Runenherz von Runenwölfin (Weltenwandler Chroniken Teil 1) ================================================================================ Kapitel 5: Das Lichtwesen ------------------------- Es war so wundervoll warm als sie ihre Augen öffnete. Es gab weder Schmerz noch irgendein anderes negatives Gefühl an diesem wundersamen Ort, an dem sie sich plötzlich wiederfand. Sie glaubte einfach alles zu wissen. Den Sinn des Lebens, den Sinn all des Leids, das sie hatte ertragen müssen. Runa war nur noch ein Name, den man ihr in ihrem alten Leben gegeben hatte, aber nun brauchte sie keine Bezeichnung mehr, denn sie wusste, wer sie war, welche Leben sie gelebt hatte und dass noch viele Aufgaben auf sie warteten. Alles um sie herum leuchtete weiß, ein Leuchten, das man nicht mit Worten beschreiben konnte. Nie hatte sie etwas Helleres gesehen und trotzdem blendete sie dieses Licht nicht, sondern zog sie magisch an, bis sie plötzlich einen unbeschreiblich schönen Wolf vor sich sah, der über dem Boden schwebte. So golden glänzte sein Fell, dass man kaum hinschauen konnte und Runa kannte den Namen dieses Wolfes, ihre Mutter nannte ihn immer Lichtwesen. Vielleicht konnte man es auch den Tod nennen, aber diesen Namen fand die Gelbe nicht angemessen. „Bin ich tot?“, flüstere Runa ehrfürchtig. Sie konnte dem Wesen nicht in die Augen sehen, so sehr sie es auch versuchte, es ging nicht. „Noch sind die Verbindungen nicht ganz abgebrochen, gelbe Wölfin“, erwiderte das Wesen. Hinter ihm öffnete sich eine Art Tor, das auf eine unendlich wirkende Wiese führte. Dort schien alles ruhig und friedlich, der Himmel war hellblau, die Sonne strahlte sanft herab und bunte Blumen schmücken das helle, wohlduftende Gras. Von diesem Anblick gebannt, vergaß Runa fast, warum sie eigentlich hier war. Und dann sah sie auch noch eine hübsche, braune Wölfin, die langsam auf sie zukam. „Ginger“, meinte die Gelbe gerührt. Ihre Schwester wollte näher kommen, aber das Lichtwesen schüttelte den Kopf und sofort stoppte die junge Fähe. „Runa, deine Zeit ist noch nicht gekommen“, flüsterte die Verstorbene mit der Stimme, nach der die Gelbe sich so gesehnt hatte, doch was sie sagte, löste Erschütterung in ihr aus. Es war doch vorbei. Ihr Körper starb bereits, dass konnte sie ganz genau fühlen, also wie konnte sie zurückkehren? „Nein“, meinte sie. „Ich kann nicht zurück. Ich...ich…gehöre hierher. Hier muss ich nicht mehr leiden, hier bin ich frei, hier gehöre ich nun hin.“ Das kalte, ausdrucklose Gesicht der Lichtgestalt vor ihr machte ihr klar, dass sie das nicht zu bestimmen hatte und nun war es der Tod persönlich, der das Wort weiterführte: „Es tut mir leid, aber wir werden dir jetzt etwas erzählen, was dir klar machen wird, dass du noch eine Aufgabe vor dir hast. Ein Aufgabe, die nur Runa erledigen kann. Nur sie. Nicht deine nächste Wiedergeburt. Keines deiner nächsten Leben wird dazu fähig sein und auch niemand sonst. Höre mir nun zu.“ Sie senkte gehorsam den Kopf, während das Wesen fortfuhr: „Mir ist es nicht gestattet die Zukunft zu sehen, aber deine Schwester hat diese Fähigkeiten schon lange in sich und sie hat mir von einer Tatsache berichtet, die ich nicht ignorieren konnte. Ginger?“ Die Braune nickte und wendete sich dann an die Gelbe: „Die Wölfe der Erde werden aussterben.“ „Das kann nicht sein.“ Runa sah sie mit großen Augen an. „Doch, Schwester, es ist leider so. Aber du bist in der Lage es aufzuhalten. Du wirst etwas tun, was das alles verhindern kann, indem du etwas ins Leben rufst, was die ganzen Wölfe der Erde beschützt. Doch wenn du heute stirbst, dann kann das nie geschehen. Das ist nicht gerecht, ich weiß, aber worum wir dich bitten, ist nichts Schlimmes. Wir bitten dich weiterzuleben. Und das Leben ist ein Geschenk.“ „Ich verstehe das nicht. Wenn die Wölfe aussterben müssen, dann ist es doch einfach ihr Schicksal? Du bist der Tod“, sie sah das Lichtwesen an, „also was kümmert es dich, was mit ihnen geschieht? Alles stirbt irgendwann einmal, selbst wenn es eine ganze Rasse ist.