Der Begierde hilflos verfallen von -Harlekin- (TheGazettE x MUCC) ================================================================================ Kapitel 8: Im Lichte der Nacht ------------------------------ Lächelnd lauere ich an der kalten Mauer in der Seitengasse. Es ist schon dunkel geworden…und so bin ich mir sicher, dass er gleich herauskommen wird. Ich weiß…wie naiv ich bin. Einfach am Abend zurückzukehren und sich wie ein Stalker an einen Typen zu heften, der anscheinend schizophren ist und von einem nichts wissen will. Dennoch…kann ich nicht anders. Ich wäre nicht Uruha, wenn ich so schnell aufgegeben hätte. Ich muss wieder schmunzeln, wenn ich dran denke, dass ich doch eigentlich derjenige bin, der gestalkt wird… Als er nach seinem glorreichen Auftritt die Tür hinter sich geschlossen hatte, dachte ich eine Welt würde für mich zusammenbrechen…Erst da ist mir bewusst geworden, wie sehr ich schon an ihm hänge…wie sehr ich ihn schon brauche. Uruha und Abhängigkeit…das ist völlig widersprüchlich. Vorher bin ich keinem begegnet, der das geschafft hat… Wow…Respekt, Tatsuro. Diese ganzen langweiligen Affären sind Nichts im Gegensatz zu einer einzigen Sekunde mit ihm. Er ist einzigartig. Egal wie wortkarg und ruhig er auch sein mag, in seiner Gegenwart war mir nie langweilig. Nein…in seiner Nähe fühlte ich mich wohl…und ungezwungen. Auch…wenn er anscheinend irgendwo eine beängstigende Seite an sich hat. Und so jemanden wie ihn…kann ich nicht einfach vergessen. So leicht ist das nicht. Ich kann nicht so leicht aufgeben, ehe ich den Versuch gestartet habe, seine kühle Mauer zu durchbrechen und seinen warmen Kern zu finden. Ich will endlich sein wahres Ich sehen. Diese Herausforderung…kann ich nicht abschlagen. Wie aufregend… Wann kriege ich denn schon so eine Herausforderung?? Dann…endlich. Endlich treten die Bandmitglieder aus dem Gebäude in die Dunkelheit. Einer nach dem Anderen… Als Letztes Tatsuro, den ich mit meinen Augen fixiere. Für einen kurzen Moment habe ich das Gefühl, das er weiß, dass ich ihn beobachte…aber das ist natürlich nicht möglich. Sie gehen in die Richtung der hell erleuchteten und belebten Hauptstrasse. Dort verabschieden sie sich lachend und gehen getrennte Wege. Ich sehe wie Yukke in sein nahe geparktes Auto einsteigt. Auch die anderen werden wohl mit Autos hergekommen sein… Sich gegen den Kopf schlagend gehe ich ebenfalls zur Hauptstrasse. Wie dumm von mir…wenn Tatsuro ein Auto hat, werde ich ihn wohl schlecht zu Fuß verfolgen können… Doch zu meiner Erleichterung geht er den Gehweg entlang und verschwindet in der Menschenmasse. Ich habe Sorge ihn aus den Augen zu verlieren und versuche mit seinem zügigen Tempo Schritt zu halten. Immer wieder geht er in der lauten Menge unter…nur um wieder kurze Zeit später irgendwo anders aufzutauchen. Wie ein wandernder schwarzer Farbklecks in einem bunten Durcheinander, das sich nicht entscheiden kann, wo es liegen soll, damit das Bild auch gut aussieht. Zum Glück ist er im Vergleich zu anderen Japanern ein Riese… Ich konzentriere mich so sehr auf die Verfolgung, dass ich mehrfach den einen oder anderen Passanten unbeabsichtigt anremple. Die verärgerten Nachrufe nehme ich jedoch nicht wahr. Meine Aufmerksamkeit schenke ich allein ihm. Der Plan