dass das Opfer am Ende völlig zerfetzt und unbrauchbar war. Und über körperliche Macht verfügte sie nur, wenn sie in einen Blutrausch geriet, wie bei dem Angriff auf die Menschen aus dem Stamm ihres Begleiters einst. Zu diesem Zeitpunkt hätte sie auch einen Berglöwen aussaugen können... Eigentlich war das Jagen mit Hilfe von Magie unehrenhaft, hatte sie sogar gelernt. Vor vielen Generationen hatten sich einige ihrer Vorfahren sogar darin verstanden, sich vor jeder Nahrungssuche in einen solchen Blutrausch zu versetzen und hatten die Beute vollkommen ohne Waffen erlegt. Das war definitiv nichts für sie. Früher oder später würden sie jedoch essen müssen... Sie schielte zu dem komischen Behälter, den Teco aus irgendwelchen Eingeweiden einer vor einer Weile erlegten Ziege gemacht hatte. Darin transportierten sie Wasser – wenigstens dafür war der Regen gut, auch dabei war ihr Vorrat fast leer gewesen. Nun stand das komische Ding vor dem Felsvorsprung und lief beinahe über. Sein Hersteller schien seinerseits etwas zu dösen, stellte Alaji, selbst etwas dämmrig, fest, als sie den Kopf etwas zu ihm drehte. Es war gut, dass er sie hielt... sie fühlte sich im Moment unsagbar schwach. Nie wieder würde sie ihre Heimat sehen und auch wenn sie sich mit Teco bis auf gewisse Ausnahmen gut arrangieren konnte, so würden sie früher oder später definitiv bei seinen Leuten ankommen und was die dann mit ihr täten, wollte sie gar nicht so genau wissen. Als er etwas murmelte, erschreckte sie sich kurz und zuckte zusammen. Er öffnete zaghaft die Augen, schielte zuerst das schlechte Wetter vor sich und dann sein verletztes Bein an und stöhnte. Es war ziemlich steif geworden... Er schob sie leicht von sich, worauf sie sich über seine Verletzung beugte und sie musterte. Er hatte Schmerzen, der Abstieg tat ihm auf Dauer überhaupt nicht gut... Der junge Mann seufzte leise, als sie den Schmerz mit einem behutsamen Zauber langsam abklingen ließ und nickte ihr darauf dankbar zu. Jetzt musste es nur endlich aufhören zu regnen. Die große Frage war, ob Menschen von Natur aus extrem misstrauisch waren, ob sie aus Erinnerungen lernten, oder ob sie sich einfach nur dumm auf alles, was sie nicht kannten, stürzten, um es zu töten, ehe es sie selbst töten konnte. Prinzipiell war es aber auch egal, so dachte Zerit nicht weiter darüber nach, obwohl die Antwort sich irgendwo in seinen Erinnerungen verbergen musste, als er von allen Seiten von Speerspitzen umgeben war. Sein Blick wanderte über die bösartig verzerrten Fratzen... er musste den Häuptling finden. Er musste ihn direkt ansprechen, denn er brauchte Respekt – obgleich er seine Magie hatte, diese Männer waren in der Überzahl... und sein Volk hatte sich bei ihnen bereits extrem unbeliebt gemacht. Shiran hatte ihn ja bereits vorgewarnt, dass er es würde ausbaden müssen... Er war ein passabler Magier, seine Götter ließen ihn nicht im Stich. Der große Mann ihm direkt gegenüber war es gewesen, der dafür gesorgt hatte, dass man einige der Dorfbewohner entführt hatte... und dass die Gruppe an Menschen dem Erkundungstrupp in die Arme gerannt war. Neben ihm, ein junger, unscheinbarer Kerl mit wirrer Frisur – das war der Häuptling. Wie erwartet zuckte dieser etwas überrascht mit den Brauen, als Zerit seinen Kopf in seine Richtung leicht neigte. „Ich komme mit einer Botschaft, Häuptling – mehr will ich nicht.“ Er rührte sich nicht weiter, als ein Raunen durch die Reihen ging. Ja, er sprach ihre Sprache, damit hatten sie nicht gerechnet. Einen Moment später befahl das junge Stammesoberhaupt seinen Männern mit einer einfachen Handbewegung, sich etwas zu entfernen, damit der Fremde sich wohl nicht mehr wie ein Beutetier fühlen musste. Die Speere blieben jedoch weiterhin auf ihn gerichtet, wenn auch aus etwas sicherer Entfernung. Es wunderte ihn nicht wirklich, so machte es ihm auch wenig aus; sein Gegenüber hatte bereits Interesse gezeigt, so war es unwahrscheinlich, dass sie sich jetzt noch auf ihn stürzen würden. Die Worte, die darauf folgten, hätten ihn allerdings beinahe überrascht. „Die Bestien bringen uns eine Botschaft und denken, es wäre der erste Schritt, um uns in ihre Gewalt zu bringen. Ich sage, uns interessiert kein einziges Wort, das dir auf der Zunge liegt, und wenn du es wagst, Fremder, gegen meinen Willen, den Willen Moconis, dennoch zu sprechen, dann schneide ich dir selbige eigenhändig ab und esse sie vor deinen Augen auf.