Wenn Träume fliegen lernen von _hide_ (Fortsetzung von One Night in Heaven) ================================================================================ Kapitel 6: Welcome... home? --------------------------- “Was ist mit der hier?” Ich zog eine Hose aus dem Ständer mit den reduzierten Artikeln und musterte Ruki. Begeisterung sah wahrlich anders aus. Klamotten kaufen war so schon ätzend genug, aber wenn der eigenen Freund ein selbsternannter Modekritiker war, und man so pleite war, das man im billigsten Bekleidungsgeschäft in ganz Tokio einkaufen musste, wurde es zu einer Tortur. “Sie kostet nur 900 Yen.”, versuchte ich es mit Vernunft. “Und ich brauch ne Hose.” “Vergiss es. Du könntest deinen süßen Knackarsch nur noch effektiver verstecken, wenn du einen Müllsack tragen würdest.”, raunte er bestimmend und ich hörte, wie die alte Dame auf der anderen Seite des Kleiderständers nach Luft schnappte. “Ruki, wenn ich keine neue Hose finde, werde ich meinen süßen Knackarsch mit einem Müllbeutel bedecken müssen.”, konterte ich, etwas leiser, um ungewollte Herzattacken bei älteren Damen zu vermeiden. “Die hier würde dir toll stehen.” Ruki ignorierte mich komplett und zog eine Jeans aus einem der nicht reduzierten Ständer. Ich verdrehte die Augen, als ich den Preis sah. “Die kostet auch gleich das fünf fache und Schuhe brauch ich auch. Und die kauf ich bestimmt nicht hier.”, stellte ich meinen Standpunkt klar und verstand nun wirklich nicht, was Ruki gegen meine Hose hatte. Zwei Beine, Gürtelschlaufen, Taschen, keine Löcher. Alles, was eine perfekte Hose für mich ausmachte. “Nein!”, meinte Ruki bestimmt und nahm mir die Hose ab, um wie wieder weg zu hängen. “Guck nicht so, das hässliche Ding wir dir schon keiner weg schnappen.”, zickte er mich an und fing wieder an zu suchen, ich tat es ihm gleich. Es war einfach nur ätzend. Ich machte mir nicht viel aus Kleidung, aber ich war (angehender) Rocker und ich wollte, das meine Kleidung das aussagte, aber alles was die Sachen hier aussagten war ‘Mich hat ein Kind ohne Schulbildung in Bangladesch genäht’. Wie sollten wir hier etwas finden, mit dem wir beide zufrieden waren? “Weißt du, ich wüsste da einen Weg, wie wir jeden Monat ne Menge Geld einsparen könnten.”, meinte Ruki nach einer Weile des schweigens in einem ruhigen, diplomatischen Tonfall. Ich schaute ihn Skeptisch an. Das Thema Zigaretten fiel schon mal weg, das hatten wir direkt nach dem Umzug probiert und nach drei Wochen beschlossen, nie wieder darüber zu reden und beim Kaffee ging auch nichts mehr, ich trank schon das billige Zeug und Ruki bekam auf der Arbeit gratis Kaffee. “Willst du auf dein Make-Up verzichten?”, fragte ich grinsend. Rukis Kopf schnellte hoch und sein Blick war Angst einflößend. Nein, definitiv war er da nicht Kompromissbereit. “Nein, Aki. Die paar Yen.”, wehrte er ab. Von wegen ‘paar Yen’. “Weißt du, ich hab mich mit deiner Mutter darüber unterhalten und~” Mir blieb glatt die Spucke weg und ich starrte ihn fassungslos an. Das war jetzt aber nicht sein ernst, oder? “Du hast mit meiner Mutter gesprochen? Du willst jetzt aber nicht ernsthaft vorschlagen, das wir wieder zu meiner Mutter ziehen, oder?”, fragte ich Fassungslos. Meine Mutter hatte sich vor kurzem endlich von ihrem Freund getrennt, nachdem er sie geschlagen hatte, und Ruki und ich hatten daraufhin einige Tage in ihrer Wohnung verbracht, nur um sicher zu gehen, das der Mistkerl nicht auf dumme Ideen kam. Das Verhältnis zu meiner Mutter war wieder im Lot, wir hatten uns für die Sachen entschuldigt, die in der Vergangenheit passiert waren und ich war glücklich darüber. Aber zu meiner Mutter zurück ziehen? “Denk doch nur an das Geld, das wir jeden Monat sparen können Akira. Davon könnten wir vernünftige Klamotten kaufen. HÜBSCHE Klamotten!” Um seine Worte zu untermauern zog er ein Hemd aus dem Ständer, knittrig und in dunklen grün und braun Tönen. Es sah aus, als hätte man damit ein Baustellenklo gereinigt und es in der Sonne trocknen lassen. “Hatten wir nicht eigentlich geplant, das der nächste Umzug in eine größere Wohnung wird? Mit einer richtigen Küche, einem großen Wohnzimmer und separatem Schlafzimmer?”, erinnerte ich ihn an unsere kleine Träumerei. “Deine Mutter hat ne tolle Küche und ein großes Wohnzimmer. Und wir hätten ein eigenes Schlafzimmer!”, verwendete er meine Worte gegen mich. “Überleg doch mal Aki. Es war doch toll bei deiner Mutter zu wohnen und... Gott ich HASSE unsere Wohnung.”, jammerte er herzerweichend. “Ich bin es leid jedes mal Beschwerdebriefe wegen Lärmbelästigung zu bekommen, wenn wir zusammen schlafen, Akira. Ich bin so kurz davor,” er machte eine Geste, zeigte mit Daumen und Zeigefinger eine nur wenige Millimeter kleine Lücke, “Jedes mal im ganzen Haus gratis Oropax zu verteilen, wenn ich will, das mein Freund es mir mal wieder ordentlich besorgt.” Ich musste mir ein Lachen verkneifen, was eher an dem schockierten Ausdruck der alten Dame lag. Ich war mir sicher, das er absichtlich laut sprach. “Ruki, hör auf alte Damen zu ärgern.”, ermahnte ich ihn leise und grinste. “Aber, im ganzen Haus?” Wir wohnten in nem Hochhaus, das würde teuer werden. “Hmm, nein, der eine Perversling der hinterher immer Jubelt darf weiter zuhören. Das ist irgendwie heiß.” Sein grinsen war einfach nur dreckig, die alte Dame stand kurz vorm Herzkasper und ich konnte nur noch Lachen. “Bitte Aki. Es hätte nur Vorteile und... Wir könnten uns ein Bett kaufen.” Ruki trat an mich ran und schaute mich mit großen Kulleraugen an. “Ein Bett wär toll.”, hauchte ich zustimmend. Ruki nickte. “Vielleicht sogar so ein tolles Boxspringbett wie in dem Hotel~” Verdammt, der kleine wusste ganz genau, welche Fäden er bei mir ziehen musste. Ich hatte ihn letzten Monat für ein langes Wochenende nach Kyoto entführt, in ein schönes Hotel mit Sauna, Massagen und all dem Schnickschnak, aber das Bett war der wahre Höhepunkt gewesen. Nach über einem halben Jahr auf dem Futon sang mein Kreuz Halleluja als es mit dem weichen Bett in Berührung kam. So wie ich Ruki kannte, war es eh schon beschlossene Sache und da meine Mutter scheinbar auch eingeweiht war, zählte meine Meinung so wie so nicht, aber ich musste wenigstens so tun, als hätte ich hier noch irgendwas zu melden. “Ich überlegs mir.”, gab ich klein bei, hob aber mahnend meinen Zeigefinger, als Ruki im Inbegriff war, mich zu Umarmen, was so viel bedeutet hätte wie ‘Fang an zu packen Schatz, wir ziehen heute noch um’. “Unter einer Bedingung. Du kaufst mir die Hose und ich will kein Wort hören.” Man konnte sehen, wie viel Willenskraft es Ruki kostete nicht zu protestieren, doch er ging brav zu dem Ständer, schnappte sich die Hose und zog mich zu den Kassen. Na ging doch. Jetzt brauchte ich nur noch ein neues paar Schuhe. “Ah, Danke.” Ich nahm die Tasse entgegen, zog den kleinen Behälter mit dem Zucker zu mir und schaufelte einige gehäufte Löffel in meinen Kaffee. “Hättest du gesagt, das du Kaffee zu deinem Zucker willst, hätt ich die Tasse nicht so voll gemacht.”, ein kurzes Schmunzeln, bevor mich ein