Was wäre wenn... von Zion2nd ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Kapitel 2 Das erste was ich sah, nachdem ich das Zelt, in dem ich jetzt fast eine ganze Woche verbracht hatte, verließ, war eine Zeltstadt an den Ufern des Sees. Aber es waren nicht einfach nur ein paar Zelte, es waren richtiggehend viele und große noch dazu. Sie waren gut befestigt, mit stabilen Holzstangen gestützt und aus Leder gefertigt. Ein ähnliches Leder wie meine Kleidung. Wer auch immer diese Leute waren, sie lebten schon eine Weile hier und hatten vermutlich vor, noch einige Zeit hier zu bleiben. Leute selber sah ich kaum. Ein paar waren am Ufer des Sees zu erkennen, aber sonst waren sie entweder nicht da oder in den Zelten. Es war auch erstaunlich warm hier, obwohl die Sonne noch gar nicht so hoch am Himmel stand. Ein Schubs in den Rücken ließ mich stolpern. Boris hatte mich angestoßen, damit ich mich endlich aus dem Zelteingang bewegte. Wie schon zuvor führte er mich mit einer Hand am Rücken zu einem Zelt, dass sich in meinen Augen kein bisschen von den anderen unterschied. Und schon war ich wieder in einem Zelt. Langsam wurde ich unruhig. Noch immer hatte ich keine Antworten auf meine Fragen und eigentlich auch keine Ahnung warum ich hier war. Und ich wurde von einem Klotz herumgeschoben. Konnte er das nicht endlich lassen? Zu meiner großen Erleichterung und zur Schonung seines sonst gefährdeten Arms ließ er mich los, sobald wir im Zelt waren. Im Inneren befanden sich weitere Personen, alles Männer in mittleren Jahren, kaum welche waren älter oder jünger. Alle waren sie in Leder gekleidet, einige trugen Waffen bei sich. Bei genauerem Hinsehen fiel mir auf, dass sie alle Narben hatten, größere und kleine, manche noch nicht sehr alt. Mit dem Bart, den ausnahmslos alle trugen, wirkten die Männer grob, auch wenn nicht alle die Statur von Boris hatten. Einer der Männer kam auf mich zu. Er sprach mich in derselben Sprache an, die auch mein bisheriger Pfleger gesprochen hatte und ich verstand kein Wort. Nachdem ich keine Reaktion zeigte, wechselte er die Sprache. Ich meinte, ein paar Brocken Französisch, und später etwas anderes zu erkenne, doch auch in diesen Sprachen blieb mir sein Wortschwall unverständlich. Abrupt trat Schweigen ein. Tja, Sprachproblem ungelöst, was tut ihr nun, Leute? Ein weiterer Mann trat vor. Er begann sofort in fließendem Englisch zu sprechen, wenn auch mit einem recht undefinierbarem Akzent. Endlich jemand, den ich verstehen konnte. „Verstehst du mich? Kannst du dich an irgendetwas erinnern aus deinem Leben?“, kamen die Fragen schnell aus dessen Mund. Die letzte Frage irritierte mich zwar ein wenig, aber jetzt konnte ich schließlich meine Antworten bekommen. „Ich verstehe Sie. Wo bin ich hier? Und was wollen Sie von mir?“ Wenn sie mich fragten, dann durfte ich ja wohl dasselbe tun. Und auf die zweite Frage sollte ich vorerst lieber nicht antworten. Es schlich sich ein Lächeln auf das Gesicht des Anderen. „Du verstehst mich also. Das ist gut.“ Dann drehte er sich zu den anderen Männer um und sprach wieder in der seltsamen Sprache, die mir so gänzlich unbekannt vorkam. Sofort begann eine Diskussion. Auch wenn ich nicht wusste, um was es hier konkret ging, sicher war, dass ich Mittelpunkt der Unterhaltung war. Wenige Sekunden später wandte sich der Mann wieder mir zu. „Ich heiße Anton. Ich bin einer der wenigen Heiler hier im Lager, genauso wie Boris; er hat dich in den letzten Tagen betreut.“ Na toll, ein Klotz als Arzt. Das konnte noch heiter werden. „Wir sind hier auf dem europäischen Kontinent, genauer im früheren Deutschland.“ Er warf den anderen im Raum einen Blick zu und sah mich dann halb besorgt, halb neugierig an. „Weißt du, wie du heißt?“ Ich hatte gewusst, dass ich mich hier am See der Seelen befand, aber wo dieser lag was mir bis jetzt unbekannt gewesen. Deutschland also. Ich war sicher schon ein paar Mal durchgereist, früher mit Mr. Crepsley, aber nie lange genug geblieben, um die Sprache zu lernen. Kein Wunder, dass ich nichts verstanden hatte, wenn hier deutsch gesprochen wurde. Eher überraschte mich, dass Anton nichts über den See der Seelen erwähnt hatte. Vermutlich wussten diese Leute hier nicht einmal, was für einen See sie sich hier als Lagerplatz ausgesucht hatten. Als ich das letzte Mal hier gewesen war, hatten Drachen den größten Teil der Weltbevölkerung ausgemacht und nur noch wenige Menschen waren übrig gewesen. Eine weit entfernte Zukunft. Aber Drachen hatte ich hier noch nicht gesehen, wenn es auch unbestreitbar war, dass die Landschaft, die den See umgab, und das Aussehen des Lagers, Ähnlichkeiten mit dieser Zukunft hatten. Vielleicht war das hier ja sogar die Zukunft. Versunken in meinen Überlegungen bemerkte ich nicht, dass Anton mich immer noch erwartungsvoll ansah. Stimmt, er hatte mich nach meinem Namen gefragt. „Ich heiße Darren Shan. Welches Datum haben wir heute?