“ Runa spürte, dass es falsch war, was sie von ihr wollten. Es war das Übertreten eines ungeschriebenen Gesetzes, das Eingreifen in die Zukunft, und das machte ihr Angst. Sie stand hier, den Blick aufs Jenseits gerichtet, und man verweigerte ihr den Eintritt. Das konnte nur ein Fehler sein. „Es ist nur eine kleine Änderung, die das Leben von vielen rettet. Wehre dich nicht, Runa. Lass es einfach geschehen.“ Nun fand die Gelbe, dass dieses Wesen den Namen Tod doch verdient hatte. „Habe ich denn eine Wahl? Natürlich werde ich tun, was du verlangst. Wie könnte ich mich gegen so etwas Mächtiges, wie du es bist, stellen? Wird es denn wehtun?“ „Ja, ein wenig.“ „Gut, ich bin bereit.“ Sie blickte zu Ginger, sich im Klaren, dass sie da nur sah, was sie sehen wollte. In der jenseitigen Welt hatte man keinen Körper mehr. Ihre Schwester war nur noch reine Energie, die keine negativen Empfindungen kannte. Sie wusste das, weil sie im Moment selbst nur noch aus Energie bestand, allerdings hatte sie noch die Verbindung zu ihrem Körper, was sie zu etwas anderem machte. Etwas, das noch die alten, weltlichen Emotionen wahrnehmen konnte. Im nächsten Moment riss plötzlich etwas an ihr und dann war da nur noch dieser vernichtende und fürchterliche Schmerz, der sie überkam. Die Wunde in ihrem Körper brannte wie Feuer und der erste Atemzug, der sich ihr aufzwang, fühlte sich an als würde sich Säure ihre Luftröhre herunter fressen. Sie hustete und hatte dabei das Gefühl gleich wieder ersticken zu müssen. Von weitem hörte sie eine Stimme, es war Sayuri, doch ihre Augen wollten ihr kein klares Bild liefen und auch mit ihrem Gehör schien etwas nicht zu stimmen. Nur langsam ließ das alles nach und wich der Ohnmacht, die sie heimsuchte. Sayuri konnte es immer noch nicht glauben. Sie hatten Runa in einen nicht weit entfernten Dachsbau gebracht, um sie vor dem Regen zu schützen. Da lag sie nun, ihr Brustkorb hob und senkte sie gleichmäßig und alle im Rudel wussten, dass sie normalerweise nicht mehr am Leben sein dürfte. Ihr Fell sah erstaunlich glänzend aus, für jemanden, der so viel Blut verloren hatte und auch die Wunde wurde wie durch ein Wunder immer kleiner, was allem widersprach, was die Schwarzweiße je gehört hatte. Spot stand bei ihr und ließ die Gelbe nicht aus Augen, bei jeder auffälligen Bewegung zuckte er zusammen und klapperte vor Nervosität mit seinem Schnabel, als hätte er Angst, sie könnte doch noch jeden Moment einfach so wegsterben. Firewind betrat die Höhle setzte sich neben Sayuri, die es sich in einem Eck der Höhle gemütlich gemacht hatte. „Sie sieht besser aus“, bemerkte die Rote. „Ja, allerdings. Viel zu gut, wenn du mich fragst. Das ist nicht normal.“ „Nein, womöglich nicht. Es ist ein Wunder und wir sollten dafür dankbar sein, findest du nicht?“ „Mhm…möglicherweise.“ Die Schwarzweiße glaubte nicht an so etwas, aber sie wusste als Runa sie damals aus dem Fluss gezogen hatte, dass sie eigentlich auch tot gewesen war. Irgendein Geheimnis umgab die Gelbe, aber Sayuri konnte es akzeptieren, wenn sie es nicht preisgeben wollte, nur ob Artos das auch konnte, wagte sie zu bezweifeln. Auf einmal regte sich die Verletzte und gab ein Stöhnen von sich. „Bei den Göttern, sie ist wach“, freute sich Firewind und lief wedelnd auf die Gelbe zu. Diese öffnete langsam ihre grünen Augen und sah sich desorientiert um, dann wanderte ihr Blick zu der fröhlichen Wölfin: „Ich dachte du bist auch gestorben?“ „Nein, nein, es war nur eine kleine Kopfverletzung. Siehst du?“ Die Fähe zeigte die Wunde an ihrem Kopf, die verkrustet war, aber in ihrem roten Fell kaum herausstach. „Ich bin nur ausgerutscht und auf einem Stein gelandet. Peinlich, ich weiß. Was meinst du mit auch gestorben? Du bist nicht tot.“ „Offensichtlich nicht“, erwiderte die Gelbe und wollte sich aufrichten. „Du solltest lieber liegen bleiben. Du bist noch viel zu….“, meinte Sayuri, doch es war sie zu spät, sie stand bereits auf ihren Beinen, verwunderlicher Weise ohne zu schwanken. Die gelbe Fähe fühlte sich seltsam. Die Erinnerung an ihr Erlebnis mit dem Lichtwesen schien so dermaßen verschwommen, dass sie sich kaum noch wusste, über was sie gesprochen hatten und sie fragte sich, ob sie es vielleicht doch nur ein Traum gewesen war, allerdings sprach die Tatsache dagegen, dass sie ein Loch in ihrem Körper hatte, das sie hätte umbringen müssen und sie sich aber noch hier befand. Dann lächelte sie Spot zu. Auf ihren treuen Gefährten konnte sie sich immer verlassen. Er piepste und setzte sich auf ihren Kopf. „Mach so etwas noch einmal und ich kill dich persönlich“, schnatterte er aufgebracht. „Ich werde versuchen mich daran zu halten“, grinste sie. In diesem Moment kam Artos in die Höhle und sein Blick verriet, dass er nicht begriff, wie es der gelben Wölfin wieder so gut gehen konnte, doch er nickte ihr nur zu: „Es freut mich, dass es dir besser geht. Wir dachten, wir hätten dich verloren.