Der Begierde hilflos verfallen von -Harlekin- (TheGazettE x MUCC) ================================================================================ Kapitel 11: Es ist eröffnet --------------------------- Am späten Nachmittag betrete ich wieder meine Wohnung…mit Unbehagen. Skeptisch sehe ich in den Flur. Einerseits habe ich keine Lust von seinem plötzlichen Auftauchen wieder erschreckt zu werden…doch andererseits wünsche ich mir nichts sehnlicher…außer…das er kein Mörder ist. Nachdem ich mir ziemlich sicher bin, dass ich alleine bin, hänge ich meine Jacke auf und ziehe die Schuhe aus. Unter meinem Arm ist die Abendzeitung geklemmt. Ich hoffe, darin nun einen Bericht zu entdecken. Zielstrebig gehe ich in die Küche und setze den Wasserkocher für meinen Tee auf. Während das Wasser anfängt zu sprudeln, nehme ich am Küchentisch Platz und schlage zügig die Zeitung auf. Die ersten Seiten durchblättere ich desinteressiert…nichts Wichtiges, was auch nicht schon in der Tageszeitung gestanden wäre. Auf einer Seite mit vielen kleinen Artikeln bleibe ich hängen. Mir ist klar, dass sie es wohl nicht an die große Glocke hängen würden…und wenn doch, dann wäre es eine nicht übersehbare Schlagzeile gewesen. Als der Schalter vom Wasserkocher laut umschlägt, zucke ich mit den Schultern auf. Fortwährend habe ich auf jedes einzelne Geräusch in der Wohnung geachtet…jede Sekunde bereit hochzuspringen und aus der Wohnung zu rennen, obwohl mir bewusst ist, dass Tatsuro das nicht hindern würde… Aber nach seinen Worten zu urteilen, dass ich ihn in Ruhe lassen soll, hat er nicht die Absicht mich zu töten. Wenn es so wäre…hätte er es schon längst getan. In Gedanken mache ich mir meinen Tee und setzte mich schnell wieder an meinen Platz. Erfrischend nehme ich einen großen Schluck, der meine zu trockene Kehle befeuchtet. Der beruhigende Tee bewirkt, dass meine Anspannung etwas nachlässt. Ich schlage die nächste Seite um. Oberflächig überfliege ich die Artikelüberschriften…bis ich bei einer hängen bleibe. Als würde ich die Ziffern nicht richtig erkennen, beuge ich mich tief über die Zeitung. Mein Körper spannt sich wieder an, als ich die Ziffern wiederholt lese und meine Lippen sie leise nachflüstern. „Verwirrte Frau in Gasse gefunden“ Etwas in mir sträubt sich den Artikel zu lesen…doch ich muss es tun. [Ein weiterer Fall von vielen unerklärlichen Fällen in Tokyo, die wohl für immer unerklärt bleiben werden: Die 22-jährige Frau wurde am Morgen von einem Passanten völlig aufgewühlt in der Gasse nahe der Takanawa Straße entdeckt. Sie schien dort genächtigt zu haben, wusste jedoch nicht wo sie sich befand oder über Begebenheiten Kenntnis zu haben, die ihr abstruses Auftreten erklären könnten. Ein Arzt bestätigte später, dass sie eine Gedächtnislücke vom späten Vorabend bis zur heutigen Frühe aufwies. Möglicherweise könnte es eine Folge von einem Schock sein. Doch was genau konnte dies verursacht haben?] Bewegungsunfähig bleibe ich noch sitzen…bevor ich schließlich erleichtert aufatme. „Sie lebt noch!