Was wäre wenn... von Zion2nd ================================================================================ Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- Kapitel 8 Die ganze Zeit des kurzen Weges zum Zelt starrte Steve mich an. Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich behaupten, er stünde unter einem Zwang, der seine Augen an mich fesselte, aber so etwas würde allerhöchstens Evanna mit einem ihrer seltsamen Zauber schaffen. Nur, warum Steve dann so auf mich fixiert war, das erschloss sich mir definitiv nicht. Auch dann nicht, als wir endlich – immer noch schweigend – am Zelt ankamen und ich zielsicher hineinschritt, während er im Eingang stehen blieb, seine Augen immer noch auf mich geheftet, wie ich deutlich spüren konnte. Aber jedes Mal, wenn ich ihn ansah, wandte er seine Augen schnell ab und starrte zur Abwechslung mal auf seine Füße oder an die Zeltwand. Ein paar Minuten später hatte ich mich auf mein Bett gesetzt und wartete darauf, dass er endlich hereinkommen würde. Aber bis jetzt war er noch angestrengt damit beschäftigt, direkt unter der Zeltklappe Wurzeln an seinen Füßen zu bilden und dort festzuwachsen. Mit einem erneuten Seufzer sprach ich ihn nun doch direkt an: „Sag mal, willst du nicht endlich reinkommen, Steve? Es zieht.“ Auf meine Worte hin sprang er regelrecht schon hinein, der Rotschimmer auf seinen Wangen ein wenig dunkler. Ich rollte mit den Augen. Das, was Steve hier spielte, konnte ich beim besten Willen nicht mit der Person verbinden, die mich so lange zu vernichten gesucht hatte. Steve setzte sich zögerlich auf sein Bett, seinen Blick abwechlungsweise auf mich gerichtet, auch wenn er dieses Mal fast schon unsicher aus der Wäsche guckte. Und wieder erhielt das Schweigen Einzug in unser Zelt. (Wie das schon wieder klang: ‚unser Zelt’! Gruselig!) Nach ein paar Minuten der Stille wandte ich meine Aufmerksamkeit von Steve ab und legte mich vollends hin. Es war erst kurz nach Mittag, aber ich fühlte mich jetzt schon erschöpft. Meine Augen schließen wollte ich nicht, aber der Rest meines Körpers konnte sich ruhig ein wenig entspannen. Ich würde es ja sofort hören, sollte Steve irgendetwas tun, was mich gefährden könnte. Ich war schon am Einschlafen, als Steve die Frage stellte. Leise, fast schon geflüstert setzte er an: „Warum...?“ Dann schien ihn der Mut zu verlassen. Ich drehte meinen Kopf zu ihm und sah ihn direkt an. Seine Augen fixierten den Boden, während er nach Worten suchte. „Warum hast du mich Steve genannt, unten am See?“, kam es schließlich vorsichtig aus seinem Mund. Die Frage verwunderte und erschreckte mich gleichermaßen. Man wusste doch wohl seinen eigenen Namen, oder? Oder spielte Steve jetzt seine Spielchen weiter, nur diesmal auf einen ganz anderen Level? Jeder wusste schließlich seinen eigenen Namen, das war einfach so! „Es ist nur... ich weiß nicht... mein Name... ich weiß nicht, wie ich heiße, also... aber Steve gefällt mir, wirklich! Ich wollte nur wissen... warum du... du weißt schon.........