Man wartet von -Pan (Adventskalender '09 - Der Nikolaus und sein Knecht Ruprecht) ================================================================================ Kapitel 1: Mäuse ---------------- Mäuse, tuschelnd. Mäuse, in der Küche, vor der Zimmertür, vor dem Fenster. Mäuse mit Hüten, Mäuse mit Geweih. Minka träumte nie allein. Irgendjemand ging immer mit: Die trippelnde Mäuse, die fauchende Katze, der Hund, dessen Heulen sie vor den Mauern des Dorfes vernahm. Oder Heiji, der ohnehin meist neben ihr schlief und der heute vielleicht Haiji heißen würde, hätte sie damals schon schreiben können. Die Mäuse tanzten gerade den Tanz, der auf Dorffesten immer zuerst getanzt wird, als es plötzlich ein wenig dunkler wurde. Die Mäuse tanzten ungestört weiter, selbst als einige von ihnen zu schnacken begannen. "Okay, wie abgesprochen." "Wir haben was abgesprochen?" "Nami hat abgesprochen. Wir haben zugehört." "Haben wir?" "Ich hab' zugehört." "Das' doch gut, Chopper! Und?" "Hast Du den Sack?" "Sicher. Wie kommen wir rein?" "Wir machen's wie beim letzten Haus." "Okay. Wir klettern auf's Dach, rutschen auf den Schindeln aus und stoßen uns den Kopf am Schornstein..." "Hahaha, "wir"?" "Haha, ICH." "Wollt ich doch sagen." "Hör mal, ich bin nur mitgekommen, damit Du dich nicht verläufst - was grinst Du?" "Ich grins' nicht, Zorro." "Also, so wie beim letzten Mal sagst Du?" "Ja, vom Prinzip her. Wie es geplant war." "Der Keks muss in den Schuh." "Ja, das ist die Idee dahinter. Wie kommen wir rein?" "Was weiß ich? Wieso hast Du nicht Nami mitgenommen? Die wäre längst drinnen und auch wieder draußen. Ohne Kekse...mit dem Silberbesteck und so." "Dem Goldschmuck." "Jap, und mit dem Geld. Und wenn die Stiefel ein Paar hübscher Damenschuhe gewesen wären..." "Dann hätten die Hausbewohner die Kekse in der Früh' auf dem Boden gefunden, und die wären ganz ausgetrocknet gewesen..." "Trockener kann das Zeug eh nicht mehr werden, das der alte Giftmischer da wieder zusammengeleimt hat. Mir wird schon schlecht davon, diese blöden Kekse nur zu tragen." "Ach, komm. Lass uns anfangen. Gib mir einfach den Sack mit den Plätzchen." "Hier." "...war da nicht mal mehr drin?" "Auf gar keinen Fall." "Achso..." "...Ja...also gehst Du rein?" "Ich soll da allein rein?" Mann. Richtige Megamäuse. Einige Mäuse hörten auf, zu tanzen, und gingen in die Küche, um zu backen. Da fiel ihnen ein, dass sie kein Mehl hatten, und sie trippelten zur Vorratskammer. Minka wollte sich ihnen nicht anschließen, sie wollte lieber hierbleiben, und den Mäusen zusehen, die immer noch auf dem Dach tanzten. Und sangen und stritten. Und dabei Wörter benutzten, die man, wie Minka wusste, ja eigentlich nicht benutzte. "Verdammte Scheiße! Ich hab' doch gesagt, die Schindeln sind zu rutschig!" "Du machst das super, Zorro! Nimm einfach die Schindeln, die nicht so nass und rutschig sind!" "Gut, ich nehm' einfach die Schindeln, auf denen gerade Sommer ist." "Es ist Sommer da oben?" "Reich' mir einfach den Sack!" "Was? Du hast Dir doch schon was von den Plätzchen in die Tasche gesteckt!" "Nein...also...gib mir den Sack!" "Warte, ich komm' zu Dir rauf. Geh mal 'nen Schritt zur Seite." "Was