“ Ohne den Artikel fertig zu lesen und mich mit irrelevanten Spekulationen aufzuhalten, schlage ich die Zeitung zu. Freude macht sich in mir breit und ich spüre wie die ganze Anspannung von mir ablässt. Lächelnd lasse ich mich in den Stuhl sinken und verschränke die Arme hinter meinem Kopf. Neben der Tatsache, dass die Frau noch lebt, erleichtert es mich zunehmend, dass sie anscheinend auch noch von der Sache unversehrt entkommen war. Aber wie ist das möglich?? Hatte ich nicht gesehen, wie Tatsuro die Frau getötet hat?? Das ganze Blut…ihr lebloser Körper auf dem Boden… Meine Fantasie kann nicht mit mir durchgegangen sein…dafür war es zu real. Das Blut…war zu real. Es klebte an mir. Und auch Tatsuros Warnung am nächsten Morgen…war echt. Also was wird hier gespielt…?? Es gibt da nur eine Möglichkeit…das herauszufinden. Mit den Fingern auf dem Tisch trippelnd stehe ich eine Stunde später aufgekratzt vor meinem Telefon. Mit Mühe halte ich mich an den Tischenden fest, um nicht wieder stupide Hin- und Hergehen zu müssen. Ich weiß…Er wird nicht rangehen. Es hat keinen Sinn. Ich sollte aufgeben. Ich sollte alles vergessen. Die Frau hat überlebt und gut ist. Ich sollte seinen Rat befolgen. Ich sollte mich nicht mehr mit ihm treffen. Die Warnung sollte ich ernst nehmen. Meine Hände umklammern die Tischecken. Aber…ich kann nicht einfach aufgeben. Da bringt mir auch das ganze Sollen nichts. Meine zweite Schwachstelle neben der verhängnisvollen Neugierde. Also wähle ich konzentriert seine Nummer. Ich muss aufpassen, die richtigen Zahlentasten zu erwischen. Mein Atem setzt aus, als es dann anklingelt. Einmal… Zweimal… Dreimal… Viermal… Jemand geht ran. Überrascht muss ich aufkeuchen, doch hätte mich sofort dafür eine scheuern können. Stumm warte ich auf eine Antwort, doch auf der anderen Leitung bleibt es still. Ich weiß jedoch, dass er am Apparat ist. Sein Schweigen ist unheimlich, also komme ich schnell mit meinem Anliegen. Die Worte brechen so selbstverständlich und hartnäckig aus mir heraus, dass es mich selber überrascht. „Ich muss dich sehen.“ Zu meiner Erleichterung regt es sich auf der anderen Leitung und ein unverbesserlicher Seufzer tritt an mein Ohr. „Du…gibst wohl nie auf?“ Mein Ton ist wieder sehr bestimmend. „Nein, niemals.“ Besonders jetzt. Es bleibt wieder still. Aber lange lasse ich das nicht zu und werde direkter. Nun überrascht mich die hörbare Gelassenheit in meiner Stimme. „Ich will alles über dich erfahren. Ich will wissen, wer oder was du bist. Ich will endlich wissen, was hier los ist. Und solange…ich das nicht weiß, werde ich dich nicht in Ruhe lassen. Und das ist kein Versprechen…sondern eine Tatsache.“ Ich habe die Befürchtung, dass er einfach auflegt…doch er bleibt weiter in der Leitung. Schließlich nachdem meine Nervosität fast seine Obergrenze erreicht hat, antwortet er. Seine kühle Stimme klingt leicht verärgert. „Heute 21.00 Uhr vor dem Universal Music Gebäude.“ Ehe ich fröhlich antworten kann, legt er schon auf. Erfreut springe ich durch das Zimmer und muss mich breit grinsend auf das weiche Bett fallen lassen. Glücklich nehme ich mein Kissen und umschließe es fest. Ich bemerke selber, dass ich mich wie ein verliebter Teenager benehme…aber das ist mir grundsätzlich egal. Ich habe mich eh schon damit abgefunden, dass mit mir etwas nicht stimmt und ich eigentlich in die Klapsmühle gehöre. Aufgeregt dränge ich mich durch die Menge. Doch als ich an unserem Treffpunkt ankomme ist niemand da. Nicht mal in dem Gebäude brennt mehr Licht. Sieht so aus…als hätten die alle heute schon früh Schluss gemacht. Alleine vor dem Eingang stehend, ziehe ich den Reißverschluss meiner grauen Kapuzenjacke zu. Die einzige Lichtquelle, flackert leicht neben der verschlossenen Tür. Ich komme mir so dämlich vor… So…verarscht. Und kühl ist es auch noch… Enttäuscht lasse ich den Kopf sinken. Er hat mich hereingelegt…aber was war schon anderes zu erwarten? Er will mich los werden…und dafür ist ihm jedes Mittel recht. Ich blicke traurig nach oben und beobachte zwei Raben, die sich um einen Fenstersims streiten. Da es dunkel ist, sehe ich nur ihre Umrisse. „Buuh!