Des Engels Verführung von Terrorengel ("Gefangen, geschlagen, verletzt, behält ein Engel seine reine Unschuld bis zuletzt") ================================================================================ Kapitel 1: Engelsworte ---------------------- Engelsworte: „Kennst du die Legende von dem Ursprung unserer Welt?“, fragte sie ihn mit argloser, fast schon heiterer Stimme, auch wenn sie sich gerade in dem schlimmsten Loch der Welt befanden, zwischen Unrat, Dreck und Verwesung in absoluter Dunkelheit, die sich in das Herz des jungen Mädchens zu graben drohte, genau wie der grauenvolle Geruch des Todes, der ihre feine Nase entweihte. Er schwieg, so wie immer. Innerlich seufzte sie, sie hatte nichts anderes erwartet. Doch das hieß noch lange nicht, dass sie aufgeben würde! „Da ich durch deine nicht vorhandene Antwort annehme, dass sie dir nicht bekannt ist, werde ich sie dir erzählen; Es begann alles damit, als das Universum noch aus Nichts bestand. Du musst dir vorstellen, es gab nichts. Kein Wasser, keine Luft, keinen Himmel, keine Erde. Und damit gab es auch kein Leben, dass anderes Leben nähren konnte. Es gab noch nicht einmal Licht, so gab es auch keine Dunkelheit. Doch einer der Geister, die ebenfalls aus nichts bestehen, keine Materie auf jedem Fall, sah dieses Nichts und er stutzte; wie konnte etwas so grauenvoll leer sein, dachte er sich. Nun, das wollte er ändern. Gemeinsam beschlossen sie, etwas zu schaffen. Sie wussten selbst nicht, was, denn sie selbst bestanden ja auch aus diesem Nichts. Aber was sie wussten war, dass sie genau das Gegenteil derer, was sie selbst verkörpern, obwohl sie eben nichts verkörpern, schaffen mussten, damit sie etwas schaffen konnten. Ihr Wille, so stark wie eine reißende Welle der Tropen, die es damals nicht gab, gab ihnen Kraft, es zu schaffen. Und Kraft und Wille waren es auch, womit sie das erste etwas schaffen konnte. Zunächst nur ein unförmiger, farbloser Klumpen Materie, zogen sie ihn immer weiter auseinander, gaben ihm zunächst die Farbe schwarz, weil sie dem Nichts immer noch am nächsten kam. Denn anfangs waren die Geister des Ursprungs nicht gerade geschickt darin, etwas zu schaffen, so übten sie sich weiter. Nun, das Universum wurde mit Stolz betrachtet, auch wenn sie die Farbe schwarz bedauerten, erinnerte sie doch immer noch zu sehr, an die Leere, die zuvor alles eingehüllt hatte und die sie eigentlich hatte vertreiben wollen. Die Geister experimentierten eine Weile, die länger weilte, als die Erde Lebewesen aufbieten konnte, bis es ihnen schlussendlich gelang, viele, viele Planeten zu schaffen. Sie hatten die unterschiedlichsten Farben, wenn auch meist die gleiche Form und waren hübsch anzusehen. Doch wieso konnten die Geister die bunte Farbenpracht nicht betrachten? Es dauerte noch unzählige Zeit, bis sie auf die Lösung gekommen sind; sie hatten mit dem schwarzen Universum unbewusst die Dunkelheit geschaffen, ohne dabei zu bedenken, dass alles stets im Gleichgewicht sein musste. Also mussten sie Licht verteilen, um ihre Werke sehen zu können. Auch dies dauerte seine Weile, doch schlussendlich war das Universum erfüllt mit Licht, dass von großen Energiekugeln ausgesandt wurde, die das Dunkel in ihrer Umgebung erhellte. Es waren Sonnen, sowie Monde und Sterne, immer winzigste Bruchstücke der eigenen Energie der Geister. Endlich konnten sie die Planeten vollständig sehen... aber etwas störte sie. Sie wussten anfangs nicht was, denn sie hatten doch alles erreicht, was sie wollten, doch dann war der Gedanke an etwas, dass ebenfalls eigene Entscheidungen weitgehend treffen konnte, so wie die Geister selbst. Doch sie wollten nicht einfach andere Geister