besorgter Blick durchdringend musterte. “Alles okay Aki-chan?” “Hm? Ja Mum, nur.... Stress und so.”, hauchte ich leise und trank den ersten Schluck meiner Zuckerbombe. Widerlich, aber mein Körper brauchte dringend einen Energieschub und dafür eigneten sich die weißen Kristalle einfach am besten. “Also dann schieß mal los, was bringt mich zu der Ehre, das mein Sohn mich mitten in der Woche unangekündigt besucht, und das ohne seine bessere Hälfte. Stress im Paradies?” Ich hob skeptisch meine Augenbrauen in die Höhe, während ich an meinem heißen Kaffee nippte. “Na, ob man Ruki jetzt als meine bessere Hälfte bezeichnen kann, zweifle ich an.”, meinte ich lachend und stellte meine Tasse ab. “Andersrum würd ich dir Zustimmen, ich bin definitiv seine bessere Hälfte.” Ich betonte das ‘definitiv’ und meine Mutter lachte. “Nein, kein Stress im Paradies, keine Angst, ich wollt nur etwas mit dir besprechen, unter vier Augen.” Meine Mutter legte den Kopf leicht schief, tat unwissend, doch ihre Augen funkelten wissend. “Mir hat ein Vögelchen gezwitschert, das Ruki und du Zukunftspläne geschmiedet habt.” Ich versuchte erst gar nicht, den leicht anklagenden Unterton aus meiner Stimme zu nehmen, doch der schien meine Mutter eh nicht zu kratzen. “Wir haben uns unterhalten und Ruki meinte, das es... Probleme gibt.” Ich schaute meine Mutter fassungslos an. “Probleme?” Ja, unsere Wohnsituation war nicht ideal, wir waren beide nicht sonderlich glücklich darüber, wie es war, aber ich war noch lange nicht so weit, es als ein Problem zu benennen. Probleme hatte man meiner Meinung nach in einer Beziehung. Meine Mutter biss sich leicht auf die Unterlippe, scheinbar hatte sie gerade mehr ausgeplaudert, als sie hätte tun dürfen. “Mum, bitte.”, forderte ich doch recht barsch. Wenn Ruki Kummer hatte, dann wollte ich es wissen, damit ich daran arbeiten konnte. “Das hast du aber nicht von mir!” Ich nickte, würde darüber schweigen und unsere Probleme im Stillen lösen. “Er hat sich etwas bei mir aus geheult, du arbeitest den ganzen Tag, wenn du nach Hause kommst gehst du immer sofort ins Bett und na ja... Er meinte in letzter Zeit würde nicht sonderlich viel ‘Zweisamkeit’ stattfinden.” Ich spürte wie mir das Blut in die Wangen schoss, als meine Mutter ‘Zweisamkeit’ so arg betonte. Ruki hatte mit MEINER Mutter über UNSER Sexleben gesprochen. WTF? “Du liebst ihn doch noch, oder?” Die Frage riss mich aus meiner Starre und ich schaute meine Mutter kurz an, bevor ich lächelte. “Mit jeder Faser meines Körpers.”, hauchte ich leise, zog meinen Zucker-Schock-Kaffee zu mir und trank ihn in einem Zug aus. “Es würde dich wirklich nicht stören, wenn wir hier wieder einziehen?”, fragte ich vorsichtig, denn ich wollte nicht, das meine Mutter sich zu irgendwas genötigt fühlte und uns gegen ihren Willen aufnahm. “Es war mein Vorschlag Akira. Ich vermisse euch beide, ich vermisse dich.” Schon wieder wurde ich etwas rot um die Nasenspitze. “Mama~”, raunte ich nur betreten, sie konnte doch nicht solche peinlichen Sachen sagen. Ich blieb noch eine Weile bei meiner Mutter, redete mit ihr über unsere Band, den Umzug, Politik, Gott und die Welt. Wie hatte ich es doch vermisst. Als ich mich dann auf den Heimweg machte, hatte ich eine ganze Tüte voller Tupperdosen dabei, gefüllt mit allen möglichen Köstlichkeiten, gekocht von meiner Mum und mir (gut ich hatte lediglich das Gemüse geschnibbelt, aber trotzdem). Ruki würde vor Freude in die Luft gehen, wenn ich ihm gleich erzählte, das ich dem Umzug zustimmte. “Bin wieder da.”, rief ich in die Wohnung, schloss die Tür ab und fing an mich aus den Sachen zu pellen. Es langsam Frühling werden. Wir hatten schon April und es war teilweise immer noch so kalt, das man das ganze Winterprogramm mir Schal, Mütze und Handschuhen auffahren musste. “Du kommst spät.” Ich sah überrascht zu meinem Freund, der in der Tür zum Wohnzimmer stand, Arme vor der Brust verschränkt. Ah, die Probleme. Jetzt sah ich sie auch. “Ich war noch Unterwegs.”, antwortete ich trocken und kniete mich hin, um die Schnürsenkel meiner Schuhe zu lösen. “Du hattest vor fünf Stunden Feierabend. Ich hatte gedacht wir könnten was zusammen machen.”, raunte Ruki, hörbar sauer. “Sags doch einfach wenn du keine Lust hast nach Hause zu kommen.” Zum Glück saß ich mit dem Rücken zu Ruki, sonst hätte dieser gesehen, wie mir das Gesicht gerade entglitt. Was zum? War das sein Ernst? Ich ließ mir noch einen Moment Zeit mit den Schuhen, um meine Gefühlswelt wieder in Lot zu bringen, bevor ich ins Wohnzimmer trat, direkt den Kühlschrank ansteuerte. Ruki kauerte auf dem Sofa und blätterte in einer Zeitschrift. “Ich war bei meiner Mutter.”, durchbrach ich die Stille, nachdem ich das Essen weg geräumt hatte und faltete die Tüte zusammen. “Hab mit ihr über unseren Einzug gesprochen.” Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie Ruki bei mir war, mich am Nacken zu sich runter zog und mich hungrig küsste. Ich schlang meine Arme um ihn, drückte ihn fest an mich und erwiderte seinen Kuss sinnlich. “Das war...” “Der Wahnsinn?”, schlug ich ihm schmunzelnd vor, strich liebevoll über die erhitze Haut meines Freundes, der schwer atmend auf mir lag. “Ja.” war alles, was er raus brachte, ich lachte leise. Ich ignorierte die kalten Küchenfliesen, auf denen ich lag, hielt Ruki fest umschlungen und seufzte wohlig auf. “Ist dir nicht kalt?”, hörte ich nach einer Weile seine besorgte Frage. “Hm, geht so, du wärmst mich ja.”, hauchte ich sanft, “Aber unbequem wirds langsam doch etwas.”, musste ich eingestehen, murrte trotzdem leise, als Ruki sich von mir löste, um auf zu stehen, aber ich folgte seinem Beispiel fast sofort und fing an, unsere verstreuten Kleidungsstücke vom Boden auf zu sammeln. Schnell legte ich die sauberen Sachen zur Seite und verstaute den Rest im Wäschekorb, bevor ich Ruki unter die Dusche folgte. “Ich kann morgen im Maklerbüro vorbei gehen und unsere Wohnung kündigen.”, hauchte ich leise, als er sich an mich schmiegte. “Und Samstag könnten wir zum Bettenparadies und uns mal umsehen.” “Du musst Samstag arbeiten, schon vergessen?”, raunte der kleinere missbilligend, ich grinste leicht. “Ich werd morgen Kündigen.” Ich hatte vor knapp drei Wochen meinen Job als Fahrer für die Reinigung gekündigt, da ich einen besser bezahlten bei einer Gebäudereinigung gefunden hatte. Der Nachteil, andauernde Nachtschichten und am Samstag den ganzen Tag, um die Büroräume von oben bis unten Grund zu reinigen. Wenn wir hier auszogen, würde mein Job im Konbini und im Lager völlig ausreichen, um meine Mutter zu unterstützen und noch Geld für alles andere übrig zu haben. Dann brauchte ich keine drei Stellen mehr, die mir das Leben aussaugten. Ruki schaute mich ungläubig an, bevor er mich erneut küsste und ich spürte, wie froh er darüber war. Ich sagte doch, ich würde unsere Probleme lösen. Wir verbrachten den ganzen Abend damit, unseren Auszug zu planen. Auf jeden Fall würden wir unsere Freunde wieder bitten zu helfen, wie schon bei unserem Einzug. Wenn der Makler einverstanden war, wollten wir