“ Aufgeschreckt springe ich einen Schritt nach vorne, als Tatsuro plötzlich nahe hinter mir auftaucht. Belustigt muss er sich ein Schmunzeln unterdrücken und mich mit erfreuten Augen anblicken, während ich versuche einen Herzinfarkt zu überleben. Seine Überlegenheit gegenüber mir ist wohl das einzige, was ihn abrupt erheitern kann… Beleidigt verziehe ich das Gesicht. „Also…reden wir jetzt?“ Sein Lächeln verschwindet. „Wer sagt, dass wir reden werden…?“ Mir entweicht die Farbe aus dem Gesicht. Er macht eine abweisende Handbewegung. „Na gut. Ich höre besser auf damit, sonst stirbst mir noch, bevor ich irgendwas gemacht habe.“ Meine Augen verengen sich und die Farbe kehrt zurück. Nun ins andere Extreme. Er spricht dann mit solch einer Selbstverständlichkeit, dass mein genervtes Auge wieder kurz aufzuckt. „Aber sei nicht albern. Wir werden ganz sicher nicht hier reden.“ Ohne näher darauf einzugehen dreht er sich elegant um und geht schnellen Schrittes auf die Straße. Das hatte ich schon vermisst… Wieder muss ich ihm zügig auf Schritt und Tritt folgen…oder eher hinterher trotten. Im Vergleich zu seinen grazilen Schritten, sehen meine irgendwie verdammt tollpatschig aus. Neidisch brumme ich vor mir her. Was erlaubt er sich eigentlich?? Der Weg kommt mir bekannt vor. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir wieder zu seiner Bar gehen. Mühelos hält er vor mir ein konstantes Tempo. Es kommt mir so vor als wäre er eine Art Wegweiser in der Dunkelheit. Wenn ich seinen unsichtbaren Pfad verlassen würde, würde ich in den Abgrund stürzen. Dieser Abgrund wäre so tief, dass ich niemals den Boden erreichen würde… Er reißt mich aus meinen absurden Vorstellungen, als er plötzlich stehen bleibt und ich ungeschickt gegen ihn laufe. Der unerwartete Köperkontakt ist mir so peinlich, dass ich schnell alles auf meine Frage lenke. „Sind wir schon da?“ Ohne auf mich zu achten, schaut er auf die Tür der Bar. Mein Erröten war also völlig umsonst. „Ja…aber warte.“ Die anderen Leute, die an uns vorbeigehen, bemerken die Bar erst gar nicht. Ich…wäre wohl auch einfach unaufmerksam an ihr vorbeigelaufen, obwohl ich schon einmal in ihr gesessen bin. Plötzlich springt die Tür auf und ein seltsamer Mann verlässt die Bar. Seltsam insofern, dass er ziemlich absonderlich gekleidet ist. Orangegelber Anzug…schwarze Lackschuhe…und ein zu kurz geratener Zylinder, wobei man immer noch eine Glatze erkennt. Aus seiner Jacketttasche lugen ein Paar smaragdgrüne Handschuhe hervor. Die golden leuchtende Rolex an seinem Handgelenk zeigt seinen gehobenen Status. Seine Haut wirkt blass und…befremdlich feucht, wobei man nur seine Hände inspizieren kann. Der leicht geneigte Kopf und der Schatten von seinem Hut verbergen sein Gesicht, was ihn noch mehr skurril erscheinen lässt. Er ist fast so groß wie mein Begleiter, also…riesig. Als er seinen geneigten Kopf in meine Richtung lenkt, streckt Tatsuro unerwartet schnell seinen Arm vor mir aus, so als würde er mich vor ihm beschützen. Kurz hebt er seinen Kopf an und dann wird mir klar, wieso Tatsuro so auf Abstand geht. Ohne uns weiter zu beachten geht der Mann an uns fröhlich pfeifend vorbei. Ich drehe mich neugierig um, doch da hat er sich schon in Luft aufgelöst. Unheimlich…denn so einen komischen Kauz müsste man normalerweise noch einige Meter weiter aus der Masse aufblitzen sehen. „Er…hatte gelbe Augen…“ Nun schaut mich Tatsuro ernst an. „Gehe niemals alleine in diese Bar, verstanden?