“ In einige Gesichter stahl sich darauf ein Grinsen, während Moconi, wie er anscheinend hieß, keine Miene verzog. Er war sehr bemüht darum, Autorität auszustrahlen... als Magier fürchtete Zerit ihn trotz seiner Drohung nur gering. „Nun gut.“, war die ebenso monotone Reaktion darauf. Loswerden musste er seine Informationen dennoch, wenn er es nicht tat, würde Nadeshda zuhause schlimmeres mit ihm anstellen, als seine Zunge aufzuessen. „Wenn der Häuptling Moconi es sich so wünscht, dann sei es so.“, er senkte sein Haupt etwas, funkelte sein Gegenüber aber um so giftiger an, ohne ansonsten irgendetwas an seinem Ausdruck zu ändern, „Seine Schwester richtet aus, dass sie ihn vermisst... das gehörte nicht zur eigentlichen Botschaft, ich sprach aus... Mitleid.“ Er wandte sich ab und kehrte dem Häuptling den Rücken. Vor sich sah er nun andere, etwas perplexe Männer, die ihm den Weg versperren wollten. Wie nervig. „Euer Oberhaupt wünscht meine Botschaft nicht zu hören – also lasst mich nach Hause.“ Zerit wusste, dass ihr Zögern vollkommen begründet war, er erwartete nur die entsprechenden Worte Moconis, die auf ein missbilligendes Zischen schließlich auch folgten. „Sprich mit mir. Aber allein, folge mir.“ Während der Regen die Berge noch fest im Griff hatte und auch das Land der Menschen noch immer betroffen war, stahl sich an der Küste die Sonne schüchtern durch gigantische Wolkenberge und ließ die Felsen an der Küste etwas abseits des Dorfes bizarre Schatten werfen. Dies war nicht Mahrrans Gebiet, obgleich er sich angesichts der mächtigen Brandung direkt vor ihm als Wassermagier mehr als nur wohl fühlte. Erreicht hatten sie diese magische Stelle bloß mittels Shirans Teleport... und magisch angehaucht hatte schließlich der Halb-Blinde sie. Er war ein Götterkind und sein Himmelselement war das Licht... die düstere Trübe war das Gebiet seiner herrischen Zwillingsschwester. „Sie ist sehr schwach.“, teilte er dabei auch mit, obwohl es der Seher, der direkt neben ihm auf einem der mächtigen Felsen stand und gen Horizont starrte, vermutlich selbst wusste. Nadeshda bevorzugte die Dunkelheit, besonders, wenn sie sich erholen wollte... sie hatte nicht nur den unausgesprochenen Machtkampf um das Wetter gegen ihren Zwilling verloren, nein, sie hatte nicht einmal um ihren Sturm zu kämpfen versucht. Umso überraschter war er, als der Ältere ihm ohne ihn eines Blickes zu würdigen widersprach. „Ihre Beine schwächen sie, aber Alaji, die dieses Problem behebt, wird sie über kurz oder lang wieder haben. Und mit jedem Tag, der vergeht, gewöhnt sich ihr Körper mehr an ihre Schwangerschaft – du solltest sie nicht unterschätzen.“ Unterschätzen... nein, es war dumm von ihm gewesen, diese Möglichkeit überhaupt in Betracht zu ziehen, da hatte Shiran schon recht. Wie peinlich... er wechselte lieber etwas ungalant das Thema. „Ihre Schwangerschaft, ich hatte bisher keine Bedenken, dass es dem Kind nicht gut gehen könnte, sie scheint es noch immer nicht bemerkt zu haben – obwohl es längst hätte geschehen müssen, so wenig ich mich auch mit der Weiblichkeit auskenne.“ Auch darauf hatte sein Begleiter völlig unbeeindruckt eine passende Antwort parat. „Sie leidet so sehr unter ihren Beinen, dass sie alle Beschwerden, die ihr Körper zeigt, darauf schiebt. Anders als du kennt sie sich mit ihrem Geschlecht auch aus... sie isst und trinkt kaum, da kann es schon einmal vorkommen, dass die Blutung ausbleibt.