Vollkornlied von Pokerface (für Seelenlicht) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Vollkornlied für Seelenlicht „Einen Cappuccino bitte.“ Paula lächelte, als sie dem jungen Mann seine Bestellung abnahm und begab sich dann hinter den Tresen. Marina, ein Mädchen, das in demselben Café arbeitete wie sie, grinste sie über den Zapfhahn hinweg an und nickte dann zu dem neuen Kunden. „Der ist aber süß“, sagte sie und hob beide Augenbrauen, doch Paula zuckte nur die Schultern, während sie sich an der Kaffeemaschine zu schaffen machte. „Kann sein“, antwortete die Kellnerin und richtete den bestellten Cappuccino an. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, dieser „süße“ Kunde, von dem Marina da sprach war schon das vierte Mal in dieser Woche da, saß nur da, trank seinen Kaffee und ging nach spätestens zwei Stunden wieder, jedes Mal einen Haufen Krümel hinterlassend. Krümel, die Paula dann wieder wegmachen konnte. Wenn dieser Kunde etwas war, dann nervig. „Ich glaube fast, er steht auf dich, Paula.“ Marina kicherte, als Paula die Augen verdrehte und dem Fremden seine Bestellung brachte. „Bitte sehr“, sagte sie mit einem professionellen Lächeln und bemerkte, wie er sie eindringlich ansah und dabei eine Schachtel mit Vollkornkeksen aus seiner Tasche nahm. Die Kellnerin runzelte nur einen Moment die Stirn, dann drehte sie sich um und würgte ihre Kollegin ungeduldig ab, als diese wieder grinste. Natürlich... er sah gut aus, mit seinen mittellangen, schwarzen Haaren und den hellgrünen Augen, die ihre Bewegungen zu verfolgen schienen. Aber es gab bessere Möglichkeiten ein Mädchen zu bezaubern, als sie an ihrem Arbeitsplatz zu stalken. Und ihr obendrein noch zusätzliche Arbeit zu bescheren, indem er über den ganzen Platz krümelte. Seufzend stellte Paula sich wieder hinter die Theke und versuchte den Fremden zu vergessen, doch jedes Mal, wenn sie den Blick hob, sah er sie mit einem charmanten Lächeln an, bis er schließlich zahlte und das Lokal verließ. „Paula, Tisch vierzehn muss noch gereinigt werden.“ Die Kellnerin seufzte, als sie die Stimme ihres Chefs hörte, packte den blauen Fetzen auf dem Tresen und tunkte ihn in Wasser, bevor sie zu Tisch vierzehn ging und ihn mit einem erneuten Seufzen betrachtete sie die Krümel auf dem Tisch. Die Krümel bildeten sieben Punkte- oder sowas- auf verschiedenen Höhen, waren aber nicht willkürlich verteilt sondern schienen ein Muster zu ergeben. Stirnrunzelnd setzte Paula sich einen Moment hin und starrte die Punkte weiter an. Dann griff sie nach ihren Notizblock und malte fünf Linien darauf, legte den Zettel darunter und übertrug die Punkte auf die Linien... und erstaunt stellte Paula fest, dass die Krümel tatsächlich eine Melodie ergaben. Mit einem verschmilzten Lächeln steckte sie den Zettel ein und wischte über die Keksreste auf dem Tisch, summte dabei immer wieder die sieben Töne. Sie kamen ihr irgendwie bekannt vor... „Paula, hallo, Paula!“ Irritiert schüttelte die Kellnerin den Kopf und sah Marina fragend an, die den Blick nüchtern erwiderte. „Was ist denn los? Ich hab die ganze Theke alleine putzen können, während du doof an Tisch vierzehn gesessen bist.“ Ein Grinsen schlich sich auf das Gesicht des Mädchens, als sie ihre eigenen Worte hörte. „Das ist doch der Tisch deines heimlichen Verehrers, oder?“ „Ach, Marina, hör doch auf...“ Paula knuffte ihre Kollegin in den Arm und befreite sich dann aus ihrer Arbeitsschürze. „Ja, aber deswegen bin ich nicht da gesessen. Und wenn du mich jetzt entschuldigst, ich habe ein Date.