hast Du vor?" "Warte, ich...Hrrg!" Klank. Ob Mäuse ein kleines Genick haben, das sie sich brechen können? Macht es dann "Klank"? Müsste es nicht "Klink" machen? Oder "Klänkchen?" "Chopper?" "Nichts passiert!" "Komm, was soll das überhaupt. Du kennst die Leute hier gar nicht, Und die Leute kennen Deinen komischen Kekstag nicht." "Es ist nicht "mein" komischer Kekstag, es heißt nicht "Kekstag" und komisch isser auch nicht. Auf Drumm haben wir das immer so gemacht. Da lag um diese Zeit Schnee und am Morgen war Süßes in den Stiefeln! Jedes Jahr an diesem Tag!" "Hier gibt es aber keinen Schnee, hier gibt es ja noch nicht einmal Stiefel! Die Leute werden sich morgen einfach fragen, warum Kekse in ihren Sandalen liegen." "Das sind Plätzchen!" "Achso. Plätzchen in den Sandalen sind normal?" "Und Nüsse? Ja." "Gut, dann werden die Leute sich morgen fragen, warum sie Plätzchen und Nüsse in den Sandalen haben." "Genau! Ist das nicht schön?" "Auf Drumm vielleicht." "Man trägt keine Sandalen auf Drumm." "Man steckt hier keine Kekse in Schuhe." "Nein, da muss man schon Plätzchen nehmen." "...lass uns einfach anfangen." Den Unterschied zwischen Keksen und Plätzchen kennt Minka nicht, sie denkt auch nicht darüber nach. Aber sie findet, dass die Maus mit der weniger rauhen Stimme Recht hat. Zu den tanzenden Mäusen gesellen sich tanzende Stiefel, einer schwarz, andere weiß, einer finkengrün. Aber auch die beginnen irgendwann, zu streiten. "Was soll das heißen, 'Es sieht nicht danach aus'?" "Pssst, Zorro! Das konnte ich von unten doch nicht erkennen!" "Du hast überhaupt nicht über die ganze Sache nachgedacht, oder?" "Ich weiß nich, ich dachte halt...also auf Drumm...ich dachte, jedes Haus hätte einen Schornstein!" "Und was ist das hier? Ein Backsteinzelt?" "Nehmen wir das Fenster! Ist eines offen?" Minka kicherte. Die Mäuse wollten wieder rein? Da brauchten sie doch nur zu fragen. Aber gut, für die kleinen, schlanken Mäuse war es sicher auch kein Problem, einfach elegant durch das schmale Fenster auf der Hofseite zu huschen. "Wie, 'Du steckst fest' ?" "Halt die Klappe und zieh!" "Aber dann bist Du doch wieder draußen." "Ja, schön, oder?" "Aber wir wollen doch rein." "Chopper!" "Und wenn ich ein bisschen schiebe?" "He...autsch!" "Warte, das klappt! Gleich haben wir's!" Minka fuhr in ihrem viel zu großen Bett zusammen, als sie ein höchst unmäusehaftes Poltern hörte. Sah dann aber wieder den Mäusen und Stiefeln beim Tanzen zu. Wieso eigentlich Stiefel? "Guck, Schuhe." "Halleluljah. Dann rein damit und dann raus hier. Immer einen?" "Zwei. Bei den Kindern drei. Und überall ein paar Nüsse." "Zwei, drei, paar...So, zufrieden? Und jetzt raus hier." "Okay. Du zuerst, falls ich schieben muss." "Haha. Jetzt lass uns...eh?" "Hm? Was denn? Wo bleibst Du?" "Nichts, lass uns gehen." "Was war denn?" "Ich sag doch, nichts. Es sind ja drei paar Schuhe, aber da hängen vier Jacken. Aber naja, dann hat das Gör eben zwei, soll ja vorkommen." "Vier Jacken?" "Ja, vier. Jetzt komm." "...aber die riecht ganz anders." "Was?" "Die Jacke hier riecht anders. Ein Mädchen. Da ist noch ein zweites Kind." "Ja, auch gut. Jetzt beeil Dich, bevor man uns entdeckt." "Aber