“ Er schielte den Blauhaarigen seltsam ernst kurz von der Seite an. „So lange ihre Götter schweigen – und dazu hast du sie ja bisher erfolgreich gebracht – finde ich es momentan noch nicht verwunderlich, dass sie noch keinen Verdacht geschöpft hat. Es wird noch früh genug geschehen – wenn nicht, dann spätestens, wenn ihr Körper beginnt, sich äußerlich zu verändern. Es... wird sie beschämen, in höchstem Maße.“ Keinen von beiden störte es, als einen Augenblick später die Brandung stärker geworden war und sie von einer großen Welle während sie nicht weit vor ihnen brach nass gespritzt wurden. Mahrran war etwas verblüfft über seine letzten Worte. „Es klingt ja beinahe, als hättest du Mitleid mit ihr?“ Er hob beide Brauen auf die schnell folgende Antwort. „Niemals. Es war einfach nur eine Feststellung, es gab keinerlei nennenswerte Hintergedanken.“ Die kamen seinem Begleiter auf die emotionslos gesprochene Ansage jedoch mit einem Mal. Sie hatten einen Plan, der unter Umständen dem ganzen Dorf – ausgenommen Nadeshda – das Leben mit Glück wesentlich leichter machen konnte. Der dem Volk das Leben gänzlich erretten konnte... fast alles war durchdacht, jedes Schicksal... bis auf eines. „Gedanken machen ist ein gutes Stichwort.“, überlegte er stirnrunzelnd, obwohl es mehr eine direkte Frage an den Seher war, „Nadeshda... schaffen wir bei Seite. Aber was wird aus eurem Kind? Die Situation, aus der es entstand, ist offiziell zweitrangig, es ist euer Erbe. Schon zwei Mal, wenn du es tatsächlich schaffst, meine Schwester dazu zu bringen, einer Eheschließung zuzustimmen.“ Um die kleine Frau für immer los zu werden, musste man sie zunächst gehörig schwächen, das war laut Shiran die einzige endgültige Lösung – die Heirat würde sie ihres gesamten Einflusses berauben, aber auf Dauer würde er keineswegs mit ihr zusammen bleiben wollen. Er würde sie schnellstmöglich beseitigen, das war ihm inzwischen klar, auch wenn er es nie derart direkt gesagt hatte. Übrig bliebe das Kind – das lebende Mittel zum Zweck. Oder auch nicht. „Sie wird es nicht wollen. Ich will es auch nicht, zumindest nicht mit ihr. Ich werde es dem Meer übergeben, um die Götter des Wassermondes zu besänftigen, bei dem, was ich einem so besonderen Kind von ihnen angetan habe.“ Das Mädchen keuchte. Beinahe hätte es seine eigenen Götter verflucht, für das, was sie ihm Zeit seines Lebens antaten und keine Erlösung gewährten. Die Salbe der alten Dame hatte abermals nicht geholfen, doch es war ihr egal – sie musste es schaffen, endlich selbstständig zu werden, mit oder ohne Schmerzen, das war auf Dauer gleich. Sie würde zu einer Frau von Rang und Ehre heranreifen, da musste sie es doch schaffen, selbstständig zu gehen! Und das würde auch klappen, denn heute war sie bemerkenswert weit gekommen. Sie stützte sich auf ihre Krücken und hielt inne. Ihr Haus lag weit hinter ihr, ebenso die felsige Anhöhe, auf der es lag, und die Mitte des Dorfes. Hier am Strand standen keine wirklichen Häuser aus Steinen, wie es für ihr Volk üblich war; hier standen Hütten aus morschem Holz und anderen Materialien, die man in der Gegend so fand oder bei irgendeinem richtigen Bau übrig blieben. Hier lebten die Ärmsten, die ihre Gemeinschaft hervorgebracht hatte... Nadeshda verachtete sie. Wer hier lebte, war absolut unbegabt in der Magie und in fast jedem Handwerk; obgleich sie ein Fischerort waren, gab es auch allerlei andere Fertigkeiten, die ordentliche Bewohner auch beherrschten. In dieser Gegend am Strand fand man von diesen jedoch keinen. Es war ein erbärmlicher Flecken Erde, auf dem sie sich nun befand – es war das Ende der Welt, denn vor ihr, kurz vor den erbärmlichsten Baracken, begann der unendliche Ozean. Diesen wiederum liebte das Mädchen und entzückt von dem Gedanken, dass sie ihn selbstständig erreicht hatte, bemühte sie sich, ihn nun zu erreichen; sein salziges Wasser würde ihre geschwollenen Knie wunderbar kühlen können. Im feinen Sand