die Wohnung möbliert abgeben, gegen eine geringe Summe für unsere Möbel, war ja alles noch in nem Top Zustand, es gab nur keine Möglichkeit sie mit zu meiner Mutter zu nehmen. Warum auch, dort gab es schließlich schon alles. “Ich werd meinen Chef morgen fragen, ob er mich nächste Woche mal nach Hause bringen kann, und wir im Baumarkt vorbei können, um Kartons zu besorgen, liegt ja auf dem Weg.” Ich nickte zustimmend. “Wenn nicht werd ich Aoi bitten.”, fügte ich leise hinzu und gähnte verhalten auf. “Jetzt lass uns endlich schlafen Ruki... Auch wenn du aufgeregt bist.” versuchte ich zum gefühlt hundertsten mal meinen Freund davon zu überzeugen, das wir endlich schlafen sollten. Es war bestimmt schon weit nach Mitternacht und ich wusste, für wann der Wecker gestellt war. “Ich freu mich halt.”, murrte der jüngere und schmiegte sich an mich. “Du und alle unsere Nachbarn.” versicherte ich ihm und driftete immer weiter ins Traumland ab. Als der Wecker unbarmherzig meinen Schlaf beendete murrte ich missmutig und zog mir die Decke über den Kopf. Ich hätte Ruki gestern knebeln sollen. “Willst du Frühstücken? Sonst weck ich dich, wenn ich gehe.”, hörte ich Ruki leise vorschlagen, während er leicht durch mein Haar strich. Ich murrte nur noch einmal, rollte mich unter der Decke zusammen und war dann auch schon wieder weg getreten. “Aaaaaaaaaaaaaakiiiiiiiiiiiiiiiiiii!!! Du musst jetzt echt aufstehen.” Ruki ließ mir gar nicht die Zeit wach zu werden, riss mir einfach die Decke weg und ließ sich auf mich fallen. “Alter geh runter... Du bist schwer.” beschwerte ich mich lachend und musste die Strafe für meine Worte auch sofort ausbaden, als der jüngere sich rittlings auf mein Becken hockte und anfing mich zu kitzeln. “Ich ergebe miiich!”, japste ich lachend. Ich war fix und fertig mit den Nerven, völlig außer Atem, aber wach. “Bis heut Abend bei der Probe.”, hauchte Ruki mir liebevoll ins Ohr, bevor er sich endlich von mir löste, seine Tasche nahm und mir kurz zum Abschied winkte. Ich blieb noch einen Moment liegen, bis ich mich völlig von dieser morgendlichen Quälerei erholt hatte und ging erst mal duschen, bevor ich mich auf den Weg zur Arbeit machte. “Hey Reirei.... Alter was ist los. Du siehst heut echt scheiße aus. Ärger im Paradies?” Ich sah meinen, ab sofort ehemals, besten Freund böse an, als er mich so Herz aller liebst begrüßte. “Na danke auch Uruha.”, antwortete ich schnippisch. “Warum fragt momentan jeder, ob es Ärger im Paradies gibt?”, fragte ich ihn überrascht und bekam lediglich ein Schulterzucken von ihm. “Weiß nicht. Weils mal Zeit wär?” “Was soll denn das nun wieder bedeuten?” Musste man den brünetten etwa verstehen? “Na, ihr seid jetzt wie lange zusammen? Fünf Jahre?” “Vierdreiviertel.”, verbesserte ich ihn, nur um ihn zu ärgern und sah, wie er genervt die Augen verdrehte. “Sorry. Vierdreiviertel Jahre. Und ihr habt immer noch die Rosarote Brille auf. Ihr hattet bisher noch keinen großen Krach oder so, und das bei dem Temperament von Ruki. Das ist nicht mehr normal Reita.”, klärte Uruha mich auf und ich musste schmunzeln. Stimmte schon irgendwie. Wir hatten zwar öfters mal Zank, denn wir waren beide dickköpfig und Rukis Temperament war eine Klasse für sich, aber bisher wurden noch nie Sachen durch die Gegend geworfen, niemand hatte fluchtartig die Wohnung verlassen um wo anders zu übernachten, und selbst wenn wir Zoff gehabt hatten, schliefen wir nebeneinander ein, und am nächsten Morgen war für gewöhnlich alles wieder vergeben und vergessen. “Nein Kou, sorry aber kein Ärger im Paradies. Ruki hat mich nur die ganze Nacht wach gehalten.”, raunte ich und bediente mich an dem braunen Putzwasser, welches sie hier im Laden als Kaffee verkauften, reichte dem anderen ein paar Münzen, damit er das Getränk in die Kasse eingeben konnte. “Na für jemanden, der die ganze Nacht Sex hatte, bist du reichlich muffig heut früh. Hats etwa nicht geklappt?” Großer Gott, womit hatte ich ihn als Freund verdient? “Kein Sex, wir haben nur geredet. Oder besser gesagt, Ruki hat geredet.”, klärte ich ihn auf. “Wir werden demnächst umziehen, bereite dich also seelisch schon mal darauf vor.”, warnte ich ihn und sah, wie er mich fassungslos ansah. “Nein, Reirei. Sorry aber NEIN! Euer Einzug war die Hölle. Sechs Stockwerke ohne Fahrstuhl und bei fünfzig Grad im Schatten. Ich hab genug gelitten um nie wieder im Leben bei einem Umzug helfen zu müssen.” protestierte er, wohl wissend, das Ruki ihn schon zwingen würde, uns zu helfen. “Ganz ruhig du Schwächling. Die Möbel werden sehr wahrscheinlich in der Wohnung bleiben, also nur ein paar Kartons und alles Treppe runter.”, versuchte ich ihn zu beruhigen, vielleicht vergaß er ja das kleine Deteil, das er ohne Kisten wieder hoch laufen musste. “Habt ihm Lotto gewonnen?”, fragte der andere entsetzt und ich seufzte leise. “Wenn du lachst hetz ich Ruki auf dich und werd ihn dieses mal nicht aufhalten.”, drohte ich und Uruha nickte brav. Seit Rukis Angriff hatte er doch schon ein bisschen Angst vor unserem Sänger. “Wir haben beschlossen wieder zu meiner Mutter in die Wohnung zu ziehen.”, seufzte ich leise. “Wow, klingst ja mächtig begeistert. Wie kommts?”, fragte der andere Nüchtern und ich zuckte kurz mit den Schultern. “Das unsere Wohnsituation nicht gerade Ideal ist, ist ja kein Geheimnis.” Er nickte. “Unsere Wohnung ist sau teuer, die Nachbarn machen nur noch Stress.” Ich zuckte erneut mit den Schultern. “Zieh ich gern wieder zu meiner Mutter? Nein, nicht wirklich. Ist es der richtige Schritt? Ich denke schon.”, erklärte ich ihm, und Uruha nickte verstehend. “Na, wenn wir demnächst mit Gazette die Charts stürmen werden wir eh kaum noch zu Hause sein, dann braucht ihr auch keine eigene Wohnung.”, meinte Uruha lachend und brachte mich zum schmunzeln. “Stimmt auch wieder.”, stimmte ich ihm bei, auch wenn ich wusste, das es noch etwas dauern würde, bis wir die Charts stürmen würden, erst mal mussten wir jetzt anfangen, ein paar Live Auftritte zu machen. Unser großes Ziel war ein Festival im Sommer für Nachwuchs Bands. Die Zusage dafür stand allerdings noch aus. Da Uruha heute eine kürzere Schicht hatte als ich, winkte ich ihm zum Abschied und seufzte leise. Statt der Quasselstrippe hatte ich jetzt eine Mittelschülerin an der Backe, die mich ständig aus den Augenwinkeln anstarrte. Ich hasste es angestarrt zu werden. Ich zog mein Handy aus der Tasche und schrieb eine Nachricht an Kai, wollte wissen, was er so trieb. Er brauchte nicht lange um zu Antworten und ich musste leise lachen. Kai war seit knapp vier Monaten bei uns Drummer, da er aber noch einige Pflichttermine mit seiner alten Band gehabt hatte, war er offiziell erst seit gut einem Monat unser Drummer. Er arbeitete nebenbei in einem Restaurant als Mädchen für alles, und seiner SMS zu folge, war während des Mittagsgeschäfts die Spülmaschine ausgefallen und er hatte gerade eine Trilliarde Teller bei Hand spülen müssen. Das wahre Highlight war aber das Bildchen aus Zeichen, Buchstaben und Zahlen, das eine völlig entsetzt aussehende Figur zeigte. Er schickte ständig solche Bildchen und ich fragte mich, woher er die immer hatte, oder ob er sie selbst bastelte. Ich schickte ihm ein ‘Ganbate!!!’ und steckte das Handy wieder weg. Ich war wirklich froh, das Kai und ich Freunde geworden waren, auch wenn der Anfang alles andere als gut war und ich sogar kurz davor stand, ihn wieder aus der Band zu werfen. Nach dem grandiosen ersten Eindruck den wir gemacht hatten, hatte es mich schon verwundert, das Kai nicht sofort wieder die Biege gemacht hatte und nach der ersten gemeinsamen Probe, hatte er dann gemeint, das er sehr gerne bei uns mitmachen würde und wir empfingen ihn mit offenen Armen. Was mir bei den Proben dann jedoch bald auffiel war, das Kai immer sehr schnell seinen Blick abwenden würde, wenn Ruki und ich uns näher kamen, selbst wenn es eigentlich immer nur kleine Nichtigkeiten waren, eine Umarmung zum Beispiel, ein zweideutiger Kommentar oder das Trinken aus der selben Flasche. Na super. Unser Drummer hatte scheinbar ein Problem damit, wie wir zueinander standen. Was mich allerdings etwas verwunderte war, das er scheinbar kein Problem mit Ruki hatte, mit diesem unterhielt er sich ständig, scherzte und lachte. Der Kontakt zu den anderen Mitgliedern war noch nicht so wirklich vorhanden, mit mir selbst hatte er zu dem Zeitpunkt noch kein privates Wort gewechselt. Dann war er vielleicht selbst in Ruki verknallt? Eifersucht war auch nicht unbedingt besser. Ich zog Uruha ins vertrauen, denn bei Ruki genoss Kai Welpenschutz und mein Freund hätte mich nur lachend als Paranoid und Eifersüchtig getadelt, ohne meine Bedenken ernst zu nehmen und Aoi war der schlechteste heimliche Beobachter, der auf Gottes grüner Erde wandelte. Es tat schon fast weh ihn zu beobachten, wie er in Bars die Frauen abcheckte. Er starrte sie quasi in die Flucht und wunderte sich dann darüber, das er nie Erfolg hatte. Uruha bestätigte schon bald meinen Verdacht, Kai schaute tatsächlich immer sofort weg, wenn Ruki und ich uns näher kamen und ich wusste, das es Zeit für ein klärendes Gespräch unter vier Augen wurde. Doof nur wenn es quasi keinen Kontakt gab und man nicht wusste, wie man jemanden dazu bringen sollte, mit einem zu reden, der einen scheinbar nicht leiden konnte. Aber Gazette war mein Baby und das würde ich mir von niemandem zerstören lassen, und wenn es bedeutete, den Drummer wieder raus zu werfen und wieder Wochen oder Monate auf den nächsten zu warten, dann war ich bereit diesen Schritt zu tun. Ich schrieb ihm über Rukis Handy eine SMS, das wir die Probe gerne eine Stunde früher beginnen würden und zum Glück antwortete er, dass das kein Problem war. Nicht auszumalen was passiert wäre, hätte er nein gesagt, wäre zur normalen Uhrzeit aufgetaucht und hätte sich beim unwissenden Ruki dafür entschuldigt, das er nicht früher konnte. Und ich war der einzige der an Rukis Handy kam. Das hätte durchaus der erste Krach in unserer Beziehung werden können. Ich löschte die Nachrichten, inständig betend das es nicht doch noch zu irgendwelchen Gesprächen zwischen Kai und Ruki kam, welche die Bandprobe betrafen und brachte dann den Arbeitstag hinter mich. Kais schockiertes Gesicht, als er in unseren Proberaum kam und nur ich da war, wäre unter anderen Umständen vielleicht ganz amüsant gewesen, doch mir war das Thema gerade zu heikel. Was zum Teufel hatte der Kerl für ein Problem mit mir? Ich eröffnete ihm, das wir reden mussten, konfrontierte ihn mit meinen Beobachtungen und legte ihm nahe, die Band lieber früher als später wieder zu verlassen, sollte er irgendein Problem haben. Als er mir daraufhin gestand, das er Angst vor mir hatte, da ich nie mit ihm geredet hatte und ich ihn ständig aus den Augenwinkeln böse anfunkeln würde, blieb mir glatt die Spucke weg. Na super. Das Unterstütze Rukis ‘Brumbär’ Theorie ja perfekt. Ich war doch nicht grummelig, oder? Trotzdem verstand ich nicht, warum er immer so schnell den Kopf weg drehte, wenn ich einen Arm um meinen Freund legte oder wir uns eine Flasche Wasser teilten. Die Antwort war so simpel und offensichtlich, das ich es nie auch nur in Betracht gezogen hatte. Kai gab zu, sehr schüchtern zu sein und wir waren tatsächlich das erste Schwule Paar, das er kannte. Er hatte nicht negativ auffallen wollen, oder den Eindruck erwecken wollen, uns an zu starren, weshalb er einfach weg gesehen hatte, nicht bemerkend, das seine Bewegungen immer etwas zu schnell waren. Wir beschlossen, das klärende Gespräch für uns zu behalten und ignorierten die fragenden Gesichter der anderen drei, als sie zur Probe kamen, wo Kai und ich gerade zusammen Musizierten, ohne Noten, ohne Regeln, wir hatten einfach angefangen zu spielen und ignorierten Rukis äußerst kritischen Blick, als wir uns, zum ersten mal, unterhielten und dabei so offen zueinander waren, als würden wir uns schon Jahre kennen. Ich hatte wirklich einen guten Freund in dem Drummer gefunden. Als wir uns am Abend alle zur Bandprobe trafen, schwor Ruki unsere Freunde gleich mal für den Umzug ein. Uruha stimmte mit sichtbarem Widerwillen zu, Kai war voll auf begeistert uns helfen zu können und Aoi verlange eine anständige Mahlzeit als Entlohnung, ich versprach ihm, mit meiner Mutter zu sprechen, das sie als Dank für die Jungs was kochen sollte. “Lass uns heut zu Fuß nach Hause laufen.” Ich schaute meinen Freund skeptisch an, während ich mir eine Zigarette ansteckte. Seit wann war Körperliche Ertüchtigung für ihn eine Option, wenn es sich nicht gerade um rhythmische Bettgymnastik handelte? “Wie kommts?”, fragte ich, hörbar skeptisch und blies den blauen Dunst in die angenehme Abendluft. “Nur so. Ist ein schöner Abend und mir ist halt grad danach, mit dir zusammen nach Hause zu laufen. Könnte irgendwie... Na... Romantisch sein.”, meinte er Schulter zuckend. “Seit wann besitzt du denn eine romantische Ader?”, fragte ich schmunzelnd und ignorierte den kleinen Schlag gegen meinen Oberarm. “Ich bin Romantischer als du!”, warf er mir vor und ich stutzte. “Wann war ich denn bitteschön mal nicht romantisch?”, fragte ich neugierig, und die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. “Fünfundzwanzigster Dezember Achtundneunzig.” Ich schaute meinen Freund überrascht an, wusste grade echt nicht, was er von mir wollte und ihm fiel allmählich die Kinnlade runter. “Du hast es vergessen?”, rief er hörbar entrüstet und warf die Hände in die Luft. “Das war unser erstes Weihnachten und unser erstes mal aber.. Was war daran nicht romantisch?”, verteidigte ich mich und ignorierte die drei Schwachköpfe, auch Uruha, Aoi und Kai (wobei letzterer wohl eher mit geschleift wurde) genannt, die sich ‘unauffällig’ an uns ran zu pirschen versuchten, um auch ja nichts zu verpassen. “Ich sag dir was daran nicht romantisch war Akira!” Oh weh, es war nie gut wenn er in diesem Ton meinen ganzen Namen aussprach. Ich steckte in ernsten Schwierigkeiten. “Kannst du dir überhaupt vorstellen wie weh es tut in den Arsch gefickt zu werden? Grade beim ersten mal und wenn beide totale Jungfrauen sind? Und dann wach ich auf, alleine in