“, haspelte er dann einen Tick lauter weiter. Er klang so ernst und verzweifelt, dass ich tatsächlich geneigt war, ihm zu glauben, aber es schien mir einfach zu unwirklich, dass ausgerechnet er seinen Namen vergessen hatte. Natürlich, wir waren beide lange im See gewesen, jeder allein mit sich selbst. Aber ich wusste schließlich auch noch wer ich war und was ich alles getan hatte. Mein erstes Gespräch mit den Alten fiel mir wieder ein. Sie hatten mich auch gefragt, ob ich noch wusste, wer ich war. Ich hatte der Frage keinen Bedeutung beigemessen, weil sie mir so trivial vorkam, aber jetzt? Konnte es sein, dass man über die vielen, vielen Jahre, die man im See verbrachte, allein mit sich und seinen Erinnerungen, sein ganzes Leben vergaß? Es hatte natürlich Dinge gegeben, an die ich mich nicht gerne erinnert hatte und die ich so gut es ging in die hintersten Ecken meines Bewusstseins gedrängt und am liebsten vergessen hatte, aber ich meine schönen Erinnerungen hatten mit Halt gegeben. In ihnen hatte ich die ganze Zeit gelebt. So böse Steve in seinem Leben auch gewesen war, man musste zugeben, dass er es ungemein schwerer gehabt hatte als ich, auch wenn er sich selbst für dieses Leben entschieden hatte. Ich hatte immer Freunde, die mich begleiteten, während Steves bester Freund ihn schon als Kind scheinbar verriet, und zu Hause hatte er auch keine liebende Familie gehabt. Und danach war alles Krieg gewesen. Wo waren also Steves gute Erinnerungen? Und dann hundert Jahre alleine, wahrhaftig alleine, verfolgt von Kämpfen, Blut, Verrat... ich konnte verstehen, wenn er nur noch vergessen wollte. Alles war so gründlich verdrängt, dass am Ende nichts mehr übrig geblieben war... Vorrausgesetzt natürlich, dass dies tatsächlich der Fall war, und nicht nur ein geschickter Schachzug seitens Steve. Ich beendete diesen erschreckenden Gedankengang und merkte erst jetzt, dass ich sicher sekundenlang nur dagesessen und ins Leere geblickt hatte. Steve hatte auf seinem Bett die Arme um seine Knie geschlungen und seine Augen glänzten leicht feucht. „Du musst es nicht sagen...“ Seine Stimme zitterte und er schien sich nur mit Mühe vom Weinen abhalten zu können. „Es tut mir Leid... ich wollte dich nicht verärgern...“ Ich seufzte nochmal laut. Schon allein Steves schauspielerische Leistung musste gelobt werden, wenn es denn eine war. Ich würde es nicht schaffen. Gut, fürs erste würde ich mitmachen, und sei es nur, um zu sehen, wohin sein Spiel führen würde. Irgendetwas musste er schließlich mit seinem Gehabe bezwecken! Und wenn es tatsächlich echt war – was ich mich weigerte zu glauben – dann verdiente er so oder so eine Antwort. „Entschuldige, ich war in Gedanken. Dein Name... Steve... du siehst aus wie jemand, den ich früher einmal kannte. Unten am See war ich so erschrocken, dass ich nicht einmal nachgedacht habe.“ Während ich sprach beobachtete ich sorgsam sein Gesicht, suchte nach einer Regung, die mir verriet, ob er sich wirklich nicht erinnern konnte oder nicht, oder Triumph, dass er mich in der Falle hatte, irgendetwas. Aber ich sah nichts dergleichen. Nur ein wenig Neugierde mit einem Hauch Verzweiflung und Tränen in den wieder gehobenen Augen. „Kannst du dich nur nicht an deinen Namen nicht erinnern?“, fuhr ich fort. Ich wollte wissen, wie weit sein ‚Gedächtnisverlust’ reichte. Steves Kopf senkte sich. „Nicht nur mein Name... ich kann mich an gar nichts erinnern. Ich weiß nichts mehr über mein Leben, nur sprechen... das konnte ich noch...“ Er zögerte einen Moment, dann wandte er sich mir zum ersten Mal direkt zu, ohne jegliches Zeichen von Verlegenheit oder Unsicherheit. „Kennst du mich? Von früher meine ich, aus deinem alten Leben? Kannst du mir sagen, wer ich bin?