Verlassen von _Naruto ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Verlassen „Guten Tag. Wie ist Ihr Name?“ „Mein Name ist Jason Daruno.“ Der Mann ging um seinen Schreibtisch und setzte sich in einen großen Lederstuhl. Ein Notiz block lag schon vor ihm bereit, bereit all meine Geheimnisse zu erfahren. „Setzen Sie sich doch.“ Er war höflich, aber das waren sie alle. Ich nahm Platz. Eigentlich wollte ich gar nicht hier sein. Eigentlich wollte ich ein normales Leben führen, aber das ging nicht. Insgesamt sechs mal bin ich umgezogen. Von Stadt zu Stadt hat es mich immer weiter verfolgt und nun sitze ich hier vor einem Psychologen. Er sah mich fragen an, dieser Professor Rasbon. Anscheinend wollte er, dass ich mir jetzt alles von der Seele rede. Aber so einfach ging das nicht. Ich wusste nicht einmal wo ich anfangen sollte. Meine Gedanken kreisten einfach wahllos in meinem Kopf herum, ohne eine Ordnung anzunehmen. Ich wusste nicht einmal wirklich wo alles begonnen hatte. „Wir haben uns im Park kennen gelernt.“ Der Satz schoss einfach aus mir heraus. Der Psychologe sah mich aber keineswegs verwirrt an, wie ich gedacht hatte. Anscheinend sind die öfter so, die Verrückten. „Wen haben Sie denn dort kennen gelernt?“ Ich blickte zu Boden. Was sollte ich ihm jetzt sagen? Am besten die Wahrheit, aber ich hatte noch nie mit jemandem darüber gesprochen. Würde ich das jetzt können? Ihm das entscheidende sagen? „Mei--meine Freundin.“ „Ich nehme an sie hat sich von Ihnen getrennt?“ Ich überlegte. Man konnte es so sehen, aber nein. So war es nicht. Ich atmete tief ein und hoffte das es so etwas einfacher werden würde. Aber da irrte ich mich. Es machte es nur schwerer. Ich sah auf die Uhr. Ich war gerade mal fünf Minuten in diesem Zimmer und schon wurde das Schwerster überhaupt von mir abverlangt. Diesen Satz den er nun hören wollte. Ich habe ihn nicht einmal über die Lippen gebracht als es passiert ist. Und jetzt sollte es einfach so gehen. Ich blickte gequält von einer Ecke zur anderen. Versuchte einen Punkt zu finden an dem ich mich festhalten konnte. Fehlanzeige. Doch dann entdeckte ich ein Bild des Psychologen mit seiner Familie. Mir schnürte es augenblicklich die Kehle zu und mir stiegen Tränen in die Augen. Ich wollte auch immer eine Familie. Ich hätte fast eine gehabt. „Sie ist tot.“ Ich hatte es geschafft. Ich hatte den Satz über die Lippen gebracht. Aber schon im nächsten Augenblick verließ ich in schnellen Schritten das Zimmer. Ich hörte den Professor sagen, dass die Sekretärin mich gehen lassen solle. Das ich wieder zu ihm kommen würde. Bald. Ich merkte das ich weinte. Mal wieder. Warum nur immer? Früher dachte ich das ich ein harter Kerl bin. Aber nun bin ich nur ein Wrack, ein gesunkenes Schiff. Ohne Hafen. Ohne Schutz. Vollkommen Alleingelassen. Ich rannte nach Hause. Ich hatte keine Lust das andere Leute mich dumm begafften. Sie sollten mich nicht so sehen. Niemand sollte mich so kennen lernen. Immerhin wollte ich ein neues Leben beginnen, aber davon war ich noch sehr weit entfernt. Hoffentlich würde der Rasbon mir helfen können. Aber was wenn nicht? Ich war angekommen. Endlich stand ich vor meiner Haustür. Ich holte mit zittrigen Händen meinen Schlüssel aus der Jackentasche. Mist. Runter gefallen. Ich zittere zu viel. Jetzt kam auch noch die Nachbarin aus dem Zimmer. Ich schüttelte mir schnell die Haare vor meine roten Augen. Sie sollte es erst recht nicht sehen. „Kann ich Ihnen helfen Mister Daruno?“ Sie war auch höflich. Alle sind höflich. Warum? Sehe ich so bemitleidenswert aus? „Nein geht schon. Danke.“ Ah. Endlich hatte ich die Tür offen. Und schon wieder hinter mir zu. Ich lehnte mich mit dem Rücken dagegen und sank zu Boden. Die Tränen liefen wieder. Konnte man das nicht abstellen. Einfach alle Gefühle ausschalten? „Ich liebe dich.