meinem Bett mit nichts als einem Brief in dem steht, das du ans andere Ende von Japan ziehst und wir ja Schluss machen können!”, schimpfte der kleine und ein entsetztes Japsen von Seiten unserer Freunde drang an mein Ohr. “Das hat er nicht wirklich gemacht, oder?” Uruha trat an Ruki ran und schloss den kleineren beschützend in seine Arme, feuerte tödliche Blicke auf mich ab. “Was mischt DU dich denn jetzt bitte ein Kou? Du bist doch der, der nie bei einer seiner Errungenschaften übernachtet, weil das der erste Schritt in Richtung Beziehung wäre!”, warf ich dem brünetten vor, den das völlig kalt ließ. “Das sind alles One-Night-Stands und das wissen die Leute, die erwarten nicht das ich da bleibe und ich machs aus Prinzip nicht mit Jungfrauen, die werden dann immer so anhänglich.”, erklärte mir der andere seine Prinzipien und ich machte eine Hilflose Geste mit den Armen. “Ich wollte einfach Weihnachten mit dem Jungen verbringen den ich liebte, ohne das einer von uns, oder wahlweise wir beide, am rum flennen waren, weil ich umziehen würde.”, erklärte ich mein damaliges Handeln. “Ich weiß das es nicht die feine englische Art war aber... Man, Ruki!” Ich schaute meinen Freund Hilfe suchend an, der mich immer noch völlig emotionslos musterte, doch langsam bröckelte seine Fassade, so sehr er auch versuchte das Grinsen zu unterdrücken, es wollte ihm nicht mehr gelingen, also schnippte er seine Zigarette weg, löste sich von Uruha und überwand die paar Schritte zu mir, legte seine Arme um meinen Nacken und küsste mich sanft. “Könnte ich die Zeit zurück drehen und diesen Abend noch mal erleben, ich würde nichts ändern.”, hauchte der kleinere gegen meine Lippen und Uruha ergab sich im Hintergrund seiner simulierten Übelkeit angesichts all der Schnulzigkeit um ihn rum. Wir liefen in einem gemütlichen Tempo nebeneinander her und als ich spürte, wie Ruki meine Hand ergriff und unsere Finger ineinander verschränkte, musterte ich ihn kurz, drückte seine Hand aber leicht. Wir hatte irgendwann aufgehört in der Öffentlichkeit zu deutlich zu zeigen, wie wir zu einander standen. Zwar hatten wir, zum Glück, nie wirklich schlechte Erfahrung gemacht und wir waren beide realistisch genug um zu wissen, das es viele Leute gab, die unsere Art der Beziehung nicht verstanden, verstehen wollten, und das störte uns nicht. All die Sprüche und Blicke waren uns relativ egal. Es war nur so extrem nervtötend, also ließen wir es einfach bleiben und genossen unsere Beziehung dort, wo sie akzeptiert wurde, um so mehr. “Tut mir leid wegen damals.”, hauchte ich nach einer Weile und blieb stehen, als Ruki plötzlich stoppte. “Ach Aki, nimm doch nicht immer alles so schwer.”, seufzte der kleinere und stellte sich vor mich, legte seine Arme um meine Schultern und ich beugte mich etwas runter, lehnte meine Stirn gegen seine. “Wir waren beide nur Kinder und hätten nichts ändern können. So hatten wir immer noch einen tollen Abend. Einen besseren als wir gehabt hätten, hättest du mir vom Umzug erzählt.”, hauchte er und nippte kurz an meinen Lippen. Meine Güte war der kleine heut liebesbedürftig. Ich legte meine Hände auf seine Hüfte, vertiefte den Kuss etwas und musste grinsen, als eine Gruppe Schülerinnen kichernd an uns vorbei lief. Als Ruki sich von mir löste, grinste er schelmisch. “Eindeutig Yaoi Fans.”, kommentierte er das gekicher der Schülerinnen und setzte seinen Weg fort. Ich holte schnell zu ihm auf, legte meinen Arm um seine Schulter und zog ihn etwas näher an mich. Zufrieden seufzend legte er einen Arm um meine Hüfte und ergriff mit der anderen meine Hand, die auf seiner Schulter ruhte. Als wir endlich das Haus erreicht hatten, in dem wir wohnten, begegneten wir im Flur einer Nachbarin, mit der Ruki auf persönlichen Kriegsfuß stand. Keine Ahnung was die alte Schachtel für ein Problem mit uns hatte, aber schon an unserem Zweiten Tag, und seither täglich, landeten irgendwelche Broschüren irgendwelcher Kirchen, Sekten und Seminaren in unserem Briefkasten, die uns von unserer Homosexualität heilen sollten, manchmal gab es sogar irgendwelche Kräutertees die die selbe Wirkung haben sollten. Das hatte uns eigentlich immer amüsiert und wir hatten mir purer Begeisterung (für so viel Idiotie) die Broschüren gelesen, die uns heilen sollten. Seit sie uns aber einmal die Polizei auf den Hals gehetzt hatte, nachdem ein Kind hier in der Nachbarschaft verschwunden war, war uns klar geworden, das es für sie keine Grenzen gab. Das war wahrlich das demütigste gewesen, was ich je erlebt hatte. Mitten in der Nacht hatte es angefangen an der Tür zu hämmern, ich hatte mir nur schnell eine Shorts angezogen, gedacht das es einer der Nachbarn war, doch in der nächsten Sekunde wurde ich zur Seite gedrängt, mir wurden Polizeimarken vor die Nase gehalten und Ruki schrie erschrocken auf, als man die Decke von ihm riss, seine Nackter, leicht besudelter Körper vor zwei Dutzend Polizisten angestarrt wurde. Nur in Unterwäsche standen wir im Hausflur, wurden befragt wo wir den ganzen Tag waren, während unser Zimmer auf den Kopf gestellt wurde, als gäbe es auch nur das kleinste Versteck in den 20m². Lächerlich. Einfach lächerlich und demütigend, aber noch lange nicht der Gipfel der infamen Unterstellungen. Als vor zwei Monaten plötzlich unser Makler vor unserer Tür stand und uns erzählte, ein anonymer Nachbar hätte gesehen, wie wir uns im Hausflur an dem Hund einer Nachbarin vergangen hätten (was er natürlich absolut nicht glaubte. Trotzdem hatte er sich die Mühe gemacht her zu kommen statt Kopfschüttelnd diese Geschickte als Müll abzutun?!), hätte ich am liebsten gleichzeitig gelacht und geweint. Wie konnte man nur eine solch kranke Fantasie haben? Ruki war einfach wortlos aufgestanden, ins Bad gegangen und hatte sich übergeben. Es war dem Makler sichtlich unangenehm, aber er sollte ruhig leiden und ein schlechtes Gewissen haben. Ich zog Ruki noch etwas näher an mich, als ich ihren angeekelten Blick sah. “Hmm, weißt du worauf ich jetzt riiiiichtig Lust hätte Schatz?”, fragte Ruki, lauter als nötig gewesen wäre. “Auf Doggy Sex.” raunte er dreckig und ich schmunzelte. “Oh ja, das klingt gut.”, stimmte ich zu und wir beeilten uns, so schnell wie möglich die vier Stockwerke hinter uns zu bringen, ohne zu rennen, und brachen in schallendes Gelächter aus, kaum hatten wir die Tür hinter uns geschlossen. “Hast du ihren Gesichtsausdruck gesehen?”, lachte Ruki und ich nickte. “Oh Gott ich wette sie ruft jetzt grade Peta und Greenpeace an.”, kicherte ich und musste mir den Bauch halten, der bereits weh tat vom lachen. “Okay... Ich geh Essen aufwärmen.”, giggelte ich und wuschelte durch sein Haar, bevor ich mich in die Küche begab. Allmählich fing ich an, mich doch darauf zu freuen, wieder bei meiner Mutter zu wohnen. Ruki hatte recht, es war immer schön bei ihr gewesen und das würde es wieder werden, ganz bestimmt. “Ruki, aufstehen.”, säuselte ich zärtlich in sein Ohr und kicherte, als er quiekte und unter die Decke kroch. “Ich will niiiicht.”, nuschelte mein Freund und rollte sich in die