das Mädchen hat doch noch keine Kekse!" "Das' traurig. Jetzt komm." "Aber morgen findet jeder Plätzchen in seinem Schuh, nur sie nicht." "Die Eltern werden ihr welche abgeben. Wenn hier nunmal keine Schuhe stehen!" "Aber sie läuft doch nicht barfuß umher! Die müssen hier ja irgendwo sein." "Chopper, warte! Argh, Warte auf mich!" "Ich müsste sie ja eigentlich erschnuppern können." "Ich erschnupper Dir gleich eine. Was werden die sagen, wenn die uns hier finden!" "Die schlafen doch." "Menschen wachen manchmal auf, weißt Du." "...?" "..." "Oh! Da hab' ich nicht dran gedacht! Meinst Du, die sind dann böse? Vielleicht haben die ein Gewehr??" "Bestimmt haben die ACHT davon." "ACHT??" "Niemand hat acht Gewehre, Chopper. Jetzt geh weiter!" "Ganz sicher? Auch keine sieben?" "Bestimmt nicht. Weiter, hier sind sie nicht...vielleicht hat er sie geputzt?" "Es ist ein Mädchen. Und das würde ich riechen, wenn sie die mit irgendwas geputzt hätte..." Klank. "Oh Gott, was war das?" "Ich bin gegen was gestoßen." "Achsooo, klar! Hehe!" "War ein Hundenapf. Stand 'Hasso der Killer' drauf." "Ha-hasso was?" "Mann, Chopper! Als könnt' ich überhaupt lesen im Dunkeln! Es war ein Blumenkübel, und jetzt sei still!" Es hatte sicher einen Grund, warum zwischen den Mäusen und den Stiefeln jetzt auch ein Hund, auf dessen Halsband "Hasso" stand, tanzte, aber das war ja jetzt gar nicht so wichtig. Minka beobachtete einfach weiter die Gestalten, die sich da vor ihr tummelten, vor ihr tanzten, vor Ihr stritten, vor ihr buken, diese ganze Welt, die da vor ihr lebte. Dann knallte es. Und zwar hinter ihr. Die Mäuse waren weg. Der Hund auch, und die Stiefel. Warum eigentlich Stiefel? Nach zwei, drei Sekunden war das Erstaunen über das plötzliche Verschwinden der Mäuse abgeklungen, doch die Verwunderung blieb. Nicht, weil - das kannte man ja - all die Gestalten einfach verschwunden waren, sondern weil, obschon sie doch aufgewacht war, zwei davon noch in ihrem Zimmer standen. Beziehungsweise standen und lagen, bevor die größere Gestalt sich schimpfend aufrappelte. Da waren sie ihr nun beide zugewandt und sahen bemerkenswert großäugig drein. Da huschte der Kleinere hinter den anderen, dass nur sein Kopf noch hervorlugte. Eine Weile sagten sie nichts. "H-heeeeey! Alles klar?", fragte der Große dann ganz unvermittelt. "Was macht Ihr da?" "Ach, wir stecken bloß Kekse in die Schuh- Autsch!" Minkas Blick glitt vom Großen zum Kleinen, der sich gerade eine Anwort ausdachte, doch das Mädchen hatte längst eine interessantere Frage zu stellen. "Warum hast Du den jetzt getreten?" "Oh...aaaach, einfach so! Guck." "Autsch! - sag mal, geht's noch?" "Was macht Ihr hier? Wollt Ihr Sonnenblumenkerne?" "Sonnenblumenwas?" "Sonnenblumenkerne. Das sind die kleinen Kerne in den Sonnenblumen." "...aaaachso." "Ja, wollt Ihr welche?" "Seh' ich so aus, junge Dame?" "Seh' ich doch nicht im Dunkeln, wie Du aussiehst. Flegel." "Was? 