“ Wie automatisch öffnete ich meinen Mund, um ihm zu antworten und alles zu erzählen. Aber... wenn Steve sich wirklich an gar nichts erinnern konnte, dann würde ihm das, was ich ihm über sich selbst erzählen müsste, sicher nicht gefallen. Ich konnte ihm ja schlecht erzählen, dass er mich und ich ihn ungebracht hatte, dass er der Anführer aller Vampyre war, und dazu bestimmt war, die Menschheit auszulöschen. Und wenn Steve all das nur stellte, dass wusste er auch so, was er alles getan hatte, und welche Rolle ich dabei gespielt hatte. Aber was sollte ich ihm stattdessen erzählen? Die Hälfte der Wahrheit? Dass wir beste Freunde gewesen waren, bis ich die Stadt verlassen musste? Dass ich ihn danach nie wieder gesehen hatte? Zumindest das stimme nicht, auch wenn Steve später seinem kindlichen Selbst nicht mehr ansatzweise ähnelte. Ein solche Lüge würde ihn beruhigen... und dafür sorgen, dass er glaubte, ein normales Leben gehabt zu haben. Andererseits würde diese Lüge Steve in Rage versetzen, wenn er sich an alles erinnerte. Er würde glauben, ich würde wieder verraten, wie schon zuvor, auch wenn ich das nie getan hatte. Aber dann würde er vielleicht sein wahres Gesicht zeigen... „Als wir Kinder waren, waren wir befreundet. Wir haben in der gleichen Kleinstadt gewohnt, sind zusammen zur Schule gegangen. Du fandest alles übernatürliche faszinierend, vor allem Vampire... und ich liebte Spinnen. Schon allein deshalb haben wir viel zusammen gemacht. Als ich dann zwölf Jahre alt war, musste ich die Stadt verlassen, aus familiären Gründen. Ich habe dich später nicht mehr oft gesehen, nur noch ein paar mal, als wir dann beide erwachsen waren. Das ist alles, was ich dir über dich erzählen kann.“ Zumindest alles, was ich ihm erzählen konnte, ohne sein Weltbild zu zerstören. Obwohl, Drachen sind auch schon ziemlich heftig, warum also nicht auch noch ein ausgewachsener Vampirkrieg...? Steve hatte mir gebannt zugehört. Jetzt, da ich aufgehört hatte zu reden, saß er immer noch da, und schien in Gedanken zu sein. Ich hatte mir erhofft, zumindest jetzt etwas aus ihm lesen zu können, dass ihn verriet. Aber seine Gesichtszüge waren, mal abgesehen von nachdenklich, die eines normalen Menschen, ohne Anzeichen von Wut oder Ärger. Wieder entwich mit ein Seufzen. So langsam wurde das bei mir zur Gewohnheit... Jetzt war ich genauso weit wie vorher. Noch immer war ich hin- und hergerissen ihm glauben zu wollen und andererseits so misstrauisch zu sein, dass ich es einfach nicht konnte. Was, wenn gerade das sein Plan war, mich mit seiner Geschichte einzulullen? Nach allem, was Steve mir schon Glauben gemacht hatte, warum nicht auch das? Nein, noch hatte er mich nicht überzeugt! Steve starrte weiterhin gedankenverloren ins Nichts, schien die ‚neue’ Information erst verdauen zu müssen. Meinen eigenen Gedanken nachhängend legte ich mich auf die Seite. Ganz entspannen konnte ich mich immer noch nicht, aber wenn Steve sein Schauspiel bis zu diesem Grad durchzog, dann würde er es wohl nicht gerade jetzt, genau in diesem Augenblick, aufgebe, oder? Auch wenn ich versuchte, meine Aufmerksamkeit etwas anderem zuzuwenden, streifte ich immer wieder in Richtung den Gedächtnisverlustes ab. Was wäre, wenn ich mich an absolut gar nichts mehr erinnern könnte, nicht einmal meinen Namen? Ich glaube, ich würde mich von grundauf anders verhalten. Viel lockerer, ohne meine Erinnerungen verstecken zu müssen, entspannter, fröhlicher, aber auch leerer, ohne all die Erlebnisse, die mich zu dem gemacht hatten, was ich jetzt war. Vielleicht auch einsamer, ohne das Wissen um all die Freunde, die ich im Lauf meines Lebens gehabt hatte... Ich wüsste auch nichts über