schaffen, nein, sondern etwas... Mit einer Existenz, wenn auch nur begrenzt und mit einer Abhängigkeit voneinander, damit ihr ewiges Zusammenspiel gewährt war. So kamen sie auf den Einfall, Leben zu schenken, dass die Planeten besiedeln sollte. Es gab so viele Geister und jede wollte sein eigenes Leben schaffen, sein Ebenbild, die Existenz, die der Geist sich gerne wünschen mochte. Eines wurde jedoch nicht bedacht; die Orte müssen soweit den Bedingungen der vielen Wesen gerecht werden, dass sie überleben konnten. Das war nur auf einem Himmelskörper so, der Erde. Die Geister waren jedoch auch mit dem nur teilweise gelungenen Werk zufrieden und holten den Willen und die Stärke, die sie so lang verbraucht hatten wieder nach, indem sie sich zur Ruh' setzten. Wenn sie das nächste mal auferstehen werden, wird alles anders sein.“, endete sie ihre leise Erzählung, ihre sanfte Stimme verklang sofort an den schwarzen Gemäuern. Nun würde sie warten, bis er etwas sagte, sie hatte ihr bestes gegeben, die Geschichte so spannend zu erzählen, um ihn mitreißen zu können. Ihm wenigstens hier, im feuchten Loch, tief unter der Erde, eine winzige Gefühlsregung zu entlocken. Doch Raven dachte nicht daran, seinen Mund auf zumachen, um Chiyo von der Verzweiflung der Einsamkeit zu befreien; vielmehr war er damit beschäftigt Panik zu empfinden, eine Angst, wie er sie noch nie in seinem Leben verspürt hat, so stechend kalt und scharf, wie das Eindringen einer rostigen Klinge in den eigenen Körper. Als er jedoch merkte, warum er diese Furcht und Verzweiflung empfand, war er durchaus über sich selbst überrascht. Er... er wollte einfach weiter ihrer Stimme lauschen. Dieser einfühlsamen, ruhigen, sanften Stimme, die wie Engelsgesang seine körperliche Hülle zurück ließ und nur seine Seele mitnahm, in das Reich ihrer Erzählung. Er hatte sich beinahe losgelöst gefühlt, während sie ihn allein mit ihrer wunderschönen Stimme mit riss und ihn nicht mehr los zulassen drohte. Weit weg hatte er sich befunden, nicht in einer verrotteten Gruft, die selbst die hungrigsten Ratten vermieden, sondern dort im Universum, wo er hautnah die Entstehung seiner Welt mit verfolgen konnte. In diesem Moment jedoch, wo der Zauber mit ihr verebbt war, drohte er wieder in das Loch zu fallen, aus dem sie ihn gerade erst gehoben hatte. Raven wollte nicht hier bleiben, wollte wieder mit ihr in den Himmel, auch wenn er da garantiert nicht hingehörte, sie vielleicht, aber er auf keinen Fall. In seiner Verzweiflung sprach er einfach seine Gedanken aus; die Worte auf seiner Zunge fühlten sich fremd an, doch nicht falsch, wie befürchtet. Für seinen Körper war es einfach nötig, diese Worte auszusprechen, in der Hoffnung, noch eine Weile der Hölle entkommen zu können. „Nein,....nicht, nein hör nicht auf zu reden! Er- erzähl mir noch eine Geschichte die du kennst, bitte, ich will einfach nur deine Stimme hören...“, seine letzten Worte wurden immer leiser, doch seine Augen blieben weit aufgerissen und zum ersten mal seit... ja seit wann eigentlich? Wahrscheinlich seit seiner frühen Kindheit konnte man deutlich eine Gefühlsregung in seinen sonst so kalten, nun aber eher flehenden, grauen Augen erkennen. Auch das Mädchen schaute ihn mit großen Augen an, jedoch eher aus bodenlosen Erstaunen, wobei sie auch vergaß, weiter zureden, wie sie es machen würde, wäre sie bei klaren Verstand. Er schaffte es doch tatsächlich sie mit einigen Worten völlig aus der Bahn zu werfen! Doch wenn er überhaupt sprach, war es ja schon so kostbar, dass sie sich diese Worte für immer in ihr Herz einschloss, auf dass sie nie vergessen wurden. Verunsichert durch ihr Schweigen, begann Raven wider anzufangen, etwas zu sagen, doch seine Zunge fühlte sich schwer an, so kam aus seinem Mund nur ein sehnendes „Bitte...bitte.