Decke. Wir hatten gestern angefangen die ersten Kisten zu packen, kein Wunder das Ruki heute früh so muffig war. “Na komm schon. Ich hab Frühstück gemacht, und wir wollten doch heute ein Bett kaufen gehen.”, lockte ich ihn mit süßen Worten und hörte ihn grummeln. “Ich hasse dich Aki.”, raunte er und setzte sich langsam auf. “Und ich liebe dich Ruki. Warum auch immer.” Ich gab ihm einen leichten Kuss und setzte mich an den Tisch, um endlich meinen Kaffee trinken zu können. “Ich hoffe wir finden ein Bett. Ein schönes großes.” Ruki ließ sich neben mich aufs Sofa plumpsen, nahm mir meine Tasse aus der Hand und bediente sich an meinem Kaffee. “Frechdachs.”, kommentierte ich sein diebisches Verhalten und bediente mich an dem Toast. “Solange du unser Budget im Blick behältst lass ich dir relativ viel Freiraum, das hab ich dir ja versprochen.”, erklärte ich ihm noch einmal die getroffenen Regeln. Ich hatte gesagt was mir wichtig war und was absolut nicht in Ordnung wäre, ein Himmelbett zum Beispiel, das wäre einfach zu tuntig. Ruki hatte die Bedingungen akzeptiert und hatte nun quasi freie Wahl was Farbe, Design etc anging. “Wir finden schon was, wenn du nicht über kritisch bist.”, meinte ich zuversichtlich und nahm meinen Kaffee wieder aus seiner Hand. Man sah dem Verkäufer an, wie unwohl er sich fühlte. Er schien nicht wirklich viel davon zu halten, zwei Männern ein Doppelbett zu verkaufen, doch trotz seiner Abneigung blieb er sehr höflich uns gegenüber und beriet uns so professionell wie er nur konnte, und dafür hatte er meinen Respekt, und scheinbar auch Rukis, denn es war quasi sein Hobby, Arschloch zu spielen und hätte der Verkäufer sich anders benommen, hätte Ruki unter Garantie angefangen so extrem rum zu schwulen wie er nur konnte. Händchen halten, Knutschen und zweideutige Sprüche inklusive. Aber er war brav, und ich dankbar dafür. “Okay, dann würde ich sagen wir gehen gleich zu den Boxspringbetten, da dort ja ihr größtes Interesse herscht, wir haben einige Modelle, die in ihrem Budget liegen.”, meinte er, nachdem wir erzählt hatte, was wir suchten und uns leisten konnten und folgten ihm brav durch den Laden. “Haben sie sich schon Gedanken gemacht wegen Farben und Stoffen?”, fragte er und führte uns zum ersten Bett das gelinde gesagt .... Es war nicht schön. “Wir wollen auf jeden fall ein gepolstertes Kopfteil, Stoff, kein Leder, nichts zu helles, keine Brauntöne.”, erklärte Ruki, was ‘wir’ wollten und machte sich dann selbst auf die Suche. “Ist scheinbar in jeder Beziehung immer das gleiche.”, hörte ich den Mann neben mir nuscheln. Hatte er gerade einen Witz gemacht? “Frauen~”, kommentierte ich seinen Spruch und scheinbar hatte er nicht vorgehabt, es laut aus zu sprechen, so nervös wie er gerade wurde. Ich machte eine abwinkende Handbewegung und lächelte leicht. Ich war deswegen nicht beleidigt oder fühlte mich auf den Schlips getreten, er hatte ja recht, zumindest in unserem Fall, Ruki war wirklich die Frau in unserer Beziehung, brauchte ewig im Bad, ging gerne Schoppen, zickte und nörgelte am laufenden Band und konnte mich mit einem Augenaufschlag weich kochen. Der Verkäufer wollte Grade ansetzen etwas zu sagen, als Rukis Stimme den ganzen Laden erfüllte und nun auch wirklich JEDER wusste, das hier zwei Männer gerade ein Bett kauften. “Ruki was zur?”, fiepste ich, als ich das Ungetüm von einem Bett sah, auf dessen Kante Ruki saß und stolz wie Oscar grinste. “Es ist perfekt Aki.”, versuchte er mich von dem Bett zu überzeugen, das groß genug war um eine Gazette-Übernachtungsparty darauf abhalten zu können. “Das passt niemals ins Schlafzimmer.” versuchte ich es mit Vernunft und wollte gar nicht wissen, was das Bett kosten sollte. “Das passt Aki, ganz bestimmt. Ruf deine Mutter an und bitte sie, eben das Zimmer aus zu messen, sie ist doch da.”, flehte mein Freund und ich fragte mich, warum der Verkäufer keine Anstalten machte, mir zu helfen. Er kannte doch unser Budget... Aber er kannte wohl auch genug dieser Gespräche, in denen der Mann letztlich klein bei gab und wie durch ein Wunder etwas mehr Geld mit hatte, als er seiner Frau gesagt hatte. Verdammt. Hoffend, dass das Bett zu groß für unser zukünftiges Schlafzimmer sein würde, ließ ich mir die Maße vom Verkäufer verraten und ging ein paar Schritte zur Seite, um meine Mutter an zu rufen und sie zu bitten, kurz im Zimmer nach zu messen, ob das Bett passen würde. Die Götter meinten es nicht gut mit mir. Nächstes mal sollte ich eine Maximalgröße ebenfalls zur Bedingung machen. “Wir werden nicht viel Platz mehr im Schlafzimmer haben.”, erklärte ich Ruki nüchtern, als ich wieder zu ihm rüber kam, doch er zuckte nur mit den Schultern. “Es ist das Schlafzimmer, solange ich die Türen vom Kleiderschrank noch ganz auf bekomme ist mir der Platz relativ.”, erklärte er und ich war mit meinem Latein am Ende. “Bei welchem Preis liegen wir?”, fragte ich an den Verkäufer gewandt, der sich innerlich sicher gar königlich über mich amüsierte (Die arme Schwuchtel, hatte extra das Ufer gewechselt und hatte jetzt doch ne ‘Frau’ an der Backe. Haha.) “Es liegt ein wenig über ihrem Budget, wir bieten allerdings eine sehr Kostengünstige Finanzierung an, falls sie nicht auf einmal bezahlen möchten.”, erläuterte er und nannte den Kaufpreis. Süß wie er ‘möchten’ benutzte statt ‘können’. Für diese Menge an Bett war der Preis wirklich gut und mit dem Geld meiner Mutter könnten wir den Großteil jetzt bezahlen und den Rest, wenn wir die Kaution oder das Geld für die Möbel bekamen. Trotzdem, es war mehr als ich ausgeben wollte. Ich sah zu meinem Freund runter und seufzte genervt. Wie sollte ich bei so viel Begeisterung nein sagen? “Aber nicht in diesem Porno Rot!”, raunte ich bestimmend und hatte einen überglücklichen Ruki an meinen Lippen kleben, ehe ich es hätte verhindern können. Es war nur ein kurzes Küsschen gewesen, trotzdem musterte ich ihn tadelnd und er nuschelte ein aufrichtiges ‘sorry’ in Richtung des Verkäufers, der sich kurz Sammeln musste, seinen Ekel gegen die Professionalität tauschen musste. “Eine gute Wahl die sie da getroffen haben. Das Bett ist hochwertig verarbeitet, der Hersteller gibt ihnen Fünfzehn Jahre Garantie auf die Liegefläche und mit dem Preis haben sie auch Glück. Das Bett ist zur Zeit im Angebot und wäre normalerweise um einiges Teurer.”, ratterte er seinen Text runter und zauberte die Stoffproben quasi aus dem Nichts herbei. “Die Wartezeiten betragen zur Zeit zwischen vier und sechs Monaten, je nachdem welche Farbe sie wollen.”, erklärte er und Ruki und ich sahen uns an. Eigentlich wollten wir das Bett so schnell wie möglich. Rukis Blick war pure Enttäuschung und Gott ich hasste es, wenn er so guckte. Ich wollte das er glücklich war. “Und wenn wir das Bett hier nehmen?”, fragte ich nach einer Weile leise. So schlimm war das Rot ja dann auch nicht. Irgendwie zumindest. “Oh, aber das ist ein Ausstellungsstück und... Ich bin nicht sicher.”, haspelte der Verkäufer, von der Bitte scheinbar völlig überfordert. “Wir brauchen das Bett recht bald.”, erklärte ich ihm