“ Anton sah mich überrascht an. Er wandte sich kurz an die anderen, die nicht minder überrascht aussahen. Anscheinend war dies keine Frage, die man normalerweise so früh stellte. Gut, es dürfte nicht viele andere geben, die auf den Gedanken kämen, sich hier in der Zukunft zu befinden. Einer der Älteren nickte. War er der Anführer? Anton gab mir die Antwort: „Wir wissen nicht, welches Datum genau wir haben. Aber wir glauben, dass dieses Jahr das Jahr 2094 ist.“ Dann wartete er fast schon nervös auf meine Reaktion. Also befand ich mich wirklich in der Zukunft, gar nicht so weit von meiner alten Zeit weg. Ich nickte langsam. „So ist das.“, sagte ich gefasst. Sofort glätteten sich die Züge aller Anwesenden. Sie hatten wohl mit einer heftigen Reaktion gerechnet. Erleichtert sprach Anton weiter: „Ich denke, du wirst dich hier gut einfinden. Wir haben ein Zelt für dich vorbereitet. Einer unserer Leute, Michael, schläft auch dort. Er wird dir das Lager zeigen und dich später in deine Aufgaben einweisen, wenn du wieder vollständig hergestellt bist. Von ihm kannst du auch unsere Sprache lernen; die meisten hier sprechen kein Englisch. Und er wird auch dein Trainingspartner für die nächsten paar Wochen sein. Jeder hier bekommt ein Kampf- und Ausdauertraining. Das klingt jetzt vielleicht hart, aber wir stellen dir soviel Zeit zur Verfügung, wie du benötigst, bis du dich hier eingelebt hast.“ Hier unterbrach er seinen Redefluss. Ich sollte also hier im Lager bleiben und Arbeiten. Kurz war ich geneigt, ihm zu sagen, was ich von seiner Idee hielt (was nicht besonders viel war), aber Training klang gut, und hier zu bleiben war besser als allein durch die Gegend zu streifen. Und es war eindeutig bequemer in einem Zelt zu schlafen, als auf feuchtem Waldboden. Mal abgesehen davon, viel hatte ich ja nicht zu tun, also konnte ich genauso gut hier bleiben, bis ich wieder bei Kräften war. Mit einem Wink seiner Hand rief Anton Boris wieder ins Zelt. Ein paar kurze Sätze später hatte er mich wieder und seine Hand an meinem Rücken. Toll, jetzt ging das schon wieder los. „Ich hoffe, dir gefällt es hier.“, rief Anton mir noch hinterher, dann wurde ich schon grob aus dem Zelt geschoben. Boris bugsierte mich zwischen ein paar Zelten hindurch zu einem, dass sich in keiner Weise von den anderen unterschied und stellte mich davor ab, dann nahm er zum ersten Mal seine Hand wieder weg. Gut für seine Hand. Ich betrachtete das Zelt genauer. Keinerlei Markierung wies auf irgendeine Ordnung hin, es gab nicht mal Erkennungsmerkmale. Wenn ich es jemals wiederfinden wollte, dann musste ich mich auf meinen Orientierungssinn verlassen. Ich drehte mich um und sah Boris an. Dieser grinste mich nur kurz an und verschwand dann in den Zeltreihen. Aha. Dann würde ich jetzt wohl reingehen. Im Zelt standen zwei Pritschen mit je einer kleinen Kiste davor. Das war wohl für unsere Besitztümer, die bei mir noch nicht vorhanden waren. Sonst gab es nicht viel in hier: eine Öllampe, eine weitere Kiste, in der sich Kleider befanden, genau dieselben, wie ich sie schon trug, und ein niedriger Tisch. Alles war entweder aus Holz oder aus Leder. Mein zukünftiger ‚Partner’ war anscheinend noch nicht da. In Ermangelung einer Beschäftigung legte ich mich auf eine Pritsche. Langsam drifteten meine Gedanken ab, zurück zu meinen alten Freunden und zum Berg der Vampire. Was war aus ihnen geworden, nachdem ich im See der Seelen gelandet war? Wer hatte den Krieg der Narben gewonnen? Später, so nahm ich mir vor, wenn ich stark genug war, würde ich zum Berg reisen und dann würde ich es erfahren. Es wurde immer dunkler draußen und ich wurde müde. Man merkte es mir vielleicht nicht an, aber ich war erschöpft. Es würde wohl noch seine Zeit dauern, bis alles wieder beim Alten war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)