gestaltete es sich allerdings als reichlich schwierig, mit den Krücken vorwärts zu kommen. Ein leises Kichern riss ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie erkannte es schon, bevor sie dem Jungen, von dem es stammte, ins Gesicht sehen konnte. Shiran war zwei Jahre älter als sie und lebte hier gemeinsam mit seiner alten, nutzlosen Großmutter in einer der schäbigsten Hütten der Siedlung. Nun saß er auf der Türschwelle, wenn man es so nennen konnte, und beobachtete sie scheinbar ziemlich amüsiert. Das Mädchen wandte sich zischend wieder ab. Auf dessen Niveau war sie nicht, sie würde mit keinem Wort auf den hässlichen Jungen eingehen. Shiran war ziemlich groß für sein Alter und weil er extrem dürr war, wirkte er unheimlich schlaksig und unästhetisch. Sein violettes Haar, das er sich gelegentlich planlos mit den Federn von Seevögeln zu schmücken versuchte, stand grundsätzlich unordentlich von seinem Kopf ab und sowohl in seiner oberen, als auch in seiner unteren Zahnreihe entblößte er bei seinem dämlichen Grinsen jeweils eine Zahnlücke. Abschaum sah man scheinbar schon an, dass es sich um welchen handelte, und das nicht einmal durch die minderwertige Kleidung... Sie senkte die Brauen gereizt, als sie merkte, wie sich der Junge erhob und ihr nachtänzelte. Mit seinen stelzenähnlichen gesunden Beinen hatte er sie natürlich schnell eingeholt, sich seinem Willen beugen tat sie jedoch erst, als er ihr breitbeinig den Weg versperrte und sich zu ihr herab beugte. Er überragte sie mindestens um eineinhalb Köpfe... „Was sehe ich denn, was sehe ich denn? Die Prinzessin persönlich vor meiner bescheidenen Hütte... ach, dürfte ich die holde Dame zu einer Schüssel Fischbrühe einladen?“, er nahm ihre Hand und küsste sie und ihr Gesicht verzog sich angewidert. Was erlaubte der sich? Das würde sie ihrem Vater erzählen und dann würde dieser Unhold bald im Sand schlafen können! Er richtete sich breit grinsend wieder zu seiner vollen Größe auf. „Nein, ernsthaft. Was treibt dich denn hier her?“ Sein Blick blieb auffällig an ihren Krücken hängen und abermals zischte die Jüngere bloß herablassend. Shiran war nicht wie alle anderen und das war etwas, das ihr ungemein unheimlich war, denn auf den ersten Blick merkte niemand es ihm an, wo er sich doch genau so hirnlos zu verhalten schien wie alle anderen Jungs in seinem Alter. Er war ein Seher, seine nutzlose Mutter hatte ihn in einem Moment geboren, in dem die Götter ihm besonders gütig gestimmt gewesen waren und ihn mit einem unsagbaren Wissen ausgestattet hatten. Shiran wusste beinahe alles und er war vermutlich der einzige in der ganzen Umgebung, der etwas von Magie verstand. „Du weißt es genau!“, warf sie ihm deshalb vor, „Und nun geh mir aus der Sonne und verkrieche dich wieder in das Loch, aus dem du gekommen bist!“ Sie wollte an ihm vorbei, doch er hielt sie auf, indem er sie an der Schulter griff und sie so zurück hielt. „Immer langsam, bedenke, in wessen Gebiet du dich gerade befindest.“, seine dunkelvioletten Iriden funkelten sie gefährlich an, „Deine Eltern sorgen sich, du wirst es bereuen, weggerannt zu sein, Nadeshda. Ich bringe dich zurück.“ Doch noch ehe er den Teleport, den er beherrschte, anwenden konnte, hatte sie sich losgerissen, ihre Krücken von sich geworfen und stapfte selbstständig weiter auf die See zu. Er blinzelte ihr nur verblüfft nach. Sie war ein stures kleines Mädchen. Er war der Seher – aber so sah er nicht aus. Er musste von sich überzeugen, wenn er in seinem Leben noch etwas erreichen wollte... und das wollte er unbedingt. Die Prinzessin würde ihn dafür hassen... Wirklich verwundert darüber war sie nicht, dass er ihr mit seinen langen dürren Beinen nachgesetzt war und sie noch ehe sie das Wasser erreichen konnte zurückgeschickt hatte. Es vergingen einige Tage, bis das Wetter wieder strahlte wie es im Hochsommer üblich war, auch wenn dieser bereits im Ausklang war. Alles war noch nass, als