unsere Lage. Er nickte verstehend. “Es ist nur so.”, fing er an, “Matratzen sind Hygieneartikel, diese Matratze ist ausgepackt und daher eigentlich unverkäuflich.”, erklärte er uns sein Dilemma. Verständlich irgendwo, aber am Fußende war eine Schutzfolie, die Leute lagen ja nur kurz Probe, meine Mutter besaß einen Dampfreiniger zur Reinigung von Polstermöbeln und wir würden so wie so einen Matratzenschutz und Bettlaken drüber ziehen. “Das wäre kein Problem für uns.”, erklärte ich ihm, während Ruki schweigsam zwischen uns hin und her sah. Ich hatte die Hoffnung, das sich noch etwas am Preis machen ließ, wenn ich bedachte wie billig wir unseren Fernseher bekommen hatten, weil er ein Ausstellungsstück war~ “Bitte, kommen sie mit in mein Büro, ich werde meinen Vorgesetzten anrufen.”, wand sich der Verkäufer aus der Entscheidung und wir folgten ihm, nahmen dankend den Kaffee an, den er uns anbot und warteten dann eine gefühlte Ewigkeit, während er telefonierte. Entweder es war wirklich ein höchst komplizierter Akt, die Matratzen Gesetzte zu umgehen, oder es hatte bisher niemand ein ausgestelltes Bett kaufen wollen, anders konnte ich mir nicht erklären, was so lange dauerte. “Ganz ruhig Ruki.”, versuchte ich meinen Freund zu beruhigen. “Bist du mir böse?”, fragte er unsicher und ich lächelte sanft, strich leicht über seine Wange. “Ein ganz klein bisschen vielleicht.”, hauchte ich sanft und wollte mich gerade zu ihm beugen, als unser Lieblingsverkäufer wieder in sein Büro kam. Ich setzte mich wieder auf und er sich uns gegenüber. “Mein Chef ist einverstanden, wenn sie sofort bezahlen. Angesichts der Umstände bin ich dazu berechtigt worden, ihnen diesen Preis an zu bieten.” er schrieb etwas auf ein Blatt Papier und reichte ihn uns. Mir blieb fast die Spucke weg. Das war knapp die Hälfte billiger. Heilige Scheiße! “Was würde liefern und aufbauen kosten?”, erkundigte ich mich, denn mal ernsthaft, dieser Luxus war jetzt ganz bestimmt im Budget und ich würde mir Arbeit und nerven Sparen. Wir machten einen Liefertermin für Ende der kommenden Woche aus, ich bezahlte alles und verließ mehr als zufrieden das Geschäft. “Wir haben ein Bett Aki!”, quietschte Ruki vergnügt und ich lachte. “Nein, wir haben ein Porno rotes Monstrum von einem Bett.”, verbesserte ich ihn. Meine Mutter würde aus den Latschen Kippen und Aoi und Uruha würden sicher einen Spruch nach dem nächsten fallen lassen, wenn sie es sahen, jeder anzüglicher und schmutziger als der vorherige und der arme, unschuldige Yutaka würde mit hochroten Ohren fluchtartig das Land verlassen, wenn er das hörte. Den Rest des Tages packten wir weiter Umzugskartons, ohne uns dabei zu Stressen und am Sonntag hatten wir mehrere Sammeltermine für eine Wohnungsbesichtigung. Der Makler tauschte fleißig Visitenkarten mit den Interessenten, Ruki und ich lobten die Hausgemeinschaft und Nachbarschaft in höchsten tönen und fast alle hatten großes Interesse daran, die Wohnung so von uns zu übernehmen, wie wir sie eingerichtet hatten, jetzt musste sich die Hausverwaltung nur für einen Nachmieter entscheiden, und wir beschlossen, am kommenden Sonntag die Wohnung endgültig zu räumen. “Ruki.... Was zum Geier soll das werden?”, fragte ich höchst amüsiert und musterte meinen Freund, der auf dem Boden lag, Beine angewinkelt und... Ja was genau machte er da eigentlich? Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte man vermuten können, das er sich an Sit-Ups versuchte, wobei er eher das Bild einer auf den Rücken gedrehten Schildkröte abgab. “Das sieht man doch wohl!”, schimpfte der jüngere und ließ sich auf den Rücken plumpsen. “Ich mach Sport.”, erklärte er mir das angeblich offensichtlich und ich musste lachen. “Wieso das denn auf einmal?”, fragte ich neugierig, stellte meine Tasche ab und ging zu ihm rüber, kniete mich hinter seinem Kopf hin und beugte mich über ihn, um ihm einen sanften Kuss zu stehlen. “War Sport nicht für dich immer wie Kryptonit für Superman?”, gluckste ich amüsiert. Ruki und Sport. Ich musste auf dem Heimweg einen schrecklichen Unfall gehabt haben, das mein Gehirn mir so etwas vorgaukelte. “Ich will einfach gut aussehen für dich.”, antwortete er nach einer Weile, tiefe Unsicherheit in jedem Wort und mir sank das Herz in die Hose. Es war schon über drei Jahre her, seit ich ihn das letzte mal so erlebt hatte. Damals, als er völlig verheult und Obdachlos vor meiner Tür aufgetaucht war. “Taka-chan.”, hauchte ich besorgt, sah ihm tief in die Augen und strich sanft über seine Wange. “Was ist passiert?”, fragte ich sanft, aber bestimmt. Es musste was heftiges sein, wenn es ihn so sehr verunsichert hatte, das von Ruki nichts mehr zu sehen war. Er biss sich auf die Unterlippe und ich wartete geduldig, strich weiterhin sanft über seine Wange. “Weißt du Taka, du musst keinen Sport machen oder gar eine Diät. Ich liebe jeden Zentimeter an dir. Du bist in meinen Augen einfach nur perfekt, von Kopf bis Fuß einfach nur durch und durch perfekt.”, hauchte ich nach einer Weile, da er keine Anstalten machte zu reden und beobachtete amüsiert, wie seine Wangen ein tiefes Rot annahmen. “Aki.”, hauchte er schüchtern, rappelte sich blitzschnell auf küsste mich stürmisch. Ich ließ ihn machen, genoss seine hungrigen Küsse, erwiderte sie voller Leidenschaft und ließ ihn spüren, wie sehr ich ihn liebte, das es nicht nur leere Worte waren, sondern mein voller ernst. “Also Takanori. Was ist passiert?”, fragte ich leise, als wir beide nebeneinander auf dem Boden lagen und uns minutenlang verliebte Blicke zugeworfen hatten. “Da ist ein Brief gekommen.”, hauchte er leise und ich zuckte leicht zusammen. Es gab nur einen Brief, der Ruki so aus der Bahn werfen konnte. “Hast du ihn auf gemacht?” Er schüttelte den Kopf. “Würdest du das bitte tun Aki?”, bat er mich um das, was ich ihm hatte vorschlagen wollen, es aber nicht getan hatte, um mich nicht auf zu drängen. Das hier musste in seinem Tempo geschehen. “Willst du das wirklich?”, fragte ich noch einmal nach, er nickte und ich rappelte mich auf, gab ihm einen sanften Kuss, bevor ich zur Theke ging, wo die heutige Post bereits vor sortiert lag. Werbung, Rechnungen und ein einzelner Brief, an Takanori adressiert, kein Absender, trotzdem wusste ich, von wem er war. Die Briefmarke war in Izumo abgestempelt worden. Unserer Heimatstadt. Dort gab es niemanden außer Rukis Eltern, der unsere Adresse kannte. Ich öffnete den Umschlag und nahm die beschriebenen Seiten heraus, fing an zu lesen und hätte den Brief am liebsten sofort weg geworfen. Es gab keine liebevollen Worte, kein ‘Wie geht es dir’, kein ‘Was machst du so’, kein ‘Wir vermissen dich’. Der Brief war herzlos, obwohl ich mir sicher war, das seine Mutter ihn geschrieben hatte, denn die Handschrift war sehr sauber und Rukis Vater war Arzt und die hatten bekanntlich ja eine Sauklaue. “Und?”, hörte ich ihn ungeduldig fragen, während er langsam zu mir kam. “Es sind positive Nachrichten.”, erzählte ich ihm, auch wenn ich das nicht so sah, aber er würde es als positiv empfinden. “Wirklich?” Er riss mir