“ „Anscheinend war es nicht so schlimm, wie es gewirkt hatte. Anders kann ich es mir nicht erklären“, erwiderte die Fähe. „Wir bleiben bis morgen und dann ziehen wir weiter, allerdings wird unser Lager warten müssen, denn einer meiner Leute hat mir von einem Rudel hier in der Nähe berichtet, dass von Yaris angegriffen wurde und wir wollen ihnen helfen. Glaubst du, dass du in der Lage sein wirst uns zu begleiten.“ „Ja, Artos, ich fühle mich wirklich gut.“ Er schien zufrieden und drehte den Wölfinnen der Rücken zu, als er sich wieder nach außen begab. Sayuri sah Runa von der Seite an, doch diese reagierte nicht drauf, weil sie selbst keine Antworten hatte, was die Schwarzweiße wohl von ihr erwartete. Statt noch irgendetwas zu sagen, legte sich die Gelbe in die Ecke und schloss die Augen, obwohl sie eigentlich gar nicht müde war, im Gegenteil sie spürte so viel Kraft in sich, wie schon lange nicht mehr. Und trotzdem zwang sie sich zum Ausruhen. Als der nächste Tag anbrach, machte sich das Rudel auf in Richtung Westen. Der Regen hatte ich sich gelegt und die Sonne erwärmte ihre Pelze, was alle genossen. Dieses Mal überquerten sie die Wiese ohne Vorkommnisse, aber mit sehr viel mehr Vorsicht als zuvor. Die Wölfe waren erleichtert als sie den sicheren Wald erreichten und einige von den Rüden trennten sich von der Gruppe, um ein wenig zu jagen. Runa musste grinsten als einer von ihnen stolz mit einem Hasen im Maul zurückkam und ihn Firewind schenkte. Sie fand es gut, dass sie schon so richtig akzeptiert wurden, aber sie merkte auch, dass viele sie seltsam ansahen, als würde etwas mit ihr nicht stimmen, was sie ihnen nicht verübeln konnte, denn ihre plötzliches Wiederauferstehen und der Vogel, der sie begleitete, war tatsächlich nicht unbedingt normal. Und sie wussten ja nicht einmal alles über sie, was auch so bleiben sollte. Es dauerte nicht mehr lange, da betraten sie das fremde Revier, das sie gesucht hatten, die Duftmarken konnte man nicht überriechen, allerdings schienen sie in letzter Zeit nicht erneuert worden zu sein, was auf nichts Gutes hindeutete. Auf einer Lichtung angekommen, bestätigte sich dann der Verdacht, der sich wohl allen aufgedrängt hatte. „Sie sind tot“, merkte einer der Rüden an und beugte sich über ein am Boden liegendes Weibchen, in dessen Gesicht sich ein grausamer, letzter Augenblick spiegelte. Überall lagen verstreut Wolfskörper herum, die schon vor einigen Stunden getötet worden waren. Artos ließ den Kopf hängen, fing sich aber dann schnell wieder. „Wir sollten gehen. Hier können wir nichts mehr tun.“ Doch im nächsten Moment riss er hoch, weil er etwas wahrnahm, was jetzt auch jeden anderen Wolf im Rudel erreichte. Die Rüden spannten ihre Muskel an und gingen in Kampfposition, während sie die Fähen in die Mitte schoben. Sayuri wollte schon protestieren, aber als auf einmal fremde Wölfe, die gar nicht nach Freunden aussahen, sie einkreisten, da blieb ihr das Wort im Hals stecken. „Bitte nicht“, flüsterte Runa, doch als ein schwarzbrauner Wolf grinsend aus den Reihen trat, da wurden alle ihre Hoffnungen zerstört. Da stand er nun: Yaris. Und er hatte eine Menge Wölfe mitgebracht, sehr viel mehr als die von Artos. „Ich wusste, dass ihr kommen würdet. So leicht ist es also dem großen Artos eine Falle zu stellen. Schade, dass es heute mit der Legende dieses außergewöhnlichen Wolfes zu Ende gehen wird. Denn der Tag, an dem du sterben wirst, ist gekommen, falscher König!“, knurrte der dunkle Alphawolf. „Das werden wir ja sehen!“, erwiderte der Helle. „Wie du willst!“ Yaris sprang auf den großen Wolf zu und auch seine Anhänger begannen mit dem Angriff. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)