Teco und Alaji das Grasland am Fuße des letzten Ausläufers des Gebirges erreichten. Beide wussten zeitgleich, dass es nicht Moconis Land war, in dem sie sich befanden... es war das fremde Land hinter dem großen Fluss, den sie ganz unbemerkt irgendwann in den Bergen überquert haben musste. Es war eine seltsame Umgebung, in der Ferne waren bewachsene Hügel zu sehen; etwas, das keiner von beiden aus ihrer jeweiligen Heimat so kannte. Und dennoch fühlten sie sich hier sicherer als noch einige Tage zuvor, obgleich sich ihre Probleme nicht in Luft aufgelöst hatten. Alaji bückte sich und berührte den kühlen Boden des heran gebrochenen Morgens. Dieses Land war kein schlechtes Land, wenn auch nicht das Beste, das ihre Welt zu bieten hatte. Es gab Wild... nun mussten sie sich noch nach Obsidianen umsehen und darauf hoffen, etwas zu finden, woraus sich dann ein Speer basteln ließ – damit kannte sich die junge Frau trotz aufmerksamer Beobachtung nur wenig aus. Sie würde natürlich dennoch versuchen, zu helfen... vielleicht fand sie hier auch etwas, das ihr bei der Behandlung ihres Begleiters helfen konnte. Das war nämlich der nächste Punkt... Sie senkte mitleidig die Brauen, als sie ihn beobachtete, wie er an ihr vorbei humpelte, sein steifes Bein nachziehend. Wenigstens seinen Schmerz hatte sie vertreiben können, das beruhigte sie. Aber sie musste eine bessere Lösung finden – sich den Rest ihrer gemeinsamen Zeit nur von Wurzeln zu ernähren, die es in dem neuen Land nicht einmal zwangsweise geben musste, war keine wirklich erstrebenswerte Option, weder für sie, noch für ihn. Er murmelte etwas vor sich hin, als er sich auf der zumindest zu einer Richtung hin unendlichen Grasfläche umsah. Es gab hier auch Holz, fiel der jungen Frau auf, als sie seinem Blick folgte. Zwar anderes, als bei ihr zuhause, aber es gab welches. Sie mussten die einzelnen Bäume unbedingt überprüfen, ob ihre Äste sich gegebenenfalls als Speerschäfte eigneten! An sich ging Alaji auch davon aus, dass es das war, was ihren Begleiter einen Moment lang so beschäftigt hatte und etwas besserer Gesinnung wollte sie vorgehen, wurde aber grob zurückgehalten und angefahren, wie es nur Eltern mit kleinen Kindern tun sollten. Das Recht, ihre verletzte Ehre kund zu tun, besaß sie jedoch nicht, selbst wenn sie es gekonnt hätte... als er sie etwas unsanft wieder von sich stieß und an ihr vorbei humpelte, erinnerte sie sich mit Gram an den Tag zurück, an dem er sie beinahe beschmutzt hätte. Teco war noch immer ein menschlicher, barbarischer Mann... Ahnen, dass er sie nur vor unerwarteten Gefahren aus dem hohen Gras schützen wollte, tat sie in diesem Augenblick nicht. Sie gingen eine weite Strecke. Die ersten Bäume entpuppten sich als äußerst ungeeignet; aus welchen Gründen auch immer waren sie morsch oder verfault und so wie so kurz vor dem kaputt gehen. Besorgniserregend war ebenso die Tatsache, dass sie kaum tierisches Leben vorfanden; bis auf lästige Stechmücken schien die gesamte Landschaft auf den ersten Blick verlassen. Auch wenn Alaji sich nicht mit der Jagd auskennen mochte, so war ihr eine Sache dennoch klar; ein Land, in dem keine Tiere lebten, war auch kein Land für die Kalenao – oder auch Menschen, denn essen mussten beiden Rassen in etwa gleich viel und gleich oft. Dennoch hatte sie bei der Gegend ein gutes Gefühl, was sie beinahe etwas ärgerte; wovon sollten sie sich denn ernähren? Von Insekten? Ihre Frage beantwortete sich von selbst, als Teco aus besonders schlammiger Erde einen Wurm ausgrub, ihn kurz an seiner Weste abwischte und in den Mund steckte. Da war er dann doch wieder, der kleine, aber feine Unterschied. Etwas unschlüssig war sie ja, als er ihr ebenfalls ein besonders fettes, schleimiges Exemplar entgegenhielt und es offensichtlich nur gut mit ihr meinte, was sein Grinsen ihr verriet und auch ihre Götter hießen sein Handeln gut. In ihrer ersten Zeit hatte er öfters so gegrinst, fiel