Blood Deal von -Amber- (Even if saving you sends me to heaven) ================================================================================ Kapitel 43: Über die Schwierigkeit, eine Sms zu schrieben --------------------------------------------------------- Antonin Der nächste Tag gestaltete sich fast schon normal. In aller Frühe hinterlegte er eine weitere Lieferung für Ragnar und mailte ihm die beiden Nummern per SMS, bevor er zu seinem Konzern fuhr und sich dort tatsächlich einmal mit seinen Forschungen beschäftigte. Er ließ sich sogar davon überzeugen, sein Mittagessen mit ein paar der anderen Mitarbeiter einzunehmen und mimte den jungen, aufstrebenden Professoren recht gut. Selbst nachmittags arbeitete er nicht an CI-4 und das, obwohl er inzwischen wieder einen seiner geliebten Soundtracks auf volle Stufe laufen hatte. Aber diesmal war es um Gedanken, die nichts mit seiner Arbeit zu tun hatten, fern zu halten. Antonin wollte nicht zweifeln. Antonin wollte glauben. Etwas, von dem andere Leute behauptet hätten, es ihm ausgetrieben zu haben. Aber tada… sie hatten sich getäuscht. Wie so häufig davor auch. Antonin war bereit zu glauben und er war immer noch bereit, nicht nur in unbekanntes Gewässer zu springen, sondern auch darin zu schwimmen. Und verdammt nochmal, Cole war das ganze wert. Daher sollte er nicht einmal anfangen zu wanken. In diesem Fall müsste er eine gut angepasste Konstante werden. Eine, die sich anpassen konnte, aber doch immer an ihrem Platz festhielt. Eine, die stützend wirken konnte, aber auch dort zurückblieb, wenn der Gegenpart sich auf der ganz anderen Seite des Spielbretts aufhielt. Und verdammt, wenn Antonin Mikael Marakow sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann zog er das auch durch. Und ob das nun der Entschluss war, zu überleben, oder etwas aus diesem sehr wackligem 'wir' zu machen, das war dann auch schon egal. Cole Als er am nächsten Tag nachmittags wieder in New York landete wurde er lange beim Zoll aufgehalten. Cole kannte das Spiel schon. Er wurde eigentlich immer lange durchsucht, wenn er mit seinem richtigen Namen reiste. Schließlich kam er in die Rushhour, was ihm weitere 2 Stunden kostete, bis er wieder in der Stadt war, und beschloss schließlich nicht mehr nach Hause zu fahren, damit er schneller ins LadyDream kam. Dort stürzte er sich in die Arbeit, die auf ihn wartete, zumindest bis 0 Uhr, damit er schließlich noch bis um 4 Uhr zu Hause weiterarbeiten konnte. Erst als er sich ins Bett legte dachte er wieder an Antonin. Nein, so war es nicht richtig. Er hatte immer wieder an ihn gedacht, nur nie die Gelegenheit gefunden, diesem eine Nachricht zukommen zu lassen. Er griff zu seinem Handy und überlegte, schließlich schrieb er eine SMS: 'Bin leider ziemlich eingespannt gewesen. Melde mich, wenn ich wieder atmen kann. Cole‘ Er tat sich schwer damit, war unsicher, diese SMS zu schreiben, löschte er doch schließlich alle eher 'persönlichere' Kommentare heraus. Mit jedem Tag, den sie sich nicht sahen, rückte irgendwie jene Nacht und jener Tag in weitere Ferne. Und je länger er den anderen nicht sah, desto größer war das Gefühl, dass all ihre Vertrautheit nicht ganz so intensiv war, wie er das eigentlich gefühlt hatte. Cole gönnte sich nur 4 Stunden Schlaf. bereits um 8 Uhr stand er wieder unter der Dusche und um 9 Uhr saß er wieder