“ Date war ein wenig übertrieben, aber das musste Marina ja nicht wissen. Vielleicht würde sie dann aber endlich aufhören über diesen Gast zu spekulieren. Paula lächelte, als sie ihren Laptop anmachte und die familiären sieben Töne hörte, die das ankündigten, worauf sie sich schon den ganzen Tag gefreut hatte. Na, Kleines?, stand in dem Chatfenster in dunkelblauer Schrift und ihr Lächeln wurde noch breiter. Wie war dein Tag? Du wirst gar nicht glauben, was mir passiert ist. Im Lokal, in dem ich arbeite, kreuzt seit ein paar Tagen immer so'n Typ auf und krümelt da rum, hab ich dir ja erzählt. Und heute bin ich darauf gekommen, dass er diese Krümel absichtlich da platziert hat. Das lustigste daran ist, dass diese Krümel eine Melodie ergeben! Was du nicht sagst... Das ist ja niedlich. Paula lachte laut auf, als sie die Eifersucht förmlich hören konnte, und nagte an ihrer Unterlippe, als ihre Finger über die Tastatur glitten. Ach, Olli, du weißt doch, dass mein Herz dir gehört. Wieder grinste Paula, doch diesmal, weil er wohl nicht ahnte, wie viel Wahrheit in diesem Satz steckte; wobei sie sich selbst kaum Glauben schenkte, wenn sie daran dachte. Paula kannte Oliver seit einigen Wochen vielleicht, wusste weder wie er aussah oder klang... Oder überhaupt was für ein Mensch er war. Und trotzdem schlug ihr Herz immer ein bisschen höher, wenn sie diese sieben Töne hörte, die eine Nachricht von ihm ankündigten. Wenn sie der Wahrheit die ganze Ehre gab, wusste sie nicht einmal, was er beruflich machte, sie war diejenige, die ständig redete. Manchmal hatte sie sogar das Gefühl, dass er gar nicht mit ihr reden würde, wenn sie ihn nicht immer wieder anschreiben würde, und Paula selber glaubte, sie könnte sich in ihn verlieben. Das... war doch einfach lächerlich. Anderseits war er eifersüchtig... Energisch schüttelte Paula den Kopf, um diese Gedanken aus ihrem Kopf zu vertreiben. Natürlich weiß ich das, hinter deinem Herz bin ich doch schon die ganze Zeit her. Und was für eine Melodie war das? Paula stutzte einen Moment und versuchte sich an die Melodie zu erinnern. Dann erinnerte sie sich wieder an den Zettel in ihrer Tasche, kramte ihn hervor und summte die Melodie leise. Ich weiß es nicht... Kommt mir irgendwie bekannt vor, aber ich kann nicht mit dem Finger darauf deuten. Finde es sowieso erstaunlich, dass er auf so eine Idee gekommen ist. Er musste wissen, dass ich Noten lesen kann, sonst wäre diese... romantische Geste vollkommen für die Katz. Ha, mal sehen, wie er darauf reagiert! Natürlich hatte sie ihre Worte bewusst gewählt, wie fast immer, wenn es um irgendwelche anderen Männer ging, um eine Reaktion zu provozieren, obwohl Paula nie so genau wusste, was für eine Reaktion sie erwartete. Sie wusste nur immer, dass die Reaktion, die kam, es nicht war. Vielleicht kennst du ihn ja irgendwo her, kam die Antwort und Paula verdrehte mit einem Stöhnen die Augen. Da, schon wieder! Er sollte ihr nicht dazu ermuntern, über den schönen Fremden nachzudenken, er sollte... Nun, was anderes machen! Das Thema wechseln, ehrliche Eifersucht zeigen, oder herausdeuten, wie toll er selber ist und was sie denn mit so einem Fremden wolle. „Paula!“, herrschte das Mädchen sich selber laut an und Qui Gon, ihre graue Katze, die bis eben noch zu ihren Füßen gelegen war, sprang schockiert auf. Das wurde zu gefährlich... Langsam hatte sie das Gefühl, sich da in etwas hereinzusteigern. Hmmmm... nicht dass ich wüsste. Ach herrje, ich hab mir im Netz sicher einen Stalker angelacht! Mit einem Seufzen schüttelte Oliver den Kopf, als er diesen Satz in pinker Schrift las, und musste sich ein Grinsen verkneifen. Das Mädchen war ja ganz süß, aber bei Gott nicht die Allerhellste. Eigentlich traf sie den Nagel auf den Kopf mit dieser Aussage, nur selber bemerkte sie das nicht... Genau so dürfte es sein, Kleines. So süß wie du bist, kann ich mir das am ehesten vorstellen. Wobei er sich jetzt nicht wirklich als Stalker ansehen würde- auch wenn seine Aktion im Café schon ziemlich stalkerish waren. Aber was sollte er machen? Er war nun mal ein hoffnungsloser Romantiker... und Paula ein hoffnungsloser Fall. Wenn sie nicht bald darauf kam, wer