ist es, ihn am Ende bei seiner Wohnung abzupassen. Was ich dann aber genau tun werde, ist mir noch unklar. Das ist auch nicht so wichtig. Vielleicht werde ich ihn anschreien…und ihm Morddrohungen gegen den Kopf schmeißen…aber vielleicht wird es auch das krasse Gegenteil sein und ich werde mich letztendlich doch verzweifelt vor seine Füße werfen. Aber egal…egal, was ich auch tun werde…Es ist besser als gar nichts zu tun. Ich kann nicht zu Hause allein im Dunkeln hocken und schmollen. Ich bin nicht der Typ dafür. Ehrgeizig starre ich in die Menge, das Ziel vor Augen. Doch plötzlich taucht er nach einem abermaligen Verschwinden nicht wieder wie gewohnt auf. Hektisch schweife ich meinen Blick über die bunte Masse. Wie ein Kribbeln steigt die Panik in mir ins Unermessliche, als ich ihn nach mehreren Versuchen nicht wieder finde… „Nein…Nein!“ Wo ist der Farbklecks?? Die Panikattacke lässt mich unregelmäßig atmen und ich frage mich, wie lange mein eh schon belastetes Herz dieses dauernd abrupte Wechseln zwischen Stillstand und Raserei noch mitmachen wird… Aber es kommt…wie es kommen muss… Und am Ende muss ich die Erkenntnis desto trotz annehmen: Ich habe ihn endgültig verloren. Enttäuscht schlenkere ich weiter. Auf einmal so schwach… Die ganze Kraft und Energie, die ich in diese Sache rein gesteckt habe, scheint wie weggeblasen… Soll ich es am nächsten Tag noch mal probieren? Und…wo ist überhaupt mein Stolz geblieben…? Schließlich bleibe ich an dem Punkt stehen, wo ich ihn zuletzt gesehen habe, obwohl ich von rechts und links nonstop geschubst werde. Dann fällt mir die Seitengasse zu meiner Linken auf. Ist er etwa…? Natürlich ist das Blödsinn…aber sogar die allerdümmste Idee…erscheint einem auf einmal so plausibel, wenn sie auch nur einen klitzekleinen Hoffnungsschimmer aufblitzen lässt. Ein Versuch ist es immerhin wert. Was habe ich jetzt noch zu verlieren? Also gehe ich hoffnungsvoll in die dunkle Gasse. Mein Gehen…wird ein Laufen…und das Laufen…wird ein Rennen. Immer tiefer in die Finsternis hinein…bis der Lärm von der Straße endgültig verstummt. Ich weiß nicht, wieso ich renne…wahrscheinlich aus Frust. Es ist befreiend… …und mühselig. Als ich keine Luft mehr bekomme, schaltet sich mein Gehirn wieder ein. Ungläubig bleibe ich stehen. Was tue ich hier eigentlich? Eine Handlung aus Verzweifelung? Ja. Aus Verzweifelung. Aber Hey…was erwartet mich schon in meiner Wohnung? Außer eine schlaflose Nacht. Mpf! Was war das? Sofort spitze ich meine Ohren und versuche den Laut noch mal zu vernehmen. Und ja…da ist er wieder…Ganz in meiner Nähe. Unsicher blicke ich mich um. War es vielleicht…doch ein Fehler gewesen, die Gasse zu betreten? „Wo bleibst du denn?? Ich weiß, dass du hier bist…“ Erschrocken mache ich einen Hüpfer. Habe ich es mir nur eingebildet…? „T…Tatsuro?