'Flegel'? Ist das-" "Sonnenblumenkerne, genau! Wollen wir! Dafür sind wir hier!" "Okay. Und Wasser?" "Wasser! Großartig!" Minka stieg aus dem Bett und entzündete das Licht - das große, ihre Nachttischlampe lag noch vor dem Kleiderschrank - und besah sich die Gäste. Der eine war ein Dachs. Er trug eine rote Hose und einen Hut mit einem schiefen Sanitätskreuz darauf. Er stand auf zwei Beinen und seine Nase war blau. Das seltsame aber war, dass aus seinem Hut ein kleines Geweih herauslugte. Minka sagte nichts, obwohl das ja schon komisch war. Blaunasige Dachse mit Hosen hatten ja eigentlich kein Geweih. Der andere war, das sah sie jetzt erst, auch kein Mensch. Er war groß; sie ging einen Schritt zurück und musste trotzdem den Kopf in den Nacken legen. Seine Kleidung war gewöhnlich, aber zu kalt für diese Nacht; seine Haut war leicht gebräunt und auf jeden Fall guckte er viel älter, als er aussah. Das war ja alles noch sehr menschenmäßig - nicht aber seine Haare. Die waren grün. Nicht grün wie das Kleid einer Elster, wenn es im Sonnenlicht funkelt, nicht grün wie das Schimmern der nassen Steine im Teich. Auch nicht grün wie das sonst schwarze Meer an manchen Abenden ist. Sondern wirklich grün. So richtig, wirklich grün, eben wie ein grün aus gelb und hellblau, nicht aus Schwarz und Licht. "Bist Du ein Fink oder ein Kobold?" "Hehe! Hey Chopper, das ist der erste Mensch, der Dich nicht für 'nen Dachs hält." "Sie redet mit Dir." "Wa...hör mal, Kleine, ich bin-" "Ein Kobold! Gut erkannt, er ist ein Kobold, ja....nein, eigentlich ist er Knecht Ruprecht. Und ich bin der Nikolaus. Du hast bestimmt schon oft von uns gehört!" "Nee." "Es ist ja nicht so, als ob ich's gesagt hätte." "Hör auf, Zorro! Also 'Knecht Ruprecht', mein ich!" "Da siehst Du's. Mädel, kennst Du den Kekstag?" "Nein." "Siehste." "Er heißt nicht Kekstag!" "Mädel, kennst Du den Plätzchentag?" "Er heißt auch nicht Plätzchentag! Sag, Mädchen, Deine Eltern haben Dir sicher oft von uns erzählt. Also nochmal. Du kennst und sicher. Wir sind Nikolaus und Knecht Ruprecht und-" "Nö. Dein Knecht ist auf meine Lampe getreten." "Sein Knecht ist nicht auf Deine blöde Lampe getreten, Deine blöde Lampe hat seinem Knecht ein Bein gestellt." "Doch. Sein Knecht ist auf meine Lampe getreten." "Sein Knecht wäre nicht auf Deine blöde Lampe getreten, wenn sie nicht vor dem Kleiderschrank gelegen hätte!" "Dein Knecht hat einen unschönen Tonfall." "Sein Knecht ist nicht sein verfickter Knecht, und einen unschönen Tonfall hat er auch nicht, ja?" "Sag Deinem Knecht, er weckt gleich meine Eltern." "Oh! Weckt er auch Hasso?" "Wer ist Hasso?" "Ich bin nicht sein Knecht, mann!" "Psst, Knecht, Du weckst gleich ihre Eltern." "Soll ich Euch beide vielleicht allein lassen, ja?" "Oh! Ihr wolltet ja Sonnenblumenkerne." "Niemand wollte Sonnenblumenkerne." "Genau, Sonnenblumenkerne! Das wäre super. Holst Du uns welche?" "Ich will keine. Zieh'n wir ab." "Jetzt doch noch nicht, Zo...Knecht Ruprecht!" "Wieso nicht? Die Nacht läuft uns davon!" "Wollt Ihr meine Puppen sehen?" "Jetzt haben wir den Sack draußen vergessen! Ich geh' ihn eben holen!" "Du gehst gar nichts holen, Zorro. Was ist, wenn Hasso kommt?" "Wer ist Hasso?" "Wer ist Hasso?" "Äh...also, was war jetzt mit den Sonnenblumenkernen, Mädchen?" Minka schlurfte in die Küche und zurück in ihr Zimmer, wo der kleine Dachs gerade auf einen Stuhl zu klettern versuchte, während der Koboldfink