“ Nun hatte auch sie wieder ihre Fassung zurück gewonnen und lächelte ihn an. Ein Lächeln, dass es noch besser schaffte als die vielen Sonnen, sein Universum erstrahlen zu lassen und ihre Stimme, die ihm nun wieder Geschichten erzählte, Geschichten über jene fernen Länder, in die er sie gerne mitnehmen würde. Chiyo war einfach nur glücklich, wenigstens für den Moment sein aufmerksames, wenn auch reserviertes Gesicht betrachten zu können, und sich an dem gelegentlichen Blitzen in seinen längst nicht mehr so kalten und abweisenden Augen zu erfreuen. So brach die zweite und auch die dritte und vierte Nacht herein, ohne dass die zwei Gefangenen allzu große seelische Leiden erdulden mussten... _ In der fünften Nacht jedoch, da kam Chiyo sich plötzlich wie Scheherzade vor, die Nacht für Nacht für ihr Leben Geschichten erzählte. Doch genug Erzählungen, Mythen und Legenden für tausend und eine Nacht hatte sie bestimmt nicht und ihr König würde sie wahrscheinlich auch nicht töten. Sondern mit Schweigen und nicht Beachtung bestrafen, denn dann würde die Einsamkeit, vor der sie sich am meisten fürchtete, den Rest erledigen. So überlegte sie sich Nacht für Nacht neues aus, doch erstaunt bemerkte sie, dass ihm ihr Erfundenes viel besser gefiel, als dass, was sie erzählt bekommen hatte. Sie bekam allmählich Übung darin, spannende Stellen aus zukleiden, Details so geschickt zu verstecken, dass Raven sie erst bemerkte, als sie für das Ende wichtig wurden. Das Erzählen machte ihr Freude, weil sie sah, dass es ihm Freude bereitet. Doch ein ganz anderer Gedanke quälte ihre Seele; sie konnte nicht ewig so weiter machen, sie würden zwar nicht verhungern, denn täglich brachte der Wärter eine Mahlzeit, doch wann würden sie sie kommen holen? Tief in Gedanken versunken, bemerkte sie nicht, wie Raven sie beobachtete. Schon seit Stunden studierte er ihr Gesicht, einem Engel gleich, und wurde trotzdem nicht müde sie weiter zu betrachten. Er sah die tiefe Sorgenfalte, die ihr etwas seltsam reifes gab, es passte einfach nicht. Aus einem unerklärlichen Grund hob er seine Hand, um mit einer sanften Berührung ihre Stirn zu glätten und sie das zu fragen, was gerade in seinen Gedanken herum schwirrte: „An was denkst du?“ Das Mädchen blieb wie versteinert unter seiner warmen Hand, seine Stimme, sie hätte fast ihren Klang vergessen... Doch sogleich entspannte sie sich auch wieder, woraufhin er sanft seine Hand entfernte und sie fragend ansah. Sie lächelte; sie lächelte ihn so oft an, und ihre Augen strahlten besonders hell, wenn er mit ihr sprach. Es machte sie wohl sehr glücklich. Raven hatte das Gefühl, ihr Lächeln, so leuchtend und warm, gar nicht zu verdienen... war es da nicht das mindeste, dass er versuchte, sie ein wenig glücklicher zu machen? In letzter Zeit konnte er in ihrer Gegenwart einige Impulse einfach nicht unterdrücken, wenn ihm etwas wie die Frage von vorhin durch den Kopf schoss, dann reagierte sein Körper schneller, als sein Verstand. Doch es war nicht schlimm, sie konnte und würde es niemals gegen ihn verwenden und das gab ihm Sicherheit. Die Sicherheit, die er brauchte, um Vertrauen zu fassen, weil er wusste, dass sie ihn nicht verraten würde, egal was geschah. Dies wiederum gab ihm die Kraft, weiterzumachen, egal wie hart es wurde, doch er fragte sich, ob Chiyo, dass so zart und zerbrechlich wie Porzellan war, das auch überstehen konnte. Besorgt bemerkte er, wie das Mädchen zu zittern begann; die Mauern waren zugig, der Winter war schon längst eingebrochen und sie saßen immer noch in Sommergewändern in