“ Ist es wirklich möglich, dass ich schon Halluzinationen bekomme?? Treibt mich…Tatsuro in den Wahnsinn…? Wird das…mein Ende sein? Uruha…der Selbstbewusste…der mit dem Modelaussehen und der immer einen frechen Spruch auf den Lippen hat… Uruha …dem die Männer zu Füßen liegen…und ergeben jedem Wunsch erfüllen… Dieser Uruha…wird dieser Uruha so enden? Wahnsinnig geworden, weil ihn ein Mann Paroli bieten konnte und ihn abwies…? „N…nein…“ Sich gegen diese Vorstellung verbissen wehrend gehe ich in die Richtung, wo die Stimme hergekommen ist…dann um die Ecke entweicht mir ein kleiner Schrei. Zu mehr habe ich es nicht gebracht. Er grinst hämisch, als er mein erschrockenes und bleiches Gesicht erblickt. Ich müsste eigentlich über seine Anwesenheit froh sein…den Beweis zu sehen, dass ich nicht verrückt geworden bin… Doch im Hinblick darauf was er tut…ist meine Reaktion mehr als nur berechtigt und ich wünsche mir, doch lieber verrückt zu sein. Bösartig grinsend hält er eine junge Frau in seinen Armen gefangen. Damit sie nicht schreien kann, presst er seine Hand auf ihren Mund. Trotzdem dringen ab und an wimmernde Laute durch seine Hand, die mich erschaudern lassen. Tränen, die ihre Wangen hinabfließen, bringen mich fast ebenfalls zum Weinen. Er muss sie wohl aus der Masse gezogen haben… „Verdammt…Tatsuro…W…Was tust du da??! Lass die Frau los!!“ Wieso tut er das?? Immernoch grinsend ergötzt er sich an meiner Fassung, die allmählich verloren geht. „Willst du denn nicht sehen…was ich mit ihr anstelle?“ Seine Stimme klingt kühl und amüsiert. Unmenschlich. Die aufstehenden Nackenhaare ignoriere ich, stattdessen balle ich aufbrausend die Fäuste. Wut…ist das einzige Gefühl, dass die Angst für eine gewisse Zeit besiegen kann… Aber leider ist auch sie…kein Allheilmittel. „Wie kannst du nur??? Was hast du vor??!!“ Wenn er denkt, ich werde tatenlos zusehen… „Beruhige dich…ich werde nicht das mit ihr tun, was du vielleicht denkst. Du Schmutzfink.“ Schmunzelnd unterdrückt er beim letzten Wort ein Auflachen. Ich beiße wortlos die Zähne zusammen, während ich darüber nachdenke, was ich tun könnte… Sein Gesicht wird unerwartet ernst. „Aber trotzdem…wird es keine sehr angenehme Show werden. Also entscheide dich…Du kannst jetzt noch gehen und so tun, als hättest du das hier niemals gesehen...“ Fast wäre mir ein Lachen rausgerutscht. Wie kann er nur so von mir denken?? „Ich werde erst gehen, wenn du diese Frau frei lässt!“ Im Gegensatz zu mir entweicht ihm ein lautes kaltes Lachen, dass die Gänsehaut verstärkt. Es ist gnadenlos. „Ach hör doch auf! Du solltest mein Angebot wirklich überdenken!“ Entschlossen versuche ich mein Gesicht regungslos zu halten. Ihn an meinen Gedanken und Gefühlen nicht teilhaben zu lassen. Ich muss versuchen Zeit zu schinden… Soll ich einfach auf ihn zu gehen und…ihn schlagen?? Ich bin kein Schlägertyp…in so einer Situation hätte ich Reita gut gebrauchen können… Doch andererseits…ist da dieses zutiefst unpassende Widerstreben, Tatsuro zu verletzen… Aber diese Frau…ich muss sie doch irgendwie befreien können! Während es in meinem Kopf unaufhörlich rattert, wendet er sich grinsend seinem Opfer zu. Beinahe fürsorglich streicht er ihr eine Träne aus dem Gesicht, während sie mich flehend anblickt. Ich kann ihren Blick nicht ertragen…genauso wie seinen. Den sarkastischen Ton hebt er besonders hervor. „Was für ein Held, nicht wahr?“ Meine Fäuste zittern. Er ist sich der Situation so sicher…so verdammt sicher… Und dieser Blick…es ist derselbe Blick, den er mir in meinem Wohnzimmer zugeworfen hatte…ein furchteinflößender Blick…voller Begierde. Das ist nicht mehr der Tatsuro, den ich kenne…das ist wieder der Andere. Der, der mich ängstigt. Zutiefst ängstigt…bis aufs Mark. Ich bin wie gelähmt. Abermals wandert sein intensiver Blick wieder zu mir, so…als würde er auf etwas warten. „Was ist?? Ich dachte, du willst mich abbringen?