“ Ich weitete sofort meine Augen und lauschte gespannt. Ihrer Stimme, sie war wieder hier. Wenn ihre Stimme hier war, dann musste sie es auch sein. „Leyla?“ Ich ging durch alle Zimmer. Schaute überall nach. Doch ich konnte sie nirgends finden. Vielleicht war sie in einer Art Zwischenwelt und wartete auf mich? Konnte das sein? Aber Tote konnten nicht Leben, das bilde ich mich bloß ein. Langsam dreh ich wirklich durch. Am besten wird es sein wenn ich morgen wieder zum Rasbon gehe und nicht wieder nach 10 Minuten abhaue. Immerhin will dieser Mann mir helfen. Ich ging in die Küche, mit dem Gedanken etwas zu essen. Ja, das hatte ich auch dringend nötig. Doch der Blick in den Kühlschrank war wenig einladend. Ich sollte mir angewöhnen auch etwas zu Essen zu kaufen und nicht nur Hunger zu haben. Also wieder hungrig ins Bett. Naja so etwas bin ich gewohnt. Ich hatte auch keine Lust mich um zuziehen, es bringt ja eh nichts. Sieht mich ja keiner so. Und wieder musste ich feststellen das Weinen extrem müde macht. „Leyla?“ Mit ihrem Namen auf den Lippen wachte ich auf. Ich spürte immer noch den Hauch ihrer Berührungen auf meiner Haut. Als ob sie bis vor kurzem direkt neben mir gelegen hätte. Sich an mich gekuschelt hätte. Ich schaute neben mich. Doch da war niemand. Nur ein leerer Teil meines Bettes. Keine Spur von meiner Freundin. Ich versuchte den Gedanken abzuschütteln das sie hier gewesen sein könnte. Das war einfach nicht möglich. Auch wenn viele religiöse Leute das behaupten, so was konnte nicht real sein. Das wäre zu schön um wahr zu sein. Ich versuchte andere Sachen wahrzunehmen, als dieses Empfindung. Mein Magen knurrte. Gestern Abend musste ich aber schon feststellen das ich nichts hier hatte. Das hieß wohl Frühstück auswärts, am besten verbunden mit einem kleinen Wocheneinkauf. Ich stand auf um mich fertig zu machen. Ich brauchte ja nur die Schuhe anzuziehen und die Jacke überzuwerfen. Sehr viel bequemer sich nicht immer umziehen zu müssen. Im Vorbeigehen bemerkte ich das mein Anrufbeantworter blinkte. Ich bin doch erst neu hier, wer sollte mich angerufen haben? Die Zeit auf dem Display sagte mir das es gestern direkt nachdem ich aus der Praxis geflüchtet bin, geklingelt haben muss. „Hallo Mister Daruno. Hier spricht Professor Rasbon. Ich denke es wäre gut wenn sie heute noch einmal zu mir kommen. Ich habe für Sie etwas Zeit ab 13 Uhr eingeplant. Mein Blick wanderte zur Uhr, ich hatte noch zwei Stunden bis dahin. Das würde zu schaffen sein. Kurz nach eins. Ich saß wieder in der Praxis. Ich war nervöser als gestern. Wahrscheinlich wegen des Geständnisses und der Reaktion die daraus folgte. Der Professor sah mich freundlich an. Aber ich habe ja schon bemerkt das alles dies tun. „Mister Daruno, Sie müssen sich keinesfalls für den Vorfall gestern schämen, das ist etwas ganz natürliches. Es gibt viele Menschen dir nur sehr schwer über einen solchen Schicksalsschlag hinwegkommen.“ Ich sah zu ihm. Ich sah zwar Verständnis, nur nicht dieses wirkliche Verstehen. Er kannte Fälle, er kannte vielleicht auch die Menschen, aber er kennt mich nicht und meinen Fall. „Sie ist noch hier.“ Ich sagte es als ob ich vollkommen dahinter stehen würde, obwohl ich selbst wusste das es nur ein Hirngespinst war. Ich wusste doch das sie irgendwo unter der Erde lag. Sie war Asche. Sie war keine Person mehr die mich berühren konnte, die mir sagen konnte das sie mich liebt. „Wie meinen Sie das?“ Das Verstehen wurde immer weniger. Irgendwann denkt er, dass mir nicht zu helfen ist. Dann sperrt er mich weg. Mit Sicherheit. Doch jetzt musste ich wohl damit rausrücken. „Ich höre ihre Stimme noch. Ich spüre sie. Manchmal als ob sie direkt neben mir stehen würde. Ich habe versucht vor ihr zu entkommen, deswegen bin ich so oft umgezogen.