ihr nebenbei auf, in der Zeit, als sein Bein noch nicht völlig verstümmelt gewesen war. Er war ein tapferer Mann, in seinem Stamm musste er sehr geachtet sein. Und dabei war er noch blutjung... Als sie errötend ihr Haupt senkte und ihm klar wurde, dass sie nicht annehmen würde, steckte er sich das Tier schulternzuckend selbst in den Mund und setzte seine Reise mit dem Hinkebein fort. Irgendetwas, das Alaji nicht bemerkte, hatte er wohl gesehen; zumindest schien er ziemlich guter Dinge zu sein, zumindest so lange, bis sich auch dieser Tag dem Ende neigte und ziemlich schnell klar war, dass sie auf dem sumpfigen Boden kein Feuer würden entzünden können. Und kein Feuer konnte tödlich sein, doppelt, wenn noch immer keine Waffe vorhanden war und der jungen Frau gefiel der Gedanke, dass ihrer beider Verteidigung nun in ihren Händen lag, gar nicht. „Dieses Land ist ein einsames Land und deinen Stamm haben wir noch immer nicht gefunden.“, sprach sie, als die Welt nur noch von fahlem Mondlicht erleuchtet wurde. Teco hockte etwas angespannt neben ihr in einer Mulde vor ironischer Weise verdorrtem Gestrüpp und durchstreifte die Umgebung immer wieder mit seinen scharfen Augen. Als sie sprach, ließ er ihr so auch nur einen kurzen Seitenblick zukommen. Da er sie eh nicht verstand, war es belanglos, ob er ihr lauschte, so redete sie weiter. „Ich nehme an, wir werden den großen Fluss suchen, nicht wahr? Lass mich nachdenken, wir müssen nach Norden, um ihn zu finden? Ich will ihn gar nicht finden, um ehrlich zu sein, dein Stamm wird mich entehren, beschmutzen und versklaven, wenn ich Glück habe... tut mir Leid, was ich deinen Leuten zutraue, Teco, aber ich habe es so im Gefühl, verzeih mir.“ Als er sich nun etwas länger von der vollkommen friedlichen Umgebung abwandte und ihr in das spärlich erhellte Gesicht sah, hatte ihr Blick etwas deprimiertes, das sie nicht vor ihm verstecken konnte. Ihr Leben war vorbei, das wusste sie. Die Zeit, in der ihr Begleiter sie noch mit etwas Respekt behandelte, war pures Herauszögern der Grausamkeiten, in denen ihr Leben ein jähes Ende finden würde. Vielleicht hätte sie es einfach selbst zu Ende bringen sollen, aber das war zum einen zu unehrenhaft und zum anderen fehlte ihr dazu definitiv der Mut. Sie senkte ihr Haupt etwas. „Es tut mir übrigens Leid, wegen deinem Bein... dass ich nichts Anständiges tun konnte...“ Das erzählte sie ihm oft und irgendwie war es doch zum Haare ausreißen, dass auch hier nichts wuchs, was ihr bei seiner Behandlung helfen konnte. Haare ausreißen war bei ihr überdies dann jedoch eine reichlich schlechte Option. Sie seufzte leise, als sie seine Stimme vernahm. Zu oft hatte sie sich schon gefragt, was er ihr so sagte den lieben langen Tag über, selten nur hatten ihre Götter sie in die richtige Richtung gelenkt, aber wirklich verstanden hatte sie ihn nie. Immerhin klang er nicht erbost, das war gut. Er ließ seinen Blick ein weiteres Mal über die noch immer vollkommen ruhige Umgebung schweifen, ehe er etwas näher zu ihr rutschte und sie in seine Arme zog wie einige Zeit zuvor bei dem großen Regen, als sie versucht hatten, das Gebirge zu verlassen. Alaji schielte ihn verblüfft an, ohne sich zu wehren. Er hatte sie missverstanden... aus ihrem Tonfall heraus hatte er wohl angenommen, sie würde sich fürchten, vermutlich vor der momentanen Situation, und abermals bemühte er sich darum, ihr Sicherheit zu vermitteln. Er war ein guter Mann... die junge Frau war sich ziemlich sicher, dass es dem entführten Menschenmädchen bei Mahrran nicht so gut ging wie ihr bei Teco, der ihr nun gedankenverloren durch das dünne Haar strich und so unwillkürlich immer wieder ihre blanke Kopfhaut berührte, was ihn wohl mehr irritierte als sie. Sie belächelte diese Tatsache bitter. Wie sie es bedauerte, ihren Hut verloren zu haben... sie fühlte sich ihm etwas ausgeliefert, wo ihr dürftiger Haarschopf ihr mehr als peinlich war. Darauf folgte einer der wenigen Augenblicke, in denen sie ganz froh darüber war, ihn nicht zu verstehen. Sein eigenes Haar war dicht wie der Pelz einer Raubkatze, ein solches Problem kannte er nicht. Die Frauen in seinem Stamm hatten sicher auch alle schönes, volles Haar... Sie seufzte deprimiert und er zog sie noch dichter zu sich, bis sie beinahe auf seinem Schoß saß und sie aus ihrer Trauer um die wenigen Strähnen auf ihrem Kopf doch etwas glucksen musste. „Sag, langsam bekomme ich das Gefühl, dass du Angst hast!