Wenn Träume fliegen lernen von _hide_ (Fortsetzung von One Night in Heaven) ================================================================================ Kapitel 8: Fatale Entscheidung ------------------------------ “Seit ihr euch ganz sicher?” Ich sah unseren Drummer verwirrt an, nickte, sah aus dem Augenwinkel, das auch Ruki nickte. Ich verstand gar nicht, was dieses ganze Theater sollte. Unser Auftritt auf dem Festival war nun schon zwei Monate her, und da eine andere Band, die am Samstag hätte spielen sollen, sich kurz vor dem Festival aufgelöst hatte, hatten wir die Chance bekommen, am Haupttag zu spielen. Es war der schiere Wahnsinn gewesen. Zu unseren Auftritten in den Livehouses hatten wir bisher nie die Zwanzig voll bekommen, und plötzlich war da diese Masse an Musikfans, die mit uns rockten, uns zujubelten, uns feierten. Ein absoluter Endorphinrausch. Und man war auf uns aufmerksam geworden. Eine kleine Indie-Plattenfirma hatte uns einen Vertrag angeboten und den sollten wir heute unterschreiben, doch aus irgendeinem Grund sträubten sich Kai, Uruha und Aoi mit Händen und Füßen dagegen, weshalb wir jetzt in dem kleinen Hinterhof des Studios standen und diese völlig unnötige Unterhaltung führten. “Die Bedingungen für euch beide sind doch voll fürn Arsch. Wir müssen nicht den erstbesten Vertrag akzeptieren.”, raunte Uruha, klang irgendwie verzweifelt. “Ruha.” Ruki musterte unseren Gitarristen. “Danke, das ihr euch wegen uns Sorgen macht, aber Akira und ich haben schon vor Jahren über dieses Thema gesprochen.” Ich nickte zustimmend. Ruki und ich hatten in den vergangenen Jahren sogar sehr oft darüber gesprochen, immer mit dem selben Ergebnis. “Uns ist sehr bewusst, das keine Firma uns mit offenen Armen aufnehmen wird, wenn wir öffentlich zu unserer Beziehung stehen wollen. Wir sind ne Visual Kei Band, unsere Zielgruppe sind Teenie Mädchen, die davon träumen möchten, das wir sie auf unseren Konzerten erblicken und uns unsterblich in sie verlieben. Zwei Schwuchteln in na Dauerbeziehung und zwei mal mehr mal weniger Bisexuelle Gitarristen sind da garantiert nicht gerade förderlich.”, scherzte Ruki und lehnte sich leicht gegen mich. “Uns war klar, das wir unsere Beziehung geheim halten werden müssen....gut, da sind jetzt noch ein paar Punkte zu gekommen, mit denen wir nicht gerechnet haben, aber wir packen das schon.” Der kleinere sah zu mir auf und ich nickte zustimmend, beugte mich etwas runter und hauchte einen Kuss auf seine Lippen. Wir hatten eigentlich gar nicht so mit der Tür ins Haus fallen wollen, aber man hatte uns alle im Vertragsgespräch gefragt, ob irgendwer in einer Beziehung sei und Ruki und ich hatten uns daraufhin automatisch angeschaut. Es war ein Reflex gewesen. Als einem der Chefs die Bedeutung unseres kurzen Blickes bewusst geworden war, hatte er sich fast an seinem Kaffee verschluckt und man hatte schnell noch eine ‘Homo’-Klausel für den Vertrag aufgesetzt. Kein Wort über unseren Beziehungsstatus. Kein Wort über unsere sexuelle Orientierung. Kein Wort über unsere Beziehung an sich. Separate Wohnadressen. Kein Händchenhalten, rum knutschen oder sonst was in der Öffentlichkeit, egal ob Privat, oder wenn auf Tour. Unsere Beziehung wurde quasi auf Eis gelegt, solange, bis wir wieder hinter verschlossenen Türen waren. Ich verstand die Sorge unserer Freunde. Das war ne ganze Menge, die unsere Beziehung würde aushalten müssen, aber wir waren seit fünf Jahren ein Paar, nicht erst seit fünf Minuten. Das würden wir schon aushalten. War ja nicht so, als würden wir non-stop auf Tour sein und kein Privatleben mehr führen können. Ich schnaufte verächtlich über mich selbst, wenn ich heute, acht Monate später, an den Tag zurück dachte. Unser Leben war gelinde gesagt absolut beschissen. Natürlich hatten wir nicht erwartet, gleich