Vampire und den Krieg, die ganzen Schlachten, die Verluste. Ich wüsste vermutlich nicht einmal mehr, dass ich Blut brauchte, um zu leben, und dass ich stärker war als jeder Mensch. Bei diesem Gedanken blieb mir die Luft weg. Wenn Steve wirklich nichts mehr wusste über das, was er war, dann hatte er keine Ahnung, dass er Blut brauchte, und dass er Menschen tötete, während er ihnen das Blut stahl! Er hatte keine Ahnung, was es bedeutete ein Vampyr zu sein! Das hieß, Steve würde von sich aus nie auf die Idee kommen, Blut zu trinken, weil er schlicht nicht wusste, was sein ‚Durst’ zu bedeuten hatte, und wie er ihn stillen konnte. Ich begann wieder zu atmen. All das stimmte natürlich nur, wenn Steve sich nicht erinnerte, beruhigte ich mich. Und das war unwahrscheinlich, ganz sicher. Zumindest versuchte ich mir das einzureden. Denn wenn nicht, dann würde Steve gar nicht wissen, was ihn da überfuhr, wenn der Drang nach Blut zu stark wurde. Dann würde er sicher mehr als einen Menschen töten... Ich überschlug schnell, wie lange Steve jetzt schon aus dem See draußen war. Es war jetzt sicher schon über einen Monat. Ich wusste nicht, in welchen Zeitabständen Vampyre und Halbvampyre Blut brauchten, schließlich tranken sie jedes Mal mehr als ein Vampir, aber langsam würde es doch sicher schon zu merken sein, oder? Vampire brauchten etwa alle ein bis zwei Wochen ein paar Schlucke Blut, ich noch seltener. Steve hatte den anderen Menschen noch keine hungrigen Blicke zugeworfen. Also konnte es noch nicht so schlimm sein. Aber wenn Steve sich noch erinnerte, dann würde er früher oder später verschinden und eine Leiche zurücklassen. Dann wusste ich, woran ich war. Mein ultimatives Indiz. Darauf würde ich warten... *** Den Rest des Nachmittags verbrachte wir weiterhin schweigsam, jeder für sich mit neuem Material zum Grübeln. Ich hatte nicht wirklich das Bedürfnis, an diesem Nachmittag noch etwas anderes zu tun, als hier im Zelt zu sitzen und nichts zu tun, und auch Steve machte keinerlei Anstalten was das betraf. Erst am Abend wieder, als mein Magen sich mit einem leichten Ziehen meldete, schlug ich vor, zum Abendessen zu gehen, wobei mir sofort die seltsame Begegnung mit Steve gestern Abend in den Sinn kam (Warum zum Teufel hatte er mir etwas zu Essen gebracht?!). Steve nickte nur stumm und folgte mir ins Freie. In der ‚Kantine’ angekommen stellte sich mir eine weitere Frage, allerdings eine von viel trivialer Natur: Wo sollten wir sitzen? Das Problem löste sich jedoch ziemlich schnell von selbst, als Arson herüberwinkte und Steve zu sich dirigierte. Pflichtgetreu lief ich einfach hinterher. Es konnte nicht schaden, zu wissen, worüber andere Leute beim Essen redeten, auch wenn es am Ende derselbe Klatsch war, der auch bei meinen Kollegen kursierte. Zu meiner Überraschung war Steve heute auch bei seinen Freunden nicht besonders redselig, auch wenn er sonst bei den Mahlzeiten oft lachte. Den Blicken nach zu urteilen, die der Rest des Tisches mir zuwarf, war es gut möglich, dass das an meiner Anwesenheit lag. Denn wo Steve jetzt meinen Anblick mied, da sahen die Anderen jetzt umso genauer hin. Etwas Prüfendes lag in ihren Augen, als ob sie mich testen wollten. Und im nächsten Augenblick würden sie sich Steve zuwenden und ihn leise etwas fragen, woraufhin er rote Wangen bekommen und noch leiser Antworten würde. Die Fragen schienen definitiv etwas mit mir zu tun zu haben... und nicht mit Steves eventuellen Plänen. Aber die