sich, den Blick zum Fenster gerichtet, das Bein rieb. "Hier." Der Dachs ließ vom Stuhl ab und hielt seine behufte Pfote auf, in die sogleich ein paar Sonnenblumenkerne fielen. Minka sagte nichts. Obwohl blaunasige Hosendachse ja gar keine Hufe haben. "Hier." "Gib sie dem da." "Aber Du musst doch was essen!" "Aber nicht das." Unter einigem Protest steckte Minka dem Fink oder Kobold die Kerne in die Hosentasche. "Du hast ja Krümel in der Tasche, wasch Dir mal die Hose." "Wa...?" "Oder sag Deiner Mama, sie soll Dir die Hose waschen." "Also...Deine Mama soll DIR mal die Hose waschen, ja?" "Soll ich Deine Waschen?" "Nein, dann werden die Kerne nass." "Oh. Da hast Du ja mal Recht. Naja, ich kann das auch noch gar nicht ganz alleine." "Ach." "Aber ich komm' mit meiner Zunge an die Nasenspitze." "Cool. Kommst Du auch mit Deiner Zunge in die Steckdose?" "Zorro!" "Was ist denn eine Steckdose?" "Also das weiß ich zwar nicht, Mädchen, aber wenn Zorro sagt, Du sollst die Zunge da reinstecken, ist es etwas, wo man seine Zunge nicht reinstecken sollte." "Ist ja schon gut...also, Mädchen, wenn Du mal eine Steckdose siehst, dann nicht die Zunge reinstecken. Also zumindest nicht Deine eigene. Und mach Dir nichts d'raus, wenn ich-" "Wer ist Zorro?" "....." "....." "Ach Mensch! Das Wasser! Entschuldigung!" Zwei Minuten später sollten die beiden Keksverteiler jeweils eine recht überschaubare Portion Wasser in ihren Händen halten. "Hier." "Danke." "Hier." "Wa...willst Du mich verarschen?" "Zorro! Also danke, das ist wirklich nett von Dir, Mädchen. Und Du, Zorro, zeig doch ein wenig Dankbarkeit! Sei doch froh, dass Du hier etwas zu Trinken kriegst. Sei nicht so gierig." "Ist das ein Fingerhut?" "Ja! Der Zweitsilbernste! Aus Mutters Nähkorb." "Aha...der Silbernste." "Nein, der Zweitsilbernste. Den Silbernsten hat der Dachs." "He, warum hat der Da- bwahaha, sie hat Dich 'Dachs' genannt!" Und zum ersten Mal guckte der Kobold kein bisschen älter, als er war. "Besser Dachs als Knecht.! "Was, Chopper? Ich zeig Dir gleich-" "Wer ist Chopper?" "Niemand, haha! Ich bin übrigens der Nikolaus!" "Minka." "Gut, dann hätten wir das ja auch! Wo sind Deine Schuhe, Mädel?" "Entschuldige mal, ich rede gerade mit Deinem Herrn, ja?" "Sag mal!" "Sag mal, Minka, wo sind Deine Schuhe?" "In meinem Bett." "...was machen die da?" "Ach, die nehm' ich immer mit ins Bett, weil ich ja nur eine Schreibtischlampe hab." "Ach. Deshalb. Was?" "Ja, dann muss ich nicht aufstehen und die holen, sondern hab' noch was zum Werfen, versteht Ihr?" "Nee. Doch. Gute Idee, das. Klingt logisch. Aber wir nehmen die mit, wenn wir rausgehen, und stellen sie zu den anderen, ja?" "Meinetwegen, hatte heut' schon genug Spaß." "Okay, Minka, dann-" "Aber dass Ihr mir nicht die Fingerhüte mitnehmt, ja?" "Als ob wi-" "Machen wir nicht! Hier hast Du ihn wieder." "Danke. Und Du Kobold? Hast Du Deinen Fingerhut schon ausgetrunken?" "Nein. Gib' mir noch 'ne Stunde.' "Okay." "..." "Sollst ja nicht schlingen müssen...obwohl, dann kannst Du nachher sechsunszwanzigmal auf Klo." "Das' ja was." "Ja, cool, oder?" "Nein! Warum sollte ich sechsundzwanzigmal auf Klo wollen?" "Ach, Du bist ein komischer