einen tollen Tourbus zu bekommen, oder das wir in Luxushotels übernachten würden. Uns war auch klar gewesen, das wir hart würden Arbeiten müssen, denn wir waren völlig unbekannt und mussten erst mal auf uns aufmerksam machen, aber wir waren nun seit über sechs Monaten pausenlos in Japan unterwegs, fuhren mit einem klapprigen, alten VW-(Hippie)Bus von einem Club zum nächsten, mussten auch in dem Gefährt schlafen, da wir selten das Glück hatten, in einer Jugendherberge mal den Luxus eines zu harten, oder komplett durchgelegenen, Bettes kosten zu dürfen und es war Wochen her, seit ich Ruki das letzte mal geküsst oder nur seine Hand gehalten hatte. Vom Sexentzug wollte ich erst gar nicht anfangen! Denn unser Manager, ein homophober alter Sack, ließ uns in dem scheiß Bus noch nicht mal nebeneinander sitzen. Nicht einmal hintereinander, so paranoid war er. Unsere Gespräche fanden also in einer Lautstärke statt, das jeder alles mitbekam, immerhin unterhielten wir uns quer durch den ganzen Wagen. Kein ‘Ich liebe dich’ mehr, kein ‘Träum süß’, keine gehauchten Liebesbekundungen. Unsere Freunde hatten Recht gehabt. Es war ne Menge, die unsere Beziehung aushalten musste und wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann musste ich eingestehen, das unsere Beziehung gerade volle Fahrt voraus auf ein Riff zusteuerte, welches das Ende bedeuten würde. War doch zum Kotzen. “Alles okay Rei?” Ich sah zu Uruha auf, der mich besorgt musterte und ich war es so Leid, so zu tun, als wäre alles okay, schüttelte den Kopf. “Nichts ich mehr okay Kouyou.” Ich benutzte seinen richtigen Namen, damit kein Zweifel über den Ernst der Lage aufkam. “Ich will das alles nicht mehr. Das hier war ein Fehler. Ein riesengroßer Fehler!”, raunte ich und war doch etwas perplex, als Uruha lächelte. “Na endlich Reirei. Hab mich schon gefragt wann Ru und du es endlich einseht. Ich sag Kai Bescheid das wir endlich Kriegsrat halten können, du seh einfach nur zu, das Ruki da ist.” Ich konnte meinem besten Freund nur fragend hinterher sehen, als er wieder von der Bühne verschwand, auf der wir heute Abend spielen würden. “Kriegsrat?”, nuschelte ich leise und wurde das Gefühl nicht los, das die Anderen etwas ausgeheckt hatten. “In zehn Minuten in der Herrentoilette, bring Ruki mit.” Ich riss meine Augen auf, als Aoi seine Hand auf meine Schulter legte und mir die Worte ins Ohr flüsterte. Was bitte sollte das denn jetzt? Ein flotter dreier? Niemals! Ich würde Ruki nie teilen und bestimmt nicht mit Aoi! “Sei pünktlich und kein Wort.” Er legte sich den Zeigefinger auf die Lippen, bevor er mir zu zwinkerte und verschwand. Hier war doch ne Verschwörung im Gange! Erst ließ mich Uruha vor ein paar Stunden alleine stehen, jetzt kam Aoi daher.... Was wurde hier gespielt? Ich sah auf meine Uhr. Noch knapp eine Stunde, bis zum Auftritt. Wir waren alle fertig umgezogen und gestylt, unsere Instrumente gestimmt, der Soundcheck überstanden. Seufzend erhob ich mich vom Sofa, zog mein Handy aus der Tasche, da ich keine Ahnung hatte, wo Ruki steckte. Er ging mir seit ein paar Tagen wo er nur konnte aus dem Weg. “Hey Ru...komm bitte in zehn Minuten zu den Toiletten, Aoi will uns da treffen. Was? Keine Ahnung, komm einfach dahin, okay?”, antwortete ich genervt und legte auf. Da redeten wir endlich mal wieder miteinander und dann musste er mich gleich so anzicken. Blödmann. “Aoi?” Ich betrat den kleinen Vorraum der Toiletten und hoffte inständig, das der Kriegsrat nicht in einer der Kabinen abgehalten werden würde. “Akira, wenn das hier ein schlechter Scherz sein soll, dann mach dich auf den Arschtritt deines Lebens gefasst!”, fauchte mein (noch) Freund, als er nur Sekunden nach mir den Raum betrat. “Pssst ihr zwei. Kommt her.” Wir drehten uns zu der Flüsterstimme um und sahen Aoi, der seinen