Geheimniskrämerei machte mich irgendwie ärgerlich! Warum wurde ich beobachtet, jede meiner Bewegungen auf die Waagschale gelegt, als ob ich etwas verbrochen hätte?! Nachdem ich ungefähr die Hälfte meines Tellers geleert hatte, hatte ich genug. Mit einem betont falschen Lächeln entschuldigte ich mich, brachte meinen Teller weg, und ging. In diesem Moment war er mir herzlich egal, ob das vielleicht genau die Reaktion gewesen war, die Arson und die anderen provoziert hatten. Vor mich hingrummelnd machte ich mich auf den Weg zur Wäscherei. Erst meine neue ‚Arbeit’, dann das seltsame Gespräch mit Steve am Nachmittag, jetzt diese eigenartige Stimmung... Ich brauchte Ablenkung, und warmes Wasser war auf jeden Fall ein guter Anfang. Nicht mehr weit von besagtem Zelt entfernt hörte ich schnelle Schritte hinter mir näherkommen. „Darren, warte!“ Eindeutig Steves Stimme. Konnte ich jetzt nirgendwo mehr hingehen, ohne dass es mir nachlief? Klar, ich musste ihn beobachten, aber jetzt waren sowieso noch alle beim Abendessen und somit in relativer Sicherheit. Ich beachtete ihn gar nicht und setzte meinen Weg fort. „Darren, bitte... es tut mir Leid, was beim Essen war! Warte doch mal...!“ Ohne im geringsten außer Atem zu sein (natürlich, wofür war man ein übernatürliches Wesen?), kam er bei mir an und lief jetzt neben mir her. Meine Aufmerksamkeit galt immer noch ungeteilt dem Zelt auf dem Weg vor mir. „Entschuldige... sie haben es nicht böse gemeint. Es ist... Weißt du, ich wollte wissen, woher du mich kanntest und hab sie gefragt, weil... ich hab mich nicht wirklich getraut, dich selber zu fragen... und sie denken auch, dass ich in d-“, haspelte er flehentlich, bis er plötzlich abbrach und sein Gesicht, mal wieder, in schönem Rot erstrahlte. Mein Ärger war verflogen. Wie konnte man auch auf jemanden sauer sein, der sich SO bei einem entschuldigte, für etwas wofür er noch nicht mal etwas konnte. Außerdem hatte ich echt größere Probleme als die übliche Neugierde. „Ist schon gut“, meinte ich einfach und sah ihn kurz an, bevor wir die Wäscherei erreichten. Ich trat ohne zögern ein, Steve direkt hinter mir. Es dauerte nicht lange, mir neue Kleider zu besorgen, darin hatte ich inzwischen Routine. Als ich das Zelt verließ wartete ich nicht darauf, ob er mir nachkam. Wenn er wollte, würde er das so oder so tun. Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis sich hinter mit ein weiteres Mal die Zeltklappe hob und er mir nachlief. Schweigend lief er mir nach, bis wir bei den ‚Duschen’ ankamen. Hier im Lager war es üblich, sich im Fluss mit kaltem Wasser zu waschen, aber es gab behelfsmäßige Apperate, die den Duschen ähnlich waren, wie ich sie noch von früher, vor allem aus meiner Kindheit, kannte. Tatsächlich waren es Schläuche, die an Holzpfosten in ungefähr zwei Meter Höhe angebracht worden waren und aus deren Ende ein dicker Wasserstrahl floss, wenn man an der richtigen Leine zog. Es gab keine Brauseköpfe. Ich verstand nicht wirklich, wie der Mechanismus funktionierte, aber ich wollte das ganze ja auch nicht bauen, sondern benutzen. Die ganze Konstruktion erinnerte mich mehr an die Mannschaftsdusche, die ich einmal in dem Fußballstadion gesehen hatte, kurz bevor Allan (oder Tommy?) von Steves Vampyren umgebracht worden war. Nur ohne Wände. Das Wasser musste von den Benutzern selbst erwärmt werden. Dazu stand ein ziemlich großer Kessel über einer Feuerstelle, aus dem alles Wasser bezogen wurde. Nachgefüllt wurde ebenfalls