Kobold. Warum bist Du überhaupt noch wach?" ".....Chopper?" "Hm?" "Das Gör hat mich nich' gerade gefragt, warum ich noch wach bin, oder?" "Ist okay, ich erlaub Dir das." "Bitte was?" "Ach, lass uns einfach gehen, Zorro." "Ich muss noch meinen Fingerhut austrinken." "...bist Du jetzt sauer, Zorro, oder was?" "Nein, es ist eben ein großer Fingerhut." "Wer ist Zorro?" "Niemand ist Zorro." "Warum trinkst Du nicht? Hast Du keinen Durst mehr?" Zorro verdrehte die Augen und kippte das Viertelschlückchen Gänsewein hinunter. Das Mädchen schaute ihn erwartungsvoll an. "Danke." Er hielt ihr den Fingerhut hin. "Ach,", sagte Minka, "den kannst Du behalten." "Was?" Zorro sah sie an. "Nimm ihn mit, Du kannst ihn behalten. Es ist ja bloß der Zweitsilbernste." "Ah...achso. Okay." Zorro betrachtete das kleine Ding in seiner Hand. Für jemanden seiner Größe war ein Fingerhut schon sehr klein, wenn man daraus trank, aber jetzt kam er ihm noch ein wenig kleiner vor, und zerbrechlicher, und seine großen Hände wussten plötzlich nicht mehr, wie sie das kleine Ding anfassen sollte. "Du kannst ja unterwegs daraus trinken." "Ja. Das kann ich auch lassen." "Wie? Sei nicht so frech! Dachs, sag dem mal was!" "Ehrlich! Sei nicht so frech, Kobold!" "...wisst Ihr was, ich bin raus. Ich nehm' die Schuhe mit." "Ich bring' Euch noch zur Tür!" "Nein!", ertönte es einen Meter links über und einen halben Meter rechts unter Minka. "Nee, Du bleibst schön hier im Bett, Mädel." "Genau, Minka. Wir sind alleine hier reingekommen, wir kommen auch allein wieder raus. Gibt es hier einen Hasso?" "Nee, wieso?" "Nur so..." "Wenn Du den Hund meinst, der heißt Benno." "Was?" "Benno, der Boss." "Waaas? Ist der groß?" "Wir haben gar keinen Hund, hahaha!" "Oh...das ist gut." "Bwahaha! Also, ich mag die Kleine! Hab ich ja die ganze Zeit gesagt." "Alles klar, Zorro...naja, nun aber!" "Wie seid Ihr eigentlich hier 'reingekommen?" "Nikolausgeheimnis." "Jaja." Minka zwinkerte. "Ach, Dachs? Äh, Nikolaus?" "Ja?" Es dauerte ein paar Sekunden. "Kann ich den haben?" "Was?", fragte Chopper. Das Mädchen streckte ihren kleinen Zeigefinger aus, und Chopper lachte auf. "Was?", kam es von Zorro. "Nein, tut mir Leid!" "Du kriegst auch noch ein paar Sonnenblumenkerne. Die ganze Schüssel." "Danke, aber-" "Den ganzen Sack." "Den kann ich gar nicht allein tragen." "Dann die hier." Minka löste eine Schleife aus dem Haar ihrer Puppe. Chopper lächelte. "Nein, das geht nicht." Eine Weile schwiegen sie alle drei. "Und wenn ich Dir den Fingerhut gebe?" Wieder war es still. "Den behalte man", sagte irgendwann Zorro. Minka sagte nichts mehr. "Sieht der so aus, als würde der sich allein nach draußen trauen?" Zorro bekam ein Lachen zur Antwort. "Okay, aber die kriegst Du trotzdem - aber nur die, nicht irgendwelche anderen klauen!" Mit diesen Worten band Minka Chopper, der noch kleiner war als sie, die Haarschleife vorsichtig um den Hals. Tja, ihr schlauen Leute, bis gerade eben hattet Ihr gedacht, ein blaunasiger Dachs mit Hut und Hose könnte nicht mehr seltsamer aussehen, nicht wahr? Und wie Zorro Chopper so mit der Puppenschleife um den Hals dastehen sah, wusste er seinen kleinen Fingerhut gleich