Kopf aus einer der Klotüren schob, uns zu sich winkte. “Ich weiß von nichts und ich hab nichts hiermit zu tun.”, verteidigte ich mich vor Ruki, ergriff seine Hand und genoss das Herzklopfen, das diese simple Geste gerade erzeugte, zog ihn hinter mir her. “Das is jetzt aber nicht euer ernst, oder?” Kai saß auf dem Klodeckel, Aoi und Uruha rechts und links neben ihm. Ruki und ich hatten uns mit rein gequetscht und der kleinere stand vor mir, hatte meine Hände ergriffen und sie sich um den Bauch geschlungen (und ich hielt ihn nur zu gerne so nah bei mir, genoss seine Wärme und seinen Duft, auch wenn der Hauch von billigem Reinigungsmittel, der dem Raum anhaftete, meine Nase störte). “Stimmt es, was Ruha mir gesagt hat?”, fragte Kai an mich gewandt, schaute mich forschend an und Ruki drehte sich leicht in meiner Umarmung, verstand kein Wort. “Ja. Aber was soll das hier?”, fragte ich, verstand den ganzen Sinn dieses ‘Kriegsrats’ nicht. “Es ist so.”, fing unser Drummer an und schlug ein Bein über. “Aoi, Uruha und ich haben uns von Anfang an nicht wohl dabei gefühlt, das ihr so zurück stecken müsst. Natürlich wissen wir, das ihr eure Beziehung IMMER werdet geheim halten müssen, allein schon, weil niemand ne schwule Rock Band ernst nehmen würde, aber was die von euch verlangen, das ist zu viel.” Ruki und ich senken unsere Köpfe. Ja, das hatten wir inzwischen eingesehen. “Als ich euch damals gebeten habe, zwei Tage darüber nach zu denken, wusste ich, das ihr eure Meinung nicht ändern würdet, aber ich wollte die zwei Tage eigentlich auch eher für mich raus schlagen.” Wir schauten Kai überrascht an. ”Denn mir kam das alles nicht ganz koscher vor, also habe ich den Vertrag einem alten Schulfreund gezeigt, der Jura studiert und der hat ihn seinem Professor gezeigt. Der Vertrag ist absolut unzulässig und somit komplett ungültig.” Mit fiel glatt der Unterkiefer auf den Boden. “Mo..moment mal. Noch mal ganz langsam für kleine blonde Sänger. Und zwar von Anfang an. Warum sind wir zu fünft auf Klo und reden über einen, nicht gültigen, Vertrag?” Ruki schaute uns nach einander an, musterte mich am längsten. “Ru...ich hab Uruha vorhin gesagt, das ich das hier als einen Fehler betrachte. Das wir diesen Vertrag akzeptiert haben, denn ganz ehrlich, ich glaube nicht, das unsere Beziehung momentan noch existent ist.”, antwortete ich ehrlich und sah, wie der kleinere schwer schluckte, spürte, wie er sich in meine Arme krallte. “Und ich liebe dich zu sehr, um das hier weiter aus zu halten. Scheiß auf Gazette, ich will nur dich Ruki.” “Nicht so schnell Rei, niemand scheißt hier auf Gazette.”, lachte Kai und versuchte, wieder die Kontrolle über die Situation zu gewinnen. “Es ist so, Ruha, Aoi und ich beobachten euch schon ne Weile, wir haben gesehen wie eure Beziehung gelitten hat, aber wir wussten, das ihr das auch für uns auf euch nehmt. Wir wollten nicht undankbar erscheinen und haben gehofft, das einer von euch früh genug die Notbremse zieht und haben in der Zwischenzeit unseren Kriegsrat geplant.” Aoi und Uruha nickten bekräftigend. “Da der Vertrag so, wie er geschrieben wurde, ungültig ist, können wir ihn jederzeit ohne große Probleme kündigen, allerdings müssen wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite haben, bevor die Chefs ihre Anwälte einschalten können. Wir müssen sie eiskalt erwischen, wenn wir wieder in Tokyo sind, also müssen wir noch ein paar Wochen die Füße stillhalten und die Zähne zusammen beißen. Schafft ihr das?” Ich sah zu Ruki, beugte mich kurz zu ihm, um mir einen flüchtigen Kuss zu stehlen. “Ja. Aber was ist dann Kai?” Unser Leader seufzte leise. “Dann stehen wir wieder am Anfang. Aber das schaffen wir schon. Wir haben in letzter Zeit oft mit einigen anderen Indie Bands zu tun gehabt, wir sind keine komplett Unbekannten