“ Auf ihr erheitertes Gesicht kehrte auch in seines das selbstbewusste Grinsen wieder, das sie an ihm kennen gelernt hatte. Er legte zufrieden den Kopf etwas in den Nacken. „Ich will sterben...“ Chejat drehte müde den Kopf zu seinem Mitgefangenen, der kraftlos an seinem Zeltpfeiler hing. Die Zeit verging und jeder Tag war gleich... unterschwellig grausam. Man gab ihnen Abfall und die einzigen Augenblicke, in denen sie richtiges Licht zu Gesicht bekamen, waren, wenn man sie zum Erleichtern nach draußen ließ. Was allerdings auch gelegentlich vergessen wurde... Kajira murmelte mit verschleiertem Blick weiter. An sich hatten sie sich nichts mehr zu sagen, es gab nichts mehr, was es wert war, ausgesprochen zu werden. Und dennoch lag ihm etwas auf den Lippen... etwas Spöttisches. „Wo ist sie, deine ach so tolle Schwester...? Sie versteht nicht nur uns nicht, sondern nicht einmal ihre eigenen Leute, diese dumme Frau... oder Zerit. Ich glaube, es war Zerit, nicht? Er hat uns auch nicht geholfen...“ Mehr schlecht als recht hatten sie mitbekommen, dass jemand von ihrem Volke irgendwann in letzter Zeit mit dem Häuptling gesprochen hatte – und da kam man nach kurzer Überlegung bloß auf Zerit, denn alle anderen, die dazu in der Lage gewesen wären, waren sich sicher zu fein, ihr Dorf zu verlassen. Ob er es nun gewesen war oder nicht, obgleich er weiter gekommen war als die beiden Gefangenen (die das Stammesoberhaupt noch nie zu Gesicht bekommen hatten), hatte es ihnen wenig gebracht – er war abgereist, ohne auch nur in ihre Nähe zu kommen. Und Mefasa, das war der unscheinbare Namen der jungen Frau, die in Verdacht stand, aus irgendwelchen nicht nachvollziehbaren Gründen Chejats Schwester zu sein, schien an irgendeiner dämlichen Störung zu leiden, denn sie ging so gut wie überhaupt nicht auf andere ein, weder auf die beiden Magier, noch auf ihre Mitmenschen. Hilfe war so auch nicht wirklich von ihr zu erwarten... Und wenn sie denn einmal miteinander sprachen, dann war es das, was Kajira dem wenig Älteren immer wieder gern mitteilte. Obgleich er da natürlich auf einen wunden Punkt traf, nahm dieser ihm das nicht wirklich übel. Nein, er hatte Mitleid mit ihm... Nach einer Weile war er krank geworden. Mehr widerwillig hatte man irgendwann ein paar Frauen geschickt, die sich notdürftig um ihn gekümmert hatten, aber wirklich gesund geworden war er bisher nicht. Und das würde er auch nicht werden, denn entweder kannten sich Menschen wirklich kaum mit Medizin aus, oder sie gaben sich mit ihm einfach keine Mühe. Wenn man sie nicht bald befreite, würde Kajira wohl sterben. Und Chejat grauste vor diesem Augenblick; nicht, dass er den Jüngeren so außergewöhnlich gern gehabt hätte, aber dann war er hier ganz allein unter diesen Verrückten. Und bis schließlich auch er einging, jämmerlich und entehrt, war dann nur noch eine Frage der Zeit. „Weißt du...“, riss er ihn abermals aus den Gedanken, ihn aus seinen fiebrigen, etwas verklebten Augen ansehend, „Ich bin hier mitgegangen, weil ich mich vor den Zwillingen beweisen wollte. Ich wollte, dass sie wissen, dass ich ihrer Schwester ein guter Mann sein kann. Ich wollte, dass sie mich endlich Mabalysca heiraten lassen...