über seinen Unterlagen, wissend, dass man ihn nicht vor 12 Uhr im Lady Dream erwartete. Er wollte diese Prüfung hinter sich bringen, und wenn er dafür gänzlich auf seinen Schlaf verzichten musste. Im Lady-Dream ging er mit Ragnar Einiges durch. Dieser teilte ihm mit, dass Antonin wieder geliefert hatte und dass dessen Geld auch schon hinterlegt worden sei. Außerdem berichtete er von Gawain, zumindest das, was Antonin ihm erzählt hatte. Cole rief ihn kurzentschlossen an, und verabredete sich mit ihm für den nächsten Tag abends vor dem Castello. Das Gespräch war kurz gewesen. Eigentlich mochte er es nicht, in der Szene völlig fremde Personen irgendwie in seine Geschäfte miteinzubeziehen, aber momentan konnten sie tatsächlich ein paar Leute mehr vertragen. Nun, morgen Abend würde er sehen, mit wem er es zu tun hatte. Und wenn er nichts war, dann würde er ihn wieder nach Hause schicken. Als er an diesem Abend gegen 1 Uhr noch im Büro saß, gerade eine Lieferung aus Kolumbien dingfest gemacht hatte, fiel ihm auf, dass er mal wieder den ganzen Tag kaum etwas gegessen hatte. Unwillkürlich musste er an Antonin denken, an seine mahnenden Worte. Ob er ihm wirklich zu dünn war? Kurzentschlossen griff er zu seinem Handy. 'Musste grad an dich denken. Leider ist Stress mein täglicher Begleiter. Werde wohl noch was zu essen auftreiben, bevor ich nach Hause fahre, sonst ende ich wirklich noch als Hungerhaken. Ich hoffe dir geht es gut und du schläfst schon. Cole' Noch bevor er darüber nachdenken konnte, ob er die SMS abschicken sollte, tat er es einfach. Gleichzeitig spürte er, dass er unruhig wurde, sich ärgerte, sie geschickt zu haben. Antonin würde ihn doch sicher jetzt als aufdringlich empfinden oder? Doch er sollte nicht drüber nachdenken. Lieber nicht nachdenken... Er packte seine Sachen zusammen. Morgen war auch noch ein Tag. Dann ging er zum Wagen und fuhr in Richtung zu sich nach Hause, das Handy so legend, dass er sehen würde, ob Antonin noch antworten würde. Falls er es tun würde, würde er ihn noch anrufen. Zuvor musste er aber zum 'Gasthaus zum goldenen M' fahren. Denn er brauchte irgendwas zu essen. Antonin Antonins nächster Tag begann damit, dass er eine SMS von Cole lesen konnte. Eine ziemlich unpersönliche, rein informative SMS. Aber was hatte er erwartet? Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch startete er seinen Tag und trat mittags zu seinem 'Strafdienst' bei Nicholas an. Was nichts anderes darstellte als bis abends auf seine Patentochter Mara aufzupassen. Etwas, das anfangs überhaupt nicht schlimm klang… oh wie sehr er sich täuschte. Als Nicholas und Tayra endlich wieder nach Hause kamen war Antonin mit seinen Nerven am Ende und zu der Überzeugung gelangt, jetzt einfach tatsächlich schwul zu sein. Männer wurden bekanntlich nicht schwanger. Selten waren ihm ein paar Stunden länger vorgekommen als an diesem Tag. Er musste sich Kinderkassetten anhören, wieder mit den ekligen Fingerfarben malen, Verstecken spielen, kochen und hinter dem Wirbelwind herräumen. Wie hielten das Eltern über 18 Jahre aus? Hin und wieder waren seine Gedanken zu Cole gehuscht. Was der wohl dazu sagen würde, seinen Guard mit grün-blau-gelben Händen über einer großen Leinwand am Boden krabbeln zu sehen? Nicht zu vergessen das Mädchen auf seinem Rücken, das ihn anfeuerte und ihm Befehle gab, wie er