mehr. Keine Bange also. Lasst uns kämpfen.” Wir mussten alle lachen, weil Kai doch tatsächlich hier und jetzt eine Motivationsrede hielt, stimmten ihm aber bei. Konnte es wirklich so leicht sein? Würden wir wirklich problemlos aus unserem Vertrag raus kommen? Ich konnte es nur hoffen. Nach und nach verließen wir die Toilette, denn niemand durfte davon Wind bekommen, das irgendwas im Busch war. Das waren Profis, denen war bestimmt schon längst selbst aufgefallen, das ihre eilig erhobenen ‘Homo’ Klauseln alles andere als erlaubt waren, aber sicher hofften sie einfach, das wir ahnungslose Vollidioten waren (was wir ja auch ohne Kais Freund gewesen wären). Aber es war so verdammt schwer. Zu wissen, dass das alles hier bald ein Ende hatte, und trotzdem war Ruki mir noch immer so fern und würde es noch einige Wochen bleiben, bis unsere Tour zu Ende war und wir wieder zu Hause waren. Nicht mal unseren sechsten Jahrestag würden wir vernünftig feiern können, da er mitten in die Tour fiel. So nah und doch so fern. Ich wollte schreien. “Akira.”, hauchte mein Freund überrascht, als ich mich im Auto zu ihm setzte. Sofort legte ich mir einen Finger an die Lippen. “Die schlafen alle.”, flüsterte ich und meinte damit unseren Manager, den Stylisten und die zwei Crew Mitglieder, die der Firma als Spione dienten. Unser Fahrer war cool drauf, der würde schon nicht petzen. “Ich will nur einen Augenblick bei dir sitzen.”, hauchte ich beinahe flehend und lehnte meine Stirn gegen Rukis, als er seine Arme um meine Schultern legte, sich etwas aufsetzt. “Ich vermisse dich so sehr Akira.” Seine Stimme klang belegt und mir ging es nicht anders als ihm, trotzdem wagte es keiner von uns, auch nur einen flüchtigen Kuss zu stehlen, denn zu groß war die Sehnsucht, wir würden es sonst nicht aushalten. “Nur noch sechs Wochen.”, hauchte ich, wollte es uns beiden schön reden. Ruki nickte. “Ja, nur noch. Das schaffen wir Akira...nicht wahr?” “Natürlich. Ich liebe dich Ruki.”, hauchte ich sanft und küsste ihn kurz auf die Stirn, als ich mich wieder von ihm löste. Seine Lippen formten stumm eine Erwiderung meiner Liebesbekundung und er ließ erst von mir ab, als ich so weit von ihm weg war, das er mich nicht mehr fassen konnte. Ich ließ mich wieder auf den unbequemen Autositz nieder, der heute, wie so oft in letzter Zeit, meinen Schlafplatz darstellte und zog die dünne Fließdecke über meine Schultern, die wenig Wärme in diesem zugigen Vehikel bot. Sechs Wochen noch. Wäre doch gelacht, wenn wir die nicht irgendwie rum kriegen würden. Es war nur so verdammt schwer sich jetzt am Riemen zu reißen, wo die Erlösung so nahe schien. Ich stieg mit einem Sprung aus dem VW-Bus aus, hatte endlich wieder Tokyoter Boden unter meinen Füßen. Zu Hause! Endlich~ “Hörst du das Reirei? Das ist mein Bett das nach mir schreit.”, sang Uruha fröhlich, als er nach mir aus dem Bus stieg und tief einatmete, sich streckte. Ich lachte nur. “Falsch Kou, das ist MEIN Bett, das nach mir schreit.”, verbesserte ich ihn, denn ich hatte wirklich Sehnsucht nach meinem riesigen, pornoroten Monsterbett, in das ich mich gleich mit Ruki fallen lassen würde. Als ich mich umdrehte und sah, wie mein Freund nach Aoi aus dem Wagen stieg, legte sich ein sanftes Lächeln auf meine Lippen. Bald würden wir zu Hause sein, wo wir endlich wieder ein Paar sein durften. “Also dann Jungs, genießt euer Wochenende und Montag sehen wir uns zur Bandprobe im Studio, seit pünktlich.” Wir raunten Kai an, der schon wieder mit Arbeit ankam, wo wir doch nach so vielen Monaten endlich mal wieder Freizeit hatten, doch das gemoser war nur gespielt. Wir würden Montag den Vertrag kündigen. “Bis dann Jungs.” Ich griff meine Tasche und machte mich auf den Weg zu einem der Taxis, die man für uns gerufen hatte. Da Ruki offiziell eine andere Wohnadresse