er war, müsste er sie tatsächlich darauf ansprechen. Und das war so... fad. So normal hatte das alles doch keinen Witz- oder Erinnerungswert. Sag doch sowas nicht... Du machst mich ganz verlegen. Solche Aussagen hatte er öfter von ihr gehört, eigentlich jedes Mal, wenn er ihr ein Kompliment gemacht hatte, und er hatte wirklich ein Mauerblümchen erwartet, als er sich in das Café gesetzt und Paula ausfindig gemacht hatte. Das es sich herausstellen sollte, dass seine charmante Internetbekanntschaft die grossgewachsene, brünette Kellnerin mit der zweifelsohne anziehenden Ausstrahlung ist, hätte er nicht erwartet- nicht dass es ihn gekümmert hätte, aber Oliver war doch positiv überrascht gewesen. Und er war ihr natürlich aufgefallen, und wie er heute erfahren hatte, hatte sie auch sein kleines Rätsel gelöst. Jetzt musste sie nur darauf kommen, woher diese Melodie kam, die er ihr hinterlassen hatte. Am Anfang hatte er bezweifelt, dass sie es überhaupt herausfinden würde. Die Nachricht war doch sehr... subtil, auch wenn sie selbst leidenschaftliche Musikerin war, ein Garant, dass sie ausgerechnet Krümel mit Musik in Verbindung bringen würde, war das nicht. Seiner Meinung nach hatte sie ja den schwierigeren Teil schon erraten, das Vollkornkekse seine Lieblingskekse sind, musste sie ja nicht unbedingt wissen; die Verbindung zur Melodie hätte er als sehr einfach eingeschätzt... Schulterzuckend schaltete Oliver den Computer aus, nachdem er sich verabschiedet hatte und lehnte sich leicht zurück. Er würde ihr noch ein paar Tage Zeit lassen, und wenn sie dann immernoch nicht hinter seine Identität kam, würde er sehen, was zu machen war. In der Woche war der fremde Schwarzhaarige immer wieder aufgetaucht, aber statt Kekse hatte er jedes Mal eine Gitarre dabei gehabt, an deren Saiten er immer wieder leicht zupfte und wieder hörte Paula die sieben Töne. Sie lächelte ihn zwar etwas unbefangener an, aber wusste immer noch nicht, woher sie diese Melodie kannte und erst recht nicht, woher sie diesen Mann kennen sollte. Seit neustem kam ihr nur Oliver in den Sinn, wenn sie die Töne summte oder die Gitarre hörte. Wahrscheinlich, weil sie ihm davon erzählt hatte... Gedankenverloren spazierte sie von Tisch vierzehn und der Maestro-Karte des Fremden hinter den Tresen, um abzurechnen. Generell, in den letzten Tagen war Oliver viel zugeknüpfter gewesen... oder bildete sich das ihr hormongesteuertes Gehirn wieder mal ein, weil sie mehr Aufmerksamkeit verlangte als ihr zustand? Seufzend zog Paula die Karte durch die Maschine und ihre Gedanken waren dabei so laut, dass sie nicht mal Marina hörte, wie sie sie mit einem Grinsen ermahnte und auf etwas hinter ihr deutete. Das Display gab ihr irgendetwas mit ungültig aus und sie versuchte es noch ein paar Mal, bevor sie mit einem Stirnrunzeln die Karte ansah. „He!“, entfuhr es ihr, als Paula sie genauer betrachtete. Das war keine Maestro-Karte, das war ein... „Legoland-Führerschein... Will der mich rollen?!“ Krümelt erst alle ihre Tische voll und verarscht sie dann auch noch mit einer blöden Plastikkarte, was glaubte er, wer er ist, dieser... „Oliver...“ Schockiert hielt sie in ihrer Bewegung inne, als der hochgewachsene Fremde vor ihr stand, auf sie herabgrinsend seine Hände auf ihre Hüfte legte, und alles einen Sinn machte, als sich die letzten Puzzleteile zusammenfügten. Die Melodie, die Gitarre, sogar die Kekse! „Du Blitzmerker...“, murmelte ihr Gegenüber mit einem breiten Grinsen und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen, bevor sie irgendetwas sagen konnte. Paula brauchte einige Sekunden, um sich wieder zu fangen, doch das einzige, was sich ihrer Kehle entrang, war ein verständnisloses Gebrabbel. „... Oliver“, brachte sie schließlich atemlos hervor und er nickte mit einem Lächeln. „Na, Kleines?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)