zu malen hatte. Na, entweder würde Cole ihn direkt einweisen lassen, sich ganz von ihm abwenden oder den Lachanfall seines Lebens bekommen. Und in diesem Moment wäre ihm keine der drei Optionen recht gewesen. Stattdessen hatte er den überraschten Eltern das kleine Mädchen in die Hand gedrückt und war schnellstmöglich geflüchtet. In sein Labor. In sein heißgeliebtes, absolut ruhiges und kinderfreies Labor. Und abermals hatte er sich überlegt, wie wunderbar es sein würde, sein eigenes zu besitzen. Ohne ständig seine ID-Karte mit sich herumschleppen zu müssen. Ohne ständig alle Spuren verwischen zu müssen und endlich nur noch danach zu forschen, was ihm wirklich am Herzen lag. Und nicht nur am Herzen, denn noch immer gab es da die brachliegende Idee. Jene Idee die noch nicht einmal Nicholas bekannt war. Tatsächlich befand sich jene Idee nur in seinem Kopf ein wenig ausgearbeiteter und war tief in seiner Seele verankert. Seufzend warf er seine Einweghandschuhe weg und schleuste sich aus, um sich eine Zigarette zu gönnen. Inzwischen war es tiefschwarze Nacht und trotzdem wusste Antonin, dass er zuhause keine Ruhe finden würde. Zuviel nagte da an ihm. Zuviel ging ihm im Kopf herum. Da konnte man diese Zeit genauso gut nutzen, um wirklich einmal zu arbeiten, um sich ohne Unterbrechungen auf etwas zu konzentrieren, für das er ein nicht unerhebliches Gehalt einfuhr. Und momentan war das die Verbesserung seiner neu entwickelten Kapsel, denn er glaubte sie noch weiter verbessern zu können. Was ihn selbst jetzt, wo er jeden Zug seiner Zigarette genoss genügend beschäftigte, um ihn von anderen, ebenfalls brachliegenden Dingen abzulenken. Doch das hielt gerade lange genug, bis er sich durch die Sicherheitsschleusen wieder ins Labor befördert hatte und gerade seine eigene Musikanlage wieder aufdrehen wollte, als er das Piepsen seines Handys vernahm. Er rang nur kurz mit sich, bevor er von der Anlage zurücktrat und zu seinem Handy griff, wo ihm auch erst einmal die Uhrzeit auffiel bevor er den Text aufrief und sich nach dem Lesen auf seinen einzigen Stuhl fallen ließ. Nicht wissend was genau er jetzt fühlte. Freude? Ja, da war etwas Freude darüber, dass Cole an ihn gedacht und ihm das sogar mitgeteilt hatte. Unzufriedenheit? Ja, auch davon konnte er etwas identifizieren. War es tatsächlich so, dass Cole immer nur zwischen ein und vier Uhr morgens an ihn dachte? Oder gab jener nur dann dem Drang nach, sich auch zu melden? Auch Belustigung über den Text an sich und Unsicherheit darüber, ob er antworten sollte. War es jetzt also soweit? Er beschloss etwas und hatte nicht genug Arsch in der Hose, um das auch umzusetzen? Seit wann hatte er Angst vor einem Handy? Cole hatte ihm doch nie verboten zu antworten oder sich zu melden. War es die Angst, den anderen einzuengen? Oder war es doch die eigene Unsicherheit über eine Situation, von der er selbst keine einzige Vergleichsmöglichkeit besaß. Weder in die eine, noch in die andere Richtung. Antonin war etwas, das nach Beziehung roch auch nie nur nahe gekommen. Ja gut, in der Highschool oder in der Pharmacyschool vielleicht, aber das war nie mit wirklich genügend Gefühl unterlegt, um ihn überlegen zu lassen, was er als nächstes tun sollte. Doch schließlich seufzte er und machte sich daran eine Antwort einzutippen. Er war ein Mann und würde jetzt auch nicht zu