hatte, würde er mit einem anderen Taxi fahren (müssen). Es war einfach nur albern und kindisch, was diese Sesselpupser von uns verlangten. “Hey Fremder.” Meine Mutter zog mich in ihre Arme, kaum das ich die Wohnung betreten hatte und ich genoss es wirklich. “Ru kommt gleich?”, fragte sie neugierig, ich nickte. Ich hatte in den letzten Monaten oft mit meiner Mutter telefoniert und Mails ausgetauscht, sie wusste, wie sehr die ganze Situation unsere Beziehung belastet hatte (und sicher hatte Ruki sich ihr ebenfalls anvertraut). “Im Kühlschrank ist Essen für euch, müsst ihr nur warm machen. Habt Spaß und übertreibts nicht.”Sie zwinkerte mir zu, bevor sie ihre Reisetasche hoch hob. “Mama!”, japste ich fassungslos, hauchte dann aber ein leises Dankeschön. Sie hätte sicher gerne Zeit mit Ru und mir verbracht, statt in ein Hotel zu gehen, wo sie uns so ewig nicht gesehen hatte. Ich ließ mich auf das Sofa sinken, schloss die Augen und wartete, das mein Freund endlich her kam, bemerkte nicht, das ich doch so ausgelaugt war, das ich schon nach wenigen Augenblicken tief und fest eingeschlafen war. “Uh...verdammt.” Ihr fuhr aus dem Schlaf hoch, sah mich im Zimmer um. Wie lange hatte ich geschlafen? Und wo war Ru? Ich wollte aufstehen, als ich spürte, das etwas auf meinen Beinen lag und senkte meinen Blick, lächelte beruhigt. Ruki hatte sich zu mir aufs Sofa gelegt, seinen Kopf auf meinen Schoß gebettet und schlief tief und fest. Ich beschloss, ihn noch einen Moment schlafen zu lassen, kraulte sanft durch sein Haar, genoss es einfach, ihn endlich wieder bei mir zu spüren. Wie hatte ich ihn doch vermisst. “Hey Ru. Aufwachen.” Ich versuchte ihn sanft zu wecken, denn allmählich bekam ich Hunger und besonders bequem saß ich auch nicht auf dem Sofa. Der jüngere öffnete murrend seine Augen und schaute mich verschlafen an. “Morgen mein hübscher.”, hauchte ich und küsste ihn sanft, als er sich etwas aufsetzte. “Hey.”, begrüßte er mich leise und setzte sich auf meinen Schoß. Ich genoss es unendlich, ihn endlich wieder so nah bei mir zu haben. “Wollen wir zusammen duschen gehen und dann essen?”, schlug ich vor. Pure Begeisterung legte sich in seinem Blick, als er zustimmend nickte. “Warum hast du mich denn nicht geweckt, als du Heim gekommen bist?”, ich versuchte ein bisschen vorwurfsvoll zu klingen, scheiterte aber kläglich. “Du hast so friedlich geschlafen und ich war ehrlich gesagt auch ziemlich ausgelaugt und wollte mich nur noch zu dir legen.”, gab er lachend zu und folgte mir unter die Dusche, wo er sich sofort an mich schmiegte. Wir schauten uns einfach nur an, tauschten verliebte Blicke aus, genossen die vermisste Nähe des anderen, bevor ich mich langsam tiefer beugte, seine Lippen mit meinen einfing und ihn sinnlich küsste. Hungrig. Leidenschaftlich. Wir mussten eine Menge Zeit nach holen. “Seid ihr Fit?” Hoffentlich war das eine rhetorische Frage, denn außer Kai sah keiner von uns auch nur annähernd fit aus. Wie schaffte der Kerl das bloß? “Lasst es uns hinter uns bringen, ich will diesen Ort schnell wieder verlassen.”, knurrte ich feindselig und schaute hoch zu dem Gebäude, das in wenigen Minuten mal unsere Plattenfirma gewesen sein würde. Alle nickten zustimmend und wir folgen Kai durch die Gänge, vorbei an unserem Proberaum, ignorierten den Blick unseres Managers, als wir einfach an ihm vorbei liefen und standen schließlich vor der Tür unseres Chefs. “Bereit?” Wir nickten alle und Kai klopfte. Unser Chef musterte uns einen Moment lang verwirrt, bevor ihm scheinbar langsam aufging, weshalb wir hier waren. Als wir ihm, einer nach dem anderen, unsere Kündigungen auf den Tisch legten, verschränkte er langsam die Arme vor der Brust. “Euch wird nie wieder jemand unter Vertrag nehmen.” Die Verachtung in seiner Stimme war deutlich zu hören und da