viel mehr zu schätzen. Es hätte ihn schlimmer erwischen können. "Grüßt mir Eure Liebe!" "Was?" "Äh, ja, machen wir!" lachte Chopper. Der kleine Dachs hatte Minka noch ein paar Mal erzählt, dass er ein Nikolaus war und der große Grünhaarige ein Knecht Ruprecht. Und Minka war so wohlerzogen und weise, ihrem Gast nicht zu sagen, dass sie sehr wohl wusste, dass die Geschichte ja wohl nur ausgedacht sein konnte und sie eigentlich ein Koboldfink und ein Dachsenfink auf der Suche nach ihrer Liebe waren. Man soll den Erwachsenen ja ihre Geschichten lassen. Und kaum war ihre Zimmertür geschlossen, löschte Minka das Licht - das Große, denn ihre Nachttischlampe lag immer noch vor ihrem Kleiderschrank, aber einen halben Meter weiter rechts, weil ein Kobold dagegengetreten war - , schlüpfte in ihr viel zu großes Bett und träumte wieder von tanzenden Mäuse. Und wieso eigentlich Stiefeln? "Na, also ein bisschen passt da schon noch rein!" "Zorro, Du machst den Schuh kaputt. Das passt da nicht alles rein." "Was kann ich dafür, dass sie so einen Minischuh hat?" "Na, der passt halt zu ihren Minifüßen." "Und zu ihrem Minihirn. Das passt. Je voller der Schuh, desto leerer der Sack, den ich tragen muss." Zwei Stimmen, die laut zwischen den Wänden der Häuser widerhallten, und doch von niemandem gehört wurden, weil niemand in dieser Nacht wach war, niemand außer den Katzen, die aufgeschreckt davonliefen. "Wie Du aussahst! Du langer Kerl, weißt Du, und dann mit diesem Fingerhütchen in der Hand. Du sahst so albern aus!" "Chopper, Du weißt, dass Du eine Puppenschleife um den Hals hast, ja?" Den Elch schien es nicht weiter zu stören, doch fürchtete er, das Bändchen zu verlieren, und so knüpfte er es auf und steckte es in seine Hosentasche. "Wir hätten doch Nami mitnehmen sollen. Für sie hätte ich sicher zehn Kamele bekommen" "Kann sein." Der kleine Elch grinste. "Eine Haarschleife und einen silberner Fingerhut." "Vergiss nicht die Sonnenblumenkerne." "Stimmt." Eine Weile gingen die beiden schweigend nebeneinander her. "Es war der Silbernste", sagte Zorro. -Es sah niemand hinaus in die sternklare Nacht, aber wenn es auch einer nur doch getan hat, dann hätte er zwei Gestalten gesehen, und eine von beiden, die konnte kaum gehen, den sie trug einen Sack, der war gar schwer, schleppte und polterte hinter ihr her. Was drin war, möchtet Ihr wissen?- Nun, der war voll von den schönsten Dingen, von Äpfeln, und Nüssen und Plätzchen. Aber in ihren Taschen, da hatten sie noch viel Schöneres. Eine Haarschleife, Sonnenblumenkerne, und den fast ganz silbernsten Fingerhut aus dem Nähkorb, den ein Mädchen von seiner Mutter hatte. Epilog Und währenddessen schlief in einem der Häuser ein Mädchen, das nun keine Schleife mehr für ihr fast, aber auch nur fast immer ordentlich gekämmtes Haar mehr hatte. Aber sie hatte einen Fingerhut, der war für andere aus Messing, und für sie war er aus Silber. Für sie war er immer aus Silber gewesen, und ab heute war er das auch für einen jungen Mann, der eine lange Nacht vor sich hatte, und der mit seinem Freund einen ganz schweren Sack trug, der beiden ganz leicht vorkam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)