“ Auffordernd hebe ich meine Fäuste…will mir seinen Spott nicht gefallen lassen…doch…bleibe da wo ich bin. Möglicherweise glaube ich ihm ja…dass ich…nichts ausrichten kann… Aber der Grund ist einfach… Ich kann nicht…Ich kann ihn nicht angreifen…Nicht Tatsuro. Ich habe das Spiel verloren…schon von vorneherein… Und er…hat es von vorneherein gewusst. Fast bittend blicke ich ihn an. Keinen anderen Ausweg findend… „Bitte, Tatsuro…Lass sie einfach gehen. Bitte…“ Ich habe jetzt erwartet, dass er mich auslachen würde…sich weiterhin über mich ergötzt… Im Gegensatz zu meiner Erwartung verengen sich aber seine Augen…und ich habe das ungute Gefühl, dass sein gieriger dominanter Blick nicht nur seinem Opfer gilt. Nein…er gilt alleine mir. So als wäre die Frau in seinem Griff nur ein Vorwand. So…als sollte eigentlich ich dort sein… Sein bedrohliches Flüstern… „Wie du willst…“ …wird zu einem lauten Schrei. „…dann schaue eben zu!!!“ Bevor ich irgendwie auch nur ansatzweise reagieren kann, spritzt mir das Blut entgegen. Vor Schreck stolpere ich nach hinten und falle zu Boden…zu geschockt, um das Gesehene aufzunehmen…gar verstehen zu können. Ich hatte alles erwartet…alles…aber nicht das! Ich kann nicht glauben, was ich da sehe…Es kann nicht wirklich passieren… Die erschreckende Show, die man mir anbietet, lässt mich schwindeln und ich spüre wie mir der Magen umdreht. Die ekelhaften Geräusche und das dunkle Rot lassen mich schütteln. Es ist grausam und widerwärtig zugleich, ganz anders…als man es sich vorstellen könnte. Die Realität ist immer anders…naja…wenn es denn die Realität ist. Ich bin ein gezwungener Zuschauer. Ein Zuschauer mit einem schwachen Magen und den es nicht auf seinem Platz hält. Hektisch versuche ich mich an den Stahlzaun hochzuziehen, der aus der anderen Gasse hervorlugt. Mein einziger Gedanke ist, so schnell wie nur möglich hier weg zu kommen. Weg von diesem Albtraum. Von diesem Wahnsinn. Weit weg. Wenn es sein muss, sogar ans andere Ende der Welt. Ohne noch mal zurückzusehen renne ich in die Gasse, die in entgegen gesetzter Richtung liegt. Ich bin noch zu überrumpelt…um wirklich so was wie markerschütternde Angst zu verspüren… Trotzdem renne ich, als wäre der Teufel hinter mir her…die ganze Zeit mit dem Gefühl von einem gierigen leuchtenden Augenpaar auf dem Rücken starrend… Noch ein letztes Mal muss ich über meine Schulter blicken und sehe, wie Tatsuro die leblose Frau loslässt… Sie fällt stumpf zu Boden und hinterlässt eine lange sichtbare Blutspur an der Wand… Ich stelle mir vor es wäre Farbe. Genauso wie die Flecken auf meiner Kleidung. Genauso wie die Pünktchen auf meinem Gesicht, die ich bereits auf der Haut trocknen spüre… Ich wage es nicht, sie mit der Hand wegzuwischen…da sie nur umso realer werden würden. Doch dieses Bild…von ihm…über dem dunklen leblosen Schatten auf dem Boden…wird mir wohl für immer im Gedächtnis bleiben. Er bleibt reglos an der Stelle…mit gesenktem Kopf, während seine schwarzen halblangen Haare an den Seiten wie Seide herabfallen und rötlich im Lichte der Nacht schimmern. 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