der feucht-kalten Gruft, die wohl ihr Ende besiegeln wird. Doch egoistisch wie er war, konnte er nicht zulassen, dass sie vor ihn starb, er würde wohl verrückt werden. Es war allein ihre wohltuende Anwesenheit und die Wärme die sie ausstrahlte, die ihn vom Wahnsinn abhielt, ihn ans Leben fesselte. Doch da war auch noch etwas anderes, dass ihn dazu veranlasste, sie ruckartig in seine Arme zu ziehen, das fast schon primitive, aber nicht allzu abwegige Bedürfnis, sie zu beschützen. Vor allem Unheil wollte er sie beschützen. Im nächsten Moment jedoch bereute er seinen Reflex und wollte sie sogleich wieder von sich zurückstoßen. Aber er konnte einfach nicht; etwas in ihm verhinderte, dass er sie loslassen konnte, seine Arme schlossen sich bei dem Gedanken sie gehen zu lassen, automatisch fester um ihren zerbrechlichen Körper. Ach verdammt, sie roch einfach zu gut... obwohl sie jetzt schon seit einem Monat hier saßen, hatte sie kein bisschen den muffigen Geruch angenommen, sie blieb so frisch und süß wie eh und je. Ihr Duft benebelte seine Gedanken, verstopfte ihm seinen Verstand mit zuckersüßer Watte und sein Körper reagierte so primitiv wie es ging; er war erregt. Gott, sie fühlte sich so gut an... ihr weicher, anschmiegsamer Körper ließ ihn eine Welle von Erregung erfahren und er musste seinen Herzschlag kontrollieren. Ein kaum wahrzunehmendes Seufzen kam aus ihrem Mund und er musste innerlich aufschreien. Wie machte sie das? Mit ihrer Unschuld, ihrer Reinheit... wie konnte sie in ihm so viel Leidenschaft wecken? Nun entrann auch ihm ein gequältes Stöhnen, es war einfach alles zu viel, ihr Geruch, ihr Körper, der sich immer dichter an ihn schmiegte... Nachdem Raven Chiyo so überraschend in seine starken Arme gezogen hatte, dachte diese, sie sei im Himmel. In seine beschützende Wärme eingehüllt, verebbte ihr Zittern schlagartig und sie bekundete ihre Zufriedenheit mit einem wohligen Seufzen. Verwirrt spürte sie, wie er sich unter ihr verspannte, und als sie jedoch ein wenig von ihm abrücken wollte, griff er sanft aber bestimmt nach ihr und verfestigte nur noch seine fast schon krampfhafte Umarmung. Immer noch etwas verdutzt, lehnte sie sich probeweise etwas näher an ihn und erfuhr, wie schön das Gefühl der absoluten Geborgenheit doch sein konnte. Doch als ihm ein beinahe schmerzerfülltes Stöhnen entwich, konnte sie nicht anders, als sich unbehaglich zu fühlen; wollte er sie jetzt doch nicht auf seinem Schoß? „Bin ich zu schwer? Ist schon in Ordnung, mir ist gar nicht so kalt, also kannst du mich...“, konnte sie ihren verunsicherten Satz nicht beenden, denn sie wurde von einer rauen Stimme unterbrochen: „Nein! Nein, ich meine, das brauchst du nicht! Du bist nicht schwer, es ist nur so, dass... ach, egal, auf jeden Fall will ich, dass du dort bleibst, wo du gerade bist; bei mir.“ Er war von sich selbst mehr als erstaunt; was hatte das zu bedeuten, dass er so viel sprach? Und ihr dann auch noch versicherte, dass sie auf seinen Schoß bleiben sollte? Raven wusste, dass er ziemlich besitzergreifend geklungen hatte, da hätte er sie auch gleich an sich reißen können und dann mit dem Spruch „Du gehörst mir!