“ Ich nicke verstehend. Es ist mir schon bei meinem ersten Besuch aufgefallen… „Diese Bar ist keine normale Bar, oder? Ich meine-“ Wieder zu schnell für mein Auge, legt er einen eisigen Finger auf meine Lippen. Die Geste irritiert mich so sehr, dass ich nur stumm nicken kann. „Nicht hier draußen. Drinnen werde ich dir all deine Fragen beantworten.“ Als wir die Bar betreten, blickt der Barkeeper wie gewohnt auf und nickt Tatsuro zu. Bei meinem Anblick macht sich jedoch Verwunderung auf seinem Gesicht breit. Er hat wohl nicht erwartet, mich wieder zu sehen… Jetzt kann ich diesen Blick deuten. Routiniert zeigt ihm Tatsuro zwei Finger. Das Zeichen für zwei Drinks. Wie beim letzten Mal gehen wir an einen etwas abgelegenen kleinen Tisch am Fenster für zwei Leute. Auch heute ist die Bar nicht auffällig voll und doch sitzt hier und da eine zwielichte Gestalt. In dem anderen Zimmer erkenne ich dieselbe laut lachende Gruppe wieder. Doch jetzt erst bemerke ich die befremdliche Sprache, die ganz und gar ungewöhnlich klingt…Diese kann ich nicht mal ansatzweise irgendwo zuordnen… Meine Aufmerksamkeit wird jedoch schnell auf etwas anderes gerichtet. Etwas hat meine auf dem Tisch liegende Hand berührt. Es war kaum bemerkbar und doch nicht zu ignorieren. Mein Gegenüber betrachtet mich mit seinen dunklen Augen. Wie hypnotisiert fixiere ich diese. Weiß er eigentlich, wie fertig er mich macht? „Beim letzten Mal…habe ich deine neugierigen Blicke zugelassen, weil du hier das erste Mal warst…Aber noch mal werde ich das nicht tolerieren.“ Enttäuscht hebe ich eine Augenbraue. Ich hatte jetzt eher auf ein Liebegeständnis gehofft. „Was?“ Unheilvoll verschränkt er die Arme auf dem Tisch. „Hier wird es nicht gut geheißen, wenn man sich in Dinge einmischt, die einen nichts angehen. Erstmal macht das verdächtig und zweitens beleidigst du die anderen Gäste.“ „Das soll heißen…Ich soll meine neugierigen Blicke für mich behalten?“ „Erfasst.“ Seufzend stutze ich meinen Kopf auf meinen Händen ab. Nicht leicht für einen so neugierigen Menschen wie mich. Um nicht in Versuchung zu geraten blicke ich aus dem Fenster. Im Gegensatz zum letzten Besuch zeigt Tatsuro hingegen kein Interesse an den Ausblick, der das Fenster bietet. Langsam werde ich unter seinen verharrenden Blicken nervös. Ich sehne mich nach seiner Aufmerksamkeit…aber wenn ich sie einmal habe, verfluche ich sie. Dann endlich kommen die Getränke, die von der scheinbar normalen Kellnerin gebracht werden. Seine Blicke bleiben jedoch auf mich haften. Ich schnappe mir mein Glas und lasse meine ungehaltene Art kurz freien Lauf. „Was ist??!“ Statt eines Lächelns, bleibt sein Gesicht ausdruckslos. Sein Satz klingt aber fragend und nachdenklich. „Du weißt schon…dass du nicht bei Sinnen bist?“ Ich verziehe meinen Mund zu einen schiefen Lächeln, ohne dass ich es wirklich merke. „Sagt der Massenmörder.“ Endlich huscht eine kurze belustigte Regung über sein blasses Gesicht. „Also leg schon los.“ Die Fragestunde ist eröffnet. Tja…womit soll ich nur anfangen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)