er, während er sprach, nur Ruki und mich ansah, war wohl klar, woher die Verachtung rührte. Ich legte demonstrativ den Arm um meinen Freund, zog ihn näher an mich ran. “Kein Plattenvertrag dieser Welt ist es wert, das ich die Liebe meines Lebens dafür opfere.”, antworte ich ruhig und sachlich, drückte Ruki einen Kuss auf die Lippen und verließ mit dem Rest der Band das Büro und das Gebäude. Endlich frei! “Und jetzt?” Wir schauten zu Aoi, alle seufzten leise auf. “Ich hab gestern mit meinem Chef telefoniert, ich krieg meinen Job wieder.”, raunte Ruki, Kouyou und ich nickten, auch wir hatten unseren Job im Konbini wieder, auch wenn unser Chef sich erst mal auf unsere Kosten scheckig gelacht hatte. In seinen Augen hatten wir im Leben völlig versagt. “Ich such mir nen Teilzeitjob und werd mich darum kümmern, uns bei allen möglichen Plattenfirmen vor zu stellen.”, erzählte Kai fröhlich, nicht ein Hauch Bitterkeit in seiner Stimme oder seinem Gesicht. “Ich werd heut ein paar Läden abklopfen, also drückt mir die Daumen.” Wir wünschten Aoi viel Erfolg, bevor wir uns in alle Himmelsrichtungen aufteilten. Ob der Kerl recht hatte? Würde uns wirklich niemand aufnehmen? Sicherlich kannten die Firmen sich untereinander und man würde garantiert hier nachfragen, wie es zum Bruch gekommen war. Ein Angst einflößender Gedanke. “Schon wieder ne Absage.”, raunte Uruha, der offensichtlich gerade eine SMS von Kai erhalten hatte. Ich seufzte leise und nahm die Konservendosen entgegen, die der brünette mir nun wieder an reichte, stellte sie ordentlich ins Regal. “Wenn das so weiter geht, steigt Ruki noch aus.”, hauchte ich und es war keine leere Drohung. Ruki gab sich, nicht uns, sondern allein sich die Schuld daran, das wir den Vertrag hatten kündigen müssen und nun wieder in unseren verhassten Jobs fest saßen, statt Musik zu machen. Ich sagte ihm immer wieder, dass das totaler Unsinn war, das niemand Schuld war und vor allem nicht er allein, aber tief innen drin war Ruki nun mal doch nur der kleine, ewig verunsicherte Takanori. Es war zur Zeit wirklich schwer mit ihm, weil er auch so unglaublich dickköpfig war. “Die wievielte Firma war das jetzt?”, murrte ich leise, als ich die kleine Leiter herab stieg und half Uruha dabei, die leeren Kartons klein zu machen. Wie viele Plattenfirmen gab es denn bitte in Japan? Ich hatte das Gefühl, das Kai über ein unendliches Repertoire an Adressen verfügte, da ihn die ganzen Absagen scheinbar so überhaupt nicht demotivierten. Er sagte immer, das es genau das Gegenteil wäre. Für jede Absage würde er fünf neue Bewerbungen schreiben. “Lass den Kopf nicht hängen Rei. Gerade jetzt nicht, du musst für Ruki stark sein. Kai hat recht, wir werden schon ne Firma finden.”, versuchte es der andere nun ebenfalls mit Motivation und ich nickte. Er hatte ja recht. “Die....wie hieß der Laden nochmal?” Ruki sah zu unserem Drummer, der uns gerade stolz einem Brief vorgelesen hatte. “Die PSC.”, antwortete er und reichte den Brief an Aoi, der ihn zusammen mit Uruha betrachtete. Ihre Augen glitten hastig über die Zeilen, bevor sie das Schreiben an Ruki und mich weiter reichten und auch wir überflogen den Brief noch einmal. “Klingt schwammig.”, raunte Ruki leise, wenig Begeisterung in der Stimme. “Aber es ist keine Absage.”, hauchte ich, versuchte seine Stimmung etwas zu heben und drückte ihn sanft. “Reita hat recht, es ist eine Einladung für ein Gespräch Ruki, wir sollten das positiv sehen.” pflichtete Aoi mir bei und unser kleiner Sänger raunte genervt. “Man ihr klingt alle wie Kai, was ist denn los mit euch?”, raunte er angefressen, lächelte dabei aber breit. “Ich bin aber dafür, das wir dieses mal gleich mit offenen Karten spielen.”, meinte ich leise und sah, das die anderen gemischte Gefühle hatten, trotzdem nickte Kai. “Ja, ich denke auch, das