“, sein Eigentum kenntlich machen können. Er benahm sich wie ein absoluter Idiot, und das alles nur, weil sie in seiner Nähe so verflucht unschuldig sein musste. Ihre Frage, die davon zeugte, wie wenig Erfahrung sie in diesem Gebiet hatte und wie unangenehm es ihr war, ihm Schmerzen zu bereiten, brachte ihn fast um. Er... er durfte dieses reine Wesen nicht beschmutzen oder gar für sich beanspruchen, nicht nachdem, was er ihr angetan hat. Und trotzdem schenkte sie ihm gerade wieder eines jener Lächeln, bei dem sein Herz stehen bliebt, in der Hoffnung, mit ihm würde auch die Zeit anhalten. Und trotzdem trug sie ihm nichts nach, strahlte solch eine Freundlichkeit und Wärme aus, dass er fast schon von ihrem Licht geblendet schien. Doch das einzige was momentan seine Gedanken beherrschte, war die Tatsache, dass ihre Unschuld den Dämon in ihm und auch den Rest ungemein reizte. Er merkte, wie sich eine Regung in seinem Unterleib bemerkbar machte, und wollte unbedingt verhindern, dass sie es mit bekam, doch dazu müsste er das Mädchen von seinem Schoß nehmen. Das aber kam für ihn inzwischen nicht mehr in Frage, viel zu gut fühlte sie sich genau dort an, wo sie gerade war; auf seiner Erregung. Wieder musste er ein Stöhnen unterdrücken, Selbstbeherrschung war wohl in ihrem Fall eine völlige Ausnahme, denn: er konnte sich kein bisschen beherrschen! Unbewusst neigte er seinen Kopf ein wenig zur Seite, sodass sein Mund direkt an ihrem Ohr lag und sein heißer Atem auf ihre zarte Haut traf. Ein Schauer durchlief ihren ganzen Körper; was machte er mit ihr? Ihre zwar unbewusste Reaktion gab ihm den Rest: er ließ alle Vorsicht fallen, stand kurz davor sich auf sie zu stürzen, wie ein halbverhungerter Tiger auf ein Stück Fleisch. Ihr Körper, der sich auf seinem Schoß so unbeabsichtigt verführerisch bewegte, schien ihn zu locken, zu rufen, so sehr, dass er der Verführung nicht widerstehen konnte. Mit vor Erregung rauer Stimme flüsterte er ihren Namen in ihr Ohr, auf das sie mit einem leisen Stöhnen reagierte, ganz unbewusst, doch es reichte Raven. Verlangend presste er seine Lippen und seinen ebenso hitzigen Körper auf den ihren und überrumpelte das völlig unerfahrene Mädchen schlichtweg. Seine Arme hatten sich beschützend, aber auch besitzergreifend um sie geschlungen, hielten sie zusammen, gaben ihr den nötigen Halt, damit sie nicht an ihm zerbrach. Beide wurden überschwemmt von den unterschiedlichsten Empfindungen; da war Verwirrung, Überraschung und auch nie gekannte, heiß entflammte Leidenschaft, die keine Grenzen zu kennen schien. Seine sonst so gefühlskalten Lippen verschlangen ihre so ausgiebig, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als die stürmische, aber dennoch angenehme Attacke seinerseits hinzunehmen und einfach nur zu genießen. Er war der Funke, das heiße Feuer, der ihre schlummernde Glut erweckte und zusammen breitete in ihren Körpern sich ein loderndes Feuer aus, dass voller ungestümer Leidenschaft und tiefer Verehrung war. Doch die Flamme verebbte langsam, sonst wären sie an dem Kuss erstickt, soviel Atem wurde ihnen durch die unglaubliche Hitze die plötzlich von ihnen ausging geraubt. Keuchen erfüllte die Stille, unentwegt sahen sie sich in die Augen. Sein erster Rausch hatte sich gelegt; sie schmeckte noch viel süßer, als er es sich hätte ausmalen können, doch ihm wurde bewusst, dass er in seinem Eifer nur ihre Lippen in Beschlag genommen hat, ohne dass sie die seinen erkunden konnte. Der nächste Kuss war wesentlich sanfter und ruhiger, aber auch gefühlsvoller, da er sie erst nur sanft an stupste und sie zu einem heißen Spiel aufforderte, nachdem sie mit quälend verführerischer Langsamkeit über sein Lippen fuhr und seinen Mund nach ersten Bedenken ausgiebig erkundete. Schon jetzt war ihre Unerfahrenheit verflogen, sie hatte zwar nicht die Oberhand, entlockte ihm jedoch nicht wenige verzehrende Laute, die sie schnell als erregend in ihren Ohren empfand. Ihr Lachen erklang zwischen den Küssen, perlend löste es sich aus ihrer Kehle und malte einen fast schon verträumten Blick auf das ebenmäßige Gesicht Raven's. Sie sah ihn an, tief, so tief wie niemand zuvor schien sie durch die Spiegel seiner Seele