einer Frau mutieren. Wo käme man denn da hin, wenn man über alles 100 Mal nachdenken würde? Schlafen? Ich versuche gerade mich im Labor zu entspannen. Musste heute auch schon an dich denken. Der Chefkoch empfiehlt um diese Uhrzeit nichts Fettiges mehr. Gruß Antonin Was das gut? War das schlecht? Antonin seufzte und schickte die SMS dann einfach ab. Die ungefähr zehnte Version davon. Zuerst wollte er noch darauf hinweisen, dass Coles Körper zu schade zum Hungerhaken wäre, aber dann war er sich mit dem Text nicht mehr sicher gewesen. Also doch die eher harmlosere Version. Abermals seufzend legte er sein Handy wieder zur Seite und ließ seinen Blick durch das Labor schweifen. Über die verschiedenen Phiolen mit den seltsamsten Inhalten in so gut wie allen Aggregatszuständen, die Mikroskope, die verschiedenen Testbehälter und die ganzen Maschinen, die über eine ganze Wand hinweg aufgebaut waren. Was für manche wohl wie die Vorstufe zur Hölle wirken würde, war für ihn immer ein sicherer Hafen gewesen. Vermutlich würde er wirklich einmal Amoklaufen, wenn er diesen oder so einen ähnlichen Ort nicht mehr hätte. Aber wie kam es dann, dass er selbst hier, wo normalerweise nur Gedanken an verschiedene Chemiebausteine, Formeln und allgemein seine Forschungen absoluten Vorrang hatten… also wie kam es dann, dass er hier saß und über Cole nachdachte? Über dessen Verhalten, den Körper, die grünen Augen, die so ausdrucksstark sein konnten, und an das, was er von jenem hatte sehen dürfen. "Toni, du bist so kaputt. Wirklich", verklickerte er dem menschenleeren Raum und schloss, den Kopf in den Nacken legend die Augen. Cole fehlte ihm immer deutlicher, obwohl es gerade einmal ein paar Tage her waren, dass er jenen gesehen hatte. Verdammt. Cole Cole verfluchte mit jeder Sekunde, die verstrich, mehr und mehr, die SMS abgeschickt zuhaben. Sicher würde Antonin schon schlafen und dann diesen Mist morgen früh lesen. Oder er las es und legte sein Handy wieder zur Seite. Schließlich hatte Antonin erst einmal auf seine SMS reagiert. Er hatte ihn auch noch nie angerufen... Cole hatte das Gefühl, dass ihm übel wurde, und fuhr am Macdonald vorbei. Vielleicht fand sich zu Hause noch etwas zu essen oder so... Umso mehr zuckte er zusammen, als das Klopfgeräusch, das sein Handy von sich gab, wenn es eine SMS empfing, erklang. Augenblicklich fuhr Cole an den Straßenrand, griff zu seinem Handy und las die Nachricht. Also war Antonin auch noch wach… Sollte er anrufen? Nein, lieber nicht. Er wollte nicht stören. Und bei einer SMS würde Antonin selbst entscheiden können, wann er sie las und ob er reagierte. Dann ist der Chefkoch also auch eine Nachteule. Vielleicht hätte er ja später Lust vorbeizukommen und einem Hungerhaken beim Essen Gesellschaft zu leisten!?! Bin mindestens noch 3 Stunden wach und beschäftigt. Aber mach dir keinen Stress. Vielleicht haben wir ja doch bald mal wieder Zeit, uns zu humaneren Zeiten zu treffen… Cole fuhr zu einem der Supermärkte, die 24 Stunden offen hatten und kaufte sich etwas ein, was man wohl als gesund erachten konnte. Innerlich schüttelte er den Kopf darüber, dass er sich darüber Gedanken machte – nein, dass Antonin es geschafft hatte, dass er sich darüber Gedanken machte. Als sein Handy piepste, spürte er wie sein Herz nervös schneller schlug, doch als er las, dass Antonin zusagte, spürte