es das beste sein wird. Die wissen sicherlich eh schon Bescheid.” Wir waren in letzter Zeit ein paar mal zu Gesprächen eingeladen worden und hatten unseren alten Arbeitgeber nicht schlecht machen wollen, hatten von unüberbrückbaren Differenzen gesprochen, doch sie wussten immer Bescheid. Wussten, das wir unserer Beziehung wegen ‘problematisch’ waren, denn unser alter Arbeitgeber hatte wohl nicht mal im Ansatz versucht, ein gutes Wort über uns verlauten zu lassen. Ich war es so Leid, das die Leute sich so über unsere Beziehung mokierten. Was doch eigentlich zählen sollte, war einzig und allein unsere Musik. Ruki und ich waren ja bereit, unsere Beziehung aus der Öffentlichkeit raus zu halten, so war es nicht, nur wir wollten eben von der Firma akzeptiert werden. “Gut, ich ruf dort an und mach dann für Samstag in einer Woche einen Termin, okay?”, fragte Kai und wir nickten alle, während ich meinen Freund enger an mich zog, meine Wange an sein Haar schmiegte. Ich hoffte so sehr, das es dieses mal klappen würde. Mir war übel, kotzübel um ganz deutlich zu werden und meine Kollegen sahen kein Deut frischer aus. Selbst Kai schaffte momentan kein Lächeln, das nicht irgendwie gequält aussah. Wir standen vor dem unauffälligen Bürogebäude, mitten in einer Wohnsiedlung, und hätten wir uns nicht schon bei der Rezeptionistin angemeldet, ich würde denken, das wir hier falsch waren. Diese Plattenfirma wirkte irgendwie seltsam, wie gewollt und nicht gekonnt. Es machte sie sowohl sympathisch und wenig Vertrauen erweckend zur selben Zeit. Wir hatten und schlau gemacht über die Firma und waren geschockt gewesen, zu lesen, das es sie schon über fünfzehn Jahre gab, bisher aber mit eher geringem Erfolg, bis man vor knapp drei Jahren den Künstler Miyavi unter Vertrag genommen hatte und seither auf dem steigenden Ast war. Ruki und Uruha kannten diesen Miyavi vom Namen her, da sie beide schon Lieder von der Band Due le Quarz gehört hatten, dessen Gitarrist er wohl gewesen war und als ich später in einer Zeitschrift ein Foto von ihm gesehen hatte, konnte auch ich zumindest mit dem Gesicht etwas anfangen. “Oh, wir werden rein gewunken, kommt.”, machte Kai uns darauf aufmerksam, das die Rezeptionistin uns wohl von ihrem Platz aus klar machen wollte, das wir jetzt zu unserem Termin konnten. Mit zittrigen Knien und einem mulmigen Gefühl in der Magengegend folgte ich meinen Bandmitgliedern und war froh, als Ruki seine Hand in meine Schob, mir einen Grund gab, seine Hand zu drücken. Ich war gerade ein nervliches Wrack. Als wir das Büro betraten, das eher einem Konferenzraum glich, mit den U-Förmig aufgestellten Tischen, verbeugten wir uns tief und nuschelten unseren Dank über die Einladung. War es ein gutes, oder ein schlechtes Zeichen, das vier Männer uns begrüßten? Aber keiner trug einen Anzug, man schien hier doch schon irgendwie lockerer drauf zu sein, als bei manch anderer Firma. Ein gutes Zeichen? “Freut mich, das wir uns endlich kennen lernen. Kann ich ihnen was zu trinken anbieten? Wasser, Tee, Kaffee?” Wir lehnten dankend ab, noch immer ziemlich nervös. Der Mann der uns angesprochen hatte lächelte nur offenherzig, bevor er mit der Vorstellung anfing, sich selbst als den Geschäftsführer der PSC zu erkennen gab, den Mann zu seiner Rechten als seine rechte Hand, Anwalt der Firma und Berater in allen Fragen, und die beiden Männer zu seiner Linken als den leitenden Toningenieur und unseren, eventuell bald, Manager vorstellte. Auch wir stellten uns noch einmal ordentlich vor. Wir machten alle ziemlich große Augen, als er uns erklärte, man hätte schon nach unserem Festivalauftritt großes Interesse an uns gehabt, aber leider wohl doch etwas zu lange gezögert, da man uns ihnen quasi vor der Nase weg geschnappt hatte. Um so erfreuter war man, das wir nun wieder zur