zu schauen, sein Grau, voller unterschiedlichster Schattierungen schien sie in einen Sog mit zu reißen und nicht mehr los zulassen. Doch Raven hielt es nicht lange aus; seine Augen immer noch tief mit den ihren, die von so einem dunklen Blau waren, verankert, fegte er mit einer Armbewegung den Boden vor ihnen leer, um sie mit größter Vorsicht darauf zu betten, wo er vorher sicherheitshalber seinen Trenchcoat ausgebreitet hatte. Mit großen Augen sah sie auf seinen nackten Oberkörper, fuhr mit einem zarten Finger federleicht die sich abzeichneten Muskeln nach und schaute dabei unentwegt in seine Augen, die wie Fesseln schienen. Sie konnte sich einfach nicht losreißen. Sein Brustkorb war mit Narben übersät, hauchzarte silberne Linien, die seine Haut bedeckten. Er war es gewohnt bei einer Frau nur seine eigenen Gelüste zu befriedigend und erlaubte niemanden, ihn zu berühren. Raven empfand es einfach als unnötig angefasst zu werden, stillte er doch nur seinen Hunger und hatte nicht das geringste Interesse daran, Zärtlichkeiten auszutauschen. Doch bei ihr war es anders... er konnte nicht umhin, ihren zarten, zarten Körper zu liebkosen, den einzigartigen Geschmack ihrer Haut auf seiner Zunge zu spüren und sehnte, nein verzehrte sich geradezu nach ihren Berührungen. Finger, so klein und sanft fuhren über seinen Körper, zogen ohne Bedenken seine Narben nach und weiche Lippen auf seiner erhitzten Haut ließen ihn vor Leidenschaft beben. Doch als seine Küsse immer leidenschaftlicher wurden und sein Mund von ihrem Hals, über das Schlüsselbein zu ihrem Brustansatz wanderte, hielt sie ihn mit keuchenden Atem und geröteten Wangen, seines Pfades ab, den nur er allein kannte. „Nicht... nein, ich glaube, ich, ich bin noch nicht bereit dazu...“, stieß sie zwischen zwei tiefen Atemzügen hervor, voller Furcht darüber, wie er reagieren mochte. Er blieb ruhig, seine Augen hatten zwar eine fast schon schwarze Farbe angenommen, so sehr verdunkelte seine Leidenschaft sie, doch sein Atem ging wieder regelmäßig und sein Herz hatte seinen Rhythmus wieder gefunden, immer etwas schneller als normal. Erstaunt sah sie ihn an; sie hätte mit Frustration, ja gar Wut oder sogar Ignoranz gerechnet, doch nicht damit, dass er ihre Ablehnung einfach so zu akzeptieren schien. „Raven... du bist nicht aufgebracht?“, erklang es mit leiser, unsicherer Stimme von ihr, während er immer noch über ihr gebeugt lag, sich an Händen und Knien abstützte, damit sie sein Gewicht nicht spürte, weil er Angst hatte, sie zu verletzen. Ein leichtes Kopfschütteln, ein leichtes Lächeln... Ein Lächeln! Er hatte sie angelächelt, seine Mundwinkel hatten sich ganze Zentimeter nach oben bewegt, ohne das Zutun anderer! Sie fühlte, wie es ganz leicht um ihr Herz wurde, sie beeilte sich, sein Lächeln zu erwidern, damit er ja nicht auf die Idee kam, aufzuhören. Das strahlenste und hellste, dass Raven je erblickt hatte... Sie war die Sonne, die ihm das dunkle Universum erleuchtete und all die bunten Planeten sehen ließ. Sie zeigte ihm, wie schön die Welt sein konnte, auch wenn er in einem schwarzen Loch saß, dass mit dem Geruch von Verwesung und Verzweiflung getränkt war. Sie brachte ihm das Fliegen bei, obwohl es ihn an Flügeln fehlte. Und sie war es, die so viel Wärme und Liebe entgegen brachte, dass er keine andere Wahl hatte, als diese zu erwidern. Sein Herz, dass schon vor so langer Zeit aufgehört hatte, zu fühlen, war gefüllt mit Zuneigung und es gehörte allein Chiyo, die so unschuldig, so unerfahren war und es doch geschafft hatte, sich innerhalb kürzester Zeit in sein verhärtetes Herz zu schleichen. Er wusste, dass er sie nicht verdient hatte. Viel zu rein, zu schön