er eine enorme Erleichterung in sich aufsteigen. Nun, zumindest bis er die Nachricht 'Du weißt ja wo du mich findest. Apartment B806 Nachname: Collins' abgeschickt hatte. Denn dann fing die Nervosität erst so richtig an. Was, wenn Antonin jetzt sich nur verpflichtet gefühlt hatte zu kommen, aber eigentlich gar nicht wollte? Andererseits: War es wirklich Nervosität, oder nicht eher eine Art Vorfreude? Nun, er sollte sich nicht so viele Gedanken machen. Er war doch keine 12 mehr... Mit den Angaben, die er Antonin mitgeschickt hatte, würde er am Wachpersonal durchkommen. Eilig fuhr er nach Hause und bereitete den Salat und das Baguette vor, das er gekauft hatte, dann setzte er sich an seinen Schreibtisch und fuhr fort, seine Prüfungsaufgaben zu bearbeiten. Eigentlich hatte er keine Zeit dafür, Antonin zu treffen - rein rational gesehen. Aber emotional gesehen hatte er irgendwie langsam das Gefühl, Antonin so schnell wie möglich sehen zu müssen. Und seltsamerweise schaffte er es ganz gut, sich auf die Aufgabe zu konzentrieren, dadurch dass er sich Antonins Besuch als Belohnung gewährte, wenn er diese Teilaufgabe zu Ende bearbeitet hätte. Als sein 'Türöffner' läutete fuhr er aus seinen Gedanken hoch. Eilig ging er zum Telefon, bestätigte dem Wachmann, dass er den Besuch empfangen würde und öffnete die Schiebetür schon, um noch schnell Geschirr und Besteck herzuräumen und etwas zu trinken rüber zum Wohnzimmertisch zu tragen, dem einzigen Ort in der Wohnung, wo sie Platz hätten zu essen, außer in seinem Bett. Antonin Antonin rang mit sich selbst während er in seinem Labor auf und ab tigerte. Noch mindestens 3 Stunden wach. Wann fuhr man da am besten los? Jetzt? Ne, das wäre viel zu überschwänglich. In 3 Stunden wäre zu spät, eigentlich hatte er schließlich auch vorgehabt ausnahmsweise mal vor Morgengrauen ins Bett zu kommen. Argh! Egal! Das war doch jetzt alles egal! Kurzentschlossen schleuste er sich wieder aus der Sicherheitszone, zog sich um und fuhr erstmal zu sich nach Hause, um zu duschen. Zwar ging er von nichts aus, aber nach Kinderbrei, Farben und Chemikalien stinkend wollte er eigentlich auch nicht bei Cole aufkreuzen. Wo man schon beim nächsten Thema war. Bei Cole. Höchstpersönlich eingeladen, ganz ohne eine blutende Wunde oder andere lebensbedrohliche Umstände. Antonin beschloss großzügig das als Pluspunkt auf seiner Liste zu verzeichnen und stieg unter die Dusche. Das Pflaster über seiner Wunde zog er kurzentschlossen ab und passte dann nur noch darauf auf, dass nichts in die sich langsam schließende Wunde kam. Auch wenn diese inzwischen schon wieder recht gut aussah. Und wenn sein Körper sonst nichts für ihn tat, im Heilen war er einsame Spitze. Schließlich föhnte er seine kurzen Haare sogar ausnahmsweise, immerhin sollte es nicht so wirken, als ob er gerade aus der Dusche gesprungen war. Seine Shorts, die Jeans und das weiße Hemd waren dann schnell übergezogen und ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er jetzt tatsächlich ganz gut in der Zeit liegen würde. Vor allem, da er zu dieser Uhrzeit keinen wirklichen Verkehr mehr auf den Straßen vermutete. Eine richtige Vermutung, wie sich ihm gleich darauf bescheinigen sollte und zum ersten Mal bemerkte er so wirklich, was er sich da eigentlich gerade für einen Stuss anhörte. Da war immer noch Coles CD in seiner Anlage