Verfügung standen. (Wir sollten später erfahren, das er und unser ehemaliger Chef sich Spinnefeind waren). “Um eins klar zu machen, ihnen ist der Vertrag, sofern sie ihn wollen, zu neunundneunzig Prozent sicher, aber ich bin doch schon sehr Neugierig. Warum haben sie ihren alten Vertrag aufgelöst? Und scheinbar auch Problemlos?”, fragte er, versuchte auch gar nicht, seine Neugierde zu vertuschen und wir wechselten alle kurz einen Blick miteinander, nickten, bevor ich mich leise Räusperte. “Es ist so”, hauchte ich, spürte, wie mein Herz immer schneller schlug und griff unterm Tisch nach Rukis Hand, “Ruki und ich sind in einer festen Paarbeziehung. Wir haben kein Interesse daran, das unsere Beziehung in die Öffentlichkeit getragen wird, da wir wissen, das nicht alle hellauf begeistert sein werden, aber wir wurden in der Vergangenheit sogar dazu gezwungen, getrennte Wohnadressen zu haben und durften im Auto nicht einmal nebeneinander sitzen.”, machte ich unseren Standpunkt klar und erklärte gleichzeitig den Bruch mit der alten Firma. Der Mann lehnte sich in seinem Stuhl zurück, musterte Ruki und mich eindringlich, nickte ein paar mal, als würde er seinen eigenen Gedanken zustimmen, bevor er sich wieder etwas vor beugte. "Ich glaube, damit können wir Arbeiten.” Ich blinzelte ein paar mal, verstand nicht ganz und als ich zu Kai sah, zuckte dieser in einer hilflosen Geste mit den Schultern. Unsere perplexe Reaktion schien die anderen Männer zu amüsieren. “Gut, lassen sie es mich erklären. Fanservice ist zur Zeit DER Trend in der Szene. Die Fans lieben es, wenn sich die Künstler auf der Bühne etwas näher kommen, die Grenzen der Freundschaft verschwimmen lassen, indem es hier oder da einen Kuss gibt ober eine Berührung. Nichts mit brennender Leidenschaft, aber etwas, das genug Raum für Interpretationen lässt und euren Fans als Vorlage für Fanarts und Fanfics dienen kann.”, erklärte er uns und wieder blinzelte ich verwirrt. Wirklich? Auf so was standen die Fans? Und was bitte waren Fanfics? Unter Fanarts konnte ich mir ja noch was denken, aber... “Fan...fics?”, fragte Uruha leicht skeptisch und wir alle beugten uns unbewusst etwas über den Tisch. “Ja das sind fiktionale Geschickten, die Fand über ihre Idole schreiben. Egal ob Charaktere aus Anime, Manga, Büchern oder aber der Realen Welt. Ist ein sehr beliebtes Medium unter den Fans und man kann sie im Internet veröffentlichen und andere können sich das dann durchlesen.” Langsam fragte ich mich, woher er das alles wusste. Gab es hier vielleicht so etwas wie eine Forschungsabteilung, die die Aktivitäten der Fans analysierte und beobachtete, oder googelte der Chef vielleicht selbst? Bei dem Gedanken musste ich unweigerlich schmunzeln. “Heißt das, sie nehmen uns unter Vertrag?” Kais Frage riss mich aus meinen Gedanken und Rukis Griff um meine Hand wurde wieder stärker. “Ich sagte doch, ihr habt den Vertrag zu neunundneunzig Prozent in der Tasche.”, lachte der Mann und zog ein paar Unterlagen zu sich. “Am besten wir machen es für die ganze Band so, das ihr euer Privatleben für euch behaltet. Sollten solche Interviewfragen kommen, sagt ihr einfach höflich, aber bestimmt, das ihr darauf nicht antworten wollt. Es wäre auffällig, wenn drei von fünf Leuten offen reden und zwei mit ‘kein Kommentar’ kommen. Einverstanden?” Wir nickten alle. “Was Hotelübernachtungen angeht...Doppelzimmer, wenn nötig okay, dann aber für alle, aber keine Doppelbetten. Wer weiß wie verschwiegen das Hotel ist.” Wieder nickten wir alle. Ruki und ich hatten Jahrelang in meinem Kinderbett geschlafen, wir waren Platzmangel gewohnt. “Gut. Ich freu mich auf unsere Zusammenarbeit.”, meinte er gut gelaunt und schob uns die Verträge zum Unterschreiben hin. Wir waren unter Vertrag! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)