“ Er wandte sich ab und hustete. Ja, husten... die Luft in diesem modrigen Zelt war wahrlich grausam, Chejat konnte den Hustenreiz nachvollziehen, auch wenn er nicht wagte zu fragen, was der andere da eigentlich ausspuckte. Als hätte er es nicht gewusst... „Sag, denkst du, sie wartet noch auf mich? Vielleicht hat der Häuptling gesagt, wir seien längst verspeist, damit uns niemand mehr sucht und... Shiran interessieren wir ohnehin nicht das Geringste. Sicherlich hat sie längst einen... besseren Kerl als ich es bin... oder nicht?“ Er hustete abermals, ehe er den Älteren wieder ansah. Letzterer seufzte leise, versuchend, seine Sitzposition etwas zu ändern. Er war ganz wund... „Mabalysca ist eine Tankana, folglich also eine sehr begabte Magierin... denkst du denn, ihre Götter würden ihr die Nachricht deines Todes verwehren?“, er schüttelte für sich selbst den Kopf, „Ich denke, sie liebt dich. Sie hat dich noch nicht aufgegeben... halt durch.“ Als er wieder in das leichenblasse Gesicht sah, war er sich nicht ganz sicher, ob es möglich war, dass Kajira seiner Bitte nachkommen würde... selbst wenn er wollte. „Meine Schwester hat dich ziemlich belästigt in letzter Zeit, nicht wahr? Dabei wollte sie dich zu Beginn überhaupt nicht... es ist zu spät, nun bist du mein Püppchen.“ Mahrran war es egal, dass es Nachmittag war und man ihn im Dorf erwartete. Er schuldete seinen Leuten eine Stellungnahme; die Zwillinge ließen sich nur noch selten blicken und drei der Dorfbewohner waren noch immer verschwunden, von den Menschen verschleppt. Nadeshda konnte nicht aufstehen, sie war gezwungen, diese Aufgabe ihrem Bruder zu überlassen. Der wiederum würde im Sinne von Shiran sprechen... der nun mit großer Wahrscheinlichkeit in der Nähe seines Hauses ungeduldig hin und her rannte und sich ärgerte, weil man ihn warten ließ. Sollte er doch schimpfen... in der Rangordnung stand er noch immer über ihm, dachte sich der Blauhaarige amüsiert, während Kili leise stöhnte und ihm durch eben diesen Schopf strich. Eigentlich hatte er sich nur umziehen wollen... und dann hatte er sie gesehen, sein Püppchen, wie es da auf seinem Lager gesessen und sehnsüchtig aus dem Fenster gesehen hatte. An sich war es nur eine schön angezogene Wilde, aber das fiel dem jungen Mann schwer zu begreifen. Er hatte sie gesehen und wie so oft hatte es ihn überkommen und er hatte sie einfach haben müssen. Ihre Rundungen waren unvergleichbar, auch wenn sie durch ihre schmale Statur nicht ganz so zur Geltung kamen, wie die Natur es für sie vorgesehen hatte, hatten die Götter des Wassermondes dem jungen Mann berichtet. Seitdem bekam die Menschenfrau doppelt so viel zu essen wie zu Beginn – amüsanterweise hatte sie mit den größeren Mahlzeiten nicht einmal Probleme. Sie war ein gutes Püppchen, auch wenn Nadeshda sich gelegentlich darüber amüsierte, dass er sie wie eine Ehefrau behandelte... der würde ihr Lachen schon noch im Halse stecken bleiben. Er fletschte bester Laune dank dieses Gedankens seine Zähne und biss der jungen Frau unter sich sanft in den Hals, worauf sie abermals keuchte und die Arme um ihn schlang. Das war das Beste an der Sache; seit einer Weile ließ sie es nicht nur über sich ergehen, nein, sie fand auch Gefallen daran. Dass es daran liegen konnte, dass der Alltag seiner Gefangenen derart langweilig war, dass sie sich selbst auf diese Prozedur freute, war in seinen Augen keine Möglichkeit. Seinem Auge... Sie stöhnte und er zischte, als sie langsam zu einem beinahe gemeinsamen Höhepunkt fanden und Kili sich erschöpft in die Felle fallen ließ. Sie schenkte ihm einen vernebelten Blick. Er kicherte, als er auf sie hinab sah, noch immer mit ihr vereint. Als er zu ihr sprach, machte er sich absichtlich nicht die Mühe, ihre Sprache zu benutzen. „Ich werde jetzt gehen... und womöglich wird es ein Schritt sein in eine Richtung, die dir nicht gefallen würde. Ein Schritt, von dem du niemals erfahren wirst... denn am Ende werden deine Leute brennen. Dein Stamm verbrennt im Dornenfeuer, Kili...“ ---------------- War gar nicht so leicht, an mein Kappi zu kommen XD Ja. Lieb und so. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)