drinnen. Zeit sie zurückzugeben, ansonsten würde er nochmal mitten unterm Autofahren melancholisch werden und das war absolut nicht drinnen. Das Fahrzeug einen Block entfernt parkend, schlenderte er - mit der CD in der Innentasche seines Mantels - auf das entsprechende Gebäude zu und musste sich gleich darauf erstmal mit einem Wachmann auseinander setzen. Das war ja wie im Altersheim hier. Oder im Knast. Oder eben in einem Gebäude für die besser betuchten. Antonin verdrehte seine Augen, lauschte den Worten des Wachmannes und wurde dann, nach einem nun deutlich freundlicherem Nicken, hinein gelassen. Warum auf einmal so freundlich? Sah er vielleicht aus wie Jack the Ripper? Als wirklich, manche Leute übertrieben es mit ihrer misstrauischen Ader. Im Aufzug lehnte er sich gegen die Wand und holte die CD hervor um sie zu betrachten. Sowas hörte Cole also, ja? Darüber hatte er noch gar nicht richtig nachgedacht, wie ihm jetzt auffiel. Aber anhand der Musik ließ sich, ganz entgegen der allgemeinen Meinung kein Mensch bestimmen. Während er in seiner Freizeit eigentlich nur Soundtracks hörte, mochte er für Rennen eher harte Beats mir düsterer Stimme. Und wenn er einen Einsatz plante zog es ihn entweder zu Klassik oder zu keltischer Musik. Insofern könnte er sich selbst mal überhaupt nicht einordnen. Ob das wohl mit Cole so ähnlich war? Als er schließlich vor der geöffneten Schiebetür stand atmete er nochmal tief durch, kündigte sich mit einem Klopfen am Rahmen an und zog das Ding dann hinter sich zu, bevor er die Schuhe auszog und in die Wohnung trat. Wo sein Blick sofort auf jenen Mann fiel, der für solche Berg und Talfahrten in seinem Inneren die Verantwortung zu tragen hatte. Und jetzt wo er ihn wieder sah, fiel es ihm auch gar nicht schwer zu glauben, dass er um 2 Uhr morgens durch die halbe Stadt fuhr, um mit Cole zu essen. Oder dass er bereit war, so viele Zugeständnisse zu machen, ohne überhaupt eine konkrete Aussicht auf Erfolg zu besitzen. Denn dieser Mann schaffte es in absoluter Regelmäßigkeit ihm den Boden unter den Füssen wegzuziehen. Ihn immer wieder zu überraschen und dann doch wieder mit der bekannten Kühle zu beruhigen. Ja, für ihn war Coles normale Kühle inzwischen schon zu so einer Art Stimmungsbarometer geworden. Solange da nicht diese ganz bestimmte Schärfe in der Stimme und dieser ganz bestimmte abweisende Funke in den Augen war, konnte man sich relativ sicher sein, sich in befahrbaren Gewässern zu befinden. Er hob die CD hoch als Cole vom Tisch zu ihm aufblickte und das dazugehörige leichte Lächeln kam ganz von selbst. "Eigentlich bringt der Lieferdienst ja normalerweise das Essen. Ich fand es diesmal angebracht nur etwas Musik zurück zu bringen." Damit hatte er die 'Begrüßung' auch hinter sich und trat näher an den Tisch heran. Und jetzt wurde es wieder kompliziert, denn nach der Verabschiedung mit der Hand auf seiner Schulter wusste er nicht so recht, ob und wie er sich dem anderen nähern sollte und konnte. Oder überhaupt durfte? "Es ist schön dich zu sehen", murmelte er schließlich und legte die CD auf den Tisch, Cole nicht aus den Augen lassend. Ja, das war erstmal genug Zugeständnis. Womöglich würde er wieder mutiger werden wenn sie sich ein paar Minuten wieder aneinander gewöhnt hätten. Ja.. sogar sehr wahrscheinlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)