manuell. Alles in allem war der Aufwand, wenn man warmes Wasser wollte, nicht gerade gering. Schon allein deshalb wurde diese Möglichkeit nicht allzu oft genutzt. Aber jetzt war mir das eigentlich ganz recht, würde ich doch meine Aufmerksamkeit endlich anderen Dingen zuwenden können/müssen. Das Wasser im Kessel war angenehm warm, vermutlich noch von unseren Vorgängern, als wir den Platz endlich erreichten. Es war auch noch genug davon da, um sich anständig damit waschen zu können. Wassernachschub konnte ich auch noch später holen. Meine Wechselkleider legte ich in sicherer Entfernung vom Wasser ins Gras und begann mich auszuziehen. Erst die Schuhe, dann das weiche Lederoberteil zusammen mit dem leichten Stoffhemd, dass im jetzt schon fortgeschrittenen Jahr ausgegeben wurde, und zuletzt die Hose und die Gamaschen. Mich fröstelte es ein wenig, so ganz entblößt mitten auf dem grasbedeckten Rondell zu stehen, daher ging ich flotten Schrittes auf die nächstbeste Dusche zu, und griff nach dem zugehörigen Seil, um das Wasser zum fließen zu bringen. „Darren?“, hörte ich eine etwas hilflos klingende Stimme ein Stück weiter rechts. Steve. Immernoch. Tief ausatmend drehte ich mich zu ihm und erstarrte erst einmal. Ich hatte nicht bedacht, was es bedeutete, wenn Steve mir zu den Duschen folgte... Dementsprechend unerwartet traf mich jetzt der Anblick eines vollkommen nackten Steve, der mich aus großen Augen bittend ansah, und offensichtlich keine Ahnung hatte, was er mit den Duschkonstruktionen anfangen sollte. In all den Jahren, die ich ihn verfolgt hatte, um ihn zur Strecke zu bringen, war das, was jedes Mal in meinem Kopf auftauchte, wenn ich an ihn dachte, ein von Hass gezeichnetes Gesicht gewesen, und die paar Male, die ich ihn tatsächlich gesehen hatte, war er immer bekleidet gewesen. Davon abgesehen waren Dinge wie die, die mir jetzt durch den Kopf gingen, zu dem Zeitpunkt nicht relevant in meinem Leben. Steve war in etwa so groß wie ich. Er war schlank und durchtrainiert. Seine Muskeln passten perfekt in das Gesamtbild, nicht zu ausgeprägt und nicht zu schwach, und Figurproblem war vermutlich ein Wort, dass er nicht einmal kannte. Sein Körper war genauso von Narben gezeichnet wie meiner, wenn nicht sogar noch mehr, doch das war seinem Aussehen wahrlich nicht abträglich, sondern definierten ihn sogar noch mehr. Seine Hüften waren schmaler als meine und wenn er sich drehte, dann sah man, wie seine Bauchmuskeln sich unter der glatten Haut bewegten. Seine glatten Haare reichten gerade bis zu seinen Schultern. Später, wenn sie nass waren, würde sie sich sicher weich und glänzend um seinen schlanken Hals legen und... Ich gab mir eine mentale Ohrfeige. Wie kam ich dazu, auf diese Weise SO über Steve nachzudenken?! Für ein paar Sekunden war ich total in meinen Gedanken versunken gewesen, und hatte überhaupt nicht darauf geachtet, was um mich herum geschah. Das durfte nicht passieren, schließlich handelte es sich bei meinem Gegenüber um meinen erklärten Feind, auch wenn dieser sich zurzeit seeehr seltsam benahm. Auch nicht, wenn er nackt vor mir stand und zugegebernermaßen unverschämt gut aussah. „Darren? Zeigst du mir, wie das geht?“ Inzwischen mit einem deutlichen Rotschimmer auf den Wangen drehte sich Steve vollends zu mir um. In diesem Moment wurde mir klar, was es wirklich bedeutete, ab jetzt rund um die Uhr mit Steve zusammen zu sein, auch unter der Dusche... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)