Mülldeponie von ElefantenFee ================================================================================ Kapitel 6: Liebe ist Kunst -------------------------- Ich lachte laut und hob mein Glas. Fest stieß das Glas meines Gegenübers an meines an und wir tranken die braune Flüssigkeit, die brennend meinen Hals hinab floss. Die Uhr zeigte gleich halb vier am Morgen. Ich fühlte mich gut, denn ich war betrunken. Der Alkohol hatte einen dichten Nebel über meine Gedanken gelegt und ließ mich vergessen was mich bedrückte. Das fehlende Geld, die viele Arbeit und die vielen Absagen. Nur das Konzert heute Abend war ein voller Erfolg gewesen. Immerhin eine handvoll der fünfzig oder sechzig Besucher des Clubs waren wegen uns gekommen. Sie hatten gefeiert, lauthals mitgesungen und hingen mir an den Lippen wenn ich etwas erzählte. Ich fühlte mich wie Gott. Irgendwer füllte mein Glas erneut. Auch das ging schon den ganzen Abend so. Ich glaube sogar, dass ich noch nicht einen Drink selbst zahlen musste. Ich fand das richtig so, denn ich war hier der Star. Ein älterer Mann mit Schirmmütze auf dem Kopf, die jedem mitteilte, dass er begeisterter Opel Fahrer war, legte seinen Arm um mich und begann zu singen. Ich verstand kein Wort von dem was er mit tiefer Stimme gröhlte, aber ich legte meinen Arm um ihn und lallte mit. Meine langen, schwarze Haare flogen durch die Gegend als er mich mit sich zog und plötzlich anfing headbangend sein Getränk über den Boden zu verteilen. Die Mädchen um mich herum feuerten uns an. In ihren engen, bunten Hosen sahen sie verlockend aus. Der wenige Stoff, der ihre Oberweite bedeckte, hätte ich um den Verstand bringen sollen. Aber ich sah immer wieder den blonden Haarschopf, der in einer Ecke des Ladens saß. Ganz ruhig, so als ginge es ihn alles nichts an. Als wäre er gar nicht hier. Er saß mit dem Rücken zu mir. Er tat es immer so. Er wartete und hielt sich aus allem raus. Er wollte kein Spielverderber sein also setzte er sich lieber in die ruhige Ecke. „Bela!“, brüllte mir wer ins Ohr. Dann klatschte mir wer auf den Rücken. Schon fast zu fest und ich ergoss den Whiskey aus dem Glas auf die Hose eines Mädchens. Sie schreckte zurück, sah mich an und begann zu lachen. Sei alles nicht so schlimm, sagte sie und verschwand doch kurz darauf auf der Toilette. Ich löste mich aus dem Pulk, der mich umgab. Vorher hatte ich noch nach einer Zigarette gefragt. Sechs Stück wurden mir hingehalten. Eine davon nahm ich dankend an. Der Rauch schlängelte sich zwischen meinen Fingern durch als ich sie nach unten hielt um niemanden ein Loch in die Kleider zu brennen. Der Blondschopf saß noch immer reglos auf seinem Stuhl und schien Löcher in die Wand starren zu wollen. Ich stellte mein leeres Glas auf den Tisch. „Hey Jan“, sagte ich. „Hey“, sagst du. „Alles klar?“ „Ja.“ „Willst du gehen?“ „Lass' dich nicht vom Feiern ab halten.“ „Nein, das ist schon okay.“ Du zuckst nur mit den Schultern und nimmst dir die Jacken, die neben dir auf dem Stuhl liegen und gibst mir dann meine. Ich ziehe sie über und trete kurz die Zigarette aus, die ich habe fallen lassen. Ein Mädchen schleicht sich von der Seite an. Ich sehe sie aus den Augenwinkeln. Sie stellt sich vor dich, kurz bevor wir die Tür erreichen. „Nimm' mich mit“, sagt sie zu dir. Ihre Stimme ist verrucht und sie fordert es mehr als das sie darum bittet. „Nicht heute“, ein mitleidiges Lächeln schenkst du ihr. Wir verlassen den Laden. Die Leute rufen uns zu dass wir bleiben sollen. Einige pfeifen weil wir gehen. Es stört uns nichts. Es ist genug für heute Abend. Mir bläst kalter Wind in das Gesicht. Die Luft schmeckt alt und klebrig. Das kommt vom Alkohol. Schweigend laufen wir nebeneinander die Straße entlang. Jugendliche überall. Sie halten ihre Bierflaschen wie Trophäen in die Luft, schreien und jagen sich gegenseitig. Sie sind betrunken und sie feiern es wie Wilde. Ich stolpere, du fängst mich auf. Ich sehe dich nur kurz an, aber ich erkenne dein Grinsen. Dann schlägt die Welle der Übelkeit über mir zusammen. Sie kommt plötzlich, wenn auch nicht unerwartet. Sie ist schnell und sie ist unaufhaltsam. Ich drehe mich von dir weg, halte mich an der Straßenlaterne fest die ich zu fassen kriege und übergebe mich. Ein paar Jugendliche sehen es und beginnen zu jubeln. Mehr wollen sie sehen. Nicht aufhören. Ich würge und schmecke den bitteren Alkohol, der eben noch so herrlich gerochen hat. Jetzt wird mir bei dem bloßen Gedanken an ein weiteres Glas nur noch schlechter. Da legt sich deine Hand in mein Genick. Sie ist kühl und nimmt mir den Schmerz, den ich immer fühle wenn ich mich übergeben muss. Deine andere Hand liegt auf meiner Schulter, sie drückt mich ganz leicht. Es dauert ein paar Minuten, aber dann endlich, beruhigt sich mein Magen. Seine Turnübungen scheinen vorbei zu sein. Ich spucke auf den Boden. Ein Mal, zwei Mal, drei Mal. Erst dann wische ich mir über die Augen und blinzele in das Licht der Laterne, die jetzt in einer Pfütze steht. Dein Arm legt sich um meine Hüfte. Du ziehst mich zu dir. Ich lehne mich an deine Schulter und auch ich lege meinen Arm um dich. Langsam, Schritt für Schritt, gehst du so mit mir über die Straße in Richtung unserer Wohnung. Ich habe die Augen geschlossen, lasse mich von dir führen. Denn ich vertraue dir blind. „Ich liebe dich“, sage ich. „Ich weiß“, antwortest du. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)