und zu unschuldig, als dass er sie die seine hätte nennen könnte. Doch er wiederum war viel zu egoistisch, als dass er sie hätte gehen lassen können. Fest schlossen sich seine Arme um den zierlichen Körper unter ihm, und in diesem Moment wünschte er sich nichts sehnlicher, als sie immer so zu halten, immer wieder den süßen, süßen Duft ihres Körpers in jeder Faser seiner Lunge aufzunehmen und ihrem schnellen Herzschlag zu lauschen, dem Flügelschlag eines Kolibris gleich. Sein Körper, der sie wie einen Käfig gefangen hielt, blieb über ihr gebeugt, weil er nicht gewillt war, sie jemals wieder herzugeben. In seiner selbstsüchtigen Entschlossenheit würde er diesem reinsten aller Engel endgültig die Flügel kappen, auf das dieses Himmelsgeschöpf in den Abgrund fallen würde – direkt in seine Arme! Dann, ja dann würde sie ihm gehören, unwiderruflich sollte er ihrer Unschuld habhaft werden! Grausam war sein Vorhaben, egoistisch und doch verständlich... wer würde ein solch liebliches Wesen jemals gehen lassen? Vielleicht war es sein Selbsterhaltungstrieb, der ihn dazu brachte, sie nicht los zulassen, tief ihren Duft zu inhalieren und ihr immer wieder Koseworte einer gänzlich anderen Sprache ins Ohr zu flüstern, denn er war sich sicher, ohne sie könnte er nicht überleben. Er klammerte sich an sie, weil Chiyo das einzige war, das ihn noch am Leben hielt. Die einzige Verbindung zur Realität, obwohl sie selbst wie aus einem Traum entstammen schien, gleichzeitig aber die einzige Grenze zwischen ihm und dem abgrundtiefen Wahnsinn. Er brauchte sie, wie die Luft zum Atmen, füllte seine Lungen wieder und wieder mit dem Geruch den sie verströmte, krallte sich unwillkürlich an ihr fest, weil er den Halt zur Welt zu verlieren drohte. Sie wisperte ihm wieder Worte entgegen, die sein Ohr, doch nicht sein Gehirn erreichten. Doch das machte nichts aus; allein ihre Stimme zu hören beruhigte ihn, ließ ihn seine Angst sie zu verlieren, schier vergessen und wiegte ihn sogar in einen friedlichen Schlaf. Sie bedeutete wohl alles für ihn, wenn er sich in ihrer Nähe dermaßen gehen lassen kann und auf ihrem Schoß gebettet Ruhe und Geborgenheit fand, um zu träumen. Mit einem fast schon mütterlichen Lächeln blickte sie auf den weitaus älteren erwachsenen Mann herab, der auf ihrem Schoß Schlaf fand, den er sich sonst meist verbot. Zärtlich fuhren ihre schlanken Finger immer wieder durch seine pechschwarzen Haare, fast schon kosend war die Geste. Leise, kaum hörbar summte sie eine längst vergessene Melodie, so sanft und beruhigend wie ihr eigenes Wesen. Zuneigung und innige Liebe sprach aus ihren meeresblauen Augen, sie schienen ihn behüten zu wollen, wie einen Schutzengel. Wenn er schlief, schienen all seine Sorgen und sein Ärger aus seinem sonst so starr geprägten Gesicht gewischt zu sein, mit einer fast schon kindlichen Friedlichkeit waren seine Züge gezeichnet und ließen ihn so viel jünger wirken. Chiyo konnte nicht umhin, die Konturen seines Gesichtes nach zu fahren, über sein glattes Haar zu streichen und ihm wie einem Kind einen Kuss auf den Scheitel zu geben. Es kam ihr selbst ein wenig seltsam vor, hatte sie vor nicht allzu langer Zeit eben diesen Mann leidenschaftlich geküsst, weswegen ihr ein kleines Lachen entfuhr. Hell und glockenklar erklang es perlend und blieb nicht unbemerkt in seiner Schönheit. Raven, so tief im Schlafe versunken hörte doch diesen engelsgleichen Laut und dies zauberte ein leichtes Lächeln auf seine schmalen Lippen. Verwundert hielt sie inne, um die überraschende Anziehungskraft seines Lächeln zu bestaunen. Was ihn wohl dazu veranlasste, so schön zu träumen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)