den Brief aus der Hand, seine Augen flogen über den Text, doch ich wusste, das er viel zu aufgeregt war, um wirklich zu lesen. “Bitte lies ihn mir vor.”, bat er mich dann auch schon und drückte mir den Brief wieder in die Hand, und ich erfüllte ihm seinen Wunsch. Sein Bruder war vor kurzem Vater geworden und da seine Freundin scheinbar Katholikin war, sollte bald Hochzeit und Taufe gefeiert werden und Ruki, als Onkel, sollte Taufpate werden. Wohl keine Entscheidung die sie mit Begeisterung getroffen hatten, sondern weil er Familie war und sie sich dazu verpflichtet fühlten, doch Taka war einfach nur glücklich und von den Socken. “Du musst unbedingt mitkommen Aki!”, japste mein Freund voller Glückseligkeit und ich hielt es für keine gute Idee, nickte aber. “Wenn du das willst.” Ich hatte nie gefragt, was seine Eltern über uns wussten, ging aber davon aus, das sie uns nur für Freunde hielten. Ob es so gut war, beim ersten Treffen nach so vielen Jahren, gleich mit Tür ins Haus zu fallen, zweifelte ich an. Eigentlich Grund mehr mit zu gehen. Je nachdem wie das wiedersehen verlief würde Ruki eine starke Schulter brauchen, die ihn auf dem schnellsten Weg wieder nach Tokyo brachte. Weg von diesen Menschen die er trotz allem so sehr liebte. “Ich werd gleich antworten, das ich jemanden mitbringen und ihnen vorstellen will und das wir umziehen, damit der nächste Brief auch ja ankommt.”, plapperte mein süßer Freund aufgeregt drauf los, schnappte sich Papier und Stift und setzte sich an den Tisch, und ich wollte Weinen. Weinen über so viel verschwendete Liebe, weinen, weil er so ein unendlich großes Herz hatte, während ich seine Eltern nur verachten konnte. Seit er bei meiner Mutter und mir eingezogen war, schrieb Ruki seinen Eltern ständig seitenlange Briefe, sobald es etwas zu erzählen gab. Egal wie Banal. Immer schickte er ihnen Briefe, zu Neujahr, Weihnachten, Mutter- und Vatertag und dieses Jahr sogar zu Ostern, obwohl seine Eltern nicht Religiös waren und wir beide uns nicht unbedingt sicher waren, ob dieser Feiertag einen Sinn hatte. Was sollte das mit dem Hasen und den bunten Eiern? “Kennst du die Freundin deines Bruders?”, fragte ich, ohne großes Interesse, doch ich musste über irgendetwas Reden, bevor ich die Beherrschung verlor und Ruki an den Kopf warf, das seine Eltern seine Liebe nicht verdient hatte und er aufhören sollte so zu tun, als hätten sie ihn nicht vor knapp vier Jahren aus dem Haus geworfen und ihn seither nicht einmal kontaktiert. Es war zum verzweifeln. “Weiß nicht. Er hatte damals eine Freundin die auf ein katholisches Mädcheninternat ging, aber ob das DIE ist, keine Ahnung. Entweder ja, oder mein Bruder steht einfach auf Mädchen die Erfahrung im Knien haben.”, lachte er frech und ich war dezent schockiert über diesen dreckigen Witz. “Ich mach uns Essen.”, meinte ich leise, ließ ihn seinen Brief schreiben und machte mich in der Küche ans Werk, froh, das es nur noch zwei Tage waren, bis wir hier endlich ausziehen würden. “Ich hasse euch. Ich hasse euch so sehr das könnt ihr euch gar nicht vorstellen!”, meckerte Uruha nun schon seit einer Viertelstunde am Stück und ganz ehrlich, ich konnte es ihm nicht verübeln, auch wenn es nicht unsere Schuld war. Als wir hier eingezogen waren, war es der heißeste Tag des Jahres gewesen, wir waren alle gestorben und obwohl es erst Frühling war, hatte sich ausgerechnet heute die Sonne dazu entschieden, sich nach Monaten der totalen Abstinenz, mal wieder blicken zu lassen und uns mit völlig ungewohnten zweiundzwanzig Grad zu verwöhnen. Eigentlich ne tolle Sache, wenn man nicht Kisten fünf Etagen durchs Haus schleppen musste. “Wenigstens ist schon alles vorbereitet, und wir sind ja auch zu fünft.”, versuchte Yutaka unseren Gitarristen zu beruhigen. “Das ist auch das mindeste, ich hätte echt keine Bock eure Sextoys in irgend einer Schublade zu finden.”, empörte sich mein bester Freund. Als ob wir die nicht als erstes weg gepackt hätten. “Dann guck am besten nicht in den Karton wo ‘Privat’ drauf steht.”, warf Ruki dem Brünetten trocken vor die Füße und eine seltsame Bewegung ließ mich den Kopf drehen. Kai war gerade dabei, eine Kiste hoch zu heben, war mitten in der Bewegung eingefroren und hatte einen hochroten Kopf bekommen, und als ich Rukis ‘Privat’ las, das in großen Buchstaben quer über die Seiten geschrieben war (damit es auch wirklich JEDER lesen konnte), tat er mir so unglaublich Leid. “Ruki, du hast Kai kaputt gemacht. Trag den Karton gefällig selbst!”, schimpfte ich mit meinem Freund, der mich nur frech angrinste, Kai die Kiste ab nahm und fröhlich summend aus der Wohnung hüpfte. Er war schon ein kleines Arschloch. “So, das ist der letzte Karton.” Ich stellte die Box in den Transporter und half Ruki auf die Ladefläche zu klettern, der kurz nach mir aus dem Haus kam. Ich zog die Ladeklappe runter und Uruha klopfte gegen die Wand zum Fahrerraum um Aoi Bescheid zu geben, das er nun losfahren konnte. Wenigstens gab es einen Fahrstuhl in dem Haus, indem meine Mutter lebte, wir sollten die Kartons also in null Komma nichts oben haben. Als wir ankamen, verteilte wir die Aufgaben in Gruppen. Aoi und Kai sollten die paar Kisten, die gleich in den Keller sollten, runter bringen und mein altes Bett, welches unten stand, hoch und dann zum Recyclinghof fahren, wenn sie den gemieteten Transporter zurück brachten. Uruha, Ruki und ich würden den Fahrstuhl voll machen und dann alles in die Wohnung räumen. Meine Mutter hatte ihr größeres Schlafzimmer gegen mein kleineres Kinderzimmer getauscht, gemeint das sie eh nicht so viel Platz und keinen so großen Kleiderschrank bräuchte und ich konnte nicht fassen, wie lieb meine Mutter doch war. “Alter, euer Bett ist so Porno.”, lachte Uruha als er die erste Kiste in unser Schlafzimmer trug und manchmal bezweifelte ich, ob er geistig je über die fünfzehn Jahre Grenze gekommen war. “Es war billig.”, klärte ich ihn auf, was ihn nur noch mehr lachen ließ und ich machte mich auf den Weg, den nächsten Karton zu holen, bevor Uruha die Chance hatte, weiter reden zu können. Der Einzug war wirklich schnell geschafft, Aoi war alleine zum Wertstoffhof gefahren, Kai half meiner Mutter in der Küche ein Festmahl für uns alle zu zaubern, Uruha und Ruki räumten die ersten Kisten aus und ich machte mich auf den Weg zum nahe gelegenen Konbini, um etwas Alkohol zu kaufen, das hatten wir uns verdient. Wir würden heute noch ordentlich feiern. Na ja etwas, immerhin war morgen schon wieder Montag. “Ich bin sooooooooo fertig.”, japste Ruki und ließ sich ins Bett fallen, nachdem er aus dem Bad kam. “War ja auch anstrengend heute.”, meinte ich sanft und zog mir unter dem missmutigen Blick meines Freundes Unterwäsche an, musste schmunzeln. “Na komm Ruki, lass uns schlafen. In unserem tollen Pornobett.” Ruki lachte leise auf, erhob sich aber schwerfällig und tauschte das Handtuch um seine Hüfte gegen eine Boxershorts, bevor er zu mir ins Bett kam und sich an mich schmiegte, fast augenblicklich einschlief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)