“ „Sie fühlen sich also von ihr verfolgt?“ Ich sah ihn fragend an. Vielleicht auch etwas entsetzt. Es kam mir so vor als ob er dachte das ich jetzt unter Verfolgungswahn leide. Dachte er bestimmt auch. „Nein. Ich will nur endlich ein Leben frei von ihr führen, aber wenn sie immer da ist dann geht das nicht.“ „Sie wollen also weg von ihr. Das ist schon einmal positiver, als wenn Sie zu ihr hin wollten.“ Er machte sich Notizen. Und ich verstand es nicht. Was meinte er damit zu ihr hinzuwollen? Wie sollte das bitte gehen? Er hob seinen Kopf und traf auf meinen nichtsverstehenden Blick. „Es gibt viele Menschen die glauben durch Suizid dorthin zu kommen, wo der andere jetzt ist. Um ihm wieder nah zu sein, verstehen Sie?“ Ich nickte leicht. Er sagte es so als sei es das absurdeste der Welt. Für mich allerdings schien es recht logisch, wie diese Menschen dachten. Diese Idee hatte ich noch gar nicht. Vielleicht weil ich es selbst für Blödsinn halte. Aber wie konnte sie dann da sein? „Ich muss nach Hause.“ Ich murmelte es während ich aufstand. „Rufen Sie mich einfach an wegen eines neuen Termins.“ Wieder nickte ich kaum merklich und verließ den Raum. Suizid? Nein das konnte mich ihr unmöglich näher bringen, und wenn doch? Ich lief gedankenversunken die Straßen entlang und passte nicht richtig auf. „Au! Passen Sie doch auf junger Mann.“ „Tut mir Leid.“ Ich war schon fast wieder am Gehen, als die Frau mich zurückzog. In ihren Augen lag entsetzen. „Haben Sie einen wichtigen Menschen verloren?“ „Was geht Sie das an? Und wie kommen Sie darauf?!“ Bestimmt so eine Wahrsagerin die mir das Geld aus der Tasche ziehen will. Schnell zog ich meinen Arm aus ihrem Griff. Ich war schon im Verschwinden, da rief sie mir noch etwas hinterher. „Ihre Freundin vermisst sie.“ Dieser Satz brannte sich tief in mein Herz. Ich vermisste sie auch. Schon wieder wurden meine Augen feucht. Ich musste mich ablenken. Bloß an etwas anderes denken. Nur nicht an sie. Der Psychologe hatte es nicht wirklich besser gemacht, nein, eher verschlimmert. Jetzt wo ich auch von dieser anderen Möglichkeit wusste. Zu hause angekommen setzte ich mich mit einer Tüte Chips vor den Fernseher. Fernsehen war in solchen Fällen immer gut. Gerade liefen die Nachrichten. „Bei einem schweren Autounfall heute morgen kam eine Familie ums Leben. Die Frau und ihr Kind starben durch den Unfall. Der Mann, der offensichtlich den Unfall verursacht hatte, beging kurz danach Selbstmord.“ Ich schluckte, dann schaltete ich den Fernseher aus. Wieso kommt gerade wenn ich den Fernseher einschalte eine Meldung über einen Autounfall? Leyla starb bei einem. Mit unserem Baby im Bauch. Ich war Schuld, ich hatte sie genötigt zu fahren, obwohl sie genauso betrunken war wie ich an diesem Abend. Wegen mir ist sie gestorben. Warme Flüssigkeit ran mir die Wangen hinunter. Ich legte den Kopf in den Nacken. Ich konnte nichts mehr daran ändern. „Ich vermisse dich.“ Wieder ihre Stimme. Sie vermisst mich. Hatte die Frau auf der Straße das nicht auch behauptet? Und der Mann in den Nachrichten hatte sich das Leben genommen. Sollten das alles Zeichen sein? Vielleicht sollte ich aufhören davon zu laufen. Ich versuchte meinen schlaffen Körper ins Bett zu schaffen. Ich würde mich morgen weiter darüber informieren. Jetzt brauchte ich erst einmal Ruhe. Jeder einzelne Tag zerrte mich immer so aus. Raubte mir jede winzige Energie die ich noch hatte. Lange würde ich das eh nicht mehr durchhalten. Und Leylas Anwesenheit wurde immer stärker spürbar. Sonst hatte ich sie nur sehr selten gehört. Die Sonne weckte mich. Ich blinzelte etwas. Ich wollte meine Freundin streicheln, sie sanft wecken. Die Enttäuschung war bitter als ich nur in meine Decke griff. Es war nur ein Traum. Der Traum einer glücklichen Familie. Ich setzte mich auf. Die Gedanken des gestrigen Tages holten mich wieder ein. Diese Zeichen waren mir wieder klar vor Augen. War der Traum auch eines? Konnte es sein das sie wartete? Ich hatte vor genau das heute herauszufinden. Die Frage war nur wo? Welcher Mensch würde mich nicht für verrückt halten? Natürlich. Ich hatte einen Geistesblitz. Die Frau die ich gestern an gerempelt hatte. Ich sprang auf und nahm mir nur schnell ein Brötchen in die Hand und begann sie in der Stadt zu suchen. Ich musste schon viel Glück haben sie wiederzufinden. Aber ich hatte immerhin schon genügend Pech. Ich beschloss zuerst die rechte Seite von meiner Wohnung ausgehend abzusuchen. „Da solltest du nicht lang gehen, wenn du nach mir suchen solltest.“ Blitzartig fuhr ich herum und hatte die Frau nach der ich suchte vor mir stehen. „Wie?“ „Es ist eine Gabe. Lass uns ein Stück gehen, ich werde deine Fragen beantworten.“ „Im Grunde gibt es da nur eine. Glauben Sie das Menschen leben und warten können obwohl sie tot sind?“ Langsam glaubte ich das es möglich war. Alles was ich die letzte zeit erlebt habe spricht dafür. Selbst der Rasbon hatte es angedeutet, auch wenn er selbst nicht davon überzeugt war. Er dachte bestimmt zu rational. „Ja, das ist in der Tat möglich. Diese Menschen kommen aber nicht zur Ruhe, wenn sie auf jemanden warten. Wie ihre Freundin auf dich. Davor kann man auch nicht weglaufen, sondern muss sich dem stellen. Man muss eine Entscheidung treffen und diese der Person mitteilen. Wenn du willst das sie dich lässt, dann musst du ihr das sagen. Ich habe jetzt andere Sachen zu erledigen, aber du sagtest ja es sei nur diese Frage.“ Sie ließ mich stehen, ging einfach in eine andere Richtung. Aber ich hatte ja wirklich nur diese eine Frage. In Gedanken versunken lief ich bis zur Abenddämmerung durch die Stadt. Die rationale Seite in mir versuchte mir immer wieder deutlich zu machen, wie schwachsinnig diese ganzen Gedanken wären, das sie noch hier sein könnte. Die andere Seite allerdings machte mir klar wie sehr ich sie brauchte, wie sehr ich sie auch vermisste. Wie sehr ich sie immer noch liebte. Ich war auf einer Brücke angekommen, stützte die Arme auf das Geländer und blickte in den Sonnenuntergang. Mit Leyla hatte ich das früher auch immer gemacht, ich würde es gern wieder tun. Zusammen mit unserem Kind. Wir hatten uns so sehr gewünscht das es ein Mädchen sein würde. Vielleicht war es das auch geworden. Sie wer jetzt schon fast zwei Jahre. Ich seufzte. Die Sonne war nun ganz weg. Hier waren nur noch ich, meine Gedanken, die Brücke und die leere Straße unter mir. „Ich brauche dich hier.“ „Leyla. Ich brauche dich auch.“ Ich war nun sicher das sie auf mich wartete. Sicher das sie dort war. Ich blickte über das Geländer. Ja, wenn ich dort runter springen würde, wäre ich mit Sicherheit tot. Zwar tot, aber bei der Lieber meines Lebens. Die rationale Seite in mir schwieg nun, noch etwas was mir Sicherheit gab, dass es das Richtige ist. Langsam kletterte ich über das Brüstung und Stand nun auf der anderen Seite. Mit meinen zitternden Händen hielt ich mich noch fest. Diesmal aber zitterten sie vor Freude. „Gleich bin ich bei dir.“ Mit den Worten sprang ich. Der Sturz gab mir noch einen letzten Adrenalin stoß, welcher sehr abrupt endete. Ich hoffte meine Liebste sofort nach dem Aufprall in die Arme schließen zu können. Sie wieder zu umarmen, zu küssen. Doch ich vernahm nur wie mein Genick